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Die Saboteure von Karaltron M Atlan 1 Nr. 261 Die Saboteure von Karaltron von H. G. Francis Das Große Imperium der Arkoniden kämpft um seine nackte Existenz, denn es muß sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums schwer zu schaffen machen. Die inneren Feinde Arkons sind die Herrschenden selbst, deren Habgier und Korruption praktisch keine Grenzen kennen. Gegen diese inneren Feinde ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, bereits mehrmals erfolgreich vorgegangen. Selbst empfindliche Rückschläge entmutigen ihn nicht und hindern ihn und seine Helfer nicht daran, den Kampf gegen Orbanaschol III., den Usurpator, mit aller Energie fortzusetzen. Gegenwärtig ist Atlan allerdings nicht imstande, an diesem Kampf persönlich mitzuwirken. Er und seine engsten Gefährten, zu denen inzwischen auch Mexon, der ehemalige Mondträger, gehört, sind nach wiederholter Gefangenschaft erst wieder auf dem Weg in die Freiheit, das heißt zu ihrem geheimen Stützpunkt Kraumon. Obwohl der Kristallprinz und sein Lehrmeister dupliziert wurden, können die beiden Männer nicht wissen, daß ihre Doppelgänger inzwischen bereits aktiv geworden sind. Die Duplikate kennen keine Gefühle. Sie sind auf Tod und Vernichtung programmiert – sie sind DIE SABOTEURE VON KARALTRON Die Hauptpersonen des Romans: Ermed Trelgron – Kommandant des Stützpunkte Karaltron. Delgola – Trelgrons Frau. Prarak Dreymong – Trelgrons Stellvertreter. Atlan und Fartuloon – Die Saboteure von Karaltron. S. M. Kennon alias Lebo Axton – Der Kosmokriminalist schöpft Verdacht. 1. Ermed Trelgron fuhr erschreckt zusammen, als die Alarmpfeifen aufheulten. Er sprang auf und blickte sich unsicher um. Sekundenlang wußte er nicht, was er tun sollte, denn dies war der erste Alarm, den er auf dem Stützpunkt Karaltron erlebte. Die Tür zu seinem Arbeitszimmer öffnete sich. “Alarm”, sagte Delgola, seine Frau. Trelgron lächelte. Ihr entsetztes Gesicht half ihm, zu sich selbst zu finden und die Situation nüchtern zusehen. “Ja – und?” fragte er und ging an ihr vorbei. “Das ist kein Grund zur Aufregung. Der Stützpunkt ist technisch perfekt ausgerüstet. Nur ein Verrückter kann ihn angreifen.” Sie atmete tief durch, seufzte und nickte. “Du hast recht”, erwiderte sie und folgte ihm über den Flur bis zum Ausgang des Hauses. “Ich war nur etwas durcheinander, weil ich überhaupt nicht damit gerechnet habe, daß hier etwas passieren könnte.” Er blieb stehen und küßte sie flüchtig auf die Wange. “Ich gebe zu, daß ich auch völlig überrascht worden bin”, gestand er ein. “Ich hatte mich bereits damit abgefunden, daß ich den Rest meines Lebens mit Forschungsarbeiten und historisch-analytischen Betrachtungen verbringen würde, aber damit scheint es nun vorbei zu sein.” Er drückte einen Knopf neben der Tür und beendete damit das entnervende Heulen der Alarmanlage. “Es wird Zeit”, sagte er. “Ich muß gehen.” Delgola trat vor die Haustür und blickte in den wolkenverhangenen Himmel hinauf. “Mir ist nicht wohl”, erklärte sie. “Hoffentlich ist die Bewaffnung des Stützpunkts wirklich so gut, wie du behauptest.” “Sie ist es.”

Die Saboteure von Karaltron

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Die Saboteure von Karaltron M Atlan

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Nr. 261 Die Saboteure von Karaltron

von H. G. Francis Das Große Imperium der Arkoniden kämpft um seine nackte Existenz, denn es muß sich sowohl

äußerer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums schwer zu schaffen machen. Die inneren Feinde Arkons sind die Herrschenden selbst, deren Habgier und Korruption praktisch keine Grenzen kennen.

Gegen diese inneren Feinde ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, bereits mehrmals erfolgreich vorgegangen. Selbst empfindliche Rückschläge entmutigen ihn nicht und hindern ihn und seine Helfer nicht daran, den Kampf gegen Orbanaschol III., den Usurpator, mit aller Energie fortzusetzen.

Gegenwärtig ist Atlan allerdings nicht imstande, an diesem Kampf persönlich mitzuwirken. Er und seine engsten Gefährten, zu denen inzwischen auch Mexon, der ehemalige Mondträger, gehört, sind nach wiederholter Gefangenschaft erst wieder auf dem Weg in die Freiheit, das heißt zu ihrem geheimen Stützpunkt Kraumon.

Obwohl der Kristallprinz und sein Lehrmeister dupliziert wurden, können die beiden Männer nicht wissen, daß ihre Doppelgänger inzwischen bereits aktiv geworden sind.

Die Duplikate kennen keine Gefühle. Sie sind auf Tod und Vernichtung programmiert – sie sind DIE SABOTEURE VON KARALTRON …

Die Hauptpersonen des Romans: Ermed Trelgron – Kommandant des Stützpunkte Karaltron. Delgola – Trelgrons Frau. Prarak Dreymong – Trelgrons Stellvertreter. Atlan und Fartuloon – Die Saboteure von Karaltron. S. M. Kennon alias Lebo Axton – Der Kosmokriminalist schöpft Verdacht.

1. Ermed Trelgron fuhr erschreckt zusammen, als die Alarmpfeifen aufheulten. Er sprang auf und

blickte sich unsicher um. Sekundenlang wußte er nicht, was er tun sollte, denn dies war der erste Alarm, den er auf dem Stützpunkt Karaltron erlebte.

Die Tür zu seinem Arbeitszimmer öffnete sich. “Alarm”, sagte Delgola, seine Frau. Trelgron lächelte. Ihr entsetztes Gesicht half ihm, zu sich selbst zu finden und die Situation

nüchtern zusehen. “Ja – und?” fragte er und ging an ihr vorbei. “Das ist kein Grund zur Aufregung. Der Stützpunkt ist

technisch perfekt ausgerüstet. Nur ein Verrückter kann ihn angreifen.” Sie atmete tief durch, seufzte und nickte. “Du hast recht”, erwiderte sie und folgte ihm über den Flur bis zum Ausgang des Hauses. “Ich

war nur etwas durcheinander, weil ich überhaupt nicht damit gerechnet habe, daß hier etwas passieren könnte.”

Er blieb stehen und küßte sie flüchtig auf die Wange. “Ich gebe zu, daß ich auch völlig überrascht worden bin”, gestand er ein. “Ich hatte mich bereits

damit abgefunden, daß ich den Rest meines Lebens mit Forschungsarbeiten und historisch-analytischen Betrachtungen verbringen würde, aber damit scheint es nun vorbei zu sein.”

Er drückte einen Knopf neben der Tür und beendete damit das entnervende Heulen der Alarmanlage.

“Es wird Zeit”, sagte er. “Ich muß gehen.” Delgola trat vor die Haustür und blickte in den wolkenverhangenen Himmel hinauf. “Mir ist nicht wohl”, erklärte sie. “Hoffentlich ist die Bewaffnung des Stützpunkts wirklich so gut,

wie du behauptest.” “Sie ist es.”

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“Bleibt immer noch die Möglichkeit, daß der Angreifer über das bessere Waffensystem verfügt.” “Es gibt noch weitere Möglichkeiten. Der Angreifer könnte schlicht jemand sein, der die

Orientierung verloren hat.” Trelgron lächelte erneut. Er wurde sich dessen bewußt, daß er nun in das Extrem übertriebener

Gelassenheit verfiel. Immerhin trug er die Verantwortung für den Stützpunkt. Sollte wider Erwarten eine Panne auftreten, dann würde er das zu verantworten haben.

Er eilte zu einer Antigravplattform, die zwischen Bäumen und Büschen geparkt war. Dabei schaltete er sein Armbandfunkgerät ein.

“Machen Sie Meldung”, befahl er knapp. “Ein einzelnes Objekt befindet sich im Anflug auf Karaltron”, antwortete der verantwortliche

Offizier der vollrobotisierten Station. “Entfernung etwa dreihunderttausend Kilometer. Auf Funkanruf und -warnung erfolgt keine Antwort.”

Trelgron startete die Plattform. Von seiner Villa bis zum Verteidigungszentrum war es nicht weit. Das Haus des Stützpunktkommandanten lag am Hang sanft ansteigender, bewaldeter Berge. Von hier aus reichte der Blick zur Schärenküste und zum Meer.

Der Stützpunkt war auf dem Kegel eines etwa zehn Kilometer entfernten Berges errichtet worden. Trelgron erreichte ihn in wenigen Minuten. Während der Flugzeit überdachte er seine Lage, und er versuchte zugleich, eine Erklärung für die Situation zu finden, die entstanden war.

Vor etwas mehr als zwei Jahren war er noch ein einflußreicher Mann auf Arkon I gewesen. Das war plötzlich jedoch nicht mehr der Fall gewesen, als er sich erlaubt hatte, dem Imperator einen Rat zu geben.

Trelgron erinnerte sich noch genau an das entscheidende Gespräch. Orbanaschol hatte mit ihm über das Problem “Atlan” diskutiert.

“Die Lösung ist recht einfach”, hatte Trelgron gesagt. “Lassen Sie Atlan nach Arkon kommen, und integrieren Sie ihn hier in das politische Leben.”

Orbanaschol hatte äußerst heftig reagiert, ihn aber dann doch noch weiterreden lassen. “Hier auf Arkon wäre Atlan nur noch halb so gefährlich wie außerhalb Arkons. Der

Untergrundkampf gegen Sie wäre praktisch zu Ende, denn hier hätten Sie ihn voll unter Kontrolle.” An dieser Stelle war das Gespräch mit Orbanaschol zu Ende gewesen. Erst viel später war

Trelgron aufgegangen, warum das so gewesen war. Er war wenige Tage später auf den Außenposten Karaltron versetzt worden und hatte hier Zeit und Gelegenheit, sich intensiv mit dem Schicksal Atlans und dem Werdegang Orbanaschols zu befassen.

An dem Tag, an dem Trelgron die Computerzentrale des Stützpunkts anflog, weil ein Alarm ausgelöst worden war, wußte er fast alles über Orbanaschol. Er wußte, daß dieser auf seine Vorschläge gar nicht hatte eingehen können. Ermed Trelgron zweifelte nicht mehr daran, daß Orbanaschol ein Mörder war, der guten Grund hatte, den Kristallprinzen zu fürchten. Orbanaschol konnte sich keinen Atlan auf Arkon I und auch niemanden leisten, der mit Atlan sympathisierte. Dabei war das bei Trelgron vor zwei Jahren noch gar nicht der Fall gewesen. Der Stützpunktkommandant war erst auf Karaltron zu einem Freund des Kristallprinzen geworden, als er die zahllosen Informationen ausgewertet hatte, die er aus allen Bereichen des Imperiums durch seine Freunde erhalten hatte.

Trelgron landete vor dem Eingangsschott des kuppelförmigen Zentralgebäudes. Die Robotkameras erfaßten und identifizierten ihn. Das Schott öffnete sich. Der Kommandant betrat eine Sicherheitsschleuse. Hier hielt er seine Identifikationskarte vor eine Linse und schob sie danach in ein Kontrollinstrument des Hauptcomputers. Er würde sie erst zurückerhalten, wenn er den Stützpunkt wieder verließ.

Trelgron eilte zur Zentrale. Er war sich darüber klar, daß er sich durch seine ständigen Bemühungen um Informationen

verdächtig gemacht haben konnte. Vielleicht hielt man ihn bei der arkonidischen Abwehr gar schon für einen Atlan-Freund. Doch das war ihm egal. Er glaubte ohnehin nicht daran, daß er noch einmal eine Chance erhalten würde, am Hof von Arkon eine neue Karriere zu beginnen.

Er betrat die Zentrale und nickte den fünf Arkoniden kurz zu, die vor den Kontrollinstrumenten und Waffenleitpulten saßen.

“Noch immer nichts?” fragte er. “Nichts”, antwortete Hor Saran, der ranghöchste Offizier. Er war ein weißhaariger, gedrungen

wirkender Mann, zu dem Trelgron nie echten Kontakt gefunden hatte. Irgend etwas an ihm störte den

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Kommandanten, ohne daß er hätte sagen können, was es war. Trelgron setzte sich in den Sessel des Kornmandanten und berührte einige Tasten. Vor ihm auf

dem Radarschirm erschien der Ortungsreflex des unbekannten Raumschiffs. Trelgron verzichtete darauf, sich von seinen Offizieren die Daten angeben zu lassen. Er informierte sich selbst, indem er die erfaßten Werte direkt vom Computer abrief.

Danach handelte es sich um ein kleines Raumschiff. Es war kugelförmig und hatte einen Durchmesser von nur vierzig Metern. Der Typ war unbekannt. Es näherte sich dem Planeten mit hoher Geschwindigkeit und hüllte sich dabei in schützende Energieschirme. Der Computer zeigte jedoch an, daß diese für die Waffensysteme von Karaltron viel zu schwach waren. Das Schiff konnte mit wenigen Schüssen aus den Energiekanonen erledigt werden. Es flog den Planeten in einer flachen Kurve an. Offensichtlich plante die Besatzung, die Lufthülle von Karaltron als Bremshilfe zu benutzen. Der eingeschlagene Kurs mußte es um den Planeten herum und damit in den Bereich der Hauptwaffensysteme des Mondes bringen.

Ermed Trelgron schüttelte verblüfft den Kopf. “Sie haben keine Chance”, sagte er. “Selbst wenn sich in dem Schiff eine völlig neue Waffe

verbergen sollte, haben sie keine Chance.” Er lehnte sich in den Polstern zurück. “Vernichten”, befahl er. “Vernichten”, bestätigte Hor Saran. Ermed Trelgron empfand nichts bei diesem Befehl. Ihn interessierte nicht, ob sich jemand an

Bord des fremden Schiffes befand. Er hatte versucht, durch Funkwarnungen das Ende abzuwenden. Wenn die Besatzung des Schiffes, welcher Art auch immer sie sein mochte, darauf nicht reagierte, dann gab es nur eine Antwort. Und die wollte er nun geben.

Hor Saran legte einen Hebel um und drückte eine Taste. Trelgron blickte zu einem Bildschirm hinüber, auf dem er einen Teil der Berge sehen konnte. Mitten aus einem Waldgebiet schoß ein armdicker Energiestrahl hervor. Der Blitz erhellte die Landschaft.

Auf einem anderen Kontrollschirm konnte der Kommandant das fremde Raumschiff sehen. Es hatte die Lufthülle von Karaltron fast erreicht und wurde von Satellitenkameras erfaßt. Der Energiestrahl schlug voll in den Schutzschirm und durchbrach ihn. Der untere Teil des Kugelschiffes glühte auf.

Sekundenbruchteile später flammte ein Bildschirm vor Trelgron auf. Gleichzeitig feuerte Hor Saran zum zweiten Mal. Während der Energiestrahl das Raumschiff erreichte und seinen unteren Teil förmlich zerfetzte, erkannte der Kommandant auf dem Bildschirm das Gesicht Atlans.

Das Bild war undeutlich. Streifen und Farbflecken, die durch Empfangsstörungen bedingt waren, verfremdeten das Gesicht. Dennoch gab es für Ermed Trelgron nicht den geringsten Zweifel.

Der Mann in dem Raumschiff, das er zerstören mußte, war Atlan, der rechtmäßige Thronfolger Arkons!

*

“Volltreffer”, stellte Fartuloon sachlich fest. In seiner Stimme klang nicht die geringste Erregung

mit. Er tat so, als sei er überhaupt nicht berührt. Mit beiden Händen klammerte er sich an dem Sessel fest, in dem er saß. Er blickte zu Atlan hinüber, der sich weit vorbeugte und versuchte, das kleine Raumschiff noch näher an den Stützpunktplaneten Karaltron heranzubringen. Einige Instrumente waren ausgefallen. Aus dem Schaltpult vor Atlan stieg eine Rauchfahne auf. Das Schiff schlingerte stark.

“Es wird Zeit”, sagte Atlan, der ebenso ruhig war wie sein bärtiger Begleiter. “Ermed Trelgron läßt nicht mit sich spaßen.”

Er aktivierte das Bildfunkgerät, regulierte es jedoch absichtlich so ein, daß kein klares und störungsfreies Bild gesendet wurde. Er sprach ein paar sinnlose Sätze und schaltete das Gerät danach wieder aus.

“Das sollte genügen”, sagte er und erhob sich. Auch Fartuloon stand auf. Die beiden Männer schlossen die Helme ihrer Raumanzüge und eilten aus der Zentrale. Sie hatten sie gerade verlassen, als das Schiff den nächsten Treffer erhielt. Atlan wurde hochgerissen. Er prallte mit voller Wucht gegen Fartuloon, der vor ihm ging, und schleuderte ihn weit durch den Gang bis an die Außenschleuse. Die Wand neben ihm glühte plötzlich auf, und dann gähnte ein Loch neben ihm. Atlan erfaßte nicht voll, was geschah. Benommen von dem heftigen Zusammenstoß mit seinem Freund, stürzte er zu Boden. Er raffte

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sich wieder auf und kämpfte sich bis zu Fartuloon vor. Dieser erfaßte, wie es um Atlan stand. Kurzentschlossen packte er ihn und zerrte ihn mit sich in die Schleuse. Als sich Sekunden später das Außenschott öffnete, traf ein weiterer Energiestrahl das Schiff. Die beiden Männer wirbelten aus der Schleuse.

Mit hoher Beschleunigung jagten sie in die Atmosphäre von Karaltron hinein. Atlan hatte sich wieder voll gefangen. Er regulierte das Triebwerk seines flugfähigen Raumanzugs neu ein. Fartuloon blieb bei ihm. Die beiden Männer blickten zum Raumschiff zurück, als es explodierte. Zu diesem Zeitpunkt waren sie schon etwa zwei Kilometer von ihm entfernt. Die Kugel verging in einer glühenden Gaswolke. Trümmer wirbelten davon, ohne Atlan und Fartuloon zu gefährden.

Unter den beiden Männern lag ein Kontinent, der sich über mehrere tausend Kilometer hinweg in nordöstlicher Richtung vom Äquatorgebiet bis zum Nordpol hinzog. Atlan und Fartuloon ließen sich mit der höchstmöglichen Geschwindigkeit fallen. Ihr Ziel war es, den Boden schnell zu erreichen, um auf diese Weise einem direkten Beschuß zu entgehen. Die beiden Männer wußten, daß in den zahllosen Bergen mächtige Verteidigungsanlagen versteckt waren, die zentral gelenkt wurden.

Sie schwiegen, bis sie in einem unübersichtlichen Gebiet, in einem Wald, gelandet waren. Von einem Berghang aus konnten sie in ein weites Tal sehen, in dem große Herden antilopenähnlicher Tiere weideten. Atlan öffnete den Raumhelm und atmete tief durch. Fartuloon nahm seinen Helm ab und warf ihn achtlos weg.

“Wir benötigen das Zeug nicht mehr”, sagte er und streifte auch den Raumanzug ab, durch den er sich behindert fühlte.

“Du hast recht”, stimmte Atlan zu. “Wir wollen die Sachen aber verstecken. Es ist nicht nötig, daß wir allzu auffällige Spuren hinterlassen. Die Fluggeräte nehmen wir mit. Und dann verschwinden wir aus dieser Gegend. Es dauert bestimmt nicht lange, bis die Suche nach uns beginnt, und dann müssen wir die vorgesehene Position erreicht haben.”

*

Ermed Trelgron atmete auf, als er die beiden Punkte sah, die sich mit hoher Beschleunigung von

dem Reflex entfernten, den das Raumschiff auf dem Bildschirm erzeugte. Sie bedeuteten, daß der Kristallprinz noch lebte.

“Abschießen?” fragte Hor Saran, nachdem er das Raumschiff mit einem weiteren Schuß zerstört hatte. So war ganz klar, welches Ziel er nun meinte.

Ermed Trelgron schüttelte zögernd den Kopf. “Nein”, erwiderte er. “Das ist nicht notwendig. Er deutete auf den Ortungsschirm. “Die beiden sind

aus dem Schiff entkommen. Ich habe den Eindruck, daß sie mit vollem Bewußtsein das Risiko eingegangen sind, von uns beim Anflug erledigt zu werden. Sie wollten Karaltron erreichen.”

“Den Eindruck habe ich auch”, sagte Hor Saran. “Der Verlust des Schiffes war einkalkuliert.” “Daran gibt es wohl keinen Zweifel. Wir müssen wissen, was diese Aktion zu bedeuten hat.

Deshalb will ich die beiden Männer lebend. Sie brechen sofort mit vier weiteren Männern auf und kassieren die beiden ein.”

“Und wie sollen wir uns verhalten, wenn die beiden Fremden damit nicht einverstanden sind?” In den Augen Sarans blitzte es auf. Spöttisch verzog er den Mund.

“Wenn es zu einer Schießerei kommen sollte, versuchen Sie dennoch, die beiden einzufangen. Ich will sie lebend. Unter allen Umständen. Wie Sie das Problem lösen, ist mir egal. Als geschulter Offizier sollten Sie mit einer solchen Aufgabe fertig werden können. Wenn nicht, dann sagen Sie es mir, damit ich Sie entsprechend zurückstufen kann.”

Die Stimme des Stützpunktkommandanten war eisig und duldete keinen Widerspruch. Hor Saran spürte, daß er zu weit gegangen war. Er grüßte betont exakt und erklärte: “Sie können sich auf mich verlassen.”

Dann eilte er aus dem Raum. Ermed Trelgron blickte ihm nachdenklich nach. Das Gefühl, daß mit diesem Offizier etwas nicht in Ordnung war, vertiefte sich bei ihm. Einem ersten Impuls folgend, wollte er sich der Suchaktion anschließen, doch dann verzichtete er darauf, weil er sich keine Blöße geben wollte.

Hor Saran hatte Atlan nicht erkannt. Dessen war sich Trelgron sicher. Saran hatte von Fremden gesprochen, und das hätte er nicht getan, wenn er den Kristallprinzen auf dem Bildschirm identifiziert

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hätte. “Unterrichten Sie mich, wenn es etwas Neues gibt”, befahl der Kommandant den anderen

Arkoniden im Raum. Er erhob sich und verließ die Station, um zu seinem Haus am Hang zurückzukehren. Delgola saß auf der Terrasse und sonnte sich. Sie tat, als wäre nichts vorgefallen. Er bewunderte

sie wegen ihrer kühlen und überlegten Haltung. Sie glaubte, das Problem, das sich ergeben hatte, sei bewältigt. Und somit hatte sie sich dafür entschieden, ihn nicht mit unnötigen Fragen zu belästigen.

Er ging ins Haus und holte sich ein Getränk, das er mit Eisstücken kühlte. Dann setzte er sich neben sie.

“In dem Raumschiff war Atlan”, sagte er. Sie richtete sich überrascht auf. “Du hast richtig gehört”, bekräftigte er. “Kristallprinz Atlan war in

dem Schiff, das wir abgeschossen haben. Er ist jedoch entkommen. Unverletzt, wie ich hoffe.” Sie schwenkte ihre Liege herum, so daß sie sich aufrichtete und in einen bequemen Sessel

verwandelte. Forschend blickte sie ihn an. “Du hast dafür gesorgt, daß er das Schiff verlassen und landen konnte?” “Ich habe verboten, ihn abzuschießen, als er sich zusammen mit seinem Begleiter aus dem Schiff

rettete”, bestätigte Trelgron. Er trank sein Glas aus und stellte es achtlos auf den Boden. “Jetzt ist ein Suchkommando unterwegs. Es wird ihn und den Begleiter aufgreifen und hierher bringen.”

“Was willst du tun?” fragte sie besorgt. “Ich weiß es nicht.” “Bist du dir darüber klar, wie gefährlich die Situation für uns ist?” “Ich denke schon.” “Wenn du dich auf die Seite Atlans stellst, dann beziehst du klar Front gegen Orbanaschol. Du

glaubst doch nicht, daß du den Zwischenfall geheimhalten kannst?” “Auf keinen Fall”, erwiderte er. “Es gibt zuviele Zeugen. Außerdem hat der Computer ein

elektronisches Protokoll angefertigt, wie es immer in solchen Situationen geschieht. Nein, verschweigen läßt sich die Tatsache nicht, daß Atlan hier ist. Ich muß eine Meldung machen, aber ich werde sie so spät wie möglich abgeben, zumindest nicht, bevor Atlan hier in der Station ist.”

“Und dann?” “Ich weiß es nicht.” Zunächst mußt du wissen, warum Atlan gekommen ist.” “Selbstverständlich. Ich muß mit ihm reden, muß ihm vorsichtig zu verstehen geben, daß ich im

Grunde auf seiner Seite bin, und dann kann ich nur hoffen, daß wir gemeinsam eine Lösung finden.” “Es gibt nur zwei Möglichkeiten”, stellte Delgola nüchtern fest. “Entweder ist Atlan zufällig hier.

Vielleicht hat der Autopilot seines Raumschiffs versagt, oder das Schiff ist aus anderen Gründen in dieses System getrieben worden.”

“Oder?” “Du weißt selbst, was ich sagen will. Oder Atlan ist gekommen, weil der Planet Karaltron eine

wichtige Bastion in dem Defensivgürtel bildet, der den Kern des Imperiums umgibt. Du hast mir einmal gesagt, daß dieser Verteidigungsgürtel selbst für Flotten größerer Art nicht so ohne weiteres zu durchstoßen ist.”

“Das ist richtig.” “Du hast aber auch gesagt, daß Karaltron von allen Stützpunktplaneten dieses Gürtels der

schwächste ist. Wie nun, wenn Atlan das auch weiß, und wenn er gerade deshalb hier wäre?” Ermed Trelgron streckte energisch die Arme aus. “Auf gar keinen Fall kann es so sein”, erwiderte er heftig und unterstrich so seine abwehrende

Geste. “Atlan ist ein Arkonide, und er kämpft für Arkon. Er versucht, seine berechtigten Thronansprüche geltend zu machen. Niemals würde er dabei gegen die Interessen des Imperiums handeln und diesem schaden.”

“Du bist dir dessen ganz sicher?” “Hundertprozentig”, beteuerte Trelgron. “Atlan ist kein Verräter.” “Und wenn er selbst eine Flotte hätte, mit der er nach Arkon vorstoßen will?” Trelgron schüttelte den Kopf. “Wir können dies alles vergessen”, sagte er überzeugt. “Atlan ist kein Feind des Imperiums.

Welche Pläne er auch immer haben mag, sie richten sich mit absoluter Sicherheit nicht gegen die Defensivanlagen auf Karaltron und auf dem Mond dieses Planeten.”

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Sie lächelte entspannt. “Davon bin ich eigentlich auch überzeugt”, erwiderte sie. “Ich wollte nur wissen, wie du denkst.” Er griff nach ihrer Hand. “Wir haben oft genug über den Kristallprinzen diskutiert, Delgola. Ich denke, wir können ihn nun

ganz gut einschätzen.” Ermed Trelgron erhob sich und ging unruhig auf der Terrasse auf und ab. Nur flüchtig

beschäftigte er sich mit dem Gedanken, daß er sich geirrt haben könnte, und daß es vielleicht doch nicht Atlan war, der sich aus dem Schiff gerettet hatte. Wichtiger war ihm die Frage, wie er sich aus der unerwartet entstandenen Situation lösen konnte. Welche Möglichkeiten hatte er, Atlan zu retten und dabei auch selbst zu überleben?

Vorläufig sah er keine. Er blickte Delgola an. Auch für sie trug er die Verantwortung. Er durfte ihr Leben nicht ohne weiteres aufs Spiel setzen.

2. Hor Saran saß neben dem Piloten des Kampfgleiters, mit dem er die Suche nach den beiden

Schiffbrüchigen aufgenommen hatte. Er war ruhig und fast völlig frei von Emotionen, obwohl er wußte, daß er nur noch einige Stunden zu leben hatte. Der ihm bevorstehende Tod berührte ihn nicht.

Sorgen machte ihm nur Rekten Ar, der Mann, der die Maschine lenkte. Ar war ein Arkonide, der ohne jede Einschränkung auf der Seite des Imperators stand, und der kein Wort der Kritik an diesem duldete.

Für Rekten Ar war es ein schwerer Schock gewesen, als Orbanaschol anläßlich der Wiederkehr seiner Thronbesteigung bei der öffentlichen Abstimmung über seine Politik schwer gedemütigt und beleidigt worden war. Mit heimlichem Vergnügen erinnerte Hor Saran sich daran, wie die Worte über die Bildschirme geflimmert waren, die die Wahrheit verkündeten. Orbanaschol war ein Mörder genannt worden, und der unbekannte Intrigant, der den Imperator offenbar bekämpfte, hatte das Wahlergebnis als eine Manipulation bezeichnet.

Rekten Ar war tagelang nicht ansprechbar gewesen, und schließlich hatte er vor allen anderen geschworen, daß er sein Leben geben würde, wenn er den Gegenspieler Orbanaschols entlarven könnte.

“Dazu wirst du keine Gelegenheit mehr haben”, dachte Hor Saran. “Nur weißt du es noch nicht. Im Gegensatz zu mir.”

Der Gleiter näherte sich dem Gebiet, in dem die beiden Schiffbrüchigen gelandet waren. Die Ortungsgeräte des Gleiters arbeiteten. Deutlich konnte Hor Saran die Ortungsreflexe sehen, die anzeigten, wo die Gesuchten sich aufhielten.

Hor Saran wußte, daß es Atlan und Fartuloon waren. Vor zwei Tagen war die Nachricht eingetroffen, daß die beiden Männer kommen würden. Der Alarm hatte Hor Saran daher nicht überrascht, sondern mit tiefer Befriedigung erfüllt. Er hatte ihm angezeigt, daß die Macht, für die er arbeitete, mit absoluter Präzision und Verläßlichkeit vorging. Der Plan erfüllte sich Phase um Phase.

“Da muß es sein”, sagte er, streckte den Arm aus und zeigte auf eine steil aus dem Buschwerk aufragende Felsnadel. “Landen sie hundert Meter davon entfernt auf der Lichtung dort. Wir stoßen dann gemeinsam weiter zu Fuß vor.”

Rekten Ar gehorchte widerspruchslos, obwohl ihm erschien, daß sie auf diese Weise viel zu nah mit dem Gleiter an die beiden gesuchten Männer heranrückten. Er setzte die Maschine ab. Der erwartete Angriff blieb aus.

Hor Saran gab den anderen ein Zeichen. Sie verließen die Maschine und eilten geduckt auf die Felsnadel zu. Als sie nur noch etwa fünfzig Meter davon entfernt waren, blieb Hor Saran stehen und richtete sich auf. Er war ruhig und kalt, so, als ob nichts Besonderes bevorstünde.

“Ar”, rief er. Der Arkonide wandte sich ihm überrascht zu, weil Hor Saran so laut und unvorsichtig war. Hor Saran hob seinen Energiestrahler und schoß. Der Blitz zuckte auf Rekten Ar zu und

durchbohrte ihn. Aus dem Dickicht bei der Felsnadel lösten sich zwei Gestalten. Silbern leuchtete das Haar Atlans

in der Sonne. Hor Saran ließ die Waffe sinken. Er blickte flüchtig zu den beiden anderen Tefrodern, die in

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seiner Nähe standen. Sie hatten ihre Aufgabe erfüllt. Vor Monaten schon waren sie in den Stützpunkt geschleust worden, hatten jedoch nicht das erreichen können, was sie sich erhofft hatten. Nun mußte der Angriff aus anderer Richtung erfolgen.

Als Atlan noch etwa zwanzig Meter von Hor Saran entfernt war, zog er einen Energiestrahler aus dem Gürtel und schoß; ohne ein Wort an den Verbindungsmann zu richten. Er tötete erst Hor Saran, dann die beiden anderen Männer neben ihm. Sie waren weißhaarig und hatten rötliche Augen. Selbst die Computer von Karaltron hatten sich täuschen lassen. Sie hatten diese Männer als Arkoniden eingestuft.

Atlan verzog den Mund, als die Toten auf dem Boden lagen. Er steckte den Energiestrahler in den Halfter zurück und ging dann zum Kampfgleiter weiter. Er drückte einige Tasten am Steuerleitpult, stieg aus und ließ die Maschine allein starten. Der nunmehr vorprogrammierte Autopilot würde sie weit in den Süden führen.

Atlan gab Fartuloon ein Zeichen. Die beiden Männer schalteten ihre Fluggeräte ein, starteten und flogen nach Norden. Als sie sich etwa zehn Kilometer von der Stelle entfernt hatten, an der die Toten lagen, warfen sie alle Apparaturen weg, die geortet werden konnten. Nur die Fluggeräte behielten sie, weil diese ihnen eine hohe Beweglichkeit verliehen.

*

Ermed Trelgron wußte, daß etwas Unangenehmes auf ihn zukam, als sich der Bildschirm

erhellte, und er das düstere Gesicht des Wachoffiziers der Computerzentrale sah. Der Magen krampfte sich ihm zusammen.

“Was gibt es?” fragte er. “Die Verbindung zu Hor Saran war abgebrochen, deshalb habe ich ein Suchkommando

losgeschickt.” “Ja und?” fragte Trelgron ungeduldig. “Reden Sie nicht von Vorbereitungen, die Sie getroffen

haben. Kommen Sie zur Sache.” “Hor Saran und sein Leute sind tot”, berichtete der Offizier. “Atlan und sein Begleiter haben sie

erschossen.” Ermed Trelgron hatte Mühe, sich nichts anmerken zu lassen, wie ihn die Nachricht getroffen

hatte. Er war entsetzt über das, was geschehen war. Mit einem solchen Ausgang der Suchaktion hatte er nicht gerechnet. Ohne zu wissen, was vorgefallen war, ergriff er innerlich augenblicklich Partei für Atlan. Was hatte dieser tun können? Offenbar hatte Hor Saran einen schweren Fehler gemacht. Er hatte Atlan den Eindruck vermittelt, daß es ums nackte Leben ging. Unter anderen Umständen hätte Atlan nicht drei Arkoniden getötet. Davon war Trelgron überzeugt.

Während er blitzschnell über die Zusammenhänge nachdachte, fragte er mit tonloser Stimme: “Atlan? Sie sagten, einer der Schiffbrüchigen sei Atlan? Meinen Sie den Kristallprinzen?”

“Allerdings”, erwiderte der Offizier. “Ich habe mir die Computeraufzeichnung der Bildsendung einige Male angesehen und schließlich nach Aufzeichnungsvergleichen den Computer entscheiden lassen. Dieser hat festgestellt, daß es sich um Atlan handeln muß, berücksichtigt man nur die äußere Erscheinung.

“Das war aufmerksam von Ihnen”, lobte Trelgron innerlich fluchend. Er fragte sich, warum er nicht längst darauf gekommen war, daß eine solche Nachkontrolle durchgeführt wurde. Sie war selbstverständlich und gehörte zum Routinegeschehen. Siedend heiß wurde ihm bewußt, daß er sich noch wesentlich schärfer kontrollieren mußte, wenn er sich nicht verraten wollte.

“Haben Sie Spuren von dem Verräter gefunden?” fragte er. “Wird Atlan weiter verfolgt? Was ist geschehen, nachdem Sie die Toten gefunden haben?”

“Wir haben versucht, Atlan und seinen Begleiter zu verfolgen, aber wir haben die Spur verloren. Die beiden Männer haben sich aller Geräte entledigt, die von uns geortet werden können. Zum Schluß haben sie sogar die Fluggeräte abgelegt.”

“Dann wird es ziemlich schwer werden, sie in der Wildnis aufzuspüren.” “Wir haben die Satellitenbeobachtung eingesetzt und sämtliche technischen Möglichkeiten, die

wir bis fetzt haben, ausgenutzt. Ohne Erfolg.” “Es ist gut”, entgegnete der Stützpunktkommandant. “Ich komme in die Zentrale.” Er schaltete ab. Ermed Trelgron war entsetzt über das Geschehen. Und er fühlte sich schuldig. Nervös erhob er

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sich und verließ sein Arbeitszimmer. Delgola lag wiederum auf der Terrasse. Er informierte sich mit knappen Worten, die nichts über seine Gefühle verrieten. Doch seine Frau kannte ihn.

“Du hast dir nichts vorzuwerfen”, sagte sie. “Du konntest schließlich nicht selbst an der Suchaktion teilnehmen und direkt eingreifen.”

Er wußte, daß sie recht hatte. Als Kommandant mußte er solche Einsätze den weniger ranghohen Offizieren und Mannschaften überlassen.

“Das hat sich geändert”, erwiderte er. “Nach dem Fehlschlag der ersten Aktion kann ich mich direkt einschalten. Ich weiß jedoch nicht, ob ich darüber erleichtert sein soll. Was soll ich tun? Ich kann schließlich nicht zu Atlan gehen, wenn ich ihn gefunden habe, und zu ihm sagen: Ich bin ihr Freund. Ergeben Sie sich, und ich werde dafür sorgen, daß Ihnen nichts geschieht.”

Ihm wurde bewußt, wie seine Situation sich dadurch verändert hatte, daß Atlan in seine unmittelbare Nähe gekommen war. Bisher hatte er mit dem Kristallprinzen sympathisieren können, ohne irgend etwas tun zu müssen. Jetzt aber konnte er nicht mehr passiv bleiben, wenn er sich nicht selbst untreu werden wollte.

“Ich werde Atlan suchen. Selbst mein liebenswerter Stellvertreter Prarak Dreymong kann nichts dagegen einwenden. Da der erste Einsatz gegen Atlan mit einer solchen Katastrophe endete, habe ich ein gutes Motiv, selbst dabei zu sein.” Er nickte Delgola zuversichtlich zu und verließ das Haus. Auf seiner Antigravplattform flog er zur Zentrale hinüber.

Als er die Leitstation des Stützpunkts betrat, kam ihm ein Offizier entgegen. “Atlan und sein Begleiter sind gesehen worden”, berichtete er aufgeregt. “Sie befinden sich eine

Flugstunde von hier entfernt in unübersichtlichem Gelände. Ein einzelner Kampfgleiter mit drei Mann Besatzung hält sich in dem Gebiet auf, beobachtet jedoch nur. Wir wollten eine Entscheidung von Ihnen abwarten.”

“Gut gemacht”, lobte der Kommandant. Er verließ die Zentrale wieder und eilte zu einem Hangar, in dem mehrere Kampfgleiter parkten. Er überlegte, ob er es unter den gegebenen Umständen wagen konnte, allein zu fliegen, hielt sich dann jedoch nicht lange auf, sondern startete kurzentschlossen, bevor einer der Offiziere Fragen stellen konnte. Er beschleunigte die Maschine mit Höchstwerten und jagte sie bis in eine Höhe von viertausend Metern hoch, so daß er eine relativ hohe Geschwindigkeit erreichte. Dabei blieb ihm Zeit, seine Lage noch einmal zu überdenken.

Und plötzlich ging ihm auf, daß alles gar nicht so gefährlich für ihn war, wenn er erfolgreich war. Wenn es ihm gelang, Atlan und seinen Begleiter zu fangen, war alles in Ordnung. Dann hatte er wenigstens drei Tage gewonnen, in denen er weitere Schritte in aller Ruhe vorbereiten konnte.

Gelang ihm jedoch nicht, die Gesuchten in die Hände zu bekommen, dann sanken die Chancen sowohl für ihn wie für Atlan von Stunde zu Stunde. Sie würden den Nullpunkt tangieren, wenn erst einmal Spezialisteneinheiten von Arkon auf Karaltron eintrafen, um die Suche zu übernehmen. Dann war Atlan verloren.

Trelgron erreichte das Zielgebiet schneller als erhofft. Er ließ den Gleiter steil abfallen und fing ihn erst in einer Höhe von etwa zweihundert Metern wieder ab. Längst hatte er die andere Maschine ausgemacht.

Als er mit Hilfe des Bildfunkgeräts Verbindung mit den drei Männern des Suchkommandos aufnehmen wollte, geschah es. Unweit eines kleinen Sees flammte ein Energiestrahler auf. Der Blitz zuckte zu einer Gruppe von Felsbrocken hinüber, die sich zu einer natürlichen Pyramide auftürmten. Trelgron sah, wie das Gestein aufglühte und sich in glutflüssiges Material verwandelte. Flüssige Glut sprühte über die Felsen hinweg und setzte einige Büsche in Flammen.

“Nein”, brüllte Trelgron erregt in sein Mikrophon. “Ich habe befohlen, nicht anzugreifen.” Er sah, daß die Beobachtungsmaschine gelandet war. Zwei Männer eilten geduckt auf den.

dritten zu, der geschossen hatte. In diesem Moment blitzte es zwischen den Felsen auf. Die beiden Männer stürzten zu Boden und blieben liegen. An ihrer Haltung erkannte der Kommandant, daß sie tot waren.

Er ließ seine Maschine zu Boden stürzen. Die Landekufen prallten so hart auf, daß sie zerbrachen, doch das störte Trelgron nicht. Ihm kam es darauf an, mit Atlan zu sprechen.

Er sprang aus dem Gleiter, verfing sich mit dem Fuß in einem Teilstück der zerstörten Kufen und verlor das Gleichgewicht. Er fiel auf die Felsen. Ein stechender Schmerz durchzuckte das Bein. Sekundenlang war er vor Schmerz gelähmt. Vor seinen Augen flimmerte es. Undeutlich erkannte er, daß der dritte von ihm abkommandierte Mann erneut schoß.

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“Nicht schießen”, brüllte er. “Nicht schießen.” Er raffte sich auf, konnte sich jedoch nicht auf den Beinen halten. Er sank wieder auf den Boden.

Mit beiden Händen umklammerte er sein rechtes Knie, in dem etwas zerrissen zu sein schien. Er preßte die Zähne zusammen und richtete sich auf. Voller Sorge sah er sich um. Drüben bei

der Felspyramide brannte es wesentlich stärker als vorher. Aber auch dort, wo der dritte Mann sich verbarg, brannte ein Baum.

Trelgron kroch auf den Händen und dem linken Knie weiter. Das rechte Bein ließ er nachschleifen, doch spürte er, daß es sich allmählich erholte, so daß er sich auch damit abstützen konnte.

Als er etwa zehn Meter weit gekommen war, erreichte er einen von Flechten überwucherten Felsen. Von hier aus konnte er den Mann sehen, der das Feuer eröffnet hatte. Er war tot. Ein Energiestrahl hatte ihn verbrannt.

Tränen der Wut und der Enttäuschung stiegen Trelgron in die Augen. Er richtete sich auf, bis er hinter dem Felsen stand. Mit beiden Händen hielt er sich fest.

“Atlan”, brüllte er. “So hören Sie doch!” Er glaubte unter einigen Bäumen, in einer Entfernung von etwa hundert Metern, zwei Gestalten

zu erkennen, die rasch flüchteten. “Atlan”, schrie er. “Laufen Sie nicht weg. Ich möchte Ihnen helfen. Es ist sinnlos, weiterzufliehen.” Einer der beiden Männer blieb stehen und trat unter einem Baum hervor. Für einige Sekunden

stand er im vollen Sonnenlicht. Weißes Haar umspielte seinen Kopf. Trelgron sah ein scharf geschnittenes, edles Gesicht. Er war sich dessen ganz sicher, daß dies der Kristallprinz war. Er winkte.

“Atlan”, wiederholte er. “Lassen Sie mit sich reden. Ich will Ihnen helfen. Dies ist alles ein schrecklicher Irrtum.”

Eine zweite, ungemein massig wirkende Gestalt trat zu Atlan, ergriff seinen Arm und zog ihn in den Schatten der Bäume zurück.

“Fartuloon”, sagte Ermed Trelgron leise. Die Erkenntnis durchzuckte ihn wie ein Blitz. Dieser Mann neben Atlan konnte nur Fartuloon sein, der ehemalige Leibarzt von Gonozal VII.

Er eilte zu seinem Gleiter zurück. Sein Bein erholte sich zusehends. Die Schmerzen wurden geringer. Ächzend kletterte er in die Flugkabine und versuchte, sie zu starten, doch das Triebwerk sprang nicht an. Trelgron fluchte enttäuscht, testete in aller Eile die technischen Anlagen durch und stellte dabei fest, daß die Maschine bei der harten Landung zu stark beschädigt worden war. Das Antigravaggregat war nicht einsatzbereit.

Ärgerlich über den Zeitverlust stieg Trelgron wieder aus. Er eilte zu dem Gleiter, mit dem das Beobachtungskommando geflogen war. Als er sich durch die Tür in die Kabine beugte, bemerkte er, daß der Pilot den Sicherungsflügel entfernt hatte.

Das war eine Maßnahme, die er getroffen hatte, damit Atlan und sein Begleiter nicht mit der Maschine fliehen konnten. Unter anderen Umständen wäre Trelgron erfreut über die Umsicht dieses Mannes gewesen, nun aber trieb sie ihm den Schweiß auf die Stirn. Trelgron fluchte. Mühsam schleppte er sich zu den Toten hinüber. Das Bein, das sich bereits erholt zu haben schien, schmerzte wieder stärker. Voller Widerwillen durchsuchte er die Uniformen der Getöteten, die fürchterliche Brandwunden davongetragen hatten. Schließlich fand er einen verformten Sicherheitsflügel. Die Hitze hatte ihn untauglich gemacht.

Der Kommandant schüttelte enttäuscht den Kopf. Er kehrte zum Gleiter zurück und mühte sich einige Minuten lang ab, die Stahlplastikverkleidung

aufzubrechen, um das Sicherheitsteil mit einem Kurzschluß zu umgehen, doch er schaffte es nicht. Das Sicherheitsschloß war dazu da, solche Eingriffe praktisch auszuschließen. Trelgron sah schließlich ein, daß seine Mühen vergeblich waren. Er gab auf, lehnte sich im Sessel zurück und tippte müde die Rufdaten der Zentrale in die Tastatur.

Als der Wachoffizier sich meldete, befahl er ihm, ihn abzuholen. Er war froh, daß sein Stellvertreter Prarak Dreymong nicht am Apparat war.

*

Prarak Dreymong war ein hochgewachsener, schlanker Mann mit leicht gebogenem Rücken und

stets herausfordernd vorgestrecktem Kopf. Er war ein tüchtiger Offizier, der es nicht verwinden konnte,

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auf dem Stützpunktplaneten Karaltron Dienst tun zu müssen. Er fühlte sich auf diesen Posten abgeschoben, da er davon überzeugt war, wesentlich wichtigere und schwierigere Aufgaben lösen zu können. Daher war er auch mit sich unzufrieden und reagierte sich häufig genug bei seinen Untergebenen oder auch bei seinem Vorgesetzten Trelgron ab.

Er hielt es für unvertretbar, daß Trelgron als einziger Mann auf diesem Planeten mit seiner Frau zusammenleben durfte, berücksichtigte dabei jedoch nicht, daß der Kommandant die letzten fünfzehn Jahre seiner Dienstzeit in dem Stützpunkt Karaltron verbringen sollte. Trelgron war sich nicht ganz darüber klar, ob Dreymong die Situation nicht so sehen wollte, oder ob er tatsächlich nicht an eine so extreme Entscheidung des Hofes von Arkon glaubte.

Als der Kommandant die Leitzentrale des Stützpunkts betrat, kam ihm Prarak Dreymong entgegen. Trelgron wußte, daß sein Stellvertreter während der letzten Tage in einem abgelegenen Winkel der Welt auf Jagd gewesen war. Er war froh darüber, weil Dreymong sich dadurch nicht früher hatte einschalten können.

Die beiden Männer blickten einander durchdringend an. “Wie ich soeben erfahren habe, ist es Ihnen nicht gelungen, Atlan und seinen Begleiter zu

verhaften”, sagte Dreymong höhnisch. “Ihre Informationen sind richtig”, sagte Trelgron, der seine innere Unruhe hinter einer Fassade

der Gelassenheit verbarg. Er zeigte auf die Tür, zu seinem Arbeitsraum. “Kommen Sie. Ich möchte mit Ihnen über die Lage sprechen.”

Er ging voraus, ohne abzuwarten, ob sein Stellvertreter ihm folgen würde. Er saß bereits in seinem Sessel hinter seinem Kommunikationstisch, als Dreymong eintrat.

“Ich möchte Sie fragen, warum Sie Atlan und seinen Begleiter nicht einfach über den Haufen geschossen haben”, sagte der Stellvertreter. Er setzte sich und schlug in betont lässiger Geste die Beine übereinander.

“Das wäre eine gute Lösung gewesen, meinen Sie?” “Allerdings. Ich verstehe nicht, daß Sie dem Befehl des Imperators in einer so eklatanten Weise

zuwiderhandeln.” “Tue ich das?” “Allerdings. Oder kennen Sie das Wort Orbanaschols nicht: Bringt mir Atlans Kopf?” Trelgron lächelte. Er fühlte sich von Sekunde zu Sekunde sicherer. “Sind Sie sicher, daß der Imperator keine Fragen stellen wird, wenn Sie ihm den Kopf Atlans

präsentiert haben?” Prarak Dreymong merkte, daß er einen Fehler gemacht hatte. Er entgegnete jedoch nichts,

sondern runzelte nur die Stirn und blickte den Kommandanten fragend an. “Atlan und sein Begleiter Fartuloon sind in einer ganz bestimmten Absicht hier”, erklärte Trelgron.

“Diese beiden Männer haben in der Vergangenheit außerordentlich geschickt taktiert, und daher dürfte klar sein, daß sie im Rahmen eines sorgfältig ausgearbeiteten Planes hier auf Karaltron sind.”

“Sie könnten recht haben”, gab Dreymong unbehaglich zu. “Ich habe recht”, behauptete der Kommandant energisch. “Und ich weiß, daß es ein fataler Fehler

wäre, Atlan und Fartuloon einfach zu erschießen. Dann könnten wir ihnen keine Fragen mehr stellen.” “Was gedenken Sie zu tun?” Prarak Dreymong setzte sich etwas weniger aufreizend hin. “Arkon

muß benachrichtigt werden.” Ermed Trelgron zögerte kurz. Dann schüttelte er ablehnend den Kopf. “Noch nicht”, erwiderte er. “Ich will noch ein bis zwei Tage warten. Sollte es mir dann noch nicht

gelungen sein, Atlan zu verhaften, kann ich immer noch Spezialsucheinheiten von Arkon anfordern.” “Sie gehen ein hohes Risiko ein.” “Sie irren sich”, antwortete Trelgron, der nunmehr auch innerlich ruhig und ausgeglichen war.

“Atlan und Fartuloon sind auf recht abenteuerliche Weise zu uns durchgebrochen. Sie haben keine Möglichkeit, Karaltron ohne unsere Hilfe zu verlassen, da sie kein Raumschiff haben. Sie können uns also nicht entkommen. Sie müßten unsere Raumschiffbasis angreifen, aber das wäre ein völlig aussichtsloses Unterfangen.”

Trelgron erhob sich. “Es ist spät”, sagte er. “Morgen setzen wir die Suche fort.” Prarak Dreymong war sichtlich unzufrieden mit dem Verlauf des Gesprächs. Der Kommandant

sah es ihm an. Doch Dreymong schwieg nunmehr. Er neigte leicht den Kopf und verabschiedete sich.

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Trelgron blickte ihm nach, bis er den Raum verlassen hatte.

3. Im Zentrum des arkonidischen Imperiums blickte Lebo Axton mißmutig auf ein

Computerformblatt, das ihm vom vollrobotisierten Verteilerdienst auf den Tisch geschickt worden war. Kennon-Axton hustete. Er hatte sich erkältet, und es ging ihm schlecht. Sein ohnehin schwacher

Körper hatte Mühe, mit der leichten Infektion fertig zu werden. Doch das war kein Grund für den Terraner, seinem Büro im Gebäude des arkonidischen Geheimdiensts fernzubleiben.

Das Formblatt enthielt eine Anfrage eines Stützpunktkommandanten. Der Sonnenträger Ermed Trelgron, Kommandant des Stützpunktplaneten Karaltron, hatte offenbar Schwierigkeiten mit einem seiner Offiziere.

Das Formblatt enthielt einige Informationen, von denen Trelgron nichts wußte. So war darauf vermerkt, daß der Arkonide wegen politischer Unzuverlässigkeit abgeschoben worden war.

Axton las die Angaben mit mäßigem Interesse. Er hatte genügend andere Dinge zu tun, die ihm wichtiger erschienen. Normalerweise gehörten solche Anfragen überhaupt nicht zu seinem Aufgabenbereich. Dazu waren weniger wichtige Mitarbeiter des Geheimdiensts da. In diesem Fall handelte es sich jedoch um einen Offizier eines Planeten, der zu dem lebenswichtigen Defensivgürtel gehörte, der den Kern des Imperiums umgab.

Axton blickte auf. Vor der Tür stand sein Roboter Gentleman Kelly. “Was ist los mit dir?” fragte der Verwachsene. “Warum sagst du nichts?”

“Ich sehe, daß du arbeitest. Das ist Grund genug für mich zu schweigen.” “Wenn du doch öfter zu solchen Beschlüssen kommen würdest, erwiderte Axton seufzend. Er

umriß die Anfrage, die vor ihm lag und fragte dann: “Was sagst du dazu?” “Der Kommandant von Karaltron will sich dafür rächen, daß man ihn abgeschoben hat,

antwortete der Roboter. “Er zieht Erkundigungen über seine Offiziere ein und will Arkon damit beschäftigen.”

“Ein bißchen sehr weit hergeholt”, kritisierte der Terraner. Er hustete hinter der vorgehaltenen Hand. Das Wasser schoß ihm in die Augen, und er mußte einige Male tief durchatmen, bevor er weitersprechen konnte. “Aber das meine ich nicht. Erkennst du nicht, wie verworren und widersprüchlich die Anordnungen des Imperators sind? Er befindet sich auf dem absteigenden Ast.”

“Warum?” “Du kannst also nicht logisch denken”, stellte Axton befriedigt fest. “Das habe ich immer schon

gewußt. Hör zu. Auf der einen Seite schiebt Orbanaschol einen Offizier wegen politischer Unzuverlässigkeit ab. Das heißt, Trelgron hat dem Imperator vermutlich in einer wichtigen Angelegenheit widersprochen. Das werde ich noch herausfinden. Auf der anderen Seite schickt er diesen Offizier auf einen Planeten, der ein Glied in der Verteidigungskette um den Kern des Imperiums darstellt.”

“Eine Kette ist immer nur so stark wie ihr schwächstes Glied”, bemerkte Kelly. “Wie klug du bist”, spöttelte Axton. “Aber du vergißt, daß Trelgron ein Arkonide ist. Du

unterscheidest nicht zwischen politischer und militärischer Zuverlässigkeit. Dennoch hast du nicht völlig unrecht. Ein Mann wie Perry Rhodan oder Atlan wäre nie auf den Gedanken gekommen, Trelgron ausgerechnet auf einen Stützpunktplaneten abzukommandieren.”

“Vielleicht ist Karaltron nicht so bedeutend, wie du dir einbildest, Schätzchen”, erwiderte der Roboter.

Axton blieb gelassen. Er grinste schief. Er fühlte, daß der Roboter absichtlich von der nüchtern-logischen Betrachtung abwich, um ihm einen Gefallen zu tun.

“Es ist wichtig, denn sonst wäre die Anfrage nicht auf meinem Tisch gelandet, stellte er kalt fest. “Und jetzt sei still. Ich habe genug von dir.”

“Darf ich gar nichts mehr sagen?” “Nichts.” “Darf ich singen?” “Wozu?” fragte Axton verblüfft. “Zu deiner Erbauung, Liebling.” Gentleman Kelly gab einige Probetöne von sich. Lebo Axton

preßte sich die Hände an die Ohren. “Still, du Ungeheuer”, schrie er. “Noch einen Ton, und ich schieße dich über den Haufen.”

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“Ehrlich?” erkundigte sich der Roboter, wobei er sich leicht nach vorn beugte, als sei er maßlos überrascht.

“Ganz großes Ehrenwort”, erwiderte der Verwachsene und legte einen Nadelstrahler auf den Tisch. “Ich habe nicht die geringsten Hemmungen, deine Existenz zu beenden, falls du es noch einmal wagen solltest zu singen.”

Er rutschte aus seinem Sessel, faltete den Anfragebogen zusammen und steckte ihn sich in die Tasche. Dann eilte er mit schleifenden Füßen zur Tür.

“Geh zur Seite”, befahl er. “Soll ich dich nicht tragen?” fragte Kelly. “Nein”, schrie Axton wild. “Ich habe den Wunsch, dich für einige Minuten nicht sehen zu müssen.

Zur Seite!” Der Roboter gehorchte und gab dabei Geräusche von sich, die wie ein Seufzen klangen. Lebo

Axton blickte zu ihm auf, fluchte und verließ sein Büro. Mühsam schritt er über die Gänge. Er mußte immer wieder Pausen einlegen, weil er sich schwach fühlte und husten mußte. Bald bereute er, daß er sich nicht doch hatte tragen lassen. Als er das Archiv jedoch erreicht hatte, vergaß er Gentleman Kelly und alle Mühen, die mit seinem schwächlichen Körper verbunden waren. Er vertiefte sich in die Unterlagen, die er über Ermed Trelgron fand. Erst als er sie studiert hatte, wandte er sich dem Karteiauszug über den Offizier zu, um den es ging.

Trelgron fragte nach, was über der Offizier Hor Saran bekannt war. Zunächst fand Axton nichts, was ihm wichtig erschien. Er gewann den Eindruck, daß alles in Ordnung war. Doch dann stellte er fest, daß Hor Saran für einige Monate Dienst auf dem Flottenstützpunkt Travnor getan hatte. Axton erinnerte sich, von Travnor einige Nachrichten erhalten zu haben, die seinen Argwohn erregt hatten. Er las die Dienstberichte Hor Sarans von Travnor durch und stellte dabei fest, daß der Offizier einen Unfall gehabt hatte und dabei mehrere Stunden lang in unwegsamem Gelände auf Travnor zugebracht hatte, das weit außerhalb der Kontrollgebiete lag. Der berichtende Offizier stellte fest, daß Saran nicht eindeutig hatte klären können, was er in dem Gebiet zu tun gehabt hatte. Er schien dieser Tatsache jedoch keine große Bedeutung beigemessen zu haben, da er in dem Bericht weder den Unfall näher schilderte, noch auf diese Unklarheiten weiter einging.

Nachdenklich legte Axton die Unterlagen zurück. Ein bestimmter Verdacht erwachte in ihm. Hor Saran war von Travnor abgezogen und nach Karaltron geschickt worden, und es schien, als sei das auf seinen eigenen Wunsch geschehen. Dabei war der Dienst auf dem einen Stützpunkt ebenso wenig attraktiv wie auf dem anderen.

Axton verließ das Archiv. Er war mit sich zufrieden. Er hatte herausgefunden, daß die Anfrage des Sonnenträgers Ermed

Trelgron offensichtlich berechtigt war. Und er wußte nunmehr, daß Trelgron ein Mann war, den zu beobachten sich lohnte.

*

Ermed Trelgron betrat sein Haus am Hang. Er rief seine Frau, doch diese meldete sich nicht.

Verwundert blieb er stehen. Er hörte eine männliche Stimme. Lächelnd ging er zu einer Tür und öffnete sie.

“Ich ahnte doch, daß du hier bist”, sagte er. Delgola Trelgron lag in einem bequemen Antigravsessel vor einem 3-D-Schirm. “Was siehst du?” fragte er, nachdem er sie mit einem Kuß auf die Wange begrüßt hatte. “Eine Kriminalkomödie”, erwiderte sie gelangweilt. “Sie ist weder lustig noch spannend. Wir

können sie ausschalten.” Sie erhob sich und verließ den Raum zusammen mit ihrem Mann. “Hast du Erfolg gehabt?” “Leider nicht”, antwortete er und führte sie auf die Terrasse hinaus. Er berichtete, was vorgefallen

war. “Wie willst du Atlan finden?” erkundigte sie sich, als sie alles wußte. “Du hast keine andere

Möglichkeit als eine großangelegte Suche mit Kampfrobotern und allen Männern des Stützpunkts.” “Allen auf gar keinen Fall”, entgegnete er abwehrend. “Ich werde nicht so leichtfertig sein, die

Abwehranlagen zu entblößen. Ein Großaufgebot von Kampfrobotern würde die Situation auch nicht verbessern und Atlan vermutlich nicht zur Aufgabe veranlassen. Ich fürchte vielmehr, daß er sich dadurch

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noch mehr in die Enge getrieben fühlen könnte, und daß es dann zu einem für ihn tödlichen Kampf kommt.”

“Hast du einen anderen Plan?” Er hob hilflos die Schultern. “Um ehrlich zu sein, Delgola, ich weiß nicht, was ich tun soll”, erklärte er. “Ich weiß nicht, wie ich

mit Atlan Verbindung aufnehmen kann, ohne daß Dreymong es erfährt.” Schweigend blickte er auf das Meer hinaus. Der einzige Mond von Karaltron stand blaßrot über

dem Horizont. “Vielleicht gibt es eine Möglichkeit”, bemerkte die Arkonidin nachdenklich. “Woran denkst du?” “Ich denke an den Eremiten, von dem wir gehört haben.” Trelgron schüttelte verwundert den Kopf. “Was versprichst du dir von ihm?” “Hilfe”, antwortete sie. “Du weißt, daß ich diesen verschrobenen Arkoniden meine, der in der

Wildnis lebt und behauptet, den Eingang in die harmonische Vollkommenheit der Natur gesucht und gefunden zu haben.”

“Ich erinnere mich an ihn”, erwiderte Trelgron. “Wir dulden ihn auf Karaltron, weil er harmlos ist. Er lebt wie ein Tier in der Wildnis und zeigt glücklicherweise keinerlei Interesse für die technischen Anlagen, für die ich verantwortlich bin.”

“Der Eremit lebt, wie es heißt, mit einem Teil der Tierwelt in einer Art Symbiose. Ich möchte diesen Mann zur Suche nach Atlan veranlassen. Wenn es stimmt, daß er mit den Tieren in einer Symbiose lebt, dann können die Tiere ihm vielleicht auch helfen. Mit ihnen zusammen findet er Atlan vielleicht.”

Der Kommandant zögerte. “Es ist kein Risiko dabei”, drängte Delgola. “Gib mir die Zustimmung, den Eremiten aufzusuchen.

Wenn er einverstanden ist und Atlan findet, haben wir gewonnen. Wenn er ablehnt oder Atlan nicht findet, haben wir nichts verloren.”

“Du hast recht”, sagte er. “Es ist eine Möglichkeit, die wir nutzen sollten.” Sie erhob sich entschlossen und strich sich ihr Kleid glatt. “Ich werde gleich aufbrechen.” “Du hast Zeit bis morgen. In der Dunkelheit wirst du den Einsiedler kaum finden.” “Ich werde es versuchen, Ermed. Je mehr Zeit verstreicht, desto geringer sind unsere Chancen.” Sie lächelte. “Du brauchst kein Angst um mich zu haben. Auf Karaltron gibt es nur wenige wirklich gefährliche

Tiere. Ich werde auf mich aufpassen.” “Also gut”, gab er nach. “Ich bin einverstanden. Es ist vermutlich unsere einzige Chance, Atlan zu

finden und Verbindung mit ihm aufzunehmen.” Die Arkonidin eilte ins Haus und zog sich um. Als sie Minuten später wieder auf die Terrasse

kam, trug sie eine schlichte, strapazierfähige Kombination und einen farbigen Helm, der ihren ganzen Kopf umschloß. Er sollte sie gegen lästige Fluginsekten schützen, die zu dieser Jahreszeit häufig in den Bergen auftraten. Sie verabschiedete sich zärtlich von ihrem Mann und startete wenig später mit einem Kabinengleiter.

Delgola wußte nicht genau, wo sie den Eremiten zu suchen hatte. Sie hatte ihn niemals zuvor gesehen. Von ihren Mann hatte sie gehört, daß er mal in einer Höhle in den Bergen, mal in einer Hütte auf einer der wildreichen Ebenen im Osten und mal auf einem primitiven Floß lebte, auf dem er die Meere überquerte.

Ihr blieb keine andere Wahl, als die Aufenthaltsorte, die von der Stützpunktbesatzung ermittelt worden waren, der Reihe nach abzufliegen. Sie hoffte, den Eremiten in den Bergen zu finden, weil dann die Chance am größten war, daß er Atlan aufspüren konnte.

Die Nacht war hell, da der Himmel frei von Wolken war und das Licht der dicht beieinander stehenden Sterne ungehindert bis zum Boden des Planeten vordringen konnte. Der Mond stieg schnell höher und wurde zusehends heller.

Delgola flog über die Berge hinweg. Sie bewegte sich mit mäßigem Tempo voran. Sie beobachtete das unter ihr liegende Gelände durch die Frontscheibe des Gleiters und hoffte, irgendwo ein Feuer zu entdecken. Gleichzeitig nahm sie die Hilfe der Infrarottaster in Anspruch. Diese zeigten ihr alle

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Wärmequellen auf dem Boden an. Immer wieder erschienen helle Flecken auf dem rötlichen Schirm, aber sie waren zu klein. Sie wiesen nur auf vereinzelte Tiere hin, die sich zwischen den Felsen und unter den Bäumen und Büschen versteckt hielten.

Delgola wartete auf einen großen und auffälligen Wärmebereich, wie er durch eine bewohnte Höhle oder Hütte erzeugt wurde, in der nicht nur ein Mensch, sondern auch noch Tiere gemeinsam lebten.

Die Stunden verstrichen, ohne daß die Arkonidin etwas entdeckte. Geduldig setzte sie die Suche fort, wobei sie sorgfältig abgegrenzte Gebiete abflog, die sie dem

Autopiloten nach und nach anzeigte. Als der Morgen graute, hatte sie ein Gebiet von fast zweihunderttausend Quadratkilometern durchforscht.

Auf einem Berggipfel legte sie eine kurze Rast ein, um in Ruhe zu frühstücken. Von hier aus reichte der Blick weit über die schneebedeckten Höhen benachbarter Berge hinweg. Delgola genoß das Bild ungewöhnlicher Schönheit, während sie aß. Sie war von dem Anblick so überwältigt, daß sie das rhythmische Summen, das aus der Gleiterkabine kam, fast überhört hätte. Schließlich schreckte sie auf und eilte zur Maschine.

Ein Warnlicht über dem Infrarotsucher blinkte auf. Die Arkonidin stellte den Summer ab, als sie feststellte, daß sich auf dem Bildschirm ein faustgroßer Wärmebereich abzeichnete. Das konnte unmöglich ein einzelnes Tier sein. Die Arkonidin schaltete die Fernbeobachtung ein und steuerte die Optiken der Kameras sorgfältig aus, bis sich auf dem Videoschirm ein kleiner Felsabschnitt abzeichnete. Er lag etwa zweitausend Meter unter dem Berggipfel in einem dichtbewaldeten Gebiet, aus dem einige Felsbrocken emporragten, die irgendwann einmal von den Hängen der Berge in die Tiefe gestürzt waren.

“Das muß er sein”, sagte Delgola. Sie stürzte ein erfrischendes Getränk in sich hinein, warf den Becher, aus dem sie getrunken hatte, weg und startete. Doch kaum hatte die Maschine von den Felsen abgehoben, als die Arkonidin sich Vorwürfe wegen ihrer Unachtsamkeit der Natur gegenüber machte. Sie kehrte zum Landeplatz zurück, nahm den Becher auf und legte ihn in einen Abfallbehälter im Gleiter. Und erst jetzt wurde ihr bewußt, daß diese Haltung für das bevorstehende Gespräch mit dem Eremiten wichtig sein konnte.

Sie startete erneut und näherte sich dem georteten Wärmebereich. Bald sah sie, daß unter Bäumen und Büschen zahlreiche Tiere weideten. Es waren Tiere unterschiedlichster Art und Größe. Einige von ihnen hatte Delgola noch niemals in dieser Gegend gesehen, und noch nie hatte sie beobachtet, daß sie sich so dicht beieinander aufhielten, ohne miteinander in Streit zu geraten. Sie wußte, daß sie den Eremiten gefunden hatte. Er mußte irgendwo in der Nähe sein, denn nur er, so meinte sie, konnte für die friedliche Szene verantwortlich sein.

Die Tiere von Karaltron waren überwiegend Vierbeiner, sofern es sich um lebend Gebärende handelte. Unter den Eierlegern gab es Sechs-, Acht- und sogar Zwölfbeiner. Diese Tiere aber waren so klein, daß man sie erst sah, wenn man sie unmittelbar vor sich hatte.

Die Arkonidin landete auf einer kleinen Lichtung. Sie verließ die Maschine und schritt langsam durch das kniehohe Gras auf die Herde zu. Einige Tiere hoben den Kopf und blickten ihr neugierig und ohne jede Spur von Angst entgegen. Delgola bemerkte, daß sie an einem grauen mit Wühlhörnern versehenen Koloß vorbeigehen mußte, der eine Schulterhöhe von mehr als fünf Metern hatte und im allgemeinen als gefährlich galt. Jetzt zog sich das sonst so streitlustige Tier schnaubend und prustend ins Dickicht zurück. Dabei fiel der Arkonidin auf, daß sich noch einige Jungtiere in der Nähe befanden. Daß der Koloß dennoch friedlich blieb, war für Delgola der letzte Beweis dafür, daß sich der Eremit in der Nähe befand. Von ihm mußte der besänftigende Einfluß ausgehen.

Sie ging weiter, bis sie vor dem rötlich schimmernden Eingang einer Höhle stand. Die Reflexe von Flammen tanzten über die Felsen.

“Einsiedler?” rief sie. “Darf ich dich stören?” Die Flammen schienen für einen kurzen Moment einzufrieren. Dann aber tanzten sie mehr noch

als zuvor. Ein verzerrter Schatten glitt über die Felswände, und plötzlich stand eine hochaufgerichtete, dürre Gestalt vor der Arkonidin.

Der Mann überragte sie weit. Er war der größte Arkonide, dem sie je begegnet war. Sein schlohweißes Haar reichte ihm bis zu den Fersen und war mit einem roten Tuchstreifen sorgfältig verflochten. Seine Augen wirkten übergroß. Sie schienen das Feuer aus der Höhle in sich aufgenommen zu haben, denn es schien, als glühten sie von innen heraus. Das Gesicht war alt und von zahllosen Falten zerfurcht. Es war das Gesicht eines weisen und abgeklärten Mannes.

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Sie neigte den Kopf. “Verzeih mir, daß ich deine Ruhe störe”, sagte sie leise. Der Eremit drehte sich um und kehrte in seine Höhle zurück. Sie folgte ihm zögernd über

grobbehauene Stufen in die Tiefe, bis sie in eine Art Gewölbe kam, das überraschend groß war. Auf dem Boden brannte ein Feuer. Die Flammen loderten bis fast zur Decke hoch, als ob sie von einer magischen Kraft angezogen würden. An den Wänden standen einfache Krüge, die mit Früchten gefüllt waren. Delgola erschrak, als sie einen Reißbegk im hintersten Winkel der Höhle liegen sah. Das Raubtier blickte sie mit gelben Augen an. Sein schwarzes Fell schimmerte eigenartig im Licht des Feuers.

“Du brauchst keine Angst zu haben”, sagte der Eremit mit ruhiger Stimme. Sie glaubte ihm, doch die Furcht wich nicht ganz von ihr. Er wies auf einen Holzschemel, und sie setzte sich. Er sank auf den Boden, zog die Beine weit an sich heran und stützte das Kinn auf das rechte Knie.

“Es ist gut, daß du die Reinheit der Natur beachtet hast”, sagte er. “Hättest du es nicht getan, hätte ich dir nicht erlaubt, mich zu finden.”

Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Ihr wurde bewußt, wie oft sie Abfälle einfach von sich geworfen hatte, ohne daran zu denken, was daraus wurde. Sie nahm sich vor, es nie wieder zu tun.

“Was führt dich zu mir, Delgola?” fragte er. “Du weißt, wer ich bin?” “Du bist die einzige Frau auf dieser Welt”, antwortete er. “Sollte mir das nicht bekannt geworden

sein?” Sie konnte sich nicht erklären, wie er ihren Namen erfahren hatte, da er keinen Kontakt mit

anderen Menschen pflegte, doch sie verzichtete auf Fragen, weil es um wichtigere Dinge ging. “Zwei Männer sind mit einem Raumschiff nach Karaltron gekommen”, berichtete sie. “Sie wurden

beschossen, mußten ihr Raumschiff verlassen, konnten sich retten und sind in der Wildnis untergetaucht.”

“Das ist mir bekannt.” “Einer dieser beiden Männer ist Atlan, der Kristallprinz von Arkon. Der andere ist sein Freund

Fartuloon. Beide befinden sich in tödlicher Gefahr, wenn wir sie nicht bald finden. Mein Mann, der Kommandant von Karaltron, will sie retten, und er muß sie in Sicherheit bringen, bevor Spezialsuchtrupps von Arkon hier eintreffen. Dann ist es zu spät für Atlan.”

“Warum willst du Atlan retten?” Sie blickte ihn forschend an. “Weil das Recht auf seiner Seite ist. Er ist ein Verfolgter, der von einem Verbrecher um den

Thron betrogen worden ist. Sein Leben ist bedroht. Ich muß ihm helfen. Ich hasse Orbanaschol, den Mann, der für den Mord an Gonozal VII. verantwortlich ist. Er ist es, der Atlan um jeden Preis töten will, weil Atlan der einzige ist, der ihm die Macht streitig machen kann.”

Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus. Dennoch spürte Delgola, daß sie den Eremiten irgendwie nicht erreichten.

“Darf ich zusehen, wie ein Unschuldiger ermordet wird?” fragte sie schließlich. “Bist du sicher, daß er unschuldig ist?” “Ich bin sicher.” “Er hat viele Männer getötet.” “Er konnte nicht anders”, rief die Arkonidin hitzig. “Die Männer haben auf ihn geschossen. Er

mußte doch annehmen, daß sie ihn töten wollten. Orbanaschol hat den Kopf Atlans gefordert. Wie kann der Kristallprinz da erwarten, daß die Soldaten des Imperators ihn nur in Haft nehmen sollten?

“Hätte er nicht andere Möglichkeiten gehabt, sich zu verteidigen?” “Das glaube ich nicht”, sagte sie leidenschaftlich. “Er hatte keine andere Wahl. Bestimmt nicht.

Mein Mann, der Kommandant, ist entsetzt darüber, daß Hor Saran und die anderen Männer sterben mußten. Er macht sich schwerste Vorwürfe. Gerade deshalb will er Atlan helfen. Er will verhindern, daß noch mehr geschieht, was nicht rückgängig gemacht werden kann.”

“Was verlangst du von mir?” “Man sagt, daß du in Einheit mit der Natur lebst. Dir bleibt nichts verborgen”, antwortete sie nach

kurzem Zögern. “Du kannst Atlan und seinen Begleiter finden.” “Ich kann”, bestätigte der Eremit. “Dann tue es für mich.” Der Einsiedler blickte sie durchdringend an. Sie las die Ablehnung in seinem Gesicht. Sie spürte,

daß diese nicht ihr, sondern Atlan galt. Sie wußte keine Erklärung dafür. Was hatte der Eremit mit dem

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Kristallprinzen zu tun? Was wußte er von ihm? “Du bist gegen diesen Mann”, sagte sie. “Ich bin gegen ihn”, bestätigte der Einsiedler. “Ich bin gegen ihn und seinen Begleiter, der sich

Fartuloon nennt.” Sie wollte Fragen stellen, merkte aber, daß der alte Arkonide nicht bereit war, sie ihr zu

beantworten. “Wenn du ihm und seinem Freund nicht helfen willst”, sagte sie langsam, “dann hilf mir und

meinem Mann. Für uns ist wichtig, daß Atlan und Fartuloon bald gefunden werden. Hilf uns. Bitte.” Der Eremit blickte sie lange an. Delgola glaubte bereits, daß er vergessen hatte, daß sie da war.

Da sagte er plötzlich: “Also gut. Ich werde versuchen, die beiden Männer zu finden. Sobald ich weiß, wo sie sind, gebe ich dir ein Zeichen.”

“Danke”, sagte sie. Sie erhob sich und zog sich langsam aus der Höhle zurück. Der Eremit blieb am Feuer sitzen und

blickte starr gegen die Felswand. Die Reflexe der Flammen tanzten auf seinem Gesicht. Delgola fürchtete sich plötzlich. Der Eremit wußte mehr als sie. Er wußte etwas über Atlan und seinen Freund, was er ihr verschwieg. Sie fragte sich, was es sein mochte.

Sie hatte die Stufen erreicht und hastete sie nun hoch. Ihr war, als müsse der unwirkliche Friede, der über diesem Gebiet lag, in den nächsten Sekunden zu Ende sein, als käme es darauf an, daß sie diese Zeit nutzte, um sich in Sicherheit zu bringen.

Als sie im Freien war, beruhigte sie sich wieder etwas. Sie sah die Tiere, für die sie nicht zu existieren schien. Sie ästen weiter, als wüßten sie genau, daß es keine Gefahr für sie gab.

Delgola ging langsam an ihnen vorbei. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Als sie sich einmal umwandte, bemerkte sie, daß der Reißbegk im Eingang der Höhle stand. Das Raubtier gähnte und zeigte ihr dabei sein schreckliches Gebiß.

4. “Erlauben Sie, daß ich eintrete?” fragte Prarak Dreymong. Das Licht der aufgehenden Sonne schien ihm ins Gesicht und ließ sein Haar rötlich erscheinen.

Er stand auf der Terrasse. Ermed Trelgron ging ihm entgegen und begrüßte ihn. “Kommen Sie in den Salon”, sagte er. “Sie sind mir willkommen.” Der Stellvertreter des Kommandanten betrat das Haus, ging zu einem Sessel und setzte sich. “Was führt Sie zu so früher Stunde zu mir?” “Sie haben zwei Tage verstreichen lassen, ohne etwas zu unternehmen”, antwortete Dreymong. “Das ist nicht wahr”, protestierte Trelgron. “Ich habe zwölf Suchtrupps zu je sechs Robotern

ausgeschickt.” “Ohne Erfolg.” “Das ist richtig. Die Kampfmaschinen haben bis jetzt noch keinen Erfolg gemeldet, aber das will

nichts besagen. Karaltron ist groß. Die beiden Gesuchten können überall sein.” Dreymong verzog die Lippen. “Ich denke es ist an der Zeit, offen zu Ihnen zu sein”, erklärte er nunmehr mit unverhohlener

Feindschaft. “Ich fordere Sie auf, Arkon unverzüglich zu verständigen und Spezialisten von dort anzufordern. Geben Sie die Verantwortung ab.” Trelgron setzte sich ebenfalls. Er ließ sich nicht anmerken, wie es in ihm aussah.

“Das war deutlich”, entgegnete er. “Sie drohen mir also.” “Ich würde es nicht so nennen”, sagte Dreymong ausweichend. “Ich stelle nur klar, daß ich mich

gezwungen sehe, mich strikt an meine Dienstanweisungen zu halten. Wenn Sie darin einen Widerspruch zu Ihrer Haltung sehen, ist das nicht meine Schuld.”

“Fein ausgedacht”, erwiderte Trelgron. Er suchte Zeit zu gewinnen, wußte aber nicht, was er tun sollte. Dreymong war im Recht. Vor zwei Tagen war Delgola von dem Eremiten zurückgekehrt. Ihre Hoffnung, daß sie bald etwas von ihm hören würden, hatte sich nicht erfüllt. Nun konnte Trelgron die Entscheidung nicht noch länger vor sich her schieben, ohne Argwohn zu erregen.

“Nun gut,” sagte der Kommandant, nachdem er mehrere Minuten nachgedacht hatte. “Ich gebe zu, daß wir tatsächlich nicht mehr länger warten dürfen. Informieren Sie Arkon, und fordern Sie

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Spezialeinheiten an. Wir müssen Atlan und Fartuloon finden und unschädlich machen.” Er hob bedauernd die Schultern. “Schade”, fügte er hinzu. “Ich hatte gehofft, daß wir uns auszeichnen können. Daraus ist nichts

geworden. Also wird weder Ihre noch meine Karriere neue Impulse erhalten.” “Darauf kommt es mir nicht an”, erklärte Dreymong hochmütig. Trelgron wußte, daß er log. Er

lachte seinem Stellvertreter ins Gesicht. “Ich weiß, daß Sie sich stets peinlich genau an die Wahrheit halten”, entgegnete er. “Das

bewundere ich so an Ihnen.” Dreymong erhob sich. “Dann kann ich wohl gehen?” fragte er. “Das erwarte ich sogar”, antwortete der Kommandant. “Sie werden sich daran erinnern, daß ich

Ihnen den Befehl erteilt habe, Arkon zu informieren. Wie lange wollen Sie noch warten, bis Sie ihn ausführen?”

Die beißende Ironie in den Worten Trelgrons traf Dreymong an seiner empfindlichsten Stelle. Er grüßte militärisch exakt und eilte aus dem Haus. Trelgron ging ihm langsam nach. Er erreichte die Terrasse erst, als sein Stellvertreter bereits auf einer Antigravplattform zur Schaltzentrale von Karaltron hinüberflog.

“Bist du nicht ein wenig unvorsichtig gewesen?” fragte Delgola mit sanfter Stimme. Sie trat von hinten an ihn heran und legte ihm die Hände auf die Schultern.

“Du hast uns gehört?” “Ihr habt nicht gerade leise gesprochen.” Trelgron lachte. “Das ist mir gar nicht aufgefallen.” Er wurde wieder ernst. Er drehte sich um und zog seine Frau

an sich. “Ich fürchte, Atlans Chancen sind vertan. Wenn die Spezialeinheiten hier sind, und das wird spätestens morgen sein, ist alles vorbei. Dann kann Atlan keinen einzigen Schritt auf diesem Planeten tun, ohne dabei beobachtet zu werden. Seine einzige Chance wäre, sich in einer tiefen Höhle zu verstecken, aber auch da wäre er nicht wirklich sicher.”

“Sind diese Spezialisten wirklich so gut ausgerüstet?” fragte sie zweifelnd. “Noch besser. Sie schießen Satelliten in die Umlaufbahn, die mit den leistungsfähigsten

Suchgeräten versehen sind, die es im Imperium gibt. Damit kann man eine mehrere Tage alte Fußspur eines Mannes aufspüren. Man könnte ein Tier, das nicht größer ist als meine Faust, in unwegsamem Gelände finden. Wo auch immer Atlan und Fartuloon sind, sie haben Spuren hinterlassen. Diese werden den Spezialisten nicht entgehen, es sei denn, daß wolkenbruchartige Regengüsse sie bis morgen verwischen.”

Delgola blickte zum wolkenverhangenen Himmel hinauf. “Es sieht nach Regen und Sturm aus”, stellte sie fest. “Das könnte noch eine gewisse Chance bedeuten”, sagte Trelgron. “Aber groß ist sie wirklich

nicht.” Delgolas Augen weiteten sich. “Was hast du?” fragte ihr Mann erschreckt. Er fuhr herum und blickte ebenfalls zu den Wolken

hoch. Ein riesiger Raubvogel stürzte sich auf das Haus herab. Er hatte eine Flügelspannweite von wenigstens vier Metern. Das konnte der Arkonide sehen, als der Vogel wenige Meter über ihm die Flügel ausbreitete und seinen Sturz abfing. Alles war so schnell gegangen, daß der Arkonide und seine Frau nicht mehr flüchten konnten.

Der Vogel landete mit kräftigen Flügelschlägen auf der Terrasse und gab ein gedämpftes Krächzen von sich. Delgola flüchtete ins Haus, Trelgron blieb stehen. Er hatte noch nie einen solchen Wolkenadler in dieser Gegend gesehen. Tiere dieser Art waren auf einem anderen Kontinent zu Hause, der Tausende von Kilometern im Westen lag.

Plötzlich fiel dem Kommandanten ein Lederband auf, das der Vogel am rechten Bein trug. “Eine Botschaft des Eremiten”, rief er erregt. “Delgola, sieh doch.” Sie blieb im Schutz des Hauses. “Du mußt es ihm abnehmen”, sagte sie mit bebender Stimme. “Ein verdammt schlechter Scherz des Eremiten. Es ist wahrhaftig kein Vergnügen, einem solchen

Raubtier unter den Schnabel zu kriechen und sich an seine Klauen heranzuwagen.” Der karaltronische Wolkenadler war fast so groß wie der Arkonide. Trelgron zweifelte nicht daran,

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daß das Tier ihn mit einem einzigen Schnabelhieb erledigen konnte, wenn es wollte. Hatte der Eremit aber einen Boten geschickt, von dem tatsächlich eine tödliche Gefahr ausging? Oder wußte der Einsiedler, daß nichts geschehen konnte? Trelgron blickte sich flüchtig um. Er hielt es für möglich, daß der alte Arkonide irgendwo in der Nähe zwischen den Felsen steckte und ihn mit heimlichem Vergnügen beobachtete. Er preßte die Lippen zusammen. Wenn er wissen wollte, wo Atlan war, dann mußte er das Risiko eingehen.

“Delgola”, rief er mit heiserer Stimme. “Nimm eine Waffe. Falls das Biest mich angreift, mußt du schießen.”

“Ich habe schon einen Strahler in der Hand”, antwortete sie. Er sah, daß sie die Wahrheit sagte, beugte sich vorsichtig nach vorn und griff langsam nach dem

Bein des Riesenvogels. Dieser wich mit flatternden Flügeln zurück, blieb dann jedoch ruhig stehen, als Trelgron es erneut versuchte. Die Augen des Arkoniden tränten vor Erregung. Er war fast blind. Schließlich tastete er sich mit beiden Händen vor, bis er das Lederband zwischen seinen Fingern fühlte. Er löste es so behutsam ab, daß der Vogel nicht abermals erschrak. Dann zog er sich eilig zurück.

Der Adler öffnete den Schnabel und gab eine Reihe von abgehackten, harten Lauten von sich. Sie hallten von den Bergen wider. Es klang, als ob das Tier lachte. Dann hüpfte es bis an den Rand der Terrasse, stieß sich mit den Füßen ab, glitt den Hang hinunter und schraubte sich schließlich mit kräftigen Flügelschlägen in die Höhe.

“Gib mir den Streifen”, bat Delgola. Sie nahm ihrem Mann das Leder aus den Händen und rollte es auseinander.

Nur ein einziges Wort war darauf verzeichnet: “Komm!” “Er hat Atlan gefunden”, rief sie erregt. “Er hat es geschafft.” Trelgron atmete einige Male tief

durch. “Du mußt das übernehmen”, sagte er. “Ich kann hier nicht weg, ohne daß Dreymong mißtrauisch

wird.” “Das war mir von Anfang an klar”, erwiderte sie. “Du kannst dich auf mich verlassen.” Sie wollte bereits zu ihrem Kabinengleiter eilen, doch er hielt sie zurück. “Nicht so schnell. Erst müssen wir uns darüber einig werden, was mit Atlan geschieht, und wo wir

ihn verstecken können.” “Das kannst du dir in aller Ruhe überlegen, während ich zu ihm fliege. Ich muß erst mit ihm

reden. Wir haben bis morgen Zeit. Bis dahin mußt du ein Versteck gefunden haben, auf das auch die Spezialisten von Arkon nicht kommen.”

Sie lächelte ihm aufmunternd zu, lief zum Gleiter und startete, ohne ihm Gelegenheit zur Widerrede zu geben. Er ließ sich in einen Sessel sinken und blickte ihr nach.

Er war an einem Punkt angelangt, an dem er eine Entscheidung treffen mußte, die keine Ausflüchte und keinen Rückzug mehr zuließ. Versteckte er Atlan, dann hatte er sich damit absolut eindeutig gegen Orbanaschol gestellt. Von diesem Moment an gehörte er zu den aktiven Widerstandskämpfern gegen den Imperator. Damit ging es nicht mehr nur um Karriere und Ansehen, sondern um sein Leben und das von Delgola.

Trelgron wurde sich dessen bewußt, daß er dieser Entscheidung bis jetzt ausgewichen war. Er erhob sich und ging bis an den Rand der Terrasse. Von hier aus konnte er bis in den Talgrund

sehen. Das Gelände fiel steil ab. Trelgron war, als ob er an einem Abgrund stand, vor dem es keine Rettung mehr gab.

“Noch hast du die Möglichkeit, Atlan zu verhaften und ihn Orbanaschol zu präsentieren”, sagte er nachdenklich. “Noch ist es nicht zu spät.”

*

Als Delgola das Tal des Eremiten erreichte, fiel ihr die Stille auf. Wenig später merkte sie, daß sie

nicht ein einziges Tier sehen konnte. Wo vor zwei Tagen noch ganze Herden gewesen waren, herrschte nun Leere.

Angst überfiel sie. Sie fragte sich, ob der Einsiedler sie betrogen und getäuscht hatte. Sie landete den Gleiter direkt vor dem Eingang der Höhle, sprang aus der Maschine und lief auf die Höhle zu. Plötzlich glitt aus dem Dunkel ein Reißbegk auf sie zu. Sie blieb wie angewurzelt stehen. Sie war unfähig, sich zu bewegen. Die gelb glühenden Augen schienen sie zu hypnotisieren.

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Ein leises Lachen ertönte hinter ihr. “Hast du Angst vor dem Alten?” fragte eine männliche Stimme. Die Arkonidin fuhr herum. Der Eremit stand vor ihr und blickte lächelnd auf sie herab. Er

schüttelte den Kopf. “Er tut dir nichts.” “Ich dachte, du wärest nicht mehr hier”, sagte sie atemlos. “Ich habe auf dich gewartet”, entgegnete er ruhig. “Dein Mann hat es also gewagt, dem

Wolkenadler das Lederband abzunehmen. Er ist ein mutiger Mann. Hoffentlich bleibt ihm auch das Glück treu.”

“Wo ist Atlan?” fragte Delgola ungeduldig. Sie wollte nicht über ihren Mann sprechen, und auch nicht über sich selbst, denn sie fürchtete, daß sie dabei Schwächen offenbaren würde, die sie lieber vor dem Eremiten verbergen wollte.

Der alte Arkonide deutete auf den Gleiter. “Steig ein. Ich werde dir zeigen, wo Atlan und sein Freund sind.” Sie zögerte. Würde der Eremit, der sich bewußt von allem technischen Gerät gelöst hatte, mit ihr

fliegen? Sie konnte es sich kaum vorstellen. Um so überraschter war sie, als er zu ihr in die Maschine stieg und sich dabei so sicher verhielt, als sei das ganz selbstverständlich. Sie startete und ließ den Gleiter langsam aufsteigen. Der Eremit zeigte nach Süden. Delgola beschleunigte. Sie verzichtete auf Fragen, da sie sich sagte, daß der Alte sich schon melden würde, wenn sie in falscher Richtung flog. Sie war sich ganz sicher, daß er sie an ihr Ziel bringen würde, denn welchen Grund hätte er haben sollen, sie in die Irre zu führen?

Als sie eine steil aufsteigende Felswand passiert hatten, zeigte der Einsiedler nach Osten. Hier lag ein tiefer Bergeinschnitt vor ihnen. Die Arkonidin lenkte die Maschine hinein.

“Da ist es”, sagte der Alte wenig später. “Dort drüben, wo der Felsen wie ein Dach weit vorspringt. Von oben sind die beiden Männer nicht zu sehen. Du wirst sie erst bemerken, wenn du gelandet bist.”

Delgola lenkte den Gleiter zu einem kleinen Plateau, das etwa zweihundert Meter von der bezeichneten Stelle entfernt war. Sie wollte sich Atlan und Fartuloon nicht allzu sehr mit dem Gleiter nähern, damit sie sich nicht bedroht fühlten. Nun trennten Geröll, aufgetürmte Felsbrocken und buschartige Kriechgewächse die Arkonidin noch von ihrem Ziel. Sie öffnete die Tür und stieg aus. Auch der Eremit verließ die Maschine.

“Geh nur”, sagte er. “Du wirst die Gesuchten dort finden.” “Danke”, erwiderte sie schlicht, nickte dem Alten zu und lief los. Wenige Meter weiter fiel ihr ein,

daß sie noch etwas fragen wollte. Sie wandte sich um. Der Eremit war verschwunden. Der Gleiter stand allein auf dem Plateau. Der Einsiedler hätte wenigstens vierzig Meter zurücklegen müssen bis zu einem der Felsen, hinter denen er sich verbergen konnte. So weit konnte er aber in den wenigen Sekunden nicht gekommen sein.

Verwirrt und beunruhigt kehrte Delgola zum Gleiter zurück. Sie umkreiste ihn, weil sie glaubte, daß der Alte dahinter stand. Aber der Eremit war nicht mehr da. Es war, als habe er sich in Luft aufgelöst.

Die Arkonidin versuchte, das Rätsel zu lösen. Doch als es ihr nach einigen Minuten noch nicht gelungen war, verdrängte sie alle Fragen und machte sich wieder auf den Weg zu Atlan.

*

Als sie um einen Felsbrocken herumging, sah Delgola die beiden Männer. Sie hielten sich unter

dem weit vorspringenden Felsdach versteckt. Fartuloon lag auf dem Boden. Atlan kniete neben ihm. Sie erkannte ihn sofort wieder, da sie zahlreiche Bilder von ihm gesehen hatte. Er war es wirklich.

Sie näherte sich den beiden Männern vorsichtig, wobei sie zunächst jedes Geräusch vermied. Erst als sie nur noch etwa dreißig Meter von ihnen entfernt war, räusperte sie sich. Doch weder Atlan noch Fartuloon hörten sie.

Delgola sah jetzt, daß der Kristallprinz an dem Freund herumhantierte und weiße Tücher auf dessen Hüfte legte.

“Atlan”, rief sie. Der Kristallprinz fuhr unglaublich schnell herum. Er warf sich zur Seite. Plötzlich erschien ein

Energiestrahler wie hingezaubert in seiner Hand.

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“Nicht schießen”, bat Delgola hastig und hob die Arme, um ihm zu zeigen, daß sie nicht bewaffnet war.

Atlan erhob sich langsam, wobei er sie ständig im Auge behielt und die Waffe unablässig auf sie richtete.

“Ich bin wirklich unbewaffnet”, beteuerte die schöne Arkonidin. Sie schritt auf die beiden Männer zu.

Fartuloon richtete sich ächzend auf und zog sich hinter einen Felsen zurück. Delgola sah, daß er dort einen Energiestrahler aufnahm. Atlan schien sie plötzlich nicht mehr zu sehen. Er lehnte sich mit dem Rücken an den Felsen und suchte mit den Augen die Umgebung ab.

“Sie können mir glauben, Atlan”, sagte sie. “Ich bin nicht bewaffnet, und ich bin allein gekommen. Ich muß mit Ihnen reden.”

Sie konnte seine Vorsicht verstehen. In seiner Lage hätte sie nicht anders gehandelt. Nach den Vorfällen der letzten Tage hätte sie auch nicht an ein freundschaftliches Verhandlungsangebot, sondern an eine Falle geglaubt.

Sie ließ die Arme sinken und wartete ab, bis sich die Haltung der beiden Männer entspannte. “Was wollen Sie von uns?” fragte Atlan. “Wie haben Sie uns gefunden?” “Das sind zwei Fragen auf einmal. Zunächst, gefunden habe ich Sie mit Hilfe eines Eremiten,

dem nichts verborgen bleibt, was auf Karaltron geschieht.” Sie wußte, daß diese Behauptung übertrieben war, aber sie dachte, es könne nichts schaden, sie dennoch aufzustellen. “Nachdem ich Ihr Versteck nunmehr aufgespürt habe, möchte ich Ihnen sagen, daß mein Mann und ich Ihnen helfen wollen.”

“Ihr Mann?” fragte Atlan argwöhnisch: “Wer ist das?” “Der Stützpunktkommandant Ermed Trelgron.” Fartuloon lachte abfällig. “Für wie dumm halten Sie uns? Die Soldaten Ihres Mannes haben uns immerhin angegriffen.

Dabei hat es Tote gegeben. Ich wurde verletzt. Und Sie behaupten, das alles sei nur der Versuch gewesen, uns zu helfen.”

“Das ist nicht richtig”, erwiderte Delgola geduldig. “Alles war von Anfang an ein Mißverständnis. Mein Mann hatte befohlen, Sie lebend zu fangen. Die Soldaten haben von sich aus das Feuer eröffnet.”

“Das alles sollen wir glauben?” fragte Atlan. Er schob seinen Energiestrahler in den Halfter am Gürtel zurück.

“Ich bitte Sie darum”, sagte die Arkonidin. “Mein Mann ist ein Gegner Orbanaschols. Das ist der Grund dafür, daß er hierher abkommandiert wurde. Er ist Ihr Freund, Atlan, und er möchte Ihnen wirklich helfen. Er hat jedoch nicht mehr viel Zeit, da er gezwungen war, Arkon zu informieren. Spätestens morgen werden Spezialeinheiten hier sein und den gesamten Planeten absuchen. Dann haben Sie keine Chance mehr. Man wird Sie finden und gnadenlos töten, wie es Orbanaschol befohlen hat.”

Atlan und Fartuloon blickten sich kurz an. Der Mann mit dem blankgewetzten Brustpanzer und dem breiten Gürtel mit dem Schwert daran nickte dem Kristallprinzen zustimmend zu.

“Spezialeinheiten?” fragte Atlan. “Und von heute an auch Robotsuchkommandos”, fügte Delgola hinzu. “Ich weiß nicht, was Sie

vorhaben, und warum Sie überhaupt nach Karaltron gekommen sind, aber ich weiß, daß Sie keine Aussichten haben, diesen Planeten lebend zu verlassen, wenn Sie mir nicht vertrauen.”

“Wo auch immer wir uns verstecken, man wird uns finden?” fragte Fartuloon. “Das ist absolut sicher”, beteuerte sie. Der Freund Atlans lachte auf, verstummte aber schon wenig später wieder und stemmte sich die

Hand mit schmerzverzerrtem Gesicht in die Hüfte. “Warum will Ihr Mann uns dann zu sich holen?” fragte er ächzend. “Warum will er das tun, wenn

er damit rechnen muß, daß man uns doch findet? Dann ist er auch erledigt.” “Das stimmt”, sagte Atlan und blickte Delgola forschend an. “Sie lügen. Sie haben Angst, daß

noch mehr Soldaten sterben könnten. Oder vielleicht gibt es gar keine Soldaten mehr? Vielleicht sind Sie mit Ihrem Mann allein auf diesem Planeten?”

“Sie enttäuschen mich, Atlan. Sie wissen, daß dies ein Stützpunktplanet ist. Man hat Sie bei Ihrem Anflug auf Karaltron über Funk darüber informiert. Also wissen Sie auch, daß noch wenigstens zweihundert Offiziere und Mannschaften hier sind.”

Der Kristallprinz lächelte plötzlich. “Sie wissen es also”, sagte sie mit belegter Stimme.

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“Ich mußte wissen, ob Sie einen Trick mit mir versuchen”, erklärte er. “Jetzt glaube ich Ihnen. Dennoch möchte ich wissen, warum Sie und Ihr Mann sich unter den gegebenen Umständen Gedanken um unser Schicksal gemacht haben.”

“Um ehrlich zu sein: Ich habe noch gar nicht darüber nachgedacht, wo wir Sie und Ihren Freund verstecken können”, antwortete sie zögernd, “aber wir werden einen Weg finden.”

“Seltsam”, sagte Fartuloon. “In einer solchen Situation überlegt man sich so etwas doch zuerst.” “Mein Mann und mir kam es wirklich nur darauf an, die Mißverständnisse auszuräumen”,

erwiderte sie unsicher. “Mein Mann weiß bestimmt, was zu tun ist, da er die technischen Möglichkeiten des Robotkommandos und der Spezialeinheiten kennt.”

Atlan ging einige Schritte zur Seite und setzte sich auf einen Stein. Er musterte sie lange. “Es gibt auf diesem Planeten nur einen einzigen Ort, an dem wir uns verkriechen können”,

erklärte er endlich. “Sie müßten eigentlich wissen, was ich damit sagen will.” Sie biß sich nervös auf die Lippen. Hilfesuchend blickte sie zu Fartuloon hinüber. Dieser nickte ihr

auffordernd zu. Er erwartete von ihr, daß sie sagte, was Atlan gemeint hatte. “Im Haus”, stellte sie fest. “Sie meinen, nur in dem Haus des Kommandanten haben Sie

genügend gute Aussichten, nicht entdeckt zu werden.” “Der Kornmandant bewohnt also zusammen mit seiner Frau ein eigenes Haus, während die

anderen Männer und Frauen in Gemeinschaftsunterkünften wohnen”, sagte Atlan. “Wir haben ein Haus”, bestätigte Delgola, “aber außer mir gibt es keine weiteren Frauen auf

dieser Welt. Hier sind nur Männer stationiert.” Sie erwartete unwillkürlich eine anzügliche Bemerkung oder ein vielsagendes Lächeln, doch

sowohl Atlan als auch Fartuloon übergingen ihre Eröffnung, als hätten sie sie nicht gehört. “Nun, was sagen Sie?” fragte Atlan. “Werden Sie uns in Ihrem Haus unterschlüpfen lassen?” Er blickte sie an und lächelte, als erwarte er ein klares Nein. “Ich kann das nicht allein entscheiden”, erwiderte die Arkonidin. “Ich muß mit meinem Mann

darüber reden. Er hat bereits viel riskiert, indem er versucht hat, Ihnen zu helfen. Ich weiß nicht, ob er es wagt, so weit zu gehen.”

“Fliegen Sie zu ihm, und fragen Sie ihn”, bat Atlan. “Kommen Sie schnell wieder, denn wenn es wirklich so ist, wie Sie sagen, haben wir nicht mehr viel Zeit.”

“Ich werde mich beeilen”, versprach Delgola, wandte sich um und lief davon. Wenig später sahen Atlan und Fartuloon den Kabinengleiter aufsteigen und in der Ferne verschwinden.

Atlan lachte lautlos. “Sie hat sich täuschen lassen”, sagte er befriedigt. “Sie hat geglaubt, daß wir überrascht und

mißtrauisch waren. Es ist ihr überhaupt nicht in den Sinn gekommen, daß wir auf sie gewartet haben.” “Ermed Trelgron ist die schwache Stelle”, entgegnete Fartuloon. “Es ist genau, wie man uns

gesagt hat. Und durch seine Frau wird er noch schwächer.”

* Zwei Stunden später kehrte Delgola zurück. Dieses Mal landete sie direkt neben dem

überhängenden Felsdach, so daß sie es nur wenige Schritte zu Atlan und Fartuloon hatte. “Mein Mann ist einverstanden”, erklärte sie, kaum daß sie die Kabinentür des Gleiters geöffnet

hatte. Sie stieg aus und ging zu den beiden Männern, die neben einem Stein auf dem Boden hockten und ihre über dem Feuer erwärmten Notrationen verzehrten.

“War er … überrascht?” fragte Atlan, der gelassen sitzen blieb. Auch Fartuloon erhob sich noch nicht, sondern gab der Arkonidin durch eine Geste freundlich zu verstehen, daß sie sich auch setzen sollte.

“Nein, eigentlich nicht”, antwortete sie. “Er drängt zur Eile. Die Suche läuft auf vollen Touren. Arkon ist verständigt. Ein Spezialkommando ist bereits auf dem Weg hierher.”

“Dann wollen wir nicht länger warten”, sagte Atlan und stand auf. Delgola atmete auf. “Nein, das können wir wirklich nicht. Selbstverständlich ist mein Flug mit dem Gleiter in der

Zentrale registriert worden. Ich darf nicht noch mehr auffallen, als ich es ohnehin schon tue. Das Spezialkommando wird meine Spuren finden, falls es trocken bleibt.”

“Danach sieht es nicht aus”, bemerkte Fartuloon nach einem prüfenden Blick auf die tief

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hängenden dunklen Wolken. “Im Gegenteil.” “Das ist unsere Chance”, sagte die Arkonidin. Sie eilte den beiden Männern voraus zum Gleiter

und setzte sich hinter das Steuerleitpult. Die Maschine bot normalerweise nur für zwei Personen ausreichend Platz, doch mit einiger Mühe schafften Atlan und sein gewichtiger Freund es, sich in die Kabine zu zwängen.

Delgola startete. Sie flog bewußt niedrig und blieb ständig unter den Wolken. Kaum hatte sie die Schlucht verlassen, als es plötzlich zu regnen begann. Zunächst fielen nur wenige Tropfen, dann aber stürzte es wie aus Eimern aus den Wolken herab. Es wurde dunkel. Hin und wieder zuckte ein Blitz aus der Höhe herab.

“Das Wetter könnte nicht besser für uns ein”, sagte die Arkonidin erleichtert, während sie die Maschine vorsichtig durch eine weitere Schlucht führte. Die Sicht reichte nun kaum fünfzig Meter weit. “Der Regen verwischt alle Spuren, und das Gewitter erschwert die Ortung.”

“Sie kennen sich hier gut aus”, stellte Atlan nach einer Weile fest. “Ich war oft zur Jagd hier”, erwiderte sie geschmeichelt. Wieder schlug sie eine andere Richtung

ein und beschleunigte scharf. Mit hoher Geschwindigkeit raste der Gleiter durch ein weites Tal. Er folgte einem Fluß.

Nach einigen Minuten zog Delgola die Maschine steil hoch. “Wenn wir den vor uns liegenden Höhenrücken überwunden haben, müssen Sie aussteigen”,

sagte sie. “Unser Haus liegt am Hang, etwa fünfhundert Meter unter der Stelle, an der ich Sie absetzen werde. Da es sein könnte, daß das Haus beobachtet wird, wäre es zu gefährlich, wenn ich Sie mitnehmen würde. Sie müssen die letzte Strecke zu Fuß gehen. Es gibt genügend Deckungsmöglichkeiten durch Büsche, Bäume und Geröll. Sollte sich eine Gefahr für Sie ergeben, mit der wir nicht rechnen konnten, werde ich an der Rückseite des Hauses ein Licht einschalten. Solange es brennt, dürften Sie nicht ins Haus kommen.”

“Sie sind sehr umsichtig”, lobte Atlan. “Ich weiß, daß ich Ihnen wirklich vertrauen kann.” “Das können Sie”, antwortete sie. “Mein Mann und ich sind Ihre Freunde. Sie können sich auf uns

verlassen.” Der Gleiter schwebte langsam an zwei Felsspitzen heran und senkte sich dann ab. “Hier müssen Sie aussteigen”, forderte Delgola. Atlan und Fartuloon fügten sich ohne Widerrede. Der Regen schlug ihnen ins Gesicht und

durchnäßte ihre Kombinationen innerhalb von wenigen Sekunden. “Halten Sie sich nicht lange auf. Fliegen Sie weiter”, rief der Kristallprinz. Er schloß die Tür und

trat zurück. Delgola startete, ließ den Gleiter einige Meter weit aufsteigen und beschleunigte danach. Mit hoher Geschwindigkeit schoß die Maschine in die Wolken hinein und verschwand. Die beiden Männer waren allein.

“Glaubst du, daß alles in Ordnung ist?” fragte Fartuloon. “Davon bin ich überzeugt”, antwortete Atlan. “Nur noch fünfhundert Meter, und wir sind an

unserem ersten Zwischenziel. Verlaß dich darauf, den Rest schaffen wir auch noch.” Fartuloon grinste. Seine gelben Augen verschwanden fast hinter den Fettwülsten. “Ich bin gespannt”, ob Ermed Trelgron in einigen Tagen auch noch dein Freund ist”, sagte er und

lachte laut auf. Dann stöhnte er schmerzgepeinigt auf, preßte die Hand auf die Wunde an der Hüfte und schüttelte den Kopf. “Nein, verdammt, er wird es bestimmt nicht mehr sein. Ich setzte das Skarg gegen einen Becher Wasser, daß er es dann nicht mehr ist.”

Die beiden Männer stiegen über die Felsen einige Meter höher, passierten zwei Felsspitzen und gerieten dann auf eine Schräge, die in die Tiefe führte. Sie wußten, daß das Haus des Stützpunktkommandanten unter ihnen lag. Sehen konnten sie es nicht, denn sie befanden sich mitten in den Regenwolken.

5. “Bring mir etwas zu trinken”, befahl Lebo Axton. Er saß an seinem Arbeitstisch im Büro. Vor ihm

stapelten sich die Karteiauszüge und Militärunterlagen von nicht ganz zweihundert Arkoniden, die auf dem Planeten Karaltron ihren Dienst versahen.

“Du trinkst zuviel”, erwiderte Gentleman Kelly, ohne sich von der Stelle zu rühren.

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Axton richtete sich erstaunt auf. “Was ist das?” fragte er. “Du wagst es, mir so etwas zu sagen und gleichzeitig einen Befehl zu

mißachten?” “Ich bin nur um deine Gesundheit besorgt, Liebes.” Der Terraner ballte die Hände zu Fäusten. “Hör zu, du wandelnder Schrotthaufen”, sagte er zornig. “Ich habe zu tun und verspüre nicht die

geringste Lust, mich mit dir einzulassen. Wenn du nicht augenblicklich befolgst, was ich dir befohlen habe, ist es aus mit dir. Ich werde dich zerstrahlen und mir einen Roboter besorgen, mit dem ich mich in der Öffentlichkeit sehen lassen kann, ohne ausgelacht zu werden.”

“Du bist offensichtlich schlechter Laune”, stellte Kelly fest. Er ging mit großen Schritten zum Automaten, zapfte ein aufputschendes Getränk ab und reichte es Axton. Dieser nahm es hustend entgegen. Hastig trank er das Glas aus und warf es danach Kelly zu. Dieser fing es auf und ließ es im Abfallschacht verschwinden.

Axton schob die Karteiunterlagen zur Seite und legte einen kleinen Stapel vor sich hin. Darin waren die Daten von fünf Männern enthalten.

“Bist du in der Lage, mir zuzuhören, oder stehst du unter einem psychischen Schock?” fragte er. “Ich bin in Ordnung”, antwortete der Roboter. “Endlich einmal”, sagte Axton. “Wann habe ich schon einmal eine solch präzise und sachliche

Antwort von dir bekommen? Ich kann mich nicht daran erinnern.” Er wartete einige Sekunden ab, als Kelly auch dann noch nichts erwidert hatte, erklärte er: “Ich

habe hier die Unterlagen von fünf Männern. Ich habe sie mit denen von Hor Saran verglichen. Du erinnerst dich? Das ist der Mann, über den der Stützpunktkommandant von Karaltron Erkundigungen eingezogen hat.”

“Was ich einmal registriert habe, vergesse ich nicht. Das ist der Grund dafür, daß ich dir so unendlich überlegen bin.”

Axton nickte. “Ich sehe, du bist tatsächlich in Ordnung”, sagte er. “Also, in den Unterlagen dieser Männer gibt

es einige Gemeinsamkeiten. Alle haben ebenso wie Hor Saran Dienst auf Travnor getan. Alle hatten dort einen Unfall, waren für kurze Zeit unauffindbar oder waren in ungeklärte Vorfälle verwickelt. Alle haben sich nach Karaltron versetzen lassen, obwohl der Dienst dort, wie ich inzwischen weiß, weitaus weniger attraktiv ist als auf Travnor. Was schließt du daraus?”

“Vielleicht haben alle die gleiche Schuhgröße und lieben es, ihr Schuhwerk häufiger untereinander auszutauschen”, antwortete Kelly.

Lebo Axton blickte den Roboter an, als habe er einen Geist vor sich. “Was hast du da gesagt?” fragte er stammelnd und hustend. “Wenn du es möchtest, Schatz, werde ich es wiederholen”, sagte Gentleman Kelly mit

nachsichtig klingender Stimme. “Untersteh dich!” schrie Axton. “Dein Hirn scheint heute unter Schwachstrom zu leiden. Wie

kommst du dazu, mir einen derartigen Blödsinn zu servieren?” “Das ist logisch begründet”, behauptete Kelly. “Da du mir eröffnet hast, daß du mich nicht mehr

innig liebst, ist in mir das Bestreben erwacht, deine Liebe zurückzugewinnen. Da du an mir meinen köstlichen Humor besonders liebst, habe ich den Versuch gemacht, dich auf meine Weise aufzuheitern … und …”

“Sei still”, brüllte Axton aufspringend. “Ich habe die Nase endgültig voll!” “Du hast auch Schnupfen?” Axton zuckte zusammen. Er verengte die Augen und blickte den Roboter forschend an. “Wieso Schnupfen?” fragte er. “Ich weiß, daß du Husten hast. Da du mir nun gesagt hast, daß du die Nase voll hast, muß ich

von der Überlegung ausgehen, daß die Infektion nunmehr auch den Nasalbereich erfaßt hat.” Axton brach fast zusammen. Er sank in seinen Sessel und hielt sich die Hände stöhnend vor das

Gesicht. “Womit habe ich das verdient?” fragte er ächzend. “Wie ist es nur möglich, daß ich deine Nähe so

lange ertragen habe? “Das zarte Band der Liebe verbindet uns”, erwiderte Kelly sanft. ”Und wo man sich liebt, da

fliegen auch manchmal die Tassen.”

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Sinclair Marout Kennon-Axton schüttelte den Kopf. “Ich weiß nicht, ob ich weinen oder lachen soll”, sagte er nach einer geraumen Weile. “Ich

erinnere mich daran, daß ich dich vom Schrotthaufen geholt habe. Schon damals hätte ich mir sagen müssen, daß niemand irgend etwas auf den Schrotthaufen wirft, wenn es noch etwas taugt. Aber das ist vorbei. Konzentriere dich auf das, was ich dir über Hor Saran und die anderen Männer gesagt habe. Und nun bitte keinen Blödsinn. Was hat die gemeinsame Aktion dieser Männer zu bedeuten?”

“Es gibt verschieden Motive. Die Männer könnten gemeinsame harmlose Interessen haben, die sie auf Travnor nicht verwirklichen konnten. Vielleicht lieben sie die gleiche Musik. Vielleicht gibt es nur auf Karaltron eine Tierart, die sie alle mit der gleichen Begeisterung jagen.”

“Ist das alles?” fragte Axton, als der Roboter verstummte. “Nein. Es gibt noch andere Möglichkeiten.” “Beispielsweise?” “Die Männer könnten Agenten einer fremden Macht sein, die auf Travnor erkennen mußten, daß

sie dort ihr Ziel nicht erreichen können, aber auf Karaltron wesentlich bessere Erfolgsaussichten haben.” “Genau dieser Meinung bin ich auch.” Axton rutschte aus seinem Sessel und kam um seinen

Arbeitstisch herum. Mit einer energischen Geste befahl er dem Roboter, sich hinzuknien. Er stieg auf den Rücken Kellys.

“Zum Zweifachen Sonnenträger Kabenunnt”, rief er. Der Roboter verließ den Arbeitsraum und trug Lebo Axton in ein anderes Büro. Der Verwachsene

brauchte sich nicht anzumelden. Der für den Stützpunkt Karaltron verantwortliche Offizier war ihm gut bekannt.

Kabenunnt saß hinter einem großen Kommunikationstisch. Er lächelte, als er Axton sah. Er erhob sich und kam ihm entgegen. Der Verwachsene blieb auf dem Rücken Kellys.

“Ich habe auf Wunsch des Kommandanten Trelgron ein wenig in den Unterlagen einiger seiner Männer herumgewühlt”, eröffnete er das Gespräch und nannte die Namen der betreffenden Soldaten. “Dabei habe ich eine Reihe von Gemeinsamkeiten festgestellt, und ich bin zu der Ansicht gekommen, daß Sie sofort etwas unternehmen müssen.”

“Welche Männer sind es?” fragte Kabenunnt interessiert. Axton nannte die Namen. Der Zweifache Sonnenträger kreuzte die Arme vor der Brust und lehnte

sich gegen seinen Arbeitstisch. “Die Männer haben noch mehr miteinander gemeinsam”, sagte er. “Unter anderem dies: Sie sind

alle in den letzten Tagen erschossen worden.” “Von wem?” fragte Axton verblüfft. “Von Atlan”, antwortete der Arkonide. Der Terraner hatte das Gefühl, ins Bodenlose zu stürzen. “Ihre Warnung ist interessant, aber sie kommt zu spät. Vor einer halben Stunde hat Trelgron eine

Spezialeinheit angefordert. Sie ist bereits unterwegs nach Karaltron. Sie soll Atlan suchen, und sie wird ihn finden.”

*

“Da ist das Haus”, sagte Atlan. “Es ist alles in Ordnung.” Zusammen mit Fartuloon hatte er sich über den Hang nach unten gekämpft. Jetzt stand er

erschöpft und zerschunden hinter einem Baum und winkte den Mann mit dem Skarg zu sich heran. Fartuloon wankte. Er war durch seine Verletzung geschwächt und konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Er schleppte sich keuchend zu Atlan hinüber und stützte sich am Baum ab, als er ihn erreicht hatte. Der Arkonide zeigte zum Haus hinüber.

“Es brennt kein Licht an der Rückseite. Das bedeutet, daß wir das Haus betreten können.” “Dann laß uns das gleich tun”, bat Fartuloon. “Ich kann mich nicht mehr lange auf den Beinen

halten. Sie waren noch etwa fünfzig Meter von der Villa entfernt. Der Nebel war nun nicht mehr ganz so

dicht. Es regnete jedoch noch immer überaus stark. Der Boden war rutschig und glatt. Überall hatten sich Rinnsale gebildet, in denen das Wasser ins Tal floß. Von der Landschaft weiter unten war nichts zu sehen, da die Sicht kaum über das Haus hinaus reichte.

Atlan ging voran. Fartuloon folgte ihm mühsam. Er glitt einige Male aus und rutschte dann hinter

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Atlan her, konnte sich aber immer wieder an einem Baum, einem Busch oder einem Felsen abfangen. Als die beiden Männer die Rückseite des Hauses erreicht hatten, öffnete sich eine Tür. Delgola

blickte sie besorgt an. “Das hat aber lange gedauert”, sagte sie. “Ich dachte schon, es wäre etwas passiert.” “Wir hätten uns fast die Knochen gebrochen”, antwortete Atlan. “Aber sonst ist alles in Ordnung.” “Der Hang ist steil. Ich weiß. Ich konnte Sie jedoch auf gar keinen Fall mit dem Gleiter hierher

bringen. Als ich ankam, war Prarak Dreymong hier. Wenn er Sie gesehen hätte, wäre alles vorbei gewesen.”

Sie trat zur Seite und ließ die beiden durchnäßten Männer ins Haus. Sie führte sie über einen Gang zu einer Hygienekabine, vor der trockene Kleidungsstücke lagen.

“Machen Sie sich frisch, meine Herren”, sagte sie lächelnd. “Danach gibt es einen kleinen Imbiß für Sie.”

“Ihr Mann ist nicht da?” fragte Atlan. “Er nimmt an der Suchaktion nach Ihnen teil”, antwortete sie. “Das mußte sein, damit niemand

auf den Gedanken kommt, mit ihm sei etwas nicht in Ordnung.” Ihr Lächeln vertiefte sich. “Er wird sich bald über Bildfunk melden, und ich werde ihm dann unauffällig den Wink geben, daß

er überall auf Karaltron suchen kann, ohne befürchten zu müssen, Sie zufällig aufzustöbern.” Sie nickte den beiden Männern zu und ließ sie allein. Atlan und Fartuloon verständigten sich mit

einem kurzen Blick. Dann legten sie ihre Kleider ab, wuschen sich unter der Dusche und zogen sich wieder an.

Fartuloon verzichtete auf den Brustpanzer und auf das Skarg. Beides ließ er achtlos vor der Hygienekabine liegen, als er zusammen mit dem Arkoniden durch die Tür ging, durch die auch Delgola gegangen war.

Die Arkonidin erwartete die Männer an einer reich gedeckten Tafel. “Ich habe so ziemlich alles für Sie zusammengetragen, was es auf Karaltron an natürlichen

Köstlichkeiten gibt”, erklärte sie ausgelassen. “Ich würde mich freuen, wenn Sie sich wirklich wohl fühlen würden.”

“Ich würde mich wohl und sicher fühlen, wenn ich nicht wußte, daß dieses Haus auch früher oder später durchsucht werden wird”, antwortete Atlan kühl.

Sie blickte ihn erschrocken an. “Das wird so schnell nicht passieren”, beteuerte sie unsicher. Sie war überrascht, wie distanziert

und abweisend der Mann, den sie für den Kristallprinzen Atlan hielt, plötzlich war. “Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.”

Atlan nahm sich etwas Fleisch und biß davon ab. “Es wäre gefährlich, wenn wir uns die Wahrheit nicht vor Augen halten würden”, sagte er dann

und wurde wieder ein wenig freundlicher. “Dieses Haus ist als Unterschlupf keine Dauerlösung.” “Können wir darüber nicht sprechen, wenn mein Mann da ist?” fragte Delgola. “Ich muß zugeben,

daß ich mich in diesen Dingen nicht so genau auskenne wie er. Da er die Suchaktion nach Ihnen leitet, weiß er vielleicht, wo er Sie später verstecken kann, ohne daß die Gefahr einer Entdeckung besteht.”

“Sie haben recht”, bemerkte Fartuloon mit väterlichem Lächeln. “Es hieße wirklich, Sie zu überfordern, wenn wir von Ihnen eine Lösung unserer Probleme erwarteten.”

Delgola blickte ihn dankbar an. Dann forderte sie ihn und Atlan auf, kräftig zuzulangen. Die beiden Männer aßen mit großem Appetit. Sie merkten nicht, daß die Arkonidin sie immer wieder verstohlen musterte.

Delgola war unsicher geworden. Sie fragte sich, ob sie wirklich richtig gehandelt hatte, indem sie gemeinsam mit ihrem Mann so eindeutig Partei für den Kristallprinzen genommen hatte.

Plötzlich fragte sie sich, ob dieser Mann wirklich Atlan war. Aber kaum war ihr dieser Gedanke gekommen, als sie ihn auch schon wieder verdrängte. Alles was sie und ihr Mann getan hatten, baute sich auf der Voraussetzung auf, daß dieser Mann neben ihr wirklich der rechtmäßige Thronfolger war. Vielleicht hatte sie sich in den letzten Monaten und Jahren eine völlig falsche Vorstellung gemacht. Vielleicht hatte sie ihn unwillkürlich idealisiert, so daß er gar nicht mehr mit dem inneren Bild, das sie sich von ihm gemacht hatte, übereinstimmen konnte.

Richtig aber war, daß dieser Mann tatsächlich Atlan war. Und der Mann neben ihm war sein Freund Fartuloon.

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Daran durfte sie nicht zweifeln. Und doch blieben eine gewisse Unsicherheit und ein gewisser Zweifel zurück, nachdem sie sich

nun schon einmal diese Fragen gestellt hatte.

* Als es dunkelte, betrat Ermed Trelgron sein Haus. Er schloß die Tür hinter sich und blieb neben

einer Statue aus einem blutroten Holz stehen. Prüfend blickte er erst Atlan und dann Fartuloon an. Die beiden Besucher saßen in einer Sesselecke und tranken Rotwein, den Delgola ihnen serviert hatte. Die Arkonidin erhob sich eilig und ging zu ihrem Mann, um ihn mit einem flüchtigen Kuß auf die Wange zu begrüßen.

Atlan kam Trelgron entgegen, als dieser sich von seiner Frau löste. “Wir danken Ihnen, daß Sie uns geholfen haben”, sagte der Kristallprinz. “Ohne Sie stünde es

schlecht um uns.” “Ich weiß nicht, ob man sagen kann, daß es gut für Sie steht”, erwiderte der Kommandant. Die

Muskeln seiner Wangen arbeiteten nervös, und seine Augen waren feucht vor Erregung. “Zu dieser Stunde hat die Spezialeinheit von Arkon mit ihrer Arbeit begonnen. Sie haben Satelliten in eine Umlaufbahn um Karaltron gebracht und Roboter modernster Technik eingesetzt. Der Leitende Offizier der Einheit erklärte mir, daß er seit fünf Jahren das Kommando über diese Spezialistentruppe führe und bisher jeden Einsatz erfolgreich abgeschlossen habe. Er war absolut zuversichtlich, daß er Sie findet.”

“Das liegt bei Ihnen”, erwiderte der Kristallprinz. Trelgron hob abwehrend die Hände. Er setzte sich in einen Sessel und wartete, bis Atlan und

seine Frau sich ebenfalls in die Polster eines Sessels hatten sinken lassen. “Es lag bei mir”, korrigierte er Atlan, “aber ich habe mich zu sehr auf meine Leute gestützt, anstatt

in diesem Fall die Fahndung selbst zu übernehmen.” “Wie dem auch sei”, bemerkte Fartuloon und verzehrte eine Frucht. “Es geht nicht mehr nur um

uns, sondern auch um Ihren Kopf und um den Ihrer Frau.” “Ich bin mir, dessen bewußt.” “Es war ein Fehler, uns hier einzuquartieren”, sagte Atlan. “Das ist mir jetzt klargeworden.” “Wohin hätte ich Sie sonst bringen sollen?” fragte Trelgron ratlos. “Es gibt eine Menge vollrobotischer Stützpunkte auf diesem Planeten, die sich besser als

Versteck geeignet hätten”, entgegnete Fartuloon. Trelgron blickte den ehemaligen Leibarzt Gonozals VII an. “Woher wissen Sie das?” fragte er scharf. Sein Gesicht wurde kantig und hart, und seine Augen

waren hellwach. “Delgola hat es uns erklärt”, antwortete Fartuloon gelassen. “Wie konntest du”, sagte Trelgron in eisigem Ton. Sie steckte den Tadel erbleichend ein. “Ich bin nicht ganz Ihrer Meinung”, bemerkte Atlan. “Delgola weiß, daß ich ein Feind

Orbanaschols bin. Sie weiß aber auch, daß ich mit aller Kraft für das Imperium Arkons kämpfe.” Er lächelte gewinnend. “Sie können also sicher sein, Trelgron, daß die Geheimnisse dieses Planeten geheim bleiben.

Oder zweifeln Sie daran, daß ich alles tun würde, Arkon gegen einen Feind von außen zu verteidigen?” Ermed Trelgron fühlte sich in die Enge getrieben. Er war unsicher geworden. “Verzeihen Sie mir”, sagte er. “Ich scheine vergessen zu haben, wer Sie sind. Mir ist

selbstverständlich klar, daß Sie nichts tun würden, was die Verteidigungskraft des Imperiums gegen Feinde von außen schwächen würde. Ich nehme also den Vorwurf zurück, Delgola.”

Die Arkonidin trank einen Schluck Wein und lehnte sich entspannt zurück. “Dennoch war es nicht richtig von mir, über militärische Belange zu plaudern, ohne dich vorher

gefragt zu haben. Es hätte immerhin sein können, daß der Kristallprinz sich über deine und meine Zuverlässigkeit informieren wollte.”

Trelgron erhob sich. Nachdenklich ging er im Raum auf und ab. Atlan und Fartuloon schwiegen. Auch Delgola hielt sich zurück. Jeder wußte, welche Frage in der Luft hing, aber keiner sprach sie aus. Schließlich aber kehrte der Stützpunktkommandant zu seinem Sessel zurück. Er schüttelte den Kopf.

“Ich kann Sie nicht in einer der robotischen Verteidigungsanlagen verstecken”, sagte er. “Das ist völlig unmöglich. Die elektronischen Sicherheitsanlagen sind so perfekt, daß selbst ich mich nicht länger

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als eine Stunde in einem der Stützpunkte aufhalten könnte, ohne einen Kontrollalarm auszulösen. Es geht einfach nicht, Atlan.”

Er trank etwas Wein. Ihm war anzusehen, daß er mit sich kämpfte. Schließlich aber überwand er seine Hemmungen und wandte sich an den jungen Arkoniden.

“Ich muß wissen, weshalb Sie hier sind, Atlan”, sagte er. Der Kristallprinz nickte anerkennend. “Ich wäre enttäuscht gewesen, wenn Sie mich das nicht gefragt hätten”, entgegnete er. “Nun, die

Erklärung ist einfach. Fartuloon und ich waren auf dem Weg zum Kanahouwe-System, das nicht weit von hier entfernt ist. Dabei kam es zu einer Panne an Bord. Wir hatten eine Reihe von Kurzschlüssen. Instrumente fielen aus, und der Bordcomputer streikte. Danach kam es zu einer Kurztransition, nach der wir in dieses Sonnensystem hineinrasten. Ich versuchte ständig, auf Ihre Warnungen zu antworten, aber die Funkgeräte waren nicht in Ordnung.”

“Wir haben nichts gehört”, sagte Trelgron, der die Erklärung vorbehaltlos akzeptierte. “Erst im letzten Moment erschien Ihr Bild auf dem Hauptbildschirm. Es war allerdings recht undeutlich. Dennoch hat der Computer Sie identifiziert.”

“Wir hatten nur eine Chance”, ergänzte Fartuloon. “Wir mußten auf diesem Planeten landen.” “Und nun sitzen Sie in der Falle”, stellte Delgola fest. “Sie haben kein Raumschiff, und wir können

Ihnen kein Schiff zur Verfügung stellen. Wie wollen Sie Karaltron wieder verlassen? Haben Sie keine Vorstellung davon?”

Atlan schüttelte den Kopf. Er krauste die Stirn und preßte die Lippen so hart zusammen, daß sie nur noch einen dünnen, weißen Strich in seinem Gesicht bildeten.

“Ich hatte meine ganze Hoffnung auf Sie gesetzt”, eröffnete er dem Kommandanten. Seine Stimme klang heiser. “Wenn Sie uns nicht helfen können, dann bin ich am Ende meines Weges angelangt.”

“Es muß doch eine Möglichkeit geben”, rief Delgola heftig. “Überlege doch, bitte, Ermed. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es überhaupt keinen gangbaren Weg mehr gibt.”

Trelgron lehnte sich in seinem Sessel zurück. Stöhnend schloß er die Augen. Er wußte, wie er Atlan und Fartuloon helfen konnte, doch er wagte es nicht, den entscheidenden Schritt zu tun. Verzweifelt suchte er nach einer anderen Lösung, fand jedoch keine.

“Sie müssen geduldig sein”, sagte er schließlich. “Sie müssen warten, bis ich weiß, welche Gebiete von Karaltron durchsucht worden sind. Vielleicht ergibt sich ein Provisorium, das wir für uns nutzen können.”

“Provisorium!” rief Delgola engagiert. “Das ist viel zu gefährlich. Wir müssen aufhören, dies oder jenes zu versuchen, sondern konsequent handeln, solange es noch möglich ist. Woran hast du gedacht, Ermed?”

Trelgron blickte Atlan an. “Kann ich Ihnen vertrauen?” fragte er. Der Kristallprinz verzog keine Miene. Er wich dem Blick nicht aus und erwiderte nur: “Das

müssen Sie selbst wissen, Trelgron.”

6. Prarak Dreymong schüttelte den Kopf, als Ermed Trelgron die Zentralstation betrat. Damit kam er

der Frage des Stützpunktkommandanten zuvor. “Also noch nicht”, sagte Trelgron und setzte sich in den Kommandantensessel. Ein Roboter eilte

herbei und stellte einen Becher mit einer heißen Flüssigkeit vor Trelgron ab, die dieser vorsichtig schlürfend zu sich nahm.

“Bisher ist die Suchaktion ohne jeden Erfolg”, erklärte der Stellvertreter. “Die Spezialisten haben zwar die Stelle ausgemacht, an der die beiden Gesuchten gelandet sind, das ist aber auch alles. Und außerdem kannten wir diesen Ort schon vorher.”

“Ich verstehe das nicht”, entgegnete Trelgron. “Atlan und sein Begleiter können nicht weit gekommen sein, da sie über keine technischen Hilfsmittel mehr verfügen.”

“Die Spezialisten haben alles gefunden, was die beiden weggeworfen haben. Danach bleibt nur noch ein relativ kleines Gebiet übrig, in dem die Gesuchten sich aufhalten können. Dieses wird zur Zeit

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so genau durchsucht, daß wirklich nichts unentdeckt bleiben kann.” Dreymong blickte den Kommandanten durchdringend an. “Inzwischen hat eine Gruppe von Spezialisten die Zentrale und die Nebenstationen mit den

Unterkünften durchsucht. Ohne Ergebnis. Die Mondstation ist ebenfalls durchgekämmt worden.” “Ich weiß. Eine ziemlich alberne Maßnahme, finde ich”, erwiderte Trelgron unbehaglich. “Atlan

hat keine Möglichkeit, den Planeten zu verlassen. Wie hätte er auf den Mond kommen sollen? Das ist unmöglich.”

“Dieser Ansicht bin ich auch, aber ich habe darauf verzichtet, sie den Spezialisten zu erklären.” Der Stellvertreter lächelte undurchsichtig. “Ich weiß aber noch einen Ort, der überhaupt noch nicht geprüft worden ist.”

“Tatsächlich?” “Ihr Haus, Trelgron.” Der Kommandant erstarrte. Sein Gesicht wurde hart und kantig. Er blickte Dreymong zornig an. “Es erübrigt sich wohl, darauf zu antworten”, sagte er abweisend. Er erhob sich. Dreymong blieb

sitzen. “Warum?” fragte er. “Könnte Atlan nicht bei Ihnen sein?” “Haben Sie den Verstand verloren?” brüllte der Kommandant. Seine Augen begannen vor

Erregung zu tränen. “Wollen Sie mich beschuldigen, ein Feind des Imperiums zu sein?” Ich habe nicht behauptet, daß Sie Atlan freiwillig bei sich verstecken”, erwiderte Dreymong ruhig.

“Vielleicht werden Sie erpreßt? Vielleicht befindet sich Delgola in Lebensgefahr? Wäre es nicht besser, wenn Sie mir das offen sagen würden, damit wir Gegenmaßnahmen einleiten können?”

“Was fällt Ihnen ein?” Ermed Trelgron verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. In drohender Haltung stand er vor seinem Stellvertreter. “Wissen Sie überhaupt, was Sie da reden?”

“Ich möchte Ihnen helfen, falls Sie in Not sind. Mehr nicht.” “Ich verzichte auf Ihre Hilfe”, brüllte der Kommandant. “Sie werden Ihre Verdächtigungen und

Beschuldigungen noch bereuen. Das verspreche ich Ihnen, Dreymong. Und jetzt verschwinden Sie aus der Zentrale. Sie sind für die nächsten Stunden von der Verantwortung freigestellt.”

“Sie können nicht …”, erwiderte Dreymong aufbegehrend, doch Trelgron wehrte ihn so energisch ab, daß er sich ihm beugte.

“Verschwinden Sie”, befahl der Kommandant und beobachtete voller Genugtuung, daß Dreymong seinen Blicken auswich. Der stellvertretenden Kommandant verließ die Zentrale.

Trelgron setzte sich wieder in seinen Sessel. Nur mühsam verbarg er seine Erregung vor den anderen Offizieren, die die Auseinandersetzung verfolgt hatten. Er wußte nur zu gut, daß Dreymong recht hatte. Sein Haus war noch nicht durchsucht worden, und er durfte sich nicht dagegen sträuben, daß die Spezialisten sich damit befaßten. Je länger er das Haus von der Aktion ausnahm, desto wahrscheinlicher wurde es, daß die Spezialisten Verdacht schöpften.

Trelgron wurde sich dessen bewußt, daß es ein Fehler gewesen war, Atlan und Fartuloon am vergangenen Abend nicht gesagt zu haben, wo sie sich gefahrlos verstecken konnten. Er überlegte. Er fühlte sich in die Enge getrieben, und ihm war, als sei er in eine Falle geraten, aus der es keinen Ausweg mehr gab. Am liebsten hätte er die Zentrale sofort wieder verlassen, um zu seinem Haus zu eilen und Atlan und Fartuloon daraus zu verdrängen. Er wußte jedoch, daß er das nicht tun konnte, ohne Verdacht zu erregen.

Er mußte bleiben und so tun, als sei alles in Ordnung. Trelgron spürte, wie ihm abwechselnd heiß und kalt wurde. Er warf sich vor, daß er zu lange

gezögert hatte, anstatt schnell und konsequent zu handeln. Nachdem er sich einmal dazu entschlossen hatte, Atlan zu helfen, so sagte er sich, hätte er nicht auf halbem Wege stehen bleiben dürfen.

Er nahm Verbindung mit dem Oberkommandierenden der Spezialeinheit von Arkon auf und ließ sich Bericht erstatten. Dabei brach ihm der Schweiß aus, denn er befürchtete ständig, daß der Offizier ihm die Genehmigung abfordern würde, sein Haus untersuchen zu dürfen. Er wußte nicht, was er in einem solchen Fall hätte antworten sollen.

Doch der Offizier schien überhaupt nicht an das Haus zu denken. “Sind Sie eigentlich sicher, daß der Gesuchte wirklich Atlan ist?” fragte er am Ende der

Besprechung. Trelgron stutzte. Die Frage kam völlig überraschend für ihn. “Allerdings”, erwiderte er. “Ich stütze mich auf die Computeraussage.”

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“Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit?” “Die übermittelten Funkbilder waren von sehr schlechter Qualität”, erklärte Trelgron. “Der

Computer identifizierte Atlan dennoch mit einer Wahrscheinlichkeit von 31 Prozent. Warum zweifeln Sie?” “Weil ich nicht davon überzeugt bin, daß wir tatsächlich diesem Verräter auf der Spur sind”, sagte

der Offizier. “Ich danke Ihnen, Trelgron.” Der Kommandant schaltete ab. Die Tatsache daß der Oberkommandierende der Spezialeinheit

Zweifel hatte, kam ziemlich überraschend für ihn, und er wußte nicht, ob das gut oder schlecht für ihn und für Atlan war. Er ließ sich die aufgezeichneten Funkbilder noch einmal vorführen, und dieses Mal erschien ihm alles so klar, daß Zweifel überhaupt nicht möglich zu sein schienen.

Er verließ die Zentrale, um in der Messe ein wenig zu essen. Er brauchte Ruhe, um nachdenken zu können. Dreymong hielt sich ebenfalls in der Messe auf. Als Trelgron eintrat, erhob er sich sofort und verließ den Raum durch einen anderen Ausgang.

In diesem Moment fällte Trelgron seine Entscheidung. Ihm war schlagartig klargeworden, daß ihm nur noch eine kleine Frist blieb, sein Problem zu lösen.

Er fragte sich, ob Dreymong auch daran zweifelte, daß der Gesuchte der Kristallprinz war. Und er gab sich eine klare Antwort darauf. Sein Stellvertreter war sich seiner Sache ganz sicher.

Trelgron lief es kalt den Rücken herunter, als ihm bewußt wurde, was das bedeutete. Dreymong hatte bisher mit dem leitenden Offizier der Spezialeinheit zusammengearbeitet und alles mit ihm besprochen.

Die Frage des leitenden Offiziers hatte eine völlig andere Bedeutung gehabt, als er zunächst geglaubt hatte.

Sie war eine Prüfung gewesen! Das bedeutete, daß der Offizier bereits Verdacht geschöpft hatte.

* Die Stunden verstrichen, ohne daß etwas geschah. Die Suchaktion lief weiter. Ermed Trelgron

blieb in der Zentrale. Er bewies, daß er eiserne Nerven besaß. Nachdem er die Phase der Unsicherheit überwunden hatte, verhielt er sich so, als könne ihm nichts passieren. Er ging zur Offensive über, schickte seinerseits Suchkommandos aus und setzte seine Männer ein, um die technischen Anlagen auf dem ganzen Planeten überprüfen zu lassen. Dreymong stellte er kalt. Er ließ ihn nicht zum Zuge kommen.

Als es dämmerte, verließ er die Zentrale, nachdem er den Befehl erteilt hatte, ihn stündlich über den Verlauf der Suchaktion zu unterrichten und sofort Meldung zu machen, falls sich ein Erfolg abzeichnete.

Als er sein Haus betrat, kam ihm Delgola entgegen. Er begrüßte sie flüchtig. Atlan und Fartuloon hielten sich nicht im Salon auf. Sie schliefen. Trelgron prüfte, ob Spuren vorhanden waren, die ihn verraten konnten. Erleichtert stellte er fest, daß Delgola äußerst aufmerksam gewesen war. Absolut nichts wies darauf hin, daß mehr als zwei Menschen im Haus waren.

Trelgron weckte Atlan und Fartuloon. “Was ist passiert?” fragte der Kristallprinz. “Nichts”, antwortete der Kommandant. “Ich habe eine Entscheidung gefällt. Das ist alles.” Er führte die beiden Männer in den Salon. “Wohin wollen Sie uns bringen?” fragte Atlan, der völlig ahnungslos zu sein schien. “Zum Mond”, antwortete der Stützpunktkommandant. “Auf dem Mond sind die stärksten und

effektivsten Verteidigungsanlagen dieses Sonnensystems. Die Steuerungsanlagen sind vollpositronisch. Eine Besatzung ist nicht vorhanden. Wie ich erfahren habe, ist die Mondstation bereits durchsucht worden. Wenn es mir gelingt, Sie dorthin zu bringen, dann sind Sie absolut sicher versteckt.”

“Warum haben Sie sich noch nicht vorher dafür entschieden?” fragte Fartuloon mißmutig. “Sie sind ein unnötiges Risiko eingegangen.”

“Deine Vorwürfe sind unberechtigt”, sagte Atlan. “Der Mond ist die allerletzte Möglichkeit, die bleibt. Der Kommandant trägt die Verantwortung dafür, daß der Verteidigungsgürtel um Arkon an keiner Stelle brüchig wird. Es wäre schlecht um das Imperium bestellt, wenn es so leicht wäre, Zugang zu den Schwerpunkten im Abwehrschild um den Kern des Imperiums zu bekommen.”

“Auf dem Mond sind schlagkräftige Raumwaffen vorhanden, die über Lichtjahre hinweg wirksam

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sind. Damit könnte eine ganze Raumflotte zurückgeschlagen werden. Die Station ist unbesetzt, weil menschliches Versagen von vornherein ausgeschaltet werden soll.”

“Und was wird aus uns, wenn wir auf dem Mond sind?” fragte Fartuloon mit vollem Mund. “Auf dem Mond sind Mini-Raumschiffe, die eine Reichweite von mehreren Lichtjahren haben”,

erklärte Trelgron, der über das schlechte Benehmen seines Gastes hinwegging, als habe er nichts bemerkt. “Mit Hilfe eines solchen Schiffes, das unter bestimmten Bedingungen, die ich schaffen werde, unbemerkt aus dem Sonnensystem gelenkt werden kann, werden Sie Ihre Flucht fortsetzen. Das Kleinstraumschiff, das ich Ihnen geben werde, wird normalerweise nur als Nachrichtenkapsel benutzt. Es wird bis an die Routen militärischer Linienraumschiffe herangelenkt und dann von diesen Raumern aufgenommen, ohne kontrolliert zu werden.”

“Ich verstehe”, sagte Atlan. “Da es nur Nachrichtenkapseln sind, vermutet uns niemand darin. Vermutlich werden sie auf Arkon nur an die Bodenstationen übergeben. Wir müssen also versuchen, die Kapsel an Bord eines Linienschiffs zu verlassen. Sobald wir Arkon erreicht haben, müssen wir sehen, wie wir aus dem Raumer herauskommen.”

“Richtig. Sobald Sie in der Kapsel sind, müssen Sie für sich selbst sorgen. Dann kann ich nichts mehr für Sie tun”, entgegnete Trelgron.

“Wie hoch sind unsere Chancen?” fragte Fartuloon. “Sie haben sehr gute Chancen”, beteuerte Trelgron. “Sie müßten schon ungewöhnliches Pech

haben, wenn Sie es nicht schaffen. Auf den Linienraumschiffen ist man nicht besonders aufmerksam. Das weiß ich aus Erfahrung. Scharfe Kontrollen werden nur auf fremden Planeten durchgeführt, nicht aber auf Arkon, weil niemand damit rechnet, daß ein ungebetener Gast bis dahin durchkommen könnte. Gerade dadurch erhalten Sie Ihre Chance.”

Atlan nickte versonnen. “Nun, was sagen Sie?” fragte Delgola nach einigen Minuten voller Ungeduld. “Der Plan ist doch

gut. Oder nicht?” “Der Plan ist gut”, bestätigte Atlan endlich. “Und doch gefällt Ihnen etwas daran nicht”, stellte Trelgron fest. “Allerdings”, erwiderte Atlan. “Das ist die Tatsache, daß ich nicht nach Arkon will.” Trelgron lachte. “Aber warum denn nicht? In Arkon sind Sie sicherer als anderswo. Niemand vermutet Sie im

Zentrum des Imperiums. Und von dort können Sie jederzeit wieder verschwinden. Nirgendwo in der Galaxis starten und landen mehr Raumschiffe als auf Arkon.”

“Sie haben recht”, sagte Atlan und nickte Trelgron anerkennend zu. “Wir müssen diese Chance wahrnehmen. Wir haben gar keine andere Möglichkeit. Bitte, sagen Sie uns, wie wir zum Mond kommen.”

“Warten Sie”, bat Trelgron. “Ich werde eine Karte holen.” Delgola erhob sich zusammen mit ihrem Mann und verließ den Baum ebenfalls, um Getränke zu

holen. Die beiden Männer, die im Salon allein zurück blieben, blickten sich an. Fartuloon grinste breit. Der andere nickte ihm zufrieden zu.

*

“Wir müssen davon ausgehen, daß dieses Gebiet ständig beobachtet wird”, sagte Trelgron.

“Auch wenn ich mit dem Gleiter starte, wird man mich nicht aus den Augen lassen. Mit der besonderen Technik dieser Einheit wird man die Maschine beobachten.”

Atlan deutete auf die offene Tür zur Terrasse. “Trotz des wolkenbruchartigen Regens?” fragte er. “Das Unwetter spielt nur eine untergeordnete Rolle”, erwiderte der Kommandant. “Es erschwert

die Überwachung, macht sie jedoch nicht unmöglich.” “Was haben Sie vor?” fragte Fartuloon. “Bitte, kommen Sie mit.” Trelgron führte die beiden Männer quer durch das Haus zu einer

geschlossenen Garage, in der ein viersitziger Gleiter parkte. Delgola begleitete sie. “Mit dieser Maschine werden wir starten. Sie werden sich im Laderaum verbergen.”

“Meinen Sie nicht, daß es auffällt, wenn Sie gerade jetzt durch die Gegend fliegen?” bemerkte Fartuloon skeptisch.

“Selbstverständlich wird man auf mich aufmerksam werden”, erwiderte der Kommandant. “Das ist

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leider nicht zu ändern. Ich werde zum Nahrungsmitteldepot fliegen. Es ist durchsucht und abgesichert worden. Ich aber habe dennoch Zutritt. Delgola hat vorhin den größten Teil unseres Nahrungsmittelbestands im Abfallschacht vernichtet. Niemand wird es ungewöhnlich finden, daß ich meine Bestände auffüllen will. Kontrolliert man mich, dann wird man feststellen, daß ich wirklich etwas benötige.”

“Wie geht es vom Depot aus weiter?” fragte Atlan. “Das werde ich Ihnen zeigen”, antwortete Delgola. “Steigen Sie ein”, bat Trelgron. “Wir wollen keine Zeit mehr verlieren.” Atlan und Fartuloon kletterten in den Laderaum der Maschine, während der Kommandant und

seine Frau auf den vorderen Sitzen Platz nahm. “Hast du an die Roboter gedacht?” fragte er, bevor er startete. “Du kannst dich auf mich verlassen”, sagte sie. “Ich habe dafür gesorgt, daß in einigen Minuten

alle Spuren der beiden im Haus beseitigt sind. Die Reinigungsroboter werden sogar die Fingerabdrücke wegwischen.”

Die Maschine schwebte aus der Garage heraus, nachdem Trelgron das Türschott mit einem Funkbefehl geöffnet hatte. Der Regen prasselte gegen die Scheiben. Der Kommandant lenkte den Gleiter vom Haus weg, als Delgola plötzlich aufschrie.

“Ermed! Ein Suchkommando ist da!” Er stoppte die Maschine und blickte zurück. Direkt vor der Terrasse war ein Militärgleiter

gelandet. Darin saßen sechs Spezialisten der Sondereinheit. Sie blickten zu Trelgron hoch. Dieser wendete seinen Gleiter und kehrte zum Haus zurück. Er setzte die Maschine auf der Terrasse ab und öffnete ein Fenster.

Ein Offizier stieg aus der anderen Maschine aus und kam zu ihm herüber. “Was ist los?” fragte der Kommandant. “Wir möchten Sie um die Erlaubnis bitten, Ihr Haus zu durchsuchen.” “Mein Haus? Glauben Sie, die Gesuchten könnten hier sein?” “Wir dürfen nichts auslassen, Sonnenträger.” “Selbstverständlich nicht. Ich lasse Ihnen freie Hand.” “Eine Frage noch, wenn Sie erlauben.” “Fragen Sie.” “Wohin wollen Sie?” “Sehen Sie sich meine Vorräte an, dann werden Sie es schnell erraten.” Trelgron schloß das

Fenster und startete. Der Spezialist eilte ins Haus. Die anderen stiegen aus der Maschine und liefen ihm ebenfalls nach. Trelgron lächelte selbstsicher. Diese Männer kamen um ein paar Minuten zu spät. Er beschleunigte die Maschine und raste in die Nacht hinaus. Er wußte, daß er einen kleinen, aber wichtigen Vorsprung gewonnen hatte.

Delgola legte ihm schweigend die Hand auf den Arm. Damit zeigte sie ihm, wie sehr sie seine Kaltblütigkeit bewunderte. Mehr war nicht notwendig. Der Kommandant und seine Frau verstanden sich auch ohne viel Worte.

Während das Spezialkommando das Haus Trelgrons untersuchte, landete dieser unter einem Schutzdach bei einem Bunker. Er verließ die Maschine und öffnete mit einem Kodegeber eine Tür, hinter der eine mit zahlreichen Abruftasten versehene Tafel lag. Dann eilte er zur Tür des Laderaums und riß sie auf.

“Kommen Sie”, rief er. “Schnell.” Atlan und Fartuloon sprangen aus dem Gleiter und folgten Trelgron zur Schalttafel. Nun stieg

auch Delgola aus. “Ich werde Rotwein abfordern”, erklärte der Kommandant. “Die Behälter dafür befinden sich in der

hintersten Kammer. Sobald ich die Taste gedrückt habe, öffnet sich die Auswurfklappe. Das ist Ihre Chance. Von diesem Moment an haben Sie etwa zwanzig Sekunden Zeit, auf dem Bedienungsband bis in die erste Vorratskammer zu kriechen. Danach setzt sich das Band in Bewegung. Es läuft so schnell, daß Sie nicht mehr vorankommen, sondern wieder ausgeworfen werden. Delgola steigt zuerst ein. Atlan ist der zweite. Sie, Fartuloon, folgen als letzter. Sie müssen so schnell sein, wie nur irgend möglich, sonst schaffen Sie es nicht.”

Er blickte Delgola fragend an. Sie nickte und legte die Hände an die Auswurfklappe, die noch durch starke Magnete geschlossen gehalten wurde. Trelgron drückte eine Taste. Vier Sekunden

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Die Saboteure von Karaltron M Atlan

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verstrichen, dann lösten sich die Magnete mit hörbarem Klicken. Die Arkonidin riß die Klappe auf, Atlan hielt sie fest, und Delgola kletterte mit dem Kopf voran in

die Öffnung, die etwa einen halben Meter hoch und einen Meter breit war. Atlan stieß sie vorwärts, sprang ihr dann nach und arbeitete sich mit aller Kraft nach vorn.

“Besten Dank, Trelgron”, sagte Fartuloon. “Sie können sicher sein, daß der Kristallprinz Sie nicht vergessen wird, wenn er erst einmal an der Macht ist.”

“Reden Sie nicht soviel, beeilen Sie sich lieber”, sagte der Arkonide heftig. Fartuloon brummte, kniff ein Auge zu und folgte Delgola und Atlan. Trelgron blickte ihm nach. Der

korpulent wirkende Mann war erstaunlich schnell. Er holte rasch auf und erreichte das Ende des Bandes noch rechtzeitig. Er ließ sich abkippen, und nicht ganz zwei Sekunden später setzte sich das Band in Bewegung. Der Behälter mit dem Rotwein kam.

Trelgron nahm ihn entgegen und verstaute ihn im Gleiter. Dann drückte er weitere Tasten. Nun warf das Depot in regelmäßigen Abständen Vorräte aus.

Hin und wieder sah der Kommandant sich um. Dabei entfernte er sich einige Schritte vom Gleiter und spähte in die Nacht hinaus.

Als der Laderaum der Maschine schon fast gefüllt war, blickte Trelgron auf sein Chronometer. Die Zeit war fast abgelaufen. Delgola mußte nun bald wieder aus dem Depot herauskommen.

Der Kommandant ging erneut bis zum Rand des Schutzdachs. Es hatte aufgehört zu regnen. Daher konnte er den einzelnen Gleiter gut sehen, der sich ihm näherte.

Er erschrak. Es war höchst ungewöhnlich, daß zu dieser späten Stunde noch jemand Vorräte abrufen sollte. Kam die Maschine, weil er entlarvt worden war?

Trelgron fluchte. Aus welchem Grund auch immer der Gleiter hier erschien, wenn Delgola erst aus der

Auswurföffnung kam, wenn der andere gelandet war, dann war die Katastrophe unausweichlich. Er kehrte zur Abruftafel zurück. “Delgola”, schrie er. “Komm heraus, schnell!” Er erhielt keine Antwort.

*

Delgola stöhnte schmerzerfüllt auf, als Atlan vom Transportband fiel und dabei mit seinem Knie auf ihr Fußgelenk stürzte. Er rollte sich sofort zur Seite.

“Habe ich Sie verletzt?” fragte er bestürzt. “Das Fußgelenk tut weh”, antwortete sie mit verzerrtem Gesicht. “Schnell. Weg hier. Fartuloon kommt”, rief er, sprang auf, griff ihr unter die Arme und zog sie zur

Seite. Im nächsten Moment prallte der schwergewichtige Schwertträger an der Stelle auf, an der die Arkonidin eben noch gelegen hatte.

“Das wurde wohl Zeit”, bemerkte er und blickte auf das Band, das sich in Bewegung setzte. Delgola richtete sich auf. Atlan half ihr. Vorsichtig setzte sie ihren Fuß auf und zuckte sogleich aufstöhnend zusammen.

“Sie müssen mich stützen”, sagte sie mit gepreßter Stimme. “Ich fürchte, ich habe mir das Fußgelenk gebrochen.”

“Wo geht es weiter?” fragte Fartuloon, der nur wenig Interesse für die Verletzung der Arkonidin zeigte.

“Durch den Gang dort”, antwortete Delgola. “Er führt zu einem Antigravschacht. In diesem können wir zu einem Transportband kommen, über das Ausrüstungsgüter zu Raumschiffen in einem Hangar transportiert werden können, der etwa dreihundert Meter von hier entfernt ist. Normalerweise wird nichts dorthin gebracht, weil dort zur Zeit nur Nachrichtenkapseln stehen. Die Anlage ist für größere Raumschiffe gedacht, die hier in den nächsten Jahren stationiert werden sollen.”

Zusammen mit Atlan eilte sie den Gang entlang. Das elektronische Schloß der Tür am Ende des Ganges öffnete sich nicht, als Atlan die Hand auf den Kontaktknopf legte. Der Kristallprinz wiederholte seine Versuche, doch ohne Erfolg.

“Laß mich mal ran”, forderte Fartuloon und schob Atlan zur Seite. Er setzte das Skarg an das Schloß.

“Nein, das dürfen Sie nicht”, rief Delgola. “Sie dürfen keine Spuren hinterlassen. Damit würden

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Sie alles verraten.” “Wenn man entdeckt hat, auf welchem Wege wir geflohen sind, sind wir längst auf Arkon”,

entgegnete der Bärtige gleichgültig. Bevor die Arkonidin es verhindern konnte, zerstörte er das Schloß mit dem Skarg. Die Tür sprang auf.

“Das hätten Sie nicht tun dürfen”, sagte Delgola. “Beruhigen Sie sich”, erwiderte Fartuloon gelassen. “Wir haben mehr Erfahrung als Sie in solchen

Dingen. Glauben Sie uns, es war kein Fehler.” Delgola war anderer Meinung, aber sie schwieg. Der gebrochene Knöchel schwoll immer mehr

an und schmerzte so heftig, daß sie kaum noch klar denken konnte. Sie wußte, daß Fartuloon etwas falsch gemacht hatte. Für ihn und Atlan mochte das keine große Rolle spielen. Anders sah es für sie und ihren Mann aus, denn später würde man mühelos feststellen können, daß das Schloß zu einer Zeit zerstört worden war, als sie sich hier aufgehalten hatten.

Vor dem Antigravschacht blieben sie stehen. Delgola zeigte nach unten. “Sehen Sie auf der linken Seite auf halber Höhe diese Klappe?” fragte sie. “Dahinter läuft das

Versorgungsband vorbei. Einer von Ihnen muß sich mit dem Antigravfeld nach unten gleiten lassen und dabei die Klappe öffnen. Das geht ganz leicht. Eine besondere Sicherung ist nicht vorhanden. Sie brauchen nur den roten Kontaktknopf zu berühren, dann springt die Klappe auf.”

“Das mache ich”, entschied Fartuloon, schaltete den nach unten gepolten Antigravprojektor ein und trat über den Rand des etwa zwanzig Meter tiefen Schachtes hinaus. Das Antigravfeld erfaßte ihn und trug ihn nach unten. Er hielt sich direkt an der Schachtwand und stieß blitzschnell zu, als er die Klappe erreichte. Er berührte den Knopf, und die kleine Tür sprang auf. Fartuloons breite Hände packten zu. Er klammerte sich an den Rand der Öffnung.

Atlan schaltete das Antigravfeld ab, um den Freund zu entlasten. Dieser zog sich hoch und wuchtete sich ächzend in die Öffnung. Mit dem Kopf zuerst kroch er hinein und verschwand darin. Wenig später streckte er die Arme aus der Öffnung heraus und rief: “So, jetzt könnt ihr beiden kommen. Ich helfe euch.”

“Müssen Sie eigentlich dabei sein?” fragte Atlan. “Sie sind durch Ihren Fuß so stark behindert, daß es besser wäre, wenn Sie hier oben blieben.”

“Das geht nicht”, erwiderte sie. “Ich habe den Kontaktschlüssel für das Kleinstraumschiff. Damit kann ich die Schleuse öffnen. Sie müssen einsteigen, und ich muß den Schlüssel wieder zu meinem Mann zurückbringen.”

“Ist der Schlüssel so wichtig?” fragte Atlan zweifelnd. “Sehr wichtig”, erklärte sie. “Dieser Schlüssel ist auf noch verschiedene andere technische

Einrichtungen des Stützpunkts geeicht. Wenn mein Mann ihn nicht hat, kann er praktisch nichts ausrichten.”

“Er könnte sagen, daß er ihn verloren hat.” Delgola schüttelte den Kopf, befreite sich von Atlan und sprang einfach in die Tiefe. Sie war so

geschickt, daß sie die Hände Fartuloons packte und sich von ihm in die Öffnung ziehen lassen konnte. Atlan folgte ihr fast augenblicklich, und auch er hatte keine Mühe, auf das Transportband zu kommen.

“Wir müssen kriechen”, sagte Delgola. “Schnell. Viel Zeit haben wir nicht.” Wortlos machte sie sich auf den Weg durch die unbeleuchtete Röhre. Das etwa einen halben

Meter breite Band war weich und bot ihr eine gute Orientierungsmöglichkeit. In Abständen von jeweils etwa zwanzig Metern zog sich ein flacher Wulst quer über das Band. Dieser ermöglichte es ihr, die zurückgelegte Entfernung genau zu ermitteln. So streckte sie schließlich die Hand im richtigen Moment aus, als sie das Ende der Transportröhre erreicht hatte. Sie berührte eine Klappe, die dem sanften Druck ihrer Hand leicht nachgab.

Delgola kroch durch die Öffnung auf dem Band weiter. Sie kam in einen Raumschiffhangar, in dem vier kleine, raketenförmige Raumschiffe standen. Sie waren mit unterschiedlichen Zahlen und Ziffern gekennzeichnet.

Die Arkonidin setzte sich auf das Band, während Atlan und Fartuloon auf den Boden herabsprangen.

“Sie müssen die Kapsel mit der blauen Schrift darauf nehmen”, erklärte sie. “Dieser Raumer wird in wenigen Stunden starten. Verhalten Sie sich völlig ruhig. Sie dürfen sich nicht verraten. Bleiben Sie unbedingt still, wenn jemand in den Hangar kommen sollte. Es ist durchaus möglich, daß Reparaturroboter oder arkonidische Spezialisten Reparaturen an den anderen Raumern vorzunehmen

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haben. Die dürfen dann nicht mißtrauisch werden.” “Sie können sich auf uns verlassen”, versprach Atlan. Er streckte die Hand aus, und sie gab ihm

den elektronischen Schlüssel. Er eilte zu dem Raumer hinüber, der nur etwa acht Meter hoch war. Die kleine Schleuse befand sich in einer Höhe von ungefähr zweieinhalb Metern. Atlan konnte sie gerade erreichen. Er drückte den Schlüssel gegen die Kontakttaste, und das Schott öffnete sich.

Lächelnd brachte er den Schlüssel zurück und überreichte ihn Delgola. “Sie sind eine ungewöhnliche und tapfere Frau”, sagte er. “Ich danke Ihnen.” Sie steckte den Schlüssel ein und wartete, bis beide Männer im Raumschiff verschwunden

waren. Dann kroch sie auf dem Band durch die Klappe in die Röhre zurück.

7. Ermed Trelgron stockte der Atem, als er sah, wer in dem landenden Gleiter saß. Es war sein

Stellvertreter. Der Kommandant fluchte leise in sich hinein. Schlimmer hätte es für ihn nicht kommen können.

Dreymong erkannte ihn offenbar ebenfalls erst im letzten Moment. Es schien, als wolle er die Maschine sogleich wieder hochziehen und weiterfliegen. Doch dann überlegte er es sich anders. Der Gleiter setzte auf. Die Tür öffnete sich, und Dreymong stieg aus.

Er lächelte gezwungen. “Ich habe nicht damit gerechnet, Sie zu dieser Stunde hier vorzufinden”, sagte er. “Gibt es etwas Neues?” fragte Trelgron. “Ihr Haus wird durchsucht.” “Haben Sie das veranlaßt?” “Nicht direkt”, erwiderte Dreymong ausweichend und trat an die Programmtafel heran. “Einer der

Offiziere erwähnte, daß Ihr Haus von der Suche ausgenommen geblieben sei. Ich habe danach festgestellt, daß Sie sicherlich Wert darauf legen, wie alle anderen behandelt zu werden, um von jedem Verdacht frei zu bleiben.”

Der Stellvertretende Kommandant lächelte, während es in seinen Augen haßerfüllt aufblitzte. “Das war doch in Ihrem Sinn, nicht wahr?” “Auf jeden Fall”, erwiderte Trelgron abweisend. Prarak Dreymong wandte der Auswurfklappe den Rücken zu. So sah er nicht, daß diese sich in

diesem Moment öffnete. Ein Arm schob sich daraus hervor, und dann tauchte das Gesicht Delgolas auf: Die Arkonidin erschrak, als sie Dreymong bemerkte. Dieser hatte ein Geräusch gehört und drehte sich um, jedoch nicht schnell genug, denn Delgola reagierte blitzschnell und schloß die Klappe wieder.

“Haben Sie bereits alles, was Sie haben wollten?” fragte Dreymong. “Einige Dinge fehlen noch”, antwortete Trelgron, mühsam seine Nervosität vor seinem

Gesprächspartner verbergend. “Bedienen Sie sich nur. Ich werde warten, bis Sie fertig sind.” “Benötigen Sie viel?” Trelgron wußte nicht, wie er die Situation bewältigen sollte. Er hatte keinen

Grund, noch länger zu bleiben. Andererseits konnte er nicht allein zu seinem Haus zurückfliegen, da er damit rechnen mußte, daß man ihn fragen würde, wo Delgola geblieben war.

“Nein”, antwortete Dreymong zu seiner Erleichterung. “Ich will mir nur etwas Wein und ein paar Packungen Arkonfleisch holen.”

“Dann bedienen Sie sich”, bat Trelgron. “Ich werde in der Zwischenzeit noch einmal überprüfen, ob ich alles habe.”

Er wartete nicht ab, ob der Offizier auf seinen Vorschlag eingehen würde, sondern ging sofort zu seinem Gleiter und beugte sich in den Stauraum. Dabei blickte er verstohlen zu der Klappe hinüber, hinter der er Delgola wußte.

Dreymong drückte einige Tasten. Sekunden später setzte sich das Transportband in Bewegung.

* Eisiger Schrecken durchfuhr Delgola, als sie den ihr verhaßten Dreymong sah. Sie zog sich

sofort zurück, blieb jedoch auf dem Band liegen. Sie war vollkommen erschöpft. Nur mit allergrößter

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Mühe hatte sie den Weg vom Raumschiffhangar bis hierher zurückgelegt. Die Schmerzen in ihrem Bein waren so groß, daß sie sie kaum noch ertragen konnte.

Sie hörte die Worte ihres Mannes und die Antworten seines Stellvertreters, und sie begriff, daß ihr nur noch Sekunden blieben, sich in Sicherheit zu bringen. Umdrehen konnte sie sich in der engen Röhre nicht. So schob sie sich mühsam zurück. Sie kam nach ihrem Empfinden viel zu langsam voran. Ihr Atem ging laut und schnell. Sie fürchtete, daß Dreymong sie hören könnte, und sie versuchte, leiser zu atmen, aber es gelang ihr nicht.

Einige Male stieß sie mit ihrem gebrochenen Fuß an die seitlichen Führungsleisten der Röhre. Dann stöhnte sie vor Schmerz auf und biß sich auf die Lippen, um nicht laut zu schreien.

Immer wieder blickte sie über die Schulter nach hinten, um zu sehen, wie weit sie es noch hatte. Das Ende der Röhre rückte immer näher. Sie kämpfte sich weiter. Erleichtert atmete sie auf, als ihre Füße schließlich das Ziel erreicht hatten. Sie wollte sich mit einem letzten Ruck freikämpfen, als das Transportband plötzlich anlief.

Delgola schrie unwillkürlich auf, aber sie reagierte blitzartig. Sie wußte, daß es nun um ihr Leben und um das ihres Mannes ging. Wurde sie durch die Klappe nach draußen getragen, gab es keine Rettung mehr. Das Wissen um diese tödliche Gefahr verlieh ihr übermenschliche Kräfte. Sie warf sich förmlich nach hinten. Sie bäumte sich gegen das unvermeidlich erscheinende Ende auf und krallte sich mit beiden Füßen an der Öffnung der Röhre fest. Die Schmerzen, die sie dabei zu ertragen hatte, drohten ihr die Sinne zu rauben. Doch Delgola überwand die Krise. Sie kämpfte sich das letzte Stück weiter, bis sie mit beiden Händen zupacken konnte. Dann rollte sie sich zur Seite und stürzte vom Band auf den Boden.

Sie spürte den Aufprall kaum noch, denn sie verlor in diesen Sekunden das Bewußtsein. Der gepeinigte Körper hatte das letzte gegeben. Nun folgte der Zusammenbruch.

Als Delgola wieder zu sich kam, wußte sie zunächst überhaupt nicht, wo sie war. Erst allmählich gelang es ihr, sich wieder zu orientieren. Sie richtete sich stöhnend auf und blickte ratlos auf das stillstehende Band.

Was sollte sie tun? War Dreymong noch da draußen? Würde das Band sich gleich wieder in Bewegung setzen?

Sie blickte auf ihr Handgelenk, aber sie hatte ihr Chronometer nicht angelegt. Sie hatte keine Möglichkeit, festzustellen, wie spät es war.

Ratlos blickte sie sich um, bis ihr Blick auf einige Tasten fiel, die neben einem Stapel von Behältern an der Wand angebracht waren. Sie hinkte zu ihnen hinüber, nahm einen Behälter, schleppte ihn mühsam zum Transportband und legte ihn hinauf. Dann kehrte sie zu den Tasten zurück. Sie waren alle mit Symbolen gekennzeichnet. So fiel es ihr nicht schwer, diejenige herauszufinden, mit der das Band in Bewegung gesetzt werden konnte. Sie betätigte sie. Das Band ruckte an, und der Behälter glitt in die Röhre. Sie hörte, wie er gegen die Klappe schlug und auf die Platte fiel, die davor angebracht war. Sekunden später hörte sie die Stimme ihres Mannes.

“Delgola?” rief er. “Bist du allein?” fragte sie erleichtert. “Ich bin allein. Beeile dich.” Delgola fühlte sich von einer schweren Last befreit. Sie rollte sich auf das Transportband, das

noch immer lief, und ließ sich zu ihrem Mann tragen.

* “Achtung, es geht los”, sagte Atlan. Er kauerte dicht neben Fartuloon in dem für sie beide viel zu

engen Frachtraum. Sie hörten, wie sich über ihnen etwas öffnete. Dann folgte der Aufprall eines leichten Gegenstands. Sekunden später heulte das Triebwerk auf.

“Hoffentlich gibt es in dieser fliegenden Blechdose so etwas wie einen Andruckabsorber”, sagte Fartuloon.

“Bestimmt”, erwiderte Atlan. Einige Sekunden verstrichen, dann vibrierten die Wandungen des Kleinstraumers. Für einen

kurzen Moment glaubten die beiden Männer zu schweben. “Das Ding startet”, kommentierte Fartuloon. Weder von der Beschleunigung noch von der hohen Geschwindigkeit des Raumers war etwas

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spürbar. Die beiden Männer hatten keinerlei Möglichkeiten, sich zu orientieren. Schweigend warteten sie ab. Der bärtige Begleiter Atlans ließ seinen Kopf nach vorn sinken, und bald verkündeten laute Schnarchtöne, daß er eingeschlafen war. Atlan lehnte seinen Kopf an die Stahlwand hinter sich. Er schloß die Augen ebenfalls, aber er schlief nicht ein.

Er war voller Unrast. Der Wunsch, seine Aufgabe zu erfüllen, trieb ihn voran. Platz für eigenständige Gedanken war kaum in ihm. Hin und wieder versuchte er, über sich nachzudenken und über das, was er tat, aber es gelang ihm nicht. Irgendwo tief in ihm war eine mächtige Stimme, die ihm befahl, was er zu tun hatte. Er spürte, daß sie da war, ohne sie lokalisieren zu können. Er wußte, daß es richtig gewesen wäre, wenn er sich gegen sie gewehrt hätte. Jedoch fehlte ihm die Kraft, das zu tun.

Kaum hatte er daran gedacht, sich aufzulehnen und das zu tun, wozu ihn sein eigentliches Ich drängte, zerflossen seine Gedanken schon wieder. Es gelang ihm nicht, sie zu halten.

Er wußte, daß er Atlan war und daß er es wiederum doch nicht war. Irgend etwas fehlte ihm, aber er wußte nicht, was.

Irgendwann näherte er sich der Wahrheit, und es schien, als gelänge es ihm dieses Mal, das Fremde in ihm zu überwinden. Doch er täuschte sich. Mitten in seinen Gedanken schlief er ein, und als er aufwachte, weil der Raumer mit einem Ruck landete, wußte er nicht mehr, woran er vor seinem Schlaf gedacht hatte.

Eine Aufgabe war zu bewältigen. Nur das war jetzt noch wichtig. Er rüttelte Fartuloon wach. “Wir sind da”, sagte er und öffnete das Schleusenschott. Ein Instrument zeigte ihm an, daß

außerhalb des Raumers ein genügend hoher Druck vorhanden war. Das war ihm Beweis genug dafür, daß er auf dem Mond und im Innern der Hochleistungs-Verteidigungsanlagen war.

Das Schleusenschott glitt zur Seite. Der Raumer stand in einem winzigen Hangar, in dem gerade soviel Platz war, daß die beiden Männer neben dem Kleinstraumschiff stehen konnten. Direkt gegenüber der Schleuse befand sich ein Schott. Es ließ sich mühelos öffnen.

Die beiden Männer gingen hindurch und schritten über einen etwa hundert Meter langen, hell erleuchteten Gang bis zu einem roten Schott. Atlan drückte einen Knopf an der Wand. Das Schott glitt zur Seite und gab den Blick in eine umfangreiche Schaltzentrale frei. Fartuloon schob Atlan hinein und folgte ihm auf den Fersen. Er stemmte die Hände in die Hüften und blickte sich zufrieden um.

“Da wären wir”, sagte er triumphierend. “Wie gehen wir vor? Zerschlagen wir den Computer, oder sorgen wir zuerst dafür, daß die Kampfstationen auf Karaltron im atomaren Feuer vergehen?”

“Wir wollen nichts überstürzen”, wehrte Atlan ab. “Bevor wir die Verteidigungsanlagen des Mondes lahmlegen und damit eine ausreichend große Lücke in den Verteidigungsgürtel um das Imperium reißen, wollen wir uns davon überzeugen, daß wir den Mond auch wieder verlassen können. Wir müssen herausfinden, wann der Kleinstraumer startet und uns zum nächsten Linienschiff bringt. Alles muß Schlag auf Schlag gehen.”

“Du hast recht”, stimmte Fartuloon zu. “Es wäre unangenehm, wenn wir später keine Möglichkeit hätten, den Mond rechtzeitig zu verlassen. Ich habe keine Lust, mich abschießen zu lassen.”

“Genau das möchte ich auch vermeiden”, sagte Atlan.

* Ermed Trelgron betrat die Computerzentrale auf Karaltron. Er fühlte sich frei und sicher. Atlan

und Fartuloon konnten von der Spezialeinheit nicht mehr gefunden werden. Damit war dieses Problem ausgeräumt. Trelgron war entschlossen, die Spezialisten solange suchen zu lassen, bis sie von selbst aufgaben.

Er begrüßte seine Mitarbeiter und begann danach sogleich mit den üblichen Routineprüfungen und Bereitschaftsschaltungen. Diese bereits tausendfach vorgenommenen Arbeiten wurden täglich wiederholt, damit sich die Führungsmannschaft und die Besatzung des Stützpunkts immer wieder davon überzeugen konnte, daß wirklich die gesamte Verteidigungskraft für den Ernstfall zur Verfügung stand.

Ermed Trelgron fand, daß alles in Ordnung war. Er befahl Dreymong über Video, eine Gruppe von vierzig Männern zusammenzustellen und mit

ihnen den Bau eines weiteren Energiestrahlstands zu beginnen. Für zehn Elektronik- und Positronikspezialisten setzte er eine Sonderübung auf der südlichen Halbkugel des Planeten an. Danach aktivierte er auch den Rest der Stützpunktbesatzung. Zugleich sorgte er dafür, daß die Suche dadurch

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nicht erschwert wurde. Schließlich krönte er seine Betriebsamkeit dadurch, daß er eine Besprechung mit dem Oberkommandierenden der Spezialisten von Arkon anberaumte. Er nutzte sie dazu, den Offizier in schärfster Weise zu kritisieren und ihm schließlich totales Versagen vorzuwerfen.

Unmittelbar darauf kehrte er zu seinem Kommandantensessel in der Zentrale zurück. Er setzte sich und war mit sich völlig zufrieden. Daß er Wirbel gemacht hatte, hatte ihm gut getan.

Seine Blicke richteten sich auf einige Instrumente, und dabei fiel ihm etwas auf. Die Werte, die angezeigt wurden, schwankten. Trelgron erschrak. Er mußte sofort an Atlan und Fartuloon auf dem Mond denken. Die beiden Männer befanden sich im Herzen der wichtigsten Defensivbastion des Sonnensystems. Von diesem Mond aus konnten sie den Weltraum über Lichtjahre hinweg beherrschen oder aber auch eine ebenso große Lücke schaffen, in die der Feind gefahrlos hineinstoßen konnte.

Trelgron beobachtete die Anzeigen von einigen anderen Instrumenten. Auch hier gab es leichte Abweichungen von den Normalwerten. Jetzt lief es ihm kalt den Rücken herab.

Er begriff. Die Abweichungen konnten nur bedeuten, daß Atlan und sein Begleiter auf dem Mond

Veränderungen an den positronischen Schaltungen vornahmen. Wenn sie die Steuerungsanlagen total zerstörten, wurde auf Karaltron Alarm ausgelöst. Wenn sie aber Störfaktoren einbauten, brach das Verteidigungssystem erst nach einer längeren Frist zusammen, ohne einen vorzeitigen Alarm zu verursachen.

Trelgron arbeitete fieberhaft. Nach und nach fand er mehr als fünfzig Alarmfaktoren heraus. Er blickte auf sein Chronometer und erkannte die Wahrheit endgültig.

Atlan und Fartuloon mußten herausgefunden haben, daß sie noch etwa zehn Stunden Zeit bis zum Start ihres Kleinstraumschiffs hatten. Sie nutzten die Frist, die ihnen blieb, zu raffinierten Manövern, wie sie nur von hervorragend geschulten Leuten durchgeführt werden konnten.

Trelgron verließ die Zentrale und raste in seinem Gleiter zu seinem Haus. Delgola schlief noch. Er weckte sie auf und informierte sie.

“Das ist doch unmöglich”, protestierte sie. “Atlan kann auf gar keinen Fall mit den Methans oder anderen äußeren Feinden des Imperiums zusammenarbeiten.”

“Möglich oder nicht”, erwiderte er scharf. “Tatsache ist, daß die beiden das Verteidigungssystem lahmlegen wollen. Und dagegen muß ich etwas unternehmen. Ich fliege sofort zum Mond.”

“Und dann?” fragte sie ängstlich. “Was passiert, wenn Dreymong etwas merkt?” “Dann werde ich fliehen müssen”, erwiderte er. “Warten wir jedoch erst einmal ab. Vielleicht kann

ich noch alles wieder in Ordnung bringen. Dir kann auf gar keinen Fall etwas passieren. Nur mich kann man anklagen. Du hast also Zeit, dich später abzusetzen.”

Sie umarmte ihn leidenschaftlich, bevor er aus dem Haus hastete und mit dem Gleiter zum nächsten Hangar flog. Ihm als Stützpunktkommandanten stand jederzeit ein Raumer zur Verfügung. In fliegender Eile bereitete er den Start vor, und erst in den letzten Sekunden vor dem Abflug nahm er Verbindung mit der Zentrale von Karaltron auf. Er informierte den leitenden Offizier darüber, daß er einen Inspektionsflug zur Mondstation machen wollte.

Seine Ankündigung überraschte nicht! Trelgron merkte erst jetzt, daß er durch seine fieberhafte Aktivität an diesem Morgen die besten

Voraussetzungen für diesen Flug geschaffen hatte. Das Raumschiff raste mit hoher Beschleunigung in den Raum hinaus und ging auf den

günstigsten Kurs zum Mond. Von nun an hatte Trelgron Zeit, über alles nachzudenken, was in den letzten Tagen geschehen war. So sehr er sich jedoch bemühte, er konnte das Rätsel nicht lösen. Kurz vor der Landung auf dem Mond wurde er sich dessen bewußt, daß er bei seinen Überlegungen immer wieder von der Voraussetzung ausgegangen war, daß die Männer, die er gerettet hatte, wirklich Atlan und Fartuloon waren.

“Und wenn sie es nun nicht sind?” fragte er sich laut. Ihm wurde unbehaglich, denn diese Frage brachte ihn darauf, daß er das Opfer eines raffinierten

Psychospiels geworden sein könnte. Er überdachte alles noch einmal, schüttelte dann aber energisch den Kopf.

“Unmöglich”, sagte er, “denn dann hätte ja auch Hor Saran und die anderen Getöteten Teil des Spieles sein müssen.”

Im gleichen Moment erinnerte er sich daran, daß er eine geheime Nachfrage über Hor Saran nach Arkon geschickt hatte, weil er diesem Mann nicht voll vertraut hatte. Ihm fiel wieder ein, daß Hor

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Saran seltsame Fragen gestellt und versucht hatte, zu einem Prüfungs- und Reparaturkommando abgestellt zu werden, das zum Mond geschickt worden war.

Hor Saran hatte versucht, zum Mond zu kommen. Nicht einmal, sondern mehrmals. Trelgron begriff. Hor Saran hatte sein Ziel nicht erreicht. Wenn er wirklich mit diesem Mann zusammengearbeitet

hatte, der vorgab, Atlan zu sein, dann … Der Kommandant brach seine Überlegungen ab, da er spürte, daß er nicht mehr weiterkam und

sich in Spekulationen verfing. Das Raumschiff landete. Ein breiter Spalt tat sich im gelblich-rötlichen Gestein der

Mondoberfläche auf, und das Raumschiff glitt hinein. Trelgron wartete, bis sich die Schleusenschotte geschlossen hatten, dann nahm er sich zwei Energiestrahler aus einem Ausrüstungsschrank. Einen schob er in seinen Gürtel, den zweiten, der wesentlich kleiner war, verbarg er im Schaft seines Stiefels. Dann verließ er das Raumschiff.

Er wußte, daß in der robotischen Zentrale ein Licht anzeigte, daß er gelandet war. Wenn die beiden Männer es beobachtet hatten, waren sie informiert.

Durch ein Sicherheitsschott kam er auf einen Gang. Er eilte mit weit ausgreifenden Schritten auf die Zentrale zu. Den Energiestrahler zog er aus dem Gürtel und entsicherte ihn. Er wollte sich nicht überraschen lassen.

Vor dem Schott zur Zentrale blieb er stehen. Unwillkürlich beugte er sich vor und horchte, obwohl er wußte, daß die Isolierung praktisch alle Geräusche verschluckte. Er hob die Hand mit der Waffe und drückte die andere Hand gegen den Öffnungskontakt. Das Schott glitt zur Seite.

Trelgron sprang vor und blickte sich suchend um. Die Zentrale war unbesetzt. Weder Atlan noch Fartuloon hielten sich hier auf. Das Warnlicht, das

anzeigte, daß er gelandet war, blinkte noch immer. Trelgron ging zur Schaltbank hinüber. Er drückte einen Knopf, und das Licht erlosch. Leise zischend glitt ein Schott auf. Trelgron fuhr herum. Fartuloon stand drei Meter hinter ihm und

zielte mit einem Energiestrahler auf ihn. “Wir könnten natürlich beide schießen”, sagte der füllig wirkende Freund Atlans höhnisch. ”aber

dann würde ziemlich viel Positronik zum Teufel sein. Wollen Sie das, Trelgron?” Ein zweites Schott öffnete sich. Feste Schritte näherten sich dem Kommandanten, und dann griff

Atlan an ihm vorbei und nahm ihm die Waffe ab. Fartuloon ließ seinen Strahler sinken. “So ist es schon besser”, sagte Atlan. Trelgron wandte sich ihm zu. “Wer sind Sie?” fragte er mit bebender Stimme. Atlan blickte ihn erstaunt an. “Das wissen Sie doch. Ich bin Atlan, Kristallprinz von Arkon.” Trelgron schüttelte den Kopf. “Das

ist unmöglich”, erwiderte er. “Atlan würde niemals zum Verräter am Imperium werden. Er würde nie so etwas tun wie Sie.”

“Meinen Sie?” Der Mann, der aussah wie Atlan, verzog die Lippen. Er gab Fartuloon einen Wink. “Kommen Sie”, sagte Fartuloon und packte Trelgron mit hartem Griff am Arm. “Was haben Sie vor?” fragte der Kommandant. Er erhielt jedoch keine Antwort. Der ungemein

kräftige Begleiter Atlans schleppte ihn aus der Zentrale in einen Gang, der zu einer Anlage von mehreren Energiestrahlern führte. Wenige Meter hinter dem Schott blieb Fartuloon stehen. Er wirbelte den Kommandanten herum und blickte ihn mit gefühllosen Augen an.

“Es tut mir leid. Es muß sein” sagte er, aber Trelgron spürte mit eisigem Schrecken, daß tatsächlich überhaupt keine Emotionen hinter diesen Worten standen. Fartuloon sprach und handelte so kalt wie eine Maschine.

“Was haben Sie vor?” fragte Trelgron zurückweichend. Die Hände Fartuloons schossen blitzschnell vor und legten sich ihm um den Hals. Sie drückten

mit äußerster Gewalt zu. Trelgron bäumte sich auf. Er versuchte sich zu befreien. Er schlug mit den Armen um sich, aber es gelang ihm nicht, den eisernen Griff zu sprengen.

Seine Fäuste hämmerten gegen die muskulösen Arme Fartuloons, prallten wirkungslos von dem Brustpanzer ab und stießen ins Leere, als sie seinen Kopf zu erreichen suchten. Trelgron spürte, daß die Kräfte schnell nachließen. Vor seinen Augen flimmerte es bereits. Und in seiner Todesangst erinnerte er sich daran, daß er noch eine Waffe im Stiefel bei sich trug. Er zog das rechte Bein hoch. Seine zitternden

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Finger zogen den Energiestrahler aus dem Stiefel. Mit letzter Kraft hob er die Waffe, richtete sie gegen den Bauch Fartuloons und löste sie aus.

Trelgron war, als ob er mitten im Feuer stünde. Licht und Glut überfluteten ihn. Die würgenden Hände fielen von ihm ab. Fartuloon stürzte zu Boden, und auch Trelgron konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten. Er kippte nach hinten weg, prallte gegen die Wand des Ganges und rutschte daran herunter. Die Waffe polterte auf den Boden.

Der Kommandant rang mühsam nach Luft: Es schien, als hätten die Hände Fartuloons seinen Hals endgültig verschlossen. Doch allmählich erholte der Arkonide sich wieder. Er konnte wieder durchatmen, und seine Blicke klärten sich. Doch nach wie vor fühlte er sich zu schwach, um sich erheben zu können.

Er blickte auf die Leiche Fartuloons, ohne recht zu begreifen. Irgendwann steckte er die Waffe wieder ein, ohne sich darüber klarzuwerden, was er tat. Er wußte nur, daß er dem Tode ganz knapp entronnen war.

Der Energiestrahl hatte den Körper Fartuloons durchbohrt. Der Tote wies die typischen Merkmale eines Mannes auf, der durch den in seinem Innern entstandenen Hitzestau getötet worden war.

Trelgron erhob sich mühsam. Er stützte sich mit der linken Hand an der Wand ab und machte sich auf den Weg zurück zur Zentrale. Erst als er unmittelbar am Schott war, fiel ihm auf, daß dieses offen stand.

Atlan hielt sich nicht mehr in der Zentrale auf. Trelgron schloß das Schott hinter sich. Er ging zu einem Erfrischungsautomaten und zapfte sich

etwas Wasser ab. Er trank den Becher hastig aus und fühlte sich danach etwas besser. Auf dem Boden der Zentrale lag ein Energiestrahler. Es war die Waffe, die Atlan gehabt hatte.

Der Kommandant nahm sie auf. Er öffnete die Energiekammer und stellte fest, daß sie leer war. Er hatte nichts anderes erwartet, denn er zweifelte nicht daran, daß Atlan – oder der Mann, der so aussah wie Atlan – die positronischen Einrichtungen mit einigen Energieschüssen völlig zerstört hätte, wenn er die Möglichkeit dazu gehabt hätte. Atlan konnte ja nicht hoffen, daß sein Zerstörungswerk lange genug unentdeckt bleiben würde.

Trelgron blickte auf die Instrumententafel und zuckte zusammen. Er stürzte sich förmlich auf das Schaltpult und drückte eine Reihe von Knöpfen. Bild- und Ortungsschirme erhellten sich vor ihm. Zahlreiche Leuchtquadrate flammten in unterschiedlichen Farben auf.

Atlan hielt sich nicht mehr auf dem Mond auf. Er war geflohen. Er hatte offenbar gesehen, daß Fartuloon tot war, und hatte seine letzte Chance genutzt. Er war mit der Nachrichtenkapsel verschwunden. Diese befand sich bereits weit außerhalb des Systems.

Ein Ortungsreflex zeichnete sich nirgendwo ab. Das bedeutete, daß die Kapsel ihre erste Transition hinter sich hatte und nun schon Lichtjahre weit von Karaltron entfernt war.

Ermed Trelgron überlegte, was zu tun war. Er hatte die Möglichkeit, den Kommandanten des militärischen Linienschiffs zu verständigen, das

die Kapsel aufnehmen würde. Trelgron ließ sich in einen Sessel sinken. Stöhnend vergrub er das Gesicht in seinen Händen. Wenn er den Kommandanten unterrichtete oder nach Arkon meldete, was geschehen war, dann

war es um ihn geschehen. Er zweifelte nicht daran, daß Orbanaschol ihn entweder für den Rest seines Lebens einkerkern oder gar hinrichten lassen würde.

Schwieg er jedoch, dann konnte der Mann, der vorgab Atlan zu sein, im Zentrum des Imperiums großen Schaden anrichten.

Trelgron war sich darüber klar, daß seine Zeit auf Karaltron abgelaufen war. Für ihn gab es keine Zukunft mehr.

Er überprüfte sein Aussehen in einem Spiegel und kämmte sich anschließend. Dann brachte er seine Uniformbluse in Ordnung. Erst dann nahm er Verbindung mit Karaltron auf und ließ sich von dem Offizier, den er erreichte, sofort zu seiner Frau durchstellen. Das war zwar ein ungewöhnlicher Befehl, der aber von dem Offizier widerspruchslos ausgeführt wurde.

Delgola blickte ihn ängstlich an. Trelgron schilderte mit knappen Worten, was geschehen war. Dabei wußte er, daß niemand das

Gespräch abhören konnte. “Der Schaden, den dieser Mann im Zentrum des Imperiums anrichtet, kann nicht so groß sein,

wenn es mir gelingt, die Mondstation in kürzester Zeit wieder in Ordnung zu bringen”, schloß er. “Ich

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werde also einige Stunden hier oben bleiben und arbeiten. Vielleicht gelingt es mir, die Anlagen wieder in Ordnung zu bringen. Danach werde ich mit meinem Raumschiff in Richtung Zentrum starten. Wenn die Verteidigungslücke geschlossen ist, kann niemand von außen in Richtung Arkon nachstoßen. Hauptsache ist, daß Dreymong so bald nichts merkt.”

“Ich habe gesehen, daß er mit einem Raumschiff gestartet ist”, berichtete sie atemlos. “Dann wird er bald hier sein”, stellte Trelgron betroffen fest. “Gut, daß du mich gewarnt hast. Ich

bin auf ihn vorbereitet. Du wirst Karaltron so bald wie möglich verlassen. Auf Arkon I sehen wir uns wieder. Gib mir ein Zeichen, wenn du da bist.”

“Ich werde kommen”, versprach sie. Der Kommandant und seine Frau blickten sich noch einige Sekunden lang an, dann schaltete Trelgron ab.

Er blieb noch einige Sekunden lang still sitzen, dann aber raffte er sich auf und begann mit den Reparaturarbeiten.

Er glaubte, die Zusammenhänge nun zu kennen. Hor Sarans Verhalten hatte ihn von Anfang an gestört. Das war der Grund dafür gewesen, daß er diesem Mann den Weg zum Mond versperrt hatte. Damit hatte er indirekt den Anstoß für den Einsatz der beiden Männer gegeben, die aussahen wie Atlan und Fartuloon.

“Man kannte also meine politische Einstellung”, sagte Trelgron überrascht, als er mit seinen Überlegungen bis zu diesem Punkt gekommen war. “Man wußte, daß ich Atlan helfen würde.”

Die beiden Agenten einer fremden Macht hatten nur ein Ziel gehabt. Den Mond. Alles andere, was geschehen war, war nur Vorbereitung für diesen Schritt gewesen.

Je länger Trelgron darüber nachdachte, wie er getäuscht worden war, desto zorniger wurde er. Das Verlangen, sich Genugtuung zu verschaffen, wurde immer stärker in ihm. Schließlich stand für ihn fest, daß er dem Atlan-Doppelgänger folgen mußte, wohin auch immer dieser sich gewandt hatte. Trelgron kannte das erste Ziel. Arkon I. Dorthin wollte er auch fliegen.

Schließlich merkte er, daß seine Grübeleien ihn von der Arbeit ablenkten. Er kam nicht so schnell voran, wie er gehofft hatte. Deshalb verdrängte er alle Gedanken und konzentrierte sich ausschließlich auf die Reparaturarbeiten.

Er war ein geschickter und erfahrener Mann, der es mit jedem Positronikspezialisten aufnehmen konnte. So gelang es ihm, innerhalb weniger Stunden neunzig Prozent aller Schäden wieder zu beheben, oder er konnte die Störungen wenigstens provisorisch überbrücken, so daß sie später vom eigentlichen Reparaturtrupp leicht beseitigt werden konnten. Jede Reparaturstelle kennzeichnete er deutlich sichtbar mit einem Farbstift oder einem Fähnchen, um auf diese Weise eine Nachkontrolle zu erleichtern.

Hin und wieder führte er einige Kontrollen durch. Sie zeigten ihm an, daß in der Zentralstation von Karaltron noch immer kein Alarm ausgelöst wurde.

Trelgron lächelte verächtlich. Prarak Dreymong wußte, was los war, aber er wollte das Problem allein bewältigen, um sich

später die Ruhmesfedern allein ans Haupt stecken zu können. Trelgron fürchtete sich nicht vor der Begegnung mit seinem Stellvertreter. Er war davon

überzeugt, daß er leicht mit ihm fertig werden würde. Er war so sehr davon überzeugt, daß er schließlich nicht merkte, daß Dreymong auf dem Mond landete.

Er wurde völlig überrascht, als sein Stellvertreter plötzlich in der Zentrale auftauchte.

8. Atlan spürte die Verzögerung des Raumschiffs deutlich, wenngleich die Werte, die nicht vom

Antigrav aufgefangen wurden, nur äußerst gering waren. Er kauerte in einer kleinen Kammer der Nachrichtenkapsel und hatte keine Möglichkeit, sich mit Hilfe von Instrumenten oder durch direkte Sicht nach draußen zu orientieren. Er konnte nur abwarten.

Er hörte es klicken. Stählerne Arme erfaßten die Kapsel und führten sie. Dann rastete irgend etwas hörbar ein. Ein Ruck ging durch das Raumschiff. Über Atlan glitt etwas Metallisches hinweg. Ein Schott öffnete sich, und dann war es still. Nur das Arbeiten der verschiedenen Versorgungssysteme war zu hören, aber auch diese setzten nach und nach aus, bis endlich gar das Zischen der Belüftung verstummte.

Mit beiden Händen suchte Atlan das Schott ab, durch das er in den Stauraum gestiegen war,

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aber er fand keine Kontaktscheibe. Die Luft wurde warm und knapp. Atlan atmete keuchend. Über das Problem der Luftversorgung hatte er sich überhaupt keine Gedanken gemacht. Er hatte vielmehr damit gerechnet, daß sich die Luken nach der Landung automatisch öffnen würden.

Seine Hände suchten die glatten Wände immer nervöser ab. Ohne Erfolg. Schließlich warf sich der Arkonide mit ganzer Kraft gegen das Schott. Immer wieder, bis es sich plötzlich öffnete.

Erstaunt versuchte er, herauszufinden, wo der Öffnungskontakt war, als er ihn jedoch nicht sofort entdeckte, rollte er sich durch den engen Ausstieg nach draußen.

Er befand sich in einem röhrenförmigen Hangar, der etwa zwanzig Meter lang war und einen Durchmesser von ungefähr fünf Metern hatte. Das Raumschiff ruhte in großen Metallklammern, die es festhielten. Daneben war nur wenig Platz. Atlan mußte kriechen. Mühsam kämpfte er sich bis zum Heck des Raumers vor. Hier stieß er auf ein Mannschott, durch das er aus dem Hangar kommen konnte. Er öffnete es noch nicht gleich, sondern blieb erst einmal ruhig liegen und horchte. Die Geräusche, die er vernahm, verrieten ihm, daß er sich an Bord eines großen Raumschiffs befand.

Er war auf dem Wege nach Arkon! Zufrieden sah er sich um. Er bemerkte eine Röhre, die vom Raumschiff zur Wand führte. Durch

diese mußte das Schiff entladen worden sein. Alles geschah vollautomatisch. Atlans Doppelgänger überlegte, was er tun sollte. Er war sich darüber klar, daß er nicht bis zur

Landung auf Arkon I in diesem Hangar bleiben konnte. Früher oder später würde irgend jemand hier erscheinen und eine Inspektion vornehmen.

Wenn er den Hangar jedoch schon jetzt verließ, fiel er, wie er vermutete, erheblich mehr auf, falls er gesehen wurde, als später. In einigen Stunden, so hoffte er, konnte er in einem anderen Bereich des Schiffes untertauchen.

Er war überzeugt davon, daß er nicht sogleich als blinder Passagier entlarvt werden würde, wenn er vorsichtig genug war. An Bord eines großen Raumschiffes konnten sich nicht alle Besatzungsmitglieder kennen. Und nicht jedes Besatzungsmitglied wußte, wie der Kristallprinz aussah.

Der Doppelgänger wartete ab. Einige Stunden verstrichen. Noch immer war das kleine Raumschiff nicht kontrolliert worden. Atlan schloß daraus, daß tatsächlich niemand an Bord an die Möglichkeit dachte, daß sich ein blinder Passagier einschleichen würde.

Er öffnete das Schott und geriet in einen größeren Hangar, in dem zwei Beiboote standen. Von der Besatzung war nichts zu sehen.

Der Doppelgänger eilte zu einem anderen Schott, öffnete es und betrat einen Frachtraum, in dem zahlreiche Container standen. Auch hier war er allein.

Er kletterte über einige Transportbehälter hinweg, bis er eine Lücke fand, die sich als Versteck gut eignete. Er stieg hinein, rollte sich zusammen und schlief wenig später ein.

*

Ermed Trelgron wirbelte herum, als er hörte, daß sich ein Türschott hinter ihm bewegte. Er war

jedoch um einige Sekundenbruchteile zu spät. Prarak Dreymong lächelte hämisch. Er zielte auf den Kommandanten, der an der Computerbank

stand. “Sollten Sie nicht gewußt haben, daß ich komme?” fragte er. Trelgron verfluchte sich wegen seines Leichtsinns selbst, doch beherrschte er sich so weit, daß

ihm äußerlich nicht anzusehen war, wie sehr er sich ärgerte. “Dies ist nun schon das zweite Mal, daß mir jemand einen Energiestrahler unter die Nase hält

und mir weismachen will, daß er ihn im Notfall sogar abfeuern wird.” Dreymongs Lächeln vertiefte sich. Der Stellvertreter trat langsam auf den Kommandanten zu. “Darauf können Sie sich verlassen, daß ich schießen werde, falls Sie sich nicht richtig

benehmen,” antwortete er. “Damit würden Sie den Computer und somit einen maßgeblichen Teil der Verteidigungsanlagen,

lahmlegen.” “Na und?” fragte Dreymong zynisch. “Wen interessiert das? Wir sind allein. Ich kann behaupten,

in äußerster Notlage gehandelt zu haben.” Trelgron kreuzte die Arme vor der Brust. Bedächtig nickte er. “Ich habe Sie also richtig eingeschätzt”, bemerkte er. “Sie würden die Sicherheit des Imperiums

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aufs Spiel setzen, nur um Ihre persönlichen Rachegefühle an mir zu befriedigen.” “Mich täuschen Sie nicht”, erwiderte Dreymong. “Arkon ist nicht gefährdet.” “Warum hätte dieser Doppelgänger Atlans mit seinem Begleiter dann wohl ein so raffiniertes

Spiel aufgezogen und so weitgehend in das Verteidigungssystem eingegriffen, wenn bei einem Ausfall der Anlagen kein Angriff bevorstünde?”

Jetzt wurde Dreymong unsicher. Trelgron beobachtete ein leichtes Zittern seiner Hand, die die Waffe hielt. Gelassen deutete er auf die offen vor ihnen liegenden Teile des Computers.

“Ich habe einige Stunden hart daran gearbeitet, um die Fehlschaltungen dieser beiden Männer wieder aufzuheben. Hätte ich es nicht getan, dann hätte es eine Katastrophe gegeben, sobald ein feindliches Raumschiff aufgetaucht wäre”, erklärte er und fügte eine Reihe von technischen Erläuterungen an, die einem Positronikspezialisten wie Prarak Dreymong unter anderen Umständen alles hätten sagen müssen. Dreymong ging es jedoch nicht in erster Linie um die technischen Belange. Er wollte Trelgron beseitigen, um seinen Posten übernehmen und zugleich eine private Rache vollziehen zu können.

“Wo ist Fartuloon?” fragte Dreymong. “Und wo ist Atlan?” “Der eine war nicht Fartuloon, der andere nicht Atlan”, antwortete Trelgron. “Beide waren

Doppelgänger. Der eine, der die Rolle Fartuloons gespielt hat, liegt hinter der Tür dort.” Dreymong schritt rückwärts auf die bezeichnete Tür, zu und öffnete sie. Dann blickte er vorsichtig

über die Schulter zurück. Er fuhr sofort wieder herum, als er jedoch sah, daß Trelgron an seinem Platz stehengeblieben war, riskierte er einen längeren Blick auf die Leiche. Diesen Moment nutzte der Stütz-Punktkommandant. Er schnellte sich auf Dreymong. Dieser hörte ihn kommen, wandte sich ihm jedoch zu spät zu. Trelgron erreichte ihn und schlug die Hand mit dem Energiestrahler zur Seite.

Dreymong schoß in instinktiver Abwehr. Der Energiestrahl zuckte quer durch die Schaltzentrale und fuhr direkt über dem Hauptcomputer

in die Decke. Ein Regen von glühenden Tropfen prasselte auf die Schaltungen herab, gleichzeitig stiegen die Temperaturen schlagartig im Raum an. Auf den Kontrolltafeln flammten Dutzende von Warnlichtern auf, und eine Alarmpfeife begann zu heulen.

“Verdammter Idiot”, brüllte Trelgron zornig. Er schlug mit aller Kraft zu und traf seinen Stellvertreter am Kinn.

Dreymong warf die Arme nach oben, knickte in den Knien ein und stürzte schlaff nach vorn, als Trelgron ihm die linke Faust in die Magengrube hieb.

Der Kommandant nahm die Waffe auf, die Dreymong entfallen war. Dann eilte er zum Computer. Die befürchteten Schäden waren eingetreten.

Trelgron zögerte kurz, dann entfernte er das Verschalungsblech des Hyperfunkgeräts und zertrümmerte den positronischen Kern des Geräts mit dem Kolben der Waffe von Dreymong. Dann drehte er sich um und wartete.

Sein Stellvertreter kam allmählich wieder zu sich. Er richtete sich auf und preßte sich die Hände gegen den schmerzenden Leib.

“Sie haben mehr erreicht, als die beiden Agenten zuvor”, sagte Trelgron zornig. “Sie können verdammt stolz auf sich sein. Aber Sie werden einige Stunden Zeit haben, die notwendigsten Reparaturen durchzuführen.”

“Was haben Sie vor?” fragte Dreymong mühsam. “Ich werde Sie hier einschließen. Die Funkverbindung nach Karaltron ist unterbrochen. Sie

können sie mit den Mitteln, die Ihnen zur Verfügung stehen nicht wiederherstellen. Sie sind also darauf angewiesen, daß man da unten aufmerksam wird und Sie abholt. Bis dahin bin ich schon weit weg.”

“Bleiben Sie”, rief Dreymong, als Trelgron zur Tür ging. Der Kommandant lächelte nur. Er verließ den Raum und versiegelte das Schott mit einem

Zeitschloß, das sich nicht vor Ablauf von fünf Stunden öffnete. Dann eilte er zu dem Raumschiffhangar, in dem Dreymong gelandet war. Er stieg in das

Raumschiff und zerstörte auch hier die Funkanlage. Danach ging er zu dem Raumer, mit dem er von Karaltron gekommen war. Er stieg in die Maschine und startete. Er war sich dessen sicher, daß die Verteidigungsanlagen auf dem Mond nicht auf ihn schießen würden, da er entsprechende Vorkehrungen getroffen hatte.

Das kleine Raumschiff verließ den Hangar und entfernte sich mit schnell wachsender Geschwindigkeit von Karaltron, wobei es den Mond stets als Deckung gegen den Planeten nutzte.

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Als Trelgron das Sonnensystem verlassen hatte, flog der Raumer bereits mit so hoher Geschwindigkeit, daß er die erste Transition einleiten konnte.

Trelgron lehnte sich in den Polstern des Andrucksessels zurück. Er dachte an den Mann, der ihn im Namen Atlans betrogen hatte. Er war fest entschlossen, sich an ihm zu rächen.

ENDE

Lesen Sie nächste Woche ATLAN Nr. 262:

Der Konterschlag von H. G. Francis

Atlan II erreicht die Kristallwelt – und der Kampf um die Macht beginnt