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Zootierärztin Die Schlangen sind los Bei unseren Grossen Anakondas herrscht Nachwuchsfreude. Die Jungtiere kamen so zahlreich auf die Welt, dass ihre genaue Anzahl nur geschätzt werden kann. Text: Karin Federer Bilder: Walter Zoo V iele Reptilien und somit auch die Schlangen legen Eier. Aber Ana- kondas sind «ovovivipar». Das heisst, die Eier werden nicht abgelegt, sondern im Mutterleib ausgebrütet. Die Jungtiere schlüpfen also im Mutterleib und werden anschliessend geboren. Was eine weitere fas- zinierende Laune der Natur ist, stellt für uns Zoomit- arbeiter ein kleines Prob- lem dar. Da die Eier nicht gezählt werden können und sich die Jungtiere unmittel- bar nach der Geburt über- all in der grossen und ver- winkelten Anlage verkrie- chen, können wir nur schätzen, wie viele Tiere geboren worden sind. Vor Kurzem war es so weit: Unser Anakonda- weibchen Mandy hat zum zweiten Mal, seit es bei uns ist, Junge geboren. Da die jungen Anakondas die ers- ten zwei Wochen noch vom Eidotter in ihrem Bauch zehren, brauchen wir sie noch nicht zu füttern. Die erste Fütterung der Tiere mit Fischen, Küken oder Mäusen wird uns dann Gelegenheit geben, die Jungen zu zählen. Das Männchen muss raus Als ich gedanklich bereits das weitere Vorgehen plane, werde ich zum Tropen- haus gerufen. Auch Duffy, unser zweites Anakonda- weibchen, hat Junge zur Welt gebracht. Auf einen Schlag schlängeln sich nun noch mehr kleine Ana- kondas durchs Terrarium. Es wimmelt nur so. Ich wage eine grobe Schätzung: etwa 30 bis 40 Jungtiere. Für die genaue Zählung muss ich mich noch etwas gedulden. Jetzt haben wir ein weiteres Problem zu lösen: Während der Trächtigkeit haben die beiden Weibchen rund 20 Prozent ihres Kör- pergewichts verloren. Dem- entsprechend hungrig sind sie. In der Natur kommt es oft vor, dass sie ihren Heisshunger an den viel kleineren Männchen stillen. Wir wollen kein Risiko eingehen und eva- kuieren sicherheitshalber das Männchen. Nun freue ich mich, die zahlreichen Anakondas in den nächsten Monaten aufwachsen zu sehen, bevor wir sie an andere Zoos auf der ganzen Welt weitergeben. MM Muttertier mit Nachwuchs: Die neugeborenen Anakondas haben schon eine beachtliche Grösse. Karin Federer (29) ist Tierärztin und berichtet regelmässig aus dem Walter Zoo in Gossau SG. Tipps Schlangen als Haustiere halten Die Haltung von Schlangen kann sehr anspruchsvoll sein. Je nach Art sind unter- schiedliche Bedürfnisse zwingend abzudecken. Bevor eine Schlange als Haustier angescha wird, sollte sich der Halter über Herkunſt und Bedürfnisse der Schlangenart genaues- tens erkundigen. Richtige Beleuchtung, Temperatur, Luſtfeuch- tigkeit und Durchlüſtung des Terrariums ist bei Schlangen von enormer Wichtigkeit. Gewisse Schlangen brauchen eine Halte- bewilligung, die beim kantonalen Veterinär- amt beantragt werden muss. LEBEN | MM06, 8.2.2016 | 115

Die Schlangen sind los - Abenteuerland Walter Zoo · Zootierärztin Die Schlangen sind los Bei unseren Grossen Anakondas herrscht Nachwuchsfreude. Die Jungtiere kamen so zahlreich

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Zootierärztin

Die Schlangen sind losBei unseren Grossen Anakondas herrscht Nachwuchsfreude. Die Jungtiere kamen so zahlreich auf die Welt, dass ihre genaue Anzahl nur geschätzt werden kann. Text: Karin Federer Bilder: Walter Zoo

V iele Reptilien und somit auch die Schlangen legen Eier. Aber Ana­

kondas sind «ovovivipar». Das heisst, die Eier werden nicht abgelegt, sondern im Mutterleib ausgebrütet. Die Jungtiere schlüpfen also im Mutterleib und werden anschliessend geboren.

Was eine weitere fas­zinierende Laune der Natur ist, stellt für uns Zoomit­arbeiter ein kleines Prob­lem dar. Da die Eier nicht gezählt werden können und sich die Jungtiere unmittel­bar nach der Geburt über­all in der gros sen und ver­winkelten An lage verkrie­chen, können wir nur schätzen, wie viele Tiere geboren worden sind.

Vor Kurzem war es so weit: Unser Anakonda­

weibchen Mandy hat zum zweiten Mal, seit es bei uns ist, Junge geboren. Da die jungen Anakondas die ers­ten zwei Wochen noch vom Eidotter in ihrem Bauch zehren, brauchen wir sie noch nicht zu füttern. Die erste Fütterung der Tiere mit Fischen, Küken oder Mäusen wird uns dann Gelegenheit geben, die Jungen zu zählen.

Das Männchen muss rausAls ich gedanklich bereits das weitere Vorgehen plane, werde ich zum Tropen­ haus gerufen. Auch Duffy, unser zweites Anakonda­weibchen, hat Junge zur Welt gebracht. Auf einen Schlag schlängeln sich nun noch mehr kleine Ana­kondas durchs Terrarium. Es wimmelt nur so. Ich wage

eine grobe Schätzung: etwa 30 bis 40 Jungtiere. Für die genaue Zählung muss ich mich noch etwas gedulden.

Jetzt haben wir ein weiteres Problem zu lösen: Während der Trächtigkeit haben die beiden Weibchen rund 20 Prozent ihres Kör­per gewichts verloren. Dem­entsprechend hungrig sind sie. In der Natur kommt es oft vor, dass sie ihren Heiss hunger an den viel kleineren Männchen stillen. Wir wollen kein Risiko eingehen und eva­kuieren sicherheitshalber das Männchen.

Nun freue ich mich, die zahlreichen Anakondas in den nächsten Monaten aufwachsen zu sehen, bevor wir sie an andere Zoos auf der ganzen Welt weiter geben. MM

Muttertier mit Nachwuchs: Die neugeborenen Anakondas haben schon eine beachtliche Grösse.

Karin Federer (29) ist Tier ärztin und berichtet regelmässig aus dem Walter Zoo in Gossau SG.

Tipps

Schlangen als Haustiere halten

Die Haltung von Schlangen kann sehr anspruchsvoll sein. Je nach Art sind unter-schiedliche Bedürfnisse zwingend abzudecken.

Bevor eine Schlange als Haustier angeschafft wird, sollte sich der Halter über Herkunft und Bedürfnisse der Schlangenart genaues-tens erkundigen.

Richtige Beleuchtung, Temperatur, Luftfeuch-tigkeit und Durchlüftung des Terrariums ist bei Schlangen von enormer Wichtigkeit.

Gewisse Schlangen brauchen eine Halte­bewilligung, die beim kantonalen Veterinär-amt beantragt werden muss.

LEBEN | MM06, 8.2.2016 | 115