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VI. D i e l’heorie des longitu&nalen Stosses cylindriseher Stii6e; von W. Voigt. (Uebrrarbritet und vervollstitiidigt aus den Sitzungsber. dcr Bed. Acad. der Wiss. voni 22. Juni 1882.1 Der Stoss zweier cylindrischer Korper, deren Quer- schnitt klein ist gegen ihre Liinge, ist als Problem der Elas ticitat znerst von Cauchyl) behandelt worden, welcher aber nur einige Resultate seiner Entwicklungen, nicht diese selbst veroffentlicht hat. Spater hat Poisson eine Losung des Problems gegeben. z, Sein Grundgedanke ist, dass wah- rend der Dauer ihrer Beriihrung die verschiedenen stossen- den Stabe angesehen werden konnen als einen einzigen zu- samniensetzend, sodass fur cliese Zeit diejenigen Retrach- tungen, welche die longitudinalen Schwingungen von Prismen ergeben, Anwendung finden. Um die Trennung der einzelnen Theile zu bewirken, ist nach ihm erforderlich und hinreichend: erstens, dass zu beiden Seiten der Beruhrungsstelle die Span- nung gleich Null ist, damit nicht der eine Stab gegen den anderen gedruckt wird, und zweitens, dass zugleich eine Geschwindigkeitsdifferenz der sich beriihrenden Grenzelemente im Sinne einer T r e n n u n g vorhanden ist. Auf Grund dieser Definition gelangt er zu dem Resultat, dass vollstandig elastische Stabe nach dem Stoss stets zusammenbleiben, mit Ausnahme des einzigen Falles, dass sie gleichartig und gleich- gestaltet sind. In den funfziger Jahren hat zuerst Hr. Geh. Rath F. Neumann in seinen Vorlesungen iiber Elasticitiit an hiesiger UniversitBt den Fehler aufgedeckt, der in der Pois- so n’schen Definition des Zeitpunktes der Trennung liegt, und bei der vorgetragenen Losung des Problems darauf hin- gewiesen, wie der Zusammenhang nicht mehr bestehen kann, wenn die elastische Spannung in der Grenzstelle aus einer Druckkraft (begleitet von einer Compression) zu einer Z u g - k r a f t (begleitet von einer Dilatation) wird, - eine Bemer- 1) Canchy, B1d1. d. Scicllc. d. 1. SUC. E’hiloniat. 1);~. 1826. p. 180. 2) Poisson, TriLitC. dc Mi.caiiique 5 499 bis 504.

Die Theorie des longitudinalen Stosses cylindrischer Stäbe

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VI. D i e l’heorie des longitu&nalen Stosses cylindriseher Stii6e; von W. V o i g t .

(Uebrrarbritet und vervollstitiidigt aus den Sitzungsber. dcr Bed. Acad. der Wiss. voni 22. Juni 1882.1

Der Stoss zweier cylindrischer Korper, deren Quer- schnitt klein ist gegen ihre Liinge, ist als Problem der E l a s t i c i t a t znerst von Cauchyl ) behandelt worden, welcher aber nur einige Resultate seiner Entwicklungen, nicht diese selbst veroffentlicht hat. Spater hat P o i s s o n eine Losung des Problems gegeben. z, Sein Grundgedanke ist, dass wah- rend der Dauer ihrer Beriihrung die verschiedenen stossen- den Stabe angesehen werden konnen als einen e inz igen zu- samniensetzend, sodass fur cliese Zeit diejenigen Retrach- tungen, welche die longitudinalen Schwingungen von Prismen ergeben, Anwendung finden. Um die Trennung der einzelnen Theile zu bewirken, ist nach ihm erforderlich und hinreichend: erstens, dass zu beiden Seiten der Beruhrungsstelle die Span- nung gleich Null ist, damit nicht der eine Stab gegen den anderen gedruckt wird, und zweitens, dass zug le i ch eine Geschwindigkeitsdifferenz der sich beriihrenden Grenzelemente im Sinne einer T r e n n u n g vorhanden ist. Auf Grund dieser Definition gelangt er zu dem Resultat, dass vollstandig elastische Stabe nach dem Stoss stets zusammenbleiben, mit Ausnahme des einzigen Falles, dass sie gleichartig und gleich- gestaltet sind.

In den funfziger Jahren hat zuerst Hr. Geh. Rath F. N e u m a n n in seinen Vorlesungen iiber Elasticitiit an hiesiger UniversitBt den Fehler aufgedeckt, der in der P o i s - s o n’schen Definition des Zeitpunktes der Trennung liegt, und bei der vorgetragenen Losung des Problems darauf hin- gewiesen, wie der Zusammenhang nicht mehr bestehen kann, wenn die elastische Spannung in der Grenzstelle aus einer D r u c k k r a f t (begleitet von einer Compression) zu einer Z u g - k r a f t (begleitet von einer Dilatation) wird, - eine Bemer-

1 ) C a n c h y , B1d1. d. Scicllc. d. 1. SUC. E’hiloniat. 1);~ . 1826. p. 180. 2 ) Poisson , TriLitC. dc Mi.caiiique 5 499 bis 504.

w. voigt. 45

kung, die der Erfahriing so entspricht, dass nicht weitel, darauf eingegangen zu werden braucht. 1st in dem Moment, TVO eine solche Dilatation in der Beriihrungsstelle entsteht, iiberdies eine Geschwindigkeitsdifferenz der S c h w e r p u n k t e der Stabe vorhaden im Sinne einer T r e n n u n g , so beendet dieser Augenblick den Stoss, - wenn n i c h t , kann sich der- selbe wiederholen.

Vie1 spater hat (ohne die Neumann’sche Losung zu kennen) Hr. S a i n t V e n a n t l ) das Problem in derselben Weise behandelt, sowohl fur gleichartige und gleich dicke Stabe, als fur den allgemeineren Fall, den N e u m a n n seiner Zeit nur andeutungsweise besprochen hat. Noch fehlte aber, soviel ich weiss, eine Priifung der neuen Theorie, denn die von S chn e e b e l i 2, veroffentlichten Beobachtungen sind ohne Riicksicht auf dieselbe durchgefiihrt. Dies bewog mich, einige Messungen anzustellen, urn die Geschwindigkeiten der Stabe nach dem Stoss, wie sie die Beobachtung zeigt, mit den nach der Theorie berechneten zu vergleichen; ich wollte mich dabei auf den einfachsten Fall gleichartiger und gleich dicker Stabe beschranken, wurde aber am Schluss der Unter- suchnng durch die Bekanntschaft mit einer Arbeit von Hrn Prof. Bo l t zmanns ) , wenigstens noch einige Beobachtungs- reihen fur den Stoss verschieden dicker Sfabe gleicher Art hinzuzu figen.

I m Folgenden werde ich zunachst zeigen, wie die Beob- achtungen der genannten Theorie durchaus wide r sp rechen , und sodann versuchen, dieselben durch eine etwas modificirte Theorie zu erklaren.

I. Die Beobachtungen sind mit Staben aus glashartem Stahl von ca. 8 nnd 11 mm Dicke und 20 bis 40 cm Lange4) angestellt, welche mit je vier Faden von 2l/, m Lgnge als Pendel an einem geeigneten nahe der Decke an der Wand des Beobachtungsraumes befestigten Gestelle aufgehangt

1 ) Saint V e n a n t , Liouville’s Journ. (2) 11. p. 237. 18G7. 2) Schneebel i , Pogg. Ann. 143. p. 239. 1871. 3) L. Holtzmann, Sitzb. d. k. Acad. d. Wissensch. S4. p. 1225. 1881.

4) Die Schwierigkeit der Hartinig verbot grosaere Liingen. Wed. Ann. 17. p. 343.

46 w. voiyt. waren. Als Zeiger angebrachte feine Spitzen gestatteten, auf einer Theilnng die Schwingungsamplituden abzulesen, die der s t o s s e n d e Stab vor dem Zusammentreffen und be ide n a c h deinselben erreichten. Der g e s t o s s e n e Stab befancl sich anfangs in Ruhe - was die Allgemeingiiltigkeit der gezogenen Folgerungen augenscheinlich nicht beeintrachtigt. denn die ganze Erscheinung hangt nur ron den r e 1 a t i v en Geschwindigkeiten ab.

Eine ganz besondere Sorgfalt war clarauf zu verwenden nothig, dass die Stabe mit ihren LBngsaxen in cine Gerade fielen und sich ohne seitliche Schwankungen vor und nach dem Stoss be\\ egten. Demgemass wurde der stossende Stah an einem geeignet geschnittenen feinen Papierstreifen in seiner Anfangslage gehalten und erst, nachdem er vollstandig beruhigt war, durch Durchbrennen jenes Streifens in Be- wegung gesetzt. Nach dem ersten Stoss wurden die ersten Amplituden b e i d e r SCabe g l e i c h z e i t i g beohachtet. Hr. stud. W i e c h e r t hat mich hierhei freundlichst unterstiitzt.

Ferner war zu berucksichtigen, dass in der Ruhelage die beiden Stabe sich beruhren mussten, ohne irgend einen Druck aufeinander auszuiiben; dies liess sich dadurch prufen. dass jeder Stab, wenn der andere entfernt wurde, seine Lage ungeandert beibehalten musste; Abweichungen, die 0,l mm nicht uberstiegen, wurden bei der Bereclinung der Resultate berucksichtigt. - Um bei der Ablesung der Amplituden Parallaxe zu vermeiden, waren hinter den Scalen Spiegel- glasstreifen aufgestellt.

In den folgenden Tafeln sind die Resiiltate der Beobach- tungen mitgetheilt. Die erste Colonne enthiilt die 9z l f rm 4s- amplitude des stossenden Stabes, cler durch eine r6inisclilA Zahl charakterisirt ist. Die Amplituden sind so klein ge- wahlt, dnss sie ohne merklichen Fehler als Mnass fur die Stossgeschwindigkeit angesehen werclen konnen. Die zweite und dritte Colonne enthnlten die ersten Amplituden (resp. Geschwindigkeiten) des stossenden nnd gestossenen Stabes nach der Trennung.

Jede Ablesung ist ofter wiederholt worden, je nach Um- standen fiinf- bis zwolfmal, aber da alle Pehlerquellen im

VI O

I

19,5 39,3 78,7

20 093 40 095

120 1 9 7 80 171

160 2,s 156,8 1 160 291 118,2 157,5

ao 120 1,6

- I q - E r p T )

~- I

-12,o 61,4 160,8 -22,O I 122,O

PI I ~ v9 11 KO I T I 71

T 1 It I I1 I a)

K voigt. 47

gleichen Sinne, niimlich die Amplituden verk le inernd , wirkten, so war es unthunlich, aus allen beobachteten Zahlen das Mittel zu nehmen; es sind vielmehr von vornherein alle auffallig kleinen Werthe, zumal solche Beobachtungen, bei denen die wohl nie vollstiindig fehlenden seitlichen Schwan- kungen der Stabe stark waren, von der Berechnuog ausge- schlossen, und nur drei bis vier der grass ten der Regel nach benutzt worden. Die einzelnen Ablesungen differirten bei den kleinsten Amplituden (20 mm) kaum um 0,3 mm, bei den grossten (200 mm) urn fast 1,5 mm; die - Sicherheit der angegebenen Zahlen schjitze ich im ersten Falle auf etwa 0,2 mm, im letzten auf 0,5 mm.

Die Langen der verwandten gleich dicken Stkbe I bis I V waren :

LI = LIr = 30 cm, LrIr = 20 cm, LIv = 40 cm und ihre Massen sehr nahe ihren Langen proportional; ge- nauer, wenn man mit p die mittlere Masse auf 10 cm Liinge bezeichnet: mr = 226,O g = p (3 - 0,0022); = 226,l g = p (3 - 0,0020); mIr = 151,4 g = ,U (2 + 0,0027); tttrv = 302,5 g = p (4 + 0,0016). Dsbei war ,u = 753 g.

Der diinnere Stab V hatte eine Ljinge von 30 cm und wog 115 g.

Tabel le I. St$ibe von gleichem Querschnitt.

48

6) I I I l I V

v j 120 - -13,4 9 , l 99,2 160 -17,2 , 132,O

111 1 111 I IV 7)

w. voyt.

IV 1 IV 1 I 6) _- 20 22,3

120 40 80 20,O 13,l 133,3 s9,3

IV 1 IV 1 m 8)

I

20 40 80

120

I I V 9 ) V l v I I 10)

6,6 25,5 20 1 - 6,O 1 13,O

26,6 104,2 SO ’ -24,6 ~ E?t 39,6 156,4 160 I -48,s 1 106,O

13,3 52,2 40 - 12,O

-

I v i IV v 11)

20 27,8 40 SO

120

v 1 V 1 IV 12)

160 -60,2

48 w. voyt.

Um die in diesen Tafeln enthaltenen Zahlenwerthe niit der Theorie vergleichbar zu machen, sind sie noch von Fehlern zu befreien. Der Luftwiderstand ist bei so kleinen Am- plituden zwar fast unmerklich; es betragt namlich die Ab- nahme der Amplituden pro Doppelschwingung bei 160 mm Ausschlag :

fur die Stabe I und I1 0,6 mm fur ,, )) I11 0,7 mm fur 7, > I IV 0,5 mm

und fur )) ,) V 1,l mm, es fallt also der Einfiuss wahrend einer e in fachen Schwin- gung beinahe in die Grenze der Beobachtungsfehler’) - aber eine andere Wirkung der umgebenden Luft ist merk- licher.

1) Eine Coryection ist rleslialb nur naheruiigsweise angebracht.

48 w. voyt.

Um die in diesen Tafeln enthaltenen Zahlenwerthe niit der Theorie vergleichbar zu machen, sind sie noch von Fehlern zu befreien. Der Luftwiderstand ist bei so kleinen Am- plituden zwar fast unmerklich; es betragt namlich die Ab- nahme der Amplituden pro Doppelschwingung bei 160 mm Ausschlag :

fur die Stabe I und I1 0,6 mm fur ,, )) I11 0,7 mm fur 7, > I IV 0,5 mm

und fur )) ,) V 1,l mm, es fallt also der Einfiuss wahrend einer e in fachen Schwin- gung beinahe in die Grenze der Beobachtungsfehler’) - aber eine andere Wirkung der umgebenden Luft ist merk- licher.

1) Eine Coryection ist rleslialb nur naheruiigsweise angebracht.

w. voigt. 49

Wahrend der Einleitung des Stosses entsteht zwischen den Stliben eine Verdichtung der Luft, wahrend ihrer Trennung eine Verdunnung. Beide Umstande wirken in entgegenge- setzter Weise auf das System ein, aber wahrscheinlich nicht mit gleicher Starke. Ich glaube annehmen zu mussen, dass die V e r d i i n n u n g eine e n e r g i s c h e r e ist, als die vorher- gehende Verdichtung, und sehe die in den beiden ersten Tafeln ausgesprochene Erscheinung, dass bei zwei gleichen Stiben entgegen der Erwartung der stossende nicht nach dem Stoss in Ruhe verharrt, sondern dem gestossenen noch ein wenig folgt, als eine Wirkung dieser Ursache an. Dem- gemass corrigire ich zunachst die Beobachtungen der ersten beiden Tafeln dadurch, dass ich die kleine im stossenden Stab ubrige Geschwindigkeit dem gestossenen noch zulege, und danach die der ubrigen (indem ich berucksichtige, dass die besprochene Ursache nur von der relativen Geschwindig- keit der beiden St ibe abhangen kann und indirect propor- tional ihren Massen auf sie wirken muss) d a d u r c h , dass ich bei jeder Beobachtung den aus der ersten oder zweiten Tafel fur die relative Geschwindigkeit der betreffenden beiden Stabe passenden Werth entnehme und denselben, mit dem um- gekehrten Verhaltniss der Massen multiplicirt, von der End- geschwindigkeit des stossenden Stabes abz iehe , zu der des gestossenen zufuge. Z. B. ist in der dritten Beobachtung der funften Tafel die relative Geschwindigkeit nahe dieselbe wie in der dritten, der ersten und zweiten Tafel. Ich bilde daher den c o r r i g i r t e n Werth:

v1 = - 9,l - 1,2 = - 10,3, aber :

v Z = 66 ,3+1 ,2 . - - , d i., dn - = j i s t , v ,=67 ,2 . mI mI

IF mrv Zu letzterem Werth wurde wegen des Luftwiderstandes

noch beinahe 0,2 hinzukommen. Das Gleiche habe ich bei den Beobachtungen der neunten

bis zwolften Tafel gethan in der Annahme, dass wegen der schwachen Abrundung der Enden der Stabe ihr Q u e r - s c h n i t t auf die genannte Erscheinung nur geringen Ein- fluss iiben mochte; indess scheint es (vergl. p. 62), dass die so gebildete Correction etwas zu gross ausfallt.

Ann. d. Phys. u. Chem. N. F. XIX. 4

50 w. voigt. Stellt man nach diesen Reductionen die beobachteten

Werthe mit den nach der N e u m a n n - S a i n t Venant'schen Formel berechneten zusammen, so erhalt man folgende Uebersicht.

T a b e l l e 11. S t a b e von e l e i chem Querschnitt.

240 39,7 80,l 119,7 159,5

399 739

35,3 16,8

0 0 0 0 0

- 2,s - 5,4 - 10,3 - 153 -19.5

19,8 39,8 80,l 120,l 160,O

- 6,4 -12,2 -21,6 -38,7

0 0 0 0 0

898 18,O 36,8 56,l

2,8 6,2 12,2 18,s

22,O 5 20 45,2 10 40 Y0,5 20 . 80 135,l 30 120

16,7

67,4 100,6 134,l

33,7

1) 20,o

80,O 120,o

8) 20,o

40,O

160,O ___

40,O 80,O 1644

6 ) 0 0 0 0 0

15 30 60 90 120

7) 10 20 40,2 8094

beobachtet berechnet

0 0 0 0 0 __

!!!E= m. 3

2) 20,o

120,o

40,O 80,O

160,O

6,7 13,6 28,7 61,O

Stlrbe von verschiedenem Querschnitt.

5 = 1,96 ma

: 0,38

9,9 19,s 40,7 60,s

- m1

ma 28,4 56,7 112,6 167,O

9) 26,5 53,O 106,O 159,l

11) 13,5 26,9 53,8 80,7

4) 13,3 26,7 63,3 106,7

- 6,6 -13,8 -27,O -51,8

- 8,8 -16,9 -33,3 -63,6

8) 20 40 80,2 160,4

10) 13,5 27,O 54,O

108,O

12)

W. Voigt. 51

Die vorstehende Zusammenstellung zeigt ausser in den Tafeln 1, 2, 9 und 10, von denen spater gesprochen werden wird, durchweg ausserordentliche Differenzen zwischen Theorie und Beobachtung. Besonders auffallig ist, dass, wiihrend bei Staben gleichen Querschnitts die Theorie, wenn der k u r z e r e stiisst, nach dem Stosse fur denselben R u h e verlangt, die Beobachtung consequent ein lebhaftes Z u r u c k s p r i n g en er- gibt (vgl. Tafel 4, 5 und 7 ) ; ferner, dass sich ganz allgemein die nach dem Stoss ubrige lebendige Kraft der fortschrei- tenden Bewegung sehr erheblich g r o s s e r findet, als sie die Theorie ergibt, und beide Umstande sprechen dagegen, dass F e h l e r q u e l l e n die Ursachen der Abweichungen sind. - Bestatigt erscheint vollstandig das allgemeine Gesetz von der Erhaltung der Bewegung des Schwerpunktes. Aber mit den N e u m a n n - S a i n t Venant’schen Stossformeln sind diese Beobachtungen u n v e r e inbar .

Hier ist nun der Ort, der Beobachtungen, die Hr. B ol t z m a n n l) veranlasst und publicirt hat , zu gedenken. Sie betreffen nur den speciellen Fall zweier Stabe von nahe gleicher Masse und gleichem oder verschiedenem Querschnitt, aber ich trage Bedenken, ihnen e n t s c h e i d e n d e Bedeutung beizulegen. E i n m a l sind namlich die Querdimensionen so gross gegen die Langsdimensionen (bei den dickeren ist das Verhaltniss 17 : loo), dass man kaum die Theorie, welche die Querdimensionen v e r s c h w i n d e n d klein voraussetzt, auf sie anwenden kann, und z w e i t e n s sind die mitgetheilten Beob- achtungen noch nicht von dem Einfluss der oben erorterten Fehlerquellen befreit, der bei den sehr leichten Stiiben (aus grauem Kautschuk gefertigt) ausserordentlich gross gewesen sein muss; wenigstens ergab die Beobachtung mit g l e i c h e n Staben den Ausschlag des gestossenen Stabes, resp. = 83,5, 42 und 26 mm, wo nach der Theorie (die in diesem Falle sich bei meinen Versuchen vollstandig bewahrt hat, ja wie man weiter sehen wird, sich bewahren muss t e ) resp. 100, 50 und 30 mm zu erwarten gewesen ware.

Trotz alledem geben die B o l t z man n’schen Beobach- -

1) L. Boltzinann, 1. c. p. 1227. 4*

52 W. Voigt.

tungen durch ihre Abweichungen von den theoretischen Zahlenwerthen Grund zu schwerem Zweifel gegen die Richtig- keit der Theorie, eventuell ihre Anwendbarkeit auf die unter den gewohnlichen Umstanden angestellten Beobachtungen.

11. Den Grund fur die Abweichung der Resultate der Beobachtung und der N e u m a n n - S a i n t Venant'schen Formeln sehe ich in den letzteren zu Grunde liegenden Be- dingungen an der Beruhrungsstelle beider Stabe. Diese scheinen mir nicht nur im allgemeinen mit der Wirklichkeit, sondern auch unter sich im Widerspruch zu stehen. Sind die beiderseitigen Grenzelemente wahrend der Beriihrung in so 1 c h e r Lage und s o 1 c h e m Zustande, dass sie aufeinander wirken wie Nachbarelemente im I n n e r e n eines e inz igen Stabes, so konnen sie nicht durch eine beliebig kleine Dila- tation getreniit werden (da dies von j e n e n keineswegs gilt), und zeigt umgekehrt die Beobachtung kein merkliehes An- einanderhaften, SO konnen die beiderseitigen Grenzelemente nicht aufeinander wirken wie Theile eines ungetrennten Gan- Zen. Denn nach den Vorstellungen der Elasticitatstheorie ist mit gleicher relativer Lage zweier Korpermassen die gleiche Wirkung untrennbar verbunden , und es wiirde aus der zuerst von P o i s s o n ausgesprochenen Annahme, dass von dem Moment der Beriihrung an die Stabe als Theile eines einzigen elastischen Korpers angesehen werden konnen, folgen, dass sie sich n i ema l s trennen, es sei denn, dass die durch den Stoss als Reaction erregte Dilatation gross genug ware, die Cohasion des einen Stabes zu iiberwinden, in welchem Falle das System aber nicht gerade an der urspriinglichen Grenzstelle, sondern z. B. bei gleicher Substanz und Dicke beider Stabe an d e r Stelle zerreissen wiirde, wo die Dila- tation z u e r s t auftritt.

Auf Grund dieser Betrachtungen habe ich mir iiber den Vorgang in der Grenze der stossenden Korper folgende Vorstellung gebildet.

Tritt die Erscheinung, die wir als Stoss bezeichnen, auf, so folgt daraus, dass die Stabe wahrend der ,,Beruhrung" nicht in so inniger Verbindung sind, dass sie als ein Ganzes

w. voigt. 53

anzusehen waren. Verschiedene Umstande werden dem ent- gegenwirken. Zunachst die meist vorhandene Krummung der stossenden Endflachen l), ferner geringe Unebenheiten, die auch bei der vollkommensten Politur nicht fehlen, ebenso die auf der Oberfliche condensirten Gasschichten 2), endlich vielleicht der Zustand der Oberflachenschichten der Ktirper selbst, der aller Wahrscheinlichkeit nach von dem der inneren Theile abweicht. In allen diesen FFLllen hat ein Element, welches durch zwei, der Beruhrungsstellen beiderseitig sehr nahe liegende Querschnitte begrenzt wird und welches ich kurz die ,,Zwischenschicht" nennen will, wesentlich andere Eigenschaften als gin gleich starkes im I n n e r e n eines der Stabe. Werden die zwei Stabe mit unendlich kleiner Kraft zusammengedruckt, so hat die Zwischenschicht eine gewisse Dicke, welche die naturliche heissen mag. Eine Ver- grosserung des Druckes verringert die Dicke, aber nach der Natur der Zwischenschicht ist die Compression jedenfalls nicht proportional dem Druck, sondern wachst bei gleich- massiger Zunahme desselben anfangs sehr schnell, allmahlich langsamer. Einem Zug setzt die Zwischenschicht gar keinen Widerstand entgegen.

Hieraus folgt, dass die Bedingungen in der Grenze zwischen den Staben sein werden, falls (ZJl und (ZJ2 die Druckkrafte im ersten und zweiten Stab und wl, w2 die Ver- schiebungen in der Langsrichtung (welche in die z-Axe fallen mag) bezeichnen:

1) Auf den Eiufluss der nie ganz fehlenden Kriiminung der stossen- den Flachen macht auch Hr. B o l t z m a n n (1. c. p. 1225) aufinerksam und fiigt hinzu: ,,dass daher bei gleich langen ebensowenig als bei un- gleich langen Staben die reflectirten Wellen sich wieder am Ausgangs- punkte concentriren. Hiernach wurde also der bedeutende Verlust von lebendiger Hraft beim Stosse nicht blos der elastischen Nachwirkung zu- zuschreiben sein u. s. w." Aber dies letztere scheint mir angesichts des Resultates, dass die bei Staben mit gekriimmten Endflachen erhaltenen Verluste an lebendiger Kraft durchweg vie1 g e r i n g e r als nach der N e u m a n n -Saint-Venant'schen Theorie, j a bei gleichen Staben vollig verschwindend sind, nicht aufrecht zu erhalten. Hr. Prof. Bol tzmann hat bei einer zweiten Veroffentlichung seiner Beobachtungen diesen Einwand giinzlich ignorirt. (Vgl. Wied. Ann. 17. p. 343. 1882.)

2) Vgl. Voig t , Wied. Ann. 19. p. 39. 1883.

54 w. voigt.

(z)l = (z)z und W1 - Wz = F [ z ) . Hierin bezeichnet F(Z,) die Grosse der Compression der Zwischenschicht, ist also eine Function, die fur kleine 2, sehr schnell, fur grossere langsamer zunimmt.

Diese Bedingungen wiirden gelten, so lange an der Be- riihrungsstelle eine D r u ckkraft wirkt; verwandelt sich diese in eine Zugkraf t , so sind die Stabe ohne Wirkung auf- einander und gilt also beiderseitig (ZJ, = 0 und (Z& = 0.

Mit einer unbekannten Function F lasst sich selbstver- standlich das Problem nicht der Rechnung unterwerfen, und auch fur die meisten einfachen und plausiblen speciellen An- nahmen reichen die Mittel der Analysis nicht aus. Ich will daher folgendes angenaherte Verfahren benutzen. Bei einem bestimmten Stow wird die Zwischenschicht um eine bestimmte Grosse zusammengepresst; das Verhaltniss der Compression 61 zur ganzen Dicke der Zwischenschicht 1 und der diese Compression pro Flacheneinheit erzeugenden Druckkraft p , namlich 61 /p l kann als der reciproke m i t t l e r e Elasticitats- coefficient e der Zwischenschicht bei diesem Stosse bezeichnet werden. Ich wade so rechnen, als wenn die Zwischenschicht in allen Perioden des Stosses d e n s e l b en Elasticitatscoeffi- cienten e besasse. Dann ist aber zu bemerken, dass d i e s e r Elasticitatscogfficient keine durch die Natur der Stabe allein gegebene Constante, sondern noch von der Stiirke des Stosses abhangig ist, und zwar mit dieser wachst und ab- nimmt.

Lege ich, wie gesagt, die Z-Axe in die Mittellinie der stossenden Stabe von ihrer Beriihrungsstelle aus, bezeichne mit wl, w2, El, E,, el, eZ, m,, m,, ql, pa, 11, 4 fur den ersten und zweiten Stab Verriickungen , Elasticitatscoefficienten, Dichtigkeiten, Massen, Querschnitte und Langen, setze end- lich abgekiirzt :

E ' = u , a , E , p l - b b , , E2y ,=6 , , E,= Ul3 7 €1 €1

und ey / 1 == c, worin I , p, e fur die Zwischenschicht Dicke, Quer- schnitt und mittleren Elasticitatscoefficienten bezeichnen , so ist das Problem in folgenden Gleichungen ausgesprochen.

w. voigt.

Es muss sein: fur - ll < z < 0, fur 0 < z < I,,

55

fur z = O1).

(3) b d w , = b - - 1 az z a ; - + 2 - ~ l ) ’

endlich fur t = 0 (4) w1 = 0 : 1v2 = 0.2)

d”’= VlO, (5) a t aw, = v20. at

Das Problem zu lasen, setze ich: w, = Z’A, sin a1 tp, cosp, (Il + z) + Bit, w2=2TA2sina,tp,cosp,(12 - z ) + B , t ,

wodurch sogleich die Bedingungen (l), (2) und (4) erfullt sind.

b,p, A, sinplZ, + b2p, A, sinp,Z2 = 0 und: Aus (3) folgt alpl = a2p,:

1 1 .( b,Io,ctgPll, + G C t g P J , ) = 1 ’ endlich Bl = B, = B .

Setze ich alpl = uzp2 = v: blp, A, sin p , ll = - b,p, A, sinp, Z, = A

y h a1 A h sin t co8 - (I1 + 2)

- 7

w1 =z . vhll bl Yh Sill - so kommt:

a1

y h a2 Ah sin vh 1 cos - (la - Z) a,

b2 uh sin ~

a2

yhz% ’

1) Neben dcn Dimensionen der Stiibe ist die Dicke der Zwischen-

2) Die Annahme einer anfiinglichen Dilatation hat wohl kaum In- schicht za vernachllssigen.

teresse.

56 w. voigt.

Dabei sind die V h die Wurzeln der trsnscendenten @lei- chung (6):

(7) 6, a, b, a2 c

Urn die Constanten A der einzigen noch iibrigen Bedingung (5) gemass zu bestimmen, hat man folgendermassen zu ver- fahren.

a, ~ ctg - v 4 + az ctg K!? = 1'

Man setze kurz: bl = 21, Ah. T A . + B , ?>2 = zh As . Th . <7i -k B ,

a2 cos "I. (1, - z)

b2 sin __

worin : a, cos "I. (2, + z)

z h = C O S v h t , 56 = - v z

b, sin h-' - ist. I_ ,I

3 i h = - vh '2

a, a,

% s ( F 1 0 - B ) + --z21(r;;o b - B) ; ;dz a, a2

n 1,

-. 0 0

Dann ist: Ah = -lJ

Denn es lasst sich zeigen, dass: 0

Dies folgt aus den Eigenschaften von 5, dass namlich iiberall:

a c; a c; aZ fur: (2') z = - ZI, ~ a Z = 0 , fur z = + Z 2 , - = O ,

w. voigt. und fur: Z = O ,

57

(3') Bildet man namlich aus (1'):

fuhrt die rechte Seite durch theilweise Integration und Be- nutzung von (2) aus und addirt beide Formeln, so kommt nach (3') rechts Null; also ist:

n 1 .

und demnach fur R s h der zweite Factor = Null, q. e. d. Ausgerechnet ergibt sich demgemass:

Die einzig noch iibrige Constante B zu bestimmen, bilde man den Werth der Schwerpunktsgeschwindigkeit fur das ganze System. Dann findet sich:

Aber diese Summe findet sich nach den Formeln (l'), (2') und (3') gleich Null, also:

(9)

Die Formeln (6)-(9) enthalten die Losung des gestellten Problems.

Den Inhalt des Resultates zu uberblicken, miisste eigent- lich die in den Gleichungen (3) und (7) vorkommende Con- stante c, die dem Elasticitatscoefficienten der Zwischenschicht

58 W. Voigz'.

proportional ist, bekannt sein. D a dies aber nicht der Fall ist , muss man sich mit einigen speciellen Folgerungen be- gniigen.

1st c = 00, so wirkt die Zwischenschicht ebenso, als ware sie gar nicht vorhanden, sondern als trafen die Stabe unmittelbar aufeinander; denn es wird hier fur z = 0, b, t3wl/dz == b,dw,ldz und w1 = wz. Man erhalt auf diese Weise die N e u m a n n - S a i n t Ve n a n t ' schen Formeh1)

Aber mit dieser Annahme sind die Resultate der Mes- sung im Widerspruch, c muss also endlich sein, und die oben entwickelte Vorstellung lasst vermuthen, dass es bei kleinen Stossgeschwindigkeiten s e h r klein werden kann.

In diesem Falle lasst sich die Lage der Wurzeln der transcendenten Gleichung (7) leicht beurtheilen. Construirt man namlich die Curven:

I 5 y = a , c t g z I + a 2 c t g . r k und y = - 9

so sind die x Coordinnten ihrer Schnittpunkte die gesuchten Wurzeln Vh.

Man erkennt, dass eine erste Wurzel vo unweit Null liegen muss, - um so n a h e r , je kleiner c ist, - ausser- dem zwei Systeme bei al (hn + &)/Z1 und a2 (hn + S;)/Z,, wo h = 1, 2, 3 . . . sein kann, und zwar sind die Werthe & und S;: bereits sehr klein, wenn vo noch ziemlich betrachtlich ist.

Mit abnehmendem c werden die hijheren Glieder der Reihen (6) sehr schnell den Einfluss verlieren, da sie propor- tional mit sin &, und sin d t sind, zugleich wird das erste Glied wegen der Kleinheit von vo sich einem Grenzwerth nahern.

Vernachlassigt man Glieder von der Ordnung S;, und 8;, sowie und (vo12/a2)z neben 1, so erhalt man nach leichten Reductionen :

b, a, B , 0 2

1) Vgl. S a i n t - V e n a n t , 1. c. p. 288. Es mag noch einmal erwithnt werden, dass unter besondcren Umstiinden (Beobachtung im Vacuo, voll- standiger Politur und ebener Gestalt der Endflachen) diesc Formeln viel- leicht nngeni iher t , aber nie streng giiltig werden konnen, da die ihnen en Grunde liegenden Voraussctzungen im allgemeinen eine Trennung der &&be nach dem Stosse gar nicht zulassen.

W . Voigt. 59

m, Pl0 + m, Ka0 m, + m,

m, (PIo - V,O) m, f m2

v 2 = cos Yo t

und fur die Beriihrungsstelle zugleich: -

= - A, sin Yo t. a z Dabei ist in erster Naherung fur sehr kleines c:

Die vorletzte Formel zeigt, dass wahrend 0 < t < m/vo bleibt , in der Beruhrungsstelle eine Compression vorhanden ist, fur t = n / u , aber eine Dilatation sich zu bilden beginnt. Zu diesem Zeitpunkt miissen also nach den oben entwickelten Ansichten die Stabe ausser Wechselwirkung treten, und T = mIwo ist als die ,,Daner des Stosses" anzusehen.

Die Stabe bewegen sich in diesem extremen Falle fort- wahrend als G a n z e s , d. h. ohne innere Dilatationen; ihre Schwerpunktsgeschwindigkeit wird also fur den Moment der Trennung einfach durch Einsetzen des Werthes t = n / v o in die letzten Formeln erhalten, und es ergibt sich:

2m, Va0 + (m, - m,) TIo - (10) V, = 2 m, v,o + (m, - m,) P?. m1 + m'2

, v, = m1 + m2

In diesem extremen Falle, wo sich die Stabe nur als Massen, deren Elasticiiat nicht in Betracht kommt, bewegen und die elastische Wirkung nur von der Zwischenschicht ausgeht, erscheinen also die a l t e n Stossgleichungen, die man durch alleinige Benutzung des Princips der Erhaltung der lebendigen Kraft und der Schwerpunktsgeschwindigkeit ab- leiten kann, - und dies ist begreiflich, da mit dem Verschwin- den der inneren Oscillationen der Stiibe der Satz yon der Erhaltung der lebendigen Kraft wieder in Geltung tritt.l)

Innerhalb der beiden Extreme, dass die Z wischenschicht g a r n i c h t wirkt (c = a)), und dass s i e a l l e i n das Stoss-

1) Nach dem oben Entwickelten wiirden unter den Umstiindeu, welche die vorgenommenen Vernachllssigungen gestatten, elastische und absolut starre Borper sich ganz gleich verhalten - nicht aber ebenso unela- stische, w eiche Korper, wie es vielleicht scheinen konnte.

beobachtet v, I v*

0 0 0 0 0 -~

+ 3,9 + 7,9 +16,8 + 35,3

- 2,8

- 10,4 - 15,l - 19,5

- 5,4

--

- 6,4

-21,6 - 38,9

-12,2

berechnet - berechnet beobachtet v , I 7 5 1 71

20,o 39,7 80,l

119,7 159,5

0 0 0 0 0

1) 20,o

120,o

40,O 80,O

160,O

19,8

80,l

160.0

39,s

120,l

137,l

26,7

0 0 0 0 0

16,7

67,4 100,6 134,l

33,7

2) 20,o

120,o

40,O 80,O

160.0

- 2,9

-11,4 -17,l -22,9

- 5,7

3 4) "9= m1

16,2 - 4 16 31,7 62,s I -1; 1 :i

124.0 -32 128

28,6 45,2 90,5

134,9

+ 2,Q 22,s + 5,7 45,7 +11,4 91,4 +17,1 137,l

I I

m S , 2 8) :$I + +13,3 6,7 I 26,7 53,3

101,5 +26,7 106,7 197,s +53,3 213,3

60 w, voigt.

phanomen hervorbringt ( c = 0) liegen alle denkbaren Faille. Welchen Werth c bei jedem einzelnen Experiment hat, kann nur die Beobachtung selbst entscheiden, - aber die oben auseinandergesetzte Hypothese macht wahrscheinlich, dass bei den kleinsten Stossgeschwindigkeiten c den k le in s t e n W e r t h besitzt und mit jenen zunimmt. Dementsprechend mussten die Beobachtungen bei den kleinsten Stossgeschwin- digkeiten am genauesten durch die Formeln (10) dargestellt werden und die bei grosswen angestellten Messungen nach den N e u m a n n - S a i n t V e n a n t ' x h e n Formeln hinneigen. In wie weit dies stattfindet, zeigt die Zusammenstellung der beobachteten Werthe mit den aus Formel (10) berechneten auf Tab. I11 und ihre Vergleichung mit Tab. 11.

T a b e l l e 111. Stabe mit gleichem Querschnitt.

w. voigt.

beobacbtet

P , I P ,

61

berechnet beobachtet berechnet V I l PP G I Vi & \ p i

!!!L = 1,96 9)

+ 38,O +39,1 1 159,l

9- = 0,38 11) m, + 8,8 28,4 + 9,0 29,O

+18,0 +17,9 +36,8 1 1::; 1 +35,9 1 1:::; +56,1 1 167,O +52,8 173,7

- 6,6 - 13,8 -27,O -51,8

- 8,8 - 16,9 - 63,6 - 33,3

= 451 10) l.l.F*l - 6,5 1 13,5

5 = 2,63 la)

- m9

-13,O 27,O 53,8 -26,O 54,O 108,5 -52,l l08,O

Die Zahlen dieser Tabelle ergeben, dass bei den klem- sten benutzten Stossgeschwindigkeiten von circa 40 mm pro Secunde (entsprechend 20 mm Ausschlag) die Annahme, dass c verschwindend klein ist, und demgemass die Stabe nur als bewegte M a s s e n wirken, sehr nahe erfiillt ist; denn hier stilnmeu die beobachteten Werthe mit den nach Pormel(l0) berechneten soweit, als nach der Schwierigkeit der Beob- achtungen zu erwarten ist. Dass die Abweichungen meist in dem Sinne stattfinden, dass der beobachtete Werth k l e i n e r erscheint als der berechnete, ist nur natiirlich, da alle Fehler- quellen in diesem Sinne wirken.

Bei grosseren ' Stossgeschwindigkeiten treten betracht- lichere Abweichungen von der Formel (10) auf, aber stets in dem vorausbezeichneten Sinne nach der N e u m a n n - S a i n t Venant 'schen Formel hin. Letztere gibt niimlich fur V, in Tafel (3), (6), (8), (11) G r o s s e r e s , in (4), (5), (7), (12) K l e i n e r e s a15 Formel (lo), - dem entsprechend ist bei grosseren Stossgeschwindigkeiten das be o b a c h t e t e V, in Tafel (3), (6) , (8) und (11) auch g r o s s e r , in Tafel (4), (5), (7)und(12) k l e i n e r als das b e r e c h n e t e ; V,aber ist in a l l e n Tafeln kleiner als nach Formel (10) berechnet, weil hierfiir die Abweichungen beider Formeln auch stets im selben Sinne stattfinden. Die beobachteten Werthe der Tafeln (1) und und (2) stimrnen mit den berechneten fur grosse und kleine

62 W. Voigt.

Stossgeschwindigkeiten fast gleich gut; in der That gibt fur g l e i che Stablingen j e d e s c dasselbe Gesetz fur die End- geschwindigkeiten.

Noch muss ich besonders auf die Beobachtungen (9) bis (12) hinweisen, die, wie gesagt, durch die Publication des Hrn. B o l t z m a n n veranlasst worden sind. Die in jener Arbeit mitgetheilten Resultate vidersprechen nur insofern meiner Theorie, als sie zu zeigen scheinen, dass auch bei k l e i n e n Stossgeschwindigkeiten das Phanomen nicht nur von der Masse, sondern auch von der Gestalt der benutz- ten StHbe abhangt. Hr. B o l t z m a n n erhielt namlich beim Stoss zweier nahezu identischer Stabe (Lange 100 und 104 mm, Dicke 17 mm) bei einer Aufangselongation von 30 mm im Mittel 25,8 mm Ausschlag , beim Stoss zweier verschieden gestalteter (Langen 104 und 230 mm, Dicken 17 und 11 mm) und nahe gleich schwerer (Gewichte 23,8 und 23,9 g) im Mittel 24,2 mm. Auf Grund der oben angefiihrten Umstande vermag ich diesen Zahlen nicht entscheidende Bedeutung beizulegen, obgleich ich mir die nicht unbetrachtliche Grosse der Abweichung nicht zu erklaren weiss.

Um aber den Zweifel, ob meine Formeln, auch auf den Fall ung le i ch e r Querschnitte angewandt, die Beobachtungen darstellen, zu beseitigen, habe ich zum Schluss noch die Reihen (9) bis (12) beobachtet; die beobachteten Zahlen in (11) und (12), welche auf Tab. I1 vollstandig den berech- neten Werthen widersprechen, sind hier auf Tab. III mit der Theorie so weit in Einklang, als zu erwarten ist, wenn man beriicksichtigt, dass bei dem diinneren Stab V die seit- lichen Schwankungen fast noch auffallender waren, als bei den dickeren. Tafel (9) und (10) sind mit (1) und (2) analog, insofern namlich aucb bei v e r s c h i e d e n e n Querschnitten fur Stabe gleicher Lange bei allen Annahmen uber die Grosse c sich dieselben Werthe V, und V . ergeben. Demgemass stimmen die beobachteten und berechneten W erthe auch bei grosseren Stossgeschwindigkeiten uberein; dass dies nicht so vollkommen statt hat wie in den Tafeln (1) und (2), habe ich oben (p. 49) erklart.

w. Voigt. 63

111. I m Folgenden theile ich noch einige Beobachtungen mit, die zur Erganzung der vorstehenden nach und nach an- gestellt worden sind.

Nach Beendigung jener Versuche wurde mir die Arbeit des Hrn. Her tz1) ,,iiber die Beriihrung fester elastischer KorperiL bekannt, in welcher der Einfluss der Kriimmung der zusammenstossenden Flachen auf die Erscheinung des Stosses in dem speciellen Falle unendlich kleiner Stossge- schwindigkeit theoretisch untersucht und dasselbe Gesetz ab- geleitet ist, das ich fur diesen Fall gegeben und gepriift habe. Dies veranlasste mich , einige Beobachtungen iiber den Stoss von Staben mit moglichst ebenen Endflachen anzustellen.

Bei den friiheren Versuchen waren die benutzten Stabe an den Enden durch Flachen abgerundet, deren Kriimmungs- radien in der Axe nahe gleich der Lange des betreffenden Stabes waren; dies war nach der Ar t der Herstellung wahr- scheinlich und ist durch rnikrometrische Messung von Coor- dinaten angenahert bestatigt worden. Nach dem neuen Schleifen war die Eriimmung so gering, dass die mikros- kopische Messung keinen Werth der Kriimmungsradien mehr zu bestimmen gestattete; sie mogen wohl mehrere Meter betragen haben.

I n diesem neuen Zustande beobachtete ich zunachst den Stoss von I gegen 11, um die auf p. 49 erwahnte Correction zu bestimmen, und fand folgendes System Werthe:

v1o 20 40 80 120 V1 1,'i 2,4 218 3,o 7, 18,l 38,O 76,8 117,O

Die aus der zweiten Columne sich ergebenden Correc- tionen sind nun bei den folgenden Beobachtungen angebracht worden. Es stiess Stab I V gegen 111; ich stelle die corri- girten Resultate der neuen Beobachtungen zusammen mit den friiher bei grosserer Kriimmung der Endflachen erhaltenen, sowie mit den Resultaten meiner Formeln p. 57 unter den speciellen Annahmen, dass c sehr klein (c = 0) und c sehr gross sei (c = 00). Die letztere Annahme fuhrt, wie oben erwahnt, auf die N e u m a n n - S a i n t Venant'schen Gesetze. -~

1) Hertz , Crelle's Journ. 92. p. 156. 1882.

64 w. VOQt.

637 26,7 6,7 26,4 7,O 24,5 10 20 13,3 53,3 13,6 62,6 15,2 47,6 20 40 26,7 106,7 28,7 101,5 32,2 92,l 40 80 42,l I 162,l 45,O 148,01) 49,6 I 137,3 60 120

Die Beobachtung gibt, der Erwartung entsprechend, eine merkliche Abweichung der neuen Resultate von den alten in dem Sinne von kleineren zu grijsseren Werthen von c, d. h. nach dem N e u m a n n - S a i n t Venant'schen Gesetz hin. Doch ist ihr Betrag nicht so gross, dass man ohne weiteres daraus schliessen mochte, die Kriimmung bewirke a l l e in die Abweichung von jenem Gesetz.

Um dies noch auf andere Weise zu untersuchen, liess ich die zuvor blank polirten stossenden Flachen mit feinem Smirgelpapier mattiren. Nun ergaben sich folgende Werthe, die ich, wie die obigen, mit' den theoretischen zusammenstelle:

E n d f l l i c h e n c = o I matt I blank

~~

Der oben entwickelten Vorstellung gemass zeigt sich eine deutliche Abweichung der mit matten Endflachen er- haltenen Beobachtungen, wie sie einem k le ine r e n Werthe von c entspricht.2)

Endlich habe ich, um den Beweis zu bringen, dass bei kleinen Stossgeschwindigkeiten (sowie die Formeln (10) sagen) die S u b s t a n z der stossenden Stabe ohne Einfluss auf die Erscheinung ist , Hrn. stud. W i e c h e r t und H e ch t veran-

1) Aus den Beobachtungen in Tabelle I1 interpolirt. 2) Eine vorher angestellte Reihe voii Mcssungen, bei denen die erst

blanken Stossflachen mit verdunnter Galpetersiiure geiltzt waren, ergab keinen merklichen Einfluss dieser Verilnderung auf die Erscheinung des Stosses.

W. Voiyt. 65

lasst, einige Beobachtungen uber den Stoss eines S t a h l - stabes gegen einen G1 asstab, und umgekehrt, anzustellen.

Als Stahlstab diente Nr. V der fruher von mir benutzten. Der Glasstab war 47,5 cm lang, circa 8 mm dick und 55,47 g schwer. Seine Enden waren sorgfaltig, und zwar nahezu eben geschliffen, aber matt gelassen. Danach war zu er- warten, dass die Formeln (10) hier noch fur grossere Stoss- geschwindigkeiten sich nahezu gultig zeigen wiirden, als bei den an den Enden polirten Stahlstiiben. Eine Schwierigkeit bot die Bestimmung der oft erwahnten Correction wegen der Wirkung des Luftdrucks; es blieb nichts ubrig, a19 die auf p. 49 bestimmte Reihe der Berechnung zum Grunde zu legen, da dieselbe sich bei den Beobachtungen des Stosses von V gegen I, wenngleich etwas zu gross, doch n a h e giiltig erwiesen hatte (vergl. p. 62). Die betreffenden Correctionen durften indess auch hier, namentlich fur den sehr leichten Glasstab, ein wenig zu gross sein; sie wiirden namlich be- tragen :

bei TIo = 20 40 80 120 fiir den Stahlstab 0,6 1,2 ?,4 3,6 ,, ,, Glasstab 1,2 2,4 4,s 7,2

Bringt man sie an den, unter sich meist bis suf 0,5 mm stimmenden Beobachtnngen an , so erhalt man folgendes Tableau:

Bei der ersten Reihe stiess de.r Stahl-, bei der zweiten Die Uebereinstimmung ist selbst bis zu Am-

Alle Beobachtungen sind also im Einklang mit den im

K o n i g s b e r g i. Pr., Januar 1883.

der Glasstab. plituden von 120 mm eine sehr erhebliche.

zweiten Theil abgeleiteten Resultaten der Theorie.

Ann. d. Phys. u. Cham. N. F. XIX. 5