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18 Die unvergleichliche „Anni-Wirtin“ und ihr zauberhafter Babenbergerhof Ein Weststeirer, der im Grazer Stadtdschungel Heimweh verspürt, begibt sich auf der Stelle – schon aufgrund von angeborener Überle- bensstrategie – in die Babenberger- straße zum Ghegagasseneck. Gleich vor dem Bahnhof, eine Straße unter dem Bahnhofgürtel naht die Ret- tung. Findet sich doch hier Anna Zimmermanns Gastwirtschaft, in einem dreistöckigen Biedermeier- haus mit der Nummer 39, dessen Parterrebereich auffallend grün ge- strichen ist. Im letzten Krieg zer- bombt und im Jahre 1965 aus Mitteln des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau wieder- hergestellt, hat das Eckgebäude etwas von seiner Élégance einge- büßt. Die liebevoll dekorierten Auslagen in den Kastenfenstern machen dieses kleine Manko aber mehr als wett: zu Ar- rangements aus getrockneten Disteln und Hortensienblüten gesellen sich kleine rote Pölster mit weißem Herz- aufdruck, Messingvasen, Steingut, handgeschnitze Herrenpilze aus Bir- kenholz sowie eine ausgetrunkene Schilcherflasche mit der Aufschrift „Schade, dass man Wein nicht strei- cheln kann“. Vor dem Eingang lehnt eine Schiefertafel mit dem aktuellen Programm in Kreide aufgeschrieben. Auf dem alten Thonetstuhl daneben sind ein Blumen- arrangement sowie Aschenbecher auf einem handgestick- ten Deckerl drapiert. Anna Maria Zimmermann ist Wirtin in bereits dritter Generation. Geboren am 23. Februar 1945 in Bernau bei Stall- hofen, wollte sie eigentlich Lehrerin werden, wurde aber vom Vater schon mit 17 Jahren aus der Grazer Enten- schule nach Söding in den heimatli- chen Betrieb zurückbeordert. Im elter- lichen „Gasthof zur Post“, damals all- seits bekannt und berühmt unter dem Namen „Florlwirt“, erlernte sie den Ser- vierberuf. Ihr Großvater Florian Zimmer- mann I. hatte den Betrieb in den 20er- Jahren von der Familie Zorn erworben. Nach der Ausbildung folgten ein Auf- enthalt als Au-pair-Mädchen in Paris und viele Anstellungen, an die sich Anna Maria Zimmermann heute noch gerne erinnert. Den Anfang machte der Tannbergerhof in Lech am Arlberg, mit- ten im Ortskern gelegen und trotzdem umgeben von einer atemberaubenden Gebirgskulisse. Den Bergen blieb sie auch später treu: es folgten einige Mo- nate im Hotel Ritzlerhof im Kleinwal- sertal, bevor sie ins Café Tirol nach Mayrhofen wechselte. Den Schluss- punkt ihrer Wanderschaft setzte sie als allseits beliebte Gastronomin im Kup- ferspieß in Kempten im Allgäu. Ihren späteren Mann Klaus lernte sie übrigen bei der Arbeit im Kleinen Walsertal ken- nen. Nach der Heirat führte sie mit ihm zusammen ein Jahr lang den Spaten- hof in Lieboch, bevor in Graz der Ba- benbergerhof eröffnet wurde – Als späte Nachfolge des bis in die 50er- Jahre existierenden und überaus be- liebten Eisenbahnerwirtshauses „Zur Lokomotive“. Seit 1977 führt nun Anna Zimmermann dieses Lokal, an dem der Zeitgeist spur- los vorübergegangen ist, und kompo- nierte es im Laufe der Jahrzehnte zu einem Gesamtkunstwerk. Mithilfe „der liabsten Gäste von Graz“, wie sie mir mit dem mädchenhaften Augenauf- schlag einer kleinen Erstklasslerin ver- sichert. Nach 17 unglücklichen Ehejahren 1990 „glücklich geschieden“, musste sie aber zuerst „den Haufen Schulden“ zurück- zahlen, der nach der Trennung anfiel, stand jeden Tag in der Gaststube und zog nebenbei auch zwei Töchter groß. Dennoch regierte Anna Maria Zimmer- mann, von allen Anni-Wirtin genannt, jahraus-jahrein dieses außergewöhnli- che Refugium der Künste, das auch unter dem Namen „Gasthof zur Klöpfer- wirtin“ bekannt ist, mit hinreißendem Charme, der die Eintretenden sonnig- sanft und zugleich kraftvoll-bodenstän- dig mit der Intensität einer zärtlichen „Willkommenswatschen“ empfängt. Be- gleitet von der positiven Wirkung des kulinarisch-Flüssigen – „für mich war der Schilcher immer der beste Freund“ –, moralisch von guten Freunden unter- stützt – darunter Trontja Sparowitz aus Söding – und beseelt mit unglaublicher Großzügigkeit, Herzensbildung und dem Talent zum Entertainment, meis- terte die Anni-Wirtin stets alle Höhen und Tiefen ihres Lebens. Einen guten Teil von Hans Klöpfers Texten kennt sie auswendig – ist doch der Arzt und Schriftsteller, der vor allem durch seine weststeirische Mundartdichtung Popu- larität erlangte, ihr Lieblingsautor. Und wenn die Anni-Wirtin Klöpfer rezitiert (unübertrefflich: „Der gfangene Ruß“ oder „Bol’i ‘n Stodl deckt han“) und da- nach auch noch eigene Texte zum Bes- ten gibt, eröffnet sich den Gästen ein urig-steirisches Theater, das nur mehr in dieser Zufluchtsstätte treuer Stamm- gäste, Musik- und Volkstums- enthusi- asten und kreativer Stadt-Landstreuner jahrzehntelang überleben konnte. An ganz besonderen Abenden nimmt sie selbst ihre „Quetschn“ – eine steirische Harmonika – zur Hand und verführt ihre Gäste zum ekstatischen Polkatanz. Der Grazer Journalistin Alexandra Neu- mayer vertraute sie vor vielen Jahren an: „Aber i spiel’ erst so um drei oder vier in der Früh, wenn die Leut’ schon was trunken haben.“ Bei steirischer Brettljause, lauwarmen Schnitten von frischgekochtem Ge- selchten mit Kren und dickbestrichenen Verhackertbroten (inklusive Riesen- knobl) sitzen hier Studenten und Pen- sionisten, hippe Jugendliche und junggebliebene emeritierte Hochschul- professoren, Musiker, bildende Künst- ler und alle Arten und Altersgruppen Volkskundler Hanns Koren und der west- steirische Arzt und Autor Hans Klöpfer sind bildlich und textlich im Babenbergerhof all- gegenwärtig.

Die unvergleichliche „Ann i- Wirtin“ und ihr zauberhafter ... · 18 Die unvergleichliche „Ann i- Wirtin“ und ihr zauberhafter Babenbergerhof Ein Weststeirer, der im Grazer

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Die unvergleichliche „Anni-Wirtin“und ihr zauberhafter BabenbergerhofEin Weststeirer, der im GrazerStadtdschungel Heimweh verspürt,begibt sich auf der Stelle – schonaufgrund von angeborener Überle-bensstrategie – in die Babenberger-straße zum Ghegagasseneck. Gleichvor dem Bahnhof, eine Straße unterdem Bahnhofgürtel naht die Ret-tung. Findet sich doch hier AnnaZimmermanns Gastwirtschaft, ineinem dreistöckigen Biedermeier-haus mit der Nummer 39, dessenParterrebereich auffallend grün ge-strichen ist. Im letzten Krieg zer-bombt und im Jahre 1965 ausMitteln des Bundesministeriums fürHandel und Wiederaufbau wieder-hergestellt, hat das Eckgebäudeetwas von seiner Élégance einge-büßt.

Die liebevoll dekorierten Auslagen inden Kastenfenstern machen dieseskleine Manko aber mehr als wett: zu Ar-rangements aus getrockneten Distelnund Hortensienblüten gesellen sichkleine rote Pölster mit weißem Herz-aufdruck, Messingvasen, Steingut,handgeschnitze Herrenpilze aus Bir-kenholz sowie eine ausgetrunkeneSchilcherflasche mit der Aufschrift„Schade, dass man Wein nicht strei-cheln kann“. Vor dem Eingang lehnteine Schiefertafel mit dem aktuellenProgramm in Kreide aufgeschrieben.Auf dem alten Thonetstuhl danebensind ein Blumen- arrangement sowieAschenbecher auf einem handgestick-ten Deckerl drapiert.

Anna Maria Zimmermann ist Wirtin inbereits dritter Generation. Geboren am23. Februar 1945 in Bernau bei Stall-hofen, wollte sie eigentlich Lehrerinwerden, wurde aber vom Vater schonmit 17 Jahren aus der Grazer Enten-schule nach Söding in den heimatli-chen Betrieb zurückbeordert. Im elter-lichen „Gasthof zur Post“, damals all-seits bekannt und berühmt unter demNamen „Florlwirt“, erlernte sie den Ser-vierberuf. Ihr Großvater Florian Zimmer-mann I. hatte den Betrieb in den 20er-Jahren von der Familie Zorn erworben.

Nach der Ausbildung folgten ein Auf-enthalt als Au-pair-Mädchen in Paris

und viele Anstellungen, an die sichAnna Maria Zimmermann heute nochgerne erinnert. Den Anfang machte derTannbergerhof in Lech am Arlberg, mit-ten im Ortskern gelegen und trotzdemumgeben von einer atemberaubendenGebirgskulisse. Den Bergen blieb sieauch später treu: es folgten einige Mo-nate im Hotel Ritzlerhof im Kleinwal-sertal, bevor sie ins Café Tirol nachMayrhofen wechselte. Den Schluss-punkt ihrer Wanderschaft setzte sie alsallseits beliebte Gastronomin im Kup-ferspieß in Kempten im Allgäu. Ihrenspäteren Mann Klaus lernte sie übrigenbei der Arbeit im Kleinen Walsertal ken-nen. Nach der Heirat führte sie mit ihmzusammen ein Jahr lang den Spaten-hof in Lieboch, bevor in Graz der Ba-benbergerhof eröffnet wurde – Alsspäte Nachfolge des bis in die 50er-Jahre existierenden und überaus be-liebten Eisenbahnerwirtshauses „ZurLokomotive“.

Seit 1977 führt nun Anna Zimmermanndieses Lokal, an dem der Zeitgeist spur-los vorübergegangen ist, und kompo-nierte es im Laufe der Jahrzehnte zueinem Gesamtkunstwerk. Mithilfe „derliabsten Gäste von Graz“, wie sie mirmit dem mädchenhaften Augenauf-schlag einer kleinen Erstklasslerin ver-sichert.

Nach 17 unglücklichen Ehejahren 1990„glücklich geschieden“, musste sie aberzuerst „den Haufen Schulden“ zurück-

zahlen, der nach der Trennung anfiel,stand jeden Tag in der Gaststube undzog nebenbei auch zwei Töchter groß.Dennoch regierte Anna Maria Zimmer-mann, von allen Anni-Wirtin genannt,jahraus-jahrein dieses außergewöhnli-che Refugium der Künste, das auchunter dem Namen „Gasthof zur Klöpfer-wirtin“ bekannt ist, mit hinreißendemCharme, der die Eintretenden sonnig-sanft und zugleich kraftvoll-bodenstän-dig mit der Intensität einer zärtlichen„Willkommenswatschen“ empfängt. Be-gleitet von der positiven Wirkung deskulinarisch-Flüssigen – „für mich war derSchilcher immer der beste Freund“ –,moralisch von guten Freunden unter-stützt – darunter Trontja Sparowitz ausSöding – und beseelt mit unglaublicherGroßzügigkeit, Herzensbildung unddem Talent zum Entertainment, meis-terte die Anni-Wirtin stets alle Höhenund Tiefen ihres Lebens. Einen gutenTeil von Hans Klöpfers Texten kennt sieauswendig – ist doch der Arzt undSchriftsteller, der vor allem durch seineweststeirische Mundartdichtung Popu-larität erlangte, ihr Lieblingsautor. Undwenn die Anni-Wirtin Klöpfer rezitiert(unübertrefflich: „Der gfangene Ruß“oder „Bol’i ‘n Stodl deckt han“) und da-nach auch noch eigene Texte zum Bes-ten gibt, eröffnet sich den Gästen einurig-steirisches Theater, das nur mehrin dieser Zufluchtsstätte treuer Stamm-gäste, Musik- und Volkstums- enthusi-asten und kreativer Stadt-Landstreunerjahrzehntelang überleben konnte. Anganz besonderen Abenden nimmt sieselbst ihre „Quetschn“ – eine steirischeHarmonika – zur Hand und verführt ihreGäste zum ekstatischen Polkatanz.Der Grazer Journalistin Alexandra Neu-mayer vertraute sie vor vielen Jahrenan: „Aber i spiel’ erst so um drei odervier in der Früh, wenn die Leut’ schonwas trunken haben.“

Bei steirischer Brettljause, lauwarmenSchnitten von frischgekochtem Ge-selchten mit Kren und dickbestrichenenVerhackertbroten (inklusive Riesen-knobl) sitzen hier Studenten und Pen-sionisten, hippe Jugendliche undjunggebliebene emeritierte Hochschul-professoren, Musiker, bildende Künst-ler und alle Arten und Altersgruppen

Volkskundler Hanns Koren und der west-steirischeArzt undAutor Hans Klöpfer sindbildlich und textlich im Babenbergerhof all-gegenwärtig.

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von Liebhabern der steirischen Musikbeieinander. Die Auswahl von Sturm,Schilcher, weststeirischem Weißbur-gunder und Welschriesling vom Pichler-Schober, Gösser und naturtrübemFlamberger Bier (vorher, dazwischenund danach dürfen ein paar Stamperlvom selbst angesetzten Lärcherl nichtfehlen) begünstigt das gemeinsameDiskutierten, Singen und Jodeln unge-mein. Die Pflicht, sein mitgebrachtesInstrument auszupacken und zu spie-len, hat hier jeder Gast. Kommt man

ohne tonerzeugende Gerätschaft, gibtes immer die Möglichkeit, sich miteinem gekonnten Anschlag ans Klavierin der Gaststube zu setzen, zwei Gitar-ren, zwei Akkordeons, eine Zugpo-saune und die vergessene Trompetevon der Wand zu nehmen oder denKontrabass namens Annabella ausdem Seitengang hereinzutragen.

Nicht nur deswegen erhielt Anna MariaZimmermann 1984 eine Auszeichnungvom Steirischen Volksliedwerk für ihre

Eine Portraitserie aus der Weststeiermark von Robert W. Sackl-Kahr Sagostin. Reportage Nummer 5.

Fünf Minuten vor 17 Uhr kümmert sich die Anni-Wirtin noch um eine schöngebügelte Tischwäsche – ab 17 Uhr ist geöffnet!

„musikantenfreundliche Gaststätte“.Neben Solokonzerten, Theaterauffüh-rungen, Kabarettabenden und Buch-vorstellungen machen die vielen regel-mäßigen Veranstaltungen und Treffendieses Lokal zu einer Institution. Mon-tags findet traditionellerweise der Sän-ger- und Musikantenstammtisch statt.Jeden ersten Dienstag im Monat hatsich die Anni-Wirtin schon auf einenBesucheransturm zum Evergreen-Abend (Titel: „Musik, die gefällt“) vor-bereitet – zweifellos, einer der

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Highlights im Babenbergerhof. Nicht zuUnrecht reisen zu jeder Veranstaltungviele Fans auch aus Kärnten und demBurgenland an. Mit teilweise leichtwechselnder Formation führen legen-däre Grazer Musikgrößen vor, wie Jazzund Blues funktionieren. Da taucht zumBeispiel Dr. Hellfried Rosegger (Urenkeldes steirischen Dichters Peter Rosegger)auf, der bis zu seiner Pensionierung alsKinderarzt an der MedUni Graz tätigwar, unter anderem auch an der Al-Shams-Universität in Kairo lehrte, undpackt Saxophon und Klarinette aus. Erist nicht nur ein begnadenter Spielervon Blasinstrumenten. Zwischendurchstürzt er sich auch aufs Klavier undmassiert mit der linken Hand die Boogie-Riffs in einem derart punktierten Rhyth-mus in die Tasten, dass das Instrumentzusammenzubrechen droht. (Mit derRechten watscht er gleichzeitig vollFreude herrliche Triller und Tremoli aufdie Klaviatur.) In diesen Augenblickender Jazzeuphorie kann sich meistensder unter den Gästen sitzende, legen-däre Uniprofessor, Sportwissenschaf-ter, Trompeter und Sänger Paul Eiböck,Konditionsspezialist und Lehrer von un-zähligen Sportstars (z. B. Hannes Arch,Ralph Hasenhüttl, Sepp Zeilbauer),nicht mehr zurückhalten, prescht zuden Musikanten vor und gibt mit getra-gener Stimme einige seiner Lieblings-lieder zum Besten: My Way, Ol' ManRiver und viele andere Songs wieNightingale von Charles Strouse undGershwins Summmertime. Unterstütztvon der Truppe im Hintergrund: Wolf-gang Silli (Klavier), Hellfried Rosegger(Tenorsaxophon), Wilfried Kölbl (Kon-trabass), Gerhard Hütter (Schlagzeug),Hansjörg Wippl (Gitarre), Walter Rath(Posaune), Heinz Rauscher (Klarinette),Christian Schranz (Altsaxophon) undWerner Heid (Akkordeon). Seit Jahrenleitet Prof. Eiböck seine Gesangseinla-gen übrigens immer wieder mit demcharmanten Hinweis ein, dass diessein letzter öffentlicher Auftritt wird.

Es geht hoch her, in dieser Musiksaunafür Fortgeschrittene. Aufgrund des Be-sucherandrangs steht oder sitzt man soaneinandergepresst, dass es oft schwie-rig wird, sein Glas an den Mund zu füh-ren. Bestellungen werden von Gast zuGast über den Kopf weitergereicht.Manchmal kann es auch passieren,dass in diesen wunderbaren Nächtenmehr Musiker als Gäste anwesendsind. Manchmal auch nur Musiker undkeine Gäste. Getrunken wird Gott seDank aber immer die gleiche Menge!

Diese unnachahmliche Stimmung kon-trapunktiert die Anni-Wirtin mit ihrenherrlich lauten und berühmten Begeis-terungslachsalven, die wie eine Me-lange aus himmlischem Engelschor-gesang und furiosem Lustschrei der

Hollywood-Diva Zsa Zsa Gabor durchden Gastraum schmettern. Dadurchfühlt sich wiederum die „Stammbeleg-schaft“ der „Ersten - Dienstag - im -Monat-Jazztruppe“, seit über 32 Jahrenunter der Oberhoheit von Wolfgang Silliam Klavier, angespornt, ohne Zeitlimitweiterzuspielen, unzählige Publikums-wünsche zu erfüllen. Oder sie zu igno-rieren, um unter der Ansage „Habt’s ihrschon einmal g’hört: ...“ ganz andereKompositionen anzustimmen. Oft unterdem dislozierten Dirigat des Bassistenund Banjospielers DI Klaus Rieger(Schrödinger Jazzband).

Mittwochs steht das wöchentliche Jazz-Treffen auf dem Plan und der ersteFreitag des Monats gehört seit 17 Jah-ren traditionell dem Jodelstammtisch.Über Highlights der letzten Jahreschreiben zu wollen, ist fast sinnlos. Essind zu viele hochkarätige und immerintime, herzerfrischende Veranstaltun-gen, die bei der Anni-Wirtin ihre Bühnegefunden haben. Den Auftakt zur vor-jährigen Konzertreihe „Live im Baben-bergerhof“ gestaltete Michael Kruscheunter dem Titel „Lieder, Geschichten,Gedanken“. Gerd Schulers Söhnespielten immer wieder auf, die Hertl-Kinder, die „Erdberger“, die „Steiri-schen Tanzgeiger“, „Aniada a Noar“(Wolfgang Moitz, Rupert Pfundner undAndreas Safer), der unvergesseneMusiker und Schuhmachermeister„Zwanzger Ferdl“, „Das junge Ensem-ble“, Franz K., Ewald Oberleitner („Herz-muskel der Jazzszene“, wie ihn Matthias

Wagner 2007 in der Grazer KleinenZeitung bezeichnete), André Jeanquar-tier (vor seiner Jazzkarriere Skispringerin der Schweiz), die „Double Dutch BrassBand“, der finnische Pianist TuomoUusitalo, Karlheinz Donauer, der groß-artige Schweizer Jazz-Arrangeur undKomponist Mike Goetz (auch Pianistvon Hasi Osterwald), die in Eriwan ge-borene Anush Apoyan, laut eigenemStatement „Herumreisende in SachenJazz“ und in London aufgewachsen,Rebecca Anouche Llewellyn, Singer-Songwriterin mit armenisch-deutschenWurzeln, Posaunist Walter Rath, BirgitSilly und deren Tochter Helene Maigl,Ernst Schmidt, Predo Perić, PeterUlbrich mit seinem Tenorsax, PeterScholz, Neuzugang Eduard Blaschke(Querflötist ), um nur einige zu nennen.Unvergesslich sind auch die Silvester-und Faschingsdienstagsfeste mitMarkus Schirmer sowie Vorweih-nachtskonzerte der legendären Gruppe„The Neighbours“.

In der heurigen Krampusnacht amMontag, dem 5. Dezember tritt im Ba-benbergerhof eine ganze Big Band auf,deren Mitglieder sich in den vergange-nen Jahrzehnten in der Welt verstreu-ten. Unter dem Arrangement des Mürz-zuschlager Anwalts Dr. JohannesSammer werden sie sich bei der Anni-Wirtin ein Wiedersehen geben undkräftig aufspielen.

Die Wände des Lokals sind mit Bildernund Erinnerungsstücken behängt. MitWerken bildender Künstler und Photo-graphen, die hier praktischerweise ihrenZweitwohnsitz eröffnet haben oder dersinnlich-barocken Anni allerlei Huldi-gungen und Dankbarkeitsbezeugungenentgegenbrachten. Dazwischen ge-rahmte Dokumente, Urkunden, ein Ta-schentuch des „Bauerndoktors“ JohannReinbacher vulgo „Höllerhansl“ aus den20er-Jahren und handgeflochtene Körbeaus der Weststeiermark. Zeitungsaus-schnitte über Musiker und Autoren, dieim Babenbergerhof gegessen, getrun-ken, gespielt und gelesen haben. AufPapier gebrachte literarische Ergüssevon treuen Gästen. Beispielhaft eintiefgründiges lyrisches Werk aus demJahre 2007, dass vor dem Eingang derHerrentoilette hängt und mit der letztenStrophe dramatisch endet: „Anni Deinund Anni Mein / ohne Dich schmeckerter net / der Schilcherwein“. Danebendas alte Plakat „DraculAnni“, wo dieHerrin des Hauses „zur wilden Nachtder blassen Sauger“ einlud und Gruft-

Die Anni-Wirtin lauscht einer außerge-wöhnlichen musikalischen Darbietung zuihrem Geburtstag am 23. Februar 2014.

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nockerln zum Stärken sowie den Cock-tail „Cherry Cathcomb“ zum Hinunter-spülen derselben, kreierte. Im folgen-den Raum Fotoserien der TöchterSabine (mittlerweile fertige Medizinerin)und Claudia (in der Flüchtlingsarbeittätig). Eine sehr aussagekräftige Misch-technik des in Pula geborenen Voits-berger Malers und Grafikers FriedrichAduatz. Bilder von Persönlichkeiten,denen Kultur und Lokalpolitik ein Her-zensauftrag war. Wie zum Beispiel demunvergessenen, in Köflach in der West-steiermark geborenen Hanns Koren,Volkskundler, Soziologen und Politiker,der die Anni-Wirtin vor vielen Jahr-zehnten erstmals ermutigte, sich mitHans Klöpfer auseineinanderzusetzenund oft im Babenbergerhof zu Gast war.

Für Ihre mannigfaltigen Verdienstewurde Anna Maria Zimmermann 2005von Waltraud Klasnic mit dem golde-nen Ehrenzeichen des Landes Steier-mark ausgezeichnet. Die im Gast-zimmer drapierte steirische Fahne ver-lieh ihr Landeshauptmann Josef Krai-ner jun. zum 50. Geburtstag.

Anna Maria Zimmermann wird in ihrererotisch-bodenständigen Molligkeit vonallen Besuchern geliebt. Und AnnaZimmermann liebt wiederum die Men-schen. Deswegen besitzt sie auch dieFähigkeit, so viele verschiedene Gäste-charaktere friedlich um sich zu scharen.Menschen, die allesamt ihre Freundegeworden sind. Und so treibt das Lebenauch immer wieder unerhört grausameSpielchen mit der Großherzigen. Einaktuelles Beispiel: der Wohnungsnach-bar hat aus unerfindlichen Gründenplötzlich keinen Fernseher. Die Anni-Wirtin stellt auf der Stelle ihren neuge-kauften zur Verfügung. Am nächstenTag ist der Nachbar delogiert und dasGerät verschwunden.

Verhackertbrote für Studenten sind gra-tis. Eintritt zu den Konzerten wirdgrundsätzlich nicht verlangt. Wenn eszu spät wird und die „trunkenen Kinder“nicht nach Hause gehen wollen, legtsich die Anni-Wirtin auf ihr Bett im Eckdes Klöpferstüberls, um auszuruhen,gleich gegenüber dem gemütlichen Ka-chelofen. Dass sich die Gäste dannselbst versorgen müssen, hat der Ge-mütlichkeit niemals Abbruch getan.Weil sie ein so großes Herz hat und mirglaubhaft versichert, dass es mit ihrerLunge nicht zum Besten steht, verzeiheich ihr auch das unlängst erlasseneRauchverbot im Gastzimmer. Es ist mitden dunkel getäfelten Wänden ge-nauso gemütlich wie vorher. Dass manfrüher beim Eintreten die Musik nurhören konnte und Musiker sowie Gästeim Dunst des Nikotins, der kegelförmigunter den tief hängenden Lampen wieSkulpturen aus Watte schwebte, ver-borgen waren, hatte aber auch seinenbesonderen Reiz, dem ich heute nochnachweine.

Ein besonders stimmiges Lokal zumLeben, mit einem außerordentlich schö-nen Ambiente, um – wenn der Wunschdanach groß ist – auch zu sterben. Einesteirische Spelunke mit internationalemFlair. Das Konglomerat von Buschen-schank und traditioneller Hafenkneipefür aufrechte, hartgesottene Verha-

ckerts- und Selchwürstelfetischisten, diegrößere Mengen von Schilcher und Bierprinzipiell nicht ohne Musik hinunterzu-spülen bereit sind. Ein Ort, um über Ver-gangenes und Zukünftiges zu träumen.Krabbelstube, Kindergarten und Senio-renheim für Zeitlose. Ein gastronomi-scher Zaubergarten, in dem jeder, jeg-lichen Alters, jung ist (oder sein darf).Eine stets aufs Neue aufblühende

Die Gestaltung der Damentoilette steht inder künstlerischen Ausgestaltung der Her-renabteilung um nichts nach!

Die Innenseite der wunderschön bemaltenHerrentoilettentür.

Anna Maria Zimmermann als Gast im eige-nen Lokal: hier genießt (begießt) sie geradeeine vorweihnachtliche Klaviereinlage vonWolfgang Silly am 3. Dezember 2013 miteinem Glaserl Schilchersekt.

PS:Auch die Anni-Wirtin wird alle paarJahre einige Monate älter und spürt ge-legentlich durch das viele Polkatanzenund Servieren, dass ihre Füße langsamschwerer werden.Falls jemand Interesse und Fähigkei-ten hat, das Lokal für zwei bis drei Tagein der Woche zu betreiben oder in zu-künftigen Zeiten das gesamte Lokal un-verändert weiterführen möchte, bittetdie Redaktion um direkte Kontaktauf-nahme mit Anna Maria Zimmermannunter 06818 194 24 48.

BABENBERGERHOFAnna Maria Zimmermannvulgo Anni-WirtinA - 8020 Graz, Babenbergerstraße 39T +43 6818 194 24 48

Öffnungszeiten:Montag bis Freitag ab 17.00 Uhr

Kreativitätsoase, die viele andere inFreundschaft verbundene Gastronomie-legenden überlebte. Beispielweise dasCafé Alpha in der Moserhofgasse, WilliNewfarmers Mostbar, Münzl, TanteTee, Lückl, Kodolitsch und SchallersHeinrichshof.

Das Jahr 2017 wird herrlich spannendund auch eine willkommene Heraus-forderung für die unzähligen innerenOrgane des Stammpublikums: 365Tage lang kann „40 Jahre Anni-Wirtin“gefeiert werden. Huldigungen in Formvon musikalischen und literarischenDarbietungen sowie starke pekuniäreZuwendungen, die sich als finanzielleBegleichung erfolgreich absolvierterSaufgelage zu Erkennen geben, sindnicht nur erlaubt, sondern sogaräußerst willkommen!