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Die Veränderungen der Musikrezeption durch das Web 2.0 und deren Auswirkung auf die Musikpromotion. Diplomarbeit: Evelyn Hemmer Diplomarbeitsbetreuer: ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Peter Tschmuck Universität für Musik und Darstellende Kunst, Wien

Die Veränderungen der Musikrezeption durch das Web 2.0 und ... · Teil V: Im fünften Teil der Arbeit wird ein Ausblick in die Zukunft der Musikindustrie gegeben. Die Erkenntnisse

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Die Veränderungen der Musikrezeption durch das

Web 2.0 und deren Auswirkung auf die Musikpromotion.

Diplomarbeit: Evelyn Hemmer

Diplomarbeitsbetreuer: ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Peter Tschmuck

Universität für Musik und Darstellende Kunst, Wien

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Inhalt

Einleitung ......................................................................................... 6

Hypothese ........................................................................................ 8

Methodik und Abgrenzung .................................................................. 8

Einteilung ......................................................................................... 9

I. Musikrezeption und Musikgeschmack ................................................. 10

1. Musikrezeption ................................................................................ 10

2. Musikgeschmack und Musikpräferenzen ............................................. 11

3. Entwicklung des persönlichen Musikgeschmacks .................................. 13

3.1. Entwicklung musikalischer Fähigkeiten ............................................... 14

Informationsverarbeitung ................................................................. 14

3.2. Musikalische Sozialisation ................................................................. 16

Das Elternhaus ................................................................................ 18

Die Jugend- und Schulzeit (Peer Group) ............................................. 19

Das Erwachsenenalter – Ich-Identität ................................................ 21

4. Musikgeschmack, Lebensstil und Identität .......................................... 22

Ausblick ......................................................................................... 25

II. Musikrezeption in den Massenmedien ................................................. 26

1. Massenmedial verbreitete Musik ........................................................ 27

Tonträger ....................................................................................... 28

Das Radio ....................................................................................... 29

Musikfernsehen ............................................................................... 30

Computer und Internet .................................................................... 30

2. Musik im Spannungsfeld zwischen Medien und Wirtschaft ..................... 32

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III. Web 2.0 ......................................................................................... 36

1. Vom Internet zum Web 2.0 ............................................................... 36

Begriffsentstehung .......................................................................... 37

Begriffsdefinition und Kritik ............................................................... 39

Aktivität im Web 2.0 ........................................................................ 40

2. Social Software ............................................................................... 40

2.1. Weblogs ......................................................................................... 43

Trackback, Permalink und Blogroll ..................................................... 44

RSS-Feed ....................................................................................... 45

Blogs und die traditionellen Medien .................................................... 46

Podcast oder AudioBlogs .................................................................. 46

2.2. Wikis ............................................................................................. 47

2.3. Social Tagging ................................................................................ 48

2.3.1. Folxonomies ................................................................................... 50

2.3.2. Recommender-Systeme ................................................................... 52

Content-based Filtering .................................................................... 53

Collaborative Filtering ...................................................................... 54

Hybride Ansätze .............................................................................. 55

2.4. Social Networking ............................................................................ 56

3. Nutzung von Web 2.0-Angeboten ...................................................... 58

Medienwirkungsforschung ................................................................ 58

Web 2.0-Nutzer ............................................................................... 62

The Long Tail .................................................................................. 67

4. Erfolgsfaktoren von musikspezifischen Web 2.0-Angeboten .................. 70

IV. Typologie von Web 2.0-Angeboten .................................................... 72

1. Rezeptionsmöglichkeiten im Web 2.0 ................................................. 72

1.1. PASSIV .......................................................................................... 73

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1.2. INFORMATIV ................................................................................... 75

1.3. INTERAKTIV: KOMMUNIKATIV und PARTIZIPATIV................................ 75

1.3.1. KOMMUNIKATION ............................................................................ 75

One-one-Kommunikation .................................................................. 76

One-many-Kommunikation ............................................................... 77

1.3.2. PARTIZIPATION............................................................................... 77

User Generated Content - Many-Many-Kommunikation ........................ 78

Profile ............................................................................................ 78

Tagging .......................................................................................... 79

1.4. PRÄFERENZAKTIV ............................................................................ 80

1.5. PRODUKTIV .................................................................................... 80

Prosuming ...................................................................................... 80

Crowdsourcing und Beta ................................................................... 83

2. Bewertung verschiedener Web 2.0-Angebote ...................................... 84

2.1. Last.fm .......................................................................................... 84

2.2. MySpace ........................................................................................ 89

2.3. SellaBand ....................................................................................... 93

2.4. Musikspezifische Weblogs ................................................................. 98

V. Auswirkungen auf die Musikpromotion ..............................................104

Kundenkontakt und Kundenkommunikation .......................................105

Virales Marketing............................................................................106

Kundenbindung ..............................................................................107

Selbstvermarktung .........................................................................108

Schlusswort ............................................................................................110

Literatur .................................................................................................112

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Musikalische Sozialisation ....................................................... 17

Abbildung 2: Die Wertschöpfungskette der Musikindustrie ............................. 34

Abbildung 3: Der Begriff Web 2.0 ............................................................... 39

Abbildung 4: Systemgruppen von Social Software ........................................ 43

Abbildung 5: Tagcloud von Last.fm über den Musikers Beck ........................... 49

Abbildung 5: Passive und aktive Nutzer in Prozent ........................................ 63

Abbildung 6: Web 2.0-Nutzung durch Erwachsene und 14- bis 29-Jährige /

wöchentliche Nutzung in Prozent aller Onliner .......................... 63

Abbildung 7: Typologie der Nutzer .............................................................. 64

Abbildung 8: The Long Tail ........................................................................ 68

Abbildung 9: Kategorien von Rezeptionsmöglichkeiten .................................. 73

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Vor- und Nachteile von Folxonomies ............................................ 52

Tabelle 2: Grafische Darstellung mittels Harvey Balls .................................... 72

Tabelle 3: Gegenüberstellung der Web 2.0-Angebote ...................................102

Tabelle 4: Sources of Awareness in Prozent für Promotion 2001-2007 ............104

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Einleitung

Die Musikindustrie wuchs im 20. Jahrhundert zu einem Industriezweig mit einer

enormen Produktpalette und hoher gesellschaftlicher Relevanz heran. Sie

kontrolliert Radios und Musikfernsehen. Die Programme sind vorgegeben, wir

müssen hören was uns die Musikindustrie „vorsetzt“. Verschuldet durch das

Internet, rutscht diese Industrie nun in die Krise. Vom „digitalen

Paradigmenwechsel1“ und von „digitaler Mediamorphose2“ wird gesprochen. Es

beutet, dass sich etwas tut in der Musikbranche, dass sich die Strukturen ändern

und dass sich die Bedingungen für die Musikrezipienten, für die Musikschaffenden

und für die Industrie ändern.

Dabei haben sich die Änderungen durch das Internet schleichend vollzogen. Zu

Beginn konnte nur mit einem langsamen Modem gesurft und dabei musste

immer die Telefonrechnung im Auge behalten werden. Erst durch die Entwicklung

von einfachen Standards wurde das Web für „normale“ Verbraucher zugänglich

und zur „Gefahr“ der Musikindustrie. Die Nutzer werden immer erfahrener und

verbringen immer mehr Zeit im Internet. Das Web wird als Selbstverständlichkeit

und als vertrauenswürdiges Medium gesehen. Mittels Social Software können

User heute zusammenarbeiten und ihre kollektiven Interessen einbeziehen. Es

wird nicht nur kommuniziert sondern auch Inhalte stehen im Mittelpunkt.

Mit dem Aufkommen des Internets und besonders durch die Vereinfachungen im

Web 2.0 steht uns nun die ganze Musikwelt offen. Chris Anderson, Chefredakteur

des Technologie-Magazins „Wired“ und Autor des Buches „The Long Tail“, meint

zur Musikrezeption im Web 2.0: „Ein Jahrhundert lang haben wir die Spreu vom

Weizen getrennt, um die kostbare Regalfläche, den begrenzten Sendeplatz, die

wenigen Übertragungsmöglichkeiten und die Aufmerksamkeit so effektiv wie

möglich zu nutzen.“3 Heute müssen wir die Hits nicht mehr mögen nur weil es

nichts anderes gibt.

1 Vgl. Tschmuck 2003 2 Vgl. Smudits 2002 3 Anderson 2006 S. 6

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Dies spiegelt eine sehr subjektive Ansicht der Musikrezeption wider. Es drängen

sich einige Fragen zur kritischen Begutachtung auf: Was ist Musikrezeption und

wie entsteht unser Musikgeschmack? Wie wird Musik in den Massenmedien

rezipiert? Was ist das Web 2.0 und welche Veränderung bringt es? Welche

Möglichkeiten der Musikrezeption stehen uns durch das Web 2.0 offen? Wie

verändern diese Möglichkeiten die Musikindustrie?

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Hypothese

Durch das Aufkommen von Web 2.0 erhalten Rezipienten von massenmedial

vermittelter Musik, mehr Möglichkeiten zur Musikrezeption und entwickeln sich

dadurch zu einem aktiveren Publikum. Aus „einfachen Hörern“ werden

„Prosumers“: Konsumenten, welche freiwillig Informationen über ihre

Musikpräferenzen preisgeben und somit als eine Art Produzent die Grundlage der

von ihnen rezipierten Musik bilden. Dadurch, so die Annahme, verändert sich die

Musikpromotion der Industrie grundlegend.

Diese Arbeit setzt sich zum Ziel, die Rezeptionsmöglichkeiten im Web 2.0

aufzuzeigen und zu typologisieren. Diese Klassifizierung dient der Ordnung und

Vergleichbarkeit von musikspezifischen Web 2.0-Angeboten. Der Begriff Aktivität

zeigt sich als entscheidende Größe bei der Musikrezeption und der Bildung des

Musikgeschmacks. Deshalb wird das Web 2.0 anhand von Aktivitätskriterien von

passiv bis produktiv analysiert. Dieser Typologie folgt die Untersuchung

ausgewählte Beispiele von Web 2.0-Angeboten und die Untersuchung der

Auswirkung auf die Musikpromotion. Im Vorfeld werden die Themen

Musikrezeption, Musikgeschmack und massenmedial vermittelte Musik

aufgearbeitet sowie das Web 2.0 vorgestellt.

Methodik und Abgrenzung

Diese Arbeit beruht auf einer qualitativen Literaturanalyse aus den

verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen. Sozial-, kommunikations-,

kultur- und musikwissenschaftliche Ansichten kommen genauso zur Sprache wie

wirtschaftswissenschaftliche Aspekte. Der empirische Teil in Kapitel IV stützt sich

auf den theoretischen Rahmen der ersten drei Kapitel. Den Kern dieser Arbeit

bildet das selbst entwickelte Analyseschema von Web 2.0-Angeboten anhand von

Aktivitätskriterien und die darauf folgende Analyse von ausgewählten Beispielen.

Gegenstand dieser Arbeit sind die veränderten Rezeptionsmöglichkeiten und

deren Auswirkungen auf die Rezipienten. Es wird dabei auf die Musikindustrie

abseits der Tonträgerindustrie und abseits der Tauschbörsen Bezug genommen.

Diese Arbeit konzentriert sich nicht auf bestimmte Musikgenres, obwohl die

Beschäftigung mit industriell produzierter und massenhaft distributierter Musik in

den einführenden Kapiteln (I, II, III) die Konzentration auf Popmusik nahe legt.

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Einteilung

Teil I: Der erste Teil dieser Arbeit beschäftigt sich mit dem Begriff der

Musikrezeption und der Entstehung des persönlichen Musikgeschmacks. Dabei

wird klar, dass es sich beim Rezipieren von Musik um eine aktive Tätigkeit

handelt und das nur durch aktives Rezipieren sich der Musikgeschmack ausbildet.

Teil II: Einen großen Anteil an der musikalischen Sozialisation eines Menschen

tragen die Medien. In Teil II wird die massenmedial vermittelte Musik diskutiert.

Die Hauptfunktion der Massenmedien in der Musikindustrie als Promoter wird

aufgezeigt.

Teil III: Im dritten Abschnitt werden die unterschiedlichen Möglichkeiten und die

Besonderheiten des Web 2.0 aufgezeigt. Dabei wird auch auf Erkenntnisse über

die Nutzer eingegangen. Es zeigen sich die Möglichkeiten zur aktiven

Musikrezeption und die tatsächliche Nutzung durch User.

Teil IV: Im empirischen Teil fließen die Ergebnisse der vorigen Kapitel in ein

Analyseschema für Web 2.0-Anwendungen ein. Die Analyse erfolgt durch

definierte Aktivitätskriterien von passiv bis produktiv. Anschließend werden

verschiedene Web 2.0-Angebote anhand dieser Kriterien geprüft.

Teil V: Im fünften Teil der Arbeit wird ein Ausblick in die Zukunft der

Musikindustrie gegeben. Die Erkenntnisse des empirischen Teils werden die

Möglichkeiten der Musikindustrie hinsichtlich der Musikpromotion bzw. der

Musikvermarktung aufzeigen.

Anmerkung: Auf eine geschlechtsneutrale Schreibung wurde in dieser Arbeit

zugunsten einfacherer Lesbarkeit verzichtet. Selbstverständlich sind mit der

maskulinen Verwendungsform stets beide Geschlechter gemeint.

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I. Musikrezeption und Musikgeschmack

Der erste Teil gibt eine Einführung in die Musikrezeption und diskutiert die

Entwicklung des persönlichen Musikgeschmacks. Ein Bezug zwischen

Musikgeschmack und Medien wird aufgezeigt um in weiterer Folge den Einfluss

von massenmedial verbreiteter Musik auf den Rezipienten zu untersuchen.

Die Wichtigkeit der aktiven Musikrezeption zeigt sich in Kapitel I und dient später

als dem Forschungsinteresse zugrundeliegender Begriff bei der Kategorisierung

des Musikangebots im Web 2.0.

1. Musikrezeption

„Im Sprachgebrauch wird Musikrezeption als Synonym für „Musikhören“

verwendet. Gleichgültig ob ästhetische-historische, psychologisch-

soziologische oder physiologische Fragen des Musikhörens angesprochen

werden, gleichgültig auch ob der Hörvorgang, der Höreindruck oder das

Musikverständnis des Hörenden Untersuchungsgegenstand ist – überall

taucht in verschiedenen Bedeutungsvarianten der Begriff Musikrezeption

auf.“ (Rösing 1983, S.1)

Unter Musikrezeption wird die aktive Auseinandersetzung von Hörern mit Musik

verstanden. Der Rezeptionsprozess beginnt mit der Zuwendung zum Medium. Im

Mittelpunkt des Prozess steht die Hörer–Musik-Interaktion (vgl.

Charlton/Schneider 1997a, S. 16). Indem die Zuhörer Wissen (erlangt durch

musikalische Fähigkeiten und durch musikalische Sozialisation) an die Musik

herantragen, interagieren sie auf der einen Seite mit der Musik und entwickeln so

die tatsächlich rezipierte Musik, auf der anderen Seite wird diese rezipierte Musik

im Alltag zur Entwicklung des Lebensstils und der Identität benutzt (vgl.

Hechenberger 1999, S. 48). Diese sogenannte Aneignungsphase schließt an die

eigentliche Rezeption an und setzt die Musikerfahrungen und die eigene

Lebenswelt zueinander in Beziehung. Beispielsweise findet diese Aneignung in

Gesprächen mit anderen Personen statt (vgl. Charlton/Schneider 1997a, S. 16).

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In diesem Sinne ist zwischen Rezeption und Aneignung zu unterscheiden. Die

Rezeption bezeichnet die konkrete Interaktion zwischen Musik und Zuhörer, in

Folge dessen die rezipierte Musik hergestellt wird. Die Rezeption ist mit der

Dauer der Zuwendung identisch. Unter Aneignung ist die Übernahme der

rezipierten Musik in den Alltag und den lebensweltlichen Kontext der Zuhörer

gemeint. Indem musikalische Information in den lebensweltlichen Kontext

gebracht wird, kann neue Bedeutung entstehen, indem der musikalische Code in

einer bestimmten Erlebnisdimension mit Gegenständen, Dingen, Einstellungen,

Wünschen oder Sehnsüchten gekoppelt wird (vgl. Hechenberger 1999, S. 48).

Inhaltlichen konstituiert sich dieser musikalische Code durch die Sozialisation des

Zuhörers als außermusikalischer Faktor, der mit den musikalischen Faktoren

interagiert. Die Musik kann ihrerseits die Rezeption als auch die Aneignung

strukturieren indem sie entsprechende Angebote macht: ein Hit entsteht

beispielsweise, wenn es gelingt, dass sich ein Musikstück im sozialen Netz

spezifischer Zielgruppen mit bestimmten dort zirkulierenden Bedeutungen

verankert. Die Struktur der Musik gestaltet hier zum einen die Interaktion vor,

zum anderen aber ebenso die Aneignung, indem sie auf soziale Kontexte

verweist, die über die Sozialisation vom Zuhörer erlernt werden können (vgl.

Hechenberger 1999, S. 49).

Der Rezeptions- und Aneignungsprozess kann als eine bewusste Beschäftigung

mit Musik verstanden werden. Diese Prozesse helfen bei der Identitätsfindung

und –entwicklung und somit auch bei der Entwicklung des Musikgeschmacks. Die

äußeren Bedingungen der Rezeption haben sich allerdings durch technische

Entwicklungen stark verändert.

2. Musikgeschmack und Musikpräferenzen

Als Musikgeschmack kann man das umfassende Musikkonzept eines Individuums

bezeichnen. Dieses Musikkonzept stellt die Grundlage für die

Präferenzentscheidungen des einzelnen dar. Musikgeschmack erscheint im

Gegensatz zu Musikpräferenzen als der umfassendere Begriff, Musikpräferenzen

als eine der Möglichkeiten, jenen zu objektivieren. Musikgeschmack wird also

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mittels der beobachtbaren Musikpräferenzen identifizierbar (vgl. Kunz 1998, S.

21-22).

Grundsätzlich kann man unterscheiden zwischen aktuellen Entscheidungen

(Präferenzen) und langfristigen Orientierungen (Geschmack) bezüglich des

Gefallens von Musik (vgl. Kunz 1998, S. 21-22).

Musikpräferenz bezeichnet etwas oder jemanden, das oder der von jemanden im

Bereich der Musik bevorzugt wird. Es handelt sich um das Erlebnis einer in der

Vergangenheit abgeschlossenen Tätigkeit des Bevorzugens. Musikpräferenzen

sind somit als Rangskala des jeweils Vorgezogenen zu verstehen. Das

Präferenzverhalten kann sich auf Personen (Musiker) auf Gegenstände

(Musikwerke) oder auf Merkmale der Musik (Rhythmus) beziehen. Die

persönlichen Präferenzen sind also ausschlaggebend dafür in welches Konzert ich

gehe, welche CD ich mir kaufe. Musikpräferenzen bezeichnen das

Entscheidungsverhalten in konkreten Situationen (vgl. Kunz 1998, S. 21-22).

„Sie bilden den Bezugsrahmen für Urteile und Vorurteile, bestimmen die

Selektion von musikalischen Wahrnehmungsinhalten; sie bedingen die

Kontinuität des Verhaltens den wechselnden inneren und äußeren

Situationen gegenüber; sie fungieren bisweilen auch als Mittel sozialer

Anpassung und/oder Abgrenzung. Musikpräferenzen sind „Entscheidungen

die Rangskalen bilden“ indem sie Musikstücke vorziehen oder

nachordnen.“ (Jost 1982 in Rejzlik 2001 S. 31-32)

Musik rezipieren wir durch die Übertragung mittels technischer Medien, in

öffentlichen Darbietungen wie Konzerten und indem wir selbst musizieren. Bei

der Rezeption realisiert sich unser Musikgeschmack, hier kommt er zur

Anwendung und wird verändert. Erweitern wir unsere Erfahrungsräume können

wir unseren Geschmack verändern, erweitern oder verschieben (vgl. Kunz 1998,

S. 216).

Das Augenmerk dieser Arbeit liegt auf der Änderung der Rezeption von Musik

durch die Medien, genauer gesagt durch das Web 2.0. Das massenmedial

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dargebotene Musikangebot und eine scheinbar uneingeschränkte Verbreitung

spielen heutzutage bei der Ausbildung von Geschmack eine zentrale Rolle,

trotzdem darf die Sozialisation abseits der Medien nicht außer Acht gelassen

werden.

„Der Begriff Musikpräferenz bezieht sich auf den ersten Blick lediglich auf

die Tatsache, dass Menschen bestimmte Musik mögen, andere hingegen

nicht, dass sie sich gegenüber Musik aber auch tolerant oder gleichgültig

verhalten können. Bei näherer Betrachtung verbirgt sich hinter

Musikpräferenzen ein Bündel von psychischen Phänomenen, deren

Berücksichtigung unerlässlich ist, wenn man verstehen will, weshalb

Individuen unterschiedliche Musik präferieren, weshalb Menschen „ihr

Geschmack“ so wichtig sein kann.“ (Behne 2002, S. 339)

Deshalb wird im Folgenden auf die Entwicklung des persönlichen

Musikgeschmacks bzw. auf die musikalische Sozialisation eingegangen um

danach die Zusammenhänge von Musikgeschmack, Lebensstil und Identität zu

erklären. Die Medien sind Teil der Sozialisation eines Individuums werden aber

hier in einem eigenem ausführlichen Kapitel behandelt.

3. Entwicklung des persönlichen Musikgeschmacks

Bei der Entwicklung des persönlichen Musikgeschmacks sind zwei grundlegend

verschiedene Prozesse zu unterscheiden:

• Die Entwicklung musikalischer Fähigkeiten

• Die musikalische Sozialisation bzw. die Orientierung an einem Teil des

verfügbaren Musikangebots

Für den erstgenannten Prozess ist etwa das erste Lebensjahrzehnt anzusetzen.

Die Anfänge des zweiten Prozesses, durch den wir individuellen Musikgeschmack

entwickeln, sind schwieriger auszumachen, seine Höhepunkte sind aber sicherlich

im zweiten Lebensjahrzehnt, also in der Jugend anzusetzen. Für den zweiten

Prozess lassen sich vier Instanzen benennen, die nacheinander von

dominierender Bedeutung sind: die Eltern, die Gleichaltrigen (Peer Group), sowie

das Individuum selbst. Als vierte Instanz treten bereits im Vorschulalter die

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Medien, die durch die Vielfalt ihres Angebots die Einflüsse von Eltern und

Gleichaltrigen abschwächen, modifizieren oder verstärken können. Da die Medien

sich als immer wichtiger werdende Instanz erweisen und ein zentraler Faktor

dieser Arbeit sind, wird ihnen in Kapitel II besondere Aufmerksamkeit gewidmet.

Die Orientierung der eigenen Musikpräferenzen an den Eltern ist in der frühen

Kindheit naheliegend. Spätestens mit der Pubertät beginnt eine zunehmende

Orientierung nach außen, an Gleichaltrigen. Typisch für diese Zeit ist eine

Fokussierung auf wenige musikalische Stilrichtungen und eine Ablehnung der

meisten übrigen Musik, eine Einstellung die sich jedoch in den folgenden Jahren

wieder zu toleranteren Haltungen entwickelt. Wenn schließlich als Ergebnis der

Pubertät Ich-Identität entwickelt ist, kann man eher davon ausgehen, dass

Musikpräferenzen individuellen Bedürfnissen entsprechen, dass sie – nach

allmählicher Übernahme der Erwachsenenrolle – die Persönlichkeit des einzelnen

widerspiegelt (vgl. Behne 2002, S. 345-353).

3.1. Entwicklung musikalischer Fähigkeiten

Physiologisch gesehen hört jeder Mensch (auch schon vor der Geburt) gleich: die

Schallwellen gelangen durch den äußeren Gehörgang zum Trommelfell. Im

dahinter liegenden Mittelohr verstärken die Bewegungen der drei kleinsten

Knöchelchen des Menschen (Hammer, Amboss und Steigbügel) den Schall um

ein 20-faches, um ihn vollständig an die nächste Station, das Innenohr,

weiterleiten zu können. In der dort befindlichen Chochlea (Schnecke) befinden

sich die Haarsinneszellen (20.000 pro Ohr), die unterschiedliche Aufgaben

haben: Einige verarbeiten hohe Töne, andere tiefe Töne. Diese Haarsinneszellen

sind für die Verstärkung und Umwandlung der mechanischen Schwingungen in

elektrische Impulse verantwortlich, die das Gehirn entlang des Hörnervs

erreichen. Dort werden schließlich die Empfindungen des Gehörs bestimmt (Vgl.

Petsche 2002, S. 630-637).

Informationsverarbeitung

„Das System der Informationsverarbeitung im Gehirn ist zielgerichtet und

soll dem Menschen ermöglichen, sich ein kohärentes Bild seiner Welt zu

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erarbeiten. Dazu müssen die für das Individuum relevanten Fakten

registriert und irrelevante unterdrückt werden.“ (Peschke 2002, S. 637)

Die Informationsverarbeitung beginnt damit, dass eine Botschaft die Sinnes- und

Wahrnehmungsorgane des Rezipienten erreicht. Angesichts der allgemein hohen

Informationsdichte, bzw. sogar Informationsüberlastung, wird dabei ohne eine

gewisse Aktivierung kaum Bereitschaft beim Rezipienten bestehen, sich von sich

aus einer bestimmten Botschaft zuzuwenden. Unter Aktivierung wird eine

momentane psychologische Reaktion verstanden, die mit emotionalen und

kognitiven Prozessen vernetzt ist. Momentane Reaktionen umfassen alle

Vorgänge in einer Person, die sich unmittelbar oder im Anschluss an eine

Darbietung einer Botschaft (z.B. Hören eines Musiktitels) abspielen. Sowohl

bewusste als auch vorbewusste Vorgänge sind eingeschlossen.

Es handelt sich dabei um Vorgänge im sensorischen System bzw. um Prozesse

im Kurzzeitgedächtnis: Die Informationen, oder auch nur Teile davon, werden in

dieser Aneignungsphase kondensiert und vereinfacht, so dass sie kurzzeitig

gespeichert werden können. Im Kurzzeitspeicher spielt sich das momentane

Denken ab. Die momentanen Reaktionen einer Person werden jedoch über die

ablaufenden physiologischen Prozesse hinaus auch durch die jeweils bei einem

Individuum bereits vorhandenen psychografischen und soziografischen Merkmale

mit beeinflusst. Schließlich erfolgt ein Abgleich der aufgenommenen Information

mit dem bereits im Gedächtnis vorhandenen Reservoir an Kenntnissen,

Erfahrungen, Erlebnissen etc.; hierbei entscheidet sich, ob aufgenommene

Information angemessen integriert werden kann. Wenn eine Integration möglich

ist, dann wird die Information Bestandteil des Gedächtnisses bzw. der

Erinnerung, sie gelangt in den Langzeitspeicher. Wenn dies nicht gelingt, dann

verschwindet die Information aus dem Bewusstsein (vgl. Bruhn 2002, S. 439-

451).

Diese im Langzeitspeicher enthaltenen Interessen können Rezipienten dazu

motivieren, sich von sich aus aktiv bestimmten Medien oder Medieninhalten

zuzuwenden und nicht nur passiv auf die Präsentation beliebiger Botschaften zu

reagieren. In die Klasse von Interessen fällt auch das sogenannte „Involvement“,

bzw. das Engagement, das Individuen einer Botschaft entgegenbringen und mit

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dem sie bei der Informationsverarbeitung entsprechend vorgehen (vgl. Schenk

2007, S. 246-247).

Je nach Stärke des „Involvements“ des Rezipienten bleiben die Botschaften im

Langzeitgedächtnis gespeichert. Zur Einstellungsänderung führen Botschaften

nur über sogenannte „zentrale Routen“ der Informationsverarbeitung. Zentrale

Routen der Informationsverarbeitung können Personen über Medien beschreiten,

welche gedankliche Anstrengung im Zusammenhang mit einer wahrgenommenen

Botschaft ermöglichen. Der gedankliche Aufwand der vom Rezipienten an das

Medium herangetragen wird, ist in der Regel sehr hoch, so dass eine gewisse

Motivation oder ein Interesse am Gegenstand oder Thema vorausgesetzt werden

muss. Die dadurch entstehende Einstellung wird in die vorhandenen

Einstellungen integriert und erweitert diese (vgl. Schenk 2007, S. 260-263). Es

wird deutlich, dass ein persönlichkeitsspezifischer Selektionsprozess stattfindet –

jeder Mensch hört also anders.

Aber nicht nur die physischen Voraussetzungen haben Einfluss auf das

individuelle Musikempfinden und den Geschmack, ganz entscheidend kommt zu

den physischen Fähigkeiten das soziale und musikalische Umfeld als großer

Einflussfaktor hinzu. Nach heutigem Wissensstand ist unbestritten, dass

musikalische Fähigkeiten sowohl eine Produkt von Erbanlagen als auch von

Umwelteinflüssen sind (vgl. Gembris 1998, S. 189). Genau diese

Umwelteinflüsse stehen im Mittelpunkt einer soziologischen Betrachtung von

Musikrezeption.

3.2. Musikalische Sozialisation

Die musikalische Sozialisation ist ein Teilbereich des umfangreichen

Sozialisationsprozesses eines Individuums. Darunter wird das Hineinwachsen in

die musikalische Umwelt und Kultur bzw. der kompetente Umgang mit

musikbezogenen Erlebens- und Verhaltensweisen wie z.B. Rezeption,

Reproduktion, Produktion, Reflexion, Transposition. Ob man auf der Straße die

Musik aus dem MP3-Player genießt, oder nur abends in bestimmten Lokalen

tanzt, ist eine Frage der musikalischen Sozialisation (vgl. Dollase 2005, S. 153-

155).

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Zur musikalischen Sozialisation existieren eine Reihe von Modellvorstellungen.

Schwerpunkt dieser Modelle ist die Darstellung der verschiedenen, den

Musikgeschmack bedingenden Variablen und deren Beziehungen untereinander.

Problematisch dabei ist, dass die vielschichtigen Zusammenhänge der Variablen

kaum aufzuzeigen sind, da fast immer alles mit allem zusammenhängt. Weiterhin

ist es praktisch unmöglich, alle für die Musiksozialisation relevanten Variablen in

einem Modell zu berücksichtigen.

Dollase versuchte 1986 einen Überblick zu schaffen:

Abbildung 1: Musikalische Sozialisation

Die Abbildung zeigt die Faktoren, die bei der musikalischen Sozialisation eine

Rolle spielen. Neben den objektiven Lebensbedingungen Geschlecht und

historische Zeit werden unter dem Oberbegriff Individuum die Lernprozesse der

musikalischen Sozialisation und deren Ergebnisse zusammengefasst.

Diese objektiven Lebensbedingungen formen, steuern und ermöglichen die

persönlichen Aneignungsstrategien eines Individuums in Bezug auf Musik. Das

Individuum, das diese Lernprozesse durchlebt interagiert aktiv in einem

Quelle: Dollase 1986 aus Kunz 1998, S. 26

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dynamischen Prozess mit der Umwelt. Der Mensch wird hierbei grundsätzlich

nicht als rein empfangendes Element im Sozialisationsgeschehen betrachtet,

sondern als aktiv miterlebendes, aufnehmendes und sich entwickelndes

Lebewesen. Dazu muss der gesellschaftliche Kontext einbezogen und das

verfügbare musikalische Material berücksichtigt werden (vgl. Kunz 1998, S. 23-

26).

„Wie viel Zeit zum Beispiel für Musik verwendet, wie viel Geld ausgegeben

werden kann, in welchen Situationen sich überhaupt Musik machen oder

hören lässt und wie stark die musikalisch Handelnden von den

verschiedenen Institutionen (Medien, Peers, Schule, Elternhaus)

beeinflusst werden, ist entscheidend für die Lernprozesse und die

Konstitution der musikalischen Sozialisation eines Individuums“ (Rösing

1995, S. 352)

Das soziale Umfeld hat also auf die musikalische Entwicklung des Menschen in

seiner musikalischen Sozialisation größten Einfluss. Die wichtigsten Institutionen

- Elternhaus, Peer Group, und Medien werden im folgenden Abschnitt näher

beleuchtet.

Das Elternhaus

Kinder besitzen bereits unmittelbar nach der Geburt musikalische Fähigkeiten,

die verloren gehen, wenn sie nicht in der ersten Zeit unterstützt werden. Die

Anregung für die Entwicklung musikalischer Fähigkeiten erwachsen aus

sprachlichen und nicht-sprachlichen Vokalisationen der Bezugsberechtigten.

Mit der musikalischen Entwicklung sind folgende Faktoren verknüpft (vgl. Shuter-

Dyson 2002b, S. 307):

• Eltern singen mit dem Kind

• Gemeinsames Musizieren

• Konzertbesuche

• Musikalischer Hintergrund der Eltern etc.

Kinder, die im Elternhaus Unterstützung beim Erlernen eines Musikinstrumentes

erfahren, nehmen länger und mit größerer Motivation am Unterricht teil. Auch

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19

der Bildungsgrad der Eltern spielt dabei eine Rolle. Ein hoher Bildungsgrad erhöht

die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind ein Instrument erlernt (vgl. Bastian 1991).

Geht man davon aus, dass man von Musik, die man selbst gespielt hat,

entscheidend geprägt wird, so ist es nachvollziehbar, dass klassische Musik

wesentlich häufiger von Abiturienten, die klassische Musik produziert haben,

geschätzt wird; Popmusik hingegen eher von Volks- und Hauptschülern, die diese

konsumieren (vgl. Behne 2002, S. 347). Behne weist jedoch explizit darauf hin,

dass Brittin4 in einer Studie 1991 mit klingenden Beispielen aus dem Pop-Bereich

herausfand, dass musikalisch erfahrene Studenten Popmusik durchweg positiver

beurteilen als Unerfahrene. Das Versprachlichungsausmaß scheint in einem

Elternhaus mit gehobenerem Bildungshintergrund größer zu sein, wie auch das

Interesse an Musik und deren Ausübung sowie die Reflexion über das Gehörte.

Offensichtlich gibt es zudem eine lineare Beziehung zwischen musikalischer

Entwicklung und dem sozioökonomischen Status der Eltern. So kann man

festhalten, dass schichtenspezifische Musikpräferenzen u.a. die Funktion einer

Aus- und Abgrenzung haben, denn sie sind Mittel, die von Bourdieu benannten

„feinen Unterschiede“ zu betonen (vgl. Bourdieu 1979)

„In der Tat bekunden „soziale Aufsteiger“ (Studenten aus Arbeiterfamilien)

eine deutlich stärkere Präferenz für klassische Musik, als man anhand ihres

sonstigem sozialen Umfeldes erwarten würde.“ (Behne 2002, S. 347)

Das Elternhaus prägt somit hinsichtlich des Geschmacks, des Interesses und der

Motivation, sich mit Musik (auch praktisch) in entscheidendem Maße

auseinanderzusetzen.

Die Jugend- und Schulzeit (Peer Group)

„Musik in der Sozialisation und Persönlichkeitsentwicklung eines jungen

Menschen ist eine besonders große Rolle zuzuschreiben. Sie nutzen die

Musik in weit umfassenderem Maße als Kinder und Erwachsene, sie

definieren sich geradezu über sie.“ (Baacke 1998, S. 13)

4 Brittin, R. V. (1991). The effect of overtly categorizing music on preference for popular music styles. Journal of Research in Music Education, 39, 143-151

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Kinder entwickeln untereinander eine eigene Form der Musikkultur. Dies mag

daran liegen, dass die Musik der Erwachsenen den Kindern zu komplex erscheint

und sie daher zunächst in ihrer Komplexität reduzierte Musik in sich aufnehmen,

z.B. Kinderlieder. Sogar von Schule zu Schule oder innerhalb einer Schule gibt es

Unterschiede, die z.B. damit zusammenhängen können, dass die Lehrer mit den

Kindern sehr unterschiedliche Stücke bearbeiten. Wichtig ist, dass der Austausch

untereinander über Musik die (verbalen) Musikpräferenzen beeinflusst und der

Persönlichkeitsentwicklung entscheidende Wendungen über Ge- und Missfallen

herbeiführen kann (vgl. Shuter-Dyson 2002b, S. 308).

Eine der wichtigsten Eigenschaften von Musik im Hinblick auf musikalische

Sozialisation setzt bereits sehr früh ein: Heranwachsende nutzen Musik, um sich

Urteile über andere Menschen in ihrer Umgebung zu machen. Freundschaften

entstehen gerade in der Pubertät auf der Basis gemeinsamer musikalischer

Interessen und Präferenzen. Dabei dient Musikrezeption oftmals als Basis für

interpersonale Kommunikation – jugendliche Unterhaltungen drehen sich häufig

um die neuesten Platten oder Musikvideos. In diesem Zusammenhang spielt auch

das Konzept des Meinungsführers eine bedeutende Rolle. Jugendliche mit einem

überdurchschnittlichen Interesse an Musik, das sich in einer

überdurchschnittlichen CD- oder MP3-Sammlung äußert, besitzen innerhalb ihrer

Peer Group oftmals eine herausragende Position, da sie als Ratgeber und

Vorreiter in Sachen guten Geschmacks und Stils gelten (vgl. Lull 1985, S. 363-

372).

Das Gefühl, bei den Gleichaltrigen (Peer Group) „ankommen“ zu wollen, mag

manche dazu bringen, sich einer bestimmten modischen Musikrichtung

anzuschließen. Umgekehrt gibt es auch Menschen, die sich erst einer Gruppe

anschließen, wenn die Gemeinsamkeiten, in diesem Fall der Musikgeschmack,

feststeht. Hier wird die Person in seiner Meinung verstärkt und kann in der

Gemeinschaft ohne Probleme bestehen. Eine vorherrschende Meinung über einen

bestimmten Stil kann also durchaus ansteckend sein.

Empirische Untersuchungen belegen, dass die musikalische Karriere eines

Menschen in großem Maße davon geprägt wird, was man in der Jugendzeit

gehört hat (vgl. Rösing 2002, S. 373-375).

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„Empirisch lässt sich zeigen, dass musikalische Vorlieben nicht isolierte

Vorlieben sind, sondern zugleich auch mit einer Reihe anderer Interessen

kovariieren. Wer sich für eine bestimmte Musikrichtung entscheidet, der

teilt mit anderen, die diese Musik ebenfalls mögen, eine Reihe von

psychologischen und sozialen Kennzeichen.“ (Dollase 1998, S. 335)

Mit Hilfe von Musik kommunizieren Jugendliche demnach einerseits innerhalb der

Peer Group und auf der anderen Seite extern mit ihrer Umwelt; sie bietet ihnen

die Möglichkeit, sich symbolisch zu Themen zu äußern, für die sie selbst

eventuell noch keine Worte finden oder die sie beschäftigen.

Das Erwachsenenalter – Ich-Identität

Das Erwachsenenalter ist schwer einzugrenzen. Wo hört die Jugend auf, wo liegt

die Grenze zum Alter? Insgesamt umfasst das Erwachsenenalter einen Zeitraum

von 60 Jahren und mehr. In den vergangenen Jahrzehnten hat eine Ausdehnung

der Jugend bzw. der jugendnahen Lebensphase (Postadoleszenz) und eine sozio-

kulturelle Verjüngung des Erwachsenenalters stattgefunden. Dieses Phänomen

wirkt auch weit in die musikalische Entwicklung hinein. Der Einfluss von

Sozialisierungs- und Lernprozessen auf die musikalische Entwicklung ist in der

Kindheit und Jugend besonders stark und nimmt im Laufe des Erwachsenenalters

ab. Die bereits in Kindes- und Jugendalter vorhandenen Unterschiede in der

musikalischen Entwicklung vergrößern sich mit Beginn des Erwachsenenalters

(vgl. Gembris 2008, S. 164-165).

Lebensorientierung, Bedürfnisse und Werte ändern sich im Laufe des Lebens.

Musikbezogene Freizeitinteressen können (z.B. durch Familiengründung) nicht

mehr in früherem Umfang realisiert werden. Musik wird deshalb weniger

zielgerichtet gehört, Beiläufigkeit und Beliebigkeit im Umgang mit Musik

dominieren. Das noch in der Jugendzeit typische Interesse an Moden und

Strömungen flacht ab. Erst mit dem Ausstieg aus dem Berufsleben ändert sich

dies wieder (vgl. Gembris 2008, S. 184).

Musikpräferenzen und Vorlieben von erwachsenen Musikhörern stehen im

Zentrum der Medienforschung, da im Zeitalter des Formatradios die

Gewohnheiten von Musikhörern gleichzeitig die Zielgruppen für die Werbung

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definieren. Nur wenige Studien beschäftigen sich mit den Präferenzen und dem

Musikgeschmack im Erwachsenenalter. Nach diesen Studien bleiben die

musikalischen Präferenzen, die jemand im frühen Erwachsenenalter mit etwa 24

Jahren hat, auch für die folgenden Jahrzehnte des Lebens erhalten. Diese

Studien sind aber fast ausnahmslos Querschnittsstudien, welche nur

Momentaufnahmen verschiedener Altersgruppen vergleichen. Generations- bzw.

Kohortenzugehörigkeit, welche auf Grund unterschiedlicher Prägungen in der

musikalischen Sozialisation, einen erheblichen Einfluss auf den Musikgeschmack

haben, werden mit Einflüssen des Alters vermischt (vgl. Gembris 2008, S. 184).

4. Musikgeschmack, Lebensstil und Identität

Nach Friedemann Schulz von Thun ist das Selbstkonzept die Meinung, welche

man von sich selbst hat (vgl. Schulz von Thun 1982, S. 167). Es entwickelt sich

„als Folge definierender Erfahrungen“ (Schulz von Thun 1982, S. 174), die sich

aufgrund der Kommunikation mit anderen Menschen ergeben. Umgekehrt ist das

Selbstkonzept bzw. Identität wiederum Ursache für die Art und Weise der

Aneignung von Wirklichkeit durch das Individuum.

„Ein Hauptmechanismus des Selbstkonzeptes besteht darin, sich seine

Umwelt selber zu schaffen und bestimmten Erfahrungen ganz aus dem

Wege zu gehen.“ (Schulz von Thun 1982, S. 178)

Unterschiedliche Selbstkonzepte sind also mitverantwortlich dafür, dass

dieselben Informationen von verschiedenen Menschen anders wahrgenommen

werden.

Gerade in der Jugendzeit ist die Suche nach einer eigenen Identität der

entscheidende Bewältigungsaspekt; diese Zeit ist die wichtigste Phase der

Identitätsentwicklung, auch wenn diese das ganze Leben über stattfindet. Vor

allem bietet die (Popular-) Musik den Jugendlichen Leitbilder und Lebensstile an.

Deshalb liegt aufgrund der vielfältigen Funktionen von Musik in diesem

Lebensabschnitt der Gedanke nahe, dass Musik die Identität vor allem von

Jugendlichen prägt (vgl. Erikson 1973, S. 140-141).

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„Unter Identität im modernen Sinn versteht man das Bewusstsein einer

Person, sich von anderen Menschen zu unterscheiden (Individualität)

sowie über die Zeit (Kontinuität) und über verschiedene Situationen

(Konsistenz) hinweg im Kern dieselbe, durch bestimmte Merkmale

ausgezeichnete Person zu bleiben.“ (Erikson 1966, S. 107)

Dass besonders Musik ein wichtiges Medium zur Identitätsfindung sein kann,

hängt mit den vielfältigen Funktionen von Musik zusammen, die von der

Körperwahrnehmung bis zur Kompensation von seelischen Problemen reichen.

Entscheidend für weitergehende Identifikationsprozesse ist in diesem

Zusammenhang die persönliche Übernahme der Lebensstile und

Weltanschauungen präferierter Musiker/Musikgruppen. Diese äußern sich in der

Rockmusik zum Beispiel durch Liedtexte und Kleidung, aber auch durch den

Musikstil. Die durch die Musik und ihr soziokulturelles Umfeld (welches zumeist

die Medien bekanntmachen) vermittelten Identifikationsmuster und

Lebensentwürfe werden durch individuelle Aneignungsprozesse Teil der eigenen

Identität (vgl. Kunz 1998, S. 60).

„Der Musikgeschmack ist eine Komponente des Lebensstils, d.h. Teil eines

Syndroms mehr oder weniger kohärenter Zu- und Abneigungen,

Orientierungen und Verhaltenspraktiken. Die Kenntnis des

Musikgeschmacks verrät daher einiges über den Lebensstil eines

Menschen. Umgekehrt lässt sich von allgemeinen Mustern des

Kulturkonsums auf Grundzüge des Musikgeschmacks schließen.“(Otte

S. 25-26)

Es gibt in der Musikwissenschaft Ansätze, welche den Identitätsprozess auf den

Prozess der Entwicklung des persönlichen Musikgeschmacks übertragen. Behnes

Ansatz (vgl. Behne 1975, S. 38) geht beispielsweise auf das Model der

„kognitiven Dissonanz“ zurück, in dessen Mittelpunkt die persönliche

musikalische Erfahrung des Individuums steht:

„Ein musikalisches Konzept ist die Summe von Vorstellungen,

Einstellungen, Informationen, Vorurteilen etc., die ein Individuum

hinsichtlich eines bestimmten, mehr oder weniger begrenzten

musikalischen Objektes besitzt.“ (Behne 1975, S. 36)

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Die „wichtigsten Determinanten bei der Entstehung musikalischer Konzepte“ sind

nach Behne „die vier Grundfaktoren Sozialisation (Umwelt), Alter und

Persönlichkeit (Individuum) und die Musik (Material)“ (Behne 1975, S. 38). Die

musikalischen Konzepte steuern die Wahrnehmungsselektivität, die Selektion des

Wahrzunehmenden, die Bereitschaft zur Produktion und Rezeption von Musik.

„Wahrnehmungsselektivität und Selektion des Wahrzunehmenden wirken

über das Hörerlebnis und damit über das musikalische Material wieder

direkt auf das Konzept ein […].“ (Behne 1975, S. 42-43)

Hörerfahrungen, denen man sich willentlich aussetzt, sind durch das bereits

bestehende Konzept determiniert. Neuartige Hörerfahrungen verursachen durch

Rückkopplungsprozesse Veränderungen des bestehenden Konzeptes. Diese

Hörerfahrungen, die mit dem bestehenden Hörkonzept zunächst nicht in Einklang

zu bringen sind, bezeichnet Behne als kognitive Dissonanzen.

Neue Vorstellungen vom Begriff der Identität stellen vermehrt Veränderung und

Vielfalt in den Mittelpunkt. Besonders durch das Web 2.0 weitet sich der Begriff

der Identität aus. Döring schreibt 2003 (S. 325):

„Identität wird heute als komplexe Struktur aufgefasst, die aus einer

Vielzahl einzelner Elemente besteht (Multiplizität), von denen in konkreten

Situationen jeweils Teilmengen aktiviert sind oder aktiviert werden

(Flexibilität). Eine Person hat […] nicht nur eine „wahre“ Identität, sondern

Verfügt über eine Vielzahl von gruppen-, rollen-, raum-, körper-, oder

tätigkeitsbezogenen Teilidentitäten“

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Ausblick

Zusammenfassend kann man sagen, dass Musikrezeption eine aktive Tätigkeit ist

und zur Ausbildung des Musikgeschmacks führt. Der Musikgeschmack ist nicht

willkürlich, sondern von verschiedenen Faktoren der Sozialisation abhängig.

Darunter fällt auch die Prägung durch die Medien. Durch eine aktive

Auseinandersetzung mit Musikmedien nehmen wir neue Musik passend zur

Identität auf.

„Medien verändern oder erweitern den Musikgeschmack insofern, als die

Erweiterung der medialen Erfahrungsmöglichkeiten mit der Ausdehnung

der sozialen Kreise korrespondiert. Neue Hörerlebnisse werden erst dann

in die eigene kulturelle Praxis integriert, wenn sie in den relevanten

sozialen Kontext akzeptiert und identitätsstiftend sind, also zu einer

Ressource in sozialen Strategien wurden.“ (Gebesmair 2001, S. 229)

Durch die Erweiterung des WWW zum Web 2.0 werden die

Aktivitätsmöglichkeiten der Rezipienten, oder nunmehr User, stark erweitert.

Mittels verschiedener Programme können User zusammenarbeiten und ihre

kollektiven (Musik-) Interessen einbeziehen. Es wird nicht nur kommuniziert

sondern auch Inhalte stehen im Mittelpunkt (vgl. Alby 2007, S. 90). Durch diese

Programme entstehen erhebliche Erleichterungen der Publikation eigener Inhalte

und ihre globale Zugänglichkeit. Verlage und Sender verlieren somit ihr Privileg,

darüber zu entscheiden, welche Inhalte wann veröffentlicht werden (vgl.

Niedermaier 2008, S. 59). Dem Musikrezipienten stehen nun um ein vielfaches

mehr Möglichkeiten zur Verfügung sich mit Musik auseinanderzusetzen. Die

verstärkten Aktivitätsmöglichkeiten zeigen sich im nächsten Kapitel als

entscheidende Veränderung in der Musikrezeption durch das Web 2.0.

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II. Musikrezeption in den Massenmedien

Neben den verschieden Sozialisationsinstanzen, welche wir in unserem Leben

durchlaufen, sind wir immer von den unterschiedlichsten Medien begleitet. In den

meisten Medien hat Musik einen erheblichen quantitativen Anteil. Nicht nur

Tonträger und das Musikfernsehen, sondern auch viele andere Medien nutzen

Musik, um ihre Attraktivität sicher zu stellen. So finden sich z.B. in den meisten

Printmedien musikjournalistische Beiträge. Selbst bei so „musikfernen“ Medien

wie dem Telefon ist in der Warteschleife Musik zu hören und selbstgewählte

Klingeltöne auf dem Mobiltelefon sind eine vor allem bei Jugendlichen

vielgenützte Möglichkeit, um das eigene Handy durch zusätzliche Symbolik so zu

gestalten, dass dem jeweiligem Publikum etwas über Status, die Einstellungen,

die Interessen und Gruppenzugehörigkeit des Besitzers mitgeteilt wird (vgl.

Münch; Eibach 2005, S. 462).

Der größte Teil der Musikrezeption findet heute mittels technischer Medien statt.

Als Folge dessen ist ein großer Forschungsbereich entstanden, der sich immer

komplexer gestaltet, da ältere Medien häufig nicht völlig abgelöst werden (vgl.

Münch 2008, S. 267).

Medien werden nicht mehr als ein neutraler Mittler begriffen, durch den die

Inhalte – nur eventuell durch Störungen beeinträchtigt - unverändert

transportiert werden, sondern als wesentlicher, wenn nicht entscheidender

Einflussfaktor auf die Medienbotschaft (vgl. Münch 2008, S. 268). Die heutigen

Modelle sind durch Rückkopplungsschlaufen und Zusatzannahmen stark

ausdifferenziert worden. Sender und Empfänger sind nun gegenseitige

Wirkungsfaktoren, die ihrerseits jeweils wiederum durch eine Vielzahl von

Faktoren beeinflusst werden (vgl. Münch 2005, S. 464).

Medien nehmen neben der Peer Group in der Gestaltung der Identität eines

Menschen eine überaus wichtige Rolle ein. Sie verstärken die Ausbreitung

bestimmter Trends und Einstellungen und sind somit maßgeblich an der

individuellen Identitätsentwicklung beteiligt (vgl. Winterhoff-Spurk 2004, S. 85).

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Medienwirkungsforscher stehen aber vor der bis heute nur ansatzweise gelösten

Frage, wie sich der Medienkonsum auf Persönlichkeit, Identität und

Musikgeschmack des Rezipienten auswirkt. Gemeinsam haben die

unterschiedlichen Studien die Erkenntnis, dass die Wirkung der Massenmedien

nicht nur von den präsentierten Inhalten, sondern auch von der

„Rezeptionssituation und den Rezipientenmerkmalen abhängig ist“ (vgl. Brosius

2006, S. 592). Als Faktor medialer Wirkungszusammenhänge sind auch

komplexe „gesellschaftliche Rahmenbedingungen“ (vgl. Brosius 2006, S. 592) zu

beachten.

Massenmedien sind als Instrumente der Massenkommunikation in der modernen

Gesellschaft jederzeit verfügbar und stellen eine gewaltige Vielfalt an Inhalten

und Informationen bereit, welche abhängig vom Interesse und der Bereitschaft

des Nutzers individuell ausgewählt werden können. Die neuen technologischen

Möglichkeiten erweitern den gestalterischen Spielraum für Komponisten,

ausübende Künstler und Produzenten. Vor allem die zeitgenössische

elektroakustische Musik und die populärer Musik gewinnen so künstlerische

Impulse. Durch das Internet steigt zwar der Zwang zur billigen Musikproduktion,

wodurch sich eine Veränderung der künstlerischen und technischen Qualität

ergeben könnte, es erhöht aber auch die musikalische Konkurrenz und die

Verbreitungschancen kleiner Musikproduktionen vor allem durch neue,

interessierte, aktive Musikhörer (vgl. Maempel 2008, S. 250).

„Es gehört mittlerweile zur allgemeinen geteilten Auffassung der

Medienforschung, dass sich die Medienrezeption und –nutzung als aktiver

Prozess bzw. als Aktivität des Zuschauers wie des Publikums beschreiben

und begreifen läßt.“ (Göttlich 2008, S. 384)

1. Massenmedial verbreitete Musik

Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts standen im Zentrum der Musikindustrie

die Musikverleger und Musikveranstalter, deren Marktmacht auf der

technologischen Basis der Musikaufführung und massenhaften Verbreitung

mittels Musikdrucken beruhte (vgl. Tschmuck 2003, S. 20). Zu dieser Zeit war

die Rezeption von Musik eine äußerst aktive Tätigkeit. Es bestand die Möglichkeit

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Notendrucke zu kaufen und zu Hause selbst nachzuspielen oder eine

Musikveranstaltung zu besuchen.

Tonträger

Durch die Erfindung des Phonographen von Thomas Alva Edison, der dessen

Zukunft in der Telefonindustrie sah, und der experimentellen Forschung an

Tonträgermedien durch Emile Berliner, konnten erste zufriedenstellende

Musikaufnahmen durchgeführt werden. Somit war der Grundstein für die

massenhafte Produktion von Musik gelegt (vgl. Tschmuck 2003, S. 24-32).

Die Band-Technik hat der Schallplatte in den 1960er-Jahren ein neues Format

industriell gefertigter Musikträger an die Seite gestellt: die Musik-Cassette (MC).

Analoge Umwandlung des Schalls in elektrische Signale wurde in den 1970er-

Jahren durch digitale Technik ersetzt. Sie zerlegt die analogen Signale in eine

Sequenz zeitlich eng aufeinanderfolgender Daten, die im binären Code

gespeichert werden. Als Speicherformat dient vor allem die mit Laserstrahl

abgetastete Compact Disc (CD) (vgl. Blaukopf 2002, S. 176-177). Die

Entwicklung der CD revolutioniert die Tonträgerproduktion Ende der 1990er. Mit

ihr erfährt die Tonträgerindustrie einen neuerlichen Aufschwung durch die

Reproduktion schon vorhandenen Materials. Radio und Fernsehen fungieren als

Promotoren für die Tonträgerindustrie (vgl. Sperlich 2005, S. 45).

Der erste, der sich Gedanken um den Stellenwert der Kunst und ihre wandelnde

gesellschaftliche Bedeutung unter den geänderten Bedingungen der technischen

Aufnahme und massenhaften Wiedergabe machte, war Walter Benjamin, der in

seinem Essay „Das Kunstwerk und seine technische Reproduzierbarkeit“ (1936)

Entwicklungen beschrieb, die zu seiner Zeit zum Teil noch Spekulationen

darstellten, sich jedoch heute – im Zuge der immer weiter um sich greifenden

Ausbreitung des massenmedialen Netzes – größtenteils bewahrheiten.

Walter Benjamins Gedanken beruhen auf der Prämisse, dass durch die

Reproduzierbarkeit das Kunstwerk aus seinem kultischen Kontext gerissen und in

einen alltäglichen Umgang gebettet wird, in dem es Authentizität, Aura und

Originalität und seinen klassischen Autor verliert“ (vgl. Rejzlik 2001, S. 50).

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Insbesondere auf die Rezeptionsgewohnheiten der Hörer hatte die technische

Vermittlung einen entscheidenden Einfluss. Beim individuellen Abspielen von

Tonträgern erfolgte noch eine aktive Selektion und Hinwendung zur Musik,

welche in Folge des Aufkommens des Massenmusikmediums schlechthin, dem

Radio, zu einer passiven Rezeption eines massenhaft vorgefertigten Programms

führte (vgl. Rejzlik 2001, S. 53).

Das Radio

Durch die Einführung des Rundfunks in den 1920er-Jahren wandelte sich die

Musik zum ersten Mal von der materiellen Form der Schallplatte zu einer

Dienstleistung (Übertragung von Livekonzerten) im Radio (vgl. Tschmuck 2003,

S. 271). Musik und Radio ergänzen sich ideal, da beide den Hörer ausschließlich

auditiv ansprechen. Damit eignen sich die Musik und in der Konsequenz auch das

Radio hervorragend zur sogenannten Nebenbeinutzung. Ein wesentlicher

Unterschied in der Nutzung von Tonträgern zum Radio liegt im Auswahlmodus:

Die eigene Musikauswahl kann und muss ein Hörer aktiv gestalten. Er wählt die

zu hörende CD aus oder erstellt eine Playlist auf dem MP3-Player. Das Radio

muss nur eingeschaltet werden; eine weiter aktive Einflussnahme des Hörers ist

nicht möglich und zumeist auch nicht erwünscht (vgl. Peters 2007, S. 247).

Durch intensiven Radioeinsatz bestimmter Musiktitel entsteht eine wachsende

Vertrautheit mit einem Musiktitel, was zu einer erhöhten Beliebtheit beiträgt.

Hingegen schon sehr beliebte Musik nicht weiter in ihrer Beliebtheit gesteigert

werden kann, da bei wiederholtem Anhören eines Musiktitels oder bei einer

Abfolge sehr ähnlicher Musiktitel, die von den Musiktitel ausgehende, vom Hörer

als positiv empfundene Erregung sinkt. Die Frage zum Einfluss des Hörfunks auf

die Ausbildung von Musikpräferenzen bleibt also strittig (vgl. Münch; Eibach

2005, S. 477).

Dieses Charakteristikum des Mediums Radio, das „Nebenbeihören“, führt dazu,

dass das Musikprogramm immer stärker einen „Hintergrundteppich“ bildet, zur

Stimmungsregulierung dient, und dadurch notgedrungen die Qualität und Vielfalt

der gespielten Musik in Mitleidenschaft gezogen wird. Unterhaltungsmusik im

Hörfunk konnte sich deshalb so erfolgreich durchsetzen, weil sie sich für ein

beiläufiges Hören eignet und daher dem Rezeptionsverhalten eines

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Massenpublikums entgegenkommt. Die Radiomusik muss also dem Hörer

vertraut sein und bedarf keiner besonderen Konzentration. Die Wahl möglicher

Musikstile ist damit zwar nicht auf Popmusik beschränkt, dagegen aber sehr wohl

auf massentaugliches und grundsätzlich bekanntes Repertoire (vgl. Rejzlik 2001,

S. 53-55).

Musikfernsehen

Knapp vor dem Radio ist das Fernsehen das meistgenutzte und auch subjektiv

das als am wichtigsten erlebte Medium im Alltag. Programmstudien zeigen für die

Vollprogramme einen Musikanteil zwischen 0,5 und 1,7 Prozent der Sendezeit.

Ein besonders hoher Musikanteil findet sich im sogenannten Musikfernsehen.

Entstanden als Abspielstationen für Videoclips haben sich viele inzwischen zu

jugendspezifischen Vollprogrammen entwickelt (vgl. Münch 2008, S. 275)

Das Musikfernsehen kann einer ähnlichen Kritik, wie der zum Radio unterzogen

werden. Auch hier ist der Rezipient zur Passivität gezwungen.

Computer und Internet

Computer gehören zunehmend zur alltäglichen Ausstattung von Privathaushalten

und des Berufslebens. In über 80 Prozent der Haushalte steht heute mindestens

ein PC (Stand 2006). Die inzwischen fast überall vorhandene Ausstattung der

Computer mit Soundkarten und CD- und DVD-Laufwerken zum Abspielen und

Brennen sowie die zunehmende Zahl an TV- und Radio-Karten haben nicht nur

ihre musikbezogene Nutzung forciert, sondern auch die Ablösung analoger

Geräte zur Aufnahme, Speicherung, Bearbeitung und Wiedergabe von Musik

wurde durch die digitale Technik beschleunigt (vgl. Münch 2008, S. 280).

Mit der Anbindung des Computers an das Internet hat sich der Funktionsumfang

durch neue Möglichkeiten der Kommunikation, Recherche und Publikation

deutlich erweitert (vgl. Münch 2008, S. 282).

Das Internet bezeichnet den Verbund mehrerer Rechner zu einem Netzwerk, in

dem Daten elektronisch ausgetauscht werden können. Der Datenaustausch

zwischen den einzelnen Internet-Rechnern (Servern) erfolgt über die technisch

normierten Internetprotokolle.

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Der Begriff Internet wird meist gleichgestellt mit dem World Wide Web (WWW) –

dies ist jedoch nur einer mehrerer Dienste des Internets. Das WWW, bzw. „Netz“

ist ein Hypertext – System, durch welches Daten, die auf oben genannten

Servern gelagert sind, mittels eines Webbrowsers dargestellt werden.

„Aufgrund dieses Hypertextprinzips ist das WWW nicht nur ein technisches,

sondern auch ein inhaltliches Verbundsystem. Durch die multimediale

Oberfläche, die einfache Bedienbarkeit, die Vereinnahmung anderer

Dienste unter die einheitliche Oberfläche der Browser und die

Bereitstellung massenwirksamer Inhalte hat sich das World Wide Web

(neben dem Email-Dienst) als wichtigster Internet-Dienst etabliert“

(vgl. Eibl; Podehl 2005, S. 173)

Das Internet ist heute in vielfältiger Hinsicht für Nutzer bedeutsam, da es sehr

unterschiedliche Bedürfnisse und Funktionen erfüllen kann. Neben kognitiven

Aspekten wie Informationssuche und –verarbeitung, Befriedigung der Neugierde

und Erlangen bzw. Anwenden von Kompetenzen stehen sozio-emotionale

Aspekte wie soziale Interaktion, soziale und personale Identitäten (vgl. Münch

2008, S. 282).

Die Einführung neuer digitaler Technologien zur Komprimierung von Musik (MP3)

und deren schnelle Verbreitung im Internet lässt die Grenzen zwischen

Reproduktion, Distribution und Rezeption verschwimmen. Musikstücke können

endlos und verlustfrei vervielfältigt werden. Musik wird nach dem erfolgreichen

Produkt CD wieder als Dienstleistung wahrgenommen.

„Die Umwälzungen die sich derzeit in der Musikindustrie ereignen, führen

dazu, dass das Musikgeschäft nicht mehr an den Tonträger gebunden ist,

sondern eine Dienstleistung darstellt, die man über das Internet in

Anspruch nehmen kann.“ (Tschmuck 2003, S. 225)

Größtes Medieninteresse erlangten Online-Tauschbörsen wie Napster, welche es

ermöglichen, bequem und kostenlos, allerdings illegal Musikstücke aus dem

WWW zu beziehen. Abgesehen vom negativen Beigeschmack durch Copyright-

Verletzungen, die insbesondere der Tonträgerindustrie Schaden bereiten, bietet

sich die bisher nie dagewesene Möglichkeit, verschiedenste Musikstücke, -stile

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und Interpreten kennenzulernen. Der große Unterschied zu den Musikmedien

Hörfunk und Fernsehen ist, dass die Musik nicht an den/die passive/n

Rezipienten herangetragen wird, man wird nicht automatisch damit konfrontiert,

sondern man muss erst aktiv danach suchen (vgl. Rejzlik 2001, S. 112-113).

Somit bietet das Internet bisher ungeahnte Möglichkeiten für den, der weiß, was

er sucht, der sich auf Grund von Anhaltspunkten in Musikrichtungen vertiefen

bzw. Neues kennenlernen will. Der Zugang erschwert sich allerdings für

diejenigen, die kaum Zugang zu musikbezogener Information haben oder für die

eine Informationsbeschaffung zu mühsam ist. Auf keinen Fall erreicht ein solches

Medium jene, die von sich aus kein Interesse an Musik haben, sondern sich

passiv verhalten und jene Musik annehmen, die an sie herangetragen wird (vgl.

Rejzlik 2001, S. 113)

2. Musik im Spannungsfeld zwischen Medien und Wirtschaft

Sobald Musik von den Massenmedien transportiert wird, ist sie stets eingebettet

in ein von ökonomischen Aspekten determiniertes Umfeld; in diesem Fall der

Musikindustrie. Die Massenmedien fungieren in der Musikindustrie als Mittler

zwischen Musikmachern und ihrem Publikum bzw. dem potentiellen

Musikkonsumenten. Denn erst das direkte Hören von Musik schafft die Grundlage

für deren Beurteilung. Diese Beurteilung ist ein wesentliches Kriterium bei der

Kaufentscheidung (vgl. Rejzlik 2001, S. 56-57).

Das Besondere am Musikgeschäft ist, dass Musik hinsichtlich der Massenmedien

zugleich Programminhalt als auch Werbeobjekt ist. Promotion entsteht als

„ungekaufte Werbung“ durch den Einsatz der Musikprodukte im Medienbereich.

Die Industrie hat den Vorteil, dass ihr Produkt durch redaktionellen Einsatz in

Radio, TV, Presse und Internet bekannt gemacht wird. Die Medien haben den

Vorteil, sendefähige Programmbeiträge zu sehr günstigen Kosten (in der Regel

fallen nur Lizenzkosten an) zu erhalten (vgl. Mahlmann S. 136-137).

Die Massenmedien fungieren als Filter, der aus der Vielfalt musikalischer

Produktionen jene herauslöst, die am besten dem wie auch immer antizipierten

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Massengeschmack gerecht werden. Gefragt ist der kleinste gemeinsame Nenner

für den größtmöglichen Markt (vgl. Gebesmair 2001, S. 227).

Durch diese enge Verknüpfung zwischen Medien und Wirtschaft ist die Promotion

mittlerweile zur Hauptaufgabe der Musikindustrie avanciert. Die Vermarktung

von Künstlern, nicht nur in verschiedenen Ländern, sondern auch über mehrere

Medienplattformen hinweg, ist sehr kostspielig und wurde bisher nur von den

international tätigen Majors erfolgreich praktiziert (vgl. Biegmann; Jakob 2008

S. 97-98).

Promotion ist nicht gleich Werbung, sondern es handelt sich hierbei um den

Einsatz von Musikproduktionen in den Medien. Da es sich nicht um offensichtliche

Werbung handelt, ist die Glaubwürdigkeit beim Konsumenten hoch. Promotion

wird der Werbung vorgereiht, da Musikkäufer dazu neigen, Produkte erst zu

kaufen, wenn sie diese bereits aus den Medien kennen. Werbung wird zur

Verstärkung der Promotion zeitlich später eingesetzt. Allerdings stimulieren

Werbung und Promotion nicht nur legale Verkäufe (vgl. Mahlmann 2008 S. 143).

Die Kernaufgabe der Musikindustrie, ihre Künstler in den Medien zu promoten,

ergab sich Ende der 1940er-Jahre, als sich kleine, unabhängige Plattenlabels mit

kleinen, unabhängigen Radiostationen verbanden. Das wiederholte Abspielen von

Musikstücken durch die Radiostationen wurde zum wichtigsten Instrument der

Verkaufsförderung von Tonträgern. Das führte zu einer neuen Machtverteilung

innerhalb der Musikindustrie. Durch Musikvideos und Konzerttourneen wurde der

Tonträgermarkt weiter angekurbelt und die Kosten für die Promotion weiter

gesteigert (vgl. Tschmuck 2003, S. 320).

Seit den 1950er Jahren spricht man von einer symbiotischen Beziehung zwischen

Tonträger- und Radioindustrie. Die Radiostationen sind von der Plattenindustrie

abhängig, da sie mit den Produkten die Hörer an ihre Sender binden, mit denen

wiederum potentielle Werbekunden angelockt werden. Die Plattenindustrie ist

vom Radio abhängig, da es die wichtigste Werbeplattform von Tonträgern

darstellt (vgl. Gebesmair 2008, S. 154).

Durch die hohe Kostenintensität (die Rate von Erfolgen zu Flops steht 1:10)

konzentriert sich der Markt auf einige große Player, genannt Majors, die

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wiederum nur ein Teil von internationalen Medienkonglomeraten sind, um die

ganze Wertschöpfungskette zu integrieren (vgl. Steinauß; Gmelin; Günnel 2008

S. 31).

Abbildung 2: Die Wertschöpfungskette der Musikindustrie

Die heutigen 4 Majors (Universal, Warner, EMI, SONY-BMG) teilen sich den

Tonträgermarkt mit den unabhängigen, kleinen Independent-Labels. Im globalen

Maßstab stehen die Majors für mehr als 70 Prozent des Weltmarktes. Noch

stärker als die wertmäßige Dominanz ist die überwiegende Präsenz der Majors

bei der strategisch wichtigen Airtime (Sendezeit) im Radio. Die Bedeutung dieser

Kenngröße ist darin begründet, dass bei mehr al 75 Prozent aller CD-Käufe die

Kaufentscheidung durch das Hören von bestimmten Titeln im Radio beeinflußt

ist. Der Versuch, diese Airtime für das eigene Label auszubauen, resultiert teils in

der Anwendung illegaler Methoden – genannt Payola („pay for play“) (vgl.

Steinkrauß; Gmelin; Günnel 2008, S. 31).

Im Zeitalter der Globalisierung zielen die Strategien der Musik- und

Medienkonzerne auf die weltweite Vermarktung einiger weniger, mit riesigem

Aufwand produzierter und promoteter Megaacts ab. Insofern tendieren die

Massenkommunikationsmittel dazu, einen relativ engen Massengeschmack, der

auf Superstars und Megaacts gerichtet ist, zu „produzieren“. Das Geschäft ist Hit-

getrieben und dominiert von Personen-Marken. Die Musikindustrie und die

Medien konzentrieren sich auf kurzfristige Erfolge, wenige Superstars und

Vermarktungsformate wie „Starmania“ in Österreich oder „Deutschland sucht den

Superstar“ in Deutschland.

Dabei wird aber die Symbiose zwischen Radio- und Tonträgerindustrie gefährdet.

Die Tonträgerindustrie beklagt, dass die Sender ihre Playlisten (Listen der in

jeder Woche zum Einsatz kommenden Musiktitel) zu sehr einschränken und sich

Kunde

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Tschmuck 2003 S. 305-326

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in ihren Formaten angleichen und daher kaum noch als Werbeplattform für neue

Musikproduktionen von Nutzen sind (vgl. Gebesmair 2008, S. 153).

Mittlerweile führt die aufwendige Promotiontätigkeit aber trotzdem dazu, dass ein

großer Teil der Kosten eines Labels auf Marketing- und Promotionkosten (23

Prozent) zurückzuführen sind. Den kleinsten Anteil in der Kostenstruktur der

Majors mit 2 Prozent macht der Bereich Artist & Repertoire, dessen Aufgabe das

Entdecken und der Aufbau von Künstlern ist, aus. Diese geringen Ausgaben

spiegeln die mangelnde Produktpolitik wider, aber auch die wachsende

Unzufriedenheit der Kunden, welche sich in sinkenden Absatzzahlen ausdrückt

(vgl. Jakob 2008 S.78).

Die immer größer und komplexer werdenden Systeme der Medienkonglomerate,

sind von subjektiver Einschätzung oder Intuition im Entscheidungsprozess rund

um Musikproduktionen vollkommen entkoppelt und Neuerscheinungen hängen

von Marktforschungsdaten ab. Werber und andere Investoren erwarten eine

hohe Planungssicherheit, deren Erfolg sich in Quoten ausdrückt. Gemessen wird

aber nur die Quantität und nicht die Qualität. Doch das System Quote ist ebenso

bedroht wie das Geschäftsmodell der Musikwirtschaft. Die gesamte

Kommunikationsindustrie befindet sich in einer Phase revolutionärer Erneuerung.

Die digitale Technologie verändert sämtliche Medienformate, denn sie bietet

Raum für zig neue Kanäle und vor allem die Einbeziehung des Konsumenten (vgl.

Renner 2004, S. 211-215).

„Das alte Modell „ein Sender – viele Empfänger“ ist aufgehoben. Der

Konsument emanzipiert sich, ist in Form von Internetforen und Weblogs

selbst längst der Sender. Das neue Modell „viele Sender – viele

Empfänger“ inflationiert die Währung Quote.“ (Renner 2004, S. 215)

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III. Web 2.0

Die starke Präsenz des Wortes „Web 2.0“ im derzeitigen medialen Geschehen ist

kaum zu übersehen. „Web 2.0“ als populäres, mediales Schlagwort bezeichnet

das Netz in seiner derzeitigen Erscheinungsform. In Anlehnung daran tauchen

eine Vielzahl an Begriffen auf, wie etwa „Education 2.0“5 oder „Music 2.0“6.

Durch die Verwendung von Versionsnummern (2.0), welche in der

Softwareherstellung üblich sind, impliziert der Begriff Web 2.0 eine

Weiterentwicklung. Es wird somit suggeriert, dass das bisherige Internet oder

„Web 1.0“ nicht ganz optimal war und, dass sich etwas Gravierendes geändert

hat (vgl. Alby 2007, S. 17-19). Trügerisch erweist sich der Begriff in zweierlei

Hinsicht: Erstens gibt es keinen genauen Zeitpunkt der Entstehung des Web 2.0

und zweitens befindet sich das Web 2.0 in einer ständigen Erneuerung und

Weiterentwicklung ohne dass man sich eine neue Version zulegen muss.

1. Vom Internet zum Web 2.0

Ermöglicht wurde diese Erweiterung vor allem durch die technischen

Weiterentwicklungen des letzten Jahrzehnts. In den 1990er-Jahren des letzten

Jahrhunderts war es anfangs unmöglich, große Datenmengen zu bewegen, da

über Telefonleitungen nur ein gewisses Datenvolumen (z.B.: 56 KB/s Modem)

transportiert werden konnte. Gleichzeitig war man telefonisch nicht erreichbar.

Dargestellt wurden hauptsächlich textbasierte Inhalte, um den Ladevorgang zu

minimieren.

Dies veränderte sich zwar mit der Einführung von ISDN–Leitungen Musikdateien,

Videos oder andere speicherintensive Inhalte anzuzeigen/abzuspielen war jedoch

zeitaufwendig und daher auch wenig attraktiv bzw. noch immer relativ teuer.

Erst die flächendeckende Einführung von leistbaren Breitbandanschlüssen bot die

Grundvoraussetzung für eine größere Bevölkerungsbeteiligung. Pauschaltarife für

5 http://hubpages.com/hub/Education20 Abruf am 31.08.2008 6 http://www.music20book.com/ Abruf am 31.08.2008

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Internetverbindungen, sogenannten Flatrates, bieten unbegrenzten Austausch

von Dateien aus und ins Internet. Auch der Aufbau von im WWW angezeigten

Seiten hat sich durch Anwendungen wie „Java Skript“ grundlegend geändert:

Seiten werden nicht jedes Mal neu aufgebaut, sondern nur Teilinhalte neu

geladen.

Durch die nun günstige Möglichkeit der Übertragung von datenintensiven

Inhalten, wie Musikstücke, und einer neuen Generation von Internetnutzern,

welche schon mit Computern aufgewachsen ist, steigt die Anzahl der

Internetnutzer (vgl. Berge; Bueschnig 2008, S. 24).

Begriffsentstehung

Der Begriff Web 2.0 wird Dale Dougherty (O’Reilly Media) und Craig Cline

(MediaLive) zugeschrieben, die 2004 eine Konferenz namens „Web 2.0

Conference“7 abhielten (vgl. Szugat 2006, S. 14-15). Es ging darum, die

Prinzipien zu identifizieren, welche die Firmen teilen, die den Crash der New

Economy überlebt haben und heute erfolgreich sind. O´Reilly formulierte in

seinem Initialbeitrag zum Web 2.0 diese 7 Prinzipien (Für das Folgende vgl.

O´Reilly 2005):

1. The Web as Platform – das Web ist definiert als zentrale Informations- und

Kommunikationsplattform, die das Erzeugen von Anwendungen und

Inhalten ermöglicht, die auf Basis offener Standards und Protokolle

untereinander integrierbar und miteinander vernetzbar sind.

2. Harnessing Collective Intellegence – Darunter versteht O´Reilly, dass die

Kumulation von Information in Gruppen oft zu besseren Aussagen und

Entscheidungen führen kann als die, die ein Einzelner treffen kann. Dies

wird auch als „Wisdom oft the Crowds“ (Gruppen- und kollektive

Intelligenz) bezeichnet.

3. Data ist the next Intel Inside – Die Kumulation, Aggregation und

Vernetzung von Informationen bzw. Daten ist wesentlicher als die

Funktionalitäten einer Anwendung. Daraus können im Sinne des Prinzips

7 www.web2con.com

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der Grundintelligenz marktbeherrschende Positionen aufgrund von

Netzwerkeffekten entstehen.

4. End oft the Software Release Cycle – Web 2.0-Anwendungen bzw.

webbasierte Dienste stellen keine kommerzielle Standardsoftware dar.

Dienstleistungen (Integration von „Mashups“ in andere

Internetanwendungen) sind von größerer Wichtigkeit als Softwareprodukte

nach definierten Release-Zyklen. Die Softwareentwicklung bezieht nun

auch die Nutzer mit ein.

5. Lightweight-Programming-Models – Einfache und flexibel änderbare IT-

Architekturen und Entwicklungsframeworks sind aufgrund des zuvor

beschriebenen Prinzips im Zuge laufender Veränderungsprozesse

unabdingbar.

6. Software Above the Level of Single Device – Resultierend aus der

Konvergenz von Kommunikationsmedien sollten nicht nur PCs sondern

auch mobile Endgeräte Web 2.0 Anwendungen unterstützen. Die Software

soll die Grenzen einzelner Geräte überschreiten.

7. Rich User Experience – Anwendungen sollten benutzerfreundlich ähnlich

Desktop-Anwendungen sein und zusätzlich ergonomische Merkmale (Drag

& Drop) beinhalten.

Eineinhalb Jahre später hat sich der Begriff Web 2.0 durchgesetzt, Google findet

hierzu inzwischen 75,5 Millionen Treffer (Stand: 8.11.2008). Aber es existiert

immer noch große Uneinigkeit darüber, was Web 2.0 nun genau bedeutet. Einige

halten es für ein bedeutungsloses Schlagwort aus dem Marketing, andere

akzeptieren es als neue allgemeingültige Beschreibung eines Phänomens.

Die Mindmap von Markus Angermeier auf der Hompage http://nerdweb.com

visualisiert die vielschichtigen Verstrickungen und Prinzipien des Web 2.0.

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Abbildung 3: Der Begriff Web 2.0

Quelle: http://nerdwideweb.com/web20/index.html#web20en, 12.06.2008

Begriffsdefinition und Kritik

Die Dehnbarkeit des Begriffs Web 2.0 führt zu heftigen Diskussionen und die

Definition von Tim O’Reilly ist weitgehend umstritten (vgl. Niedermaier 2008, S.

60).

Kritik am Begriff Web 2.0 kommt unter anderem auch vom „Begründer des World

Wide Web“, Tim Berners–Lee:

„Web 1.0 was all about connecting people. It was an interactive space, and

I think Web 2.0 is of course a piece of jargon, nobody even knows what it

means. If Web 2.0 for you is blogs and wikis, then that is people to

people. But that was what the Web was supposed to be all along“8.

Berners-Lee zufolge war das WWW von Beginn an als Kommunikationsmittel

zwischen Menschen gedacht – dies bedeutet für ihn keine besondere Erneuerung.

Anwendungen, die durch den Begriff Web 2.0 zusammengefasst sind, beruhen im

Grunde nicht auf neuen Ideen, sondern auf der Möglichkeit höherer

Datenübertragung für eine immer größer werdende Teilnehmeranzahl (vgl.

Kienitz 2007, S. 15 und vgl. Alby 2007, S. 2).

8 Berners-Lee, Tim (28.07.2006). Interview. URL: http://www-128.ibm.com/developerworks/podcast/dwi/cm-int082206.txt Abruf am 12.09.2008

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In dieser Arbeit wird das Web 2.0, in Anlehnung an Tim O’Reillys Definition, als

eine Plattform der kollektiven Intelligenz, welche Software über Gerätgrenzen

hinweg bereitstellt (Software wird nicht vom Rechner aus gestartet, sondern ist

als Web-Anwendung vom Browser aus zu bedienen), verstanden. Es werden

damit vor allem dynamische Webseiten, deren Inhalt benutzergeneriert ist

assoziiert. Der Nutzer avanciert somit vom passiven Empfänger zum aktiven

Produzenten, seine Gewohnheiten werden sich nachhaltig verändern (vgl. Kienitz

2007, S. 14).

Aktivität im Web 2.0

„Das Web 2.0 umfasst Internet-Anwendungen und –Plattformen, die die

Nutzer aktiv in die Wertschöpfung integrieren – sei es durch eigene

Inhalte, Kommentare, Tags oder auch nur durch ihre virtuelle Präsenz.

Wesentliche Merkmale sind somit Interaktivität, Dezentralität und

Dynamik. Zugleich wird jedoch durch gemeinsame Standards und

Konventionen die Interoperabilität sichergestellt und damit die

Zusammenarbeit räumlich und zeitlich verteilter Nutzer überhaupt erst

möglich.“ (Hass, Walsh, Kilian 2008, S. 7)

2. Social Software

Social Software wird als Schlagwort für verschiedene Anwendungen und

Entwicklungen dem Begriff Web 2.0 zugeordnet oder mit diesem sogar

gleichgesetzt (vgl. Richter; Koch 2007, S. 7).

Ebenso wie der Begriff Web 2.0 ist auch der Begriff Social Software nicht genau

definiert. In dem viel zitierten Web 2.0-Artikel Tim O´Reillys taucht lediglich der

Begriff Social Networks auf, und im amerikanischen Wikipedia-Eintrag werden

Social Networks als Unterkategorie der Social Software angesehen. Der Begriff

Social Software selbst wird in der Regel für Systeme genutzt, mit denen

Menschen kommunizieren, zusammenarbeiten oder auf irgendeine andere Art

interagieren können (vgl. Alby 2007, S. 89).

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Das breite Spektrum von Social Software-Anwendungen lässt sich auf

verschiedene Weise strukturieren. Schmidt (2006, S. 41) führt zur

Strukturierung beispielsweise drei Basis- Funktionen des Einsatzes von Social

Software an:

• Informationsmanagement: Ermöglichung des Findens, Bewertens und

Verwaltens von (online verfügbarer) Information

• Identitätsmanagement: Ermöglichung der Darstellung von Aspekten seiner

selbst im Internet

• Beziehungsmanagement: Ermöglichung Kontakte abzubilden, zu pflegen

und neu zu knüpfen

Von Alby (2007, S. 90) wird der Begriff mit der Bestimmung, dass Social

Software den Aufbau und das Selbstmanagement einer Community fördern und

unterstützen muss, eingegrenzt. Eine solche Software sollte es der Community

außerdem erlauben sich selbst zu regulieren.

In der Praxis bietet Social Software ihren Nutzern eine Vielzahl von Funktionen

zur Unterstützung von Zusammenarbeit. So können diese beispielsweise im

Rahmen von Kontaktnetzwerken ihre Freundschaften pflegen, durch Nutzung von

Foren Wissen austauschen und es bieten sich ihnen die Möglichkeiten, ihre

Informationen zu ordnen und diese Ordnung anderen Nutzern zugänglich zu

machen (vgl. Richter; Koch 2007, S. 8).

Diese Beispiele machen deutlich, dass der Begriff Social Software in gewisser

Weise irreführend ist: Nicht die Software an sich ist sozial, sondern diese Qualität

entsteht erst im gemeinsamen, sinnhaft auf andere bezogenen Gebrauch einer

spezifischen Anwendung (vgl. Schmidt 2006, S. 40).

Social Software stellt den Menschen und sein Bedürfnis nach Beziehungen in den

Vordergrund. Der Wunsch, mit anderen Menschen über eigene Meinungen,

Erfahrungen und Erkenntnisse zu kommunizieren, gehört gemäß der

Maslowschen Bedürfnispyramide zu den Grundbedürfnissen jedes Menschen

(Soziale Bedürfnisse). Social Software wird diesem Anliegen gerecht, indem sie

die zwischenmenschliche Kommunikation über das Netz verbessert.

Gleichermaßen kann Social Software als Instrument zur Selbstverwirklichung

(Bedürfnis nach Selbstverwirklichung) dienen und zur sozialen Anerkennung

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(Ich-Bedürfnisse) beitragen – zwei weitere Grundbedürfnisse aus der

Maslowschen Bedürfnispyramide (vgl. Szugat 2006, S. 108 und Kasper 1996, S.

233).

Die Wichtigkeit von Social Software-Programmen zeigt sich in der steigenden

Bedeutung von Online-Angeboten, die betont interaktiv und partizipativ

ausgerichtet sind, indem sie Usern erlauben kostenlos Material bereitzustellen.

Beispielsweise ist Wikipedia zum Standard-Nachschlagewerk geworden und auf

YouTube werden täglich über 100 Millionen Filmsequenzen angesehen (vgl.

Niedermaier 2008, S. 60-61).

Innovation und Integration

Eine Besonderheit der Social Software-Anwendungen ist die starke Rückkopplung

des Innovationsprozesses: Viele Programme befinden sich in einem Stadium des

„perpetual beta“, werden also gemeinsam mit den Nutzern (weiter-)entwickelt.

Innovationen in diesem Bereich werden dadurch unterstützt, dass viele

Entwickler die Schnittstellen ihrer Programme offen legen, um die Kombination

mit anderen Anwendungen zu ermöglichen, oder das gesamte Programm als

Open-Source-Projekt entwickeln, das für Modifikationen und Weiterentwicklungen

durch andere zur Verfügung steht.

Kombination erfolgt im Bereich der Social Software auch durch die Integration

verschiedener einzelner Anwendungstypen. So existieren beispielsweise Dienste,

die Funktionalitäten von Weblogs und Kontaktplattformen miteinander

verbinden: Die Nutzer von MySpace können andere Nutzer als ihre Freunde

deklarieren und Weblog-Einträge verfassen, denen sie unterschiedliche

Sichtbarkeitslevel zuweisen.

Aufgrund dieses spezifischen Zusammenspiels von Nutzungspraktiken und

technischen Innovationen ist das Feld der Social Software hoch dynamisch; seine

Anwendungen befinden sich in unterschiedlichen Stadien der Institutionalisierung

(vgl. Schmidt 2006, S. 6).

Bevor im Folgenden konkret auf die unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten

und Nutzenpotentiale von Social Software eingegangen wird, soll hier bereits ein

Überblick über die Systemgruppen vorgestellt werden.

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Abbildung 4: Systemgruppen von Social Software

Quelle: Eigene Darstellung nach Schmidt 2006

2.1. Weblogs

In den Anfängen des Internets konnte man sich über private Homepages oder

über moderierte Foren im Internet mitteilen. Auf Foren konnte diskutiert,

bewertet und geurteilt werden. Auf Homepages wurden eigene Inhalte

dargestellt. Diese Publikationsmöglichkeit war aber nicht für eine schnelle

Änderung ausgelegt. Abgesehen davon, dass man HTML erlernen musste,

verfügten nur wenige über die Möglichkeit HTML-Dateien direkt über ein

Terminalfenster auf einen Internetserver zu verändern.

Erst mit den aktuellen Blog-Systemen wurde das Erstellen von Dokumenten

vereinfacht. Die Barriere, selber zu publizieren, ist gefallen (vgl. Alby 2007, S.

25-26).

Ein Weblog (auch kurz Blog genannt) ist eine Webseite mit rückwärts

chronologisch sortierten Beiträgen (meist Texte und Bilder, in wachsenden Maße

auch andere multimediale Inhalte wie Ton- oder Videodokumente), beginnend

mit dem aktuellsten Beitrag auf der Startseite dem ältere Beiträge folgen.

Informations-

management

Wikis

Social Tagging

Weblogs

Social Networking

Beziehungs-

management

Identitäts-

management

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Der Begriff „Weblog“ setzt sich zusammen aus dem Begriff „web“ und „log“

(Protokoll oder Logbuch). Ein Blog ähnelt in gewisser Weise einem Tagebuch

oder Journal, nur, das es im WWW veröffentlicht wird. Die Gesamtheit aller

Websites wird Blogosphäre genannt (vgl. Alby 2007, S. 21).

Um Beiträge (Posts) zu veröffentlichen bedarf es keiner Kenntnis einer

Programmier- oder Auszeichnungssprache. Stattdessen kann der Blogger seinen

Artikel nach dem WYSIWYG (What you see is what you get)-Prinzip ebenso

einfach publizieren, wie er einen Text in einem Textverarbeitungsprogramm

schreiben kann (vgl. Richter; Koch 2007, S. 14).

Ein Blog ist aber mehr als ein im Internet geführtes Tagebuch. Die meisten Blogs

bieten neben den Inhalten zusätzliche Funktionen, über welche die meisten

„normalen“ Webseiten nicht verfügen. So ist es in vielen Blogs möglich, dass die

Leser des Blogs Beiträge kommentieren. Partizipation ist hier das Stichwort: die

Leser sollen nicht einfach nur lesen, sondern sie sollen teilnehmen, den Autor auf

Schwachstellen hinweisen und weitere Aspekte des Themas aufgreifen.

Kritiker meinen, dass Blogs nichts anderes als Foren seien, nur dass sich die

Forumsteilnehmer auf viele Blogs verteilen. Der Unterschied zu einem Forum ist

aber, dass nicht jeder Besucher eine neue Diskussion starten kann, da der

Originalbeitrag der Ausgangspunkt jeder Diskussion ist. Weiters ist die

Persönlichkeit des Bloggers stilbestimmend (vgl. Alby 2007, S. 21).

Trackback, Permalink und Blogroll

Eine auf klassischen Webseiten nicht vorhandene Funktion ist der Trackback.

Diese Funktion informiert eine Blog-Software, wenn auf einen Eintrag des Blogs

in einem anderen Blog Bezug genommen wird. Trackbacks sind den

Kommentaren nicht nur ähnlich, weil sie oft wie die Kommentare unter dem

Originaltext mit einem Textauszug des Bezug nehmenden Blogs vermerkt

werden. Vielmehr stellt der Trackback auch inhaltlich einen Kommentar dar, auch

wenn dieser in einem anderen Blog veröffentlicht wird (vgl. Alby 2007, S. 22-

23).

Eine weitere, neue Funktion sind Permalinks; darunter wird die Webadresse

verstanden, unter der ein einzelner Eintrag permanent aufgerufen werden kann.

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Jeder Eintrag erhält seine eigene Adresse. So können einzelne Beiträge leicht

weiterempfohlen werden. Trackbacks und Permalinks haben zu einer guten

Vernetzung untereinander verholfen, sodass sich neue Themen schnell

ausbreiten können. Durch derartige Verlinkungen können zwischen den Blogs

thematische Bezüge hergestellt werden und Themencluster entstehen. Zusätzlich

kann der Blogger durch eine Blogroll (eine Liste mit Links) auf eigene Quellen

und andere, seiner Meinung nach lesenswerte Blogs hinweisen und damit

zusätzlich zur gegenseitigen Vernetzung beitragen. Ein Link auf der Blogroll

drückt also in der Regel eine, von einem spezifischen Beitrag unabhängige,

generelle Empfehlung eines Blogs aus (vgl. Schmidt 2006, S. 41).

RSS-Feed

Für einen interessierten Blogger bedeutet es einen nicht unerheblichen Aufwand

bei der Vielzahl an angebotenen Informationen interessante Neuerscheinungen

zusammenzutragen. Denn auch wenn der Nutzer die Weblogs kennt, die er

verfolgen möchte, dann muss er diese immer noch regelmäßig („von Hand“)

aufrufen und prüfen, ob es neue Einträge gibt. Hier greift das XML18-basierte

Syndizierungsverfahren RSS ein. Dabei handelt es sich um eine Technik, die es

dem Nutzer ermöglicht, die Inhalte einer Webseite – oder Teile davon – zu

abonnieren oder in andere Webseiten zu integrieren. Die benötigten

Informationen werden von den jeweiligen Webseiten automatisch in Form eines

„RSS-Feeds“ (d.h. durch die Bereitstellung der Daten im RSS-Format) abgerufen.

So kann ein User durch die Nutzung von Feedreadern (z.B. Online- RSS-Reader,

Browser, Mail-Programme) auf jeweils neu erschienene Artikel eines Weblogs

oder eines Newsdienstes zugreifen ohne jede Website extra aufrufen zu müssen

(News-Aggregation). Zusätzlich stehen ihm stets die aktuellsten Informationen

zur Verfügung. Dabei ist ein RSS-Abonnement nicht auf reine Text-Inhalte

beschränkt. Auch Audio- oder Video-Inhalte (Podcasting) können via RSS

abonniert werden. Somit bildet RSS eine Grundlage zur Verbesserung der

„Awareness“, da die Nutzer schnell und einfach über aktuelle Ereignisse „auf dem

Laufenden“ gehalten werden (vgl. Richter; Koch 2007, S. 15-16).

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Blogs und die traditionellen Medien

In Europa genießen Blogs noch nicht die Popularität wie in Amerika, dennoch

nehmen sie in mehrerer Hinsicht Einfluss auf die traditionellen Medien. Zum

Beispiel lesen Journalisten Blogs, um sich Neuigkeiten und Informationen für

eigene Berichte zu besorgen. Blogging-Software ist zum großen Teil mit

suchmaschinenfreundlichen Funktionalitäten ausgestattet, wodurch Blogs oft auf

Suchergebnisseiten höher gelistet sind als die Webseiten der anderen Medien.

Gleichzeitig stehen den traditionellen Medien nicht mehr Möglichkeiten zur

Verfügung als den Bloggern, sie haben nicht mehr Platz im Browser-Fenster und

ihre Seiten laden auch nicht schneller. Der entscheidende Vorteil ist aber die

aktuelle Berichterstattung in Bezug auf lokale oder sehr spezielle Themen.

Im Zusammenhang mit der Blogosphäre wird auch vom „Triumph der Amateure“

gesprochen und die Qualität der Berichterstattung kritisiert. Ein Beispiel, welches

der Kritik entspricht, handelt von einem Video der Band „Grup Tekkan“, das von

Matthias Oborski 2006 entdeckt und auf seinen Blog gestellt wurde. In diesem

Videoclip rappen die drei Jugendlichen „in sagenhaft ungelenk nachgeahmter

Hip-Hop-Pose und radebrechenden Deutsch“ ein Liebeslied. Durch eine schnelle

Verlinkung des Videos in der Blogosphäre wurde das Video innerhalb von Tagen

vier Millionen Mal allein auf YouTube angesehen. Fasziniert von der Faszination

der Massen griffen die professionellen Medien das Musikstück und die Darsteller

auf, gipfelnd in einem Auftritt bei Stefan Raabs Sendung „TV-Total“ und einer

CD-Veröffentlichung wenige Tage später (vgl. Friebe; Lobo 2006, S. 188-189).

Podcast oder AudioBlogs

Ein Podcast ist eine Art Radiosendung, die in den meisten Fällen kostenlos im

Internet veröffentlicht wird. Jeder kann einen Podcast erstellen und publizieren.

Podcasts werden oft als AudioBlogs (Blogs welche Audiodateien beinhalten)

bezeichnet, wobei die Abgrenzung nicht genau definiert ist.

Podcasting ist eine Zusammensetzung aus dem Namen des populären MP3-

Players „iPod“ von Apple und dem englischen Wort „Broadcasting“ (Sendung,

Übertragung). Podcasts können wie Blogbeiträge über RSS-Feeds abonniert

werden, sodass Neuigkeiten automatisch aus dem Web geladen werden (vgl.

Alby 2007, S. 73).

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2.2. Wikis

Wikis sind Anwendungen, die das gemeinsame und (in der Regel)

gleichberechtigte Editieren von Textdokumenten im Internet unterstützen; durch

ein System der Versionskontrolle können Änderungen am Text von allen Nutzern

nachverfolgt und gegebenenfalls ergänzt oder rückgängig gemacht werden. Das

wohl bekannteste Wiki ist die Online-Enzyklopädie „Wikipedia“; darüber hinaus

kommen Wikis vor allem im Bereich der Projektdokumentation und des

Informationsmanagements zum Einsatz (vgl. Schmidt 2006, S. 39).

Die wesentliche Stärke eines Wikis ist der geringe Editieraufwand, da die Seiten

von jedem Besucher ohne besonderen Aufwand innerhalb von Sekunden

veränderbar und kommentierbar sind. Daher auch der Name, denn „wiki wiki“ ist

hawaiianisch für schnell. Die einzelnen Seiten und Artikel eines Wikis sind durch

(interne) Links miteinander verbunden, so dass Schlagwörter gegebenenfalls

schnell weiter recherchiert werden können.

Die Einfachheit der Nutzung liegt darin, dass der Text einer Wiki-Seite eigentlich

ohne Kenntnis von Auszeichnungssprachen wie HTML erstellt oder geändert

werden kann. Grundsätzlich genügt reiner Text. Um den Text lesbarer und

gegliedert zu gestalten, können zusätzlich Zeichenkombinationen verwendet

werden, die dem eingeschlossenen Text eine Formatvorlage zuweisen oder

Verweise definieren. Die Gesamtheit dieser Zeichenkombinationen wird als Wiki-

Syntax bezeichnet und unterscheidet sich je nach verwendeter Wiki-Software.

Allen Dialekten ist jedoch zu eigen, dass sie sehr viel einfacher aufgebaut sind als

HTML. Diese Beschränkung auf das Wesentliche ermöglicht einer großen Gruppe

von Menschen mit wenig Lern- und Schreibaufwand an diesem System

teilzuhaben (vgl. Richter; Koch 2007, S. 19).

Die Entscheidung, welche Personen zu einem Wiki beitragen können, ist von

besonderer Bedeutung für die Qualitätskontrolle der Texte. Bei Wikis mit großer

Nutzerbasis - exemplarisch zeigt dies Wikipedia - kann die Kontrolle der Qualität

von gemeinsam erstellten Texten durch Prinzipien der Selbstorganisation erreicht

werden: Bei kleineren Gruppen kann es sinnvoll sein, zusätzliche Maßnahmen der

Moderation zu etablieren. Spezifische Funktionen der Software, beispielsweise die

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Versionsgeschichte (die den Vergleich verschiedener Fassungen eines Dokuments

erlaubt), unterstützen die Zusammenarbeit und machen es möglich,

Fehlinformationen auch wieder zu korrigieren. Im Vergleich zu Weblogs tritt der

Aspekt des Identitätsmanagements, also der Präsentation einer individuellen

Persönlichkeit, bei Wikis in den Hintergrund (vgl. Schmidt 2006, S. 44-46).

2.3. Social Tagging

Inhalte mit beschreibenden Wörtern, so genannten Tags, zu markieren, ist eine

gängige Methode, Inhalte für zukünftige Navigation zu organisieren, zu filtern

oder zu suchen. Gemeinschaftliches Indexieren ist am sinnvollsten, wenn die

Menge an Inhalt zu groß ist, um zentral klassifiziert zu werden. Im Gegensatz zu

hierarchischen Systemen - Begriffe ausschließende Taxonomien - schließen

tagging-basierte Systeme die Gesamtheit aller Begriffe ein. Grundlegendes Ziel

des Taggens ist das Management von Wissen.

Der Prozess des Wissensmanagements beinhaltet grundsätzlich das

Kategorisieren und Bezeichnen von Inhalten, die schließlich in Sinnbildung

resultieren. Wissensgenerierung wird jedoch zusätzlich durch soziale Faktoren

beeinflusst: Der Austausch von Erfahrungen mit anderen macht diese nahezu

allgemeingültig in einer bestimmten Kultur oder Gruppe, wodurch sich ähnliche

Methoden des Organisierens und Managen von Wissen entwickeln. Gesellschaften

sind in diesem Zusammenhang in der Lage, kollektiv Wissen zu organisieren und

Aktivitäten zu koordinieren. Das Social Web ist infolgedessen als „sozial“

definiert, da nicht nur der Einzelne seine Bookmarks einsehen kann, sondern die

Gesamtheit der Benutzer. Sehr oft wird auf tagging basierten Seiten auf kürzlich

hinzugefügte Inhalte und Tags referenziert, die zusätzlich darauf verweisen wer

diese erstellt hat und wie viele weitere Personen diese gemeinsam haben. Auch

Kategorien wie „most popular“ URLs bzw. Verlinkungen zu Benutzern mit

ähnlichen Interessen werden angeboten (vgl. Golder; Huberman 2008, S. 1-3).

User können sich somit mit Leichtigkeit zwischen Objekten, Autoren, Tags und

Indizes bewegen. Wenn eine große Anzahl an Personen sich innerhalb sozialer

Software beteiligen, können Möglichkeiten entstehen, die das Benutzerverhalten

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in der Weise verändern, dass Taggen zu neuen Organisations- und

Navigationssystemen führen (vgl. Morville; Rosenfeld 2006, S. 77).

Während es bei den Webverzeichnissen nahe liegt, die Kategorien und Items

ganz einfach etwa anhand von Eindrücken oder Hierarchiebäumen visuell

darzustellen, erfordert dies bei einer scheinbar chaotischen Ansammlung von

Begriffen wesentlich mehr Kreativität. Die bisher gängigste Methode sind die

sogenannten „Tagclouds“. Diese sind ein typisches visuelles Merkmal von

Web 2.0-Anwendungen. Man versteht darunter eine Zusammenstellung von

Tags, die einem Objekt verliehen wurde. Die Logik dahinter ist ziemlich intuitiv:

Je häufiger ein Tag unter sämtlichen Schlagworten vorkommt, desto höher ist

sein Gewicht für den gesamten Webauftritt. Fügt man dann sämtliche Tags als

Link (meist alphabetisch) in einer Liste zusammen, sieht man sofort, welche

Schlagworte am häufigsten verwendet werden: Je höher die Gewichtung des

Wortes, desto dichter oder farbiger erscheint es in der „Wolke“ (vgl. Ebersbach;

Glaser; Heigl 2008, S. 130).

Abbildung 5: Tagcloud von Last.fm über den Musikers Beck

Quelle: Last.fm; http://www.lastfm.de/music/Beck/+tags

Ein zusätzlicher Zweck der Tagclouds ist die inhärente Drill-Down-Funktion, die

es den Usern erlaubt sich weitere Interpreten anzeigen zu lassen, die ebenfalls

durch Benutzer zur selben Kategorie hinzugefügt wurden (vgl. Cripe 2007, S. 7).

Die Grundidee von „Social Software“ liegt in der Selbstorganisation der Benutzer.

Unter Sozialer Software werden Anwendungssysteme, die aufgrund neuer

Entwicklungen im Bereich der Internettechnologie und Nutzung von Netzwerk-

und Skaleneffekten indirekte und direkte zwischenmenschliche Interaktion auf

breiter Basis ermöglichen und deren Beziehung im WWW abbilden und

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unterstützen. Lediglich wenige Konventionen regeln das gemeinsame Handeln

auf diesen Plattformen. Die Nutzung der Dienste wird für die Benutzer so einfach

wie möglich gestaltet und bietet für den Einzelnen wie auch für die Gruppe

möglichst großen Nutzen (vgl. Richter; Koch 2007, S. 4).

2.3.1. Folxonomies

In den Anfangszeiten des WWW waren Verzeichnisse von Webseiten

unverzichtbar um sich im Netz zurechtzufinden. Zum einen standen die Web-

Suchmaschinen zu dieser Zeit ganz am Anfang, zum anderen kannten Benutzer

Verzeichnisse wie die Gelben Seiten schon aus der Offline-Welt und konnten ihr

Wissen schnell auf die Online-Welt übertragen. So war „Yahoo!“ zunächst nichts

anderes als eine Sammlung von Bookmarks, aus der ein Verzeichnis von

Webseiten wurde (vgl. Alby 2007, S. 115).

Die Einordnung von Webseiten in ein Verzeichnis geschieht anhand eines

festgelegten hierarchisierten Klassifikationsschemas, einer sogenannten

Taxonomie. Eine Fußballseite gehört in die Kategorie Fußball, die in der Kategorie

Sport zu finden ist. Menschen kategorisieren jedoch sehr unterschiedlich aus

ihrer eigenen subjektiven Perspektive (vgl. Alby 2007, S. 115-116).

Das Wort „Folxonomy” ist eine Zusammensetzung der Wörter „Folk” (Englisch für

Menschen, Leute) und „Taxonomy”. Im Gegensatz zu einer Taxonomie

klassifizieren die Benutzer Objekte wie Bookmarks oder Fotos selbst, indem sie

sie mit sogenannten Tags versehen. Ein Tag ist ein Schlagwort oder mehrere

beschreibende Begriffe für ein Objekt.

Der Vorgang des Annotierens bringt den Nutzern einen Mehrwert, da einerseits

das Auffinden der eigenen Ressourcen erleichtert wird, andererseits es dadurch

leicht möglich wird, ähnliche neue interessante Ressourcen zu finden. Im

Gegensatz zu herkömmlichen Suchmaschinen funktioniert dies für Textinhalte

gleichermaßen gut wie für Bilder, Videos oder andere nichttextuelle Inhalte (vgl.

Jäschke 2006, S. 1)

Die populärsten Web 2.0-Dienste werden von den Usern nicht nur dazu genutzt

um Inhalte zu produzieren, sondern auch um den Content zu erschließen. Da

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manche Autoren ihre Dokumente wechselseitig korrigieren bzw. fortschreiben,

spricht man in diesem Zusammenhang von „kollektiver Intelligenz“. Hierzu

gehört auch die freie Schlagwortvergabe durch Tags und die Indexierung durch

„Tagging“ (vgl. Peters; Stock 2008, S. 77-78).

Die Zusammenfassung aller, von Usern zugeordneten Tags, wird schließlich als

Folxonomy bezeichnet und ermöglicht über das User-Interface die Suche bzw.

Anzeige über alle Dimensionen. Dem eingeloggten Benutzer werden die von ihm

upgeloadeten Daten samt zugeordneten Tags angezeigt. Ein Klick auf eine

Ressource zeigt diejenigen User, die gleiche Daten eingetragen haben und deren

hinzugefügte Verschlagwortung. Schließlich zeigt ein Klick auf ein Tag jene

Ressourcen, die einem Tag zugeordnet sind (vgl. Priss; Polovina; Hill 2007, S.

284)

Der entscheidende Unterschied zu einer Taxonomie ist, dass keine Kategorien

von irgendeiner Instanz vorgegeben sind; jeder entscheidet selbst, welche Tags

verwendet werden, denn primär geht es darum, dass der Benutzer selbst seine

Daten findet. Gleichzeitig werden die Objekte nicht in einen Kategorienbaum

eingeordnet; im Gegensatz zu einer Taxonomie entsteht bei einer Folxonomy

keine Hierarchie; alles wird auf einer Ebene abgelegt (vgl. Alby 2007, S. 121).

Folxonomies können als schwache Onthologien aufgefasst werden, wobei Tags

durch Benutzer und Ressourcen miteinander verbundene Konzepte darstellen

und Benutzer und Ressourcen als Instanzen der Konzepte betrachtet werden

(vgl. Jäschke 2006, S. 2). Gerade diese spezifischen strukturellen

Netzwerkeigenschaften erklären, warum Folxonomies ihre Mitglieder faszinieren.

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Tabelle 1: Vor- und Nachteile von Folxonomies

Vorteile Nachteile

• Spiegeln die Sprache der Nutzer

authentisch wider

• Fehlendes kontrolliertes Vokabular

• Erlauben verschiedene Interpretationen • Verschiedene Levels der Indexierung

• Sind eine günstige Form der

Inhaltserschließung

• Vermischung von Sprachen

• Sind die einzige Möglichkeit,

Masseninformationen im Web zu

erschließen

• Versteckte paradigmatische Relationen

bleiben ungenutzt

• Sind Termquellen für die Entwicklung

und Pflege von Onthologien und

kontrollierten Vokabularien

• Fehlende Trennung von formalen bzw.

bibliographischen Tags und Aboutness-

Tags

• Geben die Qualitätskontrolle an Nutzer

weiter

• Spam–Tags, nutzerspezifische Tags und

andere uneindeutige Schlagworte

• Erlauben konkretes Suchen und

Browsing

• Verschmelzung von Ofness, Aboutness,

Ikologie und Isness

• Berücksichtigen Neologismen

• Tragen dazu bei, Communities zu

identifizieren

• Geben eine Basis für Recommender-

Systeme

• Sensibilisieren Nutzer für die

Inhaltserschließung

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Peters; Stock 2008 S. 38-39

2.3.2. Recommender-Systeme

Recommender-Systeme sind Hilfsmittel für den einzelnen Nutzer, um Überblick

im Chaos der Vielzahl an Produkten bzw. Objekten im Web zu schaffen. Es

bezeichnet eine Software, deren Aufgabe darin besteht, dem Benutzer auf

Grundlage seiner Präferenzen eine Empfehlung, z.B. für einen Artikel, ein Band

oder einen Song zu geben. Recommender-Systeme sind Verfahren der

Ähnlichkeitsbestimmung zwischen Interessensprofilen einzelner Nutzer. Dazu

benötigt es zum einen die ungefilterten Hintergrunddaten und als weiteren Input

Informationen über den Nutzer. Das Recommender-System ist ein Algorithmus,

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der beide Daten kombiniert und als Ergebnis personalisierte Empfehlungen

generiert (vgl. Mürzl; Riemenschneider 2008, S. 2-3).

Empfehlungssysteme werden vor allem in Applikationen wie Webstores, Online-

Communities oder Music-Player verwendet. Sie berechnen, ob der User ein

spezielles Objekt bevorzugt; oder das System identifiziert eine Reihe von

Objekten, die für den Benutzer interessant sein könnten (vgl. Mortensen 2007,

S. 8).

„Social resource sharing systems are web-based systems that allow users

to upload their resources, and to label them with arbitrary words, so-called

tags. The systems can be distinguished according to what kind of

resources are supported. Flickr, for instance, allows the sharing of photos,

del.icio.us the sharing of bookmarks, CiteULike and Connotea the sharing

of bibliographic references, and Last.fm the sharing of music listening

habits” (Jäschke 2006, S. 1)

„Content-Based“ Filtering und „Collaborative“ Filtering sind zwei unterschiedliche

Algorithmen, die in diesem Zusammenhang verwendet werden.

Content-based Filtering

Content-Based Filtering (CBF) analysiert die Ähnlichkeiten von Objekten (z.B.

Dokumenten), indem das System bestimmte Parameter bzw. Eigenschaften

misst und diese mit Eigenschaften weiterer Elemente vergleicht. Dem Anwender

werden, z. B. wenn er ein Dokument über ein bestimmtes Thema gelesen hat,

weitere Dokumente diesbezüglich angeboten (vgl. Heymann 2004, S. 3-4).

In diesem Fall werden Produkte anhand ihrer unterschiedlichen objektiven

Eigenschaften klassifiziert und entsprechend ihrer Eigenschaftsausprägung

bewertet. Daraufhin versucht das CBF-System auf Grundlage der objektiven

Eigenschaften und Ausprägung auf die Präferenz des Nutzers bezüglich dieser

Objekte zu schließen. Im Anschluss daran werden die Objekte in eine

Rangordnung gebracht, die der tatsächlichen Rangordnung des Nutzers möglichst

nahe kommen soll. Von Bedeutung ist hierbei die relative Präferenz der Objekte

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untereinander und nicht die Präferenz des einzelnen Objektes (vgl. Büttner 2008,

S. 2-3).

Vorteilhaft im Bezug auf CBF ist die einfache Erweiterung von neuen Elementen

im System, wenn die zu messenden Parameter, z. B. durch Volltextsuche, direkt

erfassbar sind. Neue Elemente können dementsprechend den vorhandenen

Kategorien zugeordnet werden. Ein Nachteil dieser Methodik besteht darin, dass

der Entscheider grundsätzlich keine neuen Elemente empfehlen kann, da sich die

Struktur auf die Ähnlichkeit von Elementen bezieht und somit die Empfehlungen

auf die vorhandenen Vorlieben des Nutzers bezieht. Neuentdeckungen bzw.

Angaben zur Qualität von Elementen werden vom System nicht unterstützt.

Zudem können Elemente trotz hoher Schlüsselwortanzahl durchaus semantisch

unterschiedliche Bedeutung haben (vgl. Heymann 2004, S. 3-4).

Collaborative Filtering

Der Ansatz des Collaborative Filtering (CF) vergleicht die ausgewählten Elemente

und schlägt dem Benutzer Elemente vor, die andere Teilnehmer in diesem

Zusammenhang ausgewählt haben. Die Methode sucht nicht nach ähnlichen

Elementen, sondern nach Benutzern mit ähnlichem Geschmack. Die

Ähnlichkeiten zwischen Benutzern werden ermittelt, indem das System

vergangene Entscheidungen aller Teilnehmer miteinander vergleicht und jene

Teilnehmer auswählt, die eine große Anzahl gleichartiger Entscheidungen

getroffen haben (vgl. Mortensen 2007, S. 10-12). Eine metaphorische Analogie

wäre die Empfehlung eines Freundes, der den Benutzer sehr gut kennt, und ihn

auf eine Neuigkeit aufmerksam macht.

Vorteile des CF bestehen darin, dass dem Benutzer Elemente empfohlen werden

können, die keinerlei Ähnlichkeit mit den bereits ausgewählten Elementen haben.

Nachteilig ist die so genannte „Cold-Start“-Problematik, die besagt, dass (neue)

Elemente schlichtweg nicht empfohlen werden können, wenn noch keine

Bewertung vorliegt. Des Weiteren sollte das Benutzerprofil hinreichend bekannt

sein, um eine qualitativ hochwertige Empfehlung geben zu können. Nur auf Basis

von einer Vielzahl bereits ausgewählter Elemente, d.h. aktiver Beteiligung, kann

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das Empfehlungssystem ausreichend ähnliche Teilnehmer finden (vgl. Heymann

2004, S. 3-4).

Ein Problem von CF liegt in der Vertrauenswürdigkeit von Empfehlungen. Der

Nutzer weiß nicht, warum ein bestimmtes Objekt empfohlen wurde. Auf Basis

von geschätzten bzw. möglicherweise unvollständigen Daten werden

Empfehlungen seitens Benutzer abgegeben, die vollkommen korrekt, jedoch auch

vollkommen falsch sein können. Deshalb gibt es weitere Ansätze von CF, die

diese Unschärfe verringern: (Für Folgendes vgl. Mortensen 2007, S. 11-12)

Memory-based (user-based) CF

Memory-based CF versucht aufgrund aller bereits empfohlenen Objekte von

Usern Empfehlungen abzuleiten. Dabei werden die dem aktiven

Empfehlungsempfänger am ähnlichsten Nutzer mittels verschiedener Methoden

identifiziert („nearest-neighbour“). Dieser Ansatz erfordert hohen Aufwand an

Rechenzeit und Speicher, um die Nachbarschaft zweier Empfehlungsempfänger

zu bestimmen, da die Gesamtheit der Nutzer-Objekt-Matrix auf mögliche

Ähnlichkeiten geprüft werden muss. Zusätzlich ist die Sicherung der

Benutzerprofile mit Risiken verbunden (vgl. Büttner 2008, S. 9-10).

Model-based CF

Das Model-based CF erstellt aufgrund des gesamten Datenbestandes ein

beschreibendes Modell von Nutzern, Objekten und Bewertungen. Das Modell wird

meist offline über mehrere Stunden bzw. Tagen aufgebaut. Empfehlungen

werden aufgrund von Abfragen dieses Modells errechnet. Anstatt die Ähnlichkeit

von Benutzern zu bestimmen und daraus Empfehlungen zu erstellen, nutzt das

Model-based CF Gleichartigkeit von Objekten (vgl. Mortensen 2007, S. 14).

Hybride Ansätze

Hybride Systeme versuchen durch Kombination der beiden zuvor beschriebenen

Ansätze die jeweiligen Nachteile zu beseitigen. Beispielsweise wird die Methode

des CF angewendet, wobei das Problem des „Cold-Start“ durch content-basierte

Komponenten behoben wird. Für jeden Teilnehmer werden gegebenenfalls

sowohl reale Einträge bzw. Bewertungen als auch „Pseudo-Bewertungen“

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gespeichert. Werte dieser Pseudo-Entscheidungen orientieren sich an

Bewertungen, die der Teilnehmer tatsächlich für inhaltlich verwandte Elemente

abgegeben hat. Daraufhin werden diese, aufgrund von CF-Elementen als so

genannte „Nachbarn“ identifiziert und aufgrund der Ähnlichkeit zur Empfehlung

herangezogen (vgl. Heymann 2004, S. 5-6).

2.4. Social Networking

Bei Social Networking-Anwendungen hat der User die Möglichkeit, ein eigenes

Profil zu erstellen, welches persönliche Informationen (Alter, Wohnort,

Interessen, Foto, etc.) und Kontaktdaten beinhaltet. Dieses Profil ist dann für

andere Nutzer (meist unter verschiedenen, selbstbestimmten Einschränkungen)

zugänglich (vgl. Richter; Koch 2007, S. 27).

Eine Social Networking-Software bietet dem Nutzer vielfältige Funktionen. So

wird auch im Rahmen dieser Netzwerke die Tagging-Technik, angewandt auf

Personen, eingesetzt und der Nutzer kann Profile mit ähnlichen Interessen

finden. Verbesserte Navigation, stärkere Strukturierung und benutzerspezifische

Einstellungen hinsichtlich der Freigabe persönlicher Daten fördern zusätzlich die

Bereitschaft solchen Netzwerken beizutreten. Die grafische Gestaltung der

jeweiligen Seite und die Veröffentlichung eigener Inhalte werden durch

Standardbausteine erleichtert (vgl. Richter; Koch 2007, S. 27).

Das strukturierte Abfragen der Information in Formularen hat den Vorteil, dass

man im Netzwerk über eine erweiterte Suchfunktion speziell nach bestimmten

Gesichtspunkten filtern kann. Das gesamte Netzwerk profitiert daher davon,

wenn die Mitglieder möglichst viel von sich preisgeben.

Zu den Profileingaben kann optional ein Foto hochgeladen werden. Wird kein

Foto hochgeladen, erscheint ein „Dummy“, dass den User stets daran erinnert,

dass sein individuelles Foto noch fehlt. Das Profilfoto spielt eine weitere wichtige

Rolle. Es fungiert sehr oft als Icon, das heißt es wird symbolisch mit dem Namen

zusammen gezeigt, wenn jemand eine Nachricht schickt, oder einen Beitrag im

Forum liefert, so dass der Nutzer sofort sieht um wen es sich handelt (vgl.

Ebersbach; Glaser; Heigl 2008, S. 85-87).

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Die Verknüpfungen zu anderen Profilen werden auf den Plattformen

unterschiedlich realisiert. Meist müssen beide Seiten einwilligen, damit ein

Kontakt hergestellt werden kann. Diese Kontakte sind dann für alle Mitglieder

sichtbar. Wenn man ein Profil eines anderen Mitgliedes betrachtet, wird durch die

Visualisierung der Kontakte angezeigt, über wie viele Kontakte das Mitglied

verfügt (vgl. Ebersbach; Glaser; Heigl 2008, S. 88-89).

Es wird klar, dass es sich beim Social Networking um eine Art der

Selbstdarstellung handelt, welche bewusst von den Usern genutzt wird um

bemerkt zu werden. Selbstdarstellungen im realen Leben finden in realen,

räumlichen Umgebungen statt und sind den dort geltenden Gesetzmäßigkeiten

unterworfen. Dies bedeutet, dass es beispielsweise nicht möglich ist, sich als

anonymer Mensch durchs Leben zu bewegen. Der Körper ist immer mit

physischer Präsenz verbunden, sendet Zeichen und wird zum hauptsächlichen

Träger der Selbstdarstellung (vgl. Misoch 2004, S. 51-52). Virtuelle Identität

kennzeichnet sich durch die vollständige mediale Vermittlung aller Zeichen. Alles

was man von sich preisgeben will, muss man auch bewusst eingeben und

versenden. Unbewusste Selbstdarstellungen, wie z.B. Stottern oder Erröten,

fallen weg. Durch den Kontrollgewinn werden den Individuen neue Möglichkeiten

gegeben das eigene Selbst selektiv in der virtuellen Welt zu präsentieren (vgl.

Misoch 2004, S. 130-132).

Obwohl es den Teilnehmern in sozialen Netzwerken hauptsächlich darum geht,

wahrgenommen zu werden, braucht es zum Networking doch auch inhaltliche

Anknüpfungspunkte. Diese zeigen sich in den großen Communities durch das

Herausbilden von Gruppen. Jedes Mitglied hat generell die Möglichkeit, eine

eigene Gruppe zu eröffnen. Die Gruppen sind meistens eigene kleine Plattformen,

die über eine Mitgliederverwaltung, Foren, Blogs und Umfragetools verfügen (vgl.

Ebersbach; Glaser; Heigl 2008, S. 89).

Social Networking kann in verschiedene Social Software-Programme integriert

sein (z.B. last.fm), ist aber auch oft die Hauptfunktion eines Anbieters (z.B. Xing,

Facebook, studivz).

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3. Nutzung von Web 2.0-Angeboten

Die Nutzung von Web 2.0-Angeboten wird hier von mehreren Seiten beleuchtet.

Als erstes soll die Zuwendung zum Medium geklärt werden. Die Frage „Warum

wenden sich Menschen dem Web 2.0 hin?“ steht im Mittelpunkt. Danach wird die

Nutzungshäufigkeit anhand von Studien dargelegt. Dabei wird zwischen passiven

und partizipierenden Nutzern unterschieden. Abschließend soll das Prinzip des

„Long Tail“ erklärt werden, welches darlegt, dass auch die „unwichtigsten“

Nischenangebote im Web 2.0 genutzt werden.

Medienwirkungsforschung

Nur wenige Themen sind in den letzten Jahren so intensiv und kontrovers

diskutiert worden, wie die immer stärkere Durchdringung des Alltags durch

Medien. Die traditionelle Trennung zwischen den verschiedenen Medien wird

durch ihre wachsende Multifunktionalität zunehmend obsolet (vgl. Münch 2008,

S. 266).

Versucht man das Internet bzw. das Web 2.0 in den Kontext von Medientheorie

und Massenkommunikation einzuordnen, wird deutlich, dass mit dort

vorfindbaren Begriffsbestimmungen und einer Fixierung auf Einzelmedien das

sich technisch, strukturell und inhaltlich stetig verändernde

Kommunikationsphänomen Internet nur bedingt erfassen lässt. Das Internet

nötigt zu einer medienübergreifenden Sichtweise. Es weist durch seine

Aufhebung der dichotomen Rollenfixierung auf Sender und Empfänger sowie

durch seine generelle Offenheit für Nutzer und Inhalte weit über die

Charakterisierung der Massenmedien als Instrumente der Einwegkommunikation

hinaus. Mit den neuen medialen Technologien wie dem Internet wird die

gewohnte Trennung zwischen den Produzenten und den Rezipienten im Prozess

der öffentlichen Kommunikation aufgehoben.

Unter Berücksichtigung seines kommunikationsverändernden Potentials ist das

Internet mit seinen verschiedenen Diensten ein umfassendes Multimediasystem,

das eine eigene Kultur mit eigener Sprache, eigenen Kunstformen und eigenem

Regelwerk entwickelt hat. Damit scheint sich das traditionelle Medienverständnis

aufzulösen, in jedem Fall ist es auszuweiten. Technische, soziale und kulturelle

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Veränderungen im Medienbereich sind „nicht Ursache, sondern selbst schon

Ausdruck einer geänderten gesellschaftlichen Bedarfslage“ (Eibl; Podehl S. 174-

175)

Bei der Beschäftigung mit Medien lassen sich grob vier Forschungsbereiche

unterscheiden (Für Folgendes vgl. Münch 2008, S. 462-463):

• Kommunikationsstudien: Sie beschäftigen sich mit den Handlungsmotiven

und –bedingungen von Medienproduzenten (z.B. Studien zur

Programmgestaltung; Fragen der Vermarktung).

• Studien zur Struktur von Medieninhalten: In inhaltsanalytischen Studien

wird die Struktur von Medieninhalten offengelegt und zumeist mit der

Frage nach ihrer Wirkung verbunden.

• Rezipientenstudien oder Publikumsforschung:

o Die Medienwirkungsforschung beschäftigt sich mit dem Einfluss von

Medienbotschaften auf das Verhalten und die Einstellungen von

Rezipienten. Die Diskussion um den Einfluss der Musikindustrie auf

die Popularität von Musiktitel und –interpreten kann hier

eingeordnet werden.

o Die handlungs- und subjektorientierte Rezeptionsforschung fragt

danach, wie und warum Menschen mit Medien umgehen und

welcher individuelle Sinn daraus für sie erwächst.

• Medienstrukturen: Die Fokussierung auf die strukturellen Bedingungen

selbst und den daraus sich ergebenden Konsequenzen für die mediale

Botschaft, findet sich besonders in systemtheoretischen und postmodernen

Ansätzen. So hat z.B. die Einführung der Fernbedienung beim Fernsehen

zu stark veränderten Rezeptionsmustern geführt („Zappen“).

Das Interesse dieser Arbeit ist in den Bereich der Rezeptionsstudien und

Publikumsforschung einzuordnen. Die Frage „Warum wenden sich Menschen

bestimmten Medien zu?“ kann im Uses and Gratifications Approach bzw. in der

Theorie des aktiven Publikums dargestellt werden. Zwar wurde z.B. durch die

verschiedenen Modelle der Informationsverarbeitung (siehe dazu Kapitel I.3.1.)

dem Publikum durchaus Aktivität zuerkannt, doch wurde diese nicht als

unabhängige Variable eingeführt, sondern eher als mediatisierende „Störgröße“

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im Wirkungsprozess. Seit Beginn der 1970er-Jahre rückte das „aktive Publikum“

in den Vordergrund der Massenkommunikationsforschung: „Was machen die

Menschen mit den Medien“ hieß nunmehr die neue Forschungsfrage (vgl. Schenk

Medienwirkungsforschung S. 59-61).

Der Uses and Gratifications Approach unterstellt, dass jeder Mensch Vorgänge in

seiner Umwelt subjektiv interpretiert, so dass sie für ihn Nutzen haben, d.h.

seinen Bedürfnissen entsprechen. Menschen suchen aktiv nach einem Weg ihre

individuellen, für sie momentan relevanten Bedürfnisse zu befriedigen. Dies gilt

auch für das Medienhandeln. Die Rezipienten erhoffen sich durch die

Mediennutzung eine Art Belohnung („gratification“). Also führen Bedürfnisse und

daraus entstehende Motive zur Nutzung von Medien, wodurch sich die

Rezipienten die Befriedigung ihrer Bedürfnisse erhoffen (vgl. Burkart,

Kommunikationswissenschaften S.219-221).

Burkart (1995, S. 228-230) nennt folgende Arten der Gratifikation:

• Ablenkung und Zeitvertreib: Realitätsflucht, emotionale Befreiung, Flucht

vor Problemen, Stress.

• Persönliche Beziehungen: zu Moderatoren als wären sie „gute alte

Bekannte“, soziale Isolation.

• Persönliche Identität: Selbstfindung, Selbstbestätigung, Identifikation mit

Personen/Ideen/Situationen.

• Kontrolle der Umwelt: Information über die Umwelt.

Man unterstellt, dass der Empfänger massenmedial vermittelter Aussagen mit

diesen sehr subjektiv umgeht, d.h. sie auf ganz persönliche Weise

interessengeleitet benützt. Mediennutzung gilt als eine in viele andere

Handlungsabläufe eingebettete Aktivität des Individuums, sie gilt als eine von

mehreren Möglichkeiten zur Bedürfnisbefriedigung (vgl. Burkart 1995, S. 223).

Die Idee vom aktiven Publikum lässt sich in ihren Kernthesen nun

folgendermaßen darstellen:

• Das Publikum der Massenkommunikation ist als aktives Element im

Massenkommunikationsprozess zu begreifen, es ist weit davon entfernt,

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„passiv“ zu rezipieren. Mediennutzung muss im Gegenteil als ein aktives

und zielorientiertes Handeln gesehen werden.

• Die Zielgerichtetheit des Rezipienten-Handelns resultiert nicht einfach aus

bestehenden Prädispositionen (Einstellungen und normative Erwartungen),

sondern erklärt sich aus dem Zustand der individuellen menschlichen

Bedürfnislage: die Massenmedien und ihre Inhalte stellen eine Möglichkeit

der Bedürfnisbefriedigung dar.

• Die Massenmedien stehen als Möglichkeit der Bedürfnisbefriedigung

allerdings in unmittelbarer Konkurrenz zu anderen Gratifikationsinstanzen,

d.h. Mediennutzung stellt nur eine von mehreren Handlungsalternativen

dar, die als potentiell funktional äquivalent angesehen werden müssen.

Der Uses and Gratifications Ansatz legt nahe, dass sich Rezipienten zunächst

einmal aus einer bestimmten Intention heraus dem Web 2.0 als Musikmedium

zuwenden – sie erwarten sich die Befriedigung ihrer Bedürfnisse, etwa nach

Information über Musikangebote, sowie nach Unterhaltung und Identifikation.

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Web 2.0-Nutzer

Die veränderte individuelle Nutzung des Internets hat zu einem sozialen Wandel

beigetragen. Es erweitern sich die Öffentlichkeiten durch die Blogosphäre und der

aktive Nutzer gewinnt an Bedeutung (vgl. Schmidt 2008, S.24-25). Durch

zahlreiche Studien wurde versucht diese Nutzung von Web 2.0-Angeboten

quantifizierbar zu machen. Die Studien wählen für ihre Ergebnisse immer

unterschiedliche Fragestellungen wie z.B. „Nutzen Sie Videoportale?“ oder

„Haben Sie schon einmal einen Beitrag auf Wikipedia verfasst?“ und Ähnliches.

Dies erscheint auch sinnvoll, da sich der „normale“ Nutzer von Web 2.0 keine

Gedanken machen wird, ob er sich gerade im Web 1.0 oder im Web 2.0 befindet.

Die Studien sind deshalb aber nur teilweise vergleichbar.

Die umfassende ARD/ZDF-Onlinestudie (2008: n=1802) ermittelt jährlich die

Nutzung von Internetangeboten in Deutschland. Sie zeigt, dass 65,8 Prozent der

Deutschen online sind, ein Zuwachs von 1,9 Millionen Internetnutzern gegenüber

dem Vorjahr. Durchschnittlich verbringt jeder Erwachsene täglich 58 Minuten

(2007: 54 Minuten) im Internet. Am meisten werden nach wie vor E-Mail-

Funktionen und Instant-Massaging-Dienste genutzt.

Aktive vs. Passive Nutzung

Die Web 2.0 Tomorrow Studie von Burda Community Network (2008 / n=2881)

identifiziert 50 Prozent aller Onliner als Web 2.0-Nutzer (Wikipedia und E-bay

ausgeschlossen). Rund 20 Prozent davon beteiligen sich aktiv am Web 2.0,

produzieren also selbst Inhalte. Die ARD/ZDF-Onlinestudie schätzt das Interesse

der Onliner an der aktiven Teilnahme etwas geringer ein. Nur 13 Prozent sind

sehr interessiert am aktiven Mitwirken. Für zwei Drittel ist dies „schlicht

uninteressant“.

Eine etwas ältere Studie (2006) des Markt- und Meinungsinstituts result in

Zusammenarbeit mit der Medienforschung des Südwestrundfunks zeigt folgendes

Bild (n=501): 11 Porzent der Onliner nutzen Web 2.0-Anwendungen ein- oder

mehrmals pro Woche, weitere 9 Prozent der Onliner nutzen Web 2.0-

Anwendungen (fast) täglich. Diese Studie zeigt eine überdurchschnittliche aktive

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Beteiligung der Nutzer. Allerdings werden unter aktiver Beteiligung nicht nur

produzierende sondern auch kommunizierende User verstanden.

Abbildung 6: Passive und aktive Nutzer in Prozent

Alle Studien zeigen, dass es sich bei der Nutzung von Web 2.0-Anwendungen

nicht um eine Randerscheinung handelt, sondern vielmehr ein weiterer Anstieg

zu erwarten ist, da sich vor allem Jugendliche verstärkt im Web 2.0 aufhalten.

Nach der ARD/ZDF-Onlinestudie „tummeln sich 49 Prozent der 14- bis 29-

Jährigen in privaten Netzwerken“ (dies ist dreimal so häufig wie die Gesamtheit

der Onliner), 48 Prozent suchen regelmäßig Videoportale auf, und Wikipedia ist

mit 40 Prozent ein fester Bestandteil der Onlinenutzung in dieser Altersgruppe.

Abbildung 7: Web 2.0-Nutzung durch Erwachsene und 14- bis 29-Jährige / wöchentliche Nutzung in Prozent aller Onliner

Quelle: Eigene Darstellung nach ARD/ZDF-Onlinestudie 2008 (n=1186)

Quelle: result

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Typologie der Nutzer

Auf Basis der Nutzungsmotive typologisiert das Markt- und Meinungsinstituts

result die Web 2.0-Anwender in 8 Kategorien.

Innerhalb dieser Grafik wurden die Typen von Web 2.0-Nutzern platziert – die

Größe der Felder zeigt nicht die Größe der Gruppen, sondern die mögliche

Bandbreite der gestaltenden und kommunikativen Involviertheit an.

Abbildung 8: Typologie der Nutzer

Infosucher

Eine große Gruppe von Nutzern nutzt Web 2.0 nicht kommunikativ oder

gestaltend, sondern rein betrachtend. Die einzigen Mitgestaltungen sind bei

diesen Usern in der Regel Orientierungsfragen; öffentliche Kommunikation

beschränkt sich auf sporadische Kommentare.

Quelle: result

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Unterhaltungssucher

In Abgrenzung zu den Infosuchern stehen für Unterhaltungssucher vor allem die

Unterhaltungsaspekte im Vordergrund. Ein Beispiel dafür ist jemand, der Videos

auf You-Tube ansieht, ohne sie zu kommentieren. Auch diese Gruppe macht

kaum von den Kommunikations- und Mitgestaltungsmöglichkeiten im Internet

Gebrauch.

Kommunikatoren

Nutzer dieser Gruppe machen Gebrauch von den öffentlichen

Kommunikationsmöglichkeiten des Web 2.0, haben aber kein Interesse, etwas zu

gestalten oder zu veröffentlichen. Die öffentliche Kommunikation im Web 2.0

findet eher betrachtend statt. Beispiele für diese Gruppe sind etwa Blogleser, die

sich mit Kommentaren an Diskussionen beteiligen.

Profilierte

Profilierte nutzen die Möglichkeiten von Kommunikation und Mitgestaltung

gleichermaßen. „Idealtypisches Beispiel ist ein Blogger, der in seinem Weblog

Inhalte veröffentlicht, die (zumindest ähnlich) auch in anderen Medien hätten

veröffentlicht werden können, sich selbst darstellt, dabei ein spezifisches

inhaltliches Interesse verfolgt (das nicht selten selbstreferenziell das Bloggen

beziehungsweise das Internet ist) und in der Blogosphäre öffentlich und vernetzt

kommuniziert“.

Netzwerker

Netzwerker geht es vor allem um den kommunikativen Aspekt von Web 2.0: den

öffentlichen und vernetzten Austausch mit anderen Nutzern (z.B. die

Veröffentlichung von Fotos und Videos). Alle Nutzergruppen (außer den passiven

Nutzern) haben Überschneidungen mit der Gruppe der Netzwerker, da

Kommunikation die entscheidende Dimension einer Nutzung des Internets im

Sinne von Web 2.0 darstellt.

Spezifisch Interessierte

Diese Gruppe von Usern nutzt die Partizipationsmöglichkeiten von Web 2.0 im

Kontext eines ganz bestimmten Interesses oder Hobbys. Das Web 2.0 bietet

dabei den Vorteil, Gleichgesinnte kontaktieren zu können und sich in vernetzten

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Strukturen über ein gemeinsames Thema auszutauschen oder Angebote zum

eigenen Thema überhaupt erst zu finden.

Selbstdarsteller

Selbstdarstellern geht es in erster Linie um die Darstellung der eigenen Person.

Klassisches Beispiel für diese Nutzergruppe sind Nutzer von Profilen auf

MySpace.

Erreichen die Selbstdarstellungen eine über bloße Selbstdarstellung

hinausgehende Qualität, überschneidet sich diese Gruppe mit den Produzenten

oder den Profilierten, bei einem sehr hohen Grad an öffentlicher Kommunikation

werden solche Nutzer auch der Gruppe der Netzwerker zugeordnet.

Produzenten

Produzenten sind Nutzer, denen es in erster Linie darum geht, Inhalte zu

veröffentlichen und die dafür Web 2.0-Angebote nutzen. Die Produzenten sind an

Kommunikation und Vernetzung nur insoweit interessiert, dass sie der

Verbreitung ihrer Werke dient. Die Community an sich ist dabei zweitrangig.

Abgesehen von Infosuchern (31 Prozent) und Unterhaltungssuchern ( 34

Prozent), die Web 2.0-Angebote nutzen, ohne Gebrauch von Mitgestaltungs- oder

Kommunikationsmöglichkeiten zu machen, bilden die Kommunikatoren (34

Prozent) die größte Gruppe der aktiven Web 2.0-Nutzer.

Die zweite große Gruppe ist die der „spezifisch Interessierten“. Hier zeigt sich,

dass sich Web 2.0-Angebote für Nischeninteressen bzw. für „spitze Zielgruppen“

besonders gut eignen.

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The Long Tail

Der große Vorteil von Social Software ist, dass sie im Gegensatz zu zum Beispiel

Radiosendungen keine Hits braucht um wirtschaftlich zu arbeiten. Im Web 2.0

stehen die unzähligen Nischen und Einzelpersonen den großen Hits gegenüber.

Und das mit Erfolg. Die wenigsten Musikaufnahmen schaffen es in die Top 100,

dennoch erreichen sie ein Publikum, das in die Millionen geht. Der Nischenmarkt

kann zwar den traditionellen Mart der Hits nicht ersetzen, teilt sich aber

mittlerweile mit ihm das Rampenlicht. Es müssen keine Regale mehr nach

passenden Musikstücken durchsucht werden, das Internet übernimmt Lager-,

Distributions- und Sendefunktion – und das zu einem Bruchteil der Kosten.

Nach dem „Pareto Prinzip9“ verteilen sich Märkte nach der 80:20-Regel.

20 Prozent der Produkte erzielen 80 Prozent des Umsatzes und 100 Prozent des

Gewinns. Doch bei digitalen Inhalten gelten andere Gesetze. Der Unternehmer

Robbie Vann-Adibé, CEO von Ecast, ein Hersteller von digitalen Musikboxen

erzielt erstaunliche Zahlen. Diese Musikboxen sind mit dem Internet verbunden

und die Nutzer können aus Tausenden von Musikstücken wählen, die

heruntergeladen und auf der Festplatte gespeichert werden können. Der

Prozentsatz an verkauften Alben pro Quartal liegt bei 98. Fast jedes Musikstück

findet seinen Abnehmer. Da es sich um Bits auf einer Datenbank handelt, deren

Speicherungs- und Übertragungskosten sehr gering gehalten werden können,

rentieren sich auch Songs die nicht in hoher Stückzahl erworben werden. Ein

anderes Beispiel bietet der Musikanbieter Rhapsody. Die Nachfragekurve dieses

Online-Musikanbieters erreicht nie die Null (Kurven zur Häufigkeitsverteilung

werden „Long Tailed“ genannt). Selbst die unbeliebtesten Titel werden einige

wenige Male gehört. Rhapsody und digitale Musikboxen sind zwar keine Social

Software, zeigen aber auf, dass bei „grenzenlosen“ Konsummöglichkeiten auch

tatsächlich „grenzenlos“ konsumiert wird (vgl. Anderson 2007, S. 11-12).

9 Beim Pareto Prinzip handelt es sich um eine Wahrscheinlichkeitsverteilung im Gegensatz zum Pareto-Optimum.

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Abbildung 9: The Long Tail

Quelle: Alby 2007, S. 154 und www.longtail.com

Das Phänomen des sogenannten Long Tail ist für derartige Anbieter vor allem

deshalb so interessant, weil Produkte, die nur in einem geringen Ausmaß

nachgefragt werden, in Summe einen Marktanteil ausmachen können, der vom

Umfang her mit den wenigen Bestsellern vergleichbar ist.

Anderson formuliert sechs Thesen, die den Long Tail ausmachen. Zunächst geht

er davon aus, dass es in fast allen Märkten mehr Nischen geben soll als Hits. Je

mehr die Kosten für die Produktion sinken, desto größer soll dieser Nischenmarkt

werden. Gleichzeitig, so Anderson, kostet es immer weniger, diese Nischen zu

erreichen. Dass das funktioniert, liegt vor allem an den Suchtechnologien, denn

ohne sie wären die Nischen nicht zu finden (vgl. Alby 2007, S. 155).

Das Problem des Informationsüberflusses durch das riesige Warenangebot kann

aber nicht alleine durch Suchfunktionen gefiltert werden, doch durch die

unterschiedlichen Möglichkeiten des Social Taggings können die eigenen

Vorlieben empfohlen werden. Ohne diese Filter wären die Nischen, die zum

eigenen Geschmack passen, nicht zu finden. Personalisierte Medien, welche sich

durch Social Tagging organisieren, ersetzen aber nicht die traditionellen

Massenmedien. Jedoch werden die traditionellen Medien nicht mehr so stark

wachsen wie in der Vergangenheit (vgl. Leonhard 2008, S. 107-110)

Der Long Tail,

hier orange

eingefärbt,

ähnelt einem

langen Schwanz.

Auf der Y-Achse

ist die Anzahl der

Verkäufe und auf

der X-Achse sind

die Produkte

nach Reihenfolge

ihrer

Verkaufsstatistik

aufgelistet.

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Die Anbieter von Nischenprodukten dürfen allerdings nicht vergessen, dass nicht

sie an den vielen kleinen Nischen verdienen, sondern wiederum die großen

Verkäufer wie z.B. Amazon.com. „Der einzelne Anbieter bleibt so klein und

unbedeutend wie er ist“10. Es handelt sich beim Long Tail nicht um ein neues

Geschäftsmodell, denn auch bisher konnte man im Plattenladen jede CD

bestellen, sondern um die Beschreibung des Erfolgs einiger weniger Großen

durch das Anbieten vieler Nischenprodukte. Kleine Anbieter, oder Künstler selbst,

können von diesem „Effekt“ nicht profitieren. Nur die großen Anbieter können die

Größenvorteile bzw. Skaleneffekte, die den Long Tail ausmachen, nutzen.

“You can make money on the long tail but not in the long tail” (Alex

Iskold, 2007)

Trotzdem ist dieser Ansatz sehr interessant für User, welche sich selbst aktiv in

das Web 2.0 einbringen. Sie können davon ausgehen, dass der von ihnen

bereitgestellte User Generated Content oder die von ihnen hochgeladene und

selbst produzierte Musik auch Interessenten findet.

10 http://blog.firstmedia.de/?p=659 Abruf am 12.12.2008

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4. Erfolgsfaktoren von musikspezifischen Web 2.0-Angeboten

Wie im Teil I gezeigt wurde, müssen die Emotionen, die mit einem Lied in

Verbindung gebracht werden, zuerst erlernt werden. Zum einen kann dies über

Konzerte oder über Radio geschehen: Je häufiger Musikkonsumenten ein Lied

hören, desto besser erlernen sie es. Der Konsum eines Liedes stiftet also umso

mehr Nutzen, je häufiger das Lied gehört wird. Typischerweise endet dieser sich

selbst verstärkende Effekt damit, dass ein Lied „totgespielt“ wird. Das heißt die

Sättigungsmenge, welche individuell verschieden ist, wurde erreicht und die

Nachfrage nach anderen Liedern steigt (siehe dazu II.1.). Zum anderen spielt die

soziale Interaktion, die mit dem Konsum von Musik verbunden ist, eine zentrale

Rolle: Menschen konsumieren Musik gemeinsam und möchten darüber reden. Es

ist für die Konsumenten also rational, die Musik zu hören, die auch von anderen

Menschen im relevanten sozialen Umfeld gehört wird.

Das Produkt Musik ruft bei zunehmender Nutzerzahl eine Nutzensteigerung

hervor; es handelt sich um einen sogenannten Netzeffekt. Netzeffekte treten

beim Gut Musik bei der Distribution oder beim Konsum von Musik (Modeeffekte)

auf. Entscheidend, ob ein Netzeffekt eintritt, ist immer die kritische Masse. Zum

Beispiel wurde die Peer-to-Peer-Plattform Napster erst zur Gefahr, als die

kritische Masse erreicht und innerhalb des Netzwerks ein sehr breites Sortiment

an Inhalten angeboten wurde (vgl. Clement; Papies; Albers 2008, S. 45-46).

Wenn ein System oder Netz eine bestimmte Teilnehmerzahl überschreitet und

der Nutzen eines Netzes damit ein bestimmtes Niveau erreicht hat, ist zu

erwarten, dass die Teilnehmer das Netz auch in Zukunft nutzen werden und dass

die Anzahl der Neukunden zunehmen wird (vgl. Kollmann; Stöckmann 2008 S.

40).

„Die Mindestzahl an Teilnehmern, die erforderlich ist, damit Systeme einen

ausreichenden Nutzen für eine langfristige Verwendung bei einem

Anwenderkreis entwickeln können, wird als kritische Masse bezeichnet.“

(Kollmann; Stöckmann 2008 S. 40)

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Musik als klassisches hedonistisches Gut verstärkt die Macht der kritischen

Masse, durch das hohe Konsumrisiko. Die Ursache liegt darin, dass einerseits die

Qualität als zentrale Produkteigenschaft vor dem Konsum nicht einzuschätzen ist.

Andererseits kommt Musik eine hohe gesellschaftliche Symbolfunktion zu, was

das Risiko erhöht, das falsche Produkt zu kaufen und auf soziale Ablehnung zu

stossen (vgl. Clement; Papies; Albers 2008, S. 50-50).

Besonders bei jungen Unternehmen im Internet kommt es zu einem intensiven

Wettlauf um das Erreichen der kritischen Masse. Wird diese schnell erreicht,

können kleinere Anbieter oder Nachahmer aus dem Markt verdrängt werden.

Verstärkt wird diese Auffassung im Web 2.0, „dass eine Abkehr von der

Sichtweise des Kunden als passiven Informationskonsument hin zu einem

Informationsanbieter und –editor einläutet und somit von der aktiven

Teilnehmerzahl abhängig ist.“ Das Wachstum der Teilnehmerzahl avanciert zum

kritischen Erfolgsfaktor. „Gewinner können – basierend auf den Größenvorteilen

der Netzwerke – sogar monopolartige Marktpositionen erreichen. Denn wenn

jeder andere an dem Netzwerk teilnimmt, ist dies aus Kundensicht umso mehr

Grund, sich auch anzuschließen.“ (vgl. Kollmann; Stöckmann 2008 S. 40-41)

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IV. Typologie von Web 2.0-Angeboten

In dieser Arbeit hat sich der Aktivitätsbegriff als zentrales Forschungsinteresse

herausgestellt. Einerseits kann nur, wie oben schon mehrfach gezeigt, durch

aktives Musikhören der persönliche Musikgeschmack erweitert oder verändert

werden, andererseits ergeben sich durch die neuen Web 2.0-Applikationen

unzählige Möglichkeiten von Aktivitäten in Bezug auf Musik.

Im Weiteren sollen die verschiedenen Erkenntnisse über Musikrezeption und das

Web 2.0 gemeinsam mit Erkenntnissen aus der Medien- und

Kommunikationsforschung ein Schema der Aktivitätsmöglichkeiten bilden, in

welches verschiedene Web 2.0-Angebote eingeordnet und hinsichtlich ihrer

Aktivitätsmöglichkeiten klassifiziert werden können. Anschließend, in Teil V soll

die Relevanz dieser Typologie für die Musikindustrie erhoben werden.

Zur grafischen Darstellung der Kriterien im Vergleich werden sogenannte „Harvey

Balls“ verwendet.

Tabelle 2: Grafische Darstellung mittels Harvey Balls

Harvey Balls Trifft nicht zu Trifft etwas zu Trifft teilweise zu Trifft ziemlich zu Trifft voll zu

0 1 2 3 4

Quelle: eigene Darstellung

1. Rezeptionsmöglichkeiten im Web 2.0

Als Kriterien zur Bewertung werden unterschiedliche Kategorien von passiver bis

aktiver Rezeption unterschieden und herangezogen. Die Steigerung der Aktivität

der Rezeptionsmöglichkeiten zeigt sich in unten abgebildeter Grafik. Von einer

passiven bis zu einer aktiven Rezeption werden fünf Kategorien unterschieden,

wobei Unterkategorien zur genaueren Betrachtung notwendig sind.

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Abbildung 10: Kategorien von Rezeptionsmöglichkeiten

Quelle: eigene Darstellung

1.1. PASSIV

In der Medienforschung steht das Medium als Kommunikationsmittel im

Vordergrund. Als Ausgangspunkt medienwissenschaftlicher Forschung wird häufig

das von Shannon und Weaver (1976) entwickelte Modell von

Kommunikationsprozessen genannt. Die Kommunikation läuft vom Sender zum

Empfänger über einen Kanal. Dieser lineare Kommunikationsprozess kann (z.B.

durch Rauschen) gestört werden, ausgesendetes und empfangenes Signal

können sich also unterscheiden (vgl. Münch 2005, S. 462).

Für den Rezipienten von Musik bedeutet das Sender-Empfänger-Modell eine rein

passive Haltung in Form von „Zuhören“. Dieses Rezeptionsverhalten wird im

Massenmedium Radio bestätigt. Der Hörfunk wird in dieser Arbeit als ein reines

Distributionsmedium, als ein passives Medium, verstanden. Kritik zu dieser

Passivität äußerte bereits Bertolt Brecht (1932) in seinem Aufsatz „Der Rundfunk

als Kommunikationsapparat“.

„Der Rundfunk wäre der denkbar großartigste Kommunikationsapparat des

öffentlichen Lebens, ein ungeheures Kanalsystem, das heißt, er wäre es,

wenn er es verstünde, nicht nur auszusenden, sondern auch zu

empfangen, also den Zuhörer nicht nur hören, sondern auch sprechen zu

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machen und ihn nicht zu isolieren, sondern ihn in Beziehung setzen.“

(Lindner 2007, S. 40)

Sein Wunsch war es, Höreraktivitäten zu erreichen und so den

Distributionsapparat in einen Kommunikationsapparat zu verwandeln. Der

Hörfunk sollte Austausch ermöglichen und zu Gesprächen, Debatten und

Disputen genutzt werden.

Auch Walter Benjamin (1930/1931) kritisierte in seinem Werk „Das Kunstwerk im

Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ die Trennung zwischen Sender

und Publikum.

„Der entscheidende Irrtum dieser Institution, die grundsätzlich Trennung

zwischen Ausführendem und Publikum, die durch ihre technischen

Grundlagen Lügen gestraft wird, in ihrem Betrieb zu verewigen. (…) Dieser

Widersinn hat dazu geführt, daß noch heute, nach Jahre langer Praxis, das

Publikum völlig preisgegeben, unsachverständig in seinem kritischen

Reaktionen mehr oder minder auf die Sabotage (das Abschalten)

angewiesen geblieben ist. (…) In der Haltung der Massen dem

Rundfunkprogramm gegenüber hat diese Barbarei ihren Gipfel erreicht und

scheint nunmehr bereit zu sein, umzuschlagen. Es gehört dazu nur eines:

die Reflexion des Hörers wäre auf sein reales Reagieren hinzulenken, um

es zu schärfen und zu rechtfertigen“ (Benjamin, 1989, S. 1506-1507).

Die Aktivität des Rezipienten ist also auf das Einschalten bzw. Ausschalten des

Gerätes und auf die Senderwahl beschränkt. Benjamin kritisiert wie Brecht die

Trennung von Sender und Empfänger und fordert eine Aktivierung des

Publikums. Er thematisiert die Hilflosigkeit der Hörer und meint, dass durch

Rückbindung an das Programm Kommunikationsbarrieren durchbrochen werden

könnten (vgl. Lindner 2007, S. 96-98).

In der Weiterentwicklung des Radios zum Internetradio hat sich nur der Kanal

geändert. Die Rezeption erfolgt weiterhin passiv und ist auf das Ein- und

Ausschalten beschränkt. Teilweise werden auch in Web 2.0 Radiostationen

angeboten.

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1.2. INFORMATIV

Durch die Wandlung des Internets zum WWW wurde es möglich, Informationen

in Form optisch aufbereiteter und formatierter Seiten zu Verfügung zu stellen,

diese Seiten durch Hyperlinks miteinander zu verbinden und mit Hilfe von

Suchmaschinen in Sekunden aufzufinden. Das Internet wurde damit zu einem

globalen Informationsraum, der ohne besondere Vorkenntnisse betreten werden

kann (vgl. Spiegel 2006, S. 11).

Im „alten“ Web 1.0 ist es eindeutig, ob man User oder Autor einer Webseite ist.

In der Regel ist man als User Rezipient oder Konsument einer Seite und damit

ohne Rechte zur Bearbeitung. Als Autor hingegen ist man selbst verantwortlich,

dass Inhalte auf eine Seite gelangen und dass diese akkurat und aktuell sind.

Im Web 2.0 verschwimmen die Grenzen: User werden zu Autoren und bringen

aktuelle Inhalte ein, korrigieren Fehler und sorgen für eine „lebendige“ Webseite

(vgl. Kerres 2006, S. 2).

In der Kategorie informativ geht es aber um den reinen Konsum von

Information, nicht um die Bereitstellung. Sich Wissen rund um Musik, eine

Musikgruppe oder einen Musiker anzueignen, ist ebenso eine Form der Rezeption

wie das Musikhören selbst. Durch aktive Auseinandersetzung mit Musik können

die Musikerfahrungen in die eigene Welt integriert werden (siehe dazu Kapitel

I.1.).

Es ist also unerheblich, ob die Information vom Betreiber der Seite oder von den

Usern der Seite verfasst wurde. Dieses Kriterium bewertet rein die Möglichkeit,

ob weiterführende Information über Musik erhältlich ist.

1.3. INTERAKTIV: KOMMUNIKATIV und PARTIZIPATIV

1.3.1. KOMMUNIKATION

Kommunikation ist ein Prozess, der stets ein Gegenüber, einen

Kommunikationspartner impliziert. Kommunikation ist also immer ein

doppelseitiges Geschehen, das zwischen mindestens zwei Partnern stattfindet. In

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der Massenkommunikation werden massenmedial verbreitete Aussagen von den

Rezipienten aufgenommen. Dabei können die Rezipienten nicht, auch wenn dies

der Terminus Massenkommunikation vermuten lässt, mit der Masse gleichgesetzt

werden. In der Kommunikationsforschung wird daher vom „dispersen Publikum“

gesprochen. Darunter sind einzelne Individuen, aber auch kleine Gruppen von

Menschen zu verstehen, deren verbindendes Charakteristikum darin besteht,

dass sie sich einem gemeinsamen Gegenstand – den Aussagen der

Massenmedien – zuwenden. Die Rückkopplungsmöglichkeiten der Rezipienten

beschränken sich allerdings auf „schmalbandiges Feedback“ per Brief, Fax oder

Telefon. Durch das Internet erweitern sich jedoch die Möglichkeiten und

„Interaktivität“ wird zum neuen Schlagwort (vgl. Burkart 2002, S. 168-169).

Aus dem dispersen Publikum der Massenmedien entsteht ein aktiver bzw.

interaktiver Rezipient, der ohne Medienbruch und Zeitverzug direkt auf die

Kommunikatoren Einfluss nimmt oder selbst zum Kommunikator werden kann

(vgl. Beck 2006 S.39).

One-one-Kommunikation

In diesem Kriterium werden die Möglichkeiten der persönlichen Kommunikation

bewertet. Wie können die teilnehmenden User kommunizieren? Unterschieden

wird eine private One-one-Kommunikation, welche aber von allen anderen

Nutzern zu verfolgen ist, von der öffentlichen One-many-Kommunikation. Die

One–one-Kommunikation, welche nur für die beteiligten Nutzer einsehbar ist und

eine Kommunikation ähnlich dem E-mailen darstellt, wird nicht berücksichtigt.

Anerkennung und Aufmerksamkeit sind in der realen wie auch in der Online-Welt

knappe Güter, doch durch die Mechanismen der Online-Welt sind hier die

Chancen größer, Aufmerksamkeit und Anerkennung zu bekommen, auch als

gesellschaftlicher Außenseiter in der realen Welt. Wie wichtig diese Anerkennung

ist, zeigt sich in den verschiedenen Funktionen von Web 2.0-Anwendungen. Zum

Beispiel sind bei MySpace die Anzahl der Kontakte beziehungsweise Freunde

Indikatoren der eigenen Popularität, bei YouTube die Wertung der anderen

Nutzer (vgl. Alby. 2007, S. 112).

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One-many-Kommunikation

Weiters wird eine One–many-Kommunikation, wie eine reine Kommentarfunktion

zu den unterschiedlichen Themen untersucht.

Nach Alby ist der Begriff „Social Software“ nur durch die Möglichkeit der

Selbstregulation eingegrenzt. Diese Selbstreflexion erfolgt über

Kommentarfunktionen. Einerseits entsteht in den Profilen der User ein Konstrukt

des eigenen Selbst durch die Interaktion mit anderen, andererseits garantiert die

Kommentarfunktion eine kritische Diskussion des User Generated Content (vgl.

Alby 2007, S. 89 und S. 113).

Die One-many-Kommunikation wird hier, zur genaueren Betrachtung, vom User

Generated Content unterschieden. In der Literatur werden aber Kommentare oft

mit User Generated Content gleichgesetzt.

„Word of Mouth“ wird die Kommunikation von Konsumenten untereinander

genannt, die sich auf den Besitz, die Benützung oder Eigenschaften von

Produkten oder Dienstleistungen bezieht. Die Besonderheit dabei ist, dass die

Konsumenten direkt miteinander kommunizieren. Gerade in der

Entertainmentbranche haben Konsumenten ein Bedürfnis über ihre Erfahrungen

mit dem Gut zu reden. Durch das Internet gewinnt die Mundpropaganda einen

entscheidenden Aspekt: die Möglichkeit der Archivierung. Das digitale Word of

Mouth ist damit in seiner Gesamtheit wirkungsvoller als die nicht-digitale

Variante. Die Reichweite der digitalen Mundpropaganda ist größer, ferner wird

selbige von einem an der jeweiligen Thematik interessierten und somit

empfänglicheren Personenkreis abgerufen. Schlechte Kritiken über neue

Musikalben können somit den langfristigen Erfolg mindern (vgl. Kilian, Walsh,

Zenz 2008, S. 322-325).

1.3.2. PARTIZIPATION

Geht es um die Erklärung dessen, was Web 2.0 eigentlich auszeichnet, wird

häufig gesagt “Mit-Mach-Web”, d.h. die erhöhte Bereitschaft dazu, sich an

Prozessen im Internet aktiv zu beteiligen. Als Voraussetzung für den Erfolg von

Social Software gilt die Bereitschaft der Nutzer,

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• ihre Anonymität im Netz teilweise oder ganz aufzugeben (Profile) und

• selbst Inhalte für das Web zu schaffen (User Generated Content) (vgl.

Szugat 2006, S. 14 und Alby 2007, S.90).

User Generated Content - Many-Many-Kommunikation

Aus einer One-many-Kommunikation, wie bei der “herkömmlichen“

Massenkommunikation, wird durch die Möglichkeit selbst Inhalte (Content)

bereitzustellen, eine Many-many-Kommunikation, welche dem Ziel von Brecht

„den Zuhörer nicht zu isolieren, sondern in Beziehung zu setzen“ sehr nahe

kommt (vgl. Burkart 2002, S. 503). Bestes Beispiel ist die Online-Enzyklopädie

„Wikipedia“, aber auch musikbezogene Social Software erlaubt ihren Usern

Inhalte über Bands oder Musikstile selbst zu editieren.

Neben der intelligenten Kombination von Datenquellen ist es gerade der

sogenannte User Generated Content, der vom Benutzer erstellte Inhalt, der das

jeweilige Web 2.0-Angebot so interessant macht. Menschen investieren Zeit,

Energie und Wissen, obwohl sie dafür in der Regel keinen finanziellen Ausgleich

bekommen.

Wer z.B. bei Wikipedia sein Wissen einbringt, der weiß auf der anderen Seite

auch, dass er von den Beiträgen anderer profitieren kann. Dies kann auch zu

einem Gemeinschaftsgefühl führen oder auch zu einem gewissen Stolz, Teil

dieser Gemeinschaft zu sein (vgl. Alby 2007, S. 111-112).

Unter User Generated Content können alle interaktiven und produktiven

Tätigkeiten der Nutzer verstanden werden. Hier, in diesem speziellem Kriterium,

wird nur die Many-many-Kommunikation im Rahmen des User Generated

Content, also die gemeinsame Aufbereitung eines Themas, betrachtet.

Profile

Eine für Social Networks typische Funktion sind die persönlichen Profile. Meist

sind diese mit diversen Sichtbarkeitseinstellungen für Mitglieder der

Netzgemeinschaft versehen oder generell der Öffentlichkeit des Netzes

zugänglich. Manche Angebote, wie MySpace, funktionieren größtenteils über

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diese Profile. Die User sind also bereit, Teile ihrer Identität preiszugeben; sich

selbst im Web darzustellen.

Anhand des beim Anmelden auszufüllenden Mitgliederprofils kann der Nutzer

wählen, wie er sich den anderen präsentieren will. Die unterschiedlichen

Plattformen geben aber mit dem Formular schon die jeweiligen Settings vor. Bei

Xing wird zum Beispiel großer Wert auf die Ausbildung, Karriere und Expertise

gelegt, bei MySpace wird eher auf private Angaben geachtet.

In Zeiten der computervermittelten Kommunikation wird der Rechner als Vehikel

benutzt, um Bekanntschaften zu schließen. Ein besonderer Reiz am Netz scheint

es zu sein, dass es möglich ist, die wahre Identität zurückzustellen, teilweise

auszublenden oder komplett zu verschleiern. Durch die eingeschränkte

kommunikative Bandbreite des Netzes (grundsätzlich ist nur Kommunikation in

Textform möglich) ist es nun weitaus leichter als im Face-to-Face Gespräch

möglich, zu kontrollieren, welche Bestandteile der Identität an das Gegenüber

weitergegeben werden. Virtuellen Identitäten im Web 2.0 kommt eine besondere

Bedeutung zu. Obwohl sie nicht den Merkmalen der dahinter stehenden Personen

entsprechen müssen, ist doch der Aspekt der Kontinuität (siehe dazu Kapitel I.4.)

entscheidend für die in der Community so wichtige Reputation (vgl. Ebersbach;

Glaser; Heigl 2008, S. 179-180).

Tagging

Die Möglichkeit seine eigene Musik zu kategorisieren, um diese auch für andere

leichter auffindbar zu machen, wurde schon unter Kapitel III.2.3 genauer

beschrieben. In dieser Kategorie wird bewertet, inwieweit User die Möglichkeit

haben, Wissen und Aktivitäten zu koordinieren. Die Kategorie ist um so

ausgeprägter um so häufiger auf Tags und auf die Aufforderung zum Taggen

hingewiesen wird.

Beim Geld hört die Partizipation auf

Die Benutzer im Web 2.0 sollen zwar partizipieren, damit ist aber nicht die

Partizipation an den Werbeinnahmen gemeint. Die Inhalte werden von den Usern

generiert, verdienen tun daran andere. Wenn man sich vor Augen führt, dass

sich die Benutzer in Währungen wie Aufmerksamkeit, Bestätigung und

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Gemeinschaftsgefühl auszahlen lassen und die Betreiber daran echtes Geld

verdienen, dann bekommt dieser Aspekt des Web 2.0 einen etwas schalen

Beigeschmack.

Etwas anders sieht es bei den Blogs aus. Im Prinzip kann jeder mit seinem

eigenen Blog Geld verdienen, mit „Google AdSense“ und ähnlichen Programmen

ca. 50 Dollar im Monat. Sehr populäre Blogs verdienen durchaus höhere

Summen, doch es ist bisher kein Fall bekannt, in dem ein Blogger allein durch

sein eigenes privates Blog den Lebensunterhalt bestreiten konnte (vgl. Alby

2007, S. 159).

1.4. PRÄFERENZAKTIV

Recommender-Systeme sind ähnlich den zuvor beschriebenen Folxonomies eine

Form der Organisation von Inhalten. Recommender-Systeme versuchen aber

aufgrund von schon getagten Inhalten oder aufgrund des Userverhaltens (z.B.

welche Musik man hört) oder aufgrund von Angaben im Profil oder aufgrund von

„Freunden“ auf Ähnlichkeiten zu anderen Inhalten oder anderen Usern zu

schließen. Durch dieses System sollen passende Empfehlungen gegeben werden.

Es versucht die eigenen Präferenzen herauszufiltern um weiterführende Inhalte,

wie z.B. Neuerscheinungen, anbieten zu können. Deshalb wird diese Kategorie

präferenzaktiv benannt. Sie bewertet in wie weit ein System mit Präferenzen

arbeitet (siehe dazu Kapitel III.2.3.2.).

1.5. PRODUKTIV

Prosuming

Den Begriff des „Prosumenten“ prägte Alvin Toffler 1980 in seinem Buch „Die

Zukunftschance – Von der Industriegesellschaft zu einer humaneren

Zivilgesellschaft“. Er bedeutet die Verbindung von Konsument und Produzent zu

einem Prosument. Als erstes Beispiel für die Veränderung des Konsumenten zum

Produzenten nennt Toffler die Einführung eines Schwangerschaftstests zur

Selbstuntersuchung in europäischen Apotheken in den frühen 1970er-Jahren. Es

entsteht eine Do-it-yourself-Bewegung in der der „Outsider“ zum „Insider“ wird

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81

und immer mehr Produktivität auf den Verbraucher übertragen wird (vgl. Toffler

1980, S. 272-284).

„Die Bereitwilligkeit, mit der sich der Verbraucher zur Produktion verlocken

läßt, hat weitreichende Konsequenzen. Zum besseren Verständnis sei

daran erinnert, daß der Markt genau auf jene Trennung von Produzent und

Konsument zurückgeht, die heute zunehmend an Konturen verliert. Das

Marktsystem war unnötig, solange die meisten Menschen das, was sie

produzieren, auch selbst verbrauchten. Erst in dem Moment, da der

Verbrauch von der Herstellung geschieden wurde, wurde auch der Markt

unerläßlich (…) Und wo immer sich die Kluft zwischen Konsument und

Produzent verringert, werden Funktionen, Rolle und Macht des Marktes in

Frage gestellt. Die Rolle die der Markt in unserem Leben spielt wird daher

durch den Aufstieg des Prosums verändert“ (Toffler 1980, S. 281-282).

Zwar verstand Toffler den Prosumer-Begriff damals mehr in der Hinsicht, dass

Konsumenten Sach- und Dienstleistungen nicht bloß erwerben, sondern solche

auch aktiv produzieren, etwa im Sinne von Hausarbeit, wie in vormodernen

Zeiten der Subsidiarität. Inzwischen jedoch hat sich der Prosumer-Begriff auch

für Formen der direkten Kollaboration zwischen Unternehmen und Kunden

eingebürgert, die mit Konzepten von Co-Design oder Co-Produzententum gefasst

werden.

Digitales Arbeiten und das Internet weiten die Möglichkeiten für Prosuming

immer weiter aus. Der Prototyp des Prosumenten im Webzeitalter konsumiert,

produziert und kommuniziert nahtlos über mediale, soziale und technische Netze

hinweg und versorgt längst nicht nur mehr sich selbst mit Produkten eigener

Herstellung (vgl. Friebe/Lobo 2006, S. 215).

„2015 wird jeder Mensch einen Song geschrieben, ein Buch veröffentlicht,

ein Video gedreht, ein Weblog publiziert und ein Programm geschrieben

haben.“ (Kevin Kelly)

Prosuming mit Hilfe des Internets entspricht der Brecht`schen Radiotheorie.

Musikhören wird zur Kommunikation und geht sogar darüber hinaus indem die

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82

Sender auch zu Produzenten werden und ihre eigene Musik zur Verfügung

stellen.

Aber es muss auch Kritik am Aufstieg des Prosumenten geübt werden. Der

Dresdner Professor für Industrie- und Techniksoziologie Günter Voß hat den

arbeitenden Kunden als Problemfeld identifiziert. Voß spricht von einer

abhängigen Konsumarbeit. Konsumenten sind immer häufiger abhängig von

machtvollen und im Weltmaßstab immer häufiger monopolistisch agierenden

Konzernen (vgl. Voß; Rieder 2005, S. 184). Schleichend fängt das bei IKEA mit

der Selbstmontage der Möbel an, allein die verkauften Billy-Regale wurden von

den Kunden in bisher 20 Millionen Arbeitsstunden zusammengebaut. Im Web 2.0

findet man diesen Mechanismus verborgen im Wort Beta, das für unfertige Beta-

Version steht und bedeutet, dass ein Unternehmen seine finalen Produkttests

unentgeltlich an die Kunden auslagert. Obwohl das sogenannte „Public Beta

Testing“ oft zu besseren Ergebnissen führt als Testreihen im abgeschlossenen

Labor, ist die Betrachtungsweise von Voß schon deshalb berechtigt, weil

kostenlose Arbeit im Wirtschaftskreislauf nichts zu suchen haben sollte (vgl.

Friebe; Lobo 2005, S. 216).

Seit dem Jahr 2000 erscheint Managementliteratur, welche einen dramatischen

Wandel bei der Kundenrolle beschreibt. Das Heraustreten des Kunden aus

traditionellen Rollen und das Aufkommen des aktiven Kunden wird in

verschiedenen Texten konstatiert. Dabei spielen digitale Techniken eine

bedeutende Rolle für diese Entwicklung zum „Prosumenten neuen Typs“. Die

Mitwirkung des Konsumenten bei der Leistungserbringung erfordert dabei nahezu

professionelle Kompetenzen. Damit ist die erreichbare Dienstleistungsqualität in

hohem Maße von der Kompetenz der Konsumenten abhängig. Die Tätigkeiten der

Prosumenten neuen Typs ähneln in vielen informatisierter beruflicher Arbeit – der

Prosument neuen Typs nähert sich deutlich der Erwerbsrolle (vgl. Voß; Rieder

2006, S. 111-112). Im Bereich der Musik bedeutet dies die Produktion eigener

Musikstücke und deren kostenlose Bereitstellung auf verschiedenen Social

Software-Seiten oder in Weblogs. Handelt es sich dabei um Social Sharing-

Plattformen, wie z.B. YouTube, stellen diese Produzenten sogar die wichtigste

Ressource der Plattform dar. Ihr einziger Lohn ist ihre Reputation im Netzwerk.

Diese Reputation ergibt sich einerseits durch die Rezipienten, welche durch den

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Konsum der Inhalte diese in Beliebtheitslisten aufnehmen. Andererseits können

sich Bewerter aktiv an der Organisation der Inhalte beteiligen und sie

kommentieren (vgl. Ebersbach; Glaser; Heigl 2008, S. 107).

Crowdsourcing und Beta

Die Wortneuschöpfung „Crowdsourcing“ bezeichnet den Trend zur

Teilauslagerung von Unternehmensaufgaben an eine Menge von Menschen, die

diese Aufgaben in ihrer Freizeit lösen, meist kostenlos. Das WWW dient dabei als

Medium und Plattform für alle Prozesse zwischen Unternehmen und einem Heer

von Freizeitarbeitern (vgl. Ebersbach; Glaser; Heigl 2008, S. 217). Bei Beta-

Versionen wurde die Software in der Regel schon zuvor intern getestet und wird

dann erst der gesamten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt um die restlichen

Programmfehler (Bugs) zu identifizieren (vgl. Ebersbach; Glaser; Heigl 2008,

S. 190).

Crowdsourcing und das Testen von Beta-Versionen haben einige

Überschneidungen mit dem User Generated Content, es geht aber meines

Erachtens weiter, da die Unternehmensinteressen und keine persönlichen

Interessen im Vordergrund stehen, weshalb dies der Unterkategorie produktiv

und nicht der Unterkategorie Partizipation zugeteilt wird. Gemeinsam ist ihnen

die „Bezahlung“; sie erfolgt durch Aufmerksamkeit, Bestätigung und

Gemeinschaftsgefühl.

Vieles von dem, was Internetökonomie heute praktisch ausmacht, läuft darauf

hinaus, dass sich die Kunden selbst in die Vermittlungsleistung mit einbringen

und damit gewissermaßen eine pro-aktive Mitarbeit leisten (müssen), wenn sie

bestimmte Güter und Dienstleistungen erwerben wollen.

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2. Bewertung verschiedener Web 2.0-Angebote

Vorweg muss angemerkt werden, dass zu den verschiedenen Web 2.0-

Angeboten unterschiedlich viel Literatur zu Verfügung steht. Die drei

untersuchten Web 2.0-Netzwerke wurden Anhand ihrer Bekanntheit (gemessen

an der User- oder Profilzahl) und ihrer stark unterschiedlichen Schwerpunkten

ausgewählt, analysiert und so weit wie möglich mit Literaturangaben gestützt.

Weblogs als weiteres Angebot für Musikinteressierte werden als eine

gemeinsame Kategorie angesehen, da sich die musikspezifischen Weblogs sehr

stark ähneln.

2.1. Last.fm

Last.fm ist ein Musikdienst, „der lernt was du magst“11. So beschreibt sich

Last.fm selbst und weist damit gleich zu Beginn auf sein Recommender-System

hin. Last.fm entstand aus dem Zusammenschluss des Online-Plattenlabels von

Felix Miller und Martin Stiksel und dem Studenten Richard Jones, der

Programmerfinder des Audioscrobblers, welcher aufzeichnet, was man auf

seinem Computer hört. Mittlerweile speisen alle Major-Labels und viele kleine

Labels ihr Repertoire in das Programm, auf das weltweit über 20 Millionen User

aus 239 Ländern12 zugreifen, welche von 94 Mitarbeitern13 betreut werden.

„Jedes Lied, das du spielst, wird deinem Last.fm-Profil etwas zu deinen

musikalischen Vorlieben mitteilen. Es kann dich mit anderen Leuten

zusammenbringen, die mögen was du magst – und dir andere Lieder aus

ihrer Musiksammlung empfehlen, sowie aus deiner eigenen

… und während du Last.fm verwendest machst du es immer besser, für

dich und alle anderen. Wenn du ein Lied an einen Freund empfiehlst, zu

11 www.lastfm.de/about Abruf am 4.12.2008 12 www.lastfm.de/advertise Abruf am 4.12.2008 13 www.lastfm.de/team Abruf am 4.12.2008

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deinen Lieblingsliedern hinzufügst oder etwas darüber schreibst – oder

einfach nur anhörst – veränderst du die Rolle, die dieses Lied auf Last.fm

spielt. Es wird an andere Leute empfohlen werden, da du es angehört

hast. Es wird in unseren Musikcharts nach oben klettern, und vielleicht

wird es von mehr Leuten gehört werden, weil du es gut gefunden hast“14

In den ersten beiden Absätzen der Selbstbeschreibung von Last.fm werden fast

alle relevanten Aktivitätskriterien, wie sie im vorherigen Kapitel ausgearbeitet

wurden, angesprochen.

Passiv 3333

Das Last.fm-Radio kann man auch ohne dass man ein Profil besitzt benützen.

Man gibt einfach einen Künstler ein und hört Musik passend zum Künstler. Sobald

man ein Profil bei Last.fm eingerichtet hat und einige Titel vom Audioscrobbler

gespeichert wurden, hat man die Möglichkeit sein eigenes personalisiertes Radio

zu hören, bzw. das seiner „Nachbarn“. Das Radio kann direkt auf der Last.fm-

Seite oder vom Audioscrobbler aus gestartet werden.

Informativ 4

Zu jeder Musikgruppe oder jeden Musiker gibt es von den Usern selbst verfasste

Informationen, welche auch solange die URL der jeweiligen Quelle eingegeben

wird von Wikipedia oder anderen GFDL-lizensierten Quellen kopiert werden

dürfen. Die Profile der Musiker werden also nicht von den Musikern selbst

gestaltet. Zu jedem Künstler gibt es zusätzlich die Information wie oft dieser

gespielt wurde, wie viele Hörer es auf Last.fm gibt, News und eine

Kommentarfunktion. Zusätzlich verbindet Last.fm diese Informationen mit der

Promotion von Konzertterminen und den Musikverkauf über den Partner

7DIGITAL als Download bzw. über amazon.com als Tonträger (vgl. Warm 2008,

S. 74).

14 www.lastfm.de/about Abruf am 4.12.2008

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Interaktiv: Kommunikation und Partizipation

Um auf Last.fm kommunizieren zu können, muss ein Profil angelegt werden.

Danach hat man zahlreiche Möglichkeiten sich in die Social Software

einzubringen.

One–one-Kommunikation 4

Die öffentliche One-one-Kommunikation wird durch sogenannte „Shoutboxen“

ermöglicht. Diese sind in jedem Profil integriert und können auch von „Nicht-

Freunden“ zum kommentieren des Musikgeschmacks des Profilinhabers oder

auch für alle anderen Nachrichten genutzt werden.

One-Many-Kommunikation 4

Die zuvor erwähnten Shoutboxen befinden sich auch auf den jeweiligen Profilen

der Künstler sowie auf den Informationsseiten über Events. So können sich die

unterschiedlichen User durch diese Kommentarfunktion über die letzte Platte

oder das letzte Konzert des jeweiligen Künstlers unterhalten. Ein zusätzliches

Angebot bietet Last.fm mit einem persönlichen Blog für jeden User. Auch da

Last.fm-Team selbst führt einen Blog.

User Generated Content - Many-many Kommunikation 4

Die Möglichkeit, selbst User Generated Content bereit zu stellen, haben die User

von Last.fm indem sie Informationen zu den Musikern ganz im Stil von Wikipedia

gemeinsam verfassen. Diese Texte werden also ausschließlich von den

Profilinhabern editiert.

Profile 3333

Die Profile von Last.fm wurden schon mehrfach erwähnt. Eine Besonderheit dabei

ist, dass die User ihre Profile neben dem Uploaden eines Fotos und der Eingabe

einiger weniger Daten zu Person (z.B. 26, Weiblich, Österreich) nur über ihre

gehörte Musik gestalten können.

Um ein User-Profil anlegen zu können, gibt es verschiedene Möglichkeiten: Eine

Möglichkeit besteht darin, sich durch das Last.fm-Repertoire zu hören und jeden

Titel (oder ganze Alben), der einem gefällt mittels „Add to profile button“ seinem

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Profil hinzuzufügen. Eine andere Möglichkeit sich ein Profil anzulegen kann durch

den MP3-Player und dem „Audioscrobbler Plug In“ erfolgen. Hierfür werden

einfach die Titel vom MP3-Player auf den Last.fm-Server übertragen. Oder man

hört einfach Last.fm-Radio und fügt die ausgewählten Songs zu seinem Profil.

Das User-Profil schließlich gibt Auskunft über den Inhalt und kann natürlich

entsprechend editiert werden (vgl. Steindl 2007, S. 85-86).

Die Profilbesitzer können nach erfolgreicher Registrierung auch andere

Profilbesitzer als „Freunde“ zum eigenen Profil hinzufügen. Weiters sind auf den

Profilseiten die letzten Aktivitäten, die Freunde, die persönlichen Hitlisten und

vieles mehr einsehbar.

Abonnementen (Kosten 2,5 EURO/Monat) unterscheiden sich von den „normalen“

Usern dadurch, dass sie die Möglichkeit haben, Besucher ihres Profils zu sehen,

dass sie keine Werbung erhalten, unendlich viele Playlisten erstellen können,

eine weitere Radiostation „Lieblingslieder“ (diese müssen eigens dafür getaggt

werden) nutzen können, eine „Top-Priorität“ zum Webserver und zum

Radioserver zu den Hauptzeiten bekommen und Beta-Versionen schon vor allen

anderen User testen zu können.

Tagging 4

Jeder Besitzer eines Profils kann seine Musik auch ganz einfach mit eigenen

Worten kategorisieren. Inhalte werden bei Last.fm ausschließlich durch die

Community klassifiziert. Auf den Seiten der Musiker sind die jeweiligen Tags

dann sichtbar und informieren die anderen User über Musiker, die mit denselben

Worten getaggt wurden. Die Tags der User können auf den Profil-Seiten

durchsucht werden. Die Tagcloud von Last.fm kommuniziert zusätzlich die

Relevanz der einzelnen Objekte durch vergrößerte Darstellung der häufigsten

Tags.

Präferenzaktiv 4

Last.fm ist ein Online-Radiosender mit der Besonderheit der Collaborative-

Filtering-Methode. Ähnlichkeiten von Eigenschaften eines Songs sind dem

Recommender-System von Last.fm nicht bekannt. Stattdessen wird

angenommen, dass jene Benutzer, die einen gewissen Musikinterpreten

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favorisieren, ebenfalls jene Interpreten bevorzugen, die der gleichen Gruppe von

Interpreten zugeordnet werden. Nachdem die User ein Profil erhalten und schon

einige Musiktitel gehört haben, ermittelt Last.fm mittels dieser Methode

Korrelationen zwischen Personen mit ähnlichen Präferenzen, so genannte

„Nachbar-Verbindungen“. Dies sind User, die die gleichen Musiktitel oder

Musikstile bevorzugen. Last.fm benutzt diesen Ansatz jedoch mit

unterschiedlichem Fokus als andere Systeme. Anstatt den Algorithmus, der die

Empfehlungen identifiziert, zu verbessern, versucht der Ansatz von Last.fm den

Datenbestand zu korrigieren und zu vervollständigen (vgl. Mortensen 2007,

S.20)

Auf diese Weise entstehen individuelle Radiosender, welche die Empfehlungen

von Last.fm an die User darstellen (vgl. Steindl 2007, S. 85-86).

Produktiv

Last.fm hat mittlerweile die Kataloge aller großen Majors im Programm und

ermöglicht die Aufnahme auch für alle anderen kleineren Labels. Die im

Repertoire erfassten Künstler erhalten ihre Tantiemen über die MCP/PRS-

Vereinigung15, dem englischen Pendant zur AKM in Österreich oder der GEMA in

Deutschland (vgl. Steindl 2007, S. 85-86). Aber auch private Personen können

ihre eigenen Lieder einspeisen.

Prosuming 4

Künstler, die ihre eigene Musik bei Last.fm zum anhören freigeben wollen,

müssen sich zuvor als Künstler bei Last.fm registrieren lassen. Last.fm lockt mit

den Vorteilen einer großen Community, welche die Künstler zu Promotions-

Zwecken nützen können16.

Seit 1. Juli 2008 erhalten die Künstler ohne Plattenvertrag nun auch eine

Zahlung im Rahmen des „Artist Royalty Programms“ von Last.fm, welches durch

Werbeeinahmen finanziert wird. Jedes Mal wenn ein Künstler über die „Musik On

15 www.mcps-prs-alliance.co.uk Abruf am 7.01.2008 16 http://www.lastfm.de/uploadmusic?accountType=artist Abruf am 29.11.2009

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Demand“-Funktion oder in einem Last.fm-Radio gespielt wird, erhält der Musiker

eine Vergütung17.

Crowdsourcing 3333

Nur als Abonnement hat man bei Last.fm die Möglichkeit, Beta-Versionen schon

vorab zu testen und diese zu kommentieren. Man wird dabei von Last.fm explizit

um Mithilfe gebeten.

Last.fm stellt ein interessantes Geschäftsmodell von Social Commerce innerhalb

von Social-Music-Plattformen dar. Der Nutzer wird entsprechend seiner Vorlieben

mit Musik versorgt. Gleichzeitig ist es möglich, mit Hilfe von Social Filtering jene

Nutzer zu identifizieren, die dem eigenen Musikgeschmack am nächsten kommen

um ein Netzwerk aufzubauen (Vgl. Baechle 2008, S.131). Das Geschäftsmodell

von Last.fm ist auf drei Säulen aufgebaut. Durch Vermittlungsgeschäfte

Abonnements für Extra-Features und klassische Werbung auf der Homepage

werden Erlöse erzielt (vgl. Warm 2008, S. 74).

2.2. MySpace

MySpace ist eine mehrsprachige Social Networking-Website, die es den Nutzer

ermöglicht, kostenlose Benutzerprofile mit Fotos, Videos, Blogs, Gruppen usw.

einzurichten. Mit über 180 Millionen Mitgliedern ist MySpace eine der größten

Communities im WWW. Der Schwerpunkt von MySpace liegt seit Gründung durch

Tom Anderson im Jahre 2003 auf der Musik. Anderson nutzte seine Kontakte zu

Künstlern und Bands und überzeugte sie davon, sich „ihren MySpace“

einzurichten. Damit wurde es möglich, dass Bands und Fans miteinander in

Kontakt treten konnten (vgl. Ebersbach; Glaser; Heigl 2008, S. 83).

„MySpace has joined forces with music giants Warner Music Group,

Universal, Sony BMG and EMI to create MySpace Music - the world´s

richest music experience. MySpace has over 5m artists/bands worldwide

17 http://blog.last.fm/2008/07/09/calling-all-musicians Abruf am 29.11.2009

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90

connecting with 120m consumers who play over 6 billion tracks per

month, making it the planet´s most visited music destination. But it´s not

just about streaming music. MySpace Music offers purchasable MP3

downloads, ringtones, gig tickets, merchandise and much more. This

prompted David Sinclair of Word to state “for the global community of

musicians and music fans, it´s (MySpace Music) turning into a music

version of Google.”18

Passiv 2222

User können auf MySpace-Music die Profile aller Künstler die sich bei MySpace als

Musiker registrieren haben lassen - auch ohne selbst einen Account zu besitzen -

besuchen. Auf diesen Profilseiten können Musiker ihre eigene Musik hochladen

und diese kann dann (passiv) gehört werden. Interessant ist die „Add to my

profile“-Funktion19, welche jedem Profilinhaber ermöglicht hochgeladene

Musikstücke dem eigenen Profil hinzuzufügen. Allerdings können Künstler nicht

mehr als 4 Lieder ihrem Profil hinzufügen, somit muss danach (aktiv) wieder ein

neuer Künstler gesucht werden. Das MySpace-Radio kann ebenfalls, ohne dass

ein Account angelegt werden muss, genutzt werden. Es handelt sich dabei um

einen Podcast, also einer speziell für MySpace zusammengestellten

Radiosendung, und nicht um ein personalisiertes Radio.

Informativ 4

Die Musiker gestalten ebenso wie die „normalen“ User ihre Profilseiten selbst,

durch Angaben zur Person, über Videobeträge und Fotos20. Die MySpace-Seiten

der Musiker sind meist gut sortiert, damit die User schnell Informationen über

Neuerscheinungen und Tourdaten erhalten. Mittlerweile lassen viele berühmte

Künstler ihre MySpace-Seiten von ihrem Management oder ihrem Fanclub

betreuen.

18 http://creative.myspace.com/uk/trademarketing/downloads/moreopps.pdf Abruf am 22.12.2008 19 http://www.myspace.com/index.cfm?fuseaction=userTour.yourSpace Abruf am 22.12.2008 20 http://www.myspace.com/index.cfm?fuseaction=userTour.yourSpace Abruf am 22.12.2008

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Interaktiv: Kommunikation und Partizipation

Um am Netzwerk auch aktiv teilnehmen zu können muss ein Profil erstellen

werden. Nach der Angabe einiger weniger Daten kann jedes Profil individuell

gestaltet werden. Die Profile können privat oder öffentlich sein, d.h. private

Profile können nur von den „friends“ angesehen werden können.

One-one Kommunikation 4

Auf MySpace wird auf den einzelnen Profilseiten öffentlich kommuniziert. Dazu

muss zuerst eine „Freundschaft“ zwischen den kommunizierenden hergestellt

sein. Mit der Funktion „Add comment“ können auf dem befreundeten Profil

Kommentare hinterlassen werden.

One-many Kommunikation 4

Ähnlich der One-one-Kommunikation funktioniert auch die One-many-

Kommunikation. Mittels „Bulletins“ können Informationen gleichzeitig an alle

befreundeten Nutzer versendet werden.

“Post a bulletin and your message will show up on all your friends' bulletin

boards.”21

Besonders vorteilhaft ist diese Funktion für Musiker die ihre Fans über

Neuigkeiten oder über Tourdaten informieren wollen.

Eine weitere Möglichkeit der One-many-Kommunikation hat jeder User über

seinen eigenen Blog.

User Generated Content – Many-many Kommunikation 1111

Schriftlich erstellter User Generated Content im Sinne dieser Arbeit wird auf

MySpace nicht produziert. Die User partizipieren nur über die Kommentarfunktion

und erstellen keine gemeinsamen Inhalte. Allerdings werden die MySpace-

Radiosendungen gemeinsam mit den Usern erstellt.

21 http://bulletins.myspace.com/index.cfm?fuseaction=bulletin Abruf am 22.12.2008

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„MySpace have created the world’s first user generated radio station. The

station showcases the latest emerging talent and invites user audition for

a chance to be the show's weekly co-host and, as you would expect from a

user generated station, their fate is decided by the listeners.”22

Profile 4

Ein MySpace-Profil kann auf sehr unterschiedliche Weise gestaltet werden. Diese

individuellen Gestaltungsmöglichkeiten mittels Fotos, Musik, Videos und

Textbeiträgen lassen eine ausgeprägte virtuelle Selbstdarstellung zu. Die dem

Profil hinzugefügte Musik wird automatisch beim Aufrufen der Profilseite

abgespielt und trägt somit wesentlich zur Profilgestaltung bei.

“One of the core reasons MySpace users love the site and keep coming

back, long after they have lost interest in other sites is the creativity and

self-expression the site allows. MySpace can now reveal that we have

revolutionised the way our users manage their profiles making this self-

expression even more fun than before and removing the need to have any

CSS/HTML knowledge or design input from third party sites.”23

Tagging 0000

Die Musiker auf MySpace-Music werden zwar in Genres unterteilt, diese basieren

aber nicht auf User-Tags. Es handelt sich um eine Taxonomie aufgrund des

angegebenen Genres des Musikers.

Präferenzaktiv 0000

Auf MySpace-Music werden täglich andere Musiker präsentiert und auch die Top-

Künstler können schnell identifiziert werden. Jedoch basiert dies nicht auf einer

persönlichen Empfehlung. Persönlich können Musikempfehlungen nur mittels

Kommentarfunktion zwischen den Usern ausgetauscht werden.

22 http://www.myspace.com/ukadvertising Abruf am 22.12.2008 23 http://creative.myspace.com/uk/trademarketing/downloads/moreopps.pdf Abruf am 30.12.2008

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Produktiv

Alle registrierten Musiker können Musik bei MySpace hochladen, solange es sich

um ihre eigene Musik handelt oder sie berechtigt sind diese weiter zu

vertreiben.24

Prosuming 4

MySpace setzte bei der Gründung 2003 den Schwerpunkt auf die Vernetzung von

unabhängigen Musikern und Bands. Mittlerweile ist der Besitz eines MySpace-

Profils für jede Band zum Muss geworden, da MySpace, wie im

Eingangsstatement festgehalten, versucht eine Musikversion von Google zu

werden.

„One big reason to get involved in MySpace is that it´s a great way to

rapidly build your mailing list. […]That pays dividends down the road, as

once someone is on my list I can remind them about my music on a

regular basis. It also gives me more people to promote my concert events

to when I go on tour.” (Nevue 2007, S. 108)

Crowsourcing 1111

Eine deutsche Beta-Version wurde Ende 2006 online gestellt und hat im Januar

2007 bereits mehr als 2,5 Millionen Mitglieder25.Seit Sommer 2007 gibt es auch

eine Österreichische Version. Die User werden aber nicht aufgefordert an der

Beta-Version mitzuarbeiten.

2.3. SellaBand

Das seit 2006 bestehende Angebot SellaBand setzt sich einen sehr interessanten

Schwerpunkt: Die Promotion und Produktion von Neuentdeckungen mit

Unterstützung der Fans.

24 http://signups.myspace.com/index.cfm?fuseaction=signupBand Abruf am 30.12.2008 25 Spiegel-Online 01.08.2007, http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument.html?id=50109989&top=SPIEGEL Abruf am 22.12.2008

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"To unite Artists and Fans in an independent movement that aims to level

the playing field in the global music industry."26

Üblicherweise schließen Musikschaffende Verträge mit Labels über eine oder

mehrere Tonträgerproduktion/en ab. Der Labelvertrag, der auf dem

Leistungsschutzrecht basiert, garantiert im Idealfall auf längere Sicht Einnahmen

aus Tonträgern. Die Bindung ist meist exklusiv, das heißt, dass der Tonträger nur

bei dem Label veröffentlicht wird, mit dem der Vertrag abgeschlossen wurde. Die

Exklusivität ist für das Label wichtig, weil es nur so zum einzigen Verwerter der

Leistungsschutzrechte wird. Die Exklusivität kann aber Nachteile für

Musikschaffende mit sich bringen, vor allem wenn sich der Vertrag über mehrere

Tonträgerproduktionen (und damit über Jahre) an das eine Label bindet.

Musiklabels schießen die Kosten für Produktion, Tournee und Marketing vor,

wodurch Musikschaffende oder Bands häufig gezwungen sind lange Zeit Schulden

abzuzahlen (vgl. Sperlich 2005, S. 91f).

Alternativen bilden Angebote wie www.sellaband.com, welche Musikschaffenden

ermöglichen ohne Verträge und ohne Kosten, sondern durch Fanpartizipation,

einen Tonträger zu produzieren. Jede CD-Produktion wird in 5000 Parts unterteilt

wobei jeder Nutzer einen oder mehrere Parts zum Preis von je 10$ kaufen kann.

Ist die gesamte Summe von 50.000$ erreicht, wird der Band ein A&R-Manager,

ein Produzent und ein Studio zur Verfügung gestellt.

Zwei große Vorteile ergeben sich aus dem Konzept SellaBand: Erstens sind die

Künstler zu keiner Zeit an SellaBand gebunden und können jederzeit einen

Labelvertrag ihrer Wahl unterschreiben. Zweitens steht ein großes Netzwerk an

Musikbegeisterten auf der Plattform SellaBand zur Verfügung, welches dem

Bekanntwerden und der Promotion der Band hilft.

Als Nutzer dieser Plattform wird man interessanterweise als „Believer"

bezeichnet, was zum Ausdruck bringen soll, dass man an seine jeweiligen

LieblingskünstlerInnen glaubt und sie deshalb unterstützt. Typisch für Social

26 http://www2.sellaband.com/aboutus.html Abruf am 4.01.2009

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Software sind die jeweiligen Profile der „Believers" und deren

Informationsaustausch untereinander, welcher der Künstlerpromotion dient.

Ist die CD produziert, sind 3 Lieder des neuen Albums auf der Webseite von

SellaBand gratis verfügbar, die anderen können gegen eine Gebühr

heruntergeladen werden. Die CD selbst kann über die Webseite, über die

einzelnen Believer-Profile und über den Künstler bezogen werden. Jeder Believer

erhält für seine Teilnahme eine CD. Die Einnahmen aus den Downloads und CD

Verkäufen werden zwischen SellaBand, Musiker und auch Believer geteilt. Somit

soll die aktive Promotion durch die Believer gefördert werden.

Derzeit (Stand Juli 2008) haben 23 Musiker durch die seit 2006 bestehende

Plattform eine CD-Produktion erreicht. Neben den Gründern Johan Vosmeijer

(ehemals bei Sony/BMG), Pim Betist und Dagmar Heijmans (ehemals

Sony/BMG), hat die Plattform mittlerweile 7 weitere Mitarbeiter27.

Passiv 2222

Um Musik auf SellaBand hören zu können muss man noch kein Profil angelegt

haben. SellaBand bietet ein Radio (auch als „Stand Alone Player“) welches

spezielle Playlisten (z.B. New Uploaded Tracks) zusammenstellt. Man hat aber

auch die Möglichkeit direkt einen Künstler auszuwählen und nur die Musik des

jeweiligen Künstlers zu hören. Dabei entscheidet der Künstler welche Musik

upgeloadet wird. Ist von diesem Künstler schon ein Album über SellaBand

produziert worden, stehen von diesem Album 3 Lieder zur Verfügung. Sobald

man ein Profil erstellt hat, kann der Believer seine eigenen Playlisten

zusammenstellen und seinem Profil anhängen28.

Informativ 2222

Um weiterführende Informationen zu den jeweiligen Musikern und Bands zu

finden, müssen deren selbst erstellten Profile besucht werden. Die Musiker haben

die Möglichkeit Informationen in Form von Text-, Bild- und Videoeinträgen

27 http://www2.sellaband.com/aboutus.html Abruf am 30.12.2008 28 http://www.sellaband.com/player und http://www.sellaband.com/search/?search=1 Abruf am 30.12.2008

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bereitzustellen. Zusätzlich sieht man den Status (Anzahl der verkauften Parts)

der Band oder des Musikers und die Netzwerkbewegungen rund um die

Profilseite.

Interaktiv: Kommunikation und Partizipation

Die Web 2.0-Plattform SellaBand bietet unterschiedliche Möglichkeiten der

Kommunikation und Partizipation. Besonders an SellaBand ist, dass auch die

User für ihre Bemühungen auf der Plattform entlohnt werden.

One-one Kommunikation 3333

Die Kommunikation zwischen den Usern ist auf den jeweiligen Profilseiten

einsehbar und findet mittels Kommentarfunktion statt. Hauptsächlich wird diese

Kommunikation aber nicht von den Usern untereinander genützt, sondern von

Musikern und Bands um User gezielt auf ihre Musik aufmerksam zu machen.

One-many Kommunikation 2222

Den Profil-Seiten der Musiker kann jeder User Kommentare anfügen. Aber auch

der Künstler selbst kann hier Informationen hinzufügen. Die Nutzung der One-

many-Kommunikation ist aber auf SellaBand viel häufiger genutzt

User Generated Content – Many-many Kommunikation 0000

Grundsätzlich erstellen die User von SellaBand nicht die Inhalte über Musiker und

Bands. Die Möglichkeit der User sich für die Promotion einer oder mehrerer

Bands stark zu machen, kann zwar als User Generated Content gesehen werden,

aber nicht im Sinne dieser Arbeit. Im eigenen Profil erhält man einen „Promo-

Tool-Bereich“, welcher zur freiwilligen Vermarktung der Künstler (in die der

Profilinhaber investiert hat) einladet. Die Believers können z.B. einen Shop-

Bereich einrichten und direkt über ihr Profil die Musik ihrer Lieblingskünstler

verkaufen, aber auch ganz einfach Informationen über Künstler bereitstellen.

Profile 4

SellaBand basiert fast ausschließlich auf Profilen. Sowohl die User als auch die

Künstler erstellen ihre Profile selbst. Dabei besteht die Möglichkeit neben der

Bekanntgabe von textuellen Informationen auch Fotos und Videos hochzuladen.

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97

Jedem User und Künstler steht auch ein eigener Blog zur Verfügung. Die

persönlichen Angaben beschränken sich auf das Herkunftsland und den

Eintrittstermin in die Plattform; optional können auch Geschlecht und Alter

angegeben werden.

Tagging 4

Inhalte werden auch auf SellaBand mittels Tagging sortiert. Dabei werden die

meistgenutzten Tags zu einem Künstler größer dargestellt in der Tagcloud. Auf

den Profilseiten der Künstler können die Tags zum jeweiligen Künstler, auf den

Profilseiten der User können die persönlich getaggten Inhalte eingesehen

werden.

Präferenzaktiv 0000

SellaBand arbeitet nicht mit Präferenzen oder Empfehlungen. Neuheiten werden

über Playlisten verbreitet. Diese werden aber nicht nach Ähnlichkeiten im

Musikstil oder der User zusammengestellt, sondern nach z.B. neuen Künstlern

oder den erfolgreichsten Künstlern der Plattform. Ein Recommender System

kommt nicht zum Einsatz.

Produktiv

Die Vision von SellaBand ist es Künstler ohne Labelvertrag eine Plattform zur

erfolgreichen Promotion zu bieten. Dabei ist es unerlässlich die Musikstücke der

Künstler gratis anzubieten.

Prosuming 4

Um als Künstler überhaupt bei SellaBand teilnehmen zu können, müssen eigene

Musiktitel hochgeladen werden. Die Künstler tragen somit ausschließlich und

direkt zum Content der Plattform bei. Die Plattform selbst unterstützt dann die

Bekanntmachung der Musiktitel. Anders als bei anderen Plattformen ist jedoch

die Möglichkeit, dass die Künstler, falls ihre Promotion erfolgreich ist und sie die

50.000 Parts verkauft haben, ein Produzent und ein A&R-Manager zur Seite

gestellt wird. Gemeinsam wird ein Album produziert, von dem wiederum drei

Titel der Plattform zur Verfügung gestellt werden.

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2.4. Musikspezifische Weblogs

Weblogs sind bekannt für ihren alternativen Journalismus in Tagebuchform

(siehe dazu Kapitel III.2.1.), aber auch im Bereich der Musik und des

Musikjournalismus sind unzählige Weblogs entstanden. Die Angebote ähneln sich

in Hinblick auf Funktion und Aufbau sehr stark und werden daher gemeinsam

untersucht – die gesamte musikspezifische Blogosphäre steht bei der

Betrachtung im Mittelpunkt. Blogs werden auf einer sehr individuellen und

persönlichen Ebene verfasst und sind meist auf ein bestimmtes Musikgenre oder

auf eine bestimmte Musikpräferenz beschränkt. Die Betreiber promoten ihre

musikalischen Neuentdeckungen mittels eigenen Textbeiträgen, Videostreams

von YouTube, Distributionsverbindungen zu Amazon.com und mit

Musikdownloads.

„Any music file you acquire following provided links, use only for your own

evaluation purpose, and delete it within 24 hours. If you like anything of

the music presented here, please buy it.”29

“The MP3s on this site are only available for 6 days. My intention is not to

violate copyright laws. If you are owner (copyright or creator) of an MP3

posted here and are unhappy about its use, please email me and I will

delete it immediately.”30

Passiv 0000

Passiv kann ein Weblog sehr schlecht genutzt werden. Da sich die hier

untersuchten Weblogs hauptsächlich mit relativ unbekannter Independentmusik

beschäftigen, muss zuerst das Blog nach passender Musik durchsucht werden.

Erst dann können die Audiodateien ausgewählt werden. Über eigene Player oder

Playlisten, welche die Musik auf dem Blog zusammenstellen könnten, verfügen

die Blogs nicht.

29 http://indiesurfer.blogspot.com Abruf am 09.12.2008 30 http://mp3hugger.com/2007/05/about-mp3hugger.html Abruf am 09.12.2008

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Für die Nutzung aller Inhalte, auch musikalischer, ist allerdings keine Anmeldung

erforderlich. Erst wenn man aktiv in die Kommunikation eintreten will, muss man

sich dem Netzwerk anschließen, einige Blogger lassen aber auch das anonyme

Verfassen von Beiträgen zu.

Informativ 4

Die große Stärke von Weblogs liegt in der Aufbereitung alternativer,

musikspezifischer Informationen. Je nach persönlichem Interesse des

Blogbetreibers werden Informationen zu den unterschiedlichen Musikgruppen

und Genres bereitgestellt. Die Informationen tragen immer die persönliche Note

des Autors und können nicht als Tatsachen angesehen werden. Im lokalen oder

regionalen Musikjournalismus haben die Blogger aber die Vorteile Informationen,

welche für „seriöse“ Journalisten unerheblich wären, schnell und detailiert einer

großen Öffentlichkeit zu unterbreiten (siehe dazu Seite 45 Blogs und die

traditionellen Medien).

Um die Menge an Information filtern zu können, verfügen alle Blogs über eine

Suchfunktion und über eine Art Abosystem (RSS-Feed). Mittels RSS-Feed können

die Besucher des Blogs auf zuvor definierte, neu erschienene Artikel eines oder

mehrerer Blogs zugreifen, ohne jeden einzelnen Blog aufrufen zu müssen. Dabei

ist ein RSS-Abonnement nicht auf reine Text-Inhalte beschränkt. Auch Audio-

oder Video-Inhalte (Podcasting) können via RSS abonniert werden.

Interaktiv: Kommunikation und Partizipation

One-one-Kommunikation 0000

Eine persönliche One-one-Kommunikation ist in der Blogosphäre eher

unerheblich. Vielmehr steht die Diskussion des Contents, des Inhalts, im

Vordergrund.

One-many-Kommunikation 4

Die zuvor erwähnte Aufbereitung musikspezifischer Inhalte erfolgt in der

Blogosphäre mittels One-many-Kommunikation, also mittels Kommentarfunktion.

Der Content wird durch Kommentare und deren Verlinkung mittels Trackbacks

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100

und Blogrolls aufgebaut. So entsteht ein Netz an Informationen zum jeweiligen

Thema.

User Generated Content – Many-many Kommunikation 1111

Aus der One-many-Kommunikation wird in der Blogosphäre durch das Verfassen

von Kommentaren, das Hinzufügen von Trackbacks und Permalinks eine Many-

many-Kommunikation zu einem spezifischen Thema. Das Gesamtbild

betrachtend, ergibt dies einen User-Generated-Content, der zwar jeweils ein

Thema generiert, dies aber in einer sehr persönlichen und ungeordneten Weise.

Der Content selbst wird nicht verändert oder aktualisiert sondern durch

Kommentare erweitert. Um User-Generated-Content im Sinne des definierten

Kriteriums handelt es sich dabei eher nicht.

Profile 1111

Ebenso wie die One-one-Kommunikation ist auch die persönliche Darstellung

durch Profile unerheblich. Die Teilnehmer an einem Blog, also die Verfasser der

Kommentare, sind nur registriert und erhalten kein Profil. Die meisten

Partizipatoren betreiben stattdessen selbst einen Blog. Das Betreiben eines Blogs

in der Blogosphäre kann aber gleich, wie die Gestaltung eines Profils in einem

Netzwerk gesehen werden. Denn der Autor des Blogs ist in seinem Blog stil- und

themenbestimmend. Er entscheidet über die Inhalte und deren audiovisuelle

Aufbereitung. Die Person selbst steht dabei aber meist im Hintergrund.

Tagging 0000

Blogs sind rückwärts chronologisch sortiert. Zusätzlich bieten die Blogger

unterschiedliche Orientierungshilfen, wie z.B. Archive, Recent Posts, Blogroll. Das

Ordnen mittels Tags ist unüblich. Die verschiedenen Blogs selbst werden aber auf

Seiten wie www.delicious.com mittels Tags geordnet.

Präferenzaktiv 0000

Durch das Fehlen von Profilen und Angaben zu den eigenen Präferenzen ist die

Nutzung eines Recommender-Systems nicht möglich. Ein Blog selbst ist aber eine

Art Empfehlung an die Themeninteressierten.

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101

Produktiv 0000

Der Blogger ist durch seine selbst motivierte Betreibung des Blogs einer der

Produzenten des Blogs. Die meisten Blogger widmen sich der Musik aber als

Journalisten und nicht als Musiker, welcher seine Musik selbst hochlädt. Auch die

Erweiterung der Blogosphäre, welche ausschließlich durch die Blogger erfolgt,

kann zwar als eine Art Crowdsourcing gesehen werden, im Sinne des zuvor

definierten Kriteriums Crowdsourcing, ist diese Aktivität aber nicht mit

einzubeziehen.

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102

Tabelle 3: Gegenüberstellung der Web 2.0-Angebote

Quelle: Eigene Angaben

Bei der Gegenüberstellung der Web 2.0-Angebote fällt auf, dass das Kriterium

One-many-Kommunikation am stärksten ausgeprägt ist. Die Kommunikation und

Partizipation mittels Kommentaren scheint für die User als befriedigendste

Methode am Web 2.0 teilzunehmen. Durch die Wichtigkeit dieses Kriteriums

entstehen besonders in der Musikpromotion neue Möglichkeiten (siehe dazu

Teil V.).

Zum passiven Musikkonsum kann das Web 2.0 sehr schlecht genützt werden, für

ein „Berieseln lassen“ ist zumindest ein zuvor eingegebenes Suchkriterium

notwendig. Meisten können nur einige wenige Lieder am Stück gehört werden.

An Information mangelt es dem Web 2.0 allerdings nicht. Diese ist meist sehr

aktuell und detailiert, die Quellen sind aber oft nicht angegeben.

Die größte Stärke liegt bisher, wie bereits erwähnt, in der Kommunikation, aber

das Web 2.0 hat auch viele Angebote hinsichtlich der Partizipation. Außer in der

Profilgestaltung, bieten die musikspezifischen Web 2.0-Angebote aber vorerst nur

Last.fm MySpace SellaBand Weblogs

Passiv 3 2 2 0

Informativ 4 3 2 4

Kommunikativ

One-one 4 4 3 0

One-many 4 4 2 4

Partizipativ

Many-many 4 1 0 1

Profil 3 4 4 1

Tagging 4 0 4 0

Präfernzaktiv 4 0 0 0

Produktiv

Prosuming 3 4 4 0

Crowdsourcing 3 1 0 0

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103

wenige Möglichkeiten im Bereich des Taggings oder in der gemeinsamen

Gestaltung von Inhalten.

Der Einsatz von Recommender-Systemen ist bei Distributionsanbietern wie

amazon.com nicht mehr wegzudenken. Musikspezifische Web 2.0-Anwendungen

müssen hier ihre Potentiale erst ausschöpfen.

Grundsätzlich ist im Web 2.0 jeder User produktiv, sobald er sich bei einem

Netzwerk registrieren hat lassen. Für musikalisch produktive Nutzer entwickeln

sich die Web 2.0-Angebote immer stärker zu einfachen, unbürokratischen und

günstigen Promotionsplattformen und unterstützen somit die Selbstvermarktung.

Alle hier untersuchten Anwendungen könnten ihr Angebot hinsichtlich

Partizipation und besonders hinsichtlich Präferenzaktivität noch deutlich

verbessern. Jedoch ist im Web 2.0 die Glaubwürdigkeit der Plattform und der

Nutzen für den User im Vordergrund, und diese scheinen bisher mit einer

umfassenden Kommentarfunktion am besten zufrieden gestellt zu werden.

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V. Auswirkungen auf die Musikpromotion

Die große Stärke musikspezifischer Web 2.0-Anwendungen liegt in der

Interaktivität. Am meisten ausgeprägt ist dabei die Kategorie One-many-

Kommunikation. Die One-many-Kommunikation als Kommentarfunktion wird in

allen musikspezifischen Web 2.0-Anwendungen angeboten und trägt im weiteren

Sinne zum User Generated Content bei. Die Promotion von Musik als

Kernaufgabe der Musikindustrie könnte sich dadurch entscheidend verändern

(siehe dazu Kapitel II.2.).

Bisher übernahmen die herkömmlichen Massenmedien die Funktion des Mittlers,

Filters und Promotors für die Musikindustrie. Diese Funktion begründet darauf,

dass Tonträgerkäufe zu 60 Prozent Zielkäufe sind und zu 40Prozent Impulskäufe.

Zielkäufe werden maßgeblich durch die Medien angeregt, aber auch an

Impulskäufen können Medien beteiligt sein. Zum Beispiel können Erinnerungen

an ein Lied, das man im Radio gehört hat, zu einem spontanen Kauf motivieren.

Die Ursachen für die Wahrnehmung eines gekauften Produktes (Source of

Awareness) haben sich, wie unten stehende Tabelle zeigt, in den letzten Jahren

stark verändert. Die klassischen Promotionskanäle Radio und Fernsehen haben

deutlich verloren, umgekehrt hat das Internet als neuer Promotionskanal klar

zugelegt (vgl. Mahlmann 2008 S. 144).

Tabelle 4: Sources of Awareness in Prozent für Promotion 2001-2007

Medium 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007

Radiosendungen 9,8 6,5 5,0 4,9 4,4 4,5 4,9

TV-Sendungen 5,1 3,7 4,5 3,6 4,2 3,3 3,4

MTV&VIVA 15,5 13,2 13,2 9,1 5,5 4,2 3,4

Konzert 2,0 1,6 1,9 1,7 2,4 3,0 2,5

Printmedien 3,4 2,6 2,8 3,0 2,9 2,8 3,0

Internet 2,8 3,4 4,2 4,7 5,1 4,8 8,5

Quelle: Eigene Darstellung nach Clement, Schusser, Papies S. 145 (GfK)

Angesichts der Tatsache, dass Musikpromotion der Absatzsteigerung von

Tonträgern dient und diese in den letzten Jahren deutlich abgenommen hat, ist

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105

es nicht verwunderlich, dass auch die Künstler selbst auf andere Promotionswege

ausweichen. Künstler konzentrieren sich angesichts unsicherer Einnahmen aus

dem traditionellen Tonträgergeschäft stärker auf Konzertaktivitäten.

Bekanntestes Beispiel für die Entwicklung sind Prince, der seine neueste CD im

Jahr 2007 umsonst einer Zeitschrift beilegte, und Madonna, die von ihrem

bisherigem Label Warner Music zu einem Unternehmen (Live Nation) wechselte,

das bisher primär als Konzertveranstalter aufgetreten war (vgl. Altig, Clement,

Papies 2008 S. 17).

Dies ist ein Feld, in dem die Labels bisher nicht an der Wertschöpfung

partizipieren. Plattenfirmen streben nun den Abschluss sogenannter 360-Grad-

Verträge an. Denn durch die Promotion der Labels werden die Künstler aufgebaut

und die Konzert- und Merchandiseagenturen profitieren davon (vgl. Altig,

Clement, Papies 2008 S. 26).

Die fehlende Aufmerksamkeit der Kunden gegenüber den herkömmlichen

Musikpromotoren wie Radio und Fernsehen, sowie die zunehmende

Unzufriedenheit der Künstler mit der Promotionstätigkeit ihrer Labels zeigt die

steigende Wichtigkeit der Promotion im Internet. Das Web 2.0 zeigt in der

Erreichung von Promotionsaufgaben entscheidende Vorteile gegenüber anderen

Medien.

Kundenkontakt und Kundenkommunikation

Die Plattenlabels haben traditionell keine direkte Kommunikation mit ihren

Kunden. Damit vermarktet die Musikindustrie ihre Produkte an eine relativ

unbekannte Masse (vgl. Clement; Papies; Schusser 2008, S. 10).

Die Entwicklung vom klassischen Sendekonzept (ein Sender – viele Empfänger)

hin zur individuellen Kommunikation öffnet neue Potenziale für den Musikmarkt.

Der physische Handel musste in den vergangenen Jahren die Kompetenz der

Kundenberatung durch den Absatzverlust immer weiter zurückfahren.

Kompetente Fachhändler gaben auf, und Megastores mit hoher Preiskompetenz

nahmen ihren Platz ein. Die Rolle des wichtigen Intermediär zum Kunden können

nun aber neue Technologien in Form von Netzwerken übernehmen. Durch

verschiedene Analysetechniken von Kundenpräferenzen, können Kunden gezielt

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106

neue Produkte empfohlen werden, die ihren Vorlieben entsprechen. Diese neue

Software kann Lücken schließen. Der Kunde kann sogar seine eigenen

Präferenzen einbringen und trägt damit zur Meinungsbildung anderer bei. Diese

Prozesse sind im digitalen Handel geeignete Möglichkeiten, die Qualität des

Kundendienstes zu erhöhen, neue Nutzwerte einzubringen und gleichzeitig die

Kosten im Vergleich zum physischen Handel zu reduzieren (vgl. Dyk 2008 S.

202).

„Idealerweise findet ein Kunde beim digitalen Musikhandel der Zukunft ein

speziell auf ihn zugeschnittenes Angebot vor. Dazu gehören Hinweise auf

zu seinem Geschmack passende Musiktitel und Gruppen sowie

Zusatzinformationen über Künstler, Konzerte in der regionalen Umgebung

[…].“ (Buxmann 2005, S.124)

Virales Marketing

Die Bedeutung von Word of Mouth-Kommunikation steigt, durch die einfachen

Kommentar- und Kommunikationsfunktionen und die schnelle Verbreitung dieser,

stark an. Dies fordert einen neuen Umgang mit der Word of Mouth-

Kommunikation von Seiten der Musikindustrie.

In diesem Zusammenhang wird oft der Begriff „virales Marketing“ verwendet.

Gemeint ist die Verbreitung von Botschaften im Internet durch virtuelle Mund-zu-

Mund-Propaganda. Dazu benötigt man Inhalte, die besondere Aufmerksamkeit

erzeugen und das Pioniergefühl ansprechen. Gut eignen sich Inhalte die von Fans

selbst generiert werden und bewusst nicht professionell sind. Mit „viralen Tools“

können Fans zum Mitmachen ermutigt werden, deren Beiträge viel glaubwürdiger

wahrgenommen werden als anonyme Werbebotschaften. Vor allem das aktive

Weiterleiten von Information, über z.B. tell a friend-Funktionen zeigt sich als

geeignet, Botschaften zu verbreiten. Besonders wichtig ist es dabei, sogenannte

„Early Adopters“ zu erreichen und zu überzeugen. Diese können aber nur mittels

einer Pull-Strategie und nicht wie bisher im Musikmarketing üblich mit einer

Push-Strategie erreicht werden, d.h. die Kunden müssen direkt umworben und

können nicht durch generelle Werbung gewonnen werden (vgl. Mahlmann 2008

S. 155-156).

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Kundenbindung

Die Einbeziehung von Social Networks stellte einen sehr interessanten Fortschritt

in der Internetpromotion dar, allerdings hat man es mit komplexen sozialen

Systemen zu tun, die eigenen Regeln und Normen folgen. Im Gegensatz zu den

konventionellen Ansätzen hat Internet-Promotion die Möglichkeit, Musik-Fans in

die Promotionarbeit mit einzubinden. Die Botschaft über Künstler und neue

Musikprodukte kann sehr effizient über Communities verbreitet werden, so dass

im optimalen Fall für den betreffenden Künstler Fan-Communities entstehen, die

ihrerseits den Kommunikationsprozess fortführen (vgl. Mahlmann 2008 S. 155-

156). Authentizität ist dabei wichtiger als Professionalität und Kreativität ist

wichtiger als technische Vollkommenheit.

„Für den Erfolg von Promotion gilt als eine wichtige Größe die „Story“: […]

Konsumenten können für diesen Kommunikationsprozess nur aktiviert

werden, wenn es zu Künstlern/Musikprodukten eine spannende und

interessante Geschichte zu erzählen gibt.“ (Mahlmann 2008 S. 145)

Die Industrie muss lernen, den Kunden viel dauerhafter mit Werken seines

Lieblingskünstler zu bedienen und vor allem auch, den Kunden direkt darüber zu

informieren. Das muss sich nicht auf die Veröffentlichung von Titel beschränken,

sondern bezieht sich auch auf das Liefern von Content und Gesprächsstoff über

den Künstler (vgl. Clement, Papies, Schusser 2008 S. 6).

Für die Kundenbindung ist also unerheblich, wie viele Features eine Plattform

bieten kann. Entscheidend sind die sozialen und identitätsstiftenden Faktoren,

wie zum Beispiel die Bereitstellung von Content und „die Wahrnehmung der

Bedeutsamkeit des eigenen Beitrags“. Die Wahrscheinlichkeit, dass Personen

einen zweiten Beitrag in derselben Community schreiben steigt um 12 Prozent,

wenn sie auf den vorangegangenen Beitrag eine Reaktion erhielten (vgl.

Sassenberger 2008, S. 58-59).

Web 2.0 stellt die Bedürfnisse der User und nicht die reine Information in den

Vordergrund und kann somit langfristige Bindungen herstellen.

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Selbstvermarktung

Eine weitere Entwicklung zeigt, dass die Promotion eines Künstlers nicht mehr

abhängig ist von einem Plattenvertrag. Grundsätzlich hat das Internet die

Promotion von Musik und Künstlern „demokratisiert“. Zumindest in der ersten

Phase der Vermarktung braucht der Künstler nicht den großen Apparat der

Musikindustrie oder ein enormes Marketingbudget. Die kostengünstige Internet-

Promotion kann durch individuelle Maßnahmen eingeleitet werden und digitale

Verkäufe können auch ohne Vertriebsapparat stattfinden.

Der Erfolg der unabhängigen Künstlerin Anja Plaschg alias Soap&Skin zeigt die

mittlerweile hohe Effizient von Selbstvermarktung durch das WWW. Im Vergleich

zu stark promoteten Künstlern, wie etwa der Band „Cardic Move“, Gewinner des

Ö3 Soundcheck (größter Bandwettbewerb in Österreich), erhält die Künstlerin im

Internet einen höheren Bekanntheitsgrad und eine viel höhere Glaubwürdigkeit.

„Auf MySpace, einem der Tummelplätze der potentiellen Käuferschicht,

gratulieren der hoffnungsfrohen Combo [Cardic Move] gerade mal eine

Handvoll Freunde. Und „Friends“ sind mittlerweile die harte Währung im

Musikgeschäft, Version 2.0.“ (Profil 2008 Nr 47 / 39 Jg. S. 131)

Bisher hat die Erfahrung jedoch meist gezeigt, dass in den nachfolgenden Phasen

der Verbreitung eines Musikprodukts die herkömmlichen Massenmedien

unverzichtbar sind. Deshalb bleibt auch in der Literatur die Rolle von Web 2.0

noch unklar. Radio und Musikfernsehen sind nach wie vor zentrale

Promotionsplattformen, die es zu bedienen gilt. Insofern spielen die Majors mit

ihren Kernkompetenzen auch im digitalen Zeitalter eine zentrale Rolle. Nur sie

haben das Potenzial, Künstler über längere Zeit zu unterstützen und auf großer

Basis und unter Berücksichtigung aller Medien zu vermarkten. Es wird nach wie

vor den Labels obliegen, aus der reichen Vielfalt lokalen musikalischen Schaffens

nach bestimmten Kriterien eine Auswahl zu treffen und diese regional oder

international zu vermarkten (Gebesmaier 2008 S. 175-176).

„Das reichlich düstere Stück [The Sun von Soap&Skin] wollten bislang 20-

Mal soviel entdeckungsfreudige Fans hören wie den zukünftigen Ö3-Hit.

Mit knapp einer halben Million Profilaufrufen und einer nicht enden

wollenden Mitteilungsflut enthusiasmierter Adoranten („Ich brenne für

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109

diese Musik“) ist Soap&Skin kein Geheimtipp mehr. […] Gerade wurde ein

Vertrag mit dem weltweit operierenden Indie-Label PIAS unterzeichnet

[…].“ (Profil 2008 Nr 47 / 39 Jg. S. 132)

Vereinzelt zeigt sich, dass Musik, die zunächst als User Generated Content den

Weg in die Öffentlichkeit des Internets gefunden hatte, sich später auch im

traditionellen Markt etablieren konnte. Inwieweit diese Prozesse zur

Wertschöpfung in der Musikindustrie auch abseits der Majors beisteuern können,

bleibt abzuwarten.

Die Präsentationsmöglichkeiten für die Musikindustrie und für die Künstler selbst

haben sich durch das Internet im Vergleich zu herkömmlichen Medien wesentlich

erweitert: Internet-Portale sind in der Darstellung der Inhalte wesentlich

flexibler, können Neuigkeiten über Künstler oder Charts kurzfristig aufnehmen.

Sie sind nicht nur schneller, sondern auch interaktiv, auch wenn die

Kommunikation mit den Teilnehmern nicht immer kontrollierbar ist. Die

Musikindustrie sollte die neuen Möglichkeiten ausschöpfen, auf die Intensivierung

von B2C-Beziehungen (Business to Consumer) bauen und sich Fan-Communities

zu Nutze machen, die es allerdings nach dem Aufbau auch zu pflegen gilt (vgl.

Mahlmann 2008 S. 155-156).

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Schlusswort

Die Veränderungen meiner persönlichen Musikrezeption durch das Web 2.0

führten zum Interesse an dieser Arbeit. Zunächst beschäftigte ich mich mit dem

Thema Musikgeschmack und wie dieser grundsätzlich entsteht. Dabei stellte sich

heraus, dass vor allem das aktive Musikhören oder aktives Musizieren und die

Kommunikation über Musik, jene Aktivitäten sind, die sich bei der Musikrezeption

im Gehirn manifestieren und den Geschmack ausbilden.

Im „Mitmach Web“, dem Web 2.0, geht es genau um jene Aktivität, die es uns

erlaubt gestalterisch tätig zu werden und sich aktiv um unseren Musikgeschmack

zu kümmern. Um dieses medial so stark genutzte Schlagwort „Web 2.0“

untersuchen zu können, muss dieser Begriff für musikspezifische Angebote

typologisiert werden. Dabei lag es auf der Hand die einzelnen

Anwendungsmöglichkeiten in ein Schema von passiv bis aktiv einzuordnen.

Als Kernaufgabe aller Web 2.0-Angebote stellt sich die Bereitstellung einer

umfassenden Kommentarfunktion heraus. Die User benutzen die Kommentare

untereinander um sich auszutauschen und sich gegenseitig Anerkennung zu

zollen und lassen durch ihre Kommunikation und Partizipation am Web 2.0 einen

User Generated Content entstehen, welcher unzählige Informationen für andere

User und auch Erkenntnisse für die Musikindustrie bereithält.

Das Web 2.0 ist den traditionellen Musikmedien einige Schritte voraus. Nicht nur

das Unmengen an Informationen bezüglich des Musikgeschmacks der User

gesammelt werden können, die Musik wird auch von den Usern mittels Social

Tagging geordnet. Web 2.0-Angebote kennen also ihre Kunden sehr genau und

haben den Vorteil, dass sie sehr preisgünstig agieren können, denn schließlich

stellen die Kunden den Inhalt selbst zur Verfügung.

Die größte Schwierigkeit für Web 2.0-Angebote am Markt bestehen zu bleiben,

ist die kritische Masse zu überschreiten und die Konkurrenz abzuhängen. Ein

erfolgreiches Musikmedium muss als Filter und Mittler in der Menge an

angebotener Musik fungieren und zugleich einen entscheidenden Kundenstock

anhäufen um am Markt bestehen bleiben zu können. Musikspezifische Web 2.0-

Angebote könnten dabei in der Wertschöpfungskette der Musikindustrie im

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111

Bereich der Musikpromotion bzw. dem Musikmarketing besonderen Stellenwert

erhalten. Erfolgsversprechende Plattformen wie „Pandora“ wurden vom Markt

zwar wieder verdrängt. Andere Beispiele wie die Verkäufe von MySpace und

Last.fm könnten aber ein Indiz für den dauerhaften Erfolg vom Web 2.0 als

Musikpromotoren sein.

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112

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