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Die Verräter von Protem

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Atlan - Der Held vonArkon

Nr. 204

Der Verräter von Protem

USO-Spezialist Kennon greift ein -und durchkreuzt ein schmutziges

Spiel

von H. G. Francis

In einer Zeit, die auf Terra dem 9. Jahrtausend v. Chr. entspricht, steht es mit demGroßen Imperium der Arkoniden nicht zum Besten, denn es muß sich sowohl äuße-rer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren Feinde sind die Maahks, derenRaumflotten den Streitkräften des Imperiums durch überraschende Schläge schwereVerluste zufügen. Die inneren Feinde Arkons sind Habgier und Korruption der Herr-schenden, die – allen voran Imperator Orbanaschol III. – nur auf ihren eigenen Vor-teil bedacht sind und das Gemeinwohl völlig außer acht lassen. Gegen diese innerenFeinde des Imperiums ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristall-prinz von Arkon, der eine stetig wachsende Schar von verschworenen Helfern umsich sammeln konnte, bereits mehrmals erfolgreich vorgegangen.

Gegenwärtig ist Atlan jedoch nicht in der Lage, den Untergrundkampf gegen denUsurpator und Brudermörder Orbanaschol persönlich weiterzuführen, denn durch dieEinwirkung einer Geheimwaffe der Maahks gelangte er erneut in den Mikrokosmos.

Für Atlan ist jedoch Lebo Axton alias Sinclair Marout Kennon in die Bresche ge-sprungen. Der Kosmokriminologe der USO, der durch die Illusionsmaschine in dasalte Arkon versetzt wurde, operiert geschickt inmitten des Dunstkreises von Verrat,Korruption und Intrige, der den Hof Orbanaschols umgibt.

Scheinbar handelt Axton im Auftrag der imperialen Geheimpolizei, doch in Wirk-lichkeit durchkreuzt er manch schmutziges Spiel. Das gilt auch im Fall: DER VERRÄ-TER VON PROTEM …

Die Hautpersonen des Romans:S. M. Kennon alias Lebo Axton - Der USO-Spezialist durchkreuzt ein schmutziges Spiel.Kelly - Kennons seltsamer Roboter.Arayshkat - Planetenfürst von Barthimore.Terlot von Kelthy - Ein professioneller Killer.Quarphon Kap und leraphoton Soph - Zwei Eskaphonen in arkonidischen Diensten.

»Wir haben ihn gefoltert.«»Dann hat er sich also geweigert, mehr

als bisher zusagen?«»Wir haben ihn verhört, aber auch jetzt

konnte nicht geklärt werden, woher er wirk-lich kommt. Seine Vergangenheit liegt imdunkeln. Seine Auskünfte waren auswei-chend und unbefriedigend.«

»Wie lange wurde er befragt?«»Sieben Tage. Danach haben wir die

Folter angesetzt. Für zwei Tage.«»Ergebnis?«»Unbefriedigend. Die Lücken konnten

nicht geschlossen werden. Er hat alle Maß-nahmen unbeschadet überstanden undschließlich jede Aussage verweigert.«

»Dann steht immer noch nicht fest, obman sich wirklich auf ihn verlassen kann?«

»Wahrscheinlich ist er loyal.«»Wir werden ihn mit einem Problem kon-

frontieren, in dem er alle Fragen beantwor-ten muß. Leben oder Tod. Im Preyton soll essich entscheiden. Zuvor aber schickt ihnnach Barthimore. Vielleicht genügt dasschon, und unser Risiko ist geringer.«

1.

»Hast du eigentlich so etwas wie einenSchönheitssinn?«

»Selbstverständlich, Schätzchen. Meinvorheriger Meister verfolgte die Grundidee,durch mich die Schönheiten der Galaxis zuergründen. Er hat mich …«

»Er hat dich in erster Linie mit einem vor-lauten Mundwerkzeug versehen und leiderauf alles verzichtet, was man als höhereWerte bezeichnen könnte«, unterbrach LeboAxton den Roboter an seiner Seite. »Ich bin

vielmehr davon überzeugt, daß du überhauptkeinen Blick für harmonische Formen undästhetische Linienführungen hast.«

»Daraus resultiert meine Vorliebe fürdich.«

Axton-Kennon verschlug es die Sprache.Er suchte nach Worten, griff dann aber nacheiner Klappe am Ovalkörper Kellys, öffnetesie und schaltete den Roboter per Knopf-druck ab. Danach atmete er tief durch. Erwar sich seiner Häßlichkeit durchaus be-wußt, aber er liebte diesen verwachsenenKörper, denn es war sein eigener, es warder, in dem er geboren und aufgewachsenwar. Er hatte nichts gemein mit dem vollen-deten Robotkörper, in dem er als Gehirnmehrere Jahrhunderte lang existiert hatte.

Kennon trat dem Roboter kräftig gegendie krummen Beine, setzte sich dann wiederin seinen Sessel und richtete die Blicke aufden Ovalschirm. Auf ihm zeichnete sich derPlanet Barthimore ab. Diese Welt schien pa-radiesisch zu sein. Sie erinnerte entfernt andie Erde mit ihren weiten, blauen Meeren,den üppigen Vegetationszonen und den Wü-stengürteln. Nur wenige Landstriche warenwirklich erschlossen. Dennoch galt Barthi-more als außerordentlich reich. Hier wurdenBodenschätze von höchstem Wert gewon-nen, und Kennon hatte die Adligen von Ar-kon von den Jagdmöglichkeiten auf diesemPlaneten schwärmen gehört.

Langsam senkte sich das kugelförmigeRaumschiff auf einen trapezförmigen Konti-nent südlich des Äquators herab. Auf ihmbefand sich irgendwo die Traumstadt desAdligen Arayshkat, die von einem der be-rühmtesten Künstler des Imperiums angelegtworden sein sollte.

Als der Raumhafen von Metrobarthimorein Sicht kam, aktivierte Kennon den Roboter

Der Verräter von Protem 3

wieder.»Wie fühlst du dich, Kelly?« fragte er.»Blendend. Meine Batterien haben sich

wieder etwas erholt.« Das war absoluter Un-sinn, wie er von einem Robot eigentlichnicht zu erwarten war. Axton fragte sich er-neut, von wem das Positronenhirn seinesBegleiters programmiert worden sein moch-te.

»Eine schöne Welt«, fuhr Kelly fort.»Kein Wunder, daß Orbanaschol III. scharfdarauf ist.«

»Sei lieber still«, riet Axton, »sonst schal-te ich dich vielleicht doch noch für immerab.«

Das Raumschiff setzte auf. Auf dem Bild-schirm war ein Gleiter zu erkennen, der sichvon einem Raumhafengebäude her näherte.Axton gab dem Roboter einen Wink. DieMaschine kniete sich nieder, so daß der Ver-wachsene auf ihren Rücken steigen konnte,wo für Hände und Füße Haltebügel ange-bracht waren. Danach nahm der Roboter diewenigen Gepäckstücke auf und trug alleshinaus.

Lebo Axton war der einzige Passagierdieses Schiffes. Diese Tatsache allein hätteseiner Persönlichkeit den Herrschenden vonBarthimore gegenüber ausreichend Gewichtverleihen müssen. Das aber war keineswegsder Fall, wie er merkte, als er sich dem Ar-koniden in dem Gleiter näherte.

Der Mann war offensichtlich ein hoherVertreter des Planetenfürsten Arayshkat. Ertrug eine mit Ehrenzeichen und Schmuckförmlich übersäte Uniform. Axton ließ sichdurch sie jedoch nicht täuschen. Er sah nurdas Gesicht und vor allem die Augen diesesMannes, und er stieß dabei auf Kälte undAblehnung. Augenblicklich erkannte er, daßer mit diesem Arkoniden beträchtlicheSchwierigkeiten haben würde.

Er ließ sich bis an den Gleiter herantra-gen. Erst als er ihn erreichte, stieg der Boteaus. Ihm war anzusehen, daß er nicht einenFunken Hochachtung vor Axton empfand.

»Mein Name ist Peyko Baey«, sagte er.»Ich habe die Aufgabe, Sie abzuholen und

zum Palast zu fliegen.«Kennon wartete, bis Kelly den Gleiter ge-

öffnet hatte. Dann stieg er bewußt schwer-fällig vom Rücken des Roboters herunterund kletterte ächzend in die Flugkabine.Mißbilligend blickte er den Arkoniden an,da dieser keinerlei Anstalten machte, die Türwieder zu schließen, als auch Kelly im Glei-ter saß. Peyko Baeys Augen blitzten auf,und unwillig warf er die Tür zu. Danachsetzte er sich hinter die Leitinstrumente undstartete. Er sprach kein Wort mehr, bis sieneben dem Palast landeten, der StammsitzArayshkats entsprach allem, was Kennonbereits davon gehört hatte.

Axton stieg wiederum auf den Rücken desRoboters und ließ sich zum Planetenfürstenführen.

Arayshkat betrachtete den Mann, den derImperator zu ihm geschickt hatte, mit gewei-teten Augen und begann zu lachen.

»Mir ist manche Kuriosität schon begeg-net«, sagte er und ging Kennon einigeSchritte entgegen, »aber das ist der Gipfel.Sind Sie tatsächlich Lebo Axton, der Mann,der den unglücklichen Tod von Eid Besteuntersuchen soll?«

Axton ließ sich vom Rücken des Robotersherab und setzte sich in einen Sessel.

»Allerdings«, antwortete er abweisend.»Ich habe die Aufgabe, den Mord an Ver-bindungsoffizier Eid Beste aufzuklären.«

»Mord!« rief Arayshkat theatralisch.»Wie kann man nur so etwas sagen? Es gibteindeutige Beweise, daß Eid Beste …«

Er blieb vor Lebo Axton stehen und mu-sterte ihn kopfschüttelnd. Arayhkat war etwazwei Meter groß. Das brünette Haar reichteihm an den Seiten bis auf die Schultern her-ab, war jedoch im Nacken noch wesentlichlänger, so daß es dort mit seinen Spitzen fastden Gürtel erreichte. Der Planetenfürst warein ausgesprochen schöner Mann. Sein Ge-sicht war gleichmäßig und gut geschnitten,aber es war nicht das Spiegelbild einer aus-gereiften Persönlichkeit. Die Augen blinzel-ten Axton übermütig an, und auf den Lippenlag ständig ein leichtes Lächeln, das anzeig-

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te, wie wenig Arayshkat bereit war, irgendetwas ernst zu nehmen.

»Aber was sprechen wir von Beste«, riefer. »Reden wir doch von Ihnen, Lebo Ax-ton.«

»Nein, schweigen Sie. Ich will versuchen,Ihre geheimsten Gedanken zu erraten. Siesind ein zutiefst unglücklicher Mann, derfürchterlich unter seinem mißgestaltetenKörper leidet. Wissen Sie was? Ich macheIhnen einen Vorschlag. Ich kenne einenChirurgen. Er wird Ihren Buckel beseitigen,Ihre Ohren verkleinern, Ihre Füße verkürzenund Ihre Beine strecken, so daß Sie anschlie-ßend ein annehmbares Aussehen haben wer-den.« Er beugte sich vor, und seine Augenleuchteten auf. »Die Frauen werden Sie wie-der ansehen, Lebo Axton. Sie werden Siebewundern und nicht länger zurückweisen.Nun, was halten Sie davon?«

Er trat zurück, richtete sich hoch auf undblickte auf den Verwachsenen herab.

»Ich hätte gern etwas zu trinken«, sagteAxton kühl.

Peyko Baey trat ein, als habe er die Wortegehört. Er schob eine mit Goldplatten ver-zierte Antigravgleite vor sich her, die fest-lich gedeckt worden war.

»Sie sehen, ich denke durchaus an Ihrleibliches Wohl, Lebo Axton.

Komm, Peyko, mein Gast hat Durst. Wirwollen ihm alles geben, was er benötigt.«

Die Antigravgleite senkte sich etwas her-ab, Baey stabilisierte sie, so daß sie unver-rückbar an einer Stelle schwebte und alsTisch dienen konnte. Kennon bediente sich.

»Der Imperator ist ungehalten«, bemerkteer zwischen zwei Schlucken. »Eid Beste warein Freund von ihm. Sein Tod hat ihnschwer getroffen. Er verlangt bedingungslo-se Aufklärung des Falles, Auslieferung desMörders und eine finanzielle Entschädigungin noch festzusetzender Höhe.«

Arayshkat breitete die Arme aus.»Sehen Sie sich um in meinem Reich«,

rief er. »Sie werden kein Zeichen einerSchuld feststellen können.«

Axton blickte ihn forschend an.

Arayshkat begriff nicht, daß es um seinenKopf ging. Er erkannte nicht, daß ihm einMann geschickt worden war, der den Auf-trag hatte, ihn zu töten und den paradiesi-schen Planeten Barthimore in den Besitz deshabgierigen Imperators zu bringen. Araysh-kat war ein großer Junge, der die Gefahr ein-fach nicht sah. Er war Kennon keineswegsunsympathisch. Im Gegenteil. Der Verwach-sene mochte diesen Arkoniden sogar, der sooffensichtlich von geradlinigem Charakterwar.

»Ich werde mich informieren, Araysh-kat«, erklärte er. »Verlassen Sie sich dar-auf.«

»Ruhen Sie sich ein wenig aus«, riet derPlanetenfürst. »Sie sind erschöpft von derReise. Ich erwarte Sie später zu einem Essenim Kreise meiner Freunde. Sie werden diebesten Familien dieses Planeten kennenler-nen.«

»Hoffentlich kommen Sie nicht auf denGedanken, mich als Partygag vorzuführen,Arayshkat«, erwiderte Axton.

Der Verwachsene kletterte auf denRücken seines Roboters und ließ sich hin-austragen. Peyko Baey folgte ihm und führteihn zu den für ihn vorgesehenen Räumen. Erzeigte ihm die technischen Einrichtungen.Schließlich verabschiedete er sich und gingzur Tür. Dort blieb er jedoch noch einmalstehen.

»Axton«, sagte er. »Ich habe das Gefühl,daß Sie wirklich glauben, mehr über denTod von Eid Beste herausfinden zu können,als bisher bekannt ist.«

»Allerdings.«»Sie machen einen Fehler, Axton. Warum

erfüllen Sie die Erwartungen des Imperatorsnicht?«

»Und welche sind das Ihrer Meinungnach?«

»Orbanaschol III. hat Sie nur der Formhalber geschickt. Irgend jemand muß sichwohl um Eid Bestes Tod kümmern. Das be-deutet jedoch nicht, daß es auch ein neuesErgebnis der Untersuchungen geben muß.Machen Sie sich nicht lächerlich, Axton.

Der Verräter von Protem 5

Wenn Sie sich vernünftig benehmen, dannwerden wir Sie nach einigen Tagen wiedernach Arkon zurückschicken und uns aus for-malen Gründen scharf über Sie beschweren.Wir werden behaupten, daß Sie eine zugründliche Untersuchung durchgeführt ha-ben. Danach werden alle Seiten zufriedensein.«

»So spricht jemand, der etwas zu verber-gen hat.«

»Überlegen Sie es sich«, empfahl der Be-rater Arayshkats Kennon erneut. »Wir wer-den dafür sorgen, daß Sie nichts zu bereuenhaben.«

»Sie langweilen mich, Baey.«»Seien Sie kein Narr, Axton. Sie gehen

von der Voraussetzung aus, daß der tote EidBeste Orbanaschol irgend etwas bedeutethat, und daß der Imperator deshalb mehrüber sein Ende wissen will. Aber das istfalsch. Eid Beste war in Ungnade gefallen.Orbanaschol III. hatte ihn bereits kaltge-stellt.« Peyko Baey erhob seine Stimmenicht ein einziges Mal. Er sprach ruhig undohne jede emotionelle Beteiligung.

»Sie fangen an, mich zu belästigen. Ge-hen Sie jetzt«, befahl Axton in bewußtscharfem Ton. Er beobachtete sein Gegen-über, ohne eine gefühlsmäßige Reaktion beiihm feststellen zu können. Peyko Baey bliebgelassen wie ein Roboter.

Als Axton allein war, entkleidete er sichund ging in die Hygienekabine, wo er sicheine halbe Stunde lang mit einer Einrichtungabplagte, die für normal gewachsene Arko-niden, nicht aber für einen Mann seiner Grö-ße gedacht war. Dennoch fühlte er sich an-schließend erfrischt.

Er genoß die kurze Zeit der Ruhe, in derer von niemandem gestört wurde. So konnteer noch einmal über alles nachdenken.Selbstverständlich dachte er nicht daran, denPlanetenfürsten kaltblütig umzubringen. Erwar kein Mörder, sondern ein hochqualifi-zierter Kriminalist. Das wußte selbstver-ständlich auch der Imperator.

Wenn dieser ihn dennoch nach Barthimo-re geschickt hatte, dann einzig und allein aus

dem Grund, weil ihn der Besitz Arayshkatslockte. Darüber war Kennon sich klar. Unddeshalb haßte er diesen Auftrag.

Er war entschlossen, sich so aus der Affä-re zu ziehen, daß er allen Seiten gerechtwurde. Bedeutete das aber wirklich, daßArayshkat sterben mußte?

Irgendwo in der Nähe befanden sich Be-obachter Orbanaschols. Sie verfolgten dasGeschehen mit argwöhnischen Augen undwürden ihn sofort zu Fall bringen, sobald eretwas unternahm, was den Interessen desImperators zuwiderlief.

Kennon wußte noch nicht, welchen Planer verfolgen sollte. Vorläufig konnte ernichts anderes tun, als die Ereignisse so her-beizuführen, daß sie den Tod Arayshkatseinleiten mußten. Er mußte sich an das hal-ten, was man ihm im Hauptquartier der ar-konidischen Abwehr auf Arkon I vorge-schlagen hatte. Sollte die Entwicklung Aray-shkat dann tatsächlich zum Verhängnis wer-den, was er nicht hoffte, dann würde er voreine äußerst schwere Entscheidung gestelltwerden. Dessen war Kennon sich bewußt,aber er war sich noch nicht darüber klar, wieer damit fertig werden sollte.

Er arbeitete einzig und allein für Atlan.Sein Ziel war es, dem Kristallprinzen denWeg zur Macht zu erleichtern. Wollte er diedabei von ihm verfolgte Strategie nurschwarzweiß sehen, dann konnte es nur hei-ßen, alles was Orbanaschol III. schadete,mußte Atlan nützen. Das Schicksal einesPlanetenfürsten spielte dabei keine Rolle.

Kennon überlegte angestrengt. Sein Ge-dächtnis funktionierte ausgezeichnet, aber eshatte Erinnerungen aus mehreren Jahrhun-derten Leben und Erleben zu bewältigen.

Das Spezialgebiet des Kosmokriminali-sten, das er mit besonderer Leidenschaft stu-diert hatte, war die Geschichte der galakti-schen Altvölker gewesen. Hier hatte er sichaußerordentliche Kenntnisse angeeignet, dieihn nun befähigten, sich im Imperium Ar-kons zu bewegen, ohne ständig aufzufallen.

Nur weil er so viel über die alten Arkoni-den wußte, hatte er es überhaupt gewagt,

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sich von der Traummaschine in die Vergan-genheit projizieren zu lassen. Er war sich derGefahren durchaus bewußt gewesen. Durchdie geringste Unaufmerksamkeit konnte erAtlan den Weg in die Zukunft verbauen.Und das war es, was ihn jetzt quälte. Ihmwar, als habe er den Namen Arayshkatschon einmal gehört. Aber er konnte ihnnicht unterbringen.

Immer wieder fragte er sich, ob ein Mannnamens Arayshkat eine bestimmte Rolle imLeben des jungen Atlan gespielt hatte. Wardas tatsächlich der Fall gewesen, dann konn-te er sich hier nur die Finger verbrennen.Sollte dieser Arayshkat beispielsweise ir-gendwann in seinem Leben einmal Atlan dasLeben gerettet haben, dann konnte nun At-lans Leben dadurch vernichtet werden, daßArayshkat vorzeitig starb.

Je länger Kennon versuchte, in seinen Er-innerungen zu graben, desto unruhiger wur-de er. Schließlich glaubte er, nicht einen ein-zigen Schritt tun zu dürfen, ohne ihn sorgfäl-tig abgewogen zu haben.

Er kam aus der Hygienekabine hervor undkleidete sich an.

»Ist uns der Name Arayshkat schon vor-her einmal begegnet?« fragte er den Robo-ter.

»Nein«, antwortete Kelly. »Niemals.«»Ist das sicher?«Der Roboter antwortete nicht, weil eine

Bestätigung offensichtlich nicht notwendigwar. Dadurch stieg die Unsicherheit Kenn-ons noch mehr.

Als er den Raum verlassen wollte, knieteKelly sich nieder, doch Lebo Axton versetz-te ihm lediglich einen leichten Tritt gegenden Rücken.

»Ich verzichte auf deine Begleitung«, sag-te er. »Glaubst du, ich will mir auch nochden Appetit durch dich verderben lassen?«

»Hoffentlich findest du einen ähnlichgeistvollen Gesprächspartner wie mich,Schätzchen«, entgegnete der Roboter.

»Das wird nahezu unmöglich sein«, be-merkte Kennon sarkastisch.

Er ließ die Tür zufallen und ging mit

schleifenden Füßen auf den nächsten Anti-gravschacht zu. Treppen gab es in diesemPalast nicht. Kein Arkonide wäre auf denGedanken gekommen, derartige Einrichtun-gen noch zusätzlich einzubauen. Man ver-ließ sich auf die Technik. An die Möglich-keit von Brandkatastrophen dachte offenbarniemand.

Als er den Schacht verließ, trat ihm einDiener entgegen, der eine prachtvolle Phan-tasieuniform trug. Kennon konnte sich einspöttisches Lächeln nicht verkneifen, ver-zichtete jedoch auf eine Bemerkung, die denMann hätte kränken können. Er wußte nicht,ob er nicht noch einmal auf gerade diesenArkoniden angewiesen sein würde.

Ein zweiter, in gleicher Weise ausstaffier-ter Diener erschien mit einer silbernen Anti-gravplatte, die wenige Zentimeter über demBoden schwebte.

»Würden Sie bitte aufsteigen, Lebo Ax-ton?« Er verneigte sich übertrieben tief vorihm.

Kennon stutzte nur für den Bruchteil einerSekunde, dann durchschaute er das Spiel.Sein Herzschlag beschleunigte sich, und erspürte, wie ihm heiß wurde. Arayshkat hattedie ungeheure Gefahr, in der er schwebte,tatsächlich nicht begriffen. Damit erfuhrendie Ereignisse bereits vorzeitig eine dramati-sche Beschleunigung, die Axton durchausnicht behagte. Noch immer wußte er nicht,wie er den Namen Arayshkat in die altarko-nidische Geschichte einordnen sollte. Leiteteer das Ende Atlans ein, wenn er die Heraus-forderung annahm?

Seine Gedanken überschlugen sich förm-lich. Er mußte sich blitzschnell entscheiden,und dabei alle Faktoren gegeneinander ab-wägen. Eventuelle Beobachter Orbanascholsdurften nicht mißtrauisch werden. SeineAufgabe war es, Arayshkat in eine Sackgas-se zu locken, aus der es keinen Auswegmehr geben konnte. Kam ihm der Planeten-fürst dabei nun so weit entgegen, dann muß-te er darauf eingehen.

Entschlossen trat er auf die Silberplatte.Sie stieg bis etwa zur Hüfthöhe der Diener

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auf, als einer von diesen mit einem Handge-rät die entsprechenden Funkimpulse gab.Dann glitt sie zwischen den beiden Arkoni-den auf eine breite Tür zu. Diese öffnetesich langsam und gab den Blick in einenfestlich beleuchteten und dekorierten Raumfrei, in dem etwa vierzig Männer und Frauenan einer gedeckten Tafel saßen. Aus ver-steckt angebrachten Lautsprechern ertöntenKlänge aus dem gegenwärtig so beliebtenArkonenlied, dessen Disharmonien auf terra-nische Ohren zermürbend wirkten.

Die Augen der Gäste wandten sich LeboAxton zu, der sich keineswegs gedemütigtfühlte, weil man ihn auf einem silbernen Ta-blett präsentierte. Er lächelte und deutete ei-ne Verbeugung an, die einige der Damen zueinem schrillen Gelächter veranlaßte.

»Ich darf Ihnen vorstellen«, rief Araysh-kat. »Der Kriminalistenfürst Lebo Axton,Gesandter des Imperators.«

Die Diener geleiteten den Verwachsenenbis zu dem letzten noch freien Platz am En-de der Tafel und ließen ihn hier herab, sodaß er sich setzen konnte. Auf den Tellernvor den adeligen Gästen des Planetenfürstenlagen gebratene Fleischstücke und verschie-dene Obstsorten von exotischen Planeten. Inkostbar geschliffenen Gläsern war eine roteFlüssigkeit zu sehen, die einen verführeri-schen Duft verbreitete.

Vor Axton lag eine grüne Blätterfrucht,die einem terranischen Kohlkopf recht ähn-lich war. Es war eine Essoya, das Symbolder armen und bedeutungslosen Arkoniden.Und das Glas vor Kennon enthielt nur klaresWasser.

Ein außerordentlich hübsches Mädchen,das neben Arayshkat gesessen hatte, sprangauf. In ihren Augen standen Tränen der Er-regung und Empörung. Sie eilte zu LeboAxton.

»Bitte«, sagte sie mit halberstickter Stim-me und griff nach seinem Arm. »Bitte, ent-schuldigen Sie. Ich habe nicht gewußt, washier gespielt wird. Mein Mann hat …«

»Aysha!« rief Arayshkat zornig.Lebo Axton blickte die junge Frau lä-

chelnd an. Er fand, daß sie außerordentlichschön war. Allerdings störte ihn, daß sie,ähnlich wie die anderen Frauen am Tisch,mehr entkleidet als bekleidet war. Aber dasentsprach einem neuen Modetrend.

»Schon gut, Aysha«, sagte Axton. »Ichverstehe Sie, aber ich kann nicht anders han-deln.«

Er schob ihre Hand zurück und stellte sichauf den Stuhl, da er kaum über die Tisch-kante hätte sehen können, wenn er von ihmherabgestiegen wäre. Einige der Arkonidin-nen kicherten albern. Die Männer grinstenAxton unverhohlen an.

»Arayshkat, Sie haben mir deutlich ge-zeigt, was Sie von mir halten. Sie warten aufmeine Reaktion. Nun, ich will Sie nicht ent-täuschen und Ihnen allen das Vergnügennicht schmälern. Deshalb fordere ich Sie,Arayshkat, zu Duell. Ich verlange Genugtu-ung.«

Die Wirkung seiner Worte überraschteselbst ihn. Die Männer und Frauen am Tischbrachen in schallendes Glächter aus. Arays-hkat entfiel das Glas, das er in der Hand ge-halten hatte. Er krümmte sich vor Lachen.Ebensowenig wie die anderen konnte er sichvorstellen, daß ein verkrüppelter Mann wieAxton gegen ihn kämpfen wollte.

»Ich denke, Sie werden mir die Wahl derWaffen überlassen?« fragte Kennon.

»Selbstverständlich«, rief Arayshkat.Aysha und Axton blickten sich an. Die

Frau des Planetenfürsten war die einzige, dienicht lachte. Aus ihren Augen schlug ihmvielmehr das nackte Entsetzen entgegen.

»Nun, Arayshkat«, erklärte Axton. »Dannwähle ich das rituelle Mannaxschwert.«

Das Gelächter steigerte sich zum Orkan,denn der Verwachsene hatte einen Zweihän-der genannt, mit dem nur äußerst starkeMänner kämpfen konnten. Als es wieder et-was ruhiger wurde, fügte Kennon hinzu:»Selbstverständlich nach den Austragungs-gesetzen von Speutsch!«

Schlagartig wurde es still in der Runde.Arayshkat erhob sich. Jegliche Farbe waraus seinem Gesicht gewichen. Seine Augen

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weiteten sich, und der Mund blieb ihm offenstehen. Aysha floh schluchzend aus demRaum.

Lebo Axton gab den Dienern einen Wink.Er stieg auf die Platte und befahl mit schar-fen Worten, ihn zum Antrigravschacht zubringen. Sie gehorchten wortlos.

2.

Als Lebo Axton am nächsten Tag die Hy-perfunkstation des Palastes betrat, blicktenihn die beiden hier tätigen Offiziere fastfurchtsam an. Er ließ sich von Robot Kellybis zu ihnen herantragen und reichte ihneneine beschriftete Folie.

»Setzen Sie diesen Funkspruch nach Ar-kon I ab«, befahl er.

Einer der Offiziere nahm die Folie entge-gen, las sie kurz durch und nickte.

»Sie rufen einen Assistenten?« fragte ermit belegter Stimme.

Axton antwortete nicht. Befremdet wand-te sich der Offizier ab, schaltete die Funkge-räte ein, peilte sich auf Arkon I ein undstrahlte den Hyperfunkspruch ab. Es dauertenicht lange, bis die Bestätigung für Axtoneinlief.

»Darf man fragen, wer Ihr Assistent ist?«fragte der zweite Offizier. Axton behandelteihn weniger unfreundlich als seinen Kolle-gen.

»Sie dürfen«, entgegnete er. »Sie werdenden Mann jedoch kaum kennen. Er heißtTerlot von Keithy.«

»Diesen Namen habe ich noch nie ge-hört.«

»Das dachte ich mir.«Axton raunte Kelly einen Befehl zu. Der

Roboter trug ihn hinaus auf einen Gang. Ineinem Antigravschacht schwebten sie weiternach oben, bis sie das Geschoß erreichten, indem Eid Beste gewohnt hatte. Nur einigeDiener hielten sich hier auf. Sie führten denVerwachsenen augenblicklich in das Zim-mer, in dem der Tote gefunden worden war.Axton schickte sie hinaus. Er wollte alleinsein. Auf dem Boden lag eine flammend rote

Folie. Sie zeichnete die Haltung nach, in derEid Beste angetroffen worden war. Auf demTisch stand ein Aufzeichnungsgerät. Axtonschaltete es ein. Auf dem Bildschirm lief dasUntersuchungsprotokoll ab, das von einemOffizier Arayshkats angefertigt worden war.Danach schien Eid Beste einem Unglücks-fall zum Opfer gefallen zu sein. Er hatte ver-sucht, Primitivwaffen in diesem Zimmer zureparieren, hatte dabei aber übersehen, daßeine Pfeilspitze vergiftet gewesen war. Erhatte sich die Haut damit geritzt und war aneiner Herzmuskellähmung gestorben.

Der Bericht war sorgfältig abgefaßt wor-den und enthielt keine Lücken. Dennochstieß Axton auf einige winzige Fehler, dieeinem Kosmokriminalisten mit seiner Erfah-rung nicht entgehen konnten. So wurde bei-spielsweise überhaupt nicht erwähnt, nachwelcher Zeit die Wirkung des Giftes eintrat.Das aber war ein außerordentlich wichtigerFaktor, da Eid Beste bei den örtlichen Gege-benheiten bei einer allmählich einsetzendenWirkung genügend Zeit gehabt hätte, Alarmzu schlagen. Das aber hatte er nicht getan.

Lebo Axton ließ den Bericht durchlaufenund konzentrierte sich danach ganz auf dieBeschreibung des Labors. Auch hierin wa-ren nur einige ungenaue Hinweise auf dieWirkungsweise des Giftes enthalten.

Das waren nicht die einzigen Fehler, dieAxton auffielen. Ähnliche, weniger deutli-che Spuren einer ungenauen Bearbeitungoder eines bewußten Verfälschung des Fal-les waren daneben noch vorhanden. Sie be-stärkten ihn in der Überzeugung, daß EidBeste tatsächlich ermordet worden war. Da-mit stand fest, daß Arayshkat einen schwe-ren Fehler gemacht hatte, als er versucht hat-te, den Tod des Verbindungsmanns als Un-glücksfall hinzustellen. Bewußt oder nichtbewußt, war nicht entscheidend. Wichtigwar allein, daß nicht genau genug recher-chiert worden war.

Arayshkat unterschätzte die Habgier unddie Rücksichtslosigkeit Orbanaschols erheb-lich, während er sich zugleich allzu sicherwähnte. Er glaubte, zwanzig Lichtjahre von

Der Verräter von Protem 9

Arkon entfernt, werde er von den Intrigenam Hof nicht mehr tangiert. Er meinte, hierein Leben von allen Problemen isoliert füh-ren zu können. Das aber war ein Irrtum. DerTod Eid Bestes hatte ihn in die Schußliniegebracht.

Wenn Axton nicht gewesen wäre, so hätteOrbanaschol einen anderen geschickt. Die-sem wäre es vielleicht nicht gelungen, Aray-shkat einen Mord nachzuweisen, aber aucher hätte den Planetenfürsten sicherlich in ei-ne tödliche Falle locken können.

Arayshkat war bereits so gut wie tot, aberdadurch würde das Schicksal Atlans nichtbeeinflußt werden können, denn Arayshkathatte sein Leben selbst verspielt. Wenn Ax-ton sich an einen Arkoniden namens Arays-hkat erinnerte, dann mußte dies ein andererMann sein, der zu späterer Zeit gelebt hatte.

Nun, da er erst einmal eine Spur gefundenhatte, nahm er sie energisch auf. Er gab sichnicht mit dem Bericht zufrieden, den er vor-gefunden hatte, sondern ließ sich die Primi-tivwaffe bringen, durch die der Verbin-dungsmann gestorben war. In dem Labordes Planetenfürsten führte er selbst eine Rei-he von Analysen durch und testete das Giftanschließend an mehreren Versuchstieren –zuletzt gar am offenen Herzen eines Tieres,das von seinem biologischen Aufbau her denArkoniden am ähnlichsten war.

Das Ergebnis war eindeutig.Das Gift wirkte zwar tödlich, aber erst

nach etwa zehn Minuten, wobei die erstenAnzeichen sich bereits nach zwei Minuteneinstellten. Eid Beste hätte genügend Zeitgehabt, sich das Gegenmittel zu verschaffen,wenn man ihn nicht daran gehindert hätte.

Lebo Axton rief den Planetenfürsten zusich. Dieser ließ sich jedoch verleugnen. Anseiner Stelle erschien der Berater PeykoBaey im Labor. Er sah so kalt und unnahbaraus wie immer, so daß Axton fast geneigtwar, einen perfekten Roboter mit einer le-benden Biofolie vor sich zu sehen. Er wußtejedoch, daß die arkonidische Technik nochnicht so weit fortgeschritten war, daß siederart lebensechte Modelle herstellen konn-

te.»Ich habe mich entschlossen, etwas Unge-

wöhnliches zu tun«, eröffnete der Verwach-sene das Gespräch. »Ganz gegen meine son-stige Gewohnheit und ohne eine Spur desTäters zu haben, gebe ich Ihnen hiermit be-kannt, daß Eid Beste ermordet worden ist.«

»Das ist doch nicht Ihr Ernst«, erwidertePeyko Baey. Seine Augen wurden feucht.Das war das erste Anzeichen einer Gefühls-reaktion.

»Es ist mein voller Ernst. Ich habe ein-deutige Beweise, die keinen Zweifel mehrzulassen. Sie können sich darauf verlassen,daß ich den Täter entlarven werde, es seidenn, man versucht, mich vorher ebenfallszu ermorden.«

»Axton, was halten Sie von uns!« sagteBaey mit wachsender Erregung. »Ein Mordist für uns ein absolut ungewöhnliches Er-eignis. Niemals zuvor in der Geschichte vonBarthimore ist so etwas passiert.«

»Unterrichten Sie Arayshkat, und sagenSie ihm, daß es wenig Sinn hat, sich vor mirzu verstecken.«

Mit einer knappen Geste gab er dem Be-rater des Planetenfürsten zu verstehen, daßdie Unterredung beendet war.

*

Nun hatte er sich endgültig Respekt ver-schafft. Das wurde besonders dadurch deut-lich, daß Arayshkat zu ihm kam. Der Plane-tenfürst gab sich ausgelassen und überlegen,so als sei überhaupt nichts vorgefallen, dochAxton durchschaute das Gehabe.

»Was wollen Sie?« fragte er schroff.Arayshkat setzte sich ihm gegenüber in

einen Sessel und schlug die Beine überein-ander.

»Das gleiche wollte ich Sie eigentlich fra-gen«, entgegnete er.

»Das habe ich Ihnen doch bereits erklärt,Arayshkat. Ich will den Mörder Eid Bestes.«

»Wirklich?«»Wie oft soll ich Ihnen das noch sagen?«Arayshkat erhob sich und ging im Zim-

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mer auf und ab. Plötzlich sah er ernst undsorgenvoll aus. Alles Jungenhafte fiel vonihm ab.

»Lebo Axton, ich bin ein reicher Mann.Ich möchte Ihnen …«

»Das interessiert mich nicht«, unterbrachKennon ihn. »Glauben Sie nur nicht, daß Siemich bestechen können.«

Der Planetenfürst blieb vor dem Ver-wachsenen stehen. Er rang sichtlich mit sich.

»Sehen Sie, Axton, mein Benehmen tutmir aufrichtig leid. Ich möchte mich dafürentschuldigen. Es war abscheulich, was ichmit Ihnen gemacht habe.« Er war am Ende,und jetzt tat er dem Terraner leid.

»Ich glaube Ihnen sogar, daß Sie es auf-richtig meinen, Arayshkat«, erwiderte er,»aber ich sehe keine Möglichkeit mehr, dieEntwicklung nun noch aufzuhalten. Es ist zuspät für Sie.«

»Sie bestehen auf dem Duell.«»Allerdings.«Damit schien Arayshkat nicht gerechnet

zu haben. Er verfiel sichtlich, und seine Au-gen wurden stumpf.

»Sie werden mir keine Chance lassen,Axton.«

Der Verwachsene antwortete nicht, bisder Arkonide sich langsam in einen Sesselsinken ließ und die Hände vor das Gesichtlegte.

»Sie lieben das Leben, Arayshkat«, sagteer. »Sie haben überhaupt noch nicht begrif-fen, daß das Leben auch Schattenseiten hat.Weshalb fliehen Sie nicht? Die Galxis istgroß. Überall gibt es unbesiedelte Planeten,auf denen sie unbehelligt leben können.«

»Sie wissen, daß ich das nicht kann.«»Warum nicht?«»Die Ehre verbietet es mir.«»Dann bereiten Sie sich auf Ihren Tod

vor«, sagte Axton brutal. Er erhob sich undgab Arayshkat damit zu verstehen, daß er al-lein sein wollte. Der Planetenfürst verstand.Niedergeschlagen ging er hinaus.

Kennon blieb nicht lange allein mit sei-nem Roboter, der stumm in einer Ecke desRaumes verweilte. Für den Besucher war

nicht erkennbar gewesen, ob er aktiviert waroder nicht. Auch Aysha, die junge Frau desPlanetenfürsten, konnte es nicht feststellen.Sie warf der Maschine einen irritierten Blickzu. Offensichtlich fühlte sie sich durch ihreAnwesenheit gestört. Axton aber tat, alsmerke er nichts. Er ging der schönen Arko-nidin einige Schritte entgegen und begrüßtesie mit einer artigen Geste.

»Was führt Sie zu mir?« fragte er und botihr Platz an.

»Das wissen Sie nicht?«»Vielleicht doch«, entgegnete er lächelnd.

»Sie wollen das Duell verhindern, nichtwahr?«

Sie griff nach seinen Händen und blickteihn beschwörend an.

»Sie werden darauf verzichten, nichtwahr?«

»Warum sollte ich?«»Weil ich meinen Mann liebe.«Er lächelte über dieses Argument und

schüttelte den Kopf.»Aysha, es tut mir wirklich leid, aber ich

habe nicht die Macht, das Duell jetzt nochzu unterbinden. Es ist zu spät. Ich habe mei-nen Assistenten bereits benachrichtigt. DieBeleidigung gilt also auch ihm, und er wirdniemals darauf verzichten, sich Genugtuungzu verschaffen.«

Sie verhielt sich ähnlich wie zuvor ihrMann. Sie sprang auf, eilte einige Schrittehin und her und blieb dann am Fenster ste-hen. Sie bückte lange in den Park hinaus, dertief unter ihr lag. Schließlich drehte sie sichlangsam um. Ihre Augen füllten sich mitTränen.

»Ich könnte Ihnen sagen, wer der Mördervon Eid Beste ist, Lebo Axton. Würden Siedadurch …?«

Er schüttelte den Kopf.»Nein, Aysha«, erwiderte er leise. »Das

eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Ichwerde herausfinden, wer Eid Beste getötethat, auch wenn Sie mir nicht helfen.«

Sie tupfte sich die Tränen mit einem Tuchaus den Augenwinkeln.

»Ich glaube, jetzt verstehe ich. Sie sind

Der Verräter von Protem 11

gar nicht nach Barthimore gekommen, weilSie den Mörder von Eid Beste finden wol-len, denn dann hätten Sie mein Angebot an-genommen. Orbanaschol, dieser Teufel, hatSie geschickt, weil Sie Arayshkat umbringensollen!«

Als Axton darauf nichts antwortete, wur-de sie noch um eine Nuance bleicher.

»Es stimmt also. Sie haben die Beleidi-gung provoziert. Sie wollten von Anfang annichts anderes als das Duell. Sie wollten …«

»Jetzt ist es aber genug, Aysha«, sagteAxton scharf. »Sie gehen zu weit. In IhrerAngst um Ihren Mann denken Sie nichtmehr klar und werden ungerecht. Schon beiunserer ersten Begegnung hat mich IhrMann maßlos gedemütigt und beleidigt.«

»Ich hasse Sie!«»Und Orbanaschol.«»Ihn noch mehr«, entfuhr es ihr. Dann

schlug sie sich erschrocken die Hand vorden Mund.

»Und ihr Mann auch«, ergänzte der Ver-wachsene. »Jetzt sehe ich klar. Eid Beste,der Verbindungsmann des Imperators, hatherausgefunden, daß Arayshkat ein GegnerOrbanaschols ist. Ich vermute sogar, daßsich diese Gegnerschaft nicht nur in gele-gentlichen Meinungsäußerungen zeigt, son-dern …«

»Seien Sie still!«»Warum? War es nicht so, daß Ihr Mann

von Eid Beste überrascht und entlarvt wor-den ist? Fühlte sich Ihr Mann nicht durchihn bedroht? Und ließ er ihn nicht deshalbumbringen?«

»Sie sind ja verrückt.«»Eid Beste hantierte mit Waffen, von de-

nen er das Gift entfernt hatte. Er wußtenicht, daß es nachträglich wieder angebrachtworden war. Als er sich verletzt hatte unddie beginnende Lähmung spürte, rief er umHilfe, aber niemand kam. Man hat gewartet,bis er tot war, und danach das Zimmer sopräpariert, daß alles nach einem Unglücks-fall aussah. War es nicht so, Aysha?«

Die Arkonidin zitterte vor Angst. Sieschüttelte den Kopf.

»Nein, Axton, so war es nicht.«»Sie meinen, dazu paßt nicht, daß Araysh-

kat so sorglos und übermütig war. Sie mei-nen, er hätte sich fürchten müssen, als ichals Beauftragter Orbanaschols kam, um denFall zu untersuchen? Keineswegs, Aysha.Ich glaube nämlich, daß er sich seiner Sacheso sicher war, daß er eine Aufdeckung derWahrheit für unmöglich hielt. Nun. Er hatsich getäuscht.«

Die junge Arkonidin tat ihm leid, aber erwar noch nicht bereit, sie aus ihrer Angst zubefreien. Er hatte nichts mehr als Vermutun-gen ausgesprochen und dabei sorgfältig aufihre Reaktionen geachtet. Er wußte nun, daßer der Wahrheit nahe war.

Allerdings beunruhigte ihn erheblich, daßArayshkat ein Gegner Orbanaschols war undirgend etwas getan haben mußte, was demImperator beträchtlich schaden konnte.

»Sie sind hart und grausam, Lebo Axton.«»Ich suche einen Mörder. Weiter nichts.

Finden Sie, daß ein Mörder ungestraft da-vonkommen sollte?«

Aysha antwortete nicht. Sie eilte aus demRaum. Lebo Axton folgte ihr Minuten späterauf dem Rücken seines Roboters Kelly. Erließ sich zu den Arbeitsräumen Eid Bestestragen, und hier nahm er die Spur auf, die erentdeckt hatte. Er vertiefte sich in die Auf-zeichnungen des Agenten des Imperators.Dabei war er sich klar darüber, daß die Ge-hilfen des Planetenfürsten alles beseitigt hat-ten, was Arayshkat belasten konnte, dochdas bedeutete für einen Mann wie SinclairMarout Kennon nur wenig. Ein Mann mitseinem ungewöhnlichen Können und seineraußerordentlichen Erfahrung als USO-Spezialist und Kosmokriminalist war vonden in diesen Dingen praktisch unerfahrenenMännern des Planetenfürsten nicht zu täu-schen. Da er wußte, worum es ging, ent-deckte er die Lücken in den Aufzeichnungenund konnte aus ihnen die richtigen Schlüsseziehen.

Die Helfer Arayshkats hatten nicht be-merkt, daß sich wichtige Hinweise und ver-steckte Andeutungen durch den gesamten

12 H. G. Francis

Bericht zogen. Aus ihnen ließ sich ein mosa-ikartiges Bild zusammensetzen. Am Abenddieses Tages wußte Kennon bereits, wo ermit der Suche fortfahren mußte.

Die Bewohner des Palastes mieden ihnund gingen ihm aus dem Weg, wo sie nurkonnten. Er sah weder Aysha noch Araysh-kat, und als er versuchte, sie über einen Die-ner zu erreichen, ließen sie sich verleugnen.

Dann geriet Kennon jedoch an einenPunkt, an dem er nicht weiterkam. Araysh-kat war ein Gegner Orbanaschols III. Daranzweifelte er nicht mehr. Das bedeutete abernicht zwangsläufig, daß er ein Freund undBefürworter Atlans war, obwohl Kennonglaubte, einige Hinweise dafür entdeckt zuhaben.

Eid Beste hatte klare Beweise gegenArayshkat gefunden. Sie mußten noch vor-handen sein. Kennon vermutete, daß sie inder Bibliothek des Planetenfürsten waren.

Er ließ sich über Video mit Peyko Baeyverbinden. Der Berater des Planetenfürstenhatte sich wieder in der Gewalt und sah sokalt und distanziert aus wie zuvor.

»Ich möchte die Bibliothek besichtigen«,erklärte Axton. »Führen Sie mich sofortdorthin.«

»Sie gehört zum privaten Bereich Araysh-kats. Niemand hat dort Zutritt.«

»Ich weiß, daß ich meine Untersuchungnur dort weiterführen kann. Wollen Sie, daßin meinem Bericht vermerkt wird, daß auf-grund Ihres Verbots Arayshkat als derHauptverdächtige angesehen wird.«

»Warten Sie. Ich melde mich wieder.«Peyko Baey schaltete ab. Axton wartete

jedoch nicht. Er stieg auf den Rücken desRoboters und ließ sich von ihm zur Biblio-thek tragen. Aus Aufzeichnungen, die er un-ter der Hinterlassenschaft Eid Bestes gefun-den hatte, wußte er, wo sie war. Er kam ge-rade rechtzeitig, so daß er sehen konnte, daßArayshkat einige Filmspulen aus dem Ar-chiv entfernen wollte. Der Planetenfürst fuhrerschreckt herum, als er hörte, wie sich dasTürschott öffnete.

»Ah, Arayshkat«, sagte Axton, als habe er

nichts bemerkt, »zu Ihnen wollte ich gera-de.«

Der Arkonide saß in der Falle. Er wußtees selbst, und er gab allen Widerstand auf.

»Treten Sie ein«, sagte er mit matterStimme.

»Wollen Sie mir nicht zeigen, was dieSpulen enthalten?«

»Nein«, erwiderte Arayshkat unsicher.»Dazu bin ich nicht verpflichtet.«

Axton spürte, daß der Arkonide am Endewar. Er schloß die Tür hinter sich undstreckte eine Hand aus.

In diesem Moment blinkte das Rufzeichenam 3-D-Gerät auf. Der Arkonide schaltete esein. Er war offensichtlich froh über die Stö-rung, doch die Nachricht, die Peyko Baeyihm übermittelte, war niederschmetternd fürihn.

»Der Assistent des Krüppels ist eingetrof-fen«, meldete der Berater.

Lebo Axton stand so, daß die Aufnahme-optik ihn nicht erfaßte. Bevor Peyko Baeynoch mehr sagen konnte, rief Arayshkat ha-stig: »Lebo Axton ist bei mir.«

Der Terraner ließ sich von Kelly bis inden Aufnahmebereich tragen.

»Wir möchten Terlot sehen«, erklärte er.»Sorgen Sie dafür, daß die entsprechendenAufnahmen hierher übertragen werden.«

Baey antwortete nicht. Er zog sich eiligzurück und schaltete um. Axton und Araysh-kat konnten den Raumhafen sehen. Die Ka-mera fuhr an ein gelandetes Raumschiff her-an. Einige Minuten verstrichen, dann öffnetesich die Schleuse, und ein riesiger Arkonideerschien darin. Der Planetenfürst stöhnteauf, als er ihn sah.

Terlot von Keithy war auf den erstenBlick als Arenakämpfer zu erkennen. Seinbrutales Gesicht war von Narben übersät. Ertrug das Haar kurz, so daß es ihn beimKampf nicht behindern konnte. Am Gürtelhingen schwere Energiestrahler.

»Der Mann kommt mir bekannt vor«, sag-te Arayshkat leise.

»Das ist kein Wunder«, erwiderte LeboAxton. »Nach den Austragungsgesetzen von

Der Verräter von Protem 13

Speutsch darf ich mir einen Stellvertreteraussuchen, der das Duell für mich austrägt.Es ist doch wohl selbstverständlich, daß icheinen Mann wähle, der alle Aussichten hat,den Kampf zu gewinnen. Terlot ist der besteMannaxschwertkämpfer des Imperiums. Erhat noch nie einen Kampf verloren.«

Die Kamera fuhr noch dichter an Terlotheran, so daß sein Gesicht die gesamte Pro-jektionsfläche ausfüllte. Arayshkat wich un-willkürlich etwas zurück. Aus den Augendes Arenakämpfers schlug ihm eine furch-terregende Kälte entgegen.

»Ich habe keine Chance, Axton«, stellte erfest.

Er sprang auf und eilte an den Fächernentlang, die die Aufzeichnungen auf Bild-und Tonspulen enthielten. Schließlich öffne-te er eines und nahm eine Bildkonserve her-aus. Er schob sie in den 3-D-Projektor, ließdas Band halb durchlaufen und schaltetedann auf Projektion.

Terlot erschien im Bild. Dieses Mal abersah Axton ihn in einem wilden Schwert-kampf. Die Szene war nur kurz, denn Terlottötete seinen Gegner rasch. Unmittelbar dar-auf aber blendete der Film um zu einemKommentator, der zunächst einige belanglo-se Worte sagte, dann aber erklärte: »Wiedereinmal stieß Terlot auf einen Gegner, der ge-schwächt erschien. Eine Untersuchung wirdzeigen, was hier wirklich geschehen ist.Hartnäckig halten sich Gerüchte, die besa-gen, daß Terlot die Kampfstätten schon vor-her präpariert, so daß sein Gegner es nichtnur mit ihm, sondern auch mit allerlei ver-borgenen Fallen zu tun hat.«

Damit endete der Film. Arayshkat blickteAxton erregt an.

»Jetzt verstehe ich«, sagte er. »Was Sieplanen, ist kein echtes Duell, sondern Mord.Und das Opfer soll ich sein.«

Axton streckte seine Hand aus.»Zeigen Sie mir die Spulen, vielleicht

kann ich dann noch etwas für Sie tun.«Arayshkat schüttelte den Kopf.»Das glaube ich nicht, Axton.«»Wenn Sie es nicht tun, dann gibt es

wirklich keine Chance mehr für Sie. Sie ha-ben selbst festgestellt, daß Sie in einer Fallesitzen, aus der es keinen Ausweg mehr gibt.Da hilft es Ihnen auch nicht mehr, wenn Siediese Spulen vor mir verbergen.«

Der Planetenfürst gab endgültig auf. Erschob Axton die Aufzeichnungen zu. Dieserreichte sie an Kelly weiter, der sie in denProjektor schob.

Kennon verfolgte die Filme mit höchsterKonzentration, aber er konnte absolut nichtsVerdächtiges feststellen. Da er aber merkte,daß Arayshkat ihn ständig beobachtete, under wußte, daß die Filme belastendes Materialenthielten, ließ er sich seine Enttäuschungnicht anmerken, sondern setzte ein leichtesLächeln auf. Die Filme zeigten nur, wie derPlanetenfürst einige Männer am Raumhafenempfing, wie er sich mit ihnen unterhielt,und wie er ihnen schließlich mehrere Kistenübergab, die mit farbigen Symbolen verse-hen waren. Kennon, der die arkonidischeSzene dieser Zeit noch zu wenig kannte,konnte überhaupt nichts damit anfangen.

Als die letzten Bilder durchgelaufen wa-ren, wandte er sich Arayshkat zu. Dieserblickte ihn voller Spannung an.

»So ist das also«, sagte Axton. Er beob-achtete den Arkoniden nicht weniger scharfals dieser ihn. »So etwas Ähnliches habe icherwartet.«

Er hatte sich absolut in der Gewalt, wäh-rend Arayshkat um sein Leben zitterte. DerArkonide konnte nicht wissen, wie wenigAxton wirklich von dieser Zeit kannte. Sointensiv der Terraner sich auch mit der Ge-schichte der altgalaktischen Völker beschäf-tigt hatte, er konnte die Gesichter der vielenArkoniden nicht kennen, die in dieser Zeiteine Rolle gespielt hatten. Aus allen Epo-chen waren immer nur die Gesichter derwirklich überragenden Persönlichkeiten be-kannt, die der anderen jedoch nicht.

Axton ging aber von der Voraussetzungaus, daß sich unter den Männern, die er imFilm gesehen hatte, jemand befunden habenmußte, der Orbanaschol den offenen Kampfangesagt und sich vielleicht sogar für Atlan

14 H. G. Francis

ausgesprochen hatte.Arayshkat schwieg eine geraume Weile,

während Axton ihn ständig ansah. Dannhielt der Arkonide dem Blick nicht mehrstand. Er wandte sich ab.

»Was wollen Sie denn noch?« fragte erresignierend. »Sie wissen jetzt, daß ich mitWeshtrozin, Pouktra und Wentho, dem Bär-tigen, verhandelt habe. Na und?«

Er sprang auf.»Ja, ich gebe zu, daß ich Orbanaschol ver-

abscheue, und daß ich ihn lieber heute alsmorgen vernichten würde. Ich gestehe, daßich versucht habe, dem Kristallprinzen Atlanfinanzielle Mittel zukommen zu lassen. Esist nicht gelungen. Weshtrozin und seineFreunde sind von den Maahks vernichtetworden. Das ist das einzige, was ich wirk-lich bereue.«

Lebo Axton war so erregt, daß ihm für ei-nige Zeit die Stimme versagte, dann aberfragte er heiser: »Sie wissen, wo Atlan ist?«

»Ich weiß, wo er für einige Tage war«,antwortete Arayshkat. »Jetzt ist es zu spät.Die Verbindung, die ich zu haben glaubte,ist wieder abgerissen. Aber selbst wenn iches wüßte, wo Atlan ist, dann würde ich esIhnen bestimmt nicht verraten.«

Sinclair Marout Kennon wußte nichtmehr, was er sagen sollte.

Da war es ihm endlich gelungen, jeman-den zu finden, der ihm Hinweise über denAufenthaltsort Atlans geben konnte, der At-lan wirksame Hilfe leisten konnte, und aus-gerechnet diesen Mann hatte er in eine Fallegelockt, aus der es kein Entkommen mehrgeben konnte.

3.

»Sind Sie sicher, daß uns hier niemandhören kann?« fragte Axton.

»Natürlich«, erwiderte Arayshkat.»Absolut sicher. Warum fragen Sie?«

Der Verwachsene antwortete nicht. Erüberlegte fieberhaft, was er tun konnte. Erwollte den Planetenfürsten unter diesen Um-ständen auf keinen Fall opfern. Arayshkat

aber verstand ihn falsch. Er konnte sichnicht vorstellen, daß sich das Blatt für ihnnoch einmal wenden könnte. Dennoch ver-suchte er, etwas für seine Rettung zu tun.

»Ich werde Ihnen sagen, wer Eid Bestegetötet hat und warum.«

»Das will ich gar nicht wissen.«»Ich werde es Ihnen dennoch sagen. Es

war Peyko Baey. Er hat es getan, weil EidBeste entdeckt hat, daß ich ein Freund At-lans bin. Er wollte mich retten.«

»Aber Sie lassen ihn fallen, weil Sie glau-ben, daß für Sie alles verloren ist«, stellteAxton verächtlich fest. »Vermutlich kannAtlan sich ebenso wenig auf Sie verlassenwie Peyko Baey.«

Der Planetenfürst war bleich bis in dieLippen. Mit tränenfeuchten Augen blickte erden Kriminalisten an.

»Sie reden, als ob es Ihnen leid täte, daßich den Namen des Mörders genannt habe.«

»Sie haben recht.«Arayshkat war fassungslos.»Wie soll ich das alles verstehen?« fragte

er. »Was haben Sie vor, Axton?«»Nun, dann will ich Ihnen die Wahrheit

sagen, Arayshkat. Ich bemühe mich, an denHof Orbanaschols zu kommen. Ich strebean, ein einflußreicher Mitarbeiter im Ge-heimdienst des Imperators zu werden. Nochaber genieße ich nicht das volle Vertrauendes Hofes. Ich soll beweisen, daß ich loyalbin. Deshalb habe ich den Auftrag erhalten,Sie zu vernichten, damit Orbanaschol denPlaneten Barthimore in seine Gewalt brin-gen kann. Er hat ein Auge auf diese Welt ge-worfen und will sie unbedingt haben. Siesind ihm wegen einiger kleinerer Vorfälleein Dorn im Auge. Deshalb müssen Sie weg.Das ist alles.«

»Dann hätten Sie auf jeden Fall versucht,ein Duell herbeizuführen, auch wenn ichmich ganz anders verhalten hätte?«

»So ist es, Arayshkat. Sie waren bereits sogut wie tot, als ich meinen Fuß auf dieseWelt setzte.«

Der Planetenfürst senkte den Kopf undschwieg.

Der Verräter von Protem 15

Lebo Axton wartete einige Minuten. AlsArayshkat auch dann noch nichts gesagt hat-te, fragte er: »Wollen Sie nicht kämpfen?«

»Wie denn? Gegen einen perfekten Mör-der wie Terlot? Unmöglich.«

»Warum?«»Weil die Arena mit Fallen für mich ge-

pflastert sein wird.«»Noch sind Sie der Herrscher hier. Sie

können Terlot daran hindern, Ihnen Fallenzu stellen. Sie könnten selbst welche aufbau-en.«

»Das sagen Sie mir?«»Das sage ich Ihnen, weil es Ihre einzige

Chance ist, diese Sache zu überleben. WennSie Terlot töten, haben Sie zumindest einenAufschub gewonnen. Vielleicht können SieOrbanaschol später beweisen, daß Sie vongroßem Wert für ihn sind. Aber das wirddann Ihre Aufgabe sein.«

Arayshkat blickte Axton an, als sehe erihn zum ersten Mal.

»Warum tun Sie das?« fragte er verwirrt.»Erst wollen Sie mich töten, und jetzt wol-len Sie mich retten. Warum das?«

»Als ich kam, um Sie zu töten, wußte ichnoch nicht, daß Sie ein Freund Atlans sind.Das ist alles.«

Axton gab Kelly einen Wink und ließ sichhinaustragen. In der Tür blieb er stehen unddrehte sich noch einmal um.

»Wo ist die Arena?« fragte er.Der Planetenfürst sagte es ihm.

*

Die Kampfstätte lag in einer gepflegtenParklandschaft. Sie wurde zu einem kleinenTeil von einem See begrenzt, in dem sichgefährlich aussehende Echsen bewegten. Anden anderen Seiten konnten undurchdringli-che Energiezäune gezogen werden, wie Ax-ton an verborgenen Projektoren erkannte.

Die Zuschauer fanden auf zahlreichenHochständen Platz, die zwischen blühendenBaumgruppen lagen. Von dort hatten sieeinen ausgezeichneten Blick auf das Ge-schehen.

Als Axton beschloß, sich von Kelly aufeinen solchen Stand hinauftragen zu lassen,entdeckte er Terlot von Keithy. Der riesigeArkonide stand zwischen zwei Bäumen. Ertrug ein braunes Gewand und hob sich kaumvon seiner Umgebung ab. Mit zusammenge-kniffenen Augen betrachtete er die Arena,die mit feinem, rotem Sand ausgelegt war.

»Hast du jemals einen so großen Arkoni-den gesehen?« fragte er Kelly.

»Nein«, antwortete der Roboter.Terlot bückte sich nach einem Koffer, der

neben ihm auf dem Boden lag. In diesemMoment bauten sich die Energiezäune bis zueiner Höhe von etwa vier Metern auf. Terlotzuckte sichtlich zusammen. Damit schien ernicht gerechnet zu haben.

»Hin zu ihm«, befahl Axton.Der Arkonide fuhr blitzschnell herum, als

er die Schritte des Roboters vernahm. SeineHand glitt zum Energiestrahler am Gürtelund zog ihn so schnell heraus, daß Axton dieBewegung kaum verfolgen konnte.

»In jeder Phase der Kämpfer«, sagte LeboAxton lächelnd. »Ich begrüße Sie, Terlot.«

Der Arkonide schob die Waffe in denGürtel zurück. Er nickte gelassen, deutetedann auf den Energiezaun und sagte: »Werhat das veranlaßt?«

»Ich weiß es nicht. Vermutlich Araysh-kat.«

»Ich muß die Arena betreten, bevor wirkämpfen.«

»Das wird Ihr Gegner nicht zulassen.«Terlot wurde nachdenklich. Daß er keine

andere Fragen stellte, verriet Axton, daßman ihn auf Arkon sorgfältig instruiert hatte.

»Na schön«, sagte der Kämpfer schließ-lich. »Dann machen wir es anders. Wannsoll der Kampf stattfinden?«

»Heute abend.«»So schnell schon?«Lebo Axton antwortete nicht. Terlot bück-

te sich erneut und öffnete seinen Koffer.Darin lag eine Pistole mit einem auffallenddicken Lauf und eine Anzahl von Geschos-sen, die mit unterschiedlichen Farben ge-kennzeichnet waren. Der Arkonide nahm ei-

16 H. G. Francis

nige davon heraus, schob eines in den Laufder Pistole, richtete diese auf die Arena undfeuerte sie ab. Das Projektil glitt lautlos überden Energiezaun hinweg und bohrte sich inden Sand der Arena, ohne eine Spur zu hin-terlassen. Terlot nahm die anderen Geschos-se und beförderte auch sie über den Zaun.Axton, der ihn sorgfältig beobachtete, stelltefest, daß er sie nach einem ganz bestimmtenSystem verteilte, so daß er sie später wieder-finden konnte, obwohl keine Zeichen imSand zu sehen waren.

Er war sich dessen sicher, daß er behaltenwürde, wo Terlot seine Fallen aufgebaut hat-te.

*

»Ich habe mehrere Räume im Palast fürSie reservieren lassen«, sagte Axton, alsTerlot seine Vorbereitungen abgeschlossenhatte. »Wenn Sie wollen, können Sie etwasessen und trinken.«

Der Kämpfer nahm ein mit Federn, lang-haarigem Pelz, seltsamen Gebilden undSymbolen verziertes Etwas aus seinem Kof-fer hervor, stülpte es sich über den Kopf undsetzte sich auf den Boden, die Blicke starrauf die Arena gerichtet.

»Ich bleibe hier«, erklärte er mit energi-scher Stimme. »Ich nehme nichts zu mir,und ich lasse den Kampfplatz nicht aus denAugen, bis alles vorbei ist.«

Er sah aus wie ein Sagamore des frühenAmerikas, der sich mit zahllosen Wampunsbehängt hatte, um sich auf diese Weise ge-gen böse Geister zu schützen.

Durch seine kompromißlos vorsichtigeHaltung wurde er für Kennon zum Problem,denn nun konnten er und Arayshkat keineVorbereitungen mehr für ihren Kampf tref-fen.

»Wir sehen uns später«, sagte Lebo Ax-ton, versetzte dem Roboter einen Fausthiebgegen den Schädel und gab diesem damit zuverstehen, daß er zum Palast zurückkehrenwollte. Mittlerweile kamen von dorther eini-ge adlige Männer und Frauen herbei. Sie

blieben in einiger Entfernung von Terlot ste-hen und betrachteten diesen mit gewisserFurcht. Sie alle wußten, daß dieser Mannvon Duell zu Duell zog und nur vom Tötenlebte.

»Wir sitzen in der Falle«, sagte Axton zuKelly, als er sicher war, daß niemand sie hö-ren konnte. »Für Arayshkat ist es zu spät,die Arena noch zu präparieren. Außerdemmüssen wir etwas tun, um Terlot in Mißkre-dit zu bringen. Sollte tatsächlich ein Wundergeschehen, dann müssen wir Orbanascholgegenüber begründen, weshalb Arayshkatüberlebt hat und nicht anschließend von unserledigt worden ist.«

»Unmöglich«, erwiderte der Roboter.»Ich sehe keine Wahrscheinlichkeit für ir-gendeinen Plan, Arayshkat zu retten.«

»Du bist zu dumm, überhaupt einen Planzu fassen, Kelly. Da du das nicht kannst,kannst du die Erfolgsaussichten eines Planesauch nicht beurteilen. War das logisch.«

»Logisch.«»Also akzeptierst du, daß du dumm bist?«»Das nicht, aber ich tue alles, um dich

psychisch aufzubauen.«Axton packte den Roboterkopf und ver-

suchte, ihn zu drehen, aber es gelang ihmnicht. Hilflos rutschten seine schwachenHände an dem glatten Metall ab.

»Ich bringe dich um«, rief er stöhnend.»Ich vernichte dich Schraube für Schraube.«

»Was für eine Idee«, antwortete der Ro-bot, »wo ich doch am ganzen Körper keineSchraube habe.«

»Du verstehst eben keine bildliche Spra-che. Du bist strohdumm.«

»Ich wundere mich sehr über gewisseAusdrücke, Schätzchen. Sie sind in der arko-nidischen Sprache fast unbekannt.«

»Kümmere dich nicht darum, sondern hilfmir lieber.« Sie hatten den Palast erreicht.Kelly blieb stehen. Axton blickte an demGebäude hoch. Es hatte die Form einer Ku-gel und schwebte wenige Zentimeter überdem Boden frei in der Luft. Mächtige Anti-gravfelder trugen es. Arayshkat konnte diewichtig erscheinenden Bereiche der Kugel

Der Verräter von Protem 17

nach Belieben mit der Sonne wandern las-sen.

»Eine Idee, Kelly«, sagte der Verwachse-ne. »Ich brauche eine Idee. Wo kann ich an-setzen?«

»Vielleicht bei der Frage, ob die Biblio-thek wirklich abhörsicher ist.«

»Wie meinst du das?« fragte Kennon be-troffen. Der Roboter antwortete, aber derTerraner hörte ihn nicht mehr. Seine Gedan-ken überschlugen sich förmlich. Er trieb dieMaschine in den Palast hinein. Ihm war sie-dendheiß geworden. Wenn das Gesprächzwischen ihm und Arayshkat irgendwo auf-gezeichnet worden war, dann war er eben-falls verloren.

Ungehindert betraten sie die Bibliothek.Kennon begann sofort mit der Untersu-chung. Seine Erfahrung half ihm, von vorn-herein die Stellen aufzufinden, die überhauptnur in Frage kamen. Eine halbe Stunde langschien es so, als sei alles in Ordnung, dannaber stieß Kennon auf eine winzige Linse.Schlagartig war ihm klar, daß irgendwo imPalast eine Aufzeichnung gemacht wordenwar.

Er löste die Kamera aus der Wand herausund stellte fest, daß sie mit einem haarfeinenKabel verbunden war. Das erleichterte seineArbeit. Nahezu aussichtslos wäre seine Posi-tion gewesen, wenn die Kamera die Bilderper Funk weitergegeben hätte. So aber konn-te er die im Ovalkörper des Roboters einge-bauten Geräte auf das Kabel einjustieren undKelly die Suche übergeben. Der Automatpeilte sich ein und folgte dem Kabel. Esführte zum Boden, von dort zu einem dreidi-mensionalen Gemälde einer exotischen Pla-netenlandschaft und von da aus durch dieWand neben der Tür.

Kennon machte sich bereits darauf gefaßt,den halben Palast durchqueren zu müssen.Doch schon nach wenigen Metern ver-schwand das Kabel in einem kleinerenRaum, der als Archiv gekennzeichnet war.Lebo Axton ließ den Roboter als Wache vorder Tür zurück, als es ihm nicht gelang, die-se zu öffnen. Zu Fuß machte er sich auf die

Suche nach dem Planetenfürsten. Er fandArayshkat in seinen Privaträumen, wo ersich einen Lehrfilm über Schwertkämpfe an-sah.

»Ich muß Sie stören, Arayshkat«, sagteKennon. »Sie müssen mir einen Raum zu-gänglich machen.«

Mit knappen Worten erklärte er, was erentdeckt hatte. Arayshkat, der ohnhin schonblaß war, wurde noch um eine Nuance blei-cher.

»Allmählich begreife ich, daß ich michwirklich wie ein Narr benommen habe«,sagte er stöhnend. »Ich bildete mir ein, hiervon Orbanaschol unbehelligt leben zu kön-nen, und dabei stand ich schon auf der Ab-schußliste.«

Er begleitete Axton zum Archiv, schloßes auf und ließ den Verwachsenen eintreten.Der Roboter entdeckte das Aufzeichnungs-gerät bereits nach wenigen Sekunden. Es liefnoch.

»Vielleicht haben wir Glück«, sagte Ax-ton. »Es sieht so aus, als habe der Spitzeldes Imperators sich die Aufzeichnung nochnicht angesehen.«

»Ist das nicht egal?« fragte Arayshkatmutlos.

»Ganz und gar nicht«, erwiderte Axton.»Wer hat Zugang zu diesem Archiv?«

»Es sind nur zwei Männer. Kahush undOuzhan. Bedienstete.«

»Könnte sonst jemand sich einen Schlüs-sel beschafft haben?«

»Natürlich, aber das wäre ziemlich sinn-los. Die beiden Männer sind die einzigen au-ßer mir, die diesen Raum hin und wieder be-treten. Ich lasse mir die gewünschten Spulenmeistens bringen. Ein anderer hätte daherdie Robotspione anderswo versteckt, abernicht hier.«

»Gut, dann gehen wir von der Vorausset-zung aus, daß diese beiden Männer die Spit-zel sind. Schicken Sie sie irgendwohin.Möglichst weit weg. Ich brauche zwei Stun-den Zeit.«

»Was haben Sie vor?«»Ich werde das Aufzeichnungsband mani-

18 H. G. Francis

pulieren. Danach wird sich das Gespräch soanhören, als hätten wir genau das Gegenteilgesagt. Ich werde Sie als leidenschaftlichenBefürworter Orbanaschols erscheinen las-sen.«

»Das geht?«»Ich kann es. Und jetzt beeilen Sie sich.«Als er allein war, stürzte Kennon sich auf

die Arbeit, die äußerste Konzentration vonihm erforderte. Glücklicherweise konnteihm das Positronenhirn Kellys die reine Ge-dächtnisarbeit abnehmen. So brauchte ersich nicht Bildabschnitt für Bildabschnitt zumerken, sondern konnte die Organisationder Manipulation dem Roboter überlassen.Der Terraner hatte derartige Verfälschungenvon Filmaufnahmen bereits hundertfach imRahmen seiner USO-Tätigkeit gemacht.Dort hatte er allerdings den Vorteil gehabt,daß er fast immer eine perfekte Bearbei-tungsmaschinerie zur Verfügung gehabt hat-te. Hier aber mußte alles mühsam von Handerledigt werden. Das erforderte Zeit. Es galtnicht nur, die Lippenbewegungen so umzu-schneiden, daß sinnvolle Worte dabei her-auskamen, Kennon mußte auch insgesamteinen völlig neuen und akzeptablen Dialogentwickeln.

Als Arayshkat nach zwei Stunden zurück-kehrte, lehnte Axton sich erschöpft zurück.

»Ich denke, wir haben es geschafft«, sagteer.

»Was hilft das schon. Gegen Terlot habeich keine Chance«, entgegnete der Planeten-fürst.

»Vielleicht doch.«»Wie denn, Axton? Sagen Sie mir, wie

ich gegen diesen Mann bestehen soll.«»Arayshkat, bleiben Sie ruhig. Mit Hilfe

meines Roboters werde ich herausfinden,wie er seine Fallen aktivieren will. Ich ver-mute, daß es mit Funkbefehlen geschehenwird.«

»Das glaube ich nicht. Wie sollte er dasmachen?«

»Beispielsweise dadurch, daß er ein paarversteckte Knöpfe an dem Griff seinesSchwertes betätigt.«

»Dann glauben Sie, daß ich …«»Ich muß erst die Frequenz herausfinden.

Dazu ist es leider notwendig, daß Terlot ei-nige Fallen aktiviert. Das Risiko müssen Sieeingehen. Sie müssen es schaffen, allein ausihnen herauszukommen. Später werde ichdie Fallen einschalten, sobald sich Terlotüber ihnen befindet.«

Er blickte den Planetenfürsten an. Araysh-kat glaubte nicht an seine Chance. Das warihm anzusehen. Er hatte Angst vor demKampf.

»Wir spielen jetzt den Film ab«, sagte Ax-ton.

»Sind Sie verrückt? In einer halben Stun-de beginnt der Kampf. Und Sie wollen, daßich mir den Film betrachte.«

»Ich bestehe darauf.«»Warum?«»Weil ich will, daß Sie sich über die

Chance klar sind, die Sie haben, wenn Sieden Kampf überleben.«

Axton schaltete den Projektor ab. Araysh-kat erlebte staunend ein Gespräch, an dem erselbst teilgenommen hatte, in dem aberkaum ein Satz so war, wie er ihn von sichgegeben hatte.

»Wenn ich es nicht mit eigenen Augengesehen hätte«, sagte der Arkonide schließ-lich, »dann würde ich es nicht glauben.«

Er schien wieder ein wenig Hoffnung ge-schöpft zu haben. Zusammen mit Axton ver-ließ er das Archiv. Der Verwachsene richte-te nun noch alles rasch wieder so her, wie esgewesen war, so daß die Spitzel des Impera-tors keine Veränderung feststellen konnten.Dann begaben sich die beiden Männer zumAusgang des Palastes. Von hier aus konntensie zur Arena hinüberblicken. Dort hatte sicheine große Menge versammelt. Freunde,Verwandte, Bekannte, Bedienstete und Mili-tärs umgaben die Kampfstätte.

Aysha, die Frau des Planetenfürsten, eilteaus dem Palast und umschlang Arayshkat.Dann erst merkte sie, daß Lebo Axton mitseinem Roboter wenige Meter entfernt vonihm stand. Haßerfüllt blickte sie ihn an.

»Verschwinden Sie«, forderte sie.

Der Verräter von Protem 19

»Beruhige dich, Aysha«, sagte der Arko-nide. »Es ist alles anders als du glaubst. Ax-ton will mir helfen.«

»Und das glaubst du?«»Allerdings.« Mit knappen Worten erklär-

te er ihr, was vorgefallen war, aber sie warnicht so leicht zu überzeugen. Der Haß in ih-ren Augen erlosch nicht.

»Atlans Freund oder nicht«, erklärte sieschließlich. »Lebo Axton war es schließlich,der dich in diese Situation gebracht hat.«

Sie drehte dem Verwachsenen denRücken zu.

»Ich muß zu Terlot«, sagte Axton.»Entschuldigen Sie mich.«

Er trieb den Roboter an. Bei der Arenaverstummten die Gespräche, als die Zu-schauer Axton, Arayshkat und Aysha sahen.Der Verwachsene stieg neben Terlot vonseinem Roboter. Der Kämpfer saß noch im-mer auf seinem Platz und rührte sich nicht.Mit beiden Händen hielt er sein Schwert.Dabei verdeckte er den Griff so, daß Axtonkeine Schaltvorrichtungen erkennen konnte.

»Alles klar?«»Selbstverständlich. Der Kampf wird

leicht sein.«»Ich will nicht, daß er allzu schnell vor-

über ist«, sagte Axton.Die Lippen des Arkoniden verzogen sich.»Soll ich mit meinem Opfer ein wenig

spielen?«»Es soll zumindest nach einem Kampf

aussehen, nicht nach einem brutalen Ab-schlachten.«

»Das habe ich noch nie getan. Ich habeimmer gekämpft und den Zuschauern gege-ben, was sie wollen. Es wird so aussehen,als hätte Arayshkat auch eine Chance.«

»Das ist gut.«Axton stieg wieder auf den Roboter und

ließ sich bis an den Energiezaun herantra-gen. Ein Pfiff ertönte. Axton wandte sichum. Arayshakt hatte Terlot erreicht und warneben ihm stehengeblieben. Der Kämpfererhob sich würdevoll, beachtete den Plane-tenfürsten jedoch nicht. Unter den Bäumentrat ein Mann hervor, der von Kopf bis Fuß

in flammend rote Gewänder gekleidet war.Er trug einen breitkrempigen Hut mit einergroßen Feder und hielt in den Händen dasfür Arayshkat vorgesehene Schwert. Lang-sam schritt er auf Kelly und den Roboter zu.Als er neben ihm war, öffnete sich eineStrukturlücke im Energiezaun. Axton stiegvon Kelly herunter und ging neben demMannaxmeister bis zum Mittelpunkt derArena. Unter den Bäumen war es absolutstill geworden.

Der Rote stieß das Schwert mit der Spitzein den Sand.

»Du bist beleidigt worden, Lebo Axton«,rief er. »Nach den Gesetzen des Mannaxhast du das Recht, Genugtuung zu verlan-gen. Bestehst du darauf?«

»Ich bestehe darauf«, antwortete der Ver-wachsene, der steil nach oben sehen mußte,um dem Meister ins Gesicht blicken zu kön-nen.

»Du hast das Recht, dich durch einen an-deren vertreten zu lassen, wenn du dich zuschwach für einen Kampf fühlst. Willst dudein Recht wahrnehmen?«

»Ich will«, rief Axton.»So benenne mir deinen Vertreter.«Axton streckte den Arm aus und zeigte

auf den Kämpfer.»Es ist Terlot von Keithy.«Ein Raunen ging durch die Menge, als der

Benannte die Arena mit gemessenen Schrit-ten betrat und bis zu den beiden Männernging.

»Ich fordere dich auf, den Kampf zu be-ginnen«, sagte der Verwachsene laut. Ernahm das Schwert von dem Mannaxmeisterentgegen und hielt es, bis der Planetenfürstbei ihm war. Dann übergab er es ihm. »DerKampf soll erst zu Ende sein, wenn einer derbeiden Kämpfer tot ist.«

»Dann erst ist der Kampf zu Ende«, fügteder Rote traditionsgemäß hinzu. Er setztesich nun auf den Boden. Lebo Axton ließsich neben ihm nieder. Er blickte zu Kellyhinüber, der außerhalb des Energiezaunsstand. Nun hing alles von dem Roboter ab.Gelang es ihm, rechtzeitig das Geheimnis

20 H. G. Francis

der Fallen zu enträtseln, dann war Arayshkatmit ein bißchen Glück zu retten.

4.

Terlot hob das Schwert und drehte es so,daß es das Sonnenlicht reflektierte. Blen-dend helle Blitze schienen über das Publi-kum hinwegzugleiten.

Arayshkat blickte Axton an. Er hatteAngst. Er war bleich bis in die Lippen, undseine Augen tränten vor Erregung. Ein leich-ter Wind spielte in seinem langen Haar.

Der Mannaxmeister nahm eine grüne Fe-der aus seinem Ärmel, hielt sie sich vor dieLippen und blies sie in die Luft. Eine Bö er-faßte sie und trieb sie hoch über die Köpfeder beiden Kämpfer. Terlot behielt Araysh-kat im Auge, während dieser die Feder be-obachtete. Sie verharrte in einer Höhe vonetwa drei Metern still in der Luft und fieldann taumelnd zu Boden. Kurz bevor sieden Sand berührte, wurde sie erneut hochge-wirbelt, dann aber sank sie langsam herab.

Kaum war sie zur Ruhe gekommen, alssich Terlot mit einem wilden Schrei auf denPlanetenfürsten stürzte. Dieser hatte geradenoch Zeit, sein Schwert hochzureißen undzur Seite zu springen. Dennoch war er nichtschnell genug. Die Klinge des Kämpfersstrich dicht an seinem Kopf vorbei undtrennte ein Haarbüschel ab.

Erst in diesem Moment schien Arayshkatbewußt zu werden, wie scharf die Waffe sei-nes Gegners war, und was es bedeutete,wenn er von ihr getroffen wurde. Er wichmit geweiteten Augen zurück. Terlot hob dieabgeschnittenen Haare mit der Schwertspit-ze auf und schleuderte sie in die Luft.

»Das war knapp«, sagte er. »Es hätte auchdie Halsschlagader sein können.«

Langsam richtete er das Schwert auf sei-nen Gegner, der ihn mit gespreizten Beinenerwartete und seine Waffe schützend vorden Oberkörper hielt. Terlot drang wild aufihn ein. Die Klingen prallten aufeinander,und Lebo Axton verfolgte entsetzt, daßArayshkat unter der Wucht dieses Hiebes in

die Knie ging.Der Planetenfürst wollte sich nach hinten

werfen, aber seine Bewegungen waren soschwerfällig und träge, als klebe er mit denFüßen am Boden.

Das tat er tatsächlich! Er war in die ersteder Fallen seines Gegners gestolpert. Ken-non konnte nur ahnen, wie hoch die Gravita-tionswerte waren, die an ihm zerrten.

Arayshkat kam nicht frei. Er stürzte rück-lings zu Boden, und mit zwei schnellenSchritten war Terlot über ihm. Verächtlichlächelnd blickte er auf den Planetenfürsten,hinab. Er hob sein Schwert.

In diesem Moment, als die Zuschauer sicherschreckt von ihren Plätzen erhoben unddas Ende erwarteten, klang ein dumpfesRollen über das Land. Terlot zögerte. Erblickte in den blaßblauen Himmel hinauf,aus dem sich ein kugelförmiges Raumschiffmit erheblicher Geschwindigkeit herabsenk-te. Innerhalb weniger Sekunden näherte essich der Kampf statte so weit, daß die klaf-fenden Einschußöffnungen in der Kugelhül-le deutlich zu erkennen waren. Dieses Schiffhatte einen Kampf mit einem offenbar über-legenen Gegner nur knapp überstanden. Esverzögerte mit grell flammenden Abstrahl-düsen und senkte sich dann langsam auf denRaumhafen herab.

»Wollen Sie, daß der Kampf unterbrochenwird, Lebo Axton?« fragte der Mannaxmei-ster.

»Ich lehne eine Unterbrechung ab«, schrieTerlot energisch.

Arayshkat wälzte sich überraschendschnell unter dem Kämpfer hervor, rolltesich über die Schultern ab und hielt dasSchwert schützend über sich, als Terlot wü-tend zuschlug. Über seinem Kopf trafen dieKlingen aufeinander. Bevor Terlot ein zwei-tes Mal ausholen konnte, rettete der Plane-tenfürst sich durch eine erneute Flucht.

Der Stellvertreter Axtons wartete, bis erauf den Beinen war, dann folgte er ihm lang-sam. Dabei fintierte er mehrere Male, griffaber nicht wirklich an. Er trieb Arayshkat indie nächste Falle. Lebo Axton konnte es klar

Der Verräter von Protem 21

erkennen. Er biß sich auf die Lippen und un-terdrückte nur mit Mühe einen Warnruf.Arayshkat war jedoch auf der Hut. Kaumspürte er den Sog einer Gravitationsfalle, alser sich auch schon schwungvoll zur Seitewarf. Zwar stürzte er zu Boden, rettete sichjedoch vor Terlot, indem er sich weiterrollte.Dicht neben ihm bohrte sich das Schwert inden Boden, als der Kämpfer es plötzlich wieeinen Speer auf ihn schleuderte.

Arayshkat sprang geschmeidig auf, seineKlinge wirbelte durch die Luft. Er versuchte,die gegnerische Waffe am Handgriff zu tref-fen, verfehlte sie jedoch, als Terlot ihr einenFußtritt versetzte. Sie kippte zur Seite, unddas Schwert Arayshkats flog zischend dar-über hinweg. Terlot lachte höhnisch auf, alsder Planetenfürst vom Schwung seines eige-nen Schlages herumgerissen wurde und überseine eigenen Füße stolperte.

Der Vertreter Axtons nahm sein Schwertin aller Ruhe auf und wartete, bis sein Geg-ner wieder sicher auf dem Boden stand.

»Du hättest mich angreifen sollen, großerFürst«, sagte er herablassend. »Dann hättestdu vielleicht eine Chance gehabt.«

Arayshkat wich ihm rückwärts gehendaus. Er ahnte, daß Terlot ihn wiederum in ei-ne Falle treiben wollte, und versuchte, zurSeite auszuweichen. Doch Terlot attackierteihn heftig, so daß ihm keine andere Wahlblieb, als sich auf der Linie zurückzuziehen,die zu dem nächsten Raketengeschoß führte.

Arayshkat richtete seine Blicke unwillkür-lich auf die Hände Terlots, und er sah, daßsie sich bewegten, als ob sie einen Schalterherunterdrückten. Im gleichen Augenblickstieg im der süßliche Geruch eines Gases indie Luft. Seine Blicke verschleierten sich,und jegliche Kraft schien aus seinen Beinenzu weichen. Mit dem letzten Rest seines kla-ren Verstandes flüchtete er weiter. Er spürteden Hauch einer Bö, die ihm saubere Luftzutrieb. Er sah die Waffe Terlots aufblitzenund hob instinktiv sein Schwert. Mit unge-heurer Wucht hieb Terlot auf ihn ein. Arays-hkat erkannte voller Schrecken, daß es sei-nem Gegner ohne weiteres möglich gewesen

wäre, seine Deckung zu durchbrechen. Dar-auf aber legte dieser es noch nicht an. Immerwieder schlug Terlot so zu, daß die beidenSchwerter sich trafen, und jedes Mal gingein Ruck durch den Körper Arayshkats. Eskostete ihn seine ganze Kraft, diesen Angrif-fen zu widerstehen.

Allmählich schwand die Betäubung. Erkonnte klarer sehen und denken, und gleich-zeitig wurde ihm voll und ganz bewußt, inwelchem Ausmaß Terlot mit ihm spielte. Erhätte ihn längst töten können.

Verzweifelt blickte er zu Lebo Axton hin-über.

Wie lange brauchte der Roboter dennnoch, die Frequenz herauszufinden, auf derdie heimtückischen Fallen zu aktivieren wa-ren?

Terlot lächelte boshaft.»Nun, hast du es überstanden, Junge?«

fragte er leise. »Wie wär's mit der nächstenDosis. Es wird die letzte sein.«

Arajshkat erschrak. Für einen kurzen Mo-ment paßte er nicht auf. Er übersah den An-satz zur nächsten Attacke. Das Schwert Ter-lots wirbelte durch die Luft, traf seine Klin-ge und schmetterte sie ihm aus den Händen.Sie flog mehrere Meter zur Seite und fielflach in den Sand. Der Planetenfürst wollteihr nachlaufen, doch Terlot sprang ihm inden Weg.

»Nicht doch«, sagte er drohend. »Du hastdeine Chancen verspielt.«

Arayshkat wich zurück. Seine Hoffnung,daß der Mannaxmeister eingreifen würde,erfüllte sich nicht.

Terlot hob das Schwert zum letzten, allesentscheidenden Schlag. Der Planetenfürstfühlte, daß er erneut in eine Gravitationsfallegeraten war. Die im Boden verborgene Ma-schinerie fesselte ihn förmlich.

Er ließ sich in die Hocke sinken, griff inden Sand und schleuderte diesen Terlot mitder linken Hand ins Gesicht. Mit der rechtenfaßte er das Geschoß. Er wühlte es aus demSand und schleuderte es zur Seite. Es erschi-en ihm schwerer als seine Waffe, die er ver-loren hatte. Doch als es etwa eine Körper-

22 H. G. Francis

länge von ihm entfernt war, wich der Gravi-tationsdruck von ihm.

Terlot wich vor ihm zurück. Er ließ dasSchwert sinken und versuchte, sich denSand aus den Augen zu reiben. Dennoch er-kannte er, daß Arayshkat zu seinem Schwertlief. Er wollte sich ihm in den Weg stellen,war jedoch nicht schnell genug. Der Plane-tenfürst rammte ihm die Schulter in die Seiteund stieß ihn zurück. Dann bückte er sichund riß seine Waffe hoch.

Terlot war kampferfahren genug, sich sei-nem Gegner nun nicht zu stellen. Als derPlanetenfürst mit wuchtigen Hieben auf ihneindrang, beschränkte er sich lediglich aufdie Verteidigung. Dadurch gewann er einigeMinuten, und das reichte ihm, sich die Au-gen zu säubern.

Arayshkat verzweifelte fast, als ihm be-wußt wurde, daß er die einzige Chance indiesem Kampf, die sich ihm geboten hatte,nicht hatte nutzen können. Als der VertreterAxtons zu einem Angriff ansetzen wollte,schien alles vorbei zu sein. Doch gerade indiesem Moment wurden die BewegungenTerlots schwerfälliger. Er schien keine Kraftmehr zu haben, seinen Zweihänder zu he-ben. Verblüfft blickte er auf seine Füße.

»Welcher Teufel hat meine …«, beganner stöhnend und blickte Arayshkat haßerfülltan.

Der Planetenfürst begriff.Endlich hatte der Roboter Lebo Axtons

eingegriffen. Terlot war in eine seiner eige-nen Fallen geraten.

Die Gewichte waren plötzlich anders ver-teilt. Instinktiv warf sich Arayshkat nachvorn. Sein Schwert fuhr hoch. Terlot ver-suchte zu spät, eine Abwehr aufzubauen.Seine Klinge konnte den Kopf nicht mehrschützen. Der Planetenfürst traf seinen Geg-ner am Halsansatz. Terlot schrie gellend aufund stürzte zu Boden.

Der Mannaxmeister schnellte sich hochund rannte auf die beiden Kämpfer zu. Ertrieb Arayshkat mit energischen Bewegun-gen zurück. Dann beugte er sich über Terlotund untersuchte ihn. Schon nach wenigen

Sekunden richtete er sich wieder auf. Erbreitete die Arme aus und rief: »Der Kampfist beendet.«

Das bedeutete, daß Terlot tot war.Arayshkat vernahm das Lärmen der Zu-

schauer nur wie aus weiter Ferne. Er sah Le-bo Axton auf sich zukommen und reichteihm die Hand. Das Schwert entfiel ihm.

»Bei allen Göttern Arkons«, sagte er mitheiserer Stimme. »Ich hatte bereits mit mei-nem Leben abgeschlossen.«

Lebo Axton zog sich von ihm zurück.Kelly kam ihm entgegen, kniete sich vorihm nieder und ließ ihn aufsteigen. Die Zu-schauer strömten von allen Seiten in dieArena. Axton beobachtete, daß Aysha ihremMann um den Hals fiel.

»Zum Raumhafen, Kelly«, befahl er. »Ichmuß wissen, was mit dem Raumschiff pas-siert ist.«

*

Am Raumhafen war wegen des Duells nurein einziger Offizier der normalen Besat-zung zu sehen. Er befand sich in einer hefti-gen Auseinandersetzung mit dem Komman-danten des gelandeten Raumschiffs. Axtontraf die beiden Männer vor der Hauptschleu-se an.

»Beenden Sie Ihren Streit«, befahl er, alser sie erreicht hatte.

Der Standortoffizier blickte ihn fragendan.

»Arayshkat hat gewonnen. Terlot ist tot«,sagte der Verwachsene.

»Was ist hier passiert?« fragte der Kom-mandant.

»Das geht Sie nichts an«, erwiderte Ax-ton.

»Wer ist dieser … Krüppel?« forschte derKommandant, wobei er sich an den Offizierdes Planetenfürsten wandte.

»Ein Agent des Imperators«, antworteteAxton für diesen. Das genügte.

»Entschuldigen Sie«, sagte der Komman-dant erbleichend. »Das konnte ich nicht ah-nen. Ich wollte Sie nicht …«

Der Verräter von Protem 23

»Schon gut«, unterbrach ihn Axton, dersich auf die Schultern seines Roboters stütz-te. »Berichten Sie lieber, was vorgefallen ist.Weshalb sind Sie havariert?«

»Wir kommen aus dem benachbarten Sy-stem Protem«, erklärte der Schiffsoffizier.»Es ist nur 4,8 Lichtjahre von hier entfernt.Wir sind von dem Methanatmern überfallenworden.«

Axton blickte den Standortoffizier an.»Davon haben wir hier nichts gehört?«»Nichts«, antwortete der Untergebene

Arayshkats. »Das war der Grund für unserekleine Auseinandersetzung.«

»Mein Name ist Quaa«, bemerkte derKommandant. »Ich gehörte zu den auf Pro-tem stationierten Einheiten. Der Überfallkam wie aus dem Nichts heraus. DieMaahks stießen blitzschnell zu, zerschlugenunsere Abwehr und landeten beim geheimenPositronikzentrum.«

»Weiter«, sagte Axton drängend. »Wasgeschah dann?«

»Die Methans haben mehrere wichtigeOffiziere und Ingenieure entführt. Zudemmuß es ihnen nach den letzten Informatio-nen, die ich auffangen konnte, gelungensein, wenigstens einen der Grundbausätze zustehlen.«

»Was sind das für Grundbausätze?«forschte Axton.

»Sie gehören zu dem Robotsystem, dasauf Arkon 3 entstehen soll.«

Kennon erschrak. Wenn der Offizier dieWahrheit gesagt hatte, dann hatten dieMaahks eine Beute von außerordentlichemWert an sich gebracht. Wenn es ihnen dazugelingen sollte, Informationen und Datenaus diesem Element zu entschlüsseln, danngelangten sie zwangsläufig in den Besitz un-schätzbarer militärischer Geheimnisse. Die-se konnten kriegsentscheidend sein. Zumin-dest aber mußte das arkonidische Imperiummit beträchtlichen Rückschlägen und zahl-reichen Opfern im Krieg mit den Maahksrechnen.

»Wie war so etwas möglich?« fragte Ax-ton. »Sie sprachen von einem geheimen Po-

sitronikzentrum.«»Die Produktion auf Protem war auch ge-

heim. Nur wenige Offiziere und Ingenieurewußten, was wirklich auf Protem gebautwurde.«

»Dann liegt also Verrat vor?«»Ich fürchte, ja.«»Danke«, sagte Lebo Axton. »Es ist gut.

Ich nehme an, Kommandant Quaa, daß Sieund die Leute im Schiff vorläufig hier aufBarthimore bleiben können. Ich werde mitdem Planetenfürsten darüber sprechen.«

»Der Raumer ist überfüllt«, erklärte Quaa.»Die Leute benötigen frische Luft und Was-ser. Hier aber scheint man der Ansicht zusein, gewisse Quarantänebestimmungen un-bedingt einhalten zu müssen.«

Er blickte den Standortoffizier abfällig an.»Wenn wir uns daran halten, wird es eine

Katastrophe geben«, fügte er hinzu.»Ich werde mich für Sie einsetzen«, ver-

sprach Axton. »Lassen Sie die Schleusenöffnen. Man wird Ihnen Verpflegung in ge-wünschter Menge bringen. Ich spreche in-zwischen mit dem Planetenfürsten.«

Der Roboter Kelly nahm diese Worte alsBefehl. Er drehte sich um und marschiertemit Kennon davon.

»Ich würde mich den Befehlen diesesMannes nicht widersetzen«, sagte Quaa zumOffizier Arayshkats. »Dieser Krüppelscheint genau zu wissen, was er will.«

»Diesen Eindruck haben wir hier schonlange gewonnen«, entgegnete der Raumha-fenoffizier.

*

Axton hatte Mühe, zu Arayshkat vorzu-dringen. Er fand ihn schließlich im Kreiseseiner Freunde in einem prunkvoll einge-richteten Saal. Bedienstete fuhren auf golde-nen und silbernen Antigravplatten Getränkeund Speisen in beängstigender Menge auf.Der Planetenfürst stand sichtlich unter demEinfluß berauschender Substanzen.

»Kommen Sie herein, Lebo Axton«,brüllte er lachend, als er den Verwachsenen

24 H. G. Francis

bemerkte. »Wir feiern das Fest unseres Le-bens. Es wird nicht mehr lange dauern, bisauch die Frauen kommen. Bis dahin trinkenSie mit mir.«

»Ich muß Sie dringend sprechen. Allein«,antwortete Axton leise.

»Unsinn«, rief der Planetenfürst übermü-tig. »Ich habe einen einmaligen Kampf ge-wonnen, Axton. Die Beleidigung ist vomTisch. Jetzt sind wir Freunde. Oder nicht?«

»Ich erwarte Sie nebenan«, erwiderte Ax-ton kühl. Er wandte sich ab. Peyko Baeytauchte neben Arayshkat auf.

»Gehen Sie«, sagte er eindringlich.»Gehen Sie, bitte. Machen Sie nicht schonwieder einen Fehler.«

Arayshkat folgte Axton und dem Roboter.Er blickte den Verwachsenen unwillig an,als sich das Türschott hinter ihm schloß.

»Was soll das, Axton?« fragte er.»Wollen Sie mir die Freude an meinem Siegverderben?«

Mit knappen Worten berichtete der Agentdes Imperators, was auf Protem vorgefallenwar.

»Was interessiert das mich?« erwiderteArayshkat. »Von mir aus können die Flücht-linge hier bleiben. Aber diese Entscheidunghätte auch ein anderer treffen können.«

Lebo Axton stieg von seinem Roboterherunter. Mit eisiger Miene setzte er sich ineinen Sessel. Er befahl dem Planetenfürsten,ebenfalls Platz zu nehmen. Nur zögernd ge-horchte dieser.

»Ihr Leben hängt an einem seidenen Fa-den«, erklärte Axton. »Noch sind Sie nichtgerettet.«

»Was wollen Sie denn?« Arayshkat lachteübermütig auf. »Terlot ist tot. Damit ist alleserledigt.«

Er schien bereits vergessen zu haben, waser erlebt hatte.

»Wenn Sie Orbanaschol nicht auf derStelle beweisen, daß Sie ein wertvoller Mit-streiter für ihn sind, dann wird er keinenGrund haben, Sie zu schonen.«

»Was wollen Sie damit sagen?« Araysh-kat begriff noch immer nicht. Er erhob sich

und ging zur Tür. Offensichtlich dachte ernicht daran, sich noch länger von seinen Gä-sten und dem Vergnügen zurückhalten zulassen.

»Ich werde Barthimore noch heute verlas-sen«, erklärte Axton. »Ich werde versuchen,die Spur der Maahks aufzunehmen. Es stehtIhnen frei, mich zu begleiten. Kommen Siemit, dann beweisen Sie Orbanaschol damitIhre Loyalität. Bleiben Sie hier, dann …«

»Was, dann?« fragte Arayshkat ungedul-dig.

»Dann unterschreiben Sie damit Ihr eige-nes Todesurteil.«

Das Lächeln auf den Lippen des Planeten-fürsten erlosch. Er wischte sich über dieplötzlich feuchte Stirn.

»Das ist doch nicht Ihr Ernst, Lebo Ax-ton.«

Der Beauftragte des Imperators stieg wie-der auf den Rücken seines Roboters.

»Ihre Gäste wären sicherlich sehr über-rascht, wenn ich nach diesem Ausgang desDuells noch länger hier bliebe. Ich verlasseBarthimore, nachdem ich meinen Berichtabgefaßt habe. Es steht Ihnen frei, mich zubegleiten.«

An Arayshkat vorbei ging er nach drau-ßen. Er war verärgert, weil er spürte, daß derArkonide wieder zu seiner leichtfertigenHaltung zurückgekehrt war, die ihm beinahezum Verhängnis geworden war. Für diesenMann hatte er Kopf und Kragen riskiert.Wie Orbanaschol III. sich verhalten würde,war noch völlig offen. Es war durchausmöglich, daß er ihn – Axton – nach dieserWende auf Barthimore fallenlassen würde.Dann würde alles umsonst gewesen sein,was er vorher mühsam und unter beträchtli-chen Gefahren für sich aufgebaut hatte.

Aus diesem Grund konnte er keine Rück-sicht mehr auf Arayshkat nehmen. Auchwenn dieser bereit war, beträchtliche Sum-men für den Kristallprinzen und seinenKampf um die Macht aufzuwenden, konnteer ihn nicht länger stützen, wenn er nichtselbst mehr für sich selbst zu tun gewilltwar.

Der Verräter von Protem 25

»Warten Sie, Axton«, rief der Planeten-fürst, als der Verwachsene den Raum verlas-sen hatte. Doch der Agent des Imperatorsbefahl seinem Roboter weiterzugehen.

Arayshkat fluchte, griff sich ein Glas voneiner vorüberschwebenden Antigravplatteund trank es auf einen Zug leer.

*

»Terlot von Keithy ist tot.«»Verrat?«»Das war nicht festzustellen. Arayshkat

lebt. Und es scheint, daß es gut so ist.«»Wenn er gesiegt hat, dann wird ein neu-

er Plan notwendig.«»Es liegen neue Informationen vor.«»Das ändert nichts.«»Sie widersprechen den alten Berichten.«»Demnach ist Arayshkat loyal?«»Entweder ist er loyal, oder er hat unse-

ren Mann getäuscht.«»Man hat mir gesagt, er sei nicht zu täu-

schen.«»Dann müssen wir die neuen Informatio-

nen als richtig anerkennen.«»Abwarten. Die wirkliche Probe steht

noch bevor. Dann wird sich zeigen, ob tat-sächlich jemand dieses Duell überlebt hat.«

5.

Arayshkat strampelte mit den Beinen,schlug mit den Armen um sich und beganngleichzeitig, laut zu schreien. Doch das halfihm alles nichts. Robot Kelly drückte ihmden rechten Fuß kräftig in den Rücken undzwang ihn so, auf dem Boden liegenzublei-ben. Der Planetenfürst konnte sich nochnicht einmal auf den Rücken drehen. Äch-zend und schnaubend blickte er über dieSchulter zurück, konnte jedoch kaum etwaserkennen, weil ihm das Wasser mit eiskaltenStrahlen ins Gesicht schoß. Immerhin wurdeer sich darüber klar, daß es ein Roboter mitverbeultem Äußeren, krummen Beinen undeiner unförmigen Gestalt auf dem Rückenwar, der ihn quälte.

»Lebo Axton«, brüllte er außer sich vorZorn. »Dafür lasse ich Sie umbringen.«

»Wie vornehm«, kommentierte Kelly mitquietschender Stimme. »Der Herr bestraftnicht selbst. Er läßt ausführen, was er selbstnicht schafft. Ich kann das Wasser noch et-was kälter stellen, Schätzchen. Wäre das indeinem Sinn?«

»Ich überlege gerade, ob wir zur Ab-wechslung nicht einmal kochendes Wassernehmen sollten, Kelly«, erwiderte Axton solaut, daß der Planetenfürst ihn hören konnte.

»Unterstehen Sie sich«, kreischte der Ar-konide. »Ich lasse Ihnen die Haut bei leben-digem Leibe abziehen.«

»Diesem zweifelhaften Vergnügen sindSie zur Zeit näher als ich«, eröffnete ihmKennon schmunzelnd. »Laß es gut sein, Kel-ly.«

»Schade. Es ist mir selten vergönnt, eineIntelligenz minderen Ranges in dieser Weisepflegen zu dürfen.«

Arayshkat schoß vom Boden hoch, kaumdaß der Roboter sich von ihm zurückgezo-gen hatte. Vollkommen unbekleidet und vorWasser triefend stand er vor Axton.

»Sagte diese Metallbestie Intelligenz min-deren Ranges?« fragte er keuchend.

»Allerdings«, erwiderte der Verwachsene.»Ihr Verhalten erlaubt einem rein sachlichdenkenden Positronenhirn nicht, Sie höhereinzustufen.«

Der Arkonide stellte sich in die Hygiene-kabine zurück und ließ sich von einem Heiß-luftstrom trocknen, bis seine Haut krebsrotgeworden war und ihm Schweißtropfen aufder Stirn standen.

»Wo bin ich?« fragte er mit eisiger Stim-me.

»An Bord des Diskusraumers BARTHI-MORE 337.889.«

Arayshkat bückte sich und nahm seine aufdem Boden liegenden Kleider auf. Raschlegte er sie an.

»Und wie, Axton, komme ich hierher?«»Oh, das ist ganz einfach. Sie waren un-

glaublich betrunken, als ich mich erneut umein Gespräch mit Ihnen bemühte. Ihre Frau

26 H. G. Francis

bezeichnete Sie als bewußtlos. Ich konntesie davon überzeugen, daß ein kurzer Raum-flug für Sie unbedingt notwendig ist.«

»Sie haben sie erpreßt«, behauptete Aray-shkat. Er schwankte ein wenig auf den Bei-nen und zeigte Axton damit, daß er nochnicht nüchtern war. Er blickte sich um, eiltedann zu einem Videogerät und schaltete esein. Das Bild der Hauptleitzentrale entstandim Projektionsfeld. Niemand hielt sich dortauf.

»Wir sind allein an Bord«, erklärte Axton.»Das Schiff fliegt mit dem Autopiloten.«

»Wohin?«»Nach Protem im Preyton-System. Ich ha-

be eine entsprechende Nachricht nach ArkonI abgesetzt.«

»Was für eine Nachricht?«»Ich habe meinen vorgesetzten Behörden

gemeldet, daß Sie darauf bestanden haben,die Spur der Maahks aufzunehmen.«

»Ich soll …?« Der Arkonide sank in einender Sessel. Stöhnend strich er sich das Haaraus der Stirn. »Axton, was bei allen Götternhaben Sie mit mir vor?«

Der Verwachsene antwortete nicht. Erverließ die Kabine und schwebte im Anti-gravschacht zur Hauptleitzentrale hinauf. Ersaß im Sessel des Kommandanten und berei-tete den Sprung durch den Hyperraum vor,als Arayshkat ihm nach einiger Zeit folgte.Aus einem Schrank holte er Medikamentehervor, die er mit Wasser vermischte und zusich nahm.

Er setzte sich auf den Platz des Funkleit-offiziers, blickte eine Weile mit leeren Au-gen vor sich hin und schlug endlich stöh-nend die Hände vor das Gesicht.

»Wären Sie doch niemals nach Barthimo-re gekommen«, sagte er.

»Dann hätte ein anderer den Auftragdurchgeführt.«

Der Arkonide richtete sich auf, als er die-se Worte des Roboters vernahm.

»Wieso erlaubt sich dieser Robot, mir et-was Derartiges zu sagen?« fragte er zornig.

»Ich pflege nur Feststellungen zu treffen,Schätzchen. Weiter nichts«, antwortete Kel-

ly.Arayshkat von Barthimore zuckte zusam-

men. Diese Worte des Roboters waren füreinen Mann seines Ranges eine ungeheuerli-che Respektlosigkeit. Lebo Axton lachte lautauf, während er gleichzeitig die Transitioneinleitete. Diese Maßnahme und der augen-blicklich einsetzende Entzerrungsschmerzverhinderten einen Wutausbruch des Adeli-gen. Als das Schiff rematerialisierte,krümmte er sich ächzend in seinem Sessel.

»Das Medikament«, sagte er mühsam.»Ich hätte es nicht nehmen dürfen.«

Lebo Axton beachtete ihn nicht. SeineAufmerksamkeit richtete sich auf das Son-nensystem, in das sie jetzt hineinglitten. Derdritte Planet dieser gelben Sonne war Pro-tem, die Welt, die von den Maahks überfal-len worden war. Durch die Panzerplastkup-pel konnte er nur wenig erkennen. Der Pla-net war noch zu weit entfernt. Wesentlichnäher war ein jupiterähnlicher Planet vonbeträchtlicher Größe.

Arayshkat richtete sich auf. Unsicherblickte er auf die Instrumente, die sich vorihm befanden. Auf einer Bildscheibe blinktein unregelmäßigen Abständen ein Licht auf.

»Da ist etwas«, sagte er.Axton rutschte aus seinem Sessel und

ging mit schleifenden Schritten zu dem Ar-koniden hinüber.

»Was ist da?« fragte er.»Ich weiß es nicht«, erwiderte Arayshkat.»Wir empfangen Funkimpulse«, bemerkte

Kelly.»Sind Sie kein ausgebildeter Pilot?« frag-

te Axton den Arkoniden. Arayshkat schüttel-te den Kopf.

»Aufgrund von Privilegien, die meine Fa-milie besitzt, bin ich vom Kriegsdienst be-freit. Ich bin also nie Offizier gewesen. Aberich habe meine Leute. Warum sollte ichselbst ein Raumschiff fliegen, wenn ichHunderte von Uniformierten dafür bezahle,daß sie mir gewisse Aufgaben abnehmen?«

Jetzt war er wieder der hochmütige Adeli-ge, der glaubte, es sich leisten zu können,weit über den Dingen zu stehen. Er erhob

Der Verräter von Protem 27

sich und trat demonstrativ vom Funkleit-stand zurück, um Axton die Arbeit zu über-lassen, mit der er sich nicht befassen wollte.Der Terraner ging mit einem unmerklichenLächelnd darüber hinweg. Rasch überprüfteer die Instrumentenanzeigen.

»Es sind in der Tat Funkimpulse«, sagteer. »Sie kommen von dem Methanplaneten.«

»Was bedeuten sie?«»Eine Aussage haben sie nicht«, erklärte

Axton. »Ich glaube, daß da unten nur je-mand ist, der uns auf sich aufmerksam ma-chen will.«

»Warum sendet er dann nicht normal mitBild und Ton, so daß man ihn auch verste-hen kann.«

»Weil ihm vermutlich die Ausrüstung da-zu fehlt. Ich glaube, daß er nur ein ganz pri-mitives Gerät hat.«

»Also jemand, der in Not geraten ist?«»Das ist zu vermuten.«»Dann müssen wir ihm helfen.«»Das hatte ich vor.«»Vielleicht sind es Männer, die von Pro-

tem entführt worden sind?«»Nicht so voreilig, Arayshkat«, sagte Ax-

ton. »Es kann immerhin auch ein Maahksein, der verunglückt ist.«

»Dann werden wir nicht helfen.«Axton schwieg. Er hielt es nicht für nötig,

auf die Worte des Arkoniden einzugehen. Erwürde seine Entscheidungen ohnehin sotreffen, wie er es für richtig hielt. Entschlos-sen führte er den Diskusraumer an den Me-thanplaneten heran, nachdem er die Ortungs-instrumente so geschaltet hatte, daß sie ihmdie Informationen auch an seinen Platz über-mittelten. Ein Wink genügte überdies, RobotKelly zum Funkleitstand zu dirigieren. Ax-ton wußte, daß die Maschine alles mit abso-luter Zuverlässigkeit überwachen würde.

Die Funkimpulse kamen in unregelmäßi-gen Abständen. Axton leitete sie in dieHauptpositronik, weil er hoffte, daß diese sievielleicht doch noch entschlüsseln konnte.Als das Raumschiff in die obersten Gas-schichten des Planeten hineinglitt, stand je-doch fest, daß die Rufe tatsächlich inhaltslos

waren. Sie stellten nicht mehr dar als Anwe-senheitshinweise, die zur Funkeinpeilungdienen konnten.

Axton verzögerte stark, als vor ihm eineReihe von Warnsignalen aufleuchtete. Er-schreckt merkte er, daß er mit zu hoher Ge-schwindigkeit anflog. Unwillkürlich war ervon den Werten ausgegangen, die er alsUSO-Spezialist bei ähnlichen Landemanö-vern zugrunde gelegt hatte. Dies aber warkeine hochwertige Space-Jet, sondern einRaumer aus frühester arkonidischer Produk-tion. Seine Außenhaut hielt derart hohen Be-lastungen nicht stand.

Das Raumschiff erzitterte, als Axton Ge-genschub gab. Besorgt blickte der Arkonidezu ihm herüber. Arayshkat spürte, daß etwasnicht so war, wie es sein sollte, doch Axtonkonnte seinen Fehler korrigieren, bevor eswirklich gefährlich wurde.

Der Raumer geriet in ausgedehnte, brauneWolkenbänke. Mit hoher Verzögerung sanker tiefer.

»Legen Sie einen Schutzanzug an«, befahlAxton. Der Arkonide kam dieser Aufforde-rung auffallend rasch nach. Er hatte offen-sichtlich wenig Zutrauen zu den Flugkün-sten Axtons.

Der Terraner konnte sich nur noch nachden Instrumenten richten. Eine direkte Sichtbestand nicht mehr. Dichte Gasschleier ra-sten über die Maschine hinweg.

Dann plötzlich klärte sich die Sicht voneiner Sekunde zur anderen. Lebo Axtonblickte auf eine bizarre und unheimlich wir-kende Landschaft hinab, die durch schroffeFels- und Eisgebilde, eigentümliche Seenund Flüsse charakterisiert war.

»Dort unten ist es«, rief Arayshkat erregt.Bevor Axton mehr als einen verwasche-

nen Fleck erkennen konnte, baute sich eineRegenfront auf. Aus den tief hängendenWolken stürzten bräunlich-gelbe Wasser-massen herab, so daß der Verwachsene sichnun wieder im Blindflug vorantasten mußte.Er verringerte die Geschwindigkeit wieder-um und senkte das Raumschiff zugleich wei-ter ab, bis die ersten Bergspitzen direkt vor

28 H. G. Francis

ihm auftauchten. Er zog den Diskus sanftdarüber hinweg.

»Massetaster«, meldete Kelly.Axton hatte es bereits gesehen und sich

entsprechend eingepeilt. Als der Ammonia-kregen lichter wurde, stiegen gleichzeitigMethandämpfe vom Boden auf. In ihnenschienen sich ungefüge Gestalten zu bewe-gen, die sich dem Flugkörper drohend entge-genreckten. Eisblöcke wirbelten aus denDünsten hervor, als versuche ein primitiverGegner aus dem Unsichtbaren heraus, dasSchiff mit diesen Geschossen zu treffen.

Selbst für einen so erfahrenen Mann wieSinclair Marout Kennon war diese Erschei-nung neu. Er war häufig auf Welten wie die-sen gewesen, hatte aber noch nie so etwaserlebt.

Er ließ den Diskus schließlich nur nochleicht vorantreiben, bis ein metallischer Kör-per vor ihm auftauchte. Ein Eisblock pralltemit großer Wucht gegen die Unterseite desSchiffskörpers.

»Axton, wollen Sie wirklich hierblei-ben?« fragte Arayshkat. »Das ist doch eineFalle.«

Der Verwachsene deutete auf das Gebil-de, das halb unter Eis begraben lag undkaum noch als arkonidisches Raumschiff zuindentifizieren war.

»Da draußen liegt ein Diskusraumer,Arayshkat. Er ist offensichtlich auf diesemPlaneten abgestürzt. Darin befinden sich Ar-koniden. Wollen Sie sie umkommen las-sen?«

»Wer sagt, daß es Arkoniden sind? Ichbehaupte, es sind diese verfluchten Me-thanatmer, die nur darauf warten, das wir zuihnen kommen. Sie werden uns umbringen.«

»Kelly wird Sie begleiten.«Der Arkonide blickte Axton kopfschüt-

telnd an.»Ach ja? Und das bestimmen Sie so ein-

fach?« Er dachte offensichtlich nicht daran,den Befehl auszuführen.

Lebo Axton lächelte drohend. Er nickte.»Allerdings«, sagte er. »Ich kann das

Schiff nämlich nicht verlassen, weil es kei-

nen geeigneten Schutzanzug für mich anBord gibt. Außerdem sind Sie nicht in derLage, dieses Schiff zu fliegen. Sie könntendiesen Planeten also nicht wieder verlassen,wenn ich nach draußen ginge und nicht zu-rückkäme. Wenn Sie zudem Orbanascholbeweisen wollen, daß Sie zu den Leuten ge-hören, auf die er zählen kann, dann solltenSie keine Zeit mehr verlieren. Der Senderschweigt. Man wartet dort drüben auf Sie.«

Arayshkat fluchte. Seine Miene ließ er-kennen, daß er keinerlei freundschaftlicheGefühle mehr für Lebo Axton hegte. AufBarthimore war alles ganz anders gewesen.Dort hatte er den Rückhalt von vielen tau-send Untergebenen gehabt, die ihm alle Auf-gaben abnahmen, mit denen er selbst nichtszu tun haben wollte. Hier konnte er sich vonniemandem vertreten lassen.

»Also gut«, sagte er einlenkend. »Ich ge-he. Danach werden sich unsere Wege jedochtrennen.«

»Wie Sie meinen«, erwiderte Axton ge-lassen.

Mit einem Laut des Unwillens verließ derPlanetenfürst die Zentrale. Er blickte nurkurz auf, als er merkte, daß der Roboter sichihm anschloß. Er brauchte einen Begleiter,der ihm im Notfall zur Seite stand, und erwußte es.

Kennon wartete. Durch die Panzerplast-kuppel konnte er nichts mehr sehen. Sie warmit Ammoniakeis bedeckt. Die Objektiveder Außenkameras waren allerdings nochfrei. Sie boten wegen der Dämpfe und Nebeljedoch nur ein verschwommenes Bild. Im-merhin konnte der Terraner ausmachen, daßder havarierte Raumer äußerlich stark be-schädigt war. Er sah tatsächlich so aus, alssei er hier abgestürzt oder zumindest notge-landet. Dennoch war nicht ausgeschlossen,daß die Maahks eine Falle aufgebaut hatten.

Vor dem Terraner leuchtete ein grünesLicht auf. Es zeigte an, daß der Arkonideund der Roboter die Bodenschleuse passierthatten. Wenig später erschien die unförmigeGestalt des Adeligen, der sich mit einemschweren Schutzanzug abmühen mußte, auf

Der Verräter von Protem 29

den Bildschirmen. Der Roboter folgte ihm.Sein Metallkörper setzte hier und da Eis an.

Wieder schien es so, als werde der Diskusvon ungefügen Gestalten angegriffen. Un-willkürlich legte Kennon seine Hand auf dieAbschußtasten des Bordnadlers. Dann je-doch sah er, daß sich lediglich ein Eisklotzvor dem Schiff aufbaute. In wenigen Sekun-den erreichte er eine Höhe von etwa fünfMetern, schmolz dann aber unter dem Ein-fluß des nächsten Windstoßes schon wiederzusammen. Gleich darauf setzte ein Eisregenein, der eine undurchdringlich scheinendeWand vor den Kameras aufbaute, so daß derTerraner nicht mehr sehen konnte, was drau-ßen geschah.

Ungeduldig wartete er darauf, daß Arays-hkat und Kelly zurückkehrten. Doch die Mi-nuten verstrichen, ohne daß sich drübenbeim Wrack etwas änderte. Der Arkonidenahm offenbar bewußt keinen Funkkontaktmit ihm auf. Kennon verzichtete ebenfallsdarauf. Er sagte sich, daß der Planetenfürstsich schon melden würde, falls es kritischfür ihn werden sollte. Auf jeden Fall warvon Kelly ein Signal zu erwarten, falls derRoboter etwas Wichtiges mitzuteilen hatte.

Nach einer halben Stunde tauchten end-lich Arayshkat und Kelly auf. Sie mußtensich durch einen hüfthohen Ammoniakseehindurchkämpfen, der inzwischen entstan-den war. Schwerfällig bewegten sie sichvoran, obwohl die Gravitationswerte vonfast 3 g durch die technischen Einrichtungenihrer Ausrüstung neutralisiert wurden. ZweiPersonen begleiteten Arayshkat. Kennonsetzte unwillkürlich voraus, daß es Arkoni-den waren. Um so überraschter war er, alsdie Geretteten zusammen mit dem Planeten-fürsten und dem Roboter in der Zentrale er-schienen.

Es waren zwei Eskaphonen.Er war so überrascht, daß ihm zunächst

die Worte der Begrüßung fehlten. Nicht eineinziges Mal hatte er bis zu dieser Sekundedaran gedacht, daß er diesen Intelligenzwe-sen begegnen könnte. Die Konfrontation mitihnen machte ihm schlagartig und mit einer

bisher nicht erlebten Intensität klar, wo er ei-gentlich war. Mit Hilfe der Traummaschinewar er durch die Jahrtausende in die Vergan-genheit geschleudert worden. Er war aus ei-ner Zeit gekommen, in der es kein machtvol-les arkonidisches Imperium mehr gab. Dassolare Imperium der Terraner war an seineStelle getreten und hatte eine größereMachtfülle erreicht, als Arkon je gehabt hat-te. In dieser Zeit, in der die Terraner galakti-sche Geschichte bestimmten, besaß man nurnoch lückenhafte Kenntnisse über das Impe-rium Orbanaschols und die Zeit, in der Atlanum seine Thronansprüche kämpfen mußte.

Über die Eskaphonen wußte man kaumetwas. Es waren nur wenige Berichte vor-handen, die mehr an Sagen erinnerten als anhistorisch aussagekräftige Überlieferungen.

»Das sind die beiden FlottenoffiziereQuarphon Kap und Ieraphoton Soph«, sagteArayshkat. »Außer ihnen befand sich nie-mand mehr an Bord des Wracks.«

Die beiden Eskaphonen blickten Axtonnicht weniger verwundert an als dieser sie.

»Was ist das für ein Trauerspiel?« fragteeiner der beiden Geretteten. »Seit wann läßtman Kreaturen wie diese leben. Selbst imReich der degenerierten Arkoniden pflegtman meines Wissens konsequent zu sein,wenn die Mutter Natur sich mal geirrt hat.«

»Seien Sie still, Kap«, sagte Arayshkatmit bebender Stimme. »Sie wissen nicht,was Sie anrichten. Dieser Mann, Lebo Ax-ton, ist ein Beauftragter des Imperators. Ichkann Ihnen nur raten …«

»Ich verzichte«, unterbrach ihn Kapschroff. »Derart verunstaltete Kreaturen nö-tigen mir keinen Respekt ab.«

»Das ist auch nicht notwendig«, erklärteAxton ruhig. Er lächelte sogar ein wenig undzeigte damit, daß ihn die Worte des Eska-phonen nicht verletzt hatten. Er war es mitt-lerweile gewohnt, daß man mehr auf un-wichtige Äußerlichkeiten als auf die einzigentscheidende Persönlichkeit achtete.»Tatsache ist, daß ich der Kommandant anBord bin. Sie haben nur die Alternative, sichmeinem Befehl zu beugen oder das Schiff

30 H. G. Francis

sofort wieder zu verlassen. Entscheiden Siesich.«

»Das darf doch nicht wahr sein«, sagteSoph mit einem verächtlichen Seitenblickauf Arayshkat. »Seit wann läßt sich ein ade-liger Arkonide das Kommando von so einem…«

»Es reicht«, sagte Axton scharf.Die beiden Eskaphonen setzten sich. Ih-

nen war anzusehen, daß sie mit sich kämpf-ten. Der anerzogene Widerwille gegen miß-gestaltete Menschen war außerordentlich.Sie schienen nicht damit fertig werden zukönnen.

»Im Wrack ist noch Sauerstoff für eineStunde vorhanden«, erklärte Kap. Er sprachden Planetenfürsten dabei an und tat, als seiAxton überhaupt nicht da. »Sie wissen, wasdas bedeutet.«

»Das spielt für Lebo Axton keine Rolle.Ich habe lernen müssen, daß es gefährlichist, sich ihm zu widersetzen.«

Der Verwachsene beobachtete die beidenEskaphonen. Es waren Umweltangepaßte,die aus einem Kolonialvolk der Arkonidenhervorgegangen waren. Auffallend an ihnenwar ihre tiefgrüne Hautfarbe und die seltsamgeformten Schädel. Das Gesicht wirkte unterder mächtig aufsteigenden Stirn zusammen-gequetscht und kindlich klein. Es machtenur etwa zehn Prozent der vorderen Schädel-hälfte aus. Die schwarzen, knopfartigen Au-gen lagen tief in den Augenhöhlen undkonnten durch mehrere voreinander gefalteteLider vor allzu grellem Licht geschützt wer-den. Die Nase war nur im Ansatz erkennbar.Ihre Spitze reichte bis in die Oberlippe desbreiten Mundes hinein.

Über den Augen wölbten sich Doppelbö-gen aus nadelspitzen Dornen, die bei Kap ei-ne Länge von etwa drei Zentimetern erreich-ten. Bei Soph waren sie etwas kürzer. We-sentlich stumpfere Dornen bedeckten einenkleinen Teil an der oberen Rundung ihrerSchädel. Sie erweckten den Eindruck, alsseien die Eskaphonen in ihrer biologischenEntwicklung von pflanzlichem Leben beein-flußt worden. Kennon erinnerte sich daran,

gehört zu haben, daß die Eskaphonen einenhohen Anteil eines chlorophyllähnlichenStoffes im Blut hatten. Dieser ermöglichtees ihnen, auf einer Welt zu überleben, aufder es eine echte pflanzliche Intelligenz gab.

Im gleichen Augenblick, als in dem Ter-raner der Wunsch erwachte, diese Welt ken-nenzulernen, erkannte er, daß es ihm nichtmöglich sein würde, sie zu besuchen. Er hat-te nicht gewußt, wie unsinnig die Haltungder Eskaphonen gegenüber körperlichen Un-zulänglichkeiten war.

»Wir starten«, eröffnete er den Geretteten.»Ich warte auf Ihre Antwort.«

Kap drehte sich schwerfällig zu ihm her-um. Er war etwa zwei Meter groß und au-ßerordentlich muskulös. Axton schätzte, daßer etwa 150 kg wog. Der Stoff der Offiziers-uniform spannte sich über den mächtigenSchultern des Mannes.

»Wir gehorchen lediglich der Notlage«,sagte Kap.

»Also gut. Das genügt mir.« Lebo Axtondrückte einige Tasten. Der Diskus sprengtedas Eis von sich ab und stieg steil auf. Schonnach wenigen Metern geriet er in einenplötzlich aufkommenden Sturm. Doch jetztließ sich Axton nicht irritieren. Er beschleu-nigte mit den unter diesen Umständen gera-de noch vertretbaren Werten und zog dasRaumschiff steil hoch. Er gewann rasch anHöhe, durchstieß die geschlossene Wolken-decke und erreichte mühelos den freienRaum. Er ging jedoch noch nicht auf einenKurs, der ihn zum dritten Planeten des Prey-ton-Systems führen mußte, sondern lenkteden Diskus in eine Umlaufbahn um den Me-thanriesen. Er überließ ihn dem Autopilotenund wandte sich danach wieder an die bei-den Eskaphonen.

»Es wird Zeit, daß Sie mir erklären, wieSie in die Notlage gekommen sind, in derwir Sie vorgefunden haben.«

»Ich habe bereits alles erfahren, was wirwissen müssen«, antwortete der Arkonide,bevor Kap oder Soph etwas sagen konnten.

»Das meinen Sie, Arayshkat«, erwiderteAxton. »Ich will es dennoch von ihnen

Der Verräter von Protem 31

selbst hören.«Er blickte die beiden Eskaphonen auffor-

dernd an. Zögernd begann Kap zu sprechen:»Wir waren auf Protem stationiert. Der

Planet ist von den Methanatmern überfallenworden. Wir haben versucht, die Bestien zuverfolgen. Sie sind in die Atmosphäre vonWrappa, das ist der Methanplanet, eingeflo-gen. Aber das war nur ein Täuschungsmanö-ver, mit dem sie uns in eine Falle lockenwollten. Wir sind darauf hereingefallen undabgeschossen worden. Das ist alles.«

»Die Maahks haben sich nicht mehr umSie gekümmert?«

»Nein. Sie haben Wrappa gleich wiederverlassen. Wir wissen nicht, wo sie geblie-ben sind.«

»Wie groß war das Schiff der Maahks?«»Es war ein Zerstörer.«»Ein bißchen viel Aufwand für einen klei-

nen Diskusraumer, nicht wahr?«»Was wollen Sie damit sagen?« fragte

Kap auffahrend.»Ihre gesamte Funkanlage wurde zer-

stört?«»Vollkommen«, antwortete Soph unwil-

lig. »Wir konnten nur den Notsender bauen,durch den Sie auf uns aufmerksam gewor-den sind. Aber weshalb fragen Sie das al-les?«

»Ich habe meine Gründe.«»Sie sollten sich lieber darum kümmern,

wer für den Überfall der Maahks und dendaraus folgenden Massenmord auf Protemverantwortlich ist«, sagte Arayshkat aggres-siv.

»Sollte ich das?« fragte Axton gelassen.»Durchaus«, rief Kap erregt.»Warum?«»Weil Protem durch Verrat verlorenge-

gangen ist.«»Verräter gibt es in jedem Krieg, Kap.«»Aber nicht solchen. Der Mann, der Pro-

tem auf dem Gewissen hat, heißt Atlan. Ersoll der Sohn des tödlich verunglückten Go-nozal und ein Neffe Orbanaschols sein!«sagte Kap.

»Atlan?« fragte Axton mit heiserer Stim-

me. Ihm gelang es nicht, seine maßloseÜberraschung und sein Entsetzen vor denbeiden Eskaphonen zu verbergen.

»Atlan«, bekräftigte Kap. »Er hat uns andie Methanatmer verraten.«

6.

Kennon wollte nicht glauben, was er ge-hört hatte. Ein Mann wie Atlan war keinVerräter. Er kämpfte um sein Recht. Ermachte seinen Thronanspruch geltend undbefand sich in seinem Kampf gegen denheimtückischen Orbanaschol in ständigerLebensgefahr. Aber er würde niemals mitden Maahks zusammenarbeiten und Verratan seinem eigenen Volk üben.

Das paßte nicht zu Atlan!»Sie sind überrascht?« forschte Soph arg-

wöhnisch.Axton zuckte zusammen. Er wurde sich

dessen bewußt, wie gefährlich die Situationwar. Offiziell war er ein Gesandter des Im-perators. Er hatte loyal zu diesem zu stehen,nicht aber zu seinem Todfeind Atlan. Wenndieser des Verrats bezichtigt wurde, dannhatte er daran nicht zu zweifeln.

»Allerdings«, antwortete Axton. »Atlanist mir verhaßt. Er ist der gefährlichste Feinddes Imperators. Aber ich hätte nicht von ihmerwartet, daß er in seinem Machtkampf zuso abscheulichen Mitteln greifen würde.Was soll aus dem Imperium werden, wenndie Arkoniden sich selbst vor die Impulska-nonen der Methanatmer zerren?«

Er schüttelte den Kopf.»Wie ist es passiert?« fragte er dann.

»Was hat Atlan getan?«»Er hat Verhandlungsbereitschaft vorge-

täuscht. Mit einem Raumschiff erschien erim Preyton-System und wandte sich überBildfunk an die auf Protem stationiertenEinheiten, nachdem der Raumer dort bereitsgeortet worden war. Er behauptete, er habeeine dringende Nachricht für den Imperator.Er habe sie auf einem umfangreichen Infor-mationsband aufgezeichnet. Dieses wolle eruns übergeben. Er erklärte, das Material

32 H. G. Francis

könne kriegsentscheidend sein. Daraufhin istein Kugelraumer mittlerer Größe aufgestie-gen. Er wurde von Atlan mit Energiestrah-lern empfangen und vernichtet. Das war derGrund dafür, daß acht von den restlichenzehn Kampfeinheiten starteten und nun dasRaumschiff Atlans angriffen. Atlan aber zogsich geschickt zurück. Er lockte die Raumervon Protem weg und machte das System da-mit offen für die Flotte der Maahks. Diesekonnte über den Planeten herfallen, ohne aufden geringsten Widerstand zu treffen. Diebeiden dort noch verbliebenen Raumschiffewurden bereits beim ersten Anflug zerstört.«

Soph schwieg verbittert.»Das ist allerdings eindeutig«, sagte Ax-

ton. »Konnte Atlan identifiziert werden?«»Zweifelsfrei«, erwiderte Soph. »Es war

Atlan und niemand sonst.«»Was geschah weiter?«»Das wissen wir nicht. Wir gehörten zu

den auf Protem verbliebenen Einheiten.Glücklicherweise konnten wir ausgeschleustwerden, bevor der Hauptschlag gegen denPlaneten begann. Wir haben uns danach nurnoch auf die Verfolgung konzentriert. Unse-re Absicht war, den Schlupfwinkel derMaahks aufzuspüren, um einen späteren Ge-genschlag zu ermöglichen.«

»Haben Sie die Unterredung mit Atlanverfolgt?«

»Ich habe die übermittelten Bilder gese-hen«, erklärte Soph.

»Beschreiben Sie mir Atlan«, forderteAxton.

Die beiden Eskaphonen blickten ihn über-rascht an. Soviel Interesse für Atlan hattensie bei ihm nicht vermutet. Sein Verhaltenmachte sie unsicher, daß sie nicht wußten,welche Absichten er verfolgte.

Soph begann jedoch nach kurzem Zögernmit seiner Schilderung. Und er zeichnete dasBild eines Mannes, den Kennon aus nächsterNähe kannte.

Soph sprach von Atlan.Dabei erschien es Kennon vollkommen

ausgeschlossen, daß Atlan einen derartigenVerrat verübt haben konnte. Er konnte sich

noch nicht einmal vorstellen, daß überhauptirgendein Arkonide eine Heimatwelt denverhaßten Maahks preisgeben würde, auchein Rebell wider das Imperium wie Atlannicht.

Jemand anders mußte unter dem Namenvon Atlan handeln.

Wer konnte dafür in Frage kommen?Konnte es im Imperium überhaupt jemandengeben, der seinem eigenen Volk in dieserWeise in den Rücken fallen würde?

Axton war ratlos.Er wischte sich mit beiden Händen über

das Gesicht und stöhnte leise. Seine Gedan-ken überschlugen sich. Er wußte, daß ir-gendwo ein Fehler in dieser Geschichte war,die die Eskaphonen ihm aufgetischt hatten.Irgend etwas stimmte nicht. Aber was?

»Ich brauche ein wenig Ruhe«, sagte er.»Kap, bringen Sie das Schiff auf Kurs Pro-tem. Machen Sie mir Meldung, wenn wirden Planeten erreicht haben.« Axton gingvon der Voraussetzung aus, daß der Eska-phone innerhalb des Preyton-Systems mitdem Normaltriebwerk fliegen würde. EineTransition mußte zu aufwendig sein.

»Das ist mal wirklich etwas Neues«, erwi-derte Kap zynisch. »Ein Kommandant, dermal rasch eine Pause machen muß. Brichtihr jämmerlicher Körper unter einer etwaserhöhten Belastung bereits zusammen? Ichkönnte Ihnen …«

Lebo Axton gingen die Nerven durch. Füreinen kurzen Moment verlor er die Kontrolleüber sich.

»Halten Sie den Mund«, schrie er mithochrotem Gesicht. »Sie haben wahrhaftigkeinen Grund, sich überlegen zu fühlen,denn Sie und Ihr Volk sind Fehlentwicklun-gen der Natur, die unweigerlich zum Unter-gang führen müssen.«

Kap und Soph sprangen wie von der Fe-der geschnellt auf.

»Was sagen Sie da?« fragte Kap keu-chend. »Sie wagen es, uns Mißgeburten zunennen?«

Mit erhobenen Fäusten ging er auf denVerwachsenen zu. Axton hatte sich bereits

Der Verräter von Protem 33

wieder in der Gewalt.»Es tut mir leid«, sagte er. »Ich hatte nicht

die Absicht, das zu tun.«Kap packte ihn an der Brust und hob ihn

mühelos aus dem Kommandantensessel.»Wenn Sie schon derartige Beleidigungen

aussprechen, Lebo Axton, dann verzichtenSie nicht darauf, auch alles zu sagen.«

»Haben Sie den Verstand verloren?« frag-te Arayshkat entsetzt. »Lassen Sie Axton so-fort los.«

Er hielt plötzlich einen Energiestrahler inder Hand und zielte damit auf den Eskapho-nen. Dieser ließ Axton in den Sessel fallen.

»Er soll erklären, was er gemeint hat«,forderte Kap energisch. »Ich lasse michnicht eine Fehlentwicklung der Naturschimpfen.«

»Also gut«, sagte Axton kalt. »Wenn Siees unbedingt wissen wollen, dann werde ichmeine Worte begründen. Hoffentlich sindSie danach für alle Zeiten kuriert.«

»So reden Sie schon!« brüllte Soph.»Sie haben die außerordentliche Fähig-

keit, Ihren eigenen Fluchtinstinkt zu blockie-ren, und, wenn Sie in Gruppen zusammenar-beiten, auch den anderer Lebewesen.«

»Das ist richtig. Woher wissen Sie das?Wir Eskaphonen glaubten bisher, daß wirunser Geheimnis gut gewahrt hätten«, be-merkte Soph.

»Was wäre daran so schlimm, wenn eswahr wäre?« fragte Arayshkat verblüfft.

»Die beiden natürlichen Regungen einesjeden Lebewesens beim Eintritt von Gefahrsind Kampf oder Flucht. Um das eigene Le-ben zu erhalten, stellt es sich entweder demGegner, oder es sucht sein Heil im eiligenRückzug. Die Entscheidung darüber, wasgeschehen soll, hängt von der Situation abund selbstverständlich auch von der Persön-lichkeit. Der eine ist mutig, der andere feige.Die Reaktion auf eine Gefahrensituation be-wirkt die Ausschüttung eines Hormons derNebenniere, die wiederum von einer Hirn-drüse gesteuert wird. Den Eskaphonen ist esmöglich, die Wirkung des Nebennierenrin-denhormons abzublocken, so daß dieses kei-

ne Wirkung erzielen kann.«»Ja und?« fragte der Planetenfürst, der

noch immer nicht verstand, worauf Axtonhinaus wollte.

»Im Kampf können die Eskaphonen beisich selbst diese Hormonwirkung verhin-dern. Sie schalten damit ihren Selbsterhal-tungstrieb aus, so daß sie selbst, dann nochweiterkämpfen, wenn sie längst eingesehenhaben, daß sie nicht überleben können.«

Axton glitt aus dem Sessel. Er zeigte mitausgestrecktem Arm auf Kap.

»Das war auch der Grund dafür, daß diesebeiden Männer dem Raumschiff der Me-thanatmer so blind gefolgt sind. Sie wußten,daß sie keine Chance hatten, wirklich etwasherauszufinden. Aber sie folgen dennochhinter dem hundertfach überlegenen Schiffher, und sie bilden sich auch noch etwas dar-auf ein. Dabei gibt es längst Möglichkeiten,einen etwa vorhandenen Stützpunkt auchaus sicherer Entfernung aufzuspüren. Ent-weder haben Kap und Soph diese Dummheitbegangen, weil sie ihren Fluchtinstinktblockiert haben – oder die ganze Geschichteist ein ausgemachter Schwindel.«

»Axton, Sie vergessen sich«, rief Araysh-kat.

Kap und Soph fuhren wie unter einemPeitschenhieb zusammen. Kap war es, derdieses Mal seinen Energiestrahler zog. Errichtete ihn auf Lebo Axton.

»Jetzt reicht es«, sagte er mit zornbeben-der Stimme.

»Ich bin noch nicht zu Ende«, erklärteAxton unbeeindruckt. »Der Fluchtinstinktkönnte das Volk der Eskaphonen vielleichtretten. Sie sind aber fest davon überzeugt,daß die Blockierung dieses Instinkts eine au-ßerordentlich positive Fähigkeit ist. Daswird ihr Untergang sein. Eines Tages wer-den die Methanatmer den Heimatplanetendieses Volkes angreifen und völlig vernich-ten.

Kein Eskaphone wird entkommen. Sie al-le werden kämpfen bis zum bitteren Ende,ohne zu begreifen, daß sie durch eine Fluchtwenigstens die Existenz eines Keimes ihres

34 H. G. Francis

Volkes erhalten könnten.«»Das ist ungeheuerlich«, entgegnete

Soph. »Zu keinem Zeitpunkt werden sich al-le Eskaphonen auf Eskaphon aufhalten.«

»Das ist richtig. Die Männer dienen aufden Raumschiffen der Arkoniden. Die Frau-en aber verlassen den Planeten nicht.«

Die beiden Umweltangepaßten verfärbtensich. Sie begriffen plötzlich, daß Lebo Ax-ton keine leeren Worte gesagt hatte.

»Sie sind nicht der erste, der so etwas pro-phezeit hat«, antwortete Kap nach geraumerZeit.

Lebo Axton ging zum Antigravschacht.Er gab Kelly einen Wink. Der Roboter folg-te ihm.

»Warten Sie«, rief Soph. »Das alles istkein Grund, uns Krüppel zu nennen.«

»Was sind Sie denn anderes?« fragte Ax-ton. »Meinen Sie, nur äußerlich sichtbareMißbildungen zählen.«

Er sah, daß der Schock tief saß, und er be-reute, daß er so weit gegangen war. Auf deranderen Seite wußte er, daß diese Eskapho-nen wahrscheinlich niemanden mehr mitVerachtung begegnen würden, der so stief-mütterlich von der Natur behandelt wordenwar wie er.

»Der Mann ist ein Genie«, flüsterte Aray-shkat. Sicherlich dachte er nicht, daß Axtondiese Worte hören würde. Weder er noch diebeiden Eskaphonen konnten wissen, daß erdas Ende des eskaphonischen Volkes wirk-lich kannte.

In der Zeit, aus der Sinclair Marout Ken-non kam, gab es keine Eskaphonen mehr.Dieses Volk war ihm jedoch bei seinem Stu-dium der altgalaktischen Völker begegnet.Und aus den lückenhaften Berichten überdie Eskaphonen war er auch über ihr Endeinformiert. Der Planet würde irgendwann inder Zukunft völlig überraschend von denMaahks überfallen werden, und kein Eska-phone würde überleben. Die Gründe dafürhatte er genannt.

Als sie allein in der Kabine waren, dieAxton sich ausgesucht hatte, wandte sich derVerwachsene an den Roboter: »Am liebsten

würde ich dir gegen die Schienbeine treten,Kelly.«

»Warum?« fragte der Roboter.»Weil ich wütend bin und mich verflucht

gern an irgend jemand auslassen möchte.Was mich stört, ist, daß es dir Paradebeispielvon einem mißlungenen Robot noch nichteinmal etwas ausmacht.«

»Das ist richtig«, antwortete Kelly sach-lich. »Ich möchte dich auf eine Beobachtungaufmerksam machen, Schätzchen.«

Axton legte sich in das einzige Bett, dassich im Raum befand. Er verschränkte dieArme unter dem Kopf.

»Los. Laß hören.«»Im Wrack war noch Sauerstoff für we-

nigstens drei Tage vorhanden.«»Woher weißt du das?«»Ich habe die Instrumentenanzeige gese-

hen. Arayshkat hat nicht darauf geachtet.«Axton richtete sich verblüfft auf.»Dann hätten die beiden Eskaphonen ge-

logen? Warum sollten sie das getan haben?«»Darauf habe ich keine Antwort.«Axton ließ sich wieder sinken. Ächzend

streckte er die schmerzenden Beine aus undschloß die Augen. Er überlegte fieberhaft. Erspürte schon lange, daß irgend etwas an derBergung der beiden Eskaphonen nichtstimmte.

Es gelang ihm nicht, sich ausreichend zukonzentrieren. Die Gedanken gingen ihmdurcheinander. Müdigkeit überfiel ihn, under gab sich einer wohligen Entspannung hin.Gleich darauf schlief er ein.

Er erwachte wieder, als Kelly ihn an derSchulter berührte.

»Wir sind da, Lebo.«Axton fühlte sich wie gerädert. Noch

halbwegs benommen richtete er sich auf. Erbenötigte einige Minuten, bis er begriffenhatte, wo er überhaupt war. Seine Beineschmerzten. Er massierte ohne dabei den ge-ringsten Erfolg zu erzielen. Beunruhigt frag-te er sich, ob er krank wurde. Es war durch-aus möglich, daß er sich mit unbekanntenKeimen infiziert hatte. Führten die Eskapho-nen vielleicht Erreger mit sich, die er nicht

Der Verräter von Protem 35

vertrug, während sie für andere vollkommenunschädlich waren?

Konnte er aber überhaupt krank werden?War er eine körperlich gewordene Projek-

tion, die durch die Jahrtausende geschleudertworden war? Oder war er körperlich hier?War er wirklich erfaßbar für die Gefahrendieser Welt, oder schien es nur so? Hatte erdie Folter der Verhöroffiziere nur so gutüberstanden, weil eine Projektion nicht zuzermürben ist wie ein wirklich lebenderMensch?

Schmerzen waren für ihn nichts Unge-wohntes. Sie waren allgegenwärtig. SeinKörper war Belastungen nicht gewachsen.Wenn er nur einige Meter weit schnell lau-fen mußte, dann ging ihm der Atem aus, unddie Lungen schienen platzen zu wollen. Sei-ne dünnen Beine versagten ihren Dienst, so-bald er eine Treppe hinaufsteigen mußte,und ständig war die Versuchung da, die Gra-vitationswerte an Bord der Raumschiffe umeinen geringen Wert zu senken. Das würdefür andere kaum spürbar sein, für ihn abereine ganz entscheidende Entlastung bedeu-ten. Dennoch hatte er dieser Versuchung nienachgegeben, weil er genau wußte, wie ver-hängnisvoll das gewesen wäre. Denn schnellwürde er sich an den geringeren Wert ge-wöhnen, so daß bald der Wunsch nach einerweiteren Senkung in ihm aufkommen wür-de. Das konnte nur dazu führen, daß er sichschließlich überhaupt nicht mehr frei bewe-gen konnte, sobald er ein Raumschiff ver-ließ.

Er stieg aus dem Bett und stöhnte gepei-nigt auf. Er wäre zu Boden gestürzt, hätteder Roboter ihn nicht gestützt. Doch darüberfreute er sich keineswegs. Im Gegenteil. Erwurde sich seiner ganzen Hilflosigkeit be-wußt, und sein hysterischer Haß gegen Ro-bots brach durch. Mit wütenden Faustschlä-gen, die allerdings selbst ein Kind nicht hät-ten beeindrucken können, drang er auf Kellyein.

»Verschwinde aus meinen Augen, duWrack«, schrie er. »Los, raus mit dir.«

Der Roboter gehorchte augenblicklich.

»He, wo willst du hin?« fragte er mitschriller Stimme.

»Nach draußen.«»Warum?« Sein Zorn war ebenso schnell

verraucht, wie er gekommen war.»Weil du es mir befohlen hast.«»Du gehorchst mir?« fragte Kennon ver-

blüfft. »Du verdammte Bestie tust auch nochso, als wärest du in der Lage, Befehle zu be-greifen und zu befolgen?«

»Ich bin entsprechend programmiert wor-den, Schätzchen. Ich kann Befehle, die mirerteilt werden, gar nicht ignorieren.«

»Dann hör endlich auf, mich Schätzchenzu nennen, du Miststück.«

»Wenn du es gerne möchtest, Schätzchen,werden meine Membranen nie mehr dieseTöne produzieren.«

Ächzend ließ sich Axton wieder auf dasBett sinken.

»Sag das noch einmal«, forderte er. »Wiewar das mit deinen Membranen?«

»Ich habe den Eindruck, Herzchen, daßdu mich ganz gut verstanden hast.«

Axton schleuderte einen seiner Stiefelnach Kelly. Der Roboter wich nicht aus. Erhatte offenbar schnell genug berechnet, daßdie Hacke nur einen gut geschützten Teilseines Kopfes treffen würde.

»Ich geb's auf«, sagte Axton stöhnend.»Aber das verspreche ich dir, Freundchen.Ich werde mit aller Energie nach dem Mannsuchen, der dich konstruiert und program-miert hat. Und wenn ich ihn gefunden habe,dann werde ich ihm mit Freuden den Halsumdrehen.«

Er wartete einige Sekunden lang auf eineAntwort Kellys, als dieser jedoch schwieg,brüllte er: »Meinen Stiefel!«

»Ich befinde mich in einem Befehlskon-flikt«, erklärte der Roboter. »Soll ich nunnach draußen gehen, dich Schätzchen nen-nen oder deinen Stiefel holen?«

»Gib mir den Stiefel«, sagte Kennon resi-gnierend. »Und beeile dich ein bißchen.«

Kelly bückte sich, nahm den Stiefel aufund brachte ihn ans Bett. Wenig später trugder Roboter den Terraner auf seinem

36 H. G. Francis

Rücken zur Hauptleitzentrale. Kap pilotiertedas Raumschiff. Er lenkte es in die oberstenLuftschichten des Planeten Protem.

»Was ist das?« fragte Axton. Er deuteteauf die Ortungsschirme, die von hellen Re-flexen geradezu übersät waren.

»Die Imperiumsflotte«, antwortete Soph.Axton wechselte einen raschen Blick mit

Arayshkat, der sichtlich beunruhigt war.Diese Begegnung kam zu früh. Der Plane-tenfürst von Barthimore brauchte noch einenhandfesten Beweis für seine Loyalität ge-genüber Orbanaschol III. Noch konnte er ihnnicht erbringen, und damit konnte Kennonauch noch nicht genügend rechtfertigen, daßer den Arkoniden ins Preyton-System mitge-nommen hatte.

»Nehmen Sie Verbindung mit dem Ober-befehlshaber der Flotte auf.« befahl Axton.»Beeilen Sie sich, Soph.«

»Das habe ich bereits getan. Wir habendie Anweisung erhalten, in der Nähe der zer-störten Stadt Drohten zu landen. Dort wirdein Verbindungsmann zu uns an Bord kom-men. Man wußte, daß Sie an Bord sind, Ax-ton.«

Kennon hatte ein flaues Gefühl in der Ma-gengegend. Irgend etwas stimmte nicht. Diemühsam geknüpften Fäden schienen seinenFingern zu entrinnen. War es ein Fehler ge-wesen, Arayshkat zu schützen? Hätte er ihnkaltblütig umbringen sollen, so wie man esvon ihm verlangt hatte? Die Beweise seinerParteinahme für Atlan waren eindeutig.Arayshkat war ein Gegner Orbanaschols III.Hatte es sich aber wirklich gelohnt, ihn zuretten? Wurde er nun nicht zu einer Gefahr,weil er nicht die ausgereifte Persönlichkeitbesaß, die für eine echte Zusammenarbeitunabdingbar war?

»Ich muß Sie sprechen«, sagte er zu demArkoniden. »Kommen Sie mit nach unten.Sie, Kap, führen den Befehl des Oberkom-mandos aus. Sobald wir gelandet sind, kön-nen Sie das Schiff verlassen und gehen, wo-hin Sie wollen. Ich brauche Sie dann nichtmehr.«

Die beiden Eskaphonen taten, als hätten

sie seine Worte nicht gehört. Axton und derArkonide schwebten im Antigravschachtnach unten. Kelly folgte ihnen, blieb dannaber vor der Kabine des Verwachsenen ste-hen, so daß niemand das Gespräch belau-schen konnte, das die beiden Männer führ-ten.

»Was ist vorgefallen?« fragte Axton, alser mit Arayshkat allein war.

»Nichts von Bedeutung. Kap hat versucht,den Oberkommandierenden der Flotte zusprechen, holte sich aber eine Abfuhr. Erkonnte seinen Bericht lediglich bei einemOffizier mittleren Ranges abgeben. Manschien sich nicht besonders dafür zu interes-sieren. Ich glaube, sie wußten bereits, wasAtlan getan hat.«

»Dann glauben Sie auch daran, daß es At-lan war?«

»Muß ich das nicht?«»Das läßt sich schwer beantworten. Ich

kenne Atlan, und ich weiß, daß er niemalseinen solchen Verrat begehen würde. Esmuß eine Intrige Orbanaschols sein.«

»Das verstehe ich nicht.«»Könnte es nicht sein, daß man lediglich

versucht, Atlan diesen Verrat in die Schuhezu schieben, um einen Rufmord an ihm zubegehen? Man würde ihn psychologisch ver-nichten, wenn man glaubhaft machen kann,daß er ein derartiges Verbrechen begangenhat. Jener Teil der Öffentlichkeit, der für denSohn Gonozals VII. ist, würde sich von ihmabwenden, und damit hätte Orbanaschol III.seine Macht noch mehr gefestigt als bisher.«

»Sie haben recht, Axton. So muß es sein.«»Dennoch steckt noch mehr hinter dieser

ganzen Geschichte. Ich habe vorhin einenBlick auf Protem werfen können. Die Zei-chen der Zerstörung sind eindeutig. Hier hattatsächlich vor kurzer Zeit ein Angriff mitatomaren Waffen stattgefunden. Die plane-tarische Abwehr muß also geschwächt wor-den sein, und zwar genau zu dem Zeitpunkt,als die Flotte der Maahks hier erschien.«

»Ich habe genau auf das geachtet, was diebeiden Eskaphonen gesagt haben, aber mirist nichts aufgefallen«, erklärte der Arkoni-

Der Verräter von Protem 37

de.»Wir müssen abwarten. Viel schlimmer

ist, daß die Flotte des Imperiums hier ist. Ichwerde einen vernünftigen Grund dafür fin-den müssen, daß Sie noch leben.«

»Sie haben doch einen Bericht einge-reicht.«

»Meine Argumente genügen möglicher-weise nicht. Sie sind in Gefahr, Arayshkat.«

Der Arkonide nahm sich ein Erfri-schungsgetränk aus dem Automaten undtrank es auf einen Zug aus. Er schüttelte denKopf, und ein jungenhaftes Lächeln glittüber seine Lippen.

»Sie sind ein Pessimist, Axton«, sagte er.»Ich teile Ihre Sorgen nicht. Wir haben demImperator Beweise meiner Loyalität gelie-fert. Was will er mehr?«

»Ihren Planeten.«Arayshkat schürzte verächtlich die Lip-

pen.»So einfach ist das nun auch wieder

nicht«, erwiderte er leichthin. »Wir solltenwieder nach oben gehen.«

Er sah die Unterredung als beendet. Of-fensichtlich war er nicht bereit, die SorgenLebo Axtons zu teilen.

Schweigend ging Axton an ihm vorbei.Als er die Zentrale erreichte, setzte dasRaumschiff in der Nähe eines vollkommenzerstörten Raumhafengebäudes auf. DieTrümmer von zwei Frachtraumern, die nuretwa hundert Meter entfernt waren, qualm-ten noch.

Kap und Soph erhoben sich. Sie verab-schiedeten sich mit einer knappen Geste vonAxton. Dieser hielt sie nicht auf.

Als Arayshkat in der Zentrale erschien,landete ein kleiner Kugelraumer, der dieSymbole der Imperiumsflotte trug. Axtonsetzte sich in einen Sessel und wartete.

Ein Gleiter näherte sich dem Diskusrau-mer, und drei hochgewachsene Offiziere ingrauen Uniformen stiegen aus. Sie erschie-nen kurz darauf in der Leitzentrale.

»Hallo«, sagte Arayshkat leichthin. »Esist ein beruhigendes Gefühl, die Flotte in derNähe zu wissen.«

Die drei Offiziere beachteten ihn nicht.Ihre Aufmerksamkeit richtete sich allein aufLebo Axton, der in seinem Sessel sitzenblieb.

»Nehmen Sie Platz, meine Herren«, for-derte er sie mit ruhiger Stimme auf.

»Wir sind überrascht, Sie hier anzutref-fen«, erklärte einer der Uniformierten. Erwar der älteste der drei Männer. Seine Hautwar mit kreisförmigen Narben übersät. Seindünnlippiger Mund und die Augen ließen er-kennen, daß er von unbeugsamer Härte seinkonnte.

»Sie kennen meinen Auftrag?«»Allerdings.«»Nun, ich habe berichtet, daß Arayshkat

von Barthimore offenbar einer Intrige zumOpfer gefallen ist. Ich habe herausgefunden,daß er kein Gegner des Imperators, sondernabsolut loyal ist. Er war es, der von mir ver-langte, daß wir sofort ins Preyton-Systemfliegen, als er von dem Überfall der Maahkshörte.«

»Wir sprechen später noch darüber, Ax-ton«, antwortete der Sprecher der drei Offi-ziere. »Zunächst geht es um Atlan, den an-geblichen Sohn Gonozals VII.«

»Ich halte es für absolut ausgeschlossen,daß er einen Verrat dieser Art verübt habensoll«, erklärte Axton scharf.

Die drei Offiziere lachten. Ihre Heiterkeitverblüffte den Kosmokriminalisten.

»Die Beweise sind eindeutig, Axton«,sagte der Narbige. »Es gibt überhaupt kei-nen Zweifel, daß der mutmaßliche Sohn Go-nozals dieses Verbrechen begangen hat.«

»Sie haben mehr Informationen als ich«,erwiderte Axton vorsichtig.

»Das ist richtig. Wir wissen zum Beispielauch, daß Atlan sich hier auf dem PlanetenProtem aufhalten muß.«

Axton richtete sich wie elektrisiert auf.Nur mühsam beherrschte er sich.

»Das ist doch unmöglich«, sagte er. »Esheißt, daß Atlan die Wachflotte von Protemweggelockt und damit den Weg für die Flot-te der Methanatmer frei gemacht hat. Wiekann er dann hier sein?«

38 H. G. Francis

»Er hat selbstverständlich versucht, derWachflotte zu entkommen. Jeder andere hät-te sich so weit wie möglich von hier ent-fernt. Er aber glaubte offenbar, daß wir ihnhier auf Protem am wenigsten vermutenwürden. Daher kehrte er zurück und suchteein Versteck in diesem System. Dabei wurdeer geortet und angegriffen. Nach den unsvorliegenden Meldungen ist er über Protemabgestürzt. Das Wrack haben wir bereits ge-funden. Atlan aber muß vorher ausgestiegenund irgendwo gelandet sein.«

Lebo Axton kombinierte und reagierteblitzschnell. Jetzt zeigte sich wieder, daß erein hervorragender Psychologe und Kosmo-kriminologe war.

»Wir müssen ihn finden und erledigen«,sagte er energisch. »Ich denke, Sie werdenmeine Hilfe nicht ablehnen?«

»Ganz und gar nicht«, antwortete der Of-fizier. »Wenn Sie und Arayshkat sich an derJagd auf Atlan beteiligen wollen, dann sindSie uns willkommen. Wir machen Sie je-doch darauf aufmerksam, daß wir ihn lebendhaben wollen. Er darf nur im äußersten Not-fall erschossen werden. Orbanaschol willdiesen Verräter vor ein Militärgericht stellenund zum Tode verurteilen lassen.«

»Ich verspreche Ihnen, daß ich dem Hen-ker nicht vorgreifen werde«, erklärte LeboAxton. »Und Sie, Arayshkat, werden Atlanauch nicht töten.«

»Selbstverständlich nicht«, antwortete derPlanetenfürst mit unbewegter Miene. »Aberich werde mich für das Amt des Henkers be-werben.«

Das war etwas zu dick aufgetragen. Axtonsah es in den Augen der Geheimdienstoffi-ziere aufflackern. Ihr Mißtrauen erhielt neu-en Auftrieb. Diese Männer glaubten nichtdaran, daß ein Adeliger wie Arayshkat vonBarthimore tatsächlich ein solches Amtübernehmen würde. Sie erhoben sich undverabschiedeten sich mit einem gewissenRespekt von Lebo Axton, wohingegen sieArayshkat kaum beachteten.

»Gehen Sie zum Raumhafengebäude hin-über«, befahl Axton, als er mit dem Arkoni-

den allein war. »Ich habe dort einige Männergesehen. Sie könnten von der Ortungsstationkommen. Versuchen Sie, soviel Informatio-nen wie möglich aus ihnen herauszuholen.Ich werde mir währenddessen überlegen,wie wir am besten vorgehen können.«

Arayshkat eilte davon.Lebo Axton aber blieb tief in Gedanken

versunken zurück. Er hatte das Gefühl, end-gültig in einer Sackgasse gelandet zu sein.Er konnte nicht völlig ausschließen, daß derechte Atlan sich tatsächlich auf Protem be-fand. Es war durchaus möglich, daß Atlan ineine Falle Orbanaschols getappt war. Viel-leicht aber war er auch nur zufällig zwischendie Fronten geraten, als die Maahks Protemangegriffen hatten. Die Schergen Orbana-schols konnten die Chance für eine ungeheu-erliche Verleumdung blitzartig erkannt undentsprechend reagiert haben.

Axton wurde heiß und kalt zugleich, alsihm klar wurde, daß Atlan wirklich auf Pro-tem sein konnte. So schnell und vor allem sounvorbereitet hatte er nicht in seine Nähekommen wollen. Die Gefahr eines Zeitpara-doxons war zu groß. Eine Begegnung mitAtlan konnte unter diesen Umständen kata-strophale Folgen zeitigen.

Axton war wie gelähmt.Er wußte nicht, was er tun sollte.

7.

Arayshkat kehrte in den Raumdiskus zu-rück. Kelly brachte ihn in die Zentrale.

»Stellen Sie sich vor, Axton«, rief er er-regt. »Ich habe tatsächlich neue Informatio-nen bekommen.«

Der Terraner schreckte aus seinen Gedan-ken auf.

»Erzählen Sie«, sagte er zerstreut. »Wasgibt es?«

»Man wollte mir zuerst nichts verratenund verlangte Berechtigungsbescheinigun-gen und anderen bürokratischen Kram vonmir«, begann der Arkonide. Axton unter-brach ihn unwirsch.

»Ich will keine Darstellung Ihrer persönli-

Der Verräter von Protem 39

chen Tüchtigkeit und Ihrer Überredungskün-ste haben«, sagte er schneidend scharf. »Ichwill das Ergebnis Ihrer Bemühungen wissen,und zwar sofort.«

»Wie reden Sie denn mit mir, Axton?«»So wie man mit einem Mann reden muß,

der das Ziel aus den Augen verloren hat. Be-greifen Sie denn nicht, worum es hier geht?Atlan ist in höchster Gefahr. Wir können esuns nicht leisten, Zeit zu verschenken.«

»Das müssen Sie mir erklären. Sie glau-ben doch nicht etwa daran, daß Atlan hierist?«

»Darüber später. Erst will ich wissen, wases Neues gibt.«

Arayshkat gab nach. Er räusperte sich undsagte: »Es ist noch eine dritte Flotte in derNähe gewesen, als die Maahks Protem über-fielen.«

»Eine dritte Flotte?«»Genau, Axton. Es sind arkonidische Pi-

raten gewesen. Sie konnten einwandfreiidentifiziert werden. Einer der Offiziere imRaumhafengebäude, oder was von diesemnoch übrig ist, vermutete, daß diese Flotte ineine Falle gelockt werden sollte. Niemandhat damit gerechnet, daß die Maahks auftau-chen würden.«

»Was ist aus den Piraten geworden?«»Die Maahks haben die Lücke im Vertei-

digungsgürtel genutzt. Die Piraten sind ge-flohen.«

»Geben Sie mir etwas zu trinken«, forder-te Axton. Der Arkonide gehorchte. Er reich-te ihm einen Becher mit einer roten Flüssig-keit. Axton trank, überlegte kurz und fuhrdann fort: »Es paßt genau. Die AdmiralitätOrbanaschols III. muß die Lücke selbst ge-öffnet haben. Man wollte den Piraten an denKragen. Zufällig muß Atlan hinzugekom-men sein. Und da hat man den Plan geän-dert.

Die Schlappe durch die Maahks war un-vermeidbar. Jetzt versucht man, die Kata-strophe von Protem in einen Erfolg für Or-banaschol zu nutzen. Man schiebt alles At-lan in die Schuhe. Wissen Sie, was das be-deutet?«

»Nein«, gab Arayshkat verwirrt zu.»Das heißt, daß hier niemand die Rolle

Atlans gespielt hat, sondern daß Atlan wirk-lich auf Protem ist. Arayshkat, wir müssenverhindern, daß er in Gefangenschaft gerätoder von den Schergen Orbanaschols abge-knallt wird. Dabei müssen Sie mir helfen.Oder wollen Sie noch immer so schnell wiemöglich nach Barthimore zurückkehren?«

»Das kann ich unter diesen Umständennicht.«

»Dann haben wir uns verstanden.«Lebo Axton entwickelte eine geradezu

fieberhafte Aktivität. Er mußte Atlan als er-ster finden. Nur dann konnte er etwas für ihntun. Dabei galt es allerdings, ein Zeitparado-xon zu verhindern. Er beobachtete Araysh-kat, der sich aus den Schiffsbeständen aus-rüstete. Der Arkonide legte eine neue Kom-bination an, die nicht so auffällig und prunk-voll war wie die, die er bis dahin getragenhatte. Sie war mehr auf Kampf und Tarnungausgelegt. Dazu wählte er kräftige Stiefelund eine leichte Waffe für kurze Distanzen.Einen Narkosestrahler legte er zusätzlich zurSeite, aber damit ging er auf eine kaummerkliche Weise anders um als mit dem töd-lich wirkenden Strahler.

Axton stutzte.Er hatte den Arkoniden in verschiedenen

Situationen kennengelernt und dabei denEindruck gewonnen, daß er oberflächlichund nicht besonders zuverlässig war. Nunfragte er sich, ob er es wirklich wagen durf-te, diesen Mann in einen gefährlichen Ein-satz mitzunehmen.

Bestand nicht die Gefahr, daß Arayskatdas Zeitparadoxon auslöste, das er so fürch-tete? Konnte dieser Mann nicht in höchsterGefahr in Versuchung geraten, Atlan zu er-schießen, um seine eigene Haut zu retten?

Axton erkannte, daß er unter dem Druckder Ereignisse einen Fehler gemacht hatte.Er hatte Arayshkat zu weit in das Gescheheneinbezogen. Es wäre besser gewesen, ihn imDiskus zu lassen und die Jagd auf Atlan al-lein zu unternehmen.

»Hören Sie, Arayshkat«, sagte er zögernd.

40 H. G. Francis

»Ich habe mir etwas überlegt.«Der Arkonide kam zu ihm. Er war wie

umgewandelt und glich nun wieder jenemAdeligen, der er bei ihrer ersten Begegnunggewesen war. Hochmütig und selbstsicherblickte er auf Axton herab.

»Es bleibt bei meinem Entschluß«, erklär-te er mit einer Stimme, die erkennen ließ,daß er sich allen Argumenten verschließenwürde. »Fürchten Sie nur nicht, ich könnteversagen. Ich bin ein Freund Atlans, und ichwerde alles tun, um ihn aus dieser Falle her-auszuholen.«

»Na schön«, erwiderte Axton nun eben-falls in einem Ton, der keine Zweifel auf-kommen ließ. »Dann sollten Sie auch wis-sen, daß mir das Leben Atlans höher stehtals Ihres. Sollte ich mich zwischen Ihnenund Atlan entscheiden müssen, dann werdeich mich konsequent auf die Seite von Go-nozals VII. Sohn stellen.«

»Und ich werde ebenso handeln.«»Dann verstehen wir uns ja.«Der Arkonide drehte sich um und legte

seine Ausrüstung an. Axton wußte, daß sichein Abgrund zwischen ihnen aufgetan hatte,der sich so leicht nicht wieder schließenwürde. Er bedauerte das, und er beschloß,sich nur auf sich selbst zu verlassen.

*

Die Funk- und Ortungsstation des Raum-hafens war zwar weitgehend zerstört wor-den, die vor dem Angriff aufgezeichnetenBeobachtungen waren aber noch gut erhal-ten. Der ranghöchste Offizier der Stationüberspielte die Bänder auf die Funk- undOrtungsleitstände des Flaggschiffs, und vondort ließ Lebo Axton sich die entsprechen-den Daten geben. Aus ihnen ging hervor,welche Flugbahn das abstürzende Raum-schiff Atlans genommen hatte.

Axton ließ Arayshkat an der Positronik ei-ne Karte von Protem anfertigen und auf ihrden Korridor aufzeigen, in dem Atlan unddie Männer, die ihn vermutlich begleitet hat-ten, abgesprungen sein konnten.

Als die Berechnungen abgeschlossen wa-ren, richtete Arayshkat sich auf. Er pfiff lei-se durch die Zähne.

»Es kann Wochen dauern, bis wir Atlangefunden haben«, sagte er.

»Durchaus«, erwiderte Axton gleichmü-tig.

Er umrandete das Gebiet, das sie zudurchsuchen hatten, mit einem roten Stift.Es war etwa fünftausend Kilometer lang undvierhundert Kilometer breit.

»Man kann es auch anders formulieren«,fuhr Axton fort. »Atlans Chancen, nicht ent-deckt zu werden, sind beträchtlich. Und dasist gut.«

Er hatte kaum zu Ende gesprochen, alsihm die Admiralität des Flaggschiffes einevon der Hauptpositronik gefertigte Landkar-te übermittelte. Befriedigt stellte Axton fest,daß man auf dem großen, perfekt ausgestat-teten Raumer zu keinem anderen Ergebnisgekommen war. Die Spezialisten derSchiffsführung hatten lediglich noch Zonenunterschiedlicher Wahrscheinlichkeit ange-geben. Danach war die Wahrscheinlichkeit,daß sich Atlan am Beginn oder am Ende derAbsturzkurve befand, gleich klein, währendsie von beiden Enden her zur Mitte hingleichmäßig anstieg.

Gleichzeitig ließ man Axton wissen, daßbereits einhundertfünfzig Suchgleiter mitSpezialgeräten aufgebrochen waren.

»Die anderen haben einen uneinholbarenVorsprung«, stellte der Arkonide fest.

»Das glaube ich nicht«, entgegnete derTerraner. »Ich bin vielmehr der Ansicht, daßsie einen grundlegenden Fehler gemacht ha-ben. Sie haben rein mathematisch, aber nichtpsychologisch gedacht.«

»Das müssen sie mir schon erklären.«»Das ist doch wirklich einfach«, sagte

Robot Kelly mit quietschender Stimme. Ertrat unaufgefordert zu den beiden Männernund legte seine Metallhand auf die Karte.»Darf ich die Zonen der Wahrscheinlichkeiteinzeichnen, die du meinst?«

»Du darfst«, sagte Axton mit einem ver-steckten Schmunzeln. Er sah das versteinerte

Der Verräter von Protem 41

Gesicht des Arkoniden, der den heimlichenWink nicht bemerkt hatte, den er Kelly ge-geben hatte.

Der Roboter nahm einen gelben Stift undmarkierte damit den oberen und den unterenRand des Absturzkorridors.

»Atlan wird versuchen, so schnell wiemöglich aus diesem Gebiet herauszukom-men, entweder nach Norden oder nach Sü-den. Ist es so, Schätzchen?« Dabei blickte erArayshkat an, der prompt feuchte Augen vorEmpörung bekam.

»Wenn diese Maschine nicht sofort vonhier verschwindet, werde ich sie zerstrah-len«, erklärte er zornig.

Kelly kniete sich hin und ließ Axton aufseinen Rücken steigen.

»Das wäre sehr unklug«, erwiderte Kelly.Seine Stimme wurde von Silbe zu Silbedunkler, da er seine Lautsprecher entspre-chend einregulierte. »Wenn ich den Weg al-len Schrotts antreten sollte, dann müßtest dumeinen Herrn schon tragen, Arayshkat. Da-bei wage ich zu bezweifeln, daß du mit ei-nem solchen Kerlchen auf dem Rücken sogut aussehen würdest wie ich.«

»Dieser … dieser Roboter ist ein Unge-heuer«, sagte der Arkonide keuchend. »Ichverlange, daß Sie ihn ausschalten, Axton. Erwird unser Verhängnis sein.«

»Einverstanden, Arayshkat«, antworteteKennon gelassen. »Aber nur, wenn Sie michdann tragen.«

Der Planetenfürst wandte sich wortlos abund verließ die Zentrale.

*

Als Axton im Bodenladeraum des Schif-fes erschien, hatte der Arkonide den Gleiterbereits vorbereitet. Er packte noch einigeVorräte ein, da sie nicht wußten, wie langesie dem Diskus fernbleiben würden.

»Das habe ich auch schon lange nichtmehr selbst gemacht«, sagte er mit einemverkrampften Lächeln.

»Können wir starten?« fragte Axton, ohneauf ihn einzugehen.

»Wir können.« Der Arkonide setzte sichhinter das Steuer der Antigravmaschine. Un-willig blickte er auf Kelly, als dieser mit denFüßen gegen die Innentür stieß, aber er be-schwerte sich nicht über diese Ungeschick-lichkeit, bei der einige Schrammen zurückb-lieben. Er zuckte zusammen, als der Roboterdie Tür schloß und dabei offensichtlich et-was zu heftig vorging. Sie sprang wiederauf, so daß er sie erneut zuschlagen mußte.

»Arkatadische Produktion?« fragte Axton.»Allerdings«, antwortete der Arkonide.

»Bis auf einige Kleinigkeiten absolut erst-klassig.«

»Man sollte auf Arkon II kaufen«, sagteder Verwachsene gleichmütig. »Ich habe er-fahren, daß Orbanaschol III. geschäftlicheAnteile an der arkonidischen Gleiterproduk-tion hat. Es stimmt ihn unfreundlich, wennhochgestellte Persönlichkeiten des Imperi-ums die Konkurrenz bevorzugen.«

»Mir scheint, ich habe eine ganze Reihevon Fehlern gemacht«, erwiderte Arayshkat.Er startete. Der Gleiter schwebte durch dieoffene Schleuse auf das Raumfeld hinausund gewann schnell an Höhe.

Arayshkat beschleunigte voll. Er zog dieMaschine über das Raumhafengebäude hin-weg und lenkte es nach Osten. Erst jetztkonnte Lebo Axton das volle Ausmaß derZerstörungen erkennen. Die Maahks hattenerbarmungslos zugeschlagen. Von der Stadt,die ehemals zu dem Raumhafen gehört hat-te, war so gut wie nichts mehr vorhanden.Aus der Aschemasse ragten hier und da zer-schmolzene Reste von Gebäuden hervor.

Wenn die Stadt nicht rechtzeitig evakuiertworden war – womit Axton nicht rechnete –,dann mußte es hier Millionen von Toten ge-geben haben.

Und das sollte auf das Konto Atlans ge-hen?

Ausgeschlossen.Hier ging es ausschließlich darum, Atlan

für alle Zeiten politisch zu vernichten.Arayshkat flog über eine flache Hügelket-

te, folgte dann einem allmählich aufsteigen-den Bergrücken und überquerte schließlich

42 H. G. Francis

ein Gebirge, das bis zu etwa siebentausendMeter Höhe aufragte. Axton konnte einevollkommen intakte Stadt mittlerer Größesehen, die eingebettet zwischen steil aufstei-genden Bergen lag und aus diesem Grundevon den Maahks übersehen worden seinmochte.

Die hochstehende Sonne schuf leuchtendeReflexe an den schneebedeckten Hängen,und von einigen Felszacken hingen mächti-ge Eiszapfen herunter, die in allen Farbenschimmerten.

In diesem Moment schrie Axton auf.»Arayshkat. Jetzt habe ich es.«Der Arkonide blickte verwundert über die

Schulter zurück.»Was haben Sie?« fragte er, befremdet

über den Temperamentsausbruch des Ver-wachsenen. Dieser beugte sich zu ihm her-über und packte ihn am Arm.

»Landen Sie dort unten«, befahl er.»Warum? Glauben Sie, daß Atlan dort

ist?«»Atlan? Nein. Ich spreche von etwas ganz

anderem. Schon seit Tagen habe ich über-legt, woher ich den Namen Protem kenne.Ich wußte, daß ich ihn in irgendeinem Zu-sammenhang schon einmal gehört hatte.«

»Ja und? Was ist daran so aufregend?«Lebo Axton lehnte sich in seinem Sessel

zurück.»Stimmt es nicht, daß Protem eine golden

schimmernde Druckfolie auf bestimmtePostsachen setzt?«

»Das mag sein«, entgegnete der Arkonidegleichgültig. »Davon verstehe ich nichts. Istdas wichtig.«

»Landen Sie endlich.«Der Arkonide begriff nicht, was Axton

wollte, aber er gehorchte. Er drückte denGleiter steil nach unten, bis sie in nur weni-gen Metern Höhe über die Häuser der Stadthinwegglitten.

»Dort ist es«, rief der Gesandte des Impe-rators. Er streckte den Arm aus und zeigteauf ein unscheinbares Gebäude.

»Das ist die Post. Was wollen Sie dort?«Axton antwortete nicht. Er wartete, bis

der Arkonide gelandet war, dann sprang eraus dem Gleiter und eilte keuchend in dasHaus. Wenig später blieb er vor einemSchaukasten stehen, in dem die verschiede-nen Goldfolien des Planeten Protem gezeigtwurden. Es waren mehr als fünfzig verschie-dene vorhanden. In allen Größen und vonunvergleichlicher Reinheit. Auch die ge-zackte Protem war dabei.

Arayshkat erschien neben Axton.»Was ist mit Ihnen los?« fragte er kopf-

schüttelnd. »Weshalb drehen Sie durch, nurweil es hier ein paar ungewöhnliche Brief-marken gibt.«

»Briefmarken«, sagte Axton erregt. »Sieahnen ja nichts. Hier sehen Sie die größtenKostbarkeiten vor sich, die …«

Er stöhnte leise und schüttelte nun eben-falls den Kopf.

»Aber das können Sie schließlich nichtwissen. Davon haben Sie keine Ahnung. Ichsage Ihnen, Arayshkat, diese Folien werdeneinmal zu den begehrtesten Kostbarkeitender Galaxis gehören. Ich habe gesehen, wieMänner dafür …«

Er brach erneut ab, ging zu einem Auto-maten, steckte ein paar Münzen hinein undzog mehrere Serien von Goldfolien. Gerade-zu andächtig schob er sie sich in die Innenta-sche seiner Kombination.

»Jetzt können wir weiterfliegen«, sagte er.Dabei ging er schlurfend auf den Ausgangzu.

Er schwankte zwischen Glück und Ärger.Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er nicht eineinziges Mal daran gedacht, daß er bei sei-nem Ausflug in die Vergangenheit des arko-nidischen Imperiums Gelegenheit habenwürde, die philatelistischen Kostbarkeiten,die es nur noch in ganz geringer Zahl gab,an ihrem Ursprungsort in ihrer Ursprungs-zeit zu sehen. In der Zeit, aus der er kam,wurden die Goldfolien von Protem, von de-nen es nur noch fünf in der gesamten Gala-xis gab, zu Preisen gehandelt, zu denen mansich auch ein Raumschiff kaufen konnte.

Mit seinem Verhalten hatte er sich aberaufs Glatteis begeben. Er wußte es. Er hatte

Der Verräter von Protem 43

den Argwohn des Arkoniden erweckt. Dochdas war ihm egal. Er hätte es sich nie verzei-hen können, wenn er darauf verzichtet hätte,diese Chance wahrzunehmen, obwohl er dieFolien niemals mit zurück in seine eigeneZeit nehmen konnte.

»Ich gebe zu, daß es eigentlich kaum nochetwas gibt, worüber ich bei Ihnen nicht über-rascht wäre«, sagte Arayshkat sarkastisch.»Diese Verrücktheit aber müssen Sie mir er-klären.«

»Später«, erwiderte Axton. »Sehen Siedoch!«

Er blieb vor einem Video stehen. Auf demBildschirm war eine Art Steckbrief zu se-hen. Der Mann auf dem Bild glich dem At-lan, den Kennon kannte, in jeder Weise. Erwar lediglich um etwa fünfzehn bis zwanzigJahre jünger. Darunter stand eine Beschrei-bung. Der Name Atlan wurde in großen,auffälligen Buchstaben aufgeführt. Eine au-ßerordentlich hohe Belohnung war auf denGesuchten ausgesetzt, der lebend abgeliefertwerden mußte.

Axton stutzte.Warum wurde diese Bedingung immer

wieder derart betont?»Kommen Sie, Arayshkat. Wir müssen

uns beeilen. Wir haben schon genug Zeitverloren.«

»Sie tun gerade so, als wäre ich dafür ver-antwortlich.«

Der Roboter saß noch im Gleiter, als diebeiden Männer zurückkehrten.

»Atlan ist hier gewesen«, sagte er, als Ax-ton neben ihm saß. Wie vom Schlag getrof-fen, fuhr der Terraner herum.

»Wie kommst du darauf?« fragte er.»Ich habe es gehört. Als du da drinnen

warst, um unerfindlichen Interessen nachzu-gehen, kamen hier einige Männer vorbei. Siehatten ein Fahndungsbild von Atlan gesehenund sprachen darüber. Sie erwähnten, daßsie diesem Mann keine Nahrungsmittel ge-geben hätten, wenn sie gewußt hätten, weres war.«

»Wir sind hier weitab von der Wahr-scheinlichkeitszone«, wandte Axton ein.

»Das ändert nichts daran, daß ich dieseWorte gehört und gespeichert habe.«

»Wo sind diese Männer.«Der Roboter streckte einen Arm aus und

zeigte die Straße hinunter. In einer Entfer-nung von etwa zweihundert Metern stand ei-ne Gruppe von Männern diskutierend zu-sammen.

»Fliegen Sie hin«, befahl Axton.»Schnell.«

Der Arkonide startete augenblicklich.Kennon konnte sein Glück nicht fassen. Ei-nem unerhörten Zufall hatten sie es zu ver-danken, daß sie die Spur Atlans gefundenhatte.

Axton fragte sich, warum er beim Anblickdieser Stadt plötzlich auf einen ungewöhnli-chen Gedanken gekommen war. Er erinnertesich nicht daran, daß er jemals während ei-ner kriminalistischen Arbeit private Interes-sen verfolgt hatte. Sollte für einen kurzenMoment so etwas wie eine semitelepathi-sche Verbindung zustande gekommen sein?Oder hatte er irgend etwas in der Umgebungder Stadt gesehen, was er unbewußt in sichaufgenommen hatte? Er konnte sich denVorfall selbst nicht erklären.

Der Gleiter landete vor der Gruppe. LeboAxton gab Kelly einen Wink. Der Roboterstieg aus, kniete sich hin und ließ ihn wort-los aufsteigen. Allein dieser Vorgang genüg-te, die Männer der Gruppe auf Axton auf-merksam zu machen.

8.

»Er ist seit zwei Stunden weg«, sagte derStadtfürst. Er überragte die anderen Männerdeutlich. Ein dichter Bart zierte sein Kinn.Das schlohweiße Haar fiel ihm bis auf dieHüften herab. Ein violettes Insekt, das einerGottesanbeterin ähnlich sah, aber etwa dop-pelt so groß war wie diese, bewegte sich trä-ge im Haar des Arkoniden. Dabei gab es zir-pende Laute von sich.

»In welche Richtung ist er geflogen?«fragte Axton.

Der Weißhaarige zeigte nach Nordwesten.

44 H. G. Francis

»Er hat also einen Gleiter gekauft und istmit den acht Männern verschwunden, dieihn begleitet haben«, faßte Axton zusam-men, was man ihm erzählt hatte. »Alle neunMänner waren mit Energiestrahlern bewaff-net. Was ist da oben im Nordwesten? EineStadt?«

»Eine Großstadt«, erwiderte der Stadt-fürst. »Es ist die einzige Großstadt, die un-beschädigt davongekommen ist.«

»Wieviele Männer verfolgen ihn?«»Ungefähr dreißig in insgesamt zwanzig

Gleitern.«»Haben Sie der Imperiumsflotte gemel-

det, daß Atlan hier war?«Der Weißhaarige lachte ihm ins Gesicht.»Wenn Ihr verdammter Roboter nicht zu-

fällig etwas gehört hätte, dann hätten wir Ih-nen auch nichts gesagt. Diese Stadt könntedie Belohnung ganz gut gebrauchen. Ich se-he nicht ein, weshalb wir uns selbst um un-sere Chance bringen sollten.«

Kennon fühlte ein leichtes Pochen imHinterkopf, das allmählich kräftiger undschmerzhafter wurde. Für einige Sekundenflimmerte es vor seinen Augen, so daß erkaum etwas sehen konnte. Er klammertesich an die Haltegriffe auf den Schultern desRoboters, da er fürchtete, herunterzufallen.

»Vielen Dank«, sagte er mühsam. »Wirwerden weiterfliegen. Zum Gleiter, Kelly.Rasch.«

Er hob grüßend eine Hand und ließ sichzur Flugkabine zurücktragen. Er fühlte sicherst wieder besser, als er in den Polstern sei-nes Sessels saß. Seine Blicke klärten sich. Erlegte die Hände an den Hinterkopf, in demdas schmerzhafte Pochen nachließ. Beunru-higt fragte er sich, was in ihm vorging.

»Ist etwas nicht in Ordnung, Axton?«»Doch, Arayshkat. Starten Sie, bitte. Wir

wollen keine Zeit verlieren.«Der Arkonide lenkte die Maschine steil in

die Höhe und brachte sie dann auf Nord-westkurs. Hin und wieder blickte er zu demVerwachsenen hinüber, der zusammenge-sunken neben ihm saß. Das Gesicht Axtonswar vor Schmerz verzerrt, und die Hände,

die er sich an den Hinterkopf preßte, zitter-ten.

»Mit Ihnen stimmt etwas nicht«, sagte derPlanetenfürst. »Ich bringe Sie zu einemArzt.«

»Das ist nicht nötig«, erwiderte Axton. Errichtete sich ächzend auf. Sein Gesicht ent-spannte sich. »Jetzt scheint es vorbei zusein.«

Er nahm einige Tabletten aus der Bord-apotheke und schluckte sie herunter. DieWirkung setzte schnell ein. Axton versuchte,sich ausschließlich auf die Umgebung unddie Jagd auf Atlan zu konzentrieren, aber esgelang ihm nicht ganz. Sie flogen über eineLandschaft von eigenartigem Reiz hinweg.Zwischen niedrigen Hügeln und vereinzeltenFelskuppeln lagen zahllose Seen von unter-schiedlicher Größe. Ihre Ufer wurden vonteils grünen, teil flammend roten Bäumenumsäumt. Und im flachen Wasser hieltensich Schwärme von Vögeln auf, die an Fla-mingos erinnerten.

»Arayshkat, fliegen Sie weiter nach We-sten«, sagte Axton. »Ich glaube nicht, daßAtlan in die Großstadt flüchten will. Er wirdsich irgendwo auf dem freien Land ver-stecken.«

»Das ist eine Hypothese.«»Wir wollen nicht darüber diskutieren.

Gehen Sie auf Westkurs.«Der Arkonide befolgte den Befehl. Er sah

nicht, daß die Augen des Mannes neben ihmfür einige Sekunden glasig wurden. Axtonkämpfte wieder mit den Schmerzen in sei-nem Kopf, überwand sie dieses Mal aberschnell. Er wunderte sich darüber, daß ersich dessen so sicher war, daß seine Anord-nung stimmte. Er spürte förmlich, daß er ei-ne Art Kontakt mit der Atlangruppe aufge-nommen hatte, so als könne er sie in der Fer-ne sehen. Irgendwo weit vor ihm schien einPunkt zu sein, den er ansteuern mußte, undder einzig und allein als Ziel in Frage kam.

Axton wehrte sich nicht gegen dieses Ge-fühl, da er nicht ausschließen konnte, daß esauf eine parapsychische Kraft zurückging.Es war möglich, daß unter den Freunden At-

Der Verräter von Protem 45

lans ein Mann war, der ihm half, die Spur zufinden. Das Bild der Landschaft ändertesich. Unter dem Gleiter dehnten sich endlosscheinende Wälder. Die Bäume standen sodicht, daß der Boden nicht zu sehen war.Arayshkat deutete nach unten.

»Wenn sie sich da verstecken und alleEnergiequellen ausschalten, werden wir sieso leicht nicht finden.«

»Irrtum. Sie müßten sich schon von allerTechnik und von allem Ausrüstungsmaterialtrennen, wenn sie nicht geortet werden wol-len. Auf lange Sicht haben sie keine Chance,es sei denn, daß sie ein Raumschiff auftrei-ben, mit dem sie ihre Flucht fortsetzen kön-nen. Wo aber sollte hier so etwas sein?«

»Vielleicht da drüben?« Arayshkat zeigteauf einen schwach glänzenden Punkt, dersich südwestlich vor ihnen befand und etwazwanzig Kilometer von ihnen entfernt war.

Der Arkonide änderte den Kurs, ohne eineAnweisung Axtons abzuwarten. Gleichzeitigbeschleunigte er, flog aber noch immer in ei-ner Höhe von etwa dreihundert Metern.

»Gehen Sie weiter nach unten«, sagte Ax-ton. »Man braucht uns nicht früher zu sehenals unbedingt notwendig.«

Arayshkat ließ die Maschine nun so weitabsinken, daß sie nur noch knapp über dieBaumwipfel hinwegstrich. Ein Verband vonsieben Diskusraumern zog hoch über ihnenhinweg. Er lag auf einem nordwestlichenKurs.

Allmählich konnte Kennon besser erken-nen, welches Ziel Arayshkat anflog. DreiTürme erhoben sich aus dem Grün der Wäl-der. Sie schienen aus Metall gefertigt oderverschalt zu sein. Daneben befand sich eineKuppel.

Axton wies den Arkoniden auf eine Bo-denrinne hin, in der sie sich weniger auffäl-lig nähern konnten. Arayshkat lenkte denGleiter hinein und drosselte die Geschwin-digkeit. Nun schwebten sie im Sichtschutzder Bäume an die Türme heran, auf denenseltsam verkrümmte Gebilde befestigt wa-ren.

»Es ist eine Ruine«, sagte Axton.

»Vielleicht ist es der Jagdsitz eines Rei-chen gewesen«, fügte der Arkonide hinzu.Sie erreichten das Ende der Rinne. Hierstanden die Bäume so licht, daß sie unterden Kronen hindurchfliegen konnten. Aufdiese Weise kamen sie bis an das Ufer einesSees heran. Die Ruine stand auf einer klei-nen Insel und war nur mit einem Gleiteroder einem Boot zu erreichen. Arayshkatstoppte die Maschine hinter einigen Bü-schen. Axton richtete die Bordoptik auf denhalbverfallenen Bau und regulierte dieBrennweite neu ein. Auf dem Bildschirmwurden Einzelheiten sichtbar, die mit blo-ßem Auge nicht erkennbar gewesen wären.

Ein kaum hörbares Surren zeigte Axtonan, daß Kelly seine optischen Einrichtungenebenfalls auf die Ruine ausrichtete.

»Da ist etwas«, sagte der Roboter.»Ich sehe nichts«, erwiderte Arayshkat.

Er beugte sich über den Bildschirm, wäh-rend Axton den Blickwinkel allmählich ver-änderte, so daß die Kamera nach und nachdas gesamte Gebäude erfaßte. Es schien tat-sächlich aus Stahl errichtet worden zu sein.Die Türme waren mit der Kuppel verbun-den. Sie hatten nur wenige Fenster, die dichtunter der Spitze lagen. Von dort aus konnteein Beobachter weit über das Land hinaussehen.

»Wo?« fragte der Kosmokriminalist.»Im rechten Turm am obersten Fenster

steht ein Mann«, erklärte der Roboter.Axton richtete die Kamera auf die ange-

gebene Stelle und sah gerade noch, wie einemenschliche Gestalt aus dem Fenster ver-schwand.

»Du hast recht«, sagte er. »Da war je-mand.«

»Ich habe immer recht«, entgegnete derRoboter mit quietschender Stimme. »Dasunterscheidet mich ja von dir. Deshalb frageich mich manchmal, wer von uns beiden dashöhere Geschöpf ist. Ich bin zu der Überzeu-gung gekommen, daß ich …«

»Sei endlich still«, befahl Axton. »DeineSchwatzhaftigkeit deutet auf alles andere alsein hohes Niveau hin.«

46 H. G. Francis

»Du hast den falschen Ausdruck gewählt.Schwatzhaftigkeit und Beredsamkeit sindzwei völlig verschiedene …«

»Still!«»Aber nur unter Protest, Schätzchen.«Axton seufzte. Kelly hatte die fatale Ei-

genschaft, stets im unpassendsten MomentVorträge halten zu wollen.

»Da drüben ist jemand«, sagte er. »Eskönnte Atlan mit seinen Männern sein. Wirmüssen hinüber.«

»So offen? Das schaffen wir nie. Dieschießen uns ab, bevor wir nahe genug heransind und mit ihnen sprechen können«, wand-te der Arkonide ein.

»Es geht nicht anders. Natürlich könntenwir versuchen, Funkkontakt mit ihnen auf-zunehmen, aber davon halte ich nicht viel.Damit könnten wir andere Suchtrupps auf-merksam machen, und genau das müssenwir vermeiden. Wir müssen in aller Ruhemit Atlan reden können, ohne andere anzu-locken. Also müssen wir zur Insel und sozu-sagen mit erhobenen Händen auf Atlan zu-kommen.«

»Das ist gefährlich. Was sollen wir tun,wenn seine Leute das Feuer auf uns eröff-nen?«

»Das werden sie nicht tun. Sollte es aberdoch dazu kommen, dürfen wir auf gar kei-nen Fall zurückschießen. Wir werden unstrennen.«

»Der Roboter kann fliegen?« fragte Aray-shkat überrascht.

»Er hat ein Antigravtriebwerk«, antworte-te Axton.

»Ich bin in jeder Hinsicht überragend«,fügte Kelly hinzu.

»Auf deine äußerliche Erscheinung trifftdas ausnahmsweise zu. Du bist der häßlich-ste Roboter, der mir je begegnet ist«, sagteAxton. »Und jetzt raus mit dir aus den be-quemen Polstern.«

Der Roboter stieg aus und blieb nebendem Gleiter stehen.

»Sie nähern sich der Insel auf direktemKurs. Ich fliege mit dem Roboter weiternach Westen. In fünfzehn Minuten stoßen

wir gleichzeitig vor. Und denken Sie daran:nicht schießen!«

»Ich habe nicht die Absicht, GonozalsVII. umzubringen. Sie können sich also aufmich verlassen.«

Kennon winkte Kelly heran und kletterteauf seinen Rücken. Lautlos erhob sich derRoboter und flog davon. Er blieb unter denBäumen und bewegte sich geschickt voran,so daß er von der Ruine aus nicht zu sehenwar. Als die vereinbarte Zeit verstrichenwar, hatte er ungefähr den Punkt erreicht,den er sich zum Ziel gesetzt hatte.

»Los jetzt«, sagte Axton.Kelly brach unter den Bäumen hervor. Bis

zu diesem Moment hatte er sich aufrecht be-wegt, nun aber ließ er sich nach vorn kippen,so daß Axton auf seinem Rücken lag. Er jag-te flach über die Wasseroberfläche auf diedrei Türme und die Kuppel zu. Kennonkonnte Arayshkat sehen, der sich der Ruinemit dem Gleiter näherte. Der Arkonide flogjedoch nur langsam und zögernd.

Doch darauf achtete Axton kaum.Er blickte voller Entsetzen nach Süden.

Von dort her zog eine Flotte von etwa zwan-zig Diskusraumern heran. Die Insel mit denverfallenen Bauten lag genau auf ihremKurs.

»Schneller«, schrie Kennon. Er wollte dieRuine auf jeden Fall erreicht haben, bevordie Raumschiffe da waren. So hoffte er, sichnoch rechtzeitig vor ihnen verstecken zukönnen. Es galt, jegliche Aktivität zu ver-meiden. Ein einziger Schuß aus einer Ener-giewaffe konnte bereits zum verräterischenSignal werden. Sekundenlang war er ver-sucht, Verbindung mit Arayshkat aufzuneh-men, um ihn noch einmal eindringlich zuwarnen, aber er verzichtete darauf, weil erdamit ebenfalls hätte auffallen können.

Kelly erreichte die ersten Bäume auf derInsel. Zum gleichen Zeitpunkt kam der Glei-ter etwa hundert Meter von ihnen entferntbei einem der drei Türme an. Der Roboterjagte an der von Rost bedeckten Metallwandder Kuppel entlang. Erst jetzt konnte Axtonsehen, daß ein großes Loch in der Kuppel

Der Verräter von Protem 47

klaffte. Bisher war es von Bäumen und ei-nem Felsen verdeckt gewesen. Auf dieseÖffnung steuerte Arayshkat zu.

Zwischen den Trümmern einiger Maschi-nen tauchten mehrere Männer auf. Unter ih-nen befand sich ein athletisch gebauter Ar-konide mit schlohweißem Haar. SinclairMarout Kennon identifizierte ihn augen-blicklich als Atlan. Er zweifelte nicht daran,daß dies der Mann war, dem die ganze Su-che galt.

Einer der Männer hielt einen schwerenEnergiestrahler in der Armbeuge. Er schoßauf den Gleiter Arayshkats. Der Blitz zuckteaus seiner Waffe hervor und strich dichtüber die Flugkabine hinweg. Der Planeten-fürst von Barthimore zog die Maschine zurSeite. Wieder fiel ein Schuß. Dieses Malhatte Atlan gefeuert, und er traf.

Im Heck des Gleiters explodierte etwas.Dadurch geriet die Maschine aus dem Kurs.Sie prallte gegen die Metallkuppel unddurchstieß sie an einer Stelle, an der sie of-fensichtlich vollkommen durchgerostet war.Mit dem Bug blieb sie darin stecken.

Der Arkonide kletterte durch die heraus-geplatzte Frontabdeckung heraus. In derHand hielt er seinen Energiestrahler.

»Nicht«, schrie Axton, doch seine Stimmewar heiser und krächzend. Die Erregungübermannte ihn, und seine Warnung kam zuspät.

Arayshkat zielte auf Atlan und löste seineWaffe aus. Der Weißhaarige warf sich un-glaublich schnell zur Seite. Der Energie-strahl fuhr an ihm vorbei, und schon imnächsten Moment schoß Atlan zurück.

Er traf.Der Blitz hüllte Arayshkat ein. Seine

Kombination schien aufzuglühen. FürBruchteile von Sekunden sah es so aus, alswerde der Arkonide von einem hautengenEnergieschirm umgeben. Doch das täuschte.Er brach zusammen, stürzte auf die Metall-kuppel und rutschte daran herab. Kennonsah die Brandwunde, die seine Brust verun-staltete, und er wußte, daß der Planetenfürsttot war.

Er selbst fühlte sich wie gelähmt.Nun war es ihm endlich gelungen, Atlan

zu finden, aber durch die panikartige Reakti-on Arayshkats wurden die Schergen Orbana-schols angelockt. Die Raumschiffe senktensich bereits herab.

Wie sollte er Atlan aus dieser Falle her-ausholen?

Es erschien absolut unmöglich, daß eshier noch ein Entkommen geben konnte.Dennoch wollte der Terraner noch nicht auf-geben.

»Atlan!« schrie er, und dieses Mal klangseine Stimme klarer und lauter.

Der Arkonide hörte ihn.Er fuhr herum und blickte zu ihm herüber.

Selbstverständlich konnte er ihn nicht ken-nen. Er würde ihm ja erst zehntausend Jahrespäter begegnet sein, wenn Kennon sichnicht durch die Traummaschine in die Ver-gangenheit hätte schleudern lassen. So sahAtlan in dem Verwachsenen, der nun ritt-lings auf dem Roboter saß, einen Gegner.

Er gestikulierte kurz und zog sich dannfluchtartig mit seinen Männern in die Me-tallkuppel zurück.

Nun war es endgültig zu spät.Kennon blickte nach oben. Die Diskus-

raumer schwebten direkt über der Ruine. Siehatten die Energieschüsse bemerkt und wür-den nun nicht mehr von der Stelle weichen,bis die Kommandanten wußten, was hier ge-spielt wurde. Die Formation löste sich auf.Die Raumer glitten langsam auseinanderund bildeten schließlich einen großen Kreis,dessen Mittelpunkt die Kuppel mit den dreiTürmen bildete. Zugleich senkten sie sichherab.

»Landen«, befahl Axton.Er wartete, bis der Roboter seine Füße auf

den Boden gesetzt hatte. Dann zog er seinenEnergiestrahler aus dem Gürtel und über-prüfte ihn. Die entsicherte und schußbereiteWaffe lehnte er auf die Schulter Kellys.

»Langsam voran, Kelly.«Der Roboter setzte sich wieder in Bewe-

gung. Er nutzte die Deckung der Bäume undder Felsen aus, als ob er sich der Gefahr be-

48 H. G. Francis

wußt sei. Axton stellte überrascht fest, daßer sich auch in dieser Situation äußerst ge-schickt verhielt. Wieder einmal fragte ersich, wem das Positronikgehirn früher ein-mal gehört haben mochte. Er wäre nicht ver-wundert gewesen, wenn sich herausgestellthätte, daß Kelly zu illegalen Aufgaben her-angezogen worden war.

Als er Arayshkat sah, stoppte er den Ro-boter.

Der Planetenfürst lag in eigenartiger Hal-tung auf dem Boden. Sein Gesicht war ver-zerrt. Noch im Tode war es von Angst undPanik gezeichnet. Kennon biß sich auf dieLippen. Jetzt bereute er, daß er den Arkoni-den an der Aktion beteiligt hatte. War dieswirklich der einzige Weg gewesen, ihn voreinem neuen Todeskommando Orbanascholszu retten?

Axton blickte auf die Öffnung in der Me-tallkuppel. Er konnte kaum etwas erkennen.Schrott und Gerumpel lagen im Dunkeln.Atlan und seine Männer konnten überallsein. Sie konnten ihn aus sicherer Deckungheraus abschießen.

Er zögerte.Wieder hatte er das Gefühl, daß irgend et-

was nicht stimmte.Das Unbehagen, das ihn erfaßt hatte, seit

die ersten Flüchtlinge von Protem nach Bart-himore gekommen waren, machte sich ver-stärkt wieder bemerkbar.

Warum floh er nicht einfach?War es nicht bedeutend besser, wenn er

sich nicht um Atlan kümmerte? Schließlichwußte er mit absoluter Sicherheit, daß Atlanzehntausend Jahre später noch leben und ei-ner der bedeutendsten Männer des SolarenImperiums sein würde. Er würde als Lordad-miral Chef der United Stars Organisationsein. Er – Sinclair Marout Kennon – würdedurch die Initiative und den Mut diesesMannes einen Feuerschlag überleben, dernormalerweise tödlich sein mußte. Durchihn würde er zu einem perfekten Robotkör-per kommen, in dem er praktisch unsterblichsein würde.

Warum floh er nicht?

Er wußte doch, daß Atlan nichts passierenkonnte. Auf irgendeine Weise würde derSohn Gonozals VII. aus dieser Falle ent-kommen.

Durfte er überhaupt hier bleiben?Mußte er nicht ein Zeitparadoxon auslö-

sen, wenn er eingriff? Bestand nicht die Ge-fahr, daß Atlan dann starb, und daß dadurchdie Zukunft entscheidend verändert wurde?

Unschlüssig blickte Axton zu den Raum-schiffen hinauf. Bei ihnen tat sich überhauptnichts.

Axton wischte sich die feucht werdendenHände an den Oberschenkeln ab. Seine Ge-danken überschlugen sich. Er zwang sich zuhöchster Konzentration und ging blitzschnellnoch einmal alle Fakten durch, die sich inden letzten Tagen ergeben hatten. Die Ereig-nisse rollten vor seinen Augen ab. Er glaub-te, die Stimme eines jeden einzelnen Man-nes zu hören, mit dem er gesprochen hatte.Fieberhaft suchte er nach dem Fehler in sei-nen Überlegungen.

Und dann plötzlich fiel es ihm wie Schup-pen von den Augen.

Er atmete tief durch. Seine Hände kralltensich um die Haltebügel auf den Schulterndes Roboters.

»Weiter, Kelly«, befahl er. »Wir steigenauf und schleichen uns durch eines der Fen-ster in den Bau. Los doch, du lahmer Hund,worauf wartest du noch?«

Während der Roboter den Befehl befolg-te, antwortete er: »Darauf, daß du es dir viel-leicht doch noch anders überlegst.«

»Ich würde vorsichtig sein. Sieh dich lie-ber um. Schau dir an, was aus all dem schö-nen Metall hier geworden ist. Wenn ich will,sorge ich dafür, daß du dich bei vollem Be-wußtsein langsam in wunderschönen Rostumwandeln wirst.«

»Ich kann nicht rosten. Ich bin aus Edel-stahl.«

»Das glaubst du, Kelly. Ich weiß es bes-ser. In dieser Hinsicht hat man dir falscheInformationen eingegeben. Sieh dich alsovor.«

»Ich muß darüber nachdenken.«

Der Verräter von Protem 49

»Aber leise, wenn ich bitten darf.«Der Roboter hatte ein Fenster an einem

der Türme erreicht. Es bestand nur noch auseinem offenen % Rahmen. Glassplitter lagenauf dem Boden herum. Der Automatschwebte in einen mit Gerumpel gefülltenRaum und scheuchte einen Schwarm vonVögeln auf. Kreischend entwichen die Tieredurch das Fenster.

Axton hörte, daß sich unter ihnen etwasbewegte. Ein Mann schien über eine Treppenach unten zu laufen. Der Terraner dirigierteden Roboter zu einer Tür, die halb offenstand. Mühelos schob Kelly sie zur Seite. Erschaltete seinen Scheinwerfer an und be-leuchtete damit eine Steintreppe, die nachunten führte.

»Fliegen«, befahl Axton. »Lautlos bewe-gen. Und das Licht aus. Du kannst dich auchmit anderen Mitteln orientieren.«

Der Roboter gehorchte. Axton schloß dieAugen, um sich schneller an die Dunkelheitzu gewöhnen. Er fühlte, daß Kelly den Flugnach unten begann. Die Maschine konntesich mit Hilfe ihrer Nachtsichtgeräte mühe-los orientieren.

Nach etwa einer Minute kamen sie an ei-ne Stelle, an der die Metallwand aufgebro-chen war. Offenbar war hier vor langer Zeiteinmal ein Geschoß eingeschlagen. Die nachinnen gebogenen Aufrißränder deuteten esan.

Axton blickte hinaus. Er sah, daß aus denRaumschiffen Bodenkampftruppen und Ro-boter herabregneten.

Die Zeit lief ab. Jetzt kam es nur nochdarauf an, wer die letzten nochverbleibendenMinuten besser nutzen konnte.

Kelly bewegte sich weiter.Unter ihnen fiel eine Tür quietschend zu,

doch sie schloß nicht völlig ab, so daß Licht-streifen sichtbar blieben.

»Vorsicht«, flüsterte Axton, als sie sichihr näherten. »Noch nicht öffnen.«

Er richtete sich auf und beugte sich vor.Behutsam stemmte er seine Hände gegen dieWand und spähte durch die Türspalte hin-durch. Atlan stand zusammen mit einem un-

tersetzten Mann zwischen zwei beschädigtenMaschinen, deren ursprüngliche Funktionnicht mehr zu erkennen war. Beide Männerhielten ihre Energiestrahler schußbereit inden Händen, blickten aber nicht zur Tür,sondern in eine andere Richtung. Sie mach-ten einen ruhigen und konzentrierten Ein-druck. Schräg über ihnen mußte sich eineÖffnung in der Metallkuppel befinden, dennvon dort fiel genügend Licht auf sie herab,so daß sie gut zu erkennen waren.

»Achtung«, sagte Kennon. »Kannst du dieTür mit einem Schlag öffnen?«

»Bestimmt«, antwortete der Roboter, dervorsichtigen Druck auf die Tür ausübte.

»Dann los!«Kelly warf sich kraftvoll nach vorn. Lebo

Axton klammerte sich an die Haltebügel, umnicht herunterzufallen. Krachend flog dieStahltür auf. Der Roboter stürmte auf diebeiden Arkoniden zu, die offensichtlich voll-kommen überrascht waren, obwohl sie dochdamit hatten rechnen müssen, aus dem Turmheraus angegriffen zu werden.

Atlan reagierte am schnellsten. Er sprangzur Seite und geriet dadurch in die Deckungeiner Maschine. Der andere Arkonide rißseine Waffe hoch und feuerte überhastet.Lebo Axton duckte sich unwillkürlich, dochder Blitz zuckte hoch über ihn hinweg undschlug in die Metallkuppel ein.

Kennon erwiderte das Feuer. Und er traf.Der Energiestrahl aus seiner Waffe durch-bohrte die Brust des Mannes und schleuderteihn zu Boden. In diesem Moment verlor derVerwachsene den Halt, da Kelly sich ruckar-tig zur Seite bewegte, um einem Schuß At-lans zu entgehen.

Der Terraner stürzte mit einem Aufschreizu Boden. Er versuchte, sich über die Schul-ter abzurollen, was ihm in seinem perfektenRobotkörper sicherlich mühelos gelungenwäre. So aber kam er hart und schmerzvollauf. Die Waffe fiel ihm aus der Hand. Erwarf sich rasch nach vorn, packte sie undrollte sich bemerkenswert schnell inDeckung, während Roboter Kelly mit einemRiesensatz hinter einer Maschine ver-

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schwand.Sinclair Marout Kennon hörte die stamp-

fenden Schritte der Roboter und der Arkoni-den, die die Metallkuppel stürmten. Verein-zelte Schüsse fielen.

Atlan sprang auf und rannte geduckt aufeine Tür zu.

»Stehenbleiben«, schrie der Terraner.Als der Weißhaarige weiterlief, hob Ken-

non den Energiestrahler und schoß. Der na-delfeine Energiestrahl raste fauchend amKopf Atlans vorbei und zwang diesen, er-neut in Deckung zu gehen.

»Ich will ihn lebend«, brüllte einer der ar-konidischen Offiziere aus den Raumschif-fen. »Stellen Sie das Feuer ein.«

Atlan stürmte aus seiner Deckung hervor.Er hielt seinen Blaster hoch und zielte dabeiauf Lebo Axton. Dieser erkannte die Gefahrrechtzeitig und flüchtete zur Seite.

Keine Sekunde zu früh.Atlan feuerte seine Waffe ab. Der Ener-

giestrahl schlug in die Trümmer der Maschi-ne ein und verwandelte sie in ein Chaos ausfunkensprühendem und sich verflüssigen-dem Metall. Kennon schrie gellend auf vorSchmerz, als ihm ein Tropfen glutflüssigenMetalls auf den Arm fiel. Mit der Waffestreifte er ihn ab, ohne dabei eine schwereVerbrennung verhindern zu können.

Tränen schossen ihm in die Augen.Er sah Atlan verschwommen vor sich auf-

tauchen, riß seinen Nadelstrahler hoch undlöste ihn aus.

Seine Umgebung schien plötzlich nurnoch aus atomarer Energieflut zu bestehen.Nahezu unerträgliche Hitze trieb ihn hochund zwang ihn zum Rückzug. Er hörte dielauten Stimmen der arkonidischen Offizieredes Bodenkommandos, und rückwärtsschreitend beobachtete er Atlan, der mit ge-weiteten Augen noch immer an der gleichenStelle stand. Er preßte beide Hände gegenden Bauch. Sekunden hielt er sich noch aufden Beinen, dann drehte er sich halb um sichselbst und stürzte tot zu Boden.

»Sie haben ihn erschossen«, sagte ein ar-konidischer Offizier in maßlosem Zorn.

»Was sollte ich tun?« fragte Kennon keu-chend. »Ich wollte ihn lebend haben, aber ertrieb mich in die Enge. In Notwehr blieb mirgar nichts anderes übrig, als zu schießen.«

Robot Kelly kam zu ihm, doch Kennongab ihm kein Zeichen, sich hinzuknien. DerVerwachsene wischte sich mit demHandrücken über die Augen und blickte sichum.

Wo er eben noch mit Atlan und dem Ro-boter allein gewesen war, wimmelte es nunvon Arkoniden und Kampfrobotern. EinArzt kniete neben der Leiche. Er zog denlinken Arm, der über dem Leib lag, zur Seiteund entblößte damit die Einschußwunde.

Lebo Axton ging zu ihm. Mit hängendenSchultern blieb er zunächst neben dem To-ten stehen, dann ließ er sich langsam auf dieKnie herabsinken.

»Ich wollte es wirklich nicht«, sagte erstöhnend. Dabei ließ er seine Hand langsamüber das Gesicht des Toten gleiten. Erdrückte ihm die Augen zu.

»Sie werden in erhebliche Schwierigkei-ten kommen«, sagte der Arzt. »Sie habenden Sohn Gonozals VII. getötet.«

»Er war ein Verräter an Arkon.«»Orbanaschol wollte ihn lebend.«Lebo Axton krümmte seine Finger. Sie

wühlten sich in das Haar des Toten. Bevorder Arzt oder irgendeiner der Offiziere über-haupt begriff, was Axton beabsichtigte, rißer mit aller Kraft daran. Mit einem Ruck lös-te sich die Maske vom Gesicht des Toten.

Darunter wurde das Gesicht eines Mannessichtbar, der nur eine entfernte Ähnlichkeitmit Atlan hatte. Ein unmerkliches Lächelnspielte um die Lippen Lebo Axtons, als dieOffiziere ihn wegzerrten.

Er hatte genau gewußt, was er zu tun ge-habt hatte.

Spätestens zu dem Zeitpunkt, als er dieInsel erreicht hatte, war er sich darüber klargeworden, daß sich hier ein DoppelgängerAtlans befand. Der Widerspruch, der in demBefehl Orbanaschols gelegen hatte, hatte ihndarauf gebracht.

Das erklärte Ziel des Imperators war es,

Der Verräter von Protem 51

den Mann zu beseitigen, der ihm als einzigerwirklich gefährlich werden konnte. Orbana-schol wollte Atlan töten.

Wenn er jetzt aber versucht hatte, ihn mo-ralisch zu vernichten, indem er ihn eines un-geheuren Verrats bezichtigte, dann konntedas nur daran gelegen haben, daß der echteAtlan gar nicht auf Protem war. Orbanascholhatte genau gewußt, daß Atlan irgendwo inder Galaxis weilte und vorläufig unerreich-bar für ihn war. Deshalb war ihm nur dieMöglichkeit geblieben, einen Rufmord anihm zu begehen. Das aber konnte nur gelin-gen, wenn der Doppelgänger lebend gefan-gen wurde und später aus der Gefangen-schaft entfliehen konnte.

Ein toter Doppelgänger war absolut wert-los, da der echte Atlan lebte.

Es war dieser Widerspruch in dem BefehlOrbanaschols gewesen, der Kennon alleshatte durchschauen lassen. Und er hatte auchdie Absicht gehabt, den Doppelgänger zu tö-ten. Doch das konnte ihm niemand mehrnachweisen.

Energisch schüttelte er die Hände der Of-fiziere ab.

Er machte sich um seine Zukunft keineSorgen.

*

»Axton hat den Plan zunichte gemacht.«»Das ist nun nicht mehr zu ändern. Die

Einsatztruppen hätten schneller sein müs-

sen.«»Was geschieht mit Axton?«»Dem Kampfbericht nach hatte er keine

andere Möglichkeit. Er hat nicht versucht,mit dem Doppelgänger Kontakt aufzuneh-men, sondern er hat ihn entschlossen ange-griffen. Ob er den echten Atlan kennt odernicht, spielt keine Rolle. Er hat geschossenund damit bewiesen, daß er ein Feind Atlansist. Ein Mann mit diesen Fähigkeiten ist füruns von höchstem Wert. Ich will, daß er inunseren Geheimdienst aufgenommen undmit wichtigen Aufgaben betraut wird.«

»Wie Ihr befehlt, Orbanaschol.«»Nach einiger Zeit wird es angebracht

sein, ihn zu prüfen. Man soll ihm dann eineFalle stellen, in der er sich fangen muß,wenn er nicht wirklich loyal ist.«

»Ich werde alles veranlassen.«»Er hat den Doppelgänger getötet. Eines

Tages soll er uns zu dem echten Atlan füh-ren. Dieser wird dann selbstverständlichkeine Chance bekommen. Der Befehl bleibtbestehen: Atlan ist auf der Stelle zu töten,wenn er gefunden wird.«

»Ich werde noch einmal eine entspre-chende Weisung herausgehen lassen, Impe-rator.«

ENDE

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