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D i e V i l l e n k o l o n i e G r u n e w a l d Autor: Dieses Dokument wurde heruntergeladen bei ArchiNoah, http://www.archinoah.de der interaktive Informationsserver für Architekturstudenten. Wir bieten auf unseren Seiten z.Z. folgendes an: - Einen architekturbezogenen Veranstaltungskalender - Referate und Hausarbeiten zum Thema Architektur - Texturen und andere Grafikelemente für CAD und Visualisierung - eine Datenbank für Modellbaumaterialien - ein Forum und vieles mehr Dieser Service ist kostenlos! Bitte unterstütze das ArchiNoah Projekt, indem Du eigene Dokumente bei archinoah.de hochlädst! Das ArchiNoah Team, März 2002 Jahr: Titel: A r n e M e l c h e r s u n d N a d i n e S a w a d e 1999

Die Villenkolonie Grunewald während der Kaiserzeit (1871 bis … · 2011-02-28 · Kurfürstendamm nach dem Vorbild des Champs-Elysées in Paris und verwies auch auf die steigende

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D i e V i l l e n k o l o n i e G r u n e w a l d

Autor:

Dieses Dokument wurde heruntergeladen bei ArchiNoah,

http://www.archinoah.de

der interaktive Informationsserver für Architekturstudenten.

Wir bieten auf unseren Seiten z.Z. folgendes an:- Einen architekturbezogenen Veranstaltungskalender - Referate und Hausarbeiten zum Thema Architektur- Texturen und andere Grafi kelemente für CAD und Visualisierung- eine Datenbank für Modellbaumaterialien- ein Forum und vieles mehr

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Das ArchiNoah Team, März 2002

Jahr:

Titel:

A r n e M e l c h e r s u n d N a d i n e S a w a d e

1999

Planungs- und Architektursoziologie I - 1. SemesterProf. Dr. Harald BodenschatzSeminar: Wohnarchitektur und gesellschaftliche Ungleichheit in Berlin

Die Villenkolonie Grunewaldwährend der Kaiserzeit (1871 bis 1918)

Referat von (gehalten am 10.11.98)

Arne Melchers und Nadine Sawade

Inhaltsverzeichnis

I. Prolog / Geschichte ....................................................................................... S.2

II. Phase 1 ......................................................................................................... S.3

III. Phase 2 ......................................................................................................... S.7

IV. Fazit .............................................................................................................. S.10

V. Epilog ........................................................................................................... S.11

VI. Anhang ......................................................................................................... S. 12

Das Villenviertel Grunewaldwährend der Kaiserzeit (1871-1918)

Prolog / Geschichte

Um 1242 ging das Gebiet des heutigen Grunewaldes in den Besitz des Klosters Lehnin ein,aber mußte 1540 dem Kurfürsten Joachim 11. Übereignet werden, weil dort höfischeParforce-Jagden abgehalten wurden. Dieser ließ 1542 das von Caspar Theyß entworfeneJagdschloß "Zum gruenen Wald genent" erbauen, wodurch auch der Name Grunewaldentstanden ist, nachdem später das Schloß, der Wald wie auch der See benannt wurde.

Gleichzeitig wurde durch das sumpfige Gebiet zwischen Stadtschloß und Grunewald einsogenannter Knüppeldamm als Verbindungsweg angelegt. Im Laufe der Zeit wird dieser Wegimmer weiter ausgebaut und 1787 auf einer Karte von Schmettau zum ersten Mal"Kurfürstendamm" genannt. Es war ja tatsächlich ein künstlich aufgeschütteter Damm, dervon den Kurfürsten und seinem Gefolge für die Jagdausflüge im Grunewald genutzt wurde.So entstand damals schon die geschichtliche und geographische Verbindung zwischen demGrunewald und dem Kurfürstendamm. 1864 hat, was erst später von Bedeutung wird, JohnBooth 26ha Land für seine Baumschule am südöstlichen Ende des Kurfürstendamm (imBereich Kurfürstendamm, Fasanen-, Lietzenburger-, Hardenbergstraße) gekauft. Bereits 1872erwarb der von dem Hamburger Großkaufmann v. Carstenn gegründeteBerlin-Charlottenburger Bauverein große Teile des Geländes am Halensee und plante denAusbau des Kurfürstendamms als Erschließungsstraße nach dem Muster der Kaiserallee(heutige Bundesallee) mit 30 in Breite und großzügiger Villenbebauung. Am 5.2.1873 äußerteBismark in einem Brief an den Kabinettsrat den Gedanken zu einem prunkvollen Ausbau desKurfürstendamm nach dem Vorbild des Champs-Elysées in Paris und verwies auch auf diesteigende Bedeutung des Grunewaldes in der schnell wachsenden Reichshauptstadt Berlin.

Zitat Bismark- "Auch die Straße am Kurfürstendamm, wird nach den jetzt bestehendenAbsichten viel zu eng werden, da dieselbe voraussichtlich ein Hauptspazierweg für Wagenund Reiter werden wird. Denkt man sich Berlin so wie bisher wachsend, so wird es diedoppelte Volkszahl noch schneller erreichen, als Paris von 800.000 Einwohnern auf2.000.000 gestiegen ist. Dann würde der Grunewald etwa für Berlin das Bois de Boulogneund die Hauptader des Vergnügungsverkehrs dorthin mit einer Breite wie der ElysäischenFelder durchaus nicht zu groß bemessen sein. (Quelle: Der Kurfürstendamm - Leben undMythos des ... ; Seite 12)

1873 wurde nach heftiger Diskussion der Ausbau des Kurfürstendamms als Prachtstraße mit53 in Breite durch die Kabinettsorde beschlossen. Gleichzeitig wurden die Bahnlinien derRingbahn und Wetzlarer Bahn durch den Grunewald gelegt und 1877 bzw. 1879 in Betriebgenommen, was den eingeschlossenen Bereich als Jagdgebiet unbrauchbar gemacht hat.Durch die Bahnhöfe Halensee (der ursprünglich Grunewald hieß) an der Ringbahn sowie

Grunewald an der Wetzlaer Bahn wurde das dadurch neu eingegrenzte Gebiet direkt mit demZentrum Berlins verbunden. Nachdem 1881 ein englisches Konsortium als Investor für denBau des Kurfürstendamms finanziell ausgeschöpft war und auch v. Carstenn nicht genügendGeld zur Verfügung hatte, um die so beschlossene Prachtstraße zu bauen, trat John Booth, der1882 durch Beziehungen zu Bismark weitere 200 ha am Kurfürstendamm pachten konnte, mitder Deutschen Bank in Verbindung. Diese übernahm seine Rechte und übertrug sie der neugegründeten Kurfürsten-Damm-Gesellschaft AG. Diese verpflichtete sich, den Ausbau desKurfürstendamm zu übernehmen -und erhielt für 2,9 Mio. Reichsmark als Gegenleistung ein234 ha großes Areal (1,20 RM/qm) zwischen Wetzlarer Bahn und Ringbahn zur Errichtungeines Villenviertels. Obwohl bereits 1886 der Bau des Kurfürstendamm abgeschlossen war,kam der Kaufvertrag aber erst am 31.10.1889 zustande, und es wurde noch im. selben Jahrmit der Errichtung des Villenviertels begonnen.

Phase 1

Bereits 1881 wurde damit begonnen das nun neu gewonnene Bebauungsgebiet Grunewaldzwischen den Bahntrassen der Wetzlarer Bahn und der Ringbahn trockenzulegen, wodurchneben dem natürlichen Halensee und Hundekehlensee, die künstlichen Hubertus-, Hertha-,Königs- und Dianasee entstanden. Als erste Straße wurde die Grunewald Allee (heutigeKoenigsallee) als Verbindungsstraße nach Potsdam in Verlängerung des Kurfürstendammangelegt. Bereits 1887 wurde im Zuge der Erschließungsmaßnahmen. für die dort neuentstehende Kolonie eine Dampfstraßenbahn in Betrieb genommen. Sie führte alsVerlängerung der Wilmersdorfer Dampfstraßenbahn vom Ende des Kurfürstendammesunabhängig vom zukünftigen Straßennetz durch das noch unbebaute Terrain bis in die Nähedes Hundekehleseefenns (heutige Hagenstraße). Anfänglich diente sie mit wenigenHaltestellen vor allem dem Ausflugsverkehr in den Grunewald, bis sie zur Ringbahnausgebaut und 1900 sogar elektrifiziert wurde. In das durch die oben genannten Maßnahmenveränderte Gebiet legte Regierungsbaurat Höhmann den von ihm entworfenen sternförmigenStraßenplan der Bismarkallee, Hubertusallee, Kunz-Buntschuh-Straße, Caspar-Theyßstraße,Lynarstraße und Herbertstraße an, die auf die groß angelegten Bismark- und Johannaplatz(120 in Durchmesser) zulaufen. Diese sind vom Landschaftsarchitekten Roer, genauso wiedie 12-2 1 in breiten Straßen und Alleen abwechslungsreich und anspruchsvoll mitverschiedenen Baumarten gestaltet worden. Diese Gegebenheiten schaffen ein gehobenesAmbiente für die Wohnhausbebauung und sollte den Charakter einer ländlichen Anlagewahren.

Anfänglich setzte die Kurfürstendammgesellschaft Prämien für die Grundstückserwerber aus,damit sie sofort mit dem Bau winterfester Häuser begannen. Es wurde befürchtet, daß reicheBerliner, für die die Grundstücke geplant waren, sich dort nur Sommerhäuser errichten, wassich wiederum negativ auf die Grundstückspreise ausgewirkt hätte. Dies stellte sich jedochschon bald als Irrtum heraus, so daß schon 1897 die letzte Parzelle verkauft war.

Schon als das Terrain verkauft wurde, hat die Kurfürstendamm-Gesellschaft bereits die Artder Bebauung durch Rahmenbedingungen in Form von eigenen Bau- undGestaltungsvorschriften, sowie der damals gültigen Bauordnung und dem Bebauungsplanfestgehalten. Der Bebauungsplan sah u.a. vor, daß es sich bei diesem Gebiet um dieBauklasse (BK) E (ab 1903 teilw. Bauklasse C) handelt. Aufgeschlüsselt bedeuten dieseVorschriften:

• Maximaler Bau von 2 Vollgeschossen, V2 Dachgeschoss und 3/4 Kellergeschoss alsständig bewohnter Raum (ab 1897 auch 3 Vollgeschosse ohne Dachausbau; ab 1907 bzw.1912 keine eigenständigen Wohnungen in Keller- oder Dachgeschoss).

• Die Häuser durften nicht höher als 15 in (BK C) / 12m (BK E) sein.• Maximal 3/10 Bebauung des Grundstücks (4/10 bei Eckgrundstücken) bzw.

Geschoßflächenzahl beträgt 0,3 (Geschoßflächenzahl-GFZ: das Verhältnis zwischenGeschoßfläche und Grundstücksfläche).

• Der Nachbarabstand sollte größer als 8 in sein.• Es durften maximal zwei Häuser aneinander gebaut werden.• Mindestens 4 in Abstand zur Straße (bzw. zur Bauflucht - also mindestens 4 in Vorgarten)• Die Straßenfrontlänge maximal 30 in (bei Doppelhäusern 40 in, ab 1907 32 in).• Allseitige Fassadenausbildung• Gesonderte Genehmigung der königlichen Forstverwaltung für öffentliche

Vergnügungslokale erforderlich.• Keine Gewerbebebauung- kleine Läden und Werkstätten können genehmigt werden.

Die übliche Bebauungsart für dieses Gebiet rund um den Johannaplatz stellen diemaßstabsprägenden, alleinstehenden Villen im Landhausstil auf großräumigen Grundstücken(zw. 1000 m' und 2000 qm) dar. Sie wurden mit zwei Vollgeschossen und einem hinter demGebäude liegendem Garten, sowie Räumen für die Bediensteten in Keller und Dachausgestattet. Es entstanden auch ähnliche Anwesen mit Doppelvillen für zwei Familien.Gleichzeitig wurden ebenfalls ähnliche Einfamilienhäuser ohne Personalräume auf kleinenGrundstücken errichtet. Vereinzelt wurden größere Mietshäuser im Landhausstil gebaut,wobei sich die komfortablen Wohnungen mit hohen Räumen vor allem im Hochparterre undin der ersten Etage befanden, während die kleineren Wohnungen im Keller- und Dachgeschoßuntergebracht wurden, in denen in der Regel Bedienstete (Gärtner, Diener, Köche, Pförtner,Kutscher, später Chauffeure usw.) der wohlhabenderen Familien teilweise illegal wohnten.Nur einige extravagante Villen (z.B. Mendelson) an den Seen hielten sich nicht an dievorgegebene Bebauungsstruktur.

Koenigsallee 53-55, Arch.: Ernst Ihne; um 1900; Villa von Carl Fürstenberg

Um die Illusion von Ländlichkeit und Naturnähe zu erhalten, sparten die Architekten nichtdaran, den damaligen Zeitgeschmack zu treffen: Baumerkmale wie Loggien und Veranden,Aussichtstürmchen, Terrassen, Giebel und Dachformen aller Art, Erker, Pergolen undmalerische Gestaltung der Fassaden unterstrichen noch den repräsentativen Charakter dieserEin- und Zweifamilienvillen.Auch Stilelemente wie abwechslungsreich gestaltete Villengärten mit großen Bäumen,Rasenflächen, Beeten, Treppen und Brunnen sowie dicht begrünten Vorgärten mitkunstvollen Zäunen trugen dazu bei, daß die Villen und der Wald eine schöne Einheitbildeten. So dauerte es nicht lange, daß die Villenkolonie Grunewald zu einem Viertel derabsoluten Oberschicht des Großbürgertums (Ärzte, Anwälte, Professoren, Künstler, Bankiers,hohe Beamte etc.) avancierte. Zur Jahrhundertwende zählt die Villenkolonie zu einer derfeinsten Wohngegenden Berlins, so daß auch der Johannaplatz als "einer der vornehmstenPunkte des neuen Terrains westlich der Seekette Hubertus-, Hertha-, Königs- und Dianasee"und als "eigentlicher Mittelpunkt im Kein der Kolonie" galt. (Quelle: Berliner Wohnquartiere- Ein ... ; Seite 33)

Aufgrund der gehobenen Gegend fand zwischen 1890 und 1918 eine schnelle Besiedlung derVillenkolonie Grunewald statt (siehe Liste 1). Es entstanden nahezu auf dem gesamtenBebauungsgebiet große, repräsentative Einzelvillen, Landhäuser und Mietvillen, die einegeringe Haus- und Einwohnerdichte aufwiesen und zur sogenannten "offenen Bauweise" (das heißt großzügiger Abstand zum Nachbargrundstück) gehörten. So wurde ab 1896 dasBebauungsgebiet immer weiter Richtung Süden ausgedehnt, da eine große Nachfragebestand, was auch die gigantische Terrainspekulation, an der sich sogar der Pfarrer beteiligthaben soll, erklärt, An dieser Erweiterungsmaßnahme war hauptsächlich die "NeueGrunewald Aktiengesellschaft" beteiligt. In diesem Zuge wurden auch die recht aufwendigenBrücken der Koenigs- und Bismarkallee errichtet, die den gestalterischen Anforderungen desdort vorherrschenden Baustils gerecht werden sollten.

Einer der Gründe für die schnelle Besiedlung war wahrscheinlich trotz der enorm schnellanwachsenden Grundstückspreise die ideale Lage zwischen Kurfürstendamm (Kultur),Halensee (Vergnügen / Lunapark) und Grunewald (Erholung). Vor allem aber trugen diehohen steuerlichen Vergünstigungen, die zustande kamen, weil der Grunewald noch bis 1920eigenständiger Landkreis im Kreis Teltow war und erst dann im Zuge der StadtgrenzreformStadtviertel von Berlin wurde, wesentlich dazu bei. Das zog natürlich die reichen,steuerkräftigen Bürger aus Berlin an, da sie dort z.B. nur 30-39% Steuerzuschlageinschließlich der Kreissteuer zahlten, während in Bezirken wie Charlottenburg oder Berlinschon ein 100%-iger Zuschlag der Staatseinkommenssteuer zur Kommunalsteuer erhobenwurde. So ließen sich in der Villenkolonie Grunewald unter anderem folgende anerkannteund reiche Bewohner nieder:

• der Bankier Felix Koenigs (erster Bewohner des Grunewaldviertels; Grunewald Allee 1;später nach ihm umbenannt in Koenigsallee

• der Schriftsteller Friedrich Dernburg (zweiter Bewohner des Grunewaldviertels;Herthastraße 15)

• die Opernsängerin Lilli Lehmann (Herbertstraße 20)• der Verleger Samuel Fischer (Erdener Straße 8)• der Bankier Robert von Mendelson

(23.000 qm großer Besitz am Herthasee; Herthastraße 1)• sowie sein Bruder Franz von Mendelson (Bismarkallee 23)• der Bankier Carl Fürstenberg (Koenigsallee 53-55)

• der Wirtschaftspolitiker und Sohn des AEG-Gründers Wather Rathenau (Koenigsallee 65)• die Bonhoeffer's (Wangenheimstraße 14)• die Delbrück's (Kunz-Buntschuh-Straße 4)• der Arzt Ferdinand Sauerbruch (Herthastraße 11)• der General Heinrich Himmler (Hagenstraße 22)• der Schriftsteller Gerhart Hauptmann (Hubertusallee 25)• der Regierungsbaumeister und Architekt Solf• die Dichterin Else Lasker-Schüler (Humboltstraße 13)• der Physiker Max Planck (Wagenheimstraße 21)• die Schriftstellerin Ingeborg Bachmann (Koenigsallee 53)• der Professor Dr. His (ab 1884 erster Rektor der Berliner Universität).

In dem Grunewaldviertel entstand eine eigene Gemeinschaft, da man sich untereinanderkannte, geschäftliche Beziehungen hatte oder gar verwandt war. Kontakt zu Gesellschaftenaußerhalb des Viertels entstanden selten; man lebte dort in einer eigenen Welt, wobei eineinterne Gruppenbildung enger befreundeter Kreise vorhanden war. Untereinander war dasVerhältnis sehr eng, man ging zusammen spazieren, besuchte gemeinsame Freunde und bliebdann oft bis in den Abend dort. Es fanden häufig Feste statt, auf denen man sich kennenlernteund ständig wiedersah, da man sich nahezu nur untereinander einlud. Aber durch dieseBallung von Geld und Wissen realisierten sich auch große Projekte, die anders nichtentstanden wären. Auch die Kinder kamen kaum aus diesem Viertel heraus, da siemiteinander spielten, von Privatlehrern oder befreundeten Künstlern. gemeinsam unterrichtetwurden oder eine der dort ansässigen Schulen besuchten. Die durch die Finanzwelt geprägteGesellschaft (s.o.) wurde durch die ebenfalls dort wohnenden Künstler aufgelockert. Viele derreichen Bewohner unterstützten diese mit Hilfe ihres Geldes und Einflusses, da die Künstlerim Vergleich meist wenig Geld hatten.

Ihnen wurden Gartenhäuser zur Verfügung gestellt, ihre Werke von ansässigen Verlegerngedruckt und Kunstausstellungen in einer der repräsentativen Villen veranstaltet. Überhauptwar die dortige Gemeinde sehr kunstinteressiert, so das dort in ihrer Zeit (ca. 1895-1935) dieKunst- und Kulturstile und -richtungen maßgebend und teilweise auch innovativ waren.Jedoch wurde auch diese Gemeinschaft mit zunehmendem Einfluß der Nationalsozialisten ausihrer kleinen Welt gerissen und am Ende sogar aufgelöst, da ein Großteil Juden waren. Schon1920 wurde das Grunewaldviertel durch den Generalstreik während des Kapp-Putsches völligvon Berlin abgeschnitten. Bereits 3. 4. 1921 wurde ein Handgranaten-Attentat auf die Villades Fabrikbesitzers Rudolf Schmitt in der Erdenerstraße 3 verübt. Am 24. 6. 1924 wurde dannWalther Rathenau in seinem offenen Wagen auf dem Weg zur Arbeit an der EckeKoenigsallee/Erdenerstraße, wo heute noch ein Denkmal daran erinnert, von einemRechtsradikalen erschossen, weil. er zum einen Jude war und zum anderen an denVerhandlungen zur vernünftigen. Erfüllung des Versailler Vertrags wesentlich beitrug. AchtTage später, am 3. 7. 1923 wurde Maximilian Harden vor seinem Haus in der Wernerstraßeebenfalls Opfer eines rechtsradikalen Attentats, überlebte aber schwer verletzt. In derReichsprogromnacht am 9. 11. 1938 wird auch die erst 1923 eingeweihte Synagoge in derFranzesbadenerstraße 7-8 ein Opfer der Flammen.

Aufgrund der exklusiven Bevölkerungsgruppe haben auch namhafte Architekten wie zumBeispiel Ernst von Ihne (baute für Fürstenberg und Mendelson, entwarf aber auch andereöffentliche Prunksäle wie der Marstall) und Wemer Düttmann (baute in der Bismarkallee 21a) sich die Ehre gegeben, dort zu bauen. Aber auch andere Architekten wurden engagiert, umdie einzelnen Vorstellungen der reichen Oberschicht zu verwirklichen, was dazu führte, daß

viele individuelle Gebäudegestaltungen entstanden, was auch heute noch dieses Wohngebietpositiv hervorhebt.

Das Gebiet war also hauptsächlich von privaten Einrichtungen geprägt; einige größereAusnahmen machten die 1891 eröffnete Postagentur in der Herthastraße 16, die 1896entstandene Mädchenschule (ab 1897 Sitz in der Lassenstraße, heutigesHildegard-Wegscheider-Gymnasium), die 1899 entstandene Grunewald-Grundschule in derDelbrückstraße und das 1902 entstandene Walther-Rathenau-Gymnasium in derHerbertstraße. Infrastrukturell bleibt noch zu erwähnen, das dieses Wohngebiet Grunewalderst 1907 an das städtische Versorgungsnetz mit Gas, Wasser, Elektrizität undAbwasserkanalisation angebunden und 19 10 die erste Autobuslinie vom Zeughaus zumBahnhof Grunewald als "Luxusautomobilbetrieb" für die besseren Kreise im Grunewaldeingerichtet wurde.

Phase 2

Erst ab 1918 begann eine langsamere Bebauung noch freier, zumeist kleinerer Parzellen undes wurden schon erste Abteilungen bzw. Abtrennungen von besonders großen Grundstückenvorgenommen, so daß eine Zunahme der Bebauungsdichte aufgrund der immer noch hohenNachfrage stattfand. Die Folgen dieser Entwicklung waren steigenden Grundstückspreise, dieaber von den meist wohlhabenden Käufern bereitwillig gezahlt wurden, um an einer "gutenAdresse" zu wohnen, sowie eine Verdichtung von Versorgungs- und Dienstleistungs-einrichtungen ("gewerbliche Störung"). So siedelten sich z.B. einige handwerkliche Betriebeam östlichen Rand im Bereich der Ringbahn an.In den zwanziger und dreißiger Jahren erfolgten weitere Erschließungen als Bauland fürVillen,weil die bisherigen Flächen zu dieser Zeit schon weitgehend bebaut waren. So wurde dasGebiet südlich des heutigen Rosenecks um den Messelpark freigegeben sowie die bisher alsForstdienstacker genutzte Fläche zwischen der Bismarkallee und der Menzelstraße mit Hilfeder Tauberstaße erschlossen.Der 193 8 von Albert Speer erstellte "Interessensplan des Generalbauinspektors für dieReichshauptstadt Germania" sah zwar durch den Bau eines mehrspurigen StadtringsVeränderungen vor, die aber nie durchgeführt wurden. Das einzige Relikt desNationalsozialismus ist das 1936-38 errichtete Verwaltungsgebäude für denReichsarbeitsdienst, heute als Umweltbundesamt genutzt, auf dem damals fast unbebautenBlock zwischen Caspar-Theyß- und Schinkelstraße am Bismarkplatz. Dieses Bauwerk fälltauf, da es sich weder in seiner Dimension und seinem Stil, noch in seiner Funktion derGegendanpaßt und daher bis heute als Fremdkörper wirkt.Als im 2. Weltkrieg circa 25 % der Villen zerstört wurden, wurden die frei gewordenenFlächen zur Neubebauung durch zeitgemäße Häuser der jeweiligen Epoche genutzt, wasabermals zu einer Verdichtung der Bebauung und der Bevölkerung und zu einer starkenVermischung der Baustile führte.

Man kann also sagen, daß zwischen 1920 und 1975 eine verdichtende Bebauung und eineZunahme von Neubauten stattfand, was an dem Beispiel Winkler Straße 10 gut zu erkennenist, denn auch hier kam es zu einem Umbau.Zitat:" Dieses Haus wurde 1901 von den damals recht bekannten Architekten Hermann Solfund Franz Wichards für einen Stahlbauunternehmer, den Königlichen Kommerzienrat ErnstNölle sehr repräsentativ im Stile der deutschen Renaissance mit einigen durch denaufkommenden Jugendstil angeregten Freiheiten aus Muschelkalksteinquadern, vielen Erkernund Türmchen als zweigeschossige Einfamilienvilla errichtet.Die Aufteilung in je ein Wohn- und Schlafgeschoß, die durch eine zweigeschossigeEingangshalle verbunden waren, entsprach schon lange nicht mehr neueren Anforderungen.1936 wurde dieses Haus umgebaut.Durch diesen Umbau in ein Mehrfamilienhaus entstanden sechs Wohnungen - drei in jedemGeschoß - von je 100 bis 150 qm. Die große Eingangshalle wurde so verändert, daß sie jetztdas Treppenhaus für die vier Wohnungen der Hauptgeschosse enthält. Der ehemaligeWirtschaftsaufgang erschließt zwei weitere Wohnungen, bietet zwei der anderen Wohnungeneinen zweiten Eingang und verbindet das ganze Haus." (siehe Anhang)(Quelle: Die Berliner Villenviertel. In: Bauwelt Heft 5, Berlin 1974)

Winkler Straße 10, Architekten: Hermann Solf und Franz Wichards

Die Zahl der Einwohner und Haushalte steigt rapide, Neubauten werden neben vorhandenenGebäuden errichtet und es entwickelt sich eine Verringerung der Freiflächen und Bäume, alsauch eine Abnahme der Wohnqualität, vor allem durch die Verkleinerung der einzelnenWohnungen und der Häufung der Wohneinheiten pro Haus oder Grundstück bedingt. DerGrund für diese Entwicklung liegt in der veränderten Kapitalstruktur der Gesellschaft. DieGroßverdiener, die sich die großen Villen mit ihrem Personal und den Folgekosten leistenkönnen, gibt es durch die zwei Weltkriege nicht mehr. Die Einfamilienhäuser, teilweise alsDoppelhäuser ausgebildet, sowie die Mietsvillen erhalten zunehmend mehr Bedeutung, da sieeher dem Einkommensstand der Gesellschaft entsprechen. Beispiele sind unter anderem:

Bismarkallee:

Bismarkallee, Architekt: Werner Düttmann

Hertastraße:

Herthastr. 1, Arch.: Ernst Ihne, um 1900; Mendelson's Pförtnerhaus (heute Mehrfamilienhaus)

Lynarstraße/ Ecke Johannaplatz:

Ab ungefähr 1960 wurden einige durch Privatinvestoren kommerziell finanzierteWohngroßbauten (teilweise als Sozialbauten) errichtet, welche stark von dem bis dahinvorrangigen Baustil Dimension, Materialität und Gestaltung abwichen.

Beispiele hierfür sind:

• Altenwohnheim am Herthasee (Bismarkallee / Ecke Herthastraße)

• Bungalowsiedlung am Johannaplatz (zwischen Herbertstraße und Lynarstraße)

So entstanden typische Entwicklungsprobleme, die drohten, den Charakter des VillenviertelsGrunewald durch Grundstücksteilung, Bau von Eigentumswohnanlagen, stärkere Mischungvon Wohn- und Gewerbenutzung (Verwaltungseinrichtungen) und Verkleinerung derFreiräume und Pflanzenbewuchs stark zu verändern.

Fazit

Die Stadtentwicklungsplanung versucht heute, der Bewegung Einhalt zu gebieten und denGebietscharakter zu sichern, indem neue Richtlinien bezüglich der Bebauung festgelegtwurden:

• Wohngebiet mit landschaftlicher Prägung und einer mittleren Geschoßflächenzahl( GFZ = das Verhältnis zwischen Geschoßfläche und Grundstücksfläche) bis maximal 0,4(40 % der Grundstücksfläche dürfen maximal bebaut werden)

• überwiegend Einzel- und Doppelhäuser in offener Bauweise• Ein- bis Zweigeschossige Bauten• Erhalt einer typischen, das Siedlungsbild prägenden Vegetation

So wird versucht, Neubaumaßnahmen an den vorhandenen Qualitäten zu orientieren.

Die Villenkolonie Grunewald kann also zusammenfassend durch folgende Punktebeschrieben werden:

Generell läßt sich sagen, daß auch in diesem Vorort ein suburbanes Leben vorherrscht, waslängerfristig betrachtet eine Gefahr für die Kernstädte darstellt, da es die Bevölkerungimmer mehr in das Umland bzw. die Vororte zieht.Es gibt sehr differenzierte Lagen; die guten Lagen befinden sich an den künstlichangelegten Hubertus-, Hertha-, Königs- und Dianasee.Das Terrain ist hauptsächlich mit freistehenden Landhäusern (englischer Stil) undfreistehenden Villen bebaut.Es zählt zu den Villenvorstädten für das wohlhabende und reiche Bürgertum außerhalb desS-Bahn-Rings.Das Gebiet wurde finanziert durch private Bodenspekulanten.Es bildet einen Gegensatz zur Mietskasernenbebauung und zählt zu den strukturellunabhängigen Vororten.innerhalb der Villenkolonie Grunewald gibt es unterschiedlich gute Lagen, diegekennzeichnet sind durch unterschiedlich große Grundstücke.

Epilog

Abschließend läßt sich noch hinzufügen, daß - wie Charlotte Pape gesagt hat - " der Ortsteil.Grunewald noch immer zu den Besten Wohnlagen gehört und in seiner besonderen Prägungfür Berlin einzigartig ist, wenn auch die Einheit von baulicher Repräsentation undgesellschaftlicher Exklusivität der Vergangenheit angehört."( Quelle: Berliner Wohnquartiere - Ein Führer durch 60 Siedlungen in Ost und West S.36)

Anhang

Liste 1 Einwohnerentwicklung 1890 - 1930

1890 368 Personen1892 600 Personen (71 Villen, 31 im Bau, 545 Parzellenbesitzer)1895 1371 Personen1899 2684 Personen (246 Villen)1900 3230 Personen1905 4574 Personen1910 5563 Personen1919 6448 Personen1925 9503 Personen

1930 11312 Personen

Zum Vergleich.1987 501 Personen (ca. 55Ew/ha)(Quelle: Kopien von Prof. Bodenschatz, S. 110)

Literaturverzeichnis

A) Quellenangaben/Anmerkungen

• Maria Berning / Michael Braum / Engelbert Lütke Daldrup / Klaus-Dieter Schulz:Berliner Wohnquartiere - Ein Führer durch 60 Siedlungen in Ost und West.2. überarbeitete und erweiterte Aufl., Reimer Verlag, Berlin 1994

• Helge Gläser / Karl-Heinz Metzger u.a.: 100 Jahre Villenkolonie Grunewald 1889 - 1989.Wilhelm Möller KG-Verlag, Berlin 1988

• Karl-Heinz Metzger / Ulrich Dunker: Der Kurfürstendamm - Leben und Mythos desBoulevards in 100 Jahren deutscher Geschichte. Konopka-Verlag, Berlin 19 8 6

• H. Engel: Die Berliner Villenviertel. In: Bauwelt Heft 5, Berlin 1974• Kopien von Pro£ Bodenschatz, S. 110

B) Weiterführende Literatur

Berlin und seine Bauten, Teil IV: Wohnungsbau, Band A: Die Voraussetzung. DieEntwicklung der Wohngebiete, Berlin-München-Düsseldorf 1970Berlin und seine Bauten, Teil IV: Wohnungsbau, Band C: Die Wohngebäude -Einfamilienhäuser. Individuell geplante Einfamilienhäuser. Die Hausgärten, BerlinMünchen-Düsseldorf 1975

• Die Berliner Vororte. Ein Handbuch für Haus- und Grundstückskäufer, Baulustige,Wohnungssuchende, Grundstücksbesitzer, Vorortbewohner, Terraingesellschaften,Hypothekenverleiher, Architekten usw., Berlin 1908

• Franke: Die Zukunft der Villenkolonie Grunewald, in: Grunewald-Echo,Jubiläumsnummer 1929, Berlin 1929

• Grunewald-Chronik hrsg. Von der Grunewald-Grundschule anläßlich des 75jährigenJubiläums 1974, Berlin 1974

• Grunewald-Echo. 25 Jahre Grunewald-Echo 1899-1924, Jubiläumsnummer 1924, Berlin1924

• Grunewald-Echo. 30 Jahre Grunewald-Echo 1899-1929, Jubiläumsnummer 1929, Berlin1929

• Hannemann, Adolf. Der Kreis Teltow, seine Geschichte, seine Verwaltung, seineEntwicklung und seine Einrichtungen, Berlin 1931

• Haupt, G.: Vom Fenn zur Luxuskolonie, in: Vossische Zeitung vom 6.3.1927• Hessling, Egon: Die Villenkolonie Grunewald. Fassaden, Innenräume, Detail und

Grundrisse der interessantesten in der Landgemeinde Grunewald aufgeführten Villen.Serie 1-III, Berlin - New-York (1899-1900)

• Kallähne, Günther: Geheimnisse der Grunewald-Paläste. Tatsachenberichte, in: TelegraphNr. 227 (29.9.1957) - 263 (10.11.1957)

• Lieberknecht, Rolf / Metzger, Karl-Heinz u.a.: Von der Wilhelmsaua zur Carstenn-Figur.120 Jahre Stadtentwicklung in Wilmersdorf, hrsg. vom Bezirksamt Wilmersdorf vonBerlin, Berlin 1987

• Milferstädt, Reinhard: Die Villenkolonie Grunewald. Entstehung und Entwicklung einesgroßbürgerlichen Wohnquartiers im 19.Jahrhundert, TU Braunschweig

• Reiche, Heinz: Bismark und die Kolonie Grunewald, in: Die Alte Schule 96 (19 8 1)• Röhrbein, Richard: Bauen und Wohnen im Grunewald, in: Die Mehrfamilienvilla als

Bautyp. Vier neue Häuser in Grunewald, Berlin 1983• Siebert, Herbert: Berlin-Grunewald. Ein Heimatbuch; Berlin 1930• Wollschläger, Paul: Wilmersdorf in alter und neuer Zeit, Berlin 1968

C) Abbildungsnachweis

Titel des Buches Seite

Der Kurfürstendamm - Leben und 16Mythos des Boulevards in 100deutscher Geschichte

100 Jahre Villenkolonie Grunewald 451889-1989

H. Engel: Die Berliner Villenviertel.In: Bauwelt Heft 5, Berlin 1974,Winkler Straße 10