200
Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Mag. rer.soc.oec. im Diplomstudium Wirtschaftspädagogik an der Johannes Kepler Universität Linz Wie moralisch ist COOL? Welchen Beitrag leistet COoperatives Offenes Lernen zur Entwick- lung moralischer Urteilsfähigkeit? Ein Versuch zur Messung des Status quo sozialer Kompetenz. „Die Aufeinanderfolge der Generationen und die Notwendigkeit, die Kinder moralische Gesinnungen (wenn auch noch so einfache) zu lehren, ist ein Grundverhältnis des menschlichen Lebens.“ (John Rawls 1990, S. 503) eingereicht von Christoph Helm Matr.-Nr. 0456128 am Institut für Pädagogik und Psychologie Johannes Kepler Universität Linz Begutachter: o. Univ.-Prof. Dr. Herbert Altrichter Linz, im Oktober 2009

Wie moralisch ist COOL? - Edumetrics · Bereits bei der Erstellung der Arbeit für dieses Seminar unterstützte mich Prof. Lind (Schöpfer der KMDD) mit diversen Unterlagen, verwies

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Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Mag. rer.soc.oec.

im Diplomstudium Wirtschaftspädagogik

an der Johannes Kepler Universität Linz

Wie moralisch ist COOL? Welchen Beitrag leistet COoperatives Offenes Lernen zur Entwick-

lung moralischer Urteilsfähigkeit? Ein Versuch zur Messung des

Status quo sozialer Kompetenz.

„Die Aufeinanderfolge der Generationen und die Notwendigkeit, die Kinder

moralische Gesinnungen (wenn auch noch so einfache) zu lehren, ist ein

Grundverhältnis des menschlichen Lebens.“ (John Rawls 1990, S. 503)

eingereicht von

Christoph Helm

Matr.-Nr. 0456128

am Institut für Pädagogik und Psychologie

Johannes Kepler Universität Linz

Begutachter:

o. Univ.-Prof. Dr. Herbert Altrichter

Linz, im Oktober 2009

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I

Konstanzer Methode der Dilemma-Diskussion

Abbildung 1: KMDD-Seminar an der Universität Konstanz im Oktober 2008 (Photo: Lind)

Wie alles Begann… Im Sommersemester 2008 hatte ich die Gelegenheit an der Johannes

Kepler Universität Linz ein Seminar zu besuchen, bei dem es um die Konstruktion von

Lernaufgaben ging, die nicht nur den kognitiven, sondern auch den affektiven Bereich an-

sprechen. Dabei stieß ich auf die Konstanzer Methode der Dilemma-Diskussion (KMDD1).

Bereits bei der Erstellung der Arbeit für dieses Seminar unterstützte mich Prof. Lind

(Schöpfer der KMDD) mit diversen Unterlagen, verwies jedoch gleichzeitig auf die

KMDD-Lehrerausbildung, die er an der Universität Konstanz (Deutschland) anbietet. Im

Herbst darauf entschloss ich mich an dieser teilzunehmen. Im Zentrum der Lehrerfortbil-

dung stand die KMDD als Unterrichtsmaßnahme zur Förderung moralischer Urteilsfähig-

keit. Lind zeigte aber auch, dass ohne Einsatz der KMDD im Unterricht eine, die morali-

sche Urteilsfähigkeit fördernde Atmosphäre geschaffen werden kann. Nämlich dann, wenn

Unterricht u.a. schülerzentriert und offen gestaltet ist. Sofort kam mir die Idee, dass COOL

(COoperatives Offenes Lernen) an den österreichischen berufsbildenden höheren Schulen

genau diese Voraussetzung erfüllt und deren Schüler/innen daher davon in moralischer

Hinsicht profitieren müssten!? Damit war auch schon die Forschungsfrage der vorliegen-

den Arbeit geboren.

1 Für eine ausführliche Beschreibung siehe Kapitel 11.

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II

Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre an Eides Statt, dass ich die Diplomarbeit mit dem Titel „Wie moralisch ist

COOL? Welchen Beitrag leistet COoperatives Offenes Lernen zur Entwicklung morali-

scher Urteilsfähigkeit? Ein Versuch zur Messung des Status quo sozialer Kompetenz.“

selbständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und

Hilfsmittel nicht benutzt und alle den benutzten Quellen wörtlich oder sinngemäß ent-

nommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

..............................................

Linz, im Oktober 2009 Christoph Helm

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III

Danksagung

Mein Dank gilt

... meiner Familie dafür, dass sie mir stets zur Seite steht und mich in schwierigen Zei-

ten unterstützt.

... insbesondere meinen Eltern, die mein Studium finanziert und somit erst ermöglicht

haben.

... Herrn o. Univ.-Prof. Dr. Herbert Altrichter für seine inhaltlich und methodisch her-

vorragende Unterstützung und Begleitung bei der Erstellung meiner Diplomarbeit.

... den drei Schulen, die sich zur Zusammenarbeit bereit erklärt und somit den empiri-

schen Teil meiner Arbeit ermöglicht haben sowie den Schüler/innen, die an vorlie-

gender Untersuchung mitgewirkt haben. Insbesondere danke ich Herrn Mag. Neu-

hauser, Frau Mag.a Birklbauer und Dir. Mag. Derflinger sowie Frau Mag.a Schöppl-

Zillner die mir an den jeweiligen Schulen als Kontaktpersonen zur Verfügung stan-

den.

... Herrn Mag. Neuhauser und Frau Mag.a Wittwer vom Impulszenturm für COoperati-

ves Offenes Lernen in Steyr sowie Frau Mag.a Wimmer (JKU) für die Gespräche und

die Unterstützung bei der Suche nach Partnerschulen.

... allen Lehrerinnen und Lehrern, die mir ihre Unterrichtseinheiten für die Durchfüh-

rung der Untersuchung zur Verfügung stellten.

... Herrn o. Univ-Prof. Dr. Georg Lind für die zur Verfügung Stellung des „Moralisches

Urteil-Test“ sowie für die Beantwortung vieler Fragen zum Thema meiner Diplom-

arbeit.

… der Firma SKF Österreich AG für ihre finanzielle Unterstützung.

... den wertvollen Korrekturleser/innen.

... all jenen Menschen, die zur Entstehung meiner Diplomarbeit beigetragen haben, hier

aber nicht namentlich erwähnt werden.

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IV

Inhaltsverzeichnis

Konstanzer Methode der Dilemma-Diskussion ..................................................................... I Eidesstattliche Erklärung ...................................................................................................... II Danksagung..........................................................................................................................III Inhaltsverzeichnis................................................................................................................ IV Abbildungsverzeichnis........................................................................................................ VI Tabellenverzeichnis............................................................................................................ VII Abkürzungsverzeichnis .....................................................................................................VIII

1 Einleitung.....................................................................................................................1

1.1 Problemstellung und Leitfrage...............................................................................2

1.2 Forschungsstand und Quellenlage .........................................................................4

2 Moral ............................................................................................................................6

2.1 Etymologische Einleitung ......................................................................................6

2.2 Moralphilosophische Beiträge von Kant und Rawls..............................................7

2.3 Abstufungen der Moral nach Kant, Rawls und Kohlberg....................................10

2.4 Die Kohlbergstufen moralischen Urteilens – Ein Modell nach Piaget ................13

2.4.1 Welche Idee steckt hinter den Entwicklungsstufen nach Kohlberg? ...........13

2.4.2 Stufen der Entwicklung des moralischen Urteilens .....................................18

3 Moralische Urteilsfähigkeit ......................................................................................20

4 Moralerziehung in der Schule – Eine sokratisch-klassische Forderung?...........24

5 Demokratische Moral im Unterricht – Eine Forderung des Lehrplans? ...........29

6 Forschungsdesign – Methodologie einer quantitativen Untersuchung................35

6.1 Die Prüfung von Hypothesen als einleitende Problemstellung............................35

6.2 Forschungsfrage der Untersuchung......................................................................37

6.3 Die Auswirkungen der zeitlichen Begrenzung einer Diplomarbeit .....................38

6.4 Die quasi-experimentelle Untersuchung als einzig mögliches Design? ..............40

6.5 Die unabhängige Variable „COOL“ und die abhängige Variable „MUT“..........41

6.6 Spezifische Drittvariablen, die die „Bildungstheorie“ nahe legt .........................41

6.6.1 Wie entwickelt sich moralische Urteilsfähigkeit? – Mögliche Variablen ...42

6.6.2 Grafische Übersicht und Zusammenfassung der Variablen.........................49

6.7 Teilnehmer/innen der Untersuchung und ihre Durchführung..............................50

7 Die abhängige Variable „moralische Urteilsfähigkeit“ .........................................54

7.1 Validität 1: Wie misst der MUT moralische Urteilsfähigkeit? ............................55

7.1.1 Intentionen und Grundgedanken des MUT..................................................55

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V

7.1.2 Der C-Wert basierend auf dem Dual-Aspekt-Modell ..................................58

7.2 Validität 2: Ist der MUT für die Untersuchungsgruppe geeignet?.......................61

8 Die unabhängige Variable „COOL“ .......................................................................67

8.1 Moralerziehung im Unterricht – Eine theoriegeleitete Diskussion......................67

8.1.1 Eine erste Gegenüberstellung: Just-community Ansatz und COOL............68

8.1.1.1 Der Just-community Ansatz.....................................................................68

8.1.1.2 Was ist COOL (COoperatives Offenes Lernen)?.....................................75

8.1.2 Eine zweite Gegenüberstellung: COOL und Entwicklungsdimensionen. ...79

8.2 Moralerziehung im Unterricht – Eine empiriegeleitete Diskussion.....................85

8.2.1 Evaluationsergebnisse zu COOL mit Fokus auf soziale Kompetenz...........86

8.2.2 Ergebnisse der Just-community und der KMDD.........................................91

8.2.3 Zu welchen Ergebnissen kommt die vorliegende Untersuchung? ...............93

8.2.3.1 Die Ausprägungsproblematik von COOL................................................96

8.2.3.2 Die Lösung der Ausprägungsproblematik von COOL ............................98

9 Intervenierende Variablen .....................................................................................102

9.1 Kognitive Fähigkeiten: IQ und Schulnote..........................................................102

9.2 Soziobiografische Dimensionen nach Lempert .................................................107

9.3 Soziale Schicht ...................................................................................................113

9.4 Alter und Schulstufe...........................................................................................117

9.5 Geschlecht: Die weibliche Stimme ....................................................................121

9.6 Religion..............................................................................................................126

9.7 Sonstige intervenierende Variablen ...................................................................128

9.8 Eine zusammenfassende Varianzanalyse...........................................................130

10 Moralische Urteils- und Handlungsfähigkeit .......................................................132

10.1 Theoretischer Ansatz von Kohlberg & Candee .................................................132

10.2 Das Unterschlagungsexperiment von Krebs & Rosenwald ...............................134

10.3 Ergebnisse des Experimentes der vorliegenden Untersuchung .........................137

11 Rückblick und Ausblick – eine kritische Reflexion .............................................138

Literaturverzeichnis.........................................................................................................148

Anhang ..............................................................................................................................158

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VI

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: KMDD-Seminar an der Uni Konstanz im Oktober 2008 (Photo: Lind)..... I

Abbildung 2: Zusammenhänge untersuchter Variablen..................................................49

Abbildung 3: Präferenzhierarchie ...................................................................................62

Abbildung 4: Moralische Orientierung (MUT) in Abhängigkeit vom Alter. .................62

Abbildung 5: Quasi-Simplex-Struktur ............................................................................63

Abbildung 6: Kognitiver und affektiver Aspekt verlaufen parallel ................................64

Abbildung 7: Argumente-Äquivalenz .............................................................................65

Abbildung 8: Effektstärken von KMDD-Seminaren und offener Didaktik ....................92

Abbildung 9: Verteilung des C-Wertes in der Stichprobe nach Unterrichtstyp..............94

Abbildung 10: Verteilung des C-Wertes in der Studie von Hettinger (2009)...................95

Abbildung 11: C-Mittelwerte gegliedert nach Schulen und Jahrgängen ..........................95

Abbildung 12: Moralische Urteilsfähigkeit und Mathematik- sowie Deutschnoten.......104

Abbildung 13: Moralische Urteilsfähigkeit und Noten...................................................105

Abbildung 14: Selbsteinschätzung der Entwicklungsbedingungen ................................109

Abbildung 15: Rollenübernahme und soziale Schicht ....................................................116

Abbildung 16: Moralische Urteilsfähigkeit in Abhängigkeit von Alter und Schulart

bei Jugendlichen von 14 bis 21 Jahren....................................................118

Abbildung 17: MUT/s-Werte und Alter sowie Schulstufe..............................................119

Abbildung 18: Präferenzordnung der Kohlbergstufen nach dem Geschlecht.................124

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VII

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Abstufungen der Moral ...................................................................................13

Tabelle 2: Zusammenfassende Beschreibung der Stufen des moralischen Urteilens ......19

Tabelle 3: Design einer Interventionsevaluation..............................................................40

Tabelle 4: Stichprobe .......................................................................................................51

Tabelle 5: Gegenüberstellung: Just-community und COOL............................................78

Tabelle 6: Soziale Bedingungen der Entwicklung moralischer Urteilsfähigkeit –

Versuch einer Systematisierung......................................................................80

Tabelle 7: Effektstärken von Interventionen zur Förderung von moralischer

Urteilsfähigkeit................................................................................................92

Tabelle 8: Elemente des COOL-Konzepts .......................................................................97

Tabelle 9: Faktorenanalyse der 20 COOL-Fragen ...........................................................99

Tabelle 10: Korrelationen zwischen MUT/s und den erhobenen Schulnoten..................105

Tabelle 11: T-Test des MUT/s-Mittelwerts bei den beiden Probandengruppen

“mit und ohne Vereinsmitgliedschaft“..........................................................112

Tabelle 12: Schichtzuweisung..........................................................................................114

Tabelle 13: Soziale Schicht der Eltern und der WAS ......................................................115

Tabelle 14: Durchschnittliche C-Werte je sozialer Schicht .............................................115

Tabelle 15: T-Test der C-Mittelwerte der Geschlechter ..................................................125

Tabelle 16: Zusammenfassende Varianzanalyse..............................................................130

Tabelle 17: Ergebnisdarstellung des Unterschlagungsexperiments von

Krebs & Rosenwald ......................................................................................136

Tabelle 18: T-Test der MUT/s-Mittelwertunterschiede der Unterschlagungs- und

Kooperationsgruppe ......................................................................................137

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VIII

Abkürzungsverzeichnis

a.a.O. am angegebenen Ort

AHS allgemeinbildende höhere Schule

Änd. d. Verf. Änderung des Verfassers

Anm. d. Verf. Anmerkung des Verfassers

Bd. Band

BHS berufsbildende höhere Schule

bspw. beispielsweise

bzgl. bezüglich

bzw. beziehungsweise

COOL COoperatives Offenes Lernen

C-Wert/C-Score Wert des Moralisches Urteil-Tests bzw. des MUT/s

d. Verf. durch Verfasser

d.h. das heißt

DES Demokratie und Erziehung in der Schule

ebd. ebenda

etc. et cetera

f. folgend

ff. fortfolgend

HAK Handelsakademie

Herv. d. Verf. Hervorhebung(en) durch Verfasser

Herv. i. Orig. Hervorhebung(en) im Original

HLW Höhere Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe

HS Hauptschule

i.e. id est, mit anderen Worten

IQ Intelligenz Quotient

JC Just-community

Kap. Kapitel

KMDD Konstanzer Methode der Dilemma-Diskussion

Life Lernen in Freiheit und Eigenverantwortung

lt. laut, gemäß

m.E. meines Ermessens

Mag.(a) Magister/Magistra

MUT Moralisches Urteil-Test

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IX

MUT/s adaptierte Schülerversion des Moralisches Urteil-Test

NonCOOL Kontrollgruppe, Klassen in denen kein COOL-Unterricht stattfindet

o.a. oder anderes

o.J. ohne Jahr

o.S. ohne Seite

OLE Offenes Lernen

ORIGIN/s Opportunities for role-taking and guided reflection in school

Prof. Professor

S. Seite

sic! Fehler im Original

soz. sozial(e)

Tab. Tabelle

u. und

u.a. und andere(s)/unter anderem

u.ä. und ähnliches

u.U. unter Umständen

unver. unveröffentlicht

usw. und so weiter

vgl. vergleiche

z.B. zum Beispiel

zit. nach zitiert nach

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Einleitung

1

1 Einleitung

Moral und Demokratie im Unterricht! – Eine zweifellos wünschenswerte Forderung. Aber

auch eine, in der Praxis oft unreflektierte, beiseite geschobene. Einleitend soll dieses Pos-

tulat auf seine Bedeutung in der Erziehung reflektiert werden. Darauf aufbauend wird die

Fragestellung dieser Arbeit skizziert.

„Demokratische Gesellschaften leben vom Engagement mündiger, politisch urteils- und

handlungsfähiger Bürgerinnen und Bürger. Eine der wichtigsten Aufgaben von Schule,

wenn nicht die wichtigste überhaupt ist es deshalb, Kinder und Jugendliche auf das Leben

in einem demokratisch verfassten Gemeinwesen vorzubereiten.“ (Steffens & Bargel 1993,

Einbandrücken) So heißt schon die in Platons Politeia (544d) oft zitierte Frage: „Oder

glaubst du, eine Verfassung entspringe aus einer Eiche oder einem Felsen, [e] nicht aber

aus den Charakteren im Staat, die wie das Gewicht auf der Waage alles nach sich herzie-

hen?“ Ein weiteres Postulat für moralisch-demokratische Erziehung findet sich bei Kant:

„so ist der e w i g e F r i e d e (…) keine leere Idee, sondern eine Aufgabe“ (Kant

1987/1781, S. 56, Herv. i. Orig.), worauf Klafki (1993, S. 28 f.) hinzufügt: „zweifellos

auch eine Aufgabe kognitiver moralischer Bildung“. Die Liste dieser Forderungen nach

einer Erziehung des Menschen zu einem mündigen (im Sinne der Aufklärung), moralisch-

demokratisch denkenden ließe sich beliebig fortsetzen. Vor allem die deutsche Klassik

(Lessing, Herder, Schiller, Humboldt, Goethe, Pestalozzi, Kant, Herbart u.a. um nur einige

zu nennen) spielt nach Klafki (1993, S. 15ff.) eine fundamentale Rolle.

So alt diese Forderung ist – sie ist so alt wie die Philosophie selbst: Ob Moral lehrbar ist,

wird schon in Platon`s Dialog zwischen Menon und Sokrates gefragt (rund 350 vor Chris-

tus) – so brand aktuell ist sie meiner Meinung, nach wie vor! Beispielsweise kritisiert der

deutsche Bundespräsident Horst Köhler am 13. Oktober 2008 in einer Stellungnahme zur

weltweiten Finanzkrise, als Antwort auf die Frage, ob zu viele „Nieten“ unter den Bankern

seien? „Wichtiger ist die Erkenntnis: Der Markt braucht auch Moral. Da war eine Menge

Unaufmerksamkeit, Selbstzufriedenheit, Zynismus. (…) Viele von den Finanzakrobaten,

die jetzt alt aussehen, haben trotzdem ausgesorgt. Aber die Menschen, die in der Folge der

Konjunktureintrübung vielleicht sogar ihren Arbeitsplatz verlieren, die sind doch viel här-

ter getroffen. Dafür brauchen wir klares Verantwortungsbewusstsein. Es kann nicht sein,

dass wir einfach sagen: Keiner kümmert sich mehr um den anderen, jeder ist sich nur noch

selbst am nächsten. Wir müssen uns weiter als Gemeinschaft begreifen.“ (Köhler im Inter-

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Einleitung

2

view mit dem Spiegel 2008) Auch der Wiener Sozialethiker Klaus Gabriel stößt in dieselbe

Richtung, wenn er im Ö1-Mittagsjornal zur Finanzkrise meint: „Es ist eine neoliberale

Sichtweise, dass der Markt moralisch nicht relevant ist. Ökonomie war immer eingebettet

in gesamtgesellschaftliche Fragestellungen. Das Herauslösen der Ökonomie ist aber nicht

gerechtfertigt. Es gibt keinen Grund, warum man sagen sollte, die Ökonomie darf außer-

halb aller moralischen Regeln agieren.“ (Gabriel im Interview mit Ö1) Es sei an dieser

Stelle nochmals auf das oben erwähnte Zitat von Platon verwiesen, das sicherlich auch auf

den Finanzmarkt analog anzuwenden ist. Denn auch dieser erwächst nicht aus der Eiche

oder aus dem Felsen, sondern ist getragen von menschlichen Entscheidungen und Hand-

lungen. Mit anderen Worten: Auch der Finanzmarkt ist ein Werk des Menschen, jener

Menschen, die es u.a. auch durch pädagogisches Handeln zum moralisch urteilsfähigen

Menschen zu erziehen gilt. Es ließe sich eine Vielzahl weiterer aktueller Beispiele (etwa

verschiedenste Umwelt- und Energiethemen, Probleme der dritten Welt, Kriege, Terroris-

mus etc.) finden, die verdeutlichen warum moralische Erziehung nach wie vor ein zentrales

Thema unterrichtlicher Handlungen sein sollte. Auch sei auf das Zitat von John Rawls am

Deckblatt dieser Arbeit verwiesen, das die Moralerziehung als eine zu lösende Aufgabe

ansieht, die jeder Generationenwechsel hervorruft.

1.1 Problemstellung und Leitfrage

Diese Diplomarbeit geht aber nicht derartigen epochaltypischen Schlüsselproblemen wie

Klafki sie benennt (1993, S. 43ff.) nach, sondern widmet sich dem Status quo unterrichtli-

cher Handlungen bzw. der Unterrichtspraxis und deren Beitrag zur Förderung der Moralität

unter den jungen Erwachsenen. Nach herrschender wissenschaftlich-literarischer Meinung

– etwa nach Kohlberg (bspw. 1974), Dewey (bspw. 1964), Lind (bspw. 2000), Oser & Alt-

hof (1997), aber auch Klafki (1993) etc. – gibt es Didaktiken, welche die moralisch-

demokratische Fähigkeit der Lernenden stärker fördert als der herkömmlich, tradierte und

leider fast immer noch ausschließlich praktizierte Unterricht.2 Eine Form dieser Didaktiken

2 Bereits 1954 (S. 460f.) forderte Piaget eine Wende in der Didaktik: „Es ist vergeblich (Änd. d. Verf.),

das Denken des Kindes von außen her verwandeln zu wollen, während sein aktiver Forschungsdrang und sein Bedürfnis nach Zusammenarbeit ausreichend sind, um eine normale geistige Entwicklung zu gewährleisten. Der Erwachsene muss daher ein Mitarbeiter und kein Lehrmeister sein, und zwar von diesem doppelten moralischen und intellektuellen Gesichtspunkt aus.“ John Dewey (1993/1964, S. 457 u. 460) plädiert ebenfalls für ein Schulleben, das „selbst ein Gemeinschaftsleben im vollen Sin-ne dieses Wortes“ ist. „Soziale Auffassungen und Interessen können nur in einer echten sozialen Um-welt entwickelt werden, in einer Umwelt, wo eine gemeinsame Erfahrung im wechselseitigen Geben und Nehmen aufgebaut wird. (…) Ein System der Erziehung, in dem das Lernen hervorgeht aus einer

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Einleitung

3

stellt das COoperative Offene Lernen – COOL an einigen österreichischen Handelsakade-

mien und Höheren Lehranstalten für wirtschaftliche Berufe dar. Dieser nunmehr bereits

über 13 Jahre junger Schulversuch (und die Schule generell, wie eine Lehrplananalyse zei-

gen wird) erhebt den Anspruch die Schüler/innen in ihren sozialen Fähigkeiten und damit

auch in ihren moralisch-demokratischen Fähigkeiten zu fördern bzw. demokratischen Un-

terricht zu verwirklichen (vgl. Neuhauser 2002, S. 177). Im Rahmen dieser Arbeit soll der

Fragestellung nachgegangen werden, ob dieser Anspruch auch eingelöst wird (Status quo)?

Oder anders formuliert, welchen Beitrag COOL zur Förderung der moralischen Urteilsfä-

higkeit derzeit leistet und welchen es leisten könnte. Darauf sollen zwei Untersuchungen

Antworten geben:

1. Wie wird Demokratie oder besser demokratische Moral in der COOL-Unterrichts-

praxis umgesetzt? Welche Elemente, Methoden, Unterrichtsformen u.a. zur Verwirk-

lichung von Demokratie bzw. demokratischer Moral sind in der Schulpraxis anzutref-

fen?3 Dabei werde ich mich im Besonderen der Analyse widmen, inwieweit COOL

mit dem Just-community Ansatz vergleichbar ist. Jenem Ansatz, dem in der moral-

psychologischen Literatur – neben der Blatt-Kohlberg-Methode und der KMDD –

wohl der höchste Stellenwert zugewiesen wird, wenn es um Demokratie und Moral-

erziehung im Unterricht geht (vgl. Oser & Althof 1997, S. 341). Das Konzept von

COOL – auch wenn die konkrete Umsetzung vielerorts variieren mag – beinhaltet

meiner Meinung nach viele Elemente, Ansätze und Chancen, die soziale Kompetenz

der Schüler/innen im Allgemeinen und die moralische Urteilsfähigkeit im Besonde-

ren zu schulen bzw. zu fördern. Diese Elemente und Chancen gilt es in einer ersten

theoretischen Analyse herauszuarbeiten.

2. Sind COOL-Schüler/innen moralischer, demokratischer als Schüler/innen die „her-

kömmlichen“ Unterricht genießen? Wovon hängt diese moralische Fähigkeit ab?

Durch welche Variablen wird sie beeinflusst? Ist es – wie die „Bildungstheorie“ (vgl.

Kap. 6.6.1) „prophezeien“ würde – die Unterrichtsweise bzw. das COOL-Konzept?

zusammenhängenden Tätigkeit oder Beschäftigung, die auf ein soziales Ziel gerichtet ist und den Stoff typisch sozialer Situationen verwertet. Denn unter solchen Umständen wird die Schule selbst zu einer Form des sozialen Lebens, eine Gesellschaft im kleinen (sic!), und zwar eine solche in enger Wech-selwirkung mit der Gemeinschaft jenseits der Schulwände.“

3 Mangels Einsatz qualitativer Methoden kann in der vorliegenden Studie die tatsächliche Schulpraxis nur bedingt untersucht werden. Hier muss zum einen auf eine Sekundaranalyse bestehender qualitati-ver Untersuchungen zum COOL-Unterricht zurückgegriffen werden (vgl. Kap. 8.2.1), und zum ande-ren mit spezifischen Fragen im Erhebungsinstrument das Auslangen gefunden werden (vgl. Kap. 8.2.3.2 und 9.2))

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Einleitung

4

Oder sind es doch andere intervenierende Variablen (z.B.: Noten, soziale Schicht, Al-

ter, Zuwendung und Anerkennung in Familie und Freundeskreis, offener Umgang

mit Konflikten und sozialen Problemen, Teilnahme an Diskussionen und Entschei-

dungen, Übernahme von Verantwortung in den verschiedensten Bereichen etc.) die in

der Literatur angeführt werden? Eine empirisch-quantitative Untersuchung soll zu

diesen und ähnlichen Fragen Antworten liefern (vgl. ab Kap. 6).

1.2 Forschungsstand und Quellenlage

Die Forschung im Bereich der Demokratie im Unterricht ist noch eine relativ junge. Erst

als Lawrence Kohlberg in den 60er Jahren seine Dissertation veröffentlichte, die erstmals

die sechs Entwicklungsstufen der moralischen Urteilsfähigkeit (vgl. Tabelle 2) enthielt,

und Jahre danach Aufsätze über die Förderung der Demokratie und moralischen Urteilsfä-

higkeit der Schüler/innen im Unterricht publizierte, war eine Diskussion um dieses Thema

entfacht. Kohlberg bezieht sich in seinen Arbeiten stark auf Moralphilosophen wie bspw.

Immanuel Kant oder John Rawls (Kohlberg zit. nach Oser & Althof 1997, S. 263f.), vor

allem wenn es um den Begriff „Moral“ und ihre Entwicklungsstufen geht. Letzteres, das

Stufenmodell der Moralentwicklung, basiert auf Jean Piagets Stufen der Kognitionstheorie.

Hingegen spielt im Bereich der Demokratie im Unterricht John Dewey eine wichtige Rolle

für Kohlberg (vgl. Oser & Althof 1997, S. 83ff.). So wichtig Kohlbergs Beitrag zur Moral-

entwicklung auch ist, so darf nicht auf die vielen Moralpsychologen vergessen werden, die

im deutschsprachigen Raum ihren Beitrag zu dieser Diskussion leist(et)en. Allen voran die

Gruppe um Oser, Althof und Lind. Sie stehen im Mittelpunkt meiner Arbeit, wenn es um

die Gerechte Schulgemeinschaft (die deutsche Version der amerikanischen Just-

community nach Kohlberg), die Konstanzer Methode der Dilemma-Diskussion und um die

Evaluation moralfördernder Maßnahmen in der Schule geht. Hier sind die Werke „Morali-

sche Selbstbestimmung“ von Oser & Althof (1997) und „Ist Moral lehrbar?“ von Lind

(2000a) hervorzuheben. Vor allem im Rahmen der Evaluation von Unterrichtsmaßnahmen

bzw. der Messung moralischer Urteilsfähigkeit nimmt Georg Lind eine wichtige Stellung

ein. Durch die Entwicklung des Moralisches Urteil-Test (MUT) erscheint es möglich Un-

terrichtsmaßnahmen möglichst effizient zu überprüfen (vgl. Lind 2000a, S. 85ff.). Zudem

stellt der MUT das Kernelement meines Forschungsinstrumentes dar. Einen weiteren sehr

wichtigen Beitrag zur Förderung der moralischen Urteilsfähigkeit hat Wolfgang Lempert

geliefert. Mit der Erforschung der sozialen Bedingungen der Entwicklung moralischer Ur-

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Einleitung

5

teilsfähigkeit hat er wohl die fünf4 wichtigsten Dimensionen zur Förderung dieser Fähig-

keit übersichtlich dargestellt (vgl. Lempert 1988, S. 28ff.; vgl. Kap. 8.1.2). Auch wird auf

Gilligan und ihren geschlechterspezifischen Ansatz moralischer Entwicklung hinzuweisen

sein. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, soll in dieser Arbeit auf die genann-

ten Personen und ihre zentralen – für meine Arbeit wichtig erscheinenden – Aussagen Be-

zug genommen werden.

Vor dem Hintergrund des umfangreichen Forschungsstandes darf nicht vergessen werden,

dass COOL und seine Konzeption in dieser Arbeit die zentrale Rolle einnehmen. So ist es

in einem ersten Teil dieser Arbeit nötig, den Begriff „Moral“ genauer unter die Lupe zu

nehmen, um sich dann im Empirieteil, im Rahmen der Beantwortung der Forschungsfrage

vor allem auf das COOL-Konzept konzentrieren zu können.

Bleibt noch darauf hinzuweisen, dass neben der vorliegenden quantitativen Untersuchung

natürlich auch eine qualitative – wie sie Oser & Althof empfehlen (1997, S. 443) – in Form

von Leitfadeninterviews mit Lehrer/innen und Schüler/innen, Unterrichtsbeobachtungen,

Beobachtungen von Klassenratssitzungen u.a. nötig wäre. Jedoch ist dies leider im zeitli-

chen Rahmen dieser Diplomarbeit nicht mehr möglich. Es wäre wohl Stoff genug für eine

eigene Arbeit. Hier ist auch schon ein Punkt angeschnitten, der den Ausblick meiner Arbeit

verdeutlicht, nämlich die Grenzen und offenen Punkte der vorliegenden Untersuchung so-

wie eine methodische Kritik.

4 Die Anzahl der Entwicklungsbedingung divergiert in der Literatur je nach Unterteilung der Dimensio-

nen. So unterteilt bspw. Bienengräber (2000, S. 5) die Entwicklungsbedingungen in sechs Dimensio-nen.

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Moral

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2 Moral

Im Rahmen der Untersuchung habe ich Schüler/innen gefragt, was sie mit dem Begriff

„Moral“ verbinden? Hier ein paar zufällig ausgewählte Antworten:

„Wertvorstellungen, Glaube, Recht, Gesetz“; „nach seinen eigenen Grundsätzen handeln,

selbst abwägen was in seinen Augen das Richtige ist, jeder sollte ein bisschen Moral besit-

zen, was leider nicht so ist.“; „wenn man aus etwas Nichts gelernt hat, straft einen die

Moral.“; „richtiges Handeln?“; „mehr lernen, etwas daraus lernen“; „Religion, Wissen,

Eigenverantwortung, Gefühl“; „???“; „soziale Pflichten, man weiß, dass sich etwas ge-

hört. Eventuell auch Anstand, z.B. auch Grüßen gehört für mich dazu“

Die sehr unterschiedlichen Antworten zeigen, dass Menschen Unterschiedliches mit dem

Begriff „Moral“ verbinden. Daher ist es wichtig, zu klären was darunter wissenschaftlich

überhaupt zu verstehen ist, bevor in dieser Arbeit von moralisch-demokratischem Unter-

richt und dessen Auswirkungen auf derartige Fähigkeiten gesprochen werden kann. Aber

auch aus einem zweiten Grund ist ein einheitliches Moralverständnis wichtig. Genauer

gesagt eine konkrete Vorstellung davon, was unter moralischer Urteilsfähigkeit zu verste-

hen ist, denn nur ein objektivierter Begriff kann auch gemessen werden. Dazu aber mehr in

Kapitel 7. So unterschiedliche die oben dargestellten Schülerantworten auch sind, im Fol-

genden wird zu sehen sein, dass einige dieser Vermutungen den wissenschaftlichen Defini-

tionen relativ nahe kommen bzw. Bestandteile derer sind.

2.1 Etymologische Einleitung

Traditioneller Weise möchte ich zu Beginn eine Begriffsbestimmung auf etymologischem

Wege herbeiführen und gleichzeitig die Abgrenzung des Begriffs „Moral“ zum übergeord-

neten Begriff „Ethik“ skizzieren. Die geschichtliche (etymologische) Herkunft des Begriffs

„Moral“ lässt sich nach Herzig (1998, S. 29) nur über den Begriff „Ethik“ herleiten. Dieser

stammt aus dem Griechischen und beschreibt „die Lehre vom sittlichen Wollen u. Handeln

des Menschen in verschiedenen Lebenssituationen“. (Duden 2004, S. 230, Herv. d. Verf.)

Eine ethische Grundhaltung ist demnach gekennzeichnet durch Handeln, das sich an dem

orientiert, was gesellschaftlich gilt und anerkannt ist (z.B. Sitten und Normen). Gleichzei-

tig beschreibt der Begriff „Ethik“ aber auch eine eher innerliche, selbstbestimmte Grund-

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Moral

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haltung, einen Charakter der nach dem „Guten“ strebt (vgl. Herzig 1998, S. 29). Während

Herzig in Übereinstimmung mit Krämer (1992, 1994) unter Moral „Urteile, Regeln, Wei-

sungen, Anleitungen sowie Denkweisen und Einstellungen (…), die dem Einzelnen als

Orientierung in Fragen dienen, wie Mensch sich in bestimmten Situationen verhalten, ent-

scheiden oder – allgemeiner – handeln sollen“ (Herzig 1998, S. 29, Herv. i. Orig.) zusam-

menfasst, hat Ethik nicht nur die Moral selbst zum Gegenstand. Die Ethik beschäftigt sich

mit Prinzipien und Begründungen von Moral, aber auch mit Fragen, die die außermorali-

sche Lebensführung betreffen. Letzteres soll hier nicht näher erläutert werden. Jedoch ist

mit Herzig darauf hinzuweisen, dass Moral im Gegensatz zur außermoralischen, individu-

ellen Lebensführung eine allgemeine Geltung beansprucht: „Dieser normative Orientie-

rungsrahmen (welcher der Moral unterliegt, Anm. d. Verf.) menschlichen Zusammenle-

bens ist nicht der Beliebigkeit und Willkür des Einzelnen anheimgestellt (sic!), sondern

beansprucht allgemeine Geltung.“ (Herzig 1998, S. 29)

Nach Lempert wird der Begriff umgangssprachlich so facettenreich verwendet wie kaum

ein anderer. Aber auch in der Moralpsychologie und –philosophie konnte man sich bisher

nicht auf eine Definition einigen (vgl. Lempert 1988, S. 12). Deshalb wird in der Wissen-

schaft auch meist von moralischer Urteilsfähigkeit gesprochen. Dieser Begriff ist klarer

umschrieben (vgl. die Definition von Kohlberg Kap. 3). Jedoch lassen sich beide Begriffe

nicht sauber trennen, wie zu sehen sein wird. Dennoch soll im Folgenden versucht werden,

zuerst den Begriff „Moral“ im Allgemeinen und dann „moralische Urteilsfähigkeit“ im

Besonderen herauszuarbeiten.

2.2 Moralphilosophische Beiträge von Kant und Rawls

Wenn man nach Definitionen des Moralbegriffs sucht, kommt man in der Literatur um

zwei Philosophen nicht herum. Es hat kaum jemand den Moralbegriff so stark geprägt wie

Immanuel Kant und John Rawls.

Der kategorische Imperativ von Kant gilt als das moralische Gesetz schlecht hin: „Der o-

berste Grundsatz der Sittenlehre ist also: handle nach einer Maxime, die zugleich als all-

gemeines Gesetz gelten kann. – Jede Maxime, die sich hierzu nicht qualificirt, ist der Mo-

ral zuwider.“ (Kant 1870, S. 26) Nicht zuletzt ist er in der höchsten Moralstufe nach Kohl-

berg angesiedelt – wie noch zu sehen sein wird – und somit auch das Ziel einer jeden Mo-

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Moral

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ralerziehung. Höffe bezeichnet ihn ebenfalls als „höchstes Beurteilungskriterium für die

Moralität“. (Höffe 1983, S. 181) Oser & Althof (1997, S. 426ff.) nennen in der Diskussion

bzgl. der Frage welche obersten Werte Lehrer/innen im Unterricht vermitteln sollen bzw.

an welchen sie sich orientieren sollen, den kategorischen Imperativ. Er stellt ein universel-

les Prinzip dar, ähnlich dem christlichen Grundprinzip der Nächstenliebe, das in einer

Schule (hier vor allem in einer Gerechten Schulgemeinschaft) immer wieder mit den Schü-

ler/innen besprochen und in Problem- und Konfliktsituationen reflektiert werden sollte.

Aber was meint der kategorische Imperativ eigentlich? Dies wird leichter verständlich,

wenn die beiden Wörter „kategorisch“ und „Imperativ“ hinsichtlich ihrer kantischen Auf-

fassung genauer betrachtet werden. „Kategorisch“ meint, soviel wie „ohne wenn und a-

ber“. Kant fordert auf, „in einer bestimmten Weise zu handeln; (…) die ohne jede Ein-

schränkung gültig ist.“ (Höffe 1983, S. 182) Diese bestimmte Weise kommt nach Kant im

„Sittlichen“ zum Ausdruck. Sittlichkeit meint etwas, das ohne einschränkende Bedingun-

gen gut ist (vgl. Höffe 1983, S. 176). Sittlich gut ist aber nur ein guter Wille, ein Wille der

nach Kant nicht aus der Natur entspringt (irrational), sondern sich aus der Vernunft des

Menschen (rational) ergibt. Dies ist es, was ein Vernunftswesen wie den Menschen von

den Tieren unterscheidet (vgl. Höffe 1983, S. 174). Da aber auch der Mensch von beiden,

der irrationalen und rationalen Form des Willens bestimmt ist, ist eine Aufforderung bzw.

der Imperativ notwendig. Der Mensch soll eben dem vernunftgeleitetem Willen Vorrang

geben. Höffe (1983, S. 182) verkürzt Kants kategorischen Imperativ auf die Formel

„Handle sittlich!“ Allein in diesen beiden Worten kommt das Wichtigste zum Ausdruck.

Eine moralische Pflicht muss nach Kant bedingungslos erfüllt werden, d.h. nur dann, wenn

die Pflicht „aus keinem anderen Grund ausgeführt wird, als weil es sittlich richtig ist“ und

weil „die Pflicht selbst gewollt ist und als solche erfüllt wird“ (Höffe 1983, S. 179), dann

kann man von Moralität im Sinne von Kant sprechen. Ein Geschäftsmann, der aus Angst

seine Kunden zu verlieren auch unerfahrene Käufer ehrlich bedient, oder jemand der

pflichtgemäß einem notleidenden Freund aus Sympathie hilft, handelt nicht bedingungslos.

Seine Handlungen sind immer an Bedingungen geknüpft (z.B. den Kunden nicht verlieren,

oder einem guten Freund helfen) (vgl. Höffe 1983, S. 179).

Bei diesen Ausführungen von Kant zum kategorischen Imperativ – der uns zeigt, was gutes

Handeln im kantischen Sinne darstellt – wollen wir es belassen und uns John Rawls und

seiner Theorie der Gerechtigkeit zuwenden.

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Nach Oser & Althof (1997, S. 263f.) setzt Rawls mit seiner Gerechtigkeitstheorie die kan-

tische bzw. kognitivistische Tradition der Moralphilosophie fort. Die Gerechtigkeitstheorie

versucht, die ethischen Grundprinzipien der Gerechtigkeit und Gleichheit auf der einen und

der Achtung der Würde des Anderen auf der anderen Seite zu vereinen. Gemäß dem Utili-

tarismus wäre dem Grundsatz des „größten Wohls/Glücks für die größte Zahl“ zu folgen.

Beispielsweise wäre dadurch Folter gerechtfertigt und gefordert, wenn sie „Informationen,

die als im nationalen oder Menschheitsinteresse unverzichtbar erscheinen“ (Oser & Althof

1997, S. 428) erbringt. Rawls ist jedoch anderer Auffassung: „Die Unverletzlichkeit von

Grund- und Menschenrechten kann den Kollektivinteressen nicht geopfert werden.“ (Oser

& Althof 1997, S. 428 in Anlehnung an Rawls 1990) Weiters sind nach Rawls in einer

moralischen Gesellschaft soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten nur dann gerechtfer-

tigt, wenn sich aus ihnen auch Vorteile für die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft

ergeben (vgl. Rawls 1990, S. 31f.). Eine gerechte, moralische Gesellschaft kann nach

Rawls nur „hinter dem Schleier des Nichtwissens“ ihren Ursprung haben. Damit bezeich-

net Rawls den Urzustand, den er als Fundament jeder moralischen Gemeinschaft ansieht.

Dieser „gewährleistet, dass dabei niemand durch die Zufälligkeiten der Natur oder der ge-

sellschaftlichen Umstände bevorzugt oder benachteiligt wird.“ (a.a.O., S. 29) Das Nicht-

wissen um diese Zufälligkeiten und Umstände bzw. in welche Welt man hineingeboren

wird ist Voraussetzung, dass jeder unbelastet über die Grundsätze einer Gerechtigkeitsvor-

stellung mitentscheiden kann. „Die Gerechtigkeit als Fairness beginnt (...) mit der allge-

meinsten Entscheidung, die Menschen überhaupt zusammen treffen können, nämlich mit

der Wahl der ersten Grundsätze einer Gerechtigkeitsvorstellung, die für alle spätere Kritik

und Veränderung von Institutionen maßgebend sein soll.“ (a.a.O., S. 29f.) Diese ersten

Grundsätze sind m.E. nach eben so unantastbar wie das „sittlich Gute“ bei Kant. Genau

deshalb ist es so wichtig bzw. dieser Schleier des Nichtwissens nötig, damit jeder Mensch

gleichwürdig bei ihrer Wahl mitentscheiden kann.

Die Parallelen von Kant und Rawls werden im Folgenden ersichtlich, wenn wir uns über

die Formen der Moral – die diese beiden Philosophen prägen – an die Kohlbergstufen her-

antasten.

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2.3 Abstufungen der Moral nach Kant, Rawls und Kohlberg

Beim kategorischer Imperativ von Kant handelt es sich, wie bereits erwähnt, um ein Ideal,

quasi um eine sehr hohe, wenn nicht die höchste Stufe der Moral, die vom Menschen zu-

mindest theoretisch erreicht werden könnte (vgl. Diskussionen um die 6. Kohlbergstufe,

Oser & Althof 1997, S. 62ff.). Dass es aber auch „niedere“, oder weniger wertend ausge-

drückt: andere Formen der Moral gibt, wird vor allem bei Betrachtung des Stufenmodells

von Kohlberg ersichtlich (vgl. Kap. 2.4.2). Auch Rawls beschreibt ähnliche Stufen der

Moral. Kant kennt zwar auch diese Formen, bezeichnet sie aber nicht als Moralität, son-

dern mit dem Wort „Legalität“ (vgl. Höffe 1983, S. 178).

Nach Kant kann der gute Wille auf drei verschiedene Weisen das Handeln bestimmen.

„Erstens kann man die Pflicht befolgen und doch letztlich vom Selbstinteresse bestimmt

sein (siehe Beispiel ‚Kaufmann’, Anm. d. Verf.) (…) Zweitens kann man pflichtgemäß und

zugleich mit einer unmittelbaren Neigung zur Pflicht handeln (siehe Beispiel ‚Notleiden-

den aus Sympathie helfen’, Anm. d. Verf.).“ (Höffe 1983, S. 178) Diese beiden Formen

der Moral sind, wie oben erwähnt, nicht bedingungslos weshalb Kant sie auch nicht als

Moralität bezeichnet, sondern als Legalität. Ich nenne sie in der Tabelle 1 weiter unten

„Legalität I und II“. Schließlich gibt es noch die dritte Alternative und nach Kant die einzig

sittliche (absolut gute). Sie wurde weiter oben schon unter der bedingungslosen Handlung

beschrieben und nur sie kann nach Kant als Moralität bezeichnet werden (vgl. Höffe 1983,

S. 179).

Auch Rawls beschreibt drei ähnlich verschiedene Ausprägungen, jedoch bezeichnet er sie

alle als Moralität (vgl. Rawls 1990, S. 503ff.). Die primitivste Form der Moralität, die au-

toritätsorientierte Moralität, ist Rawls (a.a.O., S. 504) zufolge die des Kindes. Sie ist eine

Sammlung von Vorschriften, die das Kind nicht in der Lage ist zu legitimieren/verstehen,

da ihm umfassende Systeme von Rechte und Gerechtigkeiten meist uneinsichtig bleiben.

Anstelle dieser tritt eine Autoritätsperson, die vom Kind geliebt wird bzw. der das Kind

vertraut und die es anerkennt, z.B. Mutter oder Vater. Umgekehrt ist aber Voraussetzung,

dass das Kind zuerst Liebe von der Autoritätsperson erfährt, nur so kann die Kindesliebe

zu den Eltern wachsen und gleichzeitig auch der Wille des Kindes nach deren Anweisun-

gen zu handeln. Dieser letztgenannte Wille entspringt dem Wunsch zu zeigen, dass das

Kind zu Gehorsam bereit ist, wenn es geliebt wird (Rousseaus zit. nach Rawls 1990,

S. 504). Dies nennt Rawls das erste psychologische Gesetz. Während es somit für das Kind

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eine Pflicht darstellt, den Anweisungen dieser Autoritätsperson zu folgen, braucht es sich

über die Konsequenzen des Handelns keine Gedanken zu machen. „Man soll tun, was ver-

langt wird, ohne zu fragen“. (Rawls 1990, S. 507)

Aus der autoritätsorientierten Moralität entwickelt sich die gruppenorientierte Moralität

(a.a.O., S. 508). Bereits die Familie stellt für das Kind eine Kleingruppe dar, in der es die

moralischen Regeln der Gruppe erfährt. In diesem Stadium wird dem Kind eingeschärft,

was einen guten Jungen, ein gutes Mädchen, einen gute/n Schüler/in, Kameraden usw. –

oder im späteren Leben, einen guten Ehemann, eine gute Ehefrau usw. – ausmacht. Ideale

werden vermittelt und eingeschärft, die jeweils auf eine bestimmte Rolle zugeschnitten

sind. Deshalb wird auch vom Development of Role-Taking gesprochen (vgl. Rawls 1990,

S. 509). Zentral ist in dieser Phase der moralischen Entwicklung des Kindes, dass es erst-

mals lernt, sich in andere Personen hineinzuversetzen und Dinge von deren Standpunkt aus

zu betrachten, deren Bedürfnisse und Ziele zu verstehen. „Wenn man diese maßgeblichen

Elemente (Bedürfnisse und Ziele, Anm. d. Verf.) nicht ausmachen kann, kann man sich

auch nicht in einen anderen hineinversetzen und herausfinden, was man an seiner Stelle tun

würde.“ (Rawls 1990, S. 510) Rawls weist bereits hier darauf hin, dass diese hoch intellek-

tuelle Fähigkeit „sich in andere hineinzuversetzen“ zwar nötig ist, aber nicht hinreichend.

So ist auch das Verhalten danach abzustimmen (vgl. Rawls 1990, S. 510), denn selbst

wenn das Kind verstanden hat sich in andere hineinzuversetzen und zudem über seine

Gruppe hinaus, die Komplexität der gesellschaftlichen Zusammenarbeit zu verstehen, so ist

dies noch keine Garantie für moralische, gute Handlungen. „Auch wer rein manipulative

Absichten hat und die anderen lediglich zu seinem Vorteil ausnützen möchte, muss diese

Fähigkeiten haben.“ (Rawls 1990, S. 511) Um diese manipulativen Absichten in einer Per-

son erst gar nicht zustande kommen zu lassen, ist nach Rawls eine Gemeinschaftsbindung

nötig. Diese entsteht ähnlich dem ersten psychologischen Gesetz. Positive Gefühle und

Einstellungen, wie Vertrauen und Freundschaft entstehen durch die Zugehörigkeit zu einer

Gemeinschaft. Jedoch beruhen sie ebenfalls auf Gegenseitigkeit, was eine Vorbildwirkung

einiger anderer Mitglieder voraussetzt. Nur dann werden alle bemüht sein ihren Pflichten

nachzukommen, um Gruppenschuldgefühle und Tadel und Strafe zu vermeiden (vgl.

Rawls 1990, S. 511f.). Dies ist das zweite psychologische Gesetz. Die folgende Zusammen-

fassung dieser gruppenorientierten Moralität ist auch für die späteren Ausführungen über

die Just-community (JC) von großer Bedeutung, den sie beschreibt viele der Grundintenti-

onen des JC-Ansatzes (vgl. dazu Oser & Althof 1997, S. 345ff.). „Wir können also von

einer Gruppenmoralität ausgehen, der gemäß die Mitglieder der Gesellschaft einander als

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Gleiche, Freunde und Genossen betrachten, die miteinander in einem System der Zusam-

menarbeit verbunden sind, das bekanntermaßen dem Vorteil aller dient und von einer ge-

meinsamen Gerechtigkeitsvorstellung beherrscht wird. Der Inhalt dieser Moralität ist durch

die Tugenden der Zusammenarbeit gekennzeichnet: Gerechtigkeit und Fairness, Treu und

Glauben, Integrität und Unparteilichkeit.“ (Rawls 1990, S. 513)

Während sich das Ziel der gruppenorientierten Moralität im Ideal des gleichen Bürgers

ausdrückt, verfolgt die grundsatzorientierte Moralität – wie der Name schon sagt – die

Bindung an höchste Grundsätze selbst. Dem dritten psychologischen Gesetz zufolge er-

wächst aus den ersten beiden psychologischen Gesetzen (die auf gegenseitige Liebe, Ver-

trauen und Freundschaft etc. beruhen) die Erkenntnis und das Bedürfnis, jene Gerechtig-

keitsgrundsätze anzuwenden, die das eigene Wohl wie auch jenes der Mitmenschen för-

dert. Dieser Gerechtigkeitssinn wird in zwei Weisen ersichtlich, nämlich in der Anerken-

nung von den – von allen im Urzustand geschaffenen – Regeln und Institutionen sowie

durch die Bereitschaft an der Errichtung und Veränderung dieser mitzuwirken (vgl. Rawls

1990, S. 515). Zusammenfassend kann hier festgehalten werden, dass die moralischen Hal-

tungen des Kindes nun nichts mehr mit den Forderungen der Autoritätspersonen oder der

Anerkennung/Freundschaft von Gruppenmitgliedern zu tun haben, sondern von solchen

Zufälligkeiten unabhängig sind. Hier werden die Parallelen zu Kants Bedingungslosigkeit

ersichtlich: „Die moralischen Empfindungen erheben sich über diese zufälligen Verhältnis-

se der eigenen Umwelt, und zwar im Sinne der Beschreibung des Urzustandes und seiner

Kantischen Deutung.“ (Rawls 1990, S. 516)

Es wird bereits aus den Ausführungen zu Kant und Rawls deutlich, dass Moral, je höher, je

universeller sie ist, „keine Moral der konkreten Werte mehr sein“ kann, sondern dass „un-

terschiedliche Werte auf verschiedenem sozialen und kulturellen Hintergrund gleicherma-

ßen berechtigt sein können.“ (Oser & Althof 1997, S. 60) Somit gibt es hier nicht nur die

eine Wahrheit, denn diese ist von Gemeinschaft und Gemeinschaft, von Kultur zu Kultur

verschieden.

In der folgenden Tabelle 1 wird versucht, die verschiedenen Abstufungen der Moral unter

Bezugnahme auf die Autoren nochmals zusammenzufassen.

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Tabelle 1: Abstufungen der Moral

Kant Rawls Kohlberg

Legalität I autoritätsorientierte Moralität vorkonventionelle Ebene, egozentrisches Niveau

Legalität II gruppenorientierte Moralität konventionelle Ebene, soziozentrisches Niveau

Moralität grundsatzorientierte Moralität postkonventionelle Ebene, äquilibrierte Ebene

Auf die Abstufungen von Kohlberg wurde bisher aus gutem Grund noch nicht eingegan-

gen. Kohlbergs Stufenmodell wird im Folgenden ausführlicher erläutert. Mit Eingehen auf

das Stufenmodell verlassen wir den übergeordneten Bereich der „allgemeinen“ Moral und

treten ein in die Bestimmung des Begriffs „moralische Urteilsfähigkeit“, die in Kap. 3 fort-

geführt wird.

2.4 Die Kohlbergstufen moralischen Urteilens – Ein Modell nach Piaget.

Die wohl bekannteste Abstufung oder weniger wertend formuliert Gliederung der Morali-

tät stammt von Lawrence Kohlberg. Er lehnt sich dabei inhaltlich stark an (die bereits er-

wähnten) Ausführungen von Kant und Rawls u.a., untergliedert diese jedoch stärker. Aus

diesem Grund wird auf die Stufen der moralischen Entwicklung inhaltlich nicht in dem

Umfang eingegangen, der eigentlich nötig wäre, um der Bedeutung, die diese Stufen in der

Moralpsychologie einnehmen, gerecht zu werden. Im Vordergrund der folgenden Betrach-

tung sollen die kognitiven Strukturen liegen, die Kohlberg in Anlehnung an Piagets Kogni-

tionstheorie den Stufen zugrund legt.

2.4.1 Welche Idee steckt hinter den Entwicklungsstufen nach Kohlberg?

Die Idee, die hinter der moralischen Entwicklungstheorie von Kohlberg steht, baut auf je-

ner von Jean Piaget auf, der bereits bei der Untersuchung der Entwicklung von Mustern

der Organisation von Denk- und Erkenntnisprozessen auf ein Stufensystem der kognitiven

Entwicklung stieß (vgl. Oser & Althof 1997, S. 41). „Die gesamte kognitive Entwicklung

von Menschen ist ein kontinuierlicher Versuch, die Welt zu verstehen, sie für sich zu ord-

nen, aus ihr (...) Sinn zu machen, um sie zu handhaben, sich in ihr bewegen zu können.“

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(Oser & Althof 1997, S. 41, Herv. i. Orig.) Kohlberg legt diese Idee der rein kognitiven

Entwicklung um auf die mehr affektive, moralische Entwicklung. „Kinder bauen sich ein

eigenes Bild ihrer räumlichen-physikalischen und ihrer sozialen Welt auf; sie versuchen

aus dem, was sie erfahren und wahrnehmen, selbst einen Sinn zu machen.“ (Oser & Althof

1997, S. 40, Herv. i. Orig.) Für Kinder ist deshalb beispielsweise der moralische Grund-

satz: „Jedem das Gleiche! Wie du mir, so ich dir!“ Resultat langer Erfahrungen und vielen

Nachdenkens. Dabei darf dieser Prozess nicht falsch verstanden werden als eine Ansamm-

lung von Wissensbeständen. Man würde auch falsch argumentieren, wenn man sagt, Kin-

der seien zu dumm, einen Konflikt – den sie mit obiger Regel lösen – richtig einzuschät-

zen. „Sie verstehen die Situation vielmehr auf ihre Weise und sie haben ihren eigenen mo-

ralischen Standpunkt.“ (Oser & Althof 1997, S. 40) Somit sollte verständlich geworden

sein, was Maria Montessori mit Folgendem meint: „Das Besondere an Kindern ist nicht,

dass sie ›weniger‹ als die Großen sind (weniger schlau, weniger erfahren, weniger infor-

miert und weniger kompetent) – Kinder sind in erster Linie anders.“ (Montessori zit. nach

Oser & Althof 1997, S. 39, Herv. i. Orig.)

Bereits sehr früh hat Piaget (vgl. bspw. Piaget 1954) seine Annahmen über die Moralent-

wicklung beim Kind anhand der bekannten Beobachtungen der Kinder beim Murmelspiel

dargelegt. Demzufolge „bewegt sich das Kind zuerst von einer amoralischen Stufe zur (…)

Stufe des Respekts gegenüber »heilig« (unverletzlich) erscheinenden Regeln.“ (Piaget zit.

nach Kohlberg 1995, S. 21, Herv. i. Orig.). Aufgrund der Unfähigkeit des Kindes, „zwi-

schen subjektiven und objektiven Aspekten seiner Erfahrung zu unterscheiden“ und der

Unfähigkeit, „seine eigene Sicht der Ereignisse von der anderer zu unterscheiden“ – so

Piaget – sehe das Kind Regeln als unveränderlich an (Piaget zit. nach Kohlberg 1995,

S. 22). Erst „mit dem intellektuellen Wachstum und der Erfahrung der Rollenübernahme in

der Gruppe der Gleichaltrigen ergebe sich in natürlicher Weise eine Transformation in der

Wahrnehmung der Quelle von Regeln: Diese verändern sich von durch äußere Instanzen

auferlegten autoritären Befehlen hin zu internalen Prinzipien.“ (Piaget zit. nach Kohlberg

1995, S. 22)

Für Kohlberg spielen kognitive Theorien im Allgemeinen eine sehr bedeutende Rolle,

wenn es um die Entwicklung der Moral geht. Da jedoch nach Baldwin (1897) kognitive

Theorien sehr umfangreich sind, d.h. alle Theorien umfassen, die mit kognitiven Phäno-

menen zu tun haben, stützt Kohlberg seine Theorie der Moralentwicklung auf die wohl

bekannteste kognitive Entwicklungstheorie, nämlich jene nach Jean Piaget. Somit nimmt

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Kohlberg Abstand von den assoziationistischen Theorien des kognitiven Lernens und

räumt der Theorie der kognitiven Strukturen nach Piaget fundamentale Bedeutung für die

Entwicklung der Moral ein (vgl. Kohlberg 1974, S. 8). Dies ist wichtig, wenn man Kohl-

bergs Auffassung von kognitiver Entwicklung bzw. vom Lernen verstehen will. Wie auch

Piaget ist er davon überzeugt, dass Lernen nicht durch assoziatives Lernen, wie beispiels-

weise im Sinne der Klassischen Konditionierung erfolgt, sondern durch die Transformation

organisatorischer Ganzheiten oder Systeme interner Relationen, die als kognitive Struktu-

ren/Stufen bezeichnet werden können (vgl. Kohlberg 1974, S. 8f.).

Worum handelt es sich bei diesen kognitiven Strukturen? Dazu werfen wir einen kurzen

Blick auf die Entwicklungstheorie der Erkenntnis nach Jean Piaget und versuchen die zent-

ralen Punkte herauszuarbeiten:

1. Die Konstruktion des Wirklichen

Die Theorie über die kognitiven Stufen wird auch als Interaktionstheorie bzw. Konstrukti-

vismus bezeichnet, weil das Individuum/der Organismus/das Kind sich seine (Um)welt,

seine Wirklichkeit selbst aufbaut; und zwar durch ständige Interaktion mit dieser (vgl.

Kohlberg 1974, S. 9). Das Kind verfügt nach Piaget bereits bevor es sprechen kann über

eine so genannte sensu-motorische Intelligenz, die „mangels einer symbolischen Funktion,

noch kein Denken und keine Affektivität zeigt, die mit Vorstellungen verbunden wären,

durch die es Personen oder Gegenstände in ihrer Abwesenheit bezeichnen könnte.“ (Piaget

1996, S. 15) Sie aber ist es, die es bereits in diesen frühen Monaten dem Kind ermöglicht

das Wirkliche aufzubauen, „indem sie ein komplexes System von Assimilationsschemata

(Begriffserklärung folgt unten, Anm. d. Verf.) konstruiert, und die Wirklichkeit gemäß

einem System von raum-zeitlichen und kausalen Strukturen“ organisiert (Piaget 1996,

S. 15). Diese Phase des frühen Lebens ist nach Piaget besonders wichtig, da hier bereits

kognitive Substrukturen aufgebaut werden, die Ausgangspunkt für spätere intellektuelle

Konstruktionen sind (vgl. Piaget 1996, S. 15).

2. Das majorierende Äquilibrium als die bessere kognitive Struktur

Die Erkenntnis von der Wirklichkeit oder allgemein bezeichnet das Lernen bedingt also

einen Interaktionsprozess, den Piaget auch als Äquilibrationsvorgang bezeichnet. Piaget

meint mit dem Wort „Äquilibrium“ einen kognitiven Gleichgewichtszustand, der sich aus

den beiden Prozessen Assimilation und Akkomodation ergibt.

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Unter Assimilation wird „der Einbezug eines äußeren Elements (Gegenstand, Ereignis

usw.) in ein sensomotorisches oder begriffliches Schema des Subjekts“ (Piaget 1976,

S. 13) verstanden. Oder etwas vereinfachter in den Worten von Stangl: „Assimilation

meint im wesentlichen (sic!) ein aktives Interpretieren, Einordnen oder Deuten von Objek-

ten und Ereignissen der Außenwelt in Begriffen der eigenen, gerade verfügbaren und be-

vorzugten Art, über diese Dinge zu denken.“ (Stangl o.J.) So nennt Stangl ein Beispiel, bei

dem ein schwimmendes Holzstück für das Kind zu einem Schiff wird, weil es das Holz-

stück an sein kognitives Konzept „Schiff“ assimiliert (vgl. Stangl o.J.). Piaget verweist auf

zwei weitere Formen der Assimilation. Einerseits auf jene der reziproken Assimilation,

d.h. wenn zwei Denksysteme, Schmata auf einen Gegenstand gleichzeitig, koordiniert an-

gewandt werden, wie bspw. das Sehen und das Greifen, und andererseits auf die Verbin-

dung von übergelagerten Denksystemen mit ihren darunter liegenden Subsystemen (vgl.

Piaget 1976, S. 13f.).

Unter Akkomodation hingegen versteht Piaget die Berücksichtigung der Besonderheiten

der zu assimilierenden Elemente, d.h. der Elemente der Umwelt. „Das Schema des Grei-

fens lässt sich nicht in gleicher Weise auf ganz kleine und auf große Gegenstände anwen-

den.“ (Piaget 1976, S. 14) Und auch hier gibt es wieder die beiden anderen Formen der

Akkomodation, wie sie auch im Zuge der Assimilation auftreten. Dies ist deshalb so, weil

Assimilation und Akkomodation zusammenhängen und immer gleichzeitig auftreten, d.h.

dass das eine ohne dem anderem nicht geschehen kann (vgl. Piaget 1976, S. 14f.).

Durch die Asymmetrie zwischen Affirmationen (bekannte Elemente der Umwelt, die sich

in bereits bestehende Schemata einordnen lassen) und Negationen (unbekannte Elemente

der Umwelt, die sich nicht in bestehende Schemata einordnen lassen) kommt das Äqui-

librium aus dem Gleichgewicht und das Subjekt/Individuum wird durch Assimilation und

Akkomodation versuchen, dieses wieder herzustellen. „Daraus ergibt sich, dass die fort-

schreitende Äquilibration ein für die Entwicklung unentbehrlicher Prozess ist.“ (Piaget

1976, S. 24). Mit dem Adjektiv majorierende sollte bereits in der Überschrift zum Aus-

druck gebracht werden, dass es dabei nicht bloß um die Erlangung eines Gleichgewichts-

zustandes geht, sondern immer auch um einen besseren, ja qualitativ höheren. Denn sie

beinhalten die neu gebildeten sowie die alten Schemata (vgl. Piaget 1976, S. 37). Diese

qualitativ unterschiedlichen Schemata bilden zugleich die Stufen/Strukturen der kognitiven

Entwicklung, auf die an dieser Stelle inhaltlich nicht näher eingegangen wird. Für diese

Arbeit genügt das bisher, über die dem Lernen zugrunde liegenden Auffassungen, Gesagte.

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Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass für Piaget und auch Kohlberg Ler-

nen nicht – oder besser nicht nur – im Sinne des Assoziationalismus geschieht, sondern

ihnen „schwebt vielmehr der Prozess einer »majorierenden« Äquilibration (§ 6) vor, der

von Zuständen der Unausgewogenheit unterbrochen wird, sodass der Übergang von die-

sem Ungleichgewicht oder von unvollkommenen Gleichgewichtsformen zu »besseren«

Formen in jeder Etappe die Mitwirkung neuer Konstruktionen voraussetzt“. (Piaget 1976,

S. 81, Herv. i. Orig.) Beziehungsweise stellt das Lernen einen Vorgang dar, „der von be-

stimmten erreichten Gleichgewichtszuständen über eine Vielfalt von Unausgewogenheiten

und Wiedereinstellungen des Gleichgewichts zum andern, qualitativ verschiedenen

Gleichgewichtszuständen führt.“ (Piaget 1976, S. 11) Die Entwicklung läuft somit in Stu-

fen ab, „die qualitativ unterschiedliche Etappen in der Entwicklung des Denkens“ (Oser &

Althof 1997, S. 43, Herv. i. Orig.) darstellen. Mit Kohlbergs Worten: „Stufen spiegeln we-

der direkt Reifungsprozesse, noch Lernprozesse im Sinne von Konfrontation mit speziellen

Umweltreizen, Verstärkungen etc. wider. Sie repräsentieren vielmehr im Gleichgewicht

befindliche Interaktionsmuster zwischen Organismus und Umwelt.“ (Kohlberg 1995,

S. 87)

Für kognitiv-entwicklungspsychologische Stufenkonzepte, wie sie die Stufen des logischen

Denkens nach Piaget oder die des moralischen Urteilens nach Kohlberg darstellen, sind

folgende Merkmale beschreibend (Piaget zit. nach Kohlberg 1995, S. 85):

1. Die Stufen erfassen qualitative Unterschiede in Denkweisen (in den Strukturen).

2. Diese Denkweisen folgen in der individuellen Entwicklung in einer bestimmten Se-

quenz aufeinander.

3. „Alle diese unterschiedlichen und aufeinanderfolgenden (sic!) Formen des Denkens

bilden, jede für sich, strukturierte Ganze. Die Lösung einer Aufgabe auf einer be-

stimmten Stufe stellt nicht einfach eine Antwort dar, die durch besondere Kenntnis

und Vertrautheit mit dieser oder ähnlichen Aufgaben determiniert ist, sondern sie

repräsentiert eine zugrunde liegende Denkorganisation.“ (Kohlberg 1995, S. 85)

4. Höhere Stufen reintegrieren Strukturen niedrigerer Stufen.

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Moral

18

2.4.2 Stufen der Entwicklung des moralischen Urteilens

Worum handelt es sich nun bei diesen viel diskutierten Stufen der Moralität genau? Jede

Stufe stellt dar, „was das Hauptmerkmal des Denkens auf einer Stufe (die ›moralische Phi-

losophie‹ dieser Stufe) ist“ und „inwiefern die neue Stufe einen Fortschritt gegenüber dem

bisherigen Denken bedeutet“. (Oser & Althof 1997, S. 53, Herv. i. Orig.)

Hier werden die Parallelen zu Piagets kognitiver Entwicklungstheorie deutlich. Die Stufen

nach Kohlberg verkörpern ebenso – wie bei Piaget – Denkschemata, die auf einer qualita-

tiv höheren Ebene angesiedelt sind als vorhergehende Stufen. Hier handelt es sich aber um

Denkschemata, die sich auf den moral-kognitiven Bereich beschränken. Die Stufen dürfen

aber nicht missverstanden werden in dem Sinne, dass man sagen könnte, jemand auf einer

niedrigen Stufe wäre unmoralisch(er). Das wäre eine Fehlinterpretation des Modells von

Kohlberg, „denn die Stufen sind keine Kategorien des Charakters oder des Verhaltens son-

dern des Urteilens über eine gegebenen Situation.“ (Oser & Althof 1997, 49f.) Es gibt also

durchaus auf jeder Stufe so etwas wie ein Gerechtigkeitsverständnis – wie schon bei Rawls

gezeigt wurde. Die verschiedenen Formen dieses „Gerechtigkeitsverständnisses“ sollen

nun genauer betrachtet werden. Folgende Tabelle 2 zeigt, woran sich Personen einer jewei-

ligen Stufe bei der Findung ihrer Urteilsentscheidung orientieren:

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Moral

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Tabelle 2: Zusammenfassende Beschreibung der Stufen des moralischen Urteilens (Kohlberg 1974, S. 60f. mit Ergänzungen aus Oser & Althof 1997, S. 54, Herv. i. Orig.)

Klassifikation der moralischen Urteile nach Entwicklungsebenen und -stufen 1. Stufe: Orientierung an Bestrafung und Gehorsam. Egozentrischer Respekt vor überlegener Macht oder Prestigestellung bzw. Vermeidung von Schwierigkeiten. Oder anders: Das Individuum urteilt nach Gesichtspunkten von Lohn und Strafe und unter dem Aspekt physischer Konsequenzen.

Vorkonventionelle Ebene Moralische Wertung beruht auf äußeren, quasi-physischen Geschehnissen, schlechten Handlun-gen oder auf quasi-physischen Bedürf-nissen statt auf Per-sonen und Normen

2. Stufe: Naive egoistische Orientierung. Richtiges Handeln ist jenes, das die Bedürfnisse des Ich und gelegentlich die der anderen instrumen-tell befriedigt. Bewusstsein für die Relativität des Wertes der Bedürf-nisse und der Perspektive aller Beteiligten. Naiver Egalitarismus und Orientierung an Austausch und Reziprozität. Oder anders: Das Individuum urteilt nach dem Schema „Jedem das Seine“, „Wie du mir, so ich dir“. Es ist eine Austauschansicht, in der Verdienste eine Rolle für Gerechtigkeit spielen.

3. Stufe: Orientierung am Ideal des »Guten Jungen«. Bemüht, Beifall zu erhalten und anderen zu gefallen und ihnen zu helfen. Konformität mit stereotypischen Vorstellungen vom natürlichen oder Mehrheits-Verhalten, Beurteilung aufgrund von Intentionen. Oder anders: Das Individuum urteilt nach dem Prinzip der Goldenen Regel: „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg’ auch keinem an-deren zu!“ Rücksicht auf die Gruppe und die Gruppenmehrheit.

Konventionelle Ebene Moralische Wertung beruht auf der Über-nahme guter und richtiger Rollen, der Einhaltung der kon-ventionellen Ord-nung und den Erwar-tungen anderer.

4. Stufe: Orientierung an Aufrechterhaltung von Autorität und sozialer Ordnung. Bestrebt, »seine Pflicht zu tun«, Respekt vor der Autorität zu zeigen und die soziale Ordnung um ihrer selbst willen einzuhalten. Rücksicht auf die Erwartungen anderer. Oder anders: Das Individuum urteilt nach für alle in gleicher Weise gültigen gesellschaftlichen Rechten und Pflichten. Gesetze werden wichtig, weil sie garantieren, dass jeder vor dem Gesetz gleich ist.

Postkonventionelle Ebene Moralische Wertung beruht auf Konformi-tät des ich mit ge-meinsamen (oder potentiell gemeinsa-men) Normen, Rech-ten oder Pflichten.

5. Stufe: Legalistische Vertrags-Orientierung. Anerkennung einer will-kürlichen Komponente oder Basis von Regeln und Erwartungen als Ausgangspunkt der Übereinstimmung. Pflicht definiert als Vertrag, all-gemein Vermeidung der Verletzung von Absichten oder Rechten ande-rer sowie Wille und Wohl der Mehrheit. 6. Stufe: Orientierung an Gewissen oder Prinzipien. Orientierung nicht nur an zugewiesen sozialen Rollen, sondern auch an Prinzipien der Ent-scheidung, die an logische Universalität und Konsistenz appellieren. Orientierung am Gewissen als leitendes Agens und an gegenseitigem Respekt und Vertrauen. Oder anders: Das Individuum urteilt auf der Stufe des Sozialvertrags, des sozialen Nutzens und der individuellen Rechte („Gerechtigkeit be-deutet, dass Menschen ihre fundamentalen Rechte wahrnehmen kön-nen“); Stufe der universalen ethischen Prinzipien; der Gesellschaft vor-geordnete Perspektive bzw. Perspektive eines moralischen Standpunkts, von dem sich gesellschaftliche Ordnungen herleiten.

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Moralische Urteilsfähigkeit

20

3 Moralische Urteilsfähigkeit

Im Wesentlichen bezieht sich die moralische Urteilsfähigkeit auf die sechs Kohlbergstu-

fen, die wiederum – wie oben zu sehen war – u.a. auf den Ausführungen von Kant, Rawls

und Piaget zur Moralität beruhen. Daher ist auch eine saubere Trennung nur schwer mög-

lich. Vieles von dem was Kohlberg unter moralischer Urteilsfähigkeit versteht kommt be-

reits durch das Stufenmodell zum Ausdruck. Bevor aber auf die konkrete Definition von

Kohlberg eingegangen wird, wollen wir den Begriff in die übergeordneten Kategorien „so-

ziale Kompetenz“ und „Orientierungs- sowie Urteilsfähigkeit“ einbinden.

Die moralische Urteilsfähigkeit ist eine – wenn nicht die bedeutendste – Komponente sozi-

aler Kompetenzen. Zu diesem Schluss kommen einige wissenschaftliche Artikel des Lehr-

stuhls für Wirtschaftspädagogik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (vgl. bspw.

Wuttke & Surać 2003; Heinrichs 1997) Wuttke & Surać (2003) beispielsweise beschäfti-

gen sich mit dem Problem der Messung sozialer Kompetenz in der kaufmännischen Erst-

ausbildung. Da der Begriff „soziale Kompetenz“ auch in der Wissenschaft nur vage be-

stimmt ist, konzentrieren sie sich „auf einen inhaltlich hinreichend konkreten Aspekt von

Sozialkompetenz, für den ein bewährtes diagnostisches Instrumentarium vorliegt, nämlich

die moralische Urteilsfähigkeit.“ (Wuttke & Surać 2003, S. 2) In gewisser Weise wird in

ihrer Untersuchung soziale Kompetenz durch moralische Urteilsfähigkeit ersetzt bzw. als

eine bedeutende Komponente dieser angesehen. Auch Heinrichs verweist in ihrem Artikel

„Die ,Schlüsselqualifikation’ moralische Urteilsfähigkeit – Ihre Entwicklung und Ausprä-

gung bei kaufmännischen Auszubildenden“ darauf, dass „sich von der moralischen Urteils-

fähigkeit verschiedene Verbindungen zu Aspekten herstellen lassen, die im Zusammen-

hang mit Schlüsselqualifikationen, insbesondere mit Sozialkompetenzen, diskutiert wer-

den.“ (Heinrichs 1997, S. 1) Zudem werden in der Schlüsselqualifikationsdebatte meist

Begriffe wie „,ethisch begründetes Wertebewusstsein’, die Fähigkeit und Bereitschaft, ‚sei-

nem Gewissen zu folgen und nach ethischen Grundsätzen zu handeln’ oder ,moralische

Reife’“ (Didi zit. nach Heinrichs 1997, S. 2, Herv. i. Orig.) verwendet.

Eine klare Abgrenzung zwischen sozialer Kompetenz und moralischer Urteilsfähigkeit ist

jedoch mangels einer konkreten Definition bzw. einem einheitlichen Verständnis des Beg-

riffs „soziale Kompetenz“, beinahe unmöglich (vgl. bspw. Wuttke & Surać 2003, S. 1f.).

Wenden wir uns daher den Überbegriffen „Orientierungs- und Urteilsfähigkeit“ zu.

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Moralische Urteilsfähigkeit

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Herzig (1998, S. 32) versucht, zu nächst etwas allgemeiner den Begriff der ethischen Ur-

teils- und Orientierungsfähigkeit zu definieren. Dieser darf nicht mit dem Begriff der mo-

ralischen Urteilsfähigkeit gleichgesetzt werden, denn er meint mehr, eben nicht nur morali-

sche oder unmoralische Aspekte, sondern auch außermoralische Aspekte der individuellen

Lebensführung. Die Orientierungsfähigkeit beschreibt dabei die Fähigkeit einer Person zu

erkennen, welchen eigenen Standpunkt sie in einem (moralischen) Konflikt vertritt bzw.

auf welchem sie sich befindet. Weiters fällt die Fähigkeit Standpunkte, Meinungen oder

Argumente anderer Personen von den eigenen unterscheiden zu können unter diesen Beg-

riff. Dagegen meint die Urteilsfähigkeit die Bewertung von diesen verschiedenen Stand-

punkten und Alternativen, die sodann in eine Rangreihenfolge gebracht werden können,

um zu begründeten Entscheidungen zu finden. Somit ist auch erkennbar, dass beide Fähig-

keiten in einer sequenziellen Weise miteinander verbunden und für eine Problemlösung

unabdingbar sind (vgl. Herzig 1998, S. 32). Zusammenfassend ist unter ethischer Urteils-

und Orientierungsfähigkeit zu verstehen:

„Handlungsentscheidungen in wertbezogenen Konfliktfällen mit Bezug auf individu-

elle und gesellschaftliche Wertorientierungen zu reflektieren und zu begründen sowie

die eigene Lebensgestaltung auf der Grundlage individueller und gesellschaftlicher

Wertorientierungen und Grundhaltungen reflektiert und begründet zu planen und

durchzuführen.“ (Herzig 1998, S. 33)

Wobei der zweite Punkt – wie erwähnt – der außermoralischen Sphäre zuzuordnen ist und

in dieser Arbeit nur insofern eine Rolle spielt, als auch das Handeln in dieser Sphäre Aus-

wirkungen auf die Mitmenschen hat und somit jedermann die Konsequenzen des eigenen

Handelns einer Reflexion unterziehen sollte, will man von Handeln im moralischem Sinne

sprechen.

Jetzt wo der Begriff der ethischen Urteilsfähigkeit geklärt ist, ist auch die Frage nach der

moralischen Urteilsfähigkeit leicht zu beantworten. Kohlberg (1964, S. 425) bezeichnet die

moralische Urteilsfähigkeit als "the capacity to make decisions and judgments which are

moral (i.e., based on internal principles) and to act in accordance with such judgments".

Frei übersetzt: Moralische Urteilsfähigkeit ist „das Vermögen, moralische Entscheidungen

und Urteile zu treffen, die moralisch sind (also auf moralischen Prinzipien gründen), und

in Übereinstimmung mit diesen Urteilen zu handeln.“ (Lind 2000a, S. 23, Herv. i. Orig.)

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Moralische Urteilsfähigkeit

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Es wäre jedoch noch der Frage nachzugehen, ob Kohlberg auch so etwas wie die morali-

sche Orientierungsfähigkeit einführt bzw. ob diese in der Urteilsfähigkeit bereits enthalten

ist. Da die Orientierungsfähigkeit Voraussetzung für die Urteilsfähigkeit ist, wie oben ge-

zeigt wurde, ist anzunehmen, dass diese in der angeführten Definition von Kohlberg mit-

gedacht ist.

Aber wie kommen solche moralischen Urteile zustande bzw. was zeichnet sie aus? Lem-

pert versucht, hierauf eine Antwort zu geben. Ihm zufolge spiegeln sie die Fähigkeit wider,

„die Bereitschaft und das Vermögen, sich in andere Menschen hineinzuversetzen und

sich deren Bedürfnisse, Gefühle (...) und Absichten klarzumachen, einerseits, und

(…) die Fähigkeit und der Mut zur deutlichen Artikulation der eigenen Bestrebungen

andererseits, weiterhin

das Verständnis für moralische Regeln, Normen, Werte und Prinzipien sowie

(…) die Sorge um das Wohlergehen anderer und Gerechtigkeitssinn, und

kritische und konstruktive Fähigkeiten wie das Vermögen, nüchtern zu analysieren,

logisch zu denken, aber auch wertend zu entscheiden und schöpferisch Auswege aus

scheinbar ausweglosen Situationen zu finden.“ (Lempert 1988, S. 19, Herv. i. Orig.)

Auch in dieser Definition von moralischer Urteilsfähigkeit werden bereits vertraute Ele-

mente deutlich: der Gerechtigkeitssinn, die Orientierungsfähigkeit über und die Artikulati-

on des eigenen Standpunktes, moralische Regeln, Gesetze, Prinzipien (im Sinne von Kant),

die Fähigkeit zur Rollenübernahme u.a. Lempert hebt aber noch einen weiteren Aspekt

hervor, der beim Zitat von Kohlberg nicht so deutlich zum Ausdruck kommt: Demnach

„stellt moralische Urteilsfähigkeit das Vermögen dar, für soziale Konflikte Lösungen zu

finden, auf die sich alle Beteiligten und Betroffenen einigen können.“ (Lempert 1988,

S. 12, Herv. i. Orig.) Lempert hebt hier das Kollektive am Zustandekommen der Konflikt-

lösung hervor. Lösungen, bei denen a) ALLE am Lösungsprozess beteiligt sind und diese

somit von ALLEN mitgetragen werden und b) bei denen ALLE die Konsequenzen des

Handelns bewusst in Kauf nehmen, sind wohl auch im Sinne von Kohlberg moralisch,

auch wenn dies weiter oben noch nicht ganz zum Ausdruck gekommen ist. Dieses Kollek-

tiv, das Lempert hier hervorhebt, wird aber spätestens dann deutlich, wenn es um den Just-

community Ansatz geht (vgl. Kap. 8.1.1.1).

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Moralische Urteilsfähigkeit

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Linds 2-Aspekte-Modell der moralischen Urteilsfähigkeit

Im Rahmen des empirischen Teils steht die moralische Urteilsfähigkeit im Sinne von Lind

– welche stark auf jener von Kohlberg basiert – im Zentrum, daher sollte an dieser Stelle

ebenfalls auf sie eingegangen werden. Dies wird jedoch erst in Kapitel 7 nachgeholt, wo es

um die Beschreibung der abhängigen Variable „MUT“ geht. Die Leserin und der Leser

seien auf diese Stelle verwiesen.

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Moralerziehung in der Schule – Eine sokratisch-klassische Forderung?

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4 Moralerziehung in der Schule –

Eine sokratisch-klassische Forderung?

Nicht nur gesetzliche Normen – wie etwa der Lehrplan, wie zu sehen sein wird – schreiben

uns vor, Moralerziehung in der Schule umzusetzen, sondern auch der Bildungsbegriff an

sich tut das bereits. Warum das so ist, soll im Folgenden mit Klafki (1993) in Rückbezug

auf Kant erörtert werden.

Wolfgang Klafki verweist in seinem Werk „Neue Studien zur Bildungstheorie und Didak-

tik. Zeitgemäße Allgemeinbildung und kritisch-konstruktive Didaktik“ darauf, dass die

Erörterung theoriegeschichtlicher Zusammenhänge für die Auslegung des Bildungsbegriffs

nötig ist, um nicht bereits einmal gewonnene Erkenntnisse zu unterschreiten (vgl. Klafki

1993, S. 16).

Eigentlich müsste in der Geschichte bis auf Sokrates zurückgegangen werden um die theo-

riegeschichtlichen Zusammenhänge adäquat aufzuarbeiten. Klafki verzichtet jedoch darauf

und beschränkt sich auf die deutsche Klassik, mit dem Hinweis, dass diese die Sachverhal-

te der Antike gut verarbeitet hat (vgl. Klafki 1993, S. 16f.). Folgende vier Dimensionen

sind nach Klafki konstitutiv für den Bildungsbegriff:

1. Bildung als Befähigung zu vernünftiger Selbstbestimmung

Diesen zentralen Gedanken (der ganz offensichtlich der Aufklärung entspringt) umschreibt

Klafki mit den Worten Befähigung zur Selbstbestimmung, Freiheit, Emanzipation, Auto-

nomie, Mündigkeit, Vernunft, Selbständigkeit (vgl. Klafki 1993, S. 19). Erinnert sei an

dieser Stelle an Kant: „A u f k l ä r u n g ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstver-

schuldeten Unmündigkeit. Unmüdigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne

Leitung eines andern zu bedienen.“ (Kant 1969/1784, S. 1, Herv. i. Orig.) Gleichzeitig ist

Bildung im Sinne Kants auch „Sich selbst besser machen, sich selbst kultivieren und …

Moralität bei sich hervorbringen, das soll der Mensch“. (Kant zit. nach Klafki 1993, S. 20)

2. Bildung als Subjektentwicklung im Medium objektiv-allgemeiner Inhaltlichkeit

Quasi als Gegengewicht zur relativ subjektivistisch erscheinenden ersten Dimension wird

hier Bildung nicht nur in Bezug zum Individuum definiert, sondern in Bezug auf die ge-

samte Gesellschaft. Denn „Vernünftigkeit, Selbstbestimmungsfähigkeit, Freiheit des Den-

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Moralerziehung in der Schule – Eine sokratisch-klassische Forderung?

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kens und Handelns gewinnt das Subjekt nur in Aneignungs- und Auseinandersetzungspro-

zessen mit einer Inhaltlichkeit, die zunächst nicht ihm selbst entstammt, sondern Objekti-

vation bisheriger menschlicher Kulturtätigkeit im weitesten Sinne des Wortes ist“. (Klafki

1993, S. 21, Herv. i. Orig.) Bildung muss daher Bildung für alle sein. Ziel und Aufgabe

dieser Allgemeinbildung ist nach Kant u.a. humanitärer Fortschritt: „Kinder sollen nicht

dem gegenwärtigen, sondern dem zukünftig möglich besseren Zustand des menschlichen

Geschlechts, das ist: der Idee der Menschheit, und deren ganzer Bestimmung angemessen,

erzogen werden“. (Kant zit. nach Klafki 1993, S. 25)

3. Individualität und Gemeinschaftlichkeit im klassischen Bildungsbegriff

Aufbauend auf die eben genannte Beziehung zwischen Selbstbestimmungsfähigkeit und

objektiv-allgemeiner Inhaltlichkeit wird deutlich, dass Individualität und Gemeinschaft

zentrale Merkmale des Bildungsbegriffs sind (vgl. Klafki 1993, S. 26). Klafki spinnt dieses

Gebot der dialektischen Beziehung zwischen Individualität und Gemeinschaftlichkeit wei-

ter und weitet es auf die Ebene der Völker und Nationen aus. „Die (…) utopische Leitvor-

stellung der klassischen Bildungstheoretiker war ein friedliches, von Beherrschungsabsich-

ten freies Zusammenleben von Völkern, Nationen, Kulturen in wechselseitiger Anerken-

nung und in wechselseitigem Austausch ‚zur Beförderung der Humanität’“. (Klafki 1993,

S. 28, Herv. i. Orig.)

4. Die moralische, kognitive, ästhetische und praktische Dimension im klassischen

Bildungsbegriff

Mit den ersten drei Beiträgen zur Definition des Bildungsbegriffs sollte deutlich geworden

sein, worin die klassischen Bildungstheoretiker (wie bspw. Kant) die moralische Dimensi-

on des Bildungsbegriffs sehen. Zusammengefasst kann gesagt werden: „Dass Bildung im

Denken der bildungstheoretischen Klassiker zentral Erweckung der selbstbestimmten mo-

ralischen Verantwortlichkeit, der moralischen Handlungsbereitschaft und Handlungsfä-

higkeit meinte“. (Klafki 1993, S. 30f., Herv. i. Orig.)

Die kognitive Dimension bzw. die des Erkennens und Denkens wurzelt in dem aufkläreri-

schen Postulat: „Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes (und deiner Ei-

genen Vernunft, Ergänzung d. Verf.) zu bedienen!“ (Kant 1969/1784, S. 1, Herv. i. Orig.)

Während der Begriff „Verstand“ im Sinne von Kant die instrumentelle Rationalität meint,

durch die „Wissen und Erkenntnis produziert wird“ (vgl. ebd.), ist unter „Vernunft“ der

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Moralerziehung in der Schule – Eine sokratisch-klassische Forderung?

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reflexive Modus zu verstehen, bei dem „nach begründbaren Zielen der Verwendung von

Wissen und Erkenntnis gefragt wird.“ (vgl. ebd.) Besonders wichtig ist in diesem Zusam-

menhang, dass die bildungstheoretischen Klassiker davor warnen, kognitive Bildung auf

ihre instrumentelle Rationalität zu reduzieren. Sie fordern dagegen immer eine Rückbin-

dung auf die Vernunft. „Wir werden die Probleme unserer Gegenwart und der in ihr sich

abzeichnenden Zukunft gewiss nicht ohne instrumentelle Rationalität und auf ihre beru-

hende Technik bewältigen können. Aber wir werden nur das Arsenal von Mitteln, die neue

Abhängigkeiten, neue Parzellierungen, neue Konfliktpotentiale, neue naturzerstörende

Folgewirkungen, nicht zuletzt: kumulierte Möglichkeiten der Vernichtung der gesamten

Menschheit vergrößern, wenn es nicht gelingt, die Entfaltung der instrumentellen Rationa-

lität unter die Kontrolle reflexiver Vernunft zu bringen“. (Klafki 1993, S. 32) Auf die äs-

thetische und praktische Dimension wird an dieser Stelle nicht eingegangen, da sie keinen

wesentlichen Beitrag für die hier interessierende Fragestellung leisten.

Was bedeuten diese Ausführungen der bildungstheoretischen Klassiker nun für eine demo-

kratische Schule? Was können sie zur Definition des Demokratie- und Moralbegriffs im

Kontext der Schule beitragen? Es soll Antwort auf diese Fragen gegeben werden, indem

kurz auf zwei Postulate verwiesen wird, die Klafki u.a. aus den oben angeführten Bestim-

mungen der bildungstheoretischen Klassiker für den Bildungsbegriff ableitet.

Erstens: Bildungsfragen sind Gesellschaftsfragen und umgekehrt! „Bildungstheorie und

Bildungspraxis, so scheint es, haben sich an den Grundstrukturen und den Anforderungen

zu orientieren, die der faktische Entwicklungsprozess der Gesellschaft vorgibt.“ (Klafki

1993, S. 50) Andererseits kommt der Bildungstheorie und Bildungspraxis die Aufgabe zu

gesellschaftliche Verhältnisse zu steuern; und zwar „unter dem Gesichtspunkt der pädago-

gischen Verantwortung für gegenwärtige und zukünftige Lebens- und Entwicklungsmög-

lichkeiten jedes jungen Menschen“. (Klafki 1993, S 50f.) Schule muss die Schüler/innen

also zur Mitbestimmung befähigen und ihm/ihr dafür Möglichkeiten zur Erlangung dieser

Befähigung bieten. Denn, wie eingangs schon erwähnt: Nicht aus dem Felsen oder der Ei-

che entspringen Verfassungen, sondern aus dem Menschen.

Zweitens: Derartige Möglichkeiten, an denen der/die Schüler/in sich erproben kann, sollen

in Form von epochaltypischen Schlüsselproblemen – wie sie Klafki nennt – dargeboten

werden. Der Ausdruck „epochaltypische Schlüsselprobleme“ meint dabei zentrale gesamt-

gesellschaftliche, globale Probleme der Gegenwart und Zukunft, an denen der/die Schü-

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Moralerziehung in der Schule – Eine sokratisch-klassische Forderung?

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ler/in Problembewusstsein, Mitverantwortlichkeit für deren Entstehung und Bereitschaft

zur Bewältigung erlangt. Als Beispiele nennt Klafki Friedens- und Umweltfragen (vgl.

Klafki 1993, S. 56). Der Unterricht muss dabei nicht zwingend Problemlösungen erarbei-

ten, sondern soll die Chance zur eigenen Urteilsbildung und Reflexion von Entscheidungen

und Handlungen ermöglichen. Die Vielschichtigkeit des Problems soll von mehreren Sei-

ten her betrachtet werden. „Verbindlich daran ist die Anforderung, problemsichtig zu wer-

den, ein differenziertes Problembewusstsein zu gewinnen; hingegen kann es nicht um die

Festlegung auf eine einzige Sichtweise und einen bestimmten der in der Diskussion befind-

lichen Problemlösungsvorschlag gehen – das wäre mit dem Anspruch auf Entwicklung der

Selbstbestimmungsfähigkeit (sowie mit jenem der moralischen Urteilsfähigkeit, Ergänzung

d. Verf.) unvereinbar.“ (Klafki 1993, S. 62, Herv. i. Orig.) Viel mehr sind unterschiedliche

Lösungen und ihre dahinter stehenden Interessen zu verdeutlichen, um infolge „sich selbst

und anderen die argumentative Begründung eigener Positionen und Entscheidungen abzu-

verlangen.“ (Klafki 1993, S. 62) Zusammengefasst setzt dies voraus, dass Unterricht die

Schüler/innen zur Kritikbereitschaft und –fähigkeit, Argumentationsbereitschaft und -

fähigkeit, zur Fähigkeit sich in die Sicht eines anderen zu versetzen, zu vernetztem Denken

bzw. Zusammenhangsdenken usw. erzieht (vgl. Klafki 1993, S. 63).

Es zeichnet sich aus diesen Forderungen bereits ab, dass die Konzeption des Unterrichts

eine andere sein muss, als die herkömmliche, tradierte. Klafki verweist darauf, dass der 45-

Minuten-Unterricht diesen gestellten Forderungen wohl kaum gerecht werden kann und

fordert daher die Einführung von mindestens 2-Stunden-Epochalunterrichtsphasen. Er ver-

weist auf Schulen, wie die Waldorfschulen, die Peter Petersens Jena-Plan-Schulen etc., die

diese Forderung bereits mit Erfolg umgesetzt haben (vgl. Klafki 1993, S. 66). Auch der

COOL-Ansatz würde wohl von Klafki in diese Liste aufgenommen werden.

Um die Grundprinzipien einer kritisch-konstruktiven Didaktik – Prinzip der Selbst- und

Mitbestimmung sowie das Solidaritätsprinzip – im Unterricht zu verwirklichen, fordert

Klafki, dass die Schüler/innen in die Mitplanung des Unterrichts im Sinne eines Unter-

richts über Unterricht, miteinbezogen werden (vgl. Klafki 1993, S. 129). Er verweist in

diesem Zusammenhang auf den offenen, schülerzentrierten Unterricht, was an dieser Stelle

besonders interessant erscheint, da COOL behauptet, diese beiden Merkmale zu verwirkli-

chen. Für die Unterrichtspraxis bedeutet dies, Klafki zufolge, dass „an der Entwicklung

eines flexiblen Modells für einen offenen, problem- und schülerorientierten Unterricht“

(Klafki 1993, S. 137, Herv. i. Orig.) gearbeitet werden muss.

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Moralerziehung in der Schule – Eine sokratisch-klassische Forderung?

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Mit dem eben gezeigten Verweis von Klafki, dass offener, problem- und schülerorientier-

ter Unterricht die demokratische Schule in einem qualitativ neuen Sinn besser zu verwirk-

lichen mag als der herkömmliche, meist lehrerzentrierte Unterricht, soll hier ein resümie-

render Abschluss zu Klafkis Vorstellungen von Demokratie im Unterricht gezogen wer-

den. Natürlich muss bedacht werden, dass es sich in diesem Kapitel nur um eine verkürzte

und leider auch unvollständige Darstellung seiner Idee zu einer kritisch-konstruktiven Di-

daktik handelt. Beispielsweise wäre noch auf seine Ausführungen zur Differenzierung und

Individualisierung des Unterrichts, zum Leistungsbegriff, zum exemplarischen Lernen, zur

Unterrichtsanalyse und –planung etc. genauer einzugehen. Eine gründliche Darstellung

wäre zudem auch hilfreich, um die Gedankengänge Klafkis noch besser nachvollziehen zu

können. Die Kernelemente seines Verständnisses von demokratischer Schule sollten je-

doch deutlich geworden sein.

Auch COOL verfügt – wie zu sehen sein wird – über derartige Kernelemente, wie sie

Klafki beschreibt. Damit schafft COOL günstige Voraussetzungen um Klafkis Bildungs-

begriff zu verwirklichen. Jedoch, dies zu analysieren, ist gar nicht Anliegen dieser Arbeit,

es reicht, dass gesagt werden kann: Der Weg für Moralerziehung in den berufsbildenden

höheren Schulen ist geebnet! Nicht nur – wie eben ausführlich erörtert – aus bildungstheo-

retischer sondern auch aus rechtlicher Sicht, wie folgende kurze Lehrplananalyse zeigt.

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Demokratische Moral im Unterricht – Eine Forderung des Lehrplans?

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5 Demokratische Moral im Unterricht –

Eine Forderung des Lehrplans?

„Moralische Erziehung – gute oder schlechte findet statt, wenn Schüler einzeln oder unter-

einander, Schüler und Lehrer, Kind und Eltern, Lehrling und Werkmeister etc. vor ein

Problem gestellt werden, das mit Gerechtigkeit, mit Wahrhaftigkeit, mit zwischenmensch-

licher Fürsorge oder mit anderen moralischen Werten zu tun hat und das in einer besseren

oder schlechteren Weise gelöst werden kann. Sofern Personen in solchen Problemsituation

ihre »praktische Vernunft« gebrauchen, aber auch ihre Lösungsvorschläge und ihre morali-

sche Sensibilität zur Geltung bringen, verändern sie sich, lernen sie.“ (Oser & Althof 1997,

S. 23, Herv. i. Orig., kursiv d. Verf.). In diesem langen Zitat kommt ganz allgemein zum

Ausdruck, was in der vorliegenden Arbeit unter moralischer Erziehung zu verstehen ist.

Gleichzeitig zeigt es uns, dass Moral in der Schule sehr auf (Meta)werten wie Gerechtig-

keit, Fairness, Konsens etc. beruht. Der/die Leser/in sei an die Gerechtigkeitstheorie und

den Schleier des Nichtwissens von John Rawls erinnert. Umgelegt auf die Schule heißt das,

dass das Schulleben und die Lösung von Problemen, Konflikten etc. auf gemeinsam kon-

stituierten Regeln beruht, zumindest im Optimalfall, wie es der JC-Ansatz beispielhaft vor-

führt. Moral(erziehung) in der Schule ist m.E. nach also weniger eine Moral der höchsten

Prinzipien (wie etwa nach Kant), sondern eher eine gruppenorientierte Moral (eher nach

Rawls). In der Literatur wird sie daher auch als demokratische Moral bezeichnet, da sie

von demokratischen Werten und Prinzipien gespeist wird. Im Folgenden wird die Frage

nach der Legitimation von Demokratie, als verpflichtendem Teil des Unterrichts, beleuch-

tet. Nämlich aus dem Blickwinkel der Schulorganisation, d.h. dem Lehrplan und seinen

Forderungen. Fordert und fördert der Lehrplan der HAK – Demokratie im Unterricht/in der

Schule? Auf den Lehrplan der HLW wird nicht eingegangen, da davon ausgegangen wird,

dass sich dieser – in den für diese Analyse relevanten Punkten – kaum von jenem der HAK

unterscheidet.

Es ist erstaunlich, wie sehr der Lehrplan der Handelsakademien vom Demokratie-Ziel (Be-

fähigung zur Demokratie) geprägt ist. Bereits die Leitziele, die zu vermittelnden Kompe-

tenzen und die allgemeinen didaktischen Grundsätze beinhalten viele Passagen, die Demo-

kratie im Unterricht fordern. Ein paar ausgewählte Textstellen sollen hier zum Beleg und

zur Veranschaulichung kurz kommentiert werden:

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Demokratische Moral im Unterricht – Eine Forderung des Lehrplans?

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„Die Absolventinnen und Absolventen einer Handelsakademie sollen grundlegend dazu

befähigt sein,

… für Frieden und Gerechtigkeit einzutreten und sich für die Bewahrung einer menschen-

gerechten Umwelt und Zukunft für alle einzusetzen.“ (BMUKK 2004, o.S., kursiv d. Verf.)

Wie kann man die Schüler/innen konkret zu dieser Forderung befähigen? Eine Möglichkeit

besteht darin, Demokratie zu lehren. Spinnt man den Gedanken der Demokratie zu Ende,

so wird deutlich, dass Demokratie viel mehr ist als die tradierte, monolithische Vorstellung

vom Wahlrecht. Ziel einer Demokratie ist immer auch die Wahrung des Friedens und der

Gerechtigkeit. So sieht schon Kant (1781) in der Demokratie ein wichtiges Mittel zur Wah-

rung des Friedens. In seinem Werk „Zum ewigen Frieden“ fordert er unter anderem, dass

die bürgerliche Verfassung in einem jeden Staat republikanisch sein sollte. Damit meint er

Freiheit und Gleichheit aller Gesellschaftsmitglieder sowie eine einzelne gemeinsame Ge-

setzgebung und die Gewaltentrennung im Staat (vgl. Kant 1987/1781, S. 10).

Um diese Ziele zu erreichen, ist es sicherlich auch wichtig, die rechts-politische Definition,

die Rechte und Pflichten in einer Demokratie zu lehren, aber vor allem ist es wichtig, die

Schüler/innen Demokratie leben und fühlen zu lassen. Letzteres kann zwangsläufig nur

durch neue Formen des Lernens geschehen (siehe Kap. 8.1.1.1).

… „im Sinne einer interkulturellen Bildung Verständnis und Achtung für andere und deren

Arbeit und Standpunkte aufzubringen und in Konfliktsituationen nach konstruktiven Lö-

sungen zu suchen.“ (BMUKK 2004, o.S., kursiv d. Verf.)

Die Achtung des Anderen und die Anerkennung dessen Standpunkte, Meinung oder Ar-

gumente ist eine wichtige Teilfähigkeit der moral-demokratischen Kompetenz. Umgekehrt

ist eine hohe moralische Urteilsfähigkeit nötig, um Meinungen, die der eigenen widerspre-

chen, zu akzeptieren und anzuerkennen (vgl. Lind 2000a, S. 90; sowie Kap. 7.1.1). Gerade

um konstruktive Lösungen in Konfliktsituationen zu finden, braucht es eine Konsensfähig-

keit, die es den Streitparteien erlaubt von der eigenen, verfahrenen Meinung zurück zu

„steigen“ um Freiraum für eine produktive Lösung zu bieten. Auch diese Konfliktlösefä-

higkeit lässt sich durch das Leben von Demokratie erlernen (vgl. dazu die Grundprinzipien

der Just-community, Kap. 8.1.1.1 sowie zur Messbarkeit von Konfliktlösefähigkeit Lind

2000a, S. 145).

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Demokratische Moral im Unterricht – Eine Forderung des Lehrplans?

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… „die Gesellschaft und den Staat mit zu gestalten und für Freiheit und demokratische

Prinzipien einzutreten.“ (BMUKK 2004, o.S., kursiv d. Verf.)

Um „den Staat“ zu gestalten und um für demokratische Prinzipien eintreten zu können, ist

es nötig zu wissen, wie beide „funktionieren“. Der Politische-Bildung-Unterricht vermag

dazu die fachliche Kenntnis zu vermitteln. Es ist jedoch der gelebten Demokratie im Unter-

richt vorbehalten auch die Kompetenzen – nämlich die Befähigung zum Tun und Handeln

– dafür zu vermitteln. Wie bspw. das Parlament funktioniert ist schnell erklärt, wie man bei

bestimmten Problemen, die die ganz Schulklasse betreffen, zu einer von allen getragenen

Lösung kommt, lässt sich jedoch bspw. mit dem demokratischen Instrument des Klassenra-

tes vermitteln bzw. durchleben.

… „als verantwortungsbewusste Menschen die Folgen ihres eigenen Verhaltens und des

Verhaltens anderer für die Gesellschaft zu überblicken und sich ein selbstständiges Urteil

bilden zu können.“ (BMUKK 2004, o.S., kursiv d. Verf.)

Um die Schüler/innen nach dem Motto: „Zuerst denken, dann sprechen/handeln!“ zu einer

Fähigkeit zu erziehen, die es ihnen erlaubt über eigenes Handeln und Verhalten zu reflek-

tieren, sind Unterrichtssituationen nötig, die Diskussionen über die Folgen von bestimmten

Verhaltensweisen zulassen, sodass sich ein jeder sein differenziertes Urteil darüber bilden

kann. Dobbelstein-Osthoff nennt in diesem Zusammenhang Fairnessdiskussionen, „die

Konflikte und Probleme aufgreifen, bei denen aus der Sicht der Betroffenen Handlungs-

und Regelungsbedarf bestehen. Die Grundidee ist, Lösungen bzw. Regelungen zu finden,

die den unterschiedlichen Interessen aller möglichst gerecht werden.“ (Dobbelstein-

Osthoff 1993, S. 66)

Schüler/innen sollen …

… „Schlüsselqualifikationen entwickeln und zum logischen, kreativen und vernetzten Den-

ken fähig sein.“ (BMUKK 2004, o.S., kursiv d. Verf.)

In Kapitel 3 wurde bereits mit Karin Heinrichs darauf verwiesen, dass die moralische Ur-

teilsfähigkeit mit der Schlüsselqualifikation „soziale Kompetenz“ vieles verbindet und dass

sie wichtiger Bestandteil dieser ist (vgl. Heinrichs 1997, S. 1). Wird daher Demokratie in

der Schule verwirklicht, so wird also nicht nur bloß irgendeine Urteilsfähigkeit gefördert,

sondern eine Fähigkeit, die womöglich Grundlage für viele weitere soziale Kompetenzen

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Demokratische Moral im Unterricht – Eine Forderung des Lehrplans?

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ist oder aber zumindest fördernd auf diese einwirkt. So ist wenig verwunderlich, dass Lind

(2007a) hervor hebt, dass moralische Urteilsfähigkeit bspw. für kooperatives Verhalten

von hoher Relevanz ist.

… „zur Zusammenarbeit bereit und fähig sein, d.h. Kommunikationsfähigkeit und soziale

Kompetenzen erwerben und anwenden.“ (BMUKK 2004, o.S., kursiv d. Verf.)

Schirp sieht in der Öffnung der Schule bzw. des Unterrichts – der sich u.a. dadurch aus-

zeichnet, dass die erfahrbare Lebenswelt der Schüler/innen in den Unterricht mit hinein

genommen wird – als eine Chance soziales Lernen zu verwirklichen und die Kooperations-

fähigkeit vieler Schüler/innen zu verbessern. Der Ansatz „Demokratie und Erziehung in

der Schule. Förderung der Urteilsfähigkeit“ beschreibt eine mögliche und viel verspre-

chende Variante der Öffnung von Schule (vgl. Schirp 1993, S. 54 u. 56).

Unter den allgemeinen didaktischen Grundsätzen findet sich explizit der Hinweis auf neue

Lernformen, die verstärkt auf Kooperation unter den Schüler/innen setzen:

… „Neue Lernformen befähigen die Schülerinnen und Schüler zur Lösung von Problemen.

Auf Kooperation der Schülerinnen und Schüler miteinander und rechtzeitige Aufgabener-

füllung ist zu achten.“ (BMUKK 2004, o.S., kursiv d. Verf.)

Der Rahmenlehrplan schlägt hier vor kooperatives, offenes Lernen einzusetzen, welches

die Schüler/innen vermehrt zu eigenständiger und selbstverantwortlicher Arbeitsweise er-

zieht, sie zur Teamarbeit befähigt und zu sozialem, solidarischem Handeln und Lernen

motiviert. Wie bereits erwähnt beinhalten die Ansätze Demokratie in der Schule im All-

gemeinen oder der Just-community Ansatz nach Lawrence Kohlberg im Konkreten, viele

Elemente, die es ermöglichen kooperatives, offenes Lernen praktisch umzusetzen.

Zwar wird an keiner Stelle des Lehrplans explizit erwähnt, dass die Demokratie im Unter-

richt gelehrt/gelebt werden soll, jedoch lässt sich dies alleine aus dem Hinweis, dass der

Lehrplan ein Rahmenlehrplan sei und die Lehrperson den gegebenen Raum nützen soll um

die didaktischen Grundsätze zu verwirklichen, ableiten.

Ohne die konkreten Bestimmungen für einzelne Unterrichtsfächer zu durchleuchten, wurde

bereits ersichtlich, dass alleine die allgemeinen Leitziele, Kompetenzen und didaktischen

Grundsätze des Rahmenlehrplans der Handelsakademie eine Vielzahl von Forderungen

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nach Demokratie in der Schule beinhalten. Dieser kurze Exkurs in den Lehrplan zeigt, dass

Demokratie in der Schule gesetzlich legitimiert ist. Es werden aber auch die vielfältigen

Anforderungen an die Lehrkräfte ersichtlich. Bleibt die Frage offen, ob die Lehrkräfte im

Stande sind diesen Forderungen nachzukommen, oder für sie aufgrund der Komplexität

und Abstraktheit dieser Ansprüche, die Forderung nach Demokratie in der Schule nur eine

leere Floskel bleibt? Der Just-community Ansatz würde eine mögliche Form darstellen,

diesen Ansprüchen gerecht zu werden.

Grob zusammengefasst kann gesagt werden, dass unter Demokratie in der Schule (im Sin-

ne des Lehrplans) Folgendes zu verstehen ist: Unterricht soll so gestaltet sein, dass die

Schüler/innen dazu befähigt werden,

sich für Frieden, Gerechtigkeit, Gleichheit und andere demokratische Prinzipien ein-

zusetzen,

die Gesellschaft, den Staat mitzugestalten,

kooperativ, sozial und solidarisch zusammen zu wirken,

andere Meinungen, Kulturen und Gesellschaften anzuerkennen,

in Konfliktsituationen zur Konsensbildung zu finden,

über eigenes Verhalten und dessen Konsequenzen zu reflektieren um verantwor-

tungsbewusste Entscheidungen treffen zu können,

sich mit ethischen und moralischen Werten und Fragen auseinanderzusetzen,

ihre eigene Persönlichkeit weiter zu entwickeln,

Humanität und Toleranz zu leben…

Insofern kann Demokratie in der Schule nur bedeuten, dass den Schüler/innen genügend

Gelegenheiten geboten werden, die es ermöglichen oben stehende Kompetenzen zu trainie-

ren und zu erwerben. Wie derartige Situationen aussehen können wird weiter unten aufge-

zeigt. Weiters können wir aus diesen Ergebnissen schließen, dass Demokratie im Unter-

richt im Sinne des Lehrplans mehr meint als nur die Vermittlung einer rechts-politischen

Begriffsdefinition.

Interessant ist auch, dass Demokratie in der Schule in allen Ausbildungszweigen der Han-

delsakademien gefordert wird. Die Forderung also keine Besonderheit von COOL darstellt,

wie man vielleicht eingangs vermutet hätte. Aufgrund der Konzeption von COOL und der

hohen Marketinganstrengungen, die immer wieder auch den offenen, demokratischen As-

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Demokratische Moral im Unterricht – Eine Forderung des Lehrplans?

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pekt hervorheben, könnte man dazu verleitet werden, zu denken COOL hätte eine Art Mo-

nopol auf Demokratie in der Schule bzw. nur dieser Zweig würde eine adäquate Umset-

zung erlauben. Wie der Lehrplan zeigt wird diese Vermutung widerlegt. Demokratie in der

Schule im obigen Sinne wird gefordert, unabhängig vom Ausbildungszweig.

Abschließend soll noch die Frage aufgeworfen werden, ob es in einer Gesellschaft, die sich

als demokratisch bezeichnet, überhaupt nötig sein muss, demokratische Prinzipien in den

Lehrplänen explizit zu verankern. Sollte Demokratie in der Schule nicht vielmehr Selbst-

verständnis des Schulsystems sein? Da das Schulsystem ein funktionales Subsystem unse-

rer demokratischen Gesellschaft bildet, wäre nicht ohnedies Demokratie in der Schule nö-

tig um einer „vollkommen“ demokratischen Gesellschaft möglichst nahe zu kommen? Mit

den Ausführungen von Klafki im vorangehenden Kapitel sind beide Fragen mit Ja zu be-

antworten. Auch mit Fend (1980) und Dewey (1993/1964) können wir ebenso bejahend

antworten: Eine Funktion der Schule ist die Reproduktions- bzw. Enkulturationsfunktion.

Sie soll die Aufrechterhaltung (des Wissens, der Basisfähigkeiten) der Gesellschaft ge-

währleisten. Zu diesen Basisfähigkeiten einer Kultur, wie der unseren, gehören eben nicht

nur Schreiben und Lesen, sondern auch moralisch-demokratische Kompetenzen. „Jedes der

Mitglieder, aus denen eine soziale Gruppe, eine moderne Stadt ebenso wie ein wilder

Volksstamm, besteht, wird unreif, hilflos, ohne Sprache, Glauben, Ideen und soziale Nor-

men geboren. (…) Die unerklärbaren Urfaktoren von Geburt und Tod jedes Mitgliedes

einer sozialen Gruppe machen Erziehung notwendig.“ (Dewey 1993/1964, S. 17)

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Forschungsdesign – Methodologie einer quantitativen Untersuchung

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6 Forschungsdesign – Methodologie einer quantitativen Untersuchung

Es soll hier vorerst ein Überblick über das methodische Design meiner quantitativen Un-

tersuchung gegeben werden. Auf qualitative Methoden wird hier nicht eingegangen, aber

es soll darauf hingewiesen werden, dass diese auch für meine Forschungsfrage relevant

sind bzw. einen mindestens genauso wertvollen Beitrag zur Beantwortung der Forschungs-

frage leisten (vgl. dazu Kap. 11).

6.1 Die Prüfung von Hypothesen als einleitende Problemstellung

Lind (1993a, S. 74) betont, dass der Erfolg pädagogischer Interventionen in der Regel von

vielen Ursachen und Faktoren abhängt. Das Problem ist: Um diesen Ursachen auf die Spur

zu kommen, genügen wenige Erprobungen meist nicht. „Will man diese anderen Möglich-

keiten der Erklärung eines ,Erfolgs’ ausschließen und damit belegen, dass überwiegend der

pädagogische Ansatz für die Wirksamkeit verantwortlich gemacht werden kann, muss eine

systematische Überprüfung erfolgen, das heißt, der Ansatz muss mehrmals unter verschie-

denen Bedingungen wiederholt werden, und zwar so, dass vermutete andere Ursachen für

die festgestellte Wirkung ausgeschlossen werden können.“ (Lind 1993a, S. 74, Herv. i.

Orig.) Um diese anderen Ursachen im Rahmen einer empirischen Untersuchung pädagogi-

scher Interventionen auszuschließen, schlägt Lind (vgl. 1993a, S. 74), bezugnehmend auf

Campbell & Stanley (1966), folgende Maßnahmen vor (vgl. ebenfalls Schnell, Hill & Es-

ser 1992, S. 223ff.):

a. Vorher- und Nachher-Messungen

b. Experimentalgruppen und Kontrollgruppen (d.h. Personen, die am Programm teil-

nehmen und jene, die nicht daran teilnehmen)

c. zufällige Auswahl der Versuchspersonen

d. zufällige Aufteilung auf Experimental- und Kontrollgruppen

e. repräsentative Auswahl der Umgebungsbedingungen (Zeit, Gesellschaft, Region u.a.)

Eine Ausschaltung bzw. Berücksichtigung aller denkbaren Alternativerklärungen ist je-

doch unmöglich (vgl. Lind 1993a, S. 74; Schnell, Hill & Esser 1992, S. 251f.). Dies ergibt

sich alleine schon daraus, dass „der Katalog möglicher Alternativursachen und daher auch

die Liste der experimentellen Maßnahmen, die man zur Kontrolle oder Ausschaltung dieser

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Forschungsdesign – Methodologie einer quantitativen Untersuchung

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Ursachen zu beachten hätte, immer unvollständig ist, wie umfangreich man sie auch

macht.“ (Lind 1993a, S. 74) Dies führt unweigerlich dazu, dass es dem Forscher überlassen

bleibt, welche Bedingungen einer Intervention systematisch variiert werden bzw. welche

Alternativvariablen damit ausgeschaltet werden (vgl. Lind 1993a, S. 74). Schnell, Hill &

Esser (1992, S. 251f.) sehen dasselbe Problem, wenn sie meinen, die Anzahl möglicher

Drittvariablen sei theoretisch kaum begrenzbar, aus forschungsökonomischen Gründen

diese aber begrenzt werden müssen. Als Lösung dieses Problems schlagen sie vor: „Die

einzig Erfolg versprechende Strategie liegt aber in der systematischen und konsequenten

Überprüfung einer theoretischen Argumentation, die bewusst eben nicht ,alle denkbaren’

Drittvariablen berücksichtigt, sondern ,nur’ jene, die einer stringenten Argumentation ent-

springen. (…) In diesem Kontext wird die unabhängige Variable zu einer integrierten Va-

riable innerhalb eines Theoriegebildes, welches zugleich eine Reihe spezifischer Drittvari-

ablen nahe legt.“ (Schnell, Hill & Esser 1992, S. 251f., Herv. i. Orig.)

Lind (1993a, S. 74) zeigt weiters anhand des Kriteriums „zufällige Aufteilung der Pro-

band/innen“, dass die rein methodologische Experimentalistik ihren eigenen Ansprüchen

nicht genügen kann. Denn, die zufällige Aufteilung der Proband/innen würde bedeuten,

soziale Strukturen aufzulösen, die für ein sozialpsychologisches Experiment von großer

Bedeutung sind: „Da die Förderung des moralischen Urteils in intakten Klassengruppen

stattfinden soll, würde die zufällige Aufteilung der Schüler auf die Klassen die Validität

der Interventionsstudie vermindern.“ (Lind 1993a, S. 74)

Aus diesen Gründen fordert Lind (1993a, S. 74), dass die Beweislast für und gegen eine zu

prüfende Hypothese zwischen Proponenten und Opponenten geteilt werden muss. „Es

kann nicht verlangt werden, dass die Proponenten jeden nur denkbaren Einwand antizipie-

ren und durch experimentelle Prüfung auszuschalten versuchen. Wurde ein Ansatz in die-

sem Sinn validiert, dann ist es an den Kritikern, ihre Einwände zu formulieren und eben-

falls der Gefahr des Scheiterns an der Wirklichkeit auszusetzen.“ (Lind 1993a, S. 75)

Diese Forderung von Lind als einen Freischein für eine Forschungsweise, die sich um Al-

ternativevariablen keine Gedanken macht, anzusehen, wäre jedoch eine völlig falsche In-

terpretation. Vielmehr versucht Lind hier die Grenzen bzw. Bedingungen aufzuzeigen,

deren sich ein/e Forscher/in pädagogischer Interventionen bewusst sein muss. Gerade auf-

grund dieser Grenzen, denen Evaluationen im Bereich der Untersuchung pädagogischer

Interventionen stärker ausgesetzt sind als in manch anderen Forschungsfeldern, meine ich,

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Forschungsdesign – Methodologie einer quantitativen Untersuchung

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gewinnt die überlegte Er- und Darstellung des verwendeten Forschungsdesigns noch mehr

an Bedeutung. Daher versuche ich im Folgenden das Design, welches ich meiner empiri-

schen Untersuchung zugrunde gelegt habe, möglichst plausibel darzustellen:

6.2 Forschungsfrage der Untersuchung

Um eine Hypothese zu überprüfen ist nach Schnell, Hill & Esser (1992, S. 223) ein For-

schungsdesign nötig, das Auskunft darüber gibt, wann, wo, wie und wie oft die empiri-

schen Indikatoren an welchen Objekten erfasst werden. Schnell, Hill & Esser stellen ver-

schiedene Forschungsdesigns vor, wobei Experimenten mit Vorher-Nachher-Messung mit

Kontrollgruppe (siehe auch Lind, Kap. 6.1) im Vergleich zu Experimenten mit einmaliger

Messung, eine höhere Aussagefähigkeit zugesprochen wird. Dies vor allem deshalb, weil

beim Experiment mit Pre- und Posttest bei Experimentalgruppen und Kontrollgruppen ein

direkter Vergleich der Differenzen der Testungen bei den beiden Gruppen möglich ist:

„Wenn in der Experimentalgruppe eine klare Messwerterhöhung vorliegt, kann (zunächst)

mit großer Sicherheit auf eine Wirkung von X geschlossen werden.“ (Schnell, Hill & Esser

1992, S. 227)

Die Forschungsfrage der vorliegenden Untersuchung ähnelt jener der Just-community

Schulen, die besagt, dass der JC-Ansatz eine stärkere Veränderung der moralischen Ur-

teilsstufen der Schüler/innen ermöglicht als andere Schultypen (vgl. Oser & Althof 1997,

S. 448):

Hypothese: Der Ausbildungszweig ‚COOL’ (COoperatives Offenes Lernen) an den öster-

reichischen berufsbildenden höheren Schulen fördert die moralische Urteilsfähigkeit (ge-

messen nach Lind) stärker als die anderen „herkömmlich-strukturierten“ Zweige.

Die vorliegende Untersuchung lehnt sich also stark an jene von Lind (2000a, S. 161ff.) an,

der in seinem Werk „Ist Moral lehrbar?“ (2000a) zu prüfen versucht, „ob und in welchem

Ausmaß eine Kombination aus gezielten didaktischen Methoden (wie der Dilemma-

Diskussions-Methode) und einem Just community-Programm zur Verbesserung des mora-

lisch-demokratischen Klimas der Schule und zur Steigerung der moralischen Urteilsfähig-

keit beiträgt.“ (Lind 2000a, S. 161, Herv. i. Orig.) Da meines Wissens nach die Dilemma-

Diskussions-Methode im COOL-Ausbildungszweig leider noch nicht angewandt wird –

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Forschungsdesign – Methodologie einer quantitativen Untersuchung

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und mein Diplomarbeitsumfang einen derartigen Interventionsversuch nicht erlaubt – wird

dieser Aspekt in der vorliegenden Untersuchung, zugunsten des Fokus auf die Konzeption

von COOL, ausgeklammert. Die konkreten Annahmen und Fragestellungen beim DES-

Projekt lauteten:

„Die Initiatoren des DES-Projekts sind von der Annahme ausgegangen, dass Jugendliche

moralisch-demokratische Einstellungen und Fähigkeiten in der Schule nur lernen können,

wenn das Schulleben demokratisch gestaltet ist und den Heranwachsenden Gelegenheit

bietet, solche Fähigkeiten zu üben. (…) Es bestand die Überzeugung, dass demokratisches

Lernen nur angeregt und gefördert wird, wenn Konflikte und Probleme im Unterricht und

im Leben der Schule selbst durch gewaltfreien Meinungsstreit, auf der Basis allgemein

geteilter moralischer Prinzipien bearbeitet werden.“ (Lind 2000a, S. 167)

Diese Annahmen und Fragestellungen lassen sich auf die vorliegende Untersuchung beina-

he 1:1 übertragen. Im Folgenden wird auf erste konkretere Überlegungen zum Forschungs-

design eingegangen. Das vorliegende Forschungsdesign soll u.a. gewährleisten, dass die

Ergebnisse meiner Studie möglichst aussagekräftig sind bzw. die Testung den Anforderun-

gen der Validität und Reliabilität möglichst nahe kommt.

6.3 Die Auswirkungen der zeitlichen Begrenzung einer Diplomarbeit

Die Überprüfung der im vorhergehenden Kapitel angeführten Hypothese würde nach

Schnell, Hill & Esser (1992, S. 227) und Lind (vgl. Kap. 6.1) eine Vorher-Nachher-

Testung erfordern; beziehungsweise wäre, um eine möglichst valide Messung durchzufüh-

ren eine Längsschnittstudie nötig. Mit anderen Worten: Es müsste die Entwicklung der

moralischen Urteilsfähigkeit der Schüler/innen über die (fünf) Schuljahre hinweg beobach-

tet werden, um daraus auch Schlüsse ziehen zu können. Da eine Diplomarbeit, aufgrund

der zeitlichen Befristung, dieser Anforderung nicht genügen kann und eine Vorher-

Nachher-Testung innerhalb von sechs Monaten, wenn überhaupt wohl nur eine sehr be-

grenzte und äußerst zweifelhafte Überprüfung der Hypothese ermöglichen würde, muss ich

es – auch mangels methodischer Alternativen – bei einer Einmaltestung belassen. Jedoch

mit folgenden Hinweisen:

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Forschungsdesign – Methodologie einer quantitativen Untersuchung

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Erstens: Die Ergebnisse der Einmaltestung sollen eine Basiserhebung für eine mögliche

Längsschnittstudie, deren weitere Durchführung (von bspw. Diplomand/innen) in den

nächsten Jahren vorstellbar wäre, darstellen.

Zweitens: Schnell, Hill & Esser (1992, S. 226) verweisen bei Einmalmessungen darauf,

dass die Ergebnisse im Prinzip mit unbekannten Vorherwerten verglichen werden müssten.

Als mögliche Quelle dieser Vorherwerte nennt er beispielsweise andere Untersuchungen.

Liegt der gemessene Wert dann signifikant über dem Vergleichswert, so könnte daraus der

Schluss gezogen werden, dass das Treatment wirkungsverursachend ist.

Welche Quellen eignen sich für die vorliegende Untersuchung? Da bisher keine COOL-

Untersuchungen im Zusammenhang mit der moralischen Urteilsfähigkeit vorliegen, kön-

nen nur drei – mit Vorsicht zu genießende – Verfahren gewählt werden: Erstens, ein

durchschnittlicher moralischer Urteilsfähigkeits-Wert (C-Wert) aller Schüler/innen der

1. Klasse wird erhoben und mit dem Durchschnittswert der 3. bzw. 5. Klassen der Experi-

mentalgruppe und Kontrollgruppe in Beziehung gesetzt. Zweitens, C-Werte gleichaltriger

Jugendlicher anderer MUT-Studien werden herangezogen. Drittens, Lind berichtet von C-

Wert-Zuwächsen, die offene Unterrichtsformen erreichen sollten (vgl. Kap 8.2.2). Schlüsse

aus diesen Differenzen sind, wie gesagt, mit äußerster Vorsicht anzustellen.

Drittens: Auch Schillinger (2006) hat im Rahmen ihrer Dissertation „Learning environ-

ment and moral development: How university education fosters moral judgment compe-

tence in Brazil and two German-speaking countries” mit dem Problem zu kämpfen, dass

eine Längsschnittstudie innerhalb der Vorgaben einer Dissertation nicht möglich ist. Daher

wählte sie das Design einer Cross-Sectional-Study mit dem Hinweis: „The present re-

searcher is aware of the limitations and disadvantages of a cross-sectional study when

compared to a longitudinal one. However, a longitudinal study would not be feasible in a

context of a dissertation research. (…) Results of this study should, then, be interpreted

within the limitative dimension of this context.” (Schillinger 2006, S. 70)

Lind hat mir empfohlen für ein Querschnittsdesign folgende Vergleichsgruppen (vgl. Ta-

belle 3) zu verwenden:

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Forschungsdesign – Methodologie einer quantitativen Untersuchung

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Tabelle 3: Design einer Interventionsevaluation5

Experimentalgruppe Vergleichsgruppe 1 Vergleichsgruppe 2

COOL (andere Ausbildungszweige)

Konstanzer Methode der Dilem-ma-Diskussion (vorh. Studie)

Klasse im Jahr X N > 30 N > 30 (alle verfügbaren Daten)

Klasse im Jahr x + 1 N > 30 N > 30 (alle verfügbaren Daten)

Zwar kann mit dieser Vorgehensweise die Hypothese wohl kaum so überprüft werden,

dass die Aussagekraft der Ergebnisse einer Längsschnittsstudie annähernd gleich kommen.

Jedoch können aus einer derartigen Basiserhebung erste Eindrücke – die sicherlich einer

kritischen Reflexion bedürfen – gewonnen werden.

6.4 Die quasi-experimentelle Untersuchung als einzig mögliches Design?

Die oben beschriebene Vorgehensweise bzw. Einmaltestung ist dem Prinzip nach den qua-

si-experimentellen Untersuchungsdesigns zuzuordnen. „Darunter versteht man Anordnun-

gen, die mit einem Experiment bis auf die Stimuli-Kontrolle durch den Forscher vergleich-

bar sind.“ (Campbell & Stanley zit. nach Schnell, Hill & Esser 1992, S. 242)

„Diese Anordnung (quasi-experimentelle Anordnung mit nicht gleichartiger Kontrollgrup-

pe, Anm. d. Verf.) ist in der Unterrichtsforschung weit verbreitet, weil die Schulklassen

häufig vorgegebene Einheiten sind und eine Stichprobengleichheit durch Randomisierung

oder Parallelisierung (Matching) nicht hergestellt werden kann.“ (Herzig 1998, S. 273) Mit

dieser Aussage von Herzig im Rahmen seiner Evaluation eines demokratischen Unter-

richtskonzeptes wird deutlich, dass die in Kap. 6.1 von Lind geforderten Punkte c – d auf-

grund der Natur der Untersuchung (bzw. der Natur des Feldexperiments) nicht erfüllt wer-

den können.

Auch Bonk-Luetkens wendet zur Untersuchung der praktischen Fragestellung eines Versu-

ches an einer Peter Petersen Schule das dynamische Feldexperiment als Quasi-

experimentelles Verfahren an. Unter anderem mit der Begründung, dass es sich hierbei um

5 Eine Teilnehmerquote von über 80 % muss angestrebt werden, da eine positive Korrelation zwischen

freiwilliger Teilnahme und MUT-Wert die Interpretation ansonsten zusätzlich erschwert. (vgl. Lind 2008d) Wie Tab. 4 zeigt, nahmen über 80 % der Schüler/-innen der untersuchten Klassen teil.

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Forschungsdesign – Methodologie einer quantitativen Untersuchung

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eine natürliche Situation handle, in welcher der experimentelle Stimulus (in diesem Fall

das Lehrerverhalten) nicht direkt manipuliert werden kann (vgl. Bonk-Luetkens 1978,

S. 58f.). „Der Forscher hat nur eine unvollständige Kontrolle über die experimentellen Be-

dingungen: Es fehlt eine zufällige Zuweisung der Teilnehmer auf die einzelnen Bedingun-

gen, oder es besteht Unsicherheit über den Zeitpunkt der Erstmessung vor Einführung ei-

nes experimentellen Stimulus …“ (Friedrichs zit. nach Bonk-Luetkens 1978, S. 59) Jedoch

weist sie auch darauf hin, dass diese Art der Untersuchung wegen ihrer hohen Realitätsnä-

he von besonderer Bedeutung für die Sozialforschung sowie Evaluationsforschung ist (vgl.

Bonk-Luetkens 1978, S. 59; Schnell, Hill & Esser 1992, S. 242).

Aufgrund der bisherigen Ergebnisse meiner Literaturrecherche ist also festzuhalten, dass

das quasi-experimentelle Forschungsdesign – ob in Form einer Querschnittsstudie

und/oder als Basiserhebung für eine Längsschnittstudie –, die einzige Möglichkeit für eine

adäquate Prüfung meiner Hypothese darstellt. Auf jeden Fall wird – wie ersichtlich wurde

– das quasi-experimentelle Forschungsdesign in vielen, der vorliegenden Untersuchung

ähnlichen, Forschungsprojekten angewandt. Demzufolge muss vorerst von einer Überprü-

fung der angeführten Hypothese abgegangen werden. Sie wird ersetzt durch die Suche

nach möglichen Zusammenhängen zwischen COOL und moralischer Urteilsfähigkeit bzw.

durch die Offenlegung von Indizien, die solche Zusammenhänge untermauern.

6.5 Die unabhängige Variable „COOL“ und die abhängige Variable „MUT“

Da im Rahmen der Beantwortung der ersten, der beiden Forschungsfragen (Ist das COOL-

Konzept besser geeignet moralische Urteilsfähigkeit zu fördern als herkömmlicher Unter-

richt?) ohnehin eine genauere Beschreibung von COOL und dem MUT nötig ist, wird

der/die Leser/in auf Kapitel 7 und 8 verwiesen.

6.6 Spezifische Drittvariablen, die die „Bildungstheorie“ nahe legt6

„Inhaltlich sind auch sie als alternative oder konkurrierende Erklärungen zur Ausgangs-

hypothese zu sehen.“ (Schnell, Hill & Esser 1992, S. 234) Schnell, Hill & Esser schlagen

6 Bezüglich der Ausführungen über Techniken der Kontrolle von Störvariablen seien die Leserin und

der Leser auf Anhang 20 verwiesen.

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zur Kontrolle von Drittvariablen die Randomisierung bzw. Zufallszuteilung vor (Schnell,

Hill & Esser 1992, S. 234). Wie in Anhang 19 und 20 gezeigt wird, können diese Kontroll-

techniken und auch andere Kriterien für eine experimentelle Untersuchung nicht erfüllt

werden. Weiters kann nur ein quasi-experimentelles Design zum Zuge kommen, welches

aber trotzdem versuchen muss, den in den vorhergehenden Kapiteln dargestellten und ge-

forderten Kriterien möglichst nahe zu kommen. Gerade wenn Kontrolltechniken nicht an-

gewandt werden können, so ist es meiner Meinung nach umso wichtiger, mögliche Drittva-

riablen im Rahmen eines Theoriegebildes aufzuzeigen und deren möglichen Einfluss zu

verdeutlichen. Es stellen sich also folgende Fragen:

1. Welche Drittvariablen – zusätzlich zur unabhängigen Variable COOL – beeinflussen

die Überprüfung der oben genannte Hypothese?

2. Wenn diese Variablen durch Kontrolltechniken nicht zu eliminieren sind, wie lassen

sie sich messen, damit sie statistisch berücksichtigt werden können?

Weiter oben wurde bereits darauf hingewiesen, dass nicht alle beliebigen Drittvariablen

berücksichtigt werden können. Deren Anzahl wäre theoretisch kaum zu begrenzen. Zudem

bleibt deren Aussagekraft nur dann erhalten, wenn sie in ein theoretisches Gebilde einge-

bettet sind (vgl. Schnell, Hill & Esser 1992, S. 251). Welche Theorie/n lassen sich für die

vorliegende Untersuchung heranziehen?

6.6.1 Wie entwickelt sich moralische Urteilsfähigkeit? – Mögliche Variablen

Wenn es um die Frage der Entwicklung der moralischen Urteilsfähigkeit geht, so stößt man

in der Literatur auf verschiedene Theorien, die diese Entwicklung zu erklären versuchen.

Die in Kap. 2.4.2 angeführten Stufenkonzepte weisen bereits darauf hin, dass es so etwas

wie eine Entwicklung in der moralischen Urteilsfähigkeit geben muss. Seit Piaget und

Kohlberg hat sich herauskristallisiert, dass nicht nur die vorhandenen kognitiven Struktu-

ren eines Individuums für die Entwicklung der moralischen Urteilsfähigkeit entscheidend

sind, sondern auch die Gelegenheiten zur Rollenübernahme: „Von größerer Bedeutung als

die Faktoren, die die reinkognitive Entwicklung fördern, sind die von uns Rollenübernah-

me-Gelegenheiten genannten Faktoren der generellen sozialen Erfahrung und Anregung.“

(Kohlberg 1995, S. 165, Herv. i. Orig.)

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Forschungsdesign – Methodologie einer quantitativen Untersuchung

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Kohlberg, Lind und Oser gehen sogar noch einen Schritt weiter: Sie vertreten die Auffas-

sung, dass eine effiziente Förderung/Entwicklung der moralischen Urteilsfähigkeit nur

durch Bildung, und hier vor allem durch angemessene Bildungserfahrungen in der Schule,

möglich ist. Diese Bildungstheorie wird auch diskurs-pädagogischer Ansatz genannt, weil

eben angenommen wird, dass vor allem durch Diskussion und Kommunikation im Unter-

richt – Dilemmadiskussion, Just-community mit seinen kommunikativen Elementen – eine

Entwicklung stattfindet (vgl. Kap. 8.1.1 und 8.2.2). Er steht dem entwicklungstheoreti-

schen, reifungsorientierten Ansatz und dem Sozialisationsansatz gegenüber. Diese (früher)

vertretenen Auffassungen, dass Moral sich einerseits alleine aus der Reifung des Indivi-

duums entwickelt – ohne jegliches Zutun von außen – oder aber andererseits letztlich Er-

gebnis eines sozialen Drucks der Gesellschaft ist, d.h. durch Übernahme von Werten und

Normen geschieht (vgl. Lind 2000a, S. 15ff.), versucht Lind (a.a.O., S. 161) in seinem

Werk „Ist Moral Lehrbar?“ zu widerlegen: „Aus den beiden Tatsachen, dass sich eine hö-

here moralische Urteilsfähigkeit nicht beliebig, durch bloße Instruktion erreichen lässt, und

der Tatsache, dass sich scheinbar kulturbedingte Unterschiede in der moralischen Urteils-

fähigkeit weitgehend auf Bildungsunterschiede zurückführen lassen, haben wir gefolgert,

dass die Sozialisationstheorie keine adäquate Erklärung der Moralentwicklung bietet. Aus

der Tatsache, dass sich die moralische Urteilsfähigkeit zurückentwickeln kann, wenn Bil-

dungsprozesse längere Zeit wegfallen, haben wir den Schluss gezogen, dass auch eine Rei-

fungstheorie der Moralentwicklung nicht haltbar ist.“ (Lind 2000a, S. 161, Herv. i. Orig.)

Zugleich zeigt er anhand des Interventionsexperimentes „Just-community“ bzw. „Gerechte

Schulgemeinschaft“ auf, dass der Bildungsthese Vorzug zu geben ist, wenn die Frage nach

der effizientesten Förderung moralischer Urteilsfähigkeit beantwortet werden soll (vgl.

Lind 2000a, S. 161ff.).

Kurz: „Die Entwicklung der moralischen Urteilsfähigkeit wird in einem ganz entscheiden-

den Ausmaß von Bildungserfahrungen gefördert“. (Lind 1993b, S. 9) Lind fordert daher:

„Es müssen a) Kenntnisse (,moralisches Wissen’) vermittelt und b) Möglichkeiten für die

Erprobung dieser Kenntnisse an praktischen Aufgaben geschaffen werden. Wirksame Mo-

ralerziehung erfordert eine spezielle Didaktik, gut ausgebildete Pädagogen und entspre-

chende Lehrpläne.“ (Lind 1993b, S. 13, Herv. i. Orig.) Weiters verweist er auf Befunde,

die zum einen zeigen, dass kognitive Interventionen, die Denken und Diskussionen über

moralische Konflikte zum Inhalt haben, sich förderlich auswirken. Zum anderen zeigen sie,

dass Bildungsinstitutionen, nicht aber die berufliche Umwelt, einen fördernden Einfluss

auf die Moralentwicklung haben (vgl. die EMNID-Studie bei Lind 2000a, S. 116ff.). Der-

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artige für die Moralentwicklung notwendige, ja vorausgesetzte Bildungserfahrungen bieten

nach Lind vor allem die allgemein bildenden Schulen und Hochschulen. Gleichzeitig darf

aber auch nicht darauf vergessen werden: „Entwicklungsfördernde, moralische Diskurse

können prinzipiell überall stattfinden, also auch in der Familie, im Freundeskreis, am Ar-

beitsplatz“. (Lind 1993b, S. 14) Wobei, so fügt Lind hinzu, Bildungserfahrungen die güns-

tigsten Voraussetzungen eben in allgemein bildenden Schulen finden.

Welche Drittvariablen (bezogen auf unsere Fragestellung und Hypothese) entspringen nun

dieser „Bildungstheorie“? Im Folgenden werden die – der „Bildungstheorie“ nach – wich-

tigsten Störvariablen dargestellt.

1. Kognitive Strukturen

Wenn nun die moralische Urteilsfähigkeit u.a. von einem kognitiven Fähigkeitsaspekt be-

stimmt ist, so liegt die Frage nahe: Verfügen intelligentere, (gebildetere) Menschen über

eine höhere Urteilsfähigkeit bzw. lässt sich diese bei jenen „leichter“ bzw. „stärker“ för-

dern? So weist Lind (2000a, S. 245ff.) beispielsweise darauf hin, dass Bildungsniveau (im

Sinne des Umfangs von Bildungsprozessen) und moralische Urteilsfähigkeit stark mitein-

ander korrelieren (vgl. auch die Ergebnisse zu den Untersuchungen bei Abiturient/innen im

Vergleich zu wissenschaftlichen Mitarbeiter/innen bei Lind 2000a, S. 250ff.).

Da, wie bereits erwähnt, mein Feldexperiment keine Randomisierung zulässt – und somit

diese Drittvariable nicht ausgeschalten werden kann –, muss sie mit erhoben werden, um

auf ihre Effekte schließen zu können. Eine Möglichkeit zur Erhebung des IQs wäre der

CFT 3 von Cattell & Weiß (1971), der Grundintelligenzen misst. Jedoch war der Einsatz

eines derartigen Intelligenztests aus folgenden Gründen in der vorliegenden Untersuchung

nicht möglich:

a. Das größte Hindernis war wohl die Dauer meiner Befragung. Wie im Anhang 23

ersichtlich, ist der eingesetzte Fragebogen ohnehin schon relativ umfangreich (ob-

wohl bisher nur die zentralsten und meiner Meinung nach unverzichtbarsten Themen

enthalten sind). Probetestungen bei Schüler (15 und 18 Jahre, Gymnasium und HAK)

haben ergeben, dass die Testung ungefähr 35 - 40 Minuten in Anspruch nimmt. Da

ich nur eine Unterrichtseinheit je Klasse zur Verfügung hatte, war somit bereits das

zeitliche Limit voll ausgeschöpft.

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b. Prof. Lind (2009a) verweist darauf, dass bei einem umfangreichen Fragebogen der

MUT immer am Anfang gegeben sein sollte, da der MUT wie alle Leistungstests sehr

durch äußere Bedingungen (wie Testmüdigkeit und Testeinstellung) gestört werden

kann. „Wenn ein IQ- oder Leistungstests mit Zeitbegrenzung und der Aufforderung,

,richtige’ Antworten zu geben, davor kommt, sinkt der MUT-Wert vermutlich deut-

lich. (...) Interessanter erscheinen zudem Schulnoten, da sie eine höhere prognosti-

sche Validität haben.“ (ebd.) Hier scheint ein Zusammenhang zu bestehen. Lind ver-

mutet, dass moralische Urteilsfähigkeit eine wichtige Bedingung für gute Schulleis-

tungen ist. Einer der möglichen Gründe: „Wer seine persönlich-moralischen Konflik-

te nicht gut lösen kann, hat kaum Kapazitäten frei für die Beschäftigung mit weniger

ich-nahen Schulaufgaben.“ (Lind 2009a)

c. Weiters haben meine Recherchen leider zu keinen Ergebnissen bzgl. Leistungsfähig-

keitstests geführt, die in kurzer Zeit durchgeführt werden können und trotzdem für

die Probandengruppe geeignet sind.

Aus diesen Gründen werden die Schüler/innen im Fragebogen aufgefordert, Angaben über

die letzte Jahresnote in den Fächern (D, E, M, RW, BWL) zu machen. Bei den Erstkläss-

lern musste auf die letzte Schularbeitsnote zurückgegriffen werden. Auch wenn berechtigte

Zweifel über die Aussagefähigkeit bzw. Validität und Vergleichbarkeit der Noten bestehen

(vgl. bspw. Ingenkamp 1975), so haben sie doch Indizcharakter. Zumal eine IQ-Testung

der Proband/innen aus ökonomischen Gründen nicht möglich ist, erscheint mir diese Vor-

gehensweise als die sinnvollste.

2. Die soziobiografischen Entwicklungsbedingungen moralischer Urteilsfähigkeit

„’Die Entwicklung moralischer Individuen’, so Power, ‚kann ohne die Entwicklung einer

moralischen Gesellschaft niemals vollständig realisiert werden’“ (Power zit. nach Lind &

Link 1988, o.S., Herv. i. Orig.). Zudem ist Moralität auch ein Merkmal von Schule. „Sie

wird durch Inhalt und Form des in dieser Institution bestehenden sozialen Interaktionsge-

füges bestimmt.“ (Lind & Link 1998, o.S.)

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Die moralische Atmosphäre7 der Schule/des Unterrichts beeinflusst somit sehr wohl die

moralische Urteilsfähigkeit der Schüler/innen bzw. ist sie etwa nach Power, Lind & Link

(siehe vorhergehenden Absatz) und Kohlberg (wie noch zu sehen sein wird) eine notwen-

dige Voraussetzung für die Förderung moralischer Urteilsfähigkeit. Mit Fragen aus dem

ORIGIN/s (Opportunities for Role-takIng and Guided reflection IN school) und den Ent-

wicklungsbedingungen nach Lempert wird versucht, moralische Atmosphäre nicht nur in

der Schule (u.a. Unterrichtsstil) sondern auch in Familie und im Freundeskreis zu erheben:

Erziehungsstil/familiäre Situation/soziale Schicht

Die moralische Urteilsfähigkeit lässt sich – wie oben gezeigt – am effektivsten durch

kognitive Interventionen, die Denken und Diskussionen über moralische Konflikte

zum Inhalt haben, fördern. Jetzt hat die Institution Schule keineswegs ein Monopol

auf derartige Interventionen, sodass es durchaus sein kann – und auch so sein wird –,

dass die Art der elterlichen Erziehung – auch wenn diese nicht gezielt mit derartigen

Interventionen arbeitet – durch ihre demokratische Art und Weise auf die Entwick-

lung der moralischen Urteilsfähigkeit der Schüler/innen förderlich oder hemmend

einwirkt. Aufgrund der fehlenden Randomisierung stellt sich nun wieder die Frage,

wie man diese Drittvariable am besten erhebt? Mit den von Klaus Beck (Johannes

Gutenberg-Universität Mainz) entwickelten Fragen zur Erhebung der Ausprägung

der lempertschen Entwicklungsbedingungen der moralischen Urteilsfähigkeit wird

eine Möglichkeit gezeigt, die „moralische Atmosphäre“ am Schauplatz „Schule“ und

„Familie“ zu erheben. Weiters wurde erhoben: die Anzahl der Geschwister, die sozia-

le Schicht u.ä. Hierfür wurden den Proband/innen spezifische Fragen8 vorgelegt.

Peergroup & Freizeit

Nicht nur der elterliche Erziehungsstil kann Einfluss auf die moralische Urteilsfähig-

keit der Schüler/innen nehmen, sonder auch – und besonders im Jugendalter von Be-

deutung – die Umgangsform im Freundeskreis, in der Peergroup des/der Jugendli-

chen. Diese Drittvariable darf daher auf keinen Fall unterschätzt werden. Auch wenn

die Randomisierung fehlt, so schätze ich den Unterschied in der Ausprägung dieses

Merkmals zur Kontrollgruppe eher gering ein. Wie für die Variable „Familie“ bieten

7 In der vorliegenden Arbeit wird das Verständnis von und die Messung des Begriffs „moralische At-

mosphäre“ mit jenen der Entwicklungsbedingungen nach Lempert (vgl. Tab. 6, Kap. 8.1.2) und den Gelegenheiten zur Verantwortungs- bzw. Rollenübernahme im Sinne des ORIGIN/s (vgl. Kap. 9.2) gleichgesetzt.

8 Die Fragen wurden in Anlehnung an das Forschungsprojekt „Linzer Elternbefragung 2007-2008“ des Instituts für Soziologie (Bachler) in Kooperation mit dem Institut für Pädagogik und Psychologie (Alt-richter) erstellt.

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auch hier die Fragen zu den lempertschen Entwicklungsbedingungen ein adäquates

Erhebungsinstrument.

Unterrichtsstil (autokratisch, laissez-faire, demokratisch)

Meiner Meinung nach ist wohl der Unterrichtsstil der Lehrperson einer der wichtigs-

ten Faktoren in der Verwirklichung von COOL bzw. jedes anderen demokratischen

Ansatzes. Dieses Merkmal muss daher unbedingt mit erhoben werden. Die soziobi-

ographischen Dimensionen nach Lempert enthalten Fragen in diese Richtung (siehe

Fragebogenteil „Deine sozialen Beziehungen in der Schule“ im Anhang 23). Auf-

grund der zeitlichen Begrenzung der Befragung und der Vielzahl anderer Scheinvari-

ablen, werde ich mich auf diese Fragen beschränken.

An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass eine saubere Trennung zwischen der mora-

lischen Atmosphäre/Gelegenheiten zur Rollenübernahme in der Schule als intervenierende

Variable und als unabhängige Variable, d.h. als Bestandteil von COOL, sehr schwierig ist.

Daher muss im Rahmen der Auswertung der Frage nachgegangen werden, inwiefern sich

die moralische Atmosphäre in COOL-Klassen von herkömmlichen Klassen unterscheidet

und welchen Einfluss diese auf den MUT-Score hat (vgl. Kap. 9.2).

3. Bisherige Bildungserfahrungen

Möglichen Einfluss können, der „Bildungstheorie“ nach, die bisherigen Bildungserfahrun-

gen, sprich Gelegenheiten zu moralischen Diskursen, in der vorangehenden Schule haben.

Schüler/innen der Handelsakademien können zuvor die Hauptschule, das (Bundes) Real-

gymnasium oder (was eher selten zutrifft) eine andere Schulform besucht haben. Da es

möglich wäre, dass in diesen Schultypen unterschiedliche Bildungserfahrungen im oben

angeführten Sinne gemacht werden können, ist es nötig auch den Schultyp zu erheben.

Interessant ist auch, vor allem bei den Hauptschulen, die Differenzierung nach städtischer

oder ländlicher Hauptschule.

4. Wahlmotive

Da die Schüler/innen beim Wechsel von Sekundarstufe I in die Sekundarstufe II selbst

entscheiden können welchen Ausbildungszweig sie wählen – bzw. ihnen diese Entschei-

dung oft von den Eltern abgenommen wird – ist eine Zufallszuweisung (Randomisierung)

bei meinem Feldexperiment nicht möglich. Weiters muss auf die Ausgangssituation der

ersten COOL-Klassen Rücksicht genommen werden. Prinzipiell können die Schüler/innen

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meist selbst wählen, ob sie einen Zweig dieser Form besuchen oder nicht. Jedoch trat der

Fall auf, dass Klassen zusammengelegt wurden. So saßen in einer untersuchten ersten

COOL-Klasse mehr als 50 % Schüler/innen, die ursprünglich einen anderen Zweig gewählt

hatten, also nicht von sich aus COOL bevorzugten. Daher wurde erhoben, aus welchen

Motiven der Ausbildungszweig gewählt wurde.

5. Biologischer Reifungsprozesse, Alter, Geschlecht

Der Reifungsprozess, dem vor allem im Jugendalter große Bedeutung zukommt, spielt hier

als Drittvariabel eine untergeordnete Rolle, da er erstens durch die Kontrollgruppe elimi-

niert werden kann und zweitens, aufgrund des Primats der „Bildungstheorie“ gegenüber

der Reifungstheorie, der Effekt des Reifungsprozesses als eher gering eingeschätzt werden

kann. Klarerweise wurde trotzdem das Alter und das Geschlecht erhoben.

6. Kulturelle Herkunft, Gesellschaft, Religion etc.

Lind hat versucht, die Sozialisationstheorie zu widerlegen (siehe Ausführungen zur „Bil-

dungstheorie“) und gezeigt, dass sich scheinbar kulturbedingte Unterschiede in der morali-

schen Urteilsfähigkeit weitgehend auf Bildungsunterschiede zurückführen lassen (vgl.

Lind 1993b, S. 153). Daher dürfte die kulturelle Herkunft kaum einen Einfluss auf die ab-

hängige Variable „moralische Urteilsfähigkeit“ haben. Dennoch sind Fragen nach dem

Glaubensbekenntnis und zur Religiosität allgemein (siehe Religiositätsskalen nach Lind &

Kietzig 2004; im Anhang 22) sowie der Staatsbürgerschaft und dem Kulturkreis sinnvoll,

da der Anteil nicht österreichischer Schüler/innen gerade in den städtischen berufsbilden-

den höheren Schulen hoch ausfällt.

Da meine Evaluation lediglich drei COOL-Schulen aus dem COOL-Netzwerk von insge-

samt acht österreichischen COOL-Netzwerkpartner und 25 Impulsschulen betrifft, sind

generalisierende Aussagen über die Wirkung der hier beschriebenen (Kontext)variablen

über die Stichprobe hinaus nicht möglich. Auch Lind verweist im Rahmen der Evaluation

der Gerechten Schulgemeinschaft darauf: „Aufgrund der Tatsache, dass an diesem Inter-

ventionsexperiment nur drei Schulen beteiligt waren, verbietet es sich, Aussagen über die

Wirkung von Kontextvariablen wie geographische Region, Geschlechterverteilung, Aus-

länderanteil, sozi-ökonomischer Hintergrund etc. zu treffen.“ (Lind 1993b, S. 186)

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6.6.2 Grafische Übersicht und Zusammenfassung der Variablen

Die folgende Abbildung 2 zeigt zusammenfassend nochmals die abhängige, die unabhängige sowie die intervenierenden Variablen, die dem Theo-

riegebilde der „Bildungstheorie“ entspringen und folglich dieser Untersuchung zugrunde liegen. In der unteren Leiste sind die „Erhebungsinstru-

mente“ dargestellt.

Abbildung 2: Zusammenhänge untersuchter Variablen

bisherige Schule

soziale Schicht

IQ

ReligionWahlmotiv

Freundeskreis

Moralische Atmosphäre im:

Unterricht

Familie …

Erziehungsstil

fam. Situation

Lehrerstil MUCOOL

MUT Lemp.-Dimensionen & ORIGIN/s-Fragen Religiositätsskalen Noten FB soz. Schicht Fragen

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6.7 Teilnehmer/innen der Untersuchung und ihre Durchführung

Die Proband/innen der Untersuchung sind Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II

und somit im Alter von ca. 14 – 20 Jahren. Auch im DES-Projekt9 nahmen an der Vorstu-

die Schüler/innen dieser Altersgruppe teil, nämlich aus den Schulstufen 8 – 12 (vgl. Lind

2000a, S. 169). Wie bei den DES-Schüler/innen handelt es sich auch bei den COOL-

Schüler/innen weder um besonders gute, noch um besonders erziehungsbedürftige Jugend-

liche, jedoch um solche mit Affinität zur wirtschaftlichen Ausbildung.

Hinsichtlich der Pädagog/innen ist festzustellen, dass beide – jene des DES- und jene des

COOL-„Projekts“ – über eine Ausbildung hinsichtlich ihres Projektschwerpunktes verfü-

gen10, jedoch liegt dieser bei COOL nicht (nur) in der Förderung der moralisch-

demokratischen Atmosphäre der Schule oder der moralischen Urteilsfähigkeit der Schü-

ler/innen.

Im Dezember 2008 wurde Kontakt mit Mag. Neuhauser vom COOL-Impulszentrum auf-

genommen und ihm das Vorhaben geschildert. Mag. Neuhauser erklärte sich sofort bereit,

mich bei meiner Untersuchung zu unterstützen. Gemeinsam mit den beiden COOL-

Initiatoren Herrn Mag. Neuhauser und Frau Mag.a Wittwer sowie mit Frau Mag.a Wimmer

(wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Pädagogik und Pädagogische Psychologie

an der JKU Linz) – alle drei unterrichten selbst COOL-Klassen – wurden geeignete Schu-

len für die Untersuchung ausgewählt. Da die drei Lehrpersonen den Status quo der COOL-

Umsetzung in den österreichischen Handelsakademien am besten kennen, wurden Schulen

ausgewählt, die das COOL-Konzept bereits in allen fünf Jahrgängen der höheren Schule

umsetzen und von denen bekannt ist, dass das COOL-Konzept bereits „gut läuft“. Sechs

berufsbildende höhere Schulen bzw. deren Direktoren/innen wurden kontaktiert und meine

Forschungsfrage sowie das methodische Design wurden näher erläutert. Erfreulicherweise

erklärten sich alle Schulleiter/innen bereit, an der Untersuchung teilzunehmen. Aus Res-

sourcengründen konnten jedoch leider nur drei ausgewählt werden. Auch gab es in zwei

Schulen entweder keine Kontrollklassen oder COOL wurde erst in der 1. Klasse umgesetzt.

So setzt sich die Stichprobe aus den Handelsakademien Steyr (COOL, COoperatives Offe-

9 Beim DES-Projekt handelt es sich um eine Interventionsstudie zum Thema „Demokratie in der Schu-

le“ aus den 90er Jahren. Für nähere Informationen seien die Leserin und der Leser auf bspw. Lind 2000a verwiesen.

10 So gaben in einer Online-Befragung 50 % der COOL-Lehrpersonen an, bereits an einem COOL-Akademielehrgang teilgenommen zu haben (vgl. Altrichter und Maderthaner 2007, S. 519f.).

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nes Lernen) und Neumarkt am Wallersee (LIFE, Lernen In Freiheit und Eigenverantwor-

tung) sowie der Höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe Steyr (OLE, Offenes LEr-

nen) zusammen. Als Koordinationshilfe vor Ort standen mir dankenswerterweise Herr

Mag. Neuhauser, Frau Mag.a Birklbauer/Herr Dir. Mag. Derflinger und Frau Mag.a

Schöppl-Zillner beiseite. So gelang es Ende Jänner und Anfang Februar 2009 – jeweils in

der letzten Schulwoche vor Semesterferienbeginn – Stunden mit den Klassenlehrer/innen

auszuhandeln, in denen ich meine Untersuchung durchführen konnte. Bevor es jedoch zur

Befragung/Testung kam, wurde eine Vorlauftestung durchgeführt, dazu stellte mir Herr

Mag. Neuhauser „seine“ Handelsschulklassen zur Verfügung. Die Vorlauftestung und die

Rücksprache mit Ass.-Prof. Stangl zeigten, dass noch einige Modifikationen am Erhe-

bungsinstrument nötig waren. Zum einen war der Fragebogen noch etwas zu umfangreich

und zum anderen sprachlich zu schwer verständlich. Gemeinsam mit Frau Mag.a Birklbau-

er (HLW Steyr) und Frau Mag.a Hagmüller (HAK Steyr) sowie drei Schüler/innen der

1. Klasse der HAK Steyr wurde versucht, das sprachliche Niveau des „Moralisches Urteil-

Test“ auf ein für Schüler/innen gerechtes zu senken (siehe Anhang 21). Nachdem weiters

das Erhebungsinstrument um entbehrlich erscheinende Items gekürzt wurde und es ein

letztes Mal von Prof. Altrichter begutachtet wurde, wurde mit der Erhebung begonnen.

Wie die nachstehende Tab. 4 zeigt, wurden insgesamt 454 Schüler/innen befragt/getestet:

Tabelle 4: Stichprobe

COOL-Klassen NonCOOL-Klassen HLW Steyr teilgenommen abwesend teilgenommen abwesend1. Jahrgang 19 2 27 4 2. Jahrgang 22 0 22 2 3. Jahrgang 24 2 31 1 HAK Neumarkt/Wallersee 1. Jahrgang 22 4 28 4 2. Jahrgang 24 5 22 4 3. Jahrgang 21 4 16 0 5. Jahrgang11 17 3 19 1 HAK Steyr 1. Jahrgang 24 10 31 3 2. Jahrgang 28 7 17 6 3. Jahrgang 20 5 20 3 gesamt 221 (84 %) 42 233 (89 %) 28

11 In der HAK Neumarkt/Wallersee wurden auch die 5. Klassen mitgetestet. Deren Ergebnisse sind vor

allem dann interessant, wenn es um die Betrachtung der Variable „Alter“ (Kap. 9.4) geht.

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In allen drei Schulen wurde der 1., 2. und 3. Jahrgang untersucht, damit in Jahresabständen

eine Posttestung im Rahmen einer eventuellen Längsschnittstudie stattfinden kann. Es war

Ziel der Untersuchung möglichst viele Proband/innen mit einzubeziehen, zumal sie auch

als Basiserhebung für eine mögliche Längsschnittstudie dienen soll. Lind verweist auf der

Homepage der Arbeitsgruppe Moral12 zudem darauf, dass für eine Cross-sectional Valida-

tion Study mindestens 160 Proband/innen nötig sind. Die Schulstufen sollten jeweils zwei

Jahre auseinander liegen. Nur unter diesen Bedingungen kann die maximale Größe in der

„wahren Varianz“ im C-Wert gewährleistet werden.

Nachdem diese Kriterien von Lind erfüllt waren, wurden die Schüler/innen aufgefordert

den Fragebogen (siehe Anhang 23) während des Unterrichts in den Klassen auszufüllen.

Die Termine der Testungen wurden so angelegt, dass sie nicht vor oder nach Schularbei-

ten, Tests etc. durchgeführt wurden, da dies eventuell die Ergebnisse verfälscht hätte. Wei-

ters war darauf Rücksicht zu nehmen, dass die Schüler/innen keinem zeitlichen Druck aus-

gesetzt wurden. Die Schüler/innen hatten, wie erwähnt, etwa 35 – 40 Minuten Zeit, da am

Anfang der Einheit etwas Zeit dazu verwendet wurde, um möglichst genaue Instruktionen

zu geben (über die Untersuchung an sich waren die Schüler/innen ja bereits mindestens

eine Woche zuvor durch eine Lehrperson, den Direktor oder durch mich informiert wor-

den). Insgesamt gab es nur sehr wenige Schüler-/innen, die nicht innerhalb der 40 Minuten

fertig wurden und keine, die über die Unterrichtseinheit hinaus arbeiten mussten. Während

der Bearbeitung des Fragebogens befand sich meist eine Lehrperson zusätzlich im Raum.

Folgende Abschnitte „mussten“ von den Probanden/innen bearbeitet werden13:

1. Moralisches Urteil-Test (Schülerversion): Bearbeitung zweier Dilemmata

2. Fragen zu sozialen Beziehungen in der Familie, im Freundeskreis und der Schule

3. Fragen zum Thema „Religion“

4. Fragen zur „sozialen Schicht“ (Bildungshintergrund und Beruf der Eltern)

5. Fragen zum Thema „COoperatives Offenes Lernen“

6. Biografische Fragen und Fragen zur schulischen Laufbahn

7. Unterschlagungsexperiment (Details dazu siehe Kap. 10.2)

Die Atmosphäre während der Bearbeitung war mit Ausnahme von einer Klasse sehr för-

derlich für die Untersuchung. So arbeiteten die Schüler/innen sehr konzentriert und stellten

12 http://www.uni-konstanz.de/ag-moral/mut/mjt-certification.htm 13 Bezüglich des Fragebogens siehe Anhang 23.

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– wie aufgefordert – bei Unklarheiten Fragen. Nachdem die Schüler/innen die Untersu-

chungsbögen fertig bearbeitet hatten erfolgte – sofern es gewünscht wurde – eine genauere

Darstellung der Untersuchung bzw. des Forschungsdesigns. Ein Indiz für eine erfolgreiche

Durchführung der Untersuchung bzw. dafür, dass die Schüler/innen mit Engagement dabei

waren, ist nicht nur die bereits erwähnte, gute Atmosphäre, sondern auch der Applaus, den

ich in vielen Klassen am Stundenende erhielt.

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Die abhängige Variable „moralische Urteilsfähigkeit“

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7 Die abhängige Variable „moralische Urteilsfähigkeit“

Es folgt nun der empirische Teil dieser Arbeit. Wie versprochen werden in einem ersten

Schritt die abhängige Variable „MUT-Score“ und die unabhängige Variable

„COOL(-Konzept)“ dargestellt. Bei ersterem werden wir eine, wenn auch nicht neue, so

doch etwas andere Idee von dem was wir unter Moral bisher verstanden haben, kennen

lernen; gleichzeitig soll den Leser/innen gezeigt werden, wie man moralische Urteilsfähig-

keit messen kann, oder besser gesagt, welche Idee hinter der Messung moralischer Urteils-

fähigkeit steckt. Bei Betrachtung der zweiten Variable COOL soll der Leserin und dem

Leser auch deutlich werden, wie die moralische Urteilsfähigkeit durch die Institution Schu-

le konkret gefördert werden kann; gleichzeitig wird die Frage nach der besonderen Eig-

nung des COOL-Konzepts zur Förderung moralischer Urteilsfähigkeit im Rahmen einer

theoretischen Analyse beantwortet. Die Darstellung beider Variablen kann aber auch über-

haupt als Voraussetzung für die Überprüfung der diese Untersuchung leitende Forschungs-

frage angesehen werden. So wäre eine Überprüfung der Hypothese unmöglich, würde man

einerseits die moralische Urteilsfähigkeit nicht messen können bzw. sinnlos, wäre das

COOL-Konzept nicht im Besonderen dafür geeignet die moralische Urteilsfähigkeit zu

fördern.

Voraussetzung 1: Die Moralische Urteilsfähigkeit ist messbar.

In den bisherigen Ausführungen wurde zwar zu erläutern versucht, was unter dem Begriff

„Moral“ oder genauer unter dem Begriff „moralische Urteilsfähigkeit“ in der Wissenschaft

verstanden wird, jedoch die Frage „Wie kann man moralische Urteilsfähigkeit messen?“,

wurde bisher vernachlässigt. Die Beantwortung dieser Frage ist aber Voraussetzung, um

wiederum Antworten auf die Forschungsfrage dieser Arbeit finden zu können. In diesem

Abschnitt soll daher der Messbarkeitsaspekt dieser Fähigkeit behandelt werden. Da dies

eine sehr anspruchsvolle und umfangreiche, teils sehr tief in die Psychologie dringende

Aufgabe darstellt, kann hier nur versucht werden, die für diese Arbeit relevanten Kern-

punkte herauszuarbeiten. Der/die interessierte Leser/in sei daher für weiterführende Aussa-

gen zur Konstruktion des MUT auf „The Meaning and Measurement of Moral Judgment

Competence: A Dual-Aspect Model“ (Lind, 2004) verwiesen. Vorweg sei weiters noch

darauf hingewiesen, dass sich natürlich viele verschiedene Möglichkeiten der Messung der

moralischen Urteilsfähigkeit im Speziellen und der Moralität im Allgemeinen aus der Wis-

senschaft heraus entwickelt haben (vgl. Anhang 17). Im Anhang 18 wird zudem darge-

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Die abhängige Variable „moralische Urteilsfähigkeit“

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stellt, weshalb die Wahl auf den Moralisches Urteil-Test von Lind fiel. Wenden wir uns

nun dem Messbarkeitsaspekt zu.

Mit der häufig strapazierten Frage: „Misst der Test auch das, was er vorgibt zu messen?“

(Messick 1994 frei übersetzt nach Lind 2004, S. 28) wird nach der Validität (Gültigkeit)

eines Messinstrumentes gefragt. Hierzu kann der MUT mit einigen Forschungsergebnissen

aufwarten (siehe u.a. dazu Lind 2000b). Wichtiger als diese technischen Daten erscheint

für uns aber die Frage: Wie misst man die moralische Urteilsfähigkeit bei Jugendlichen?

Um diese Frage zu beantworten, unterteile ich sie in zwei Unterfragen – in die Frage nach

der Validität 1 Ordnung: Kann man mit dem MUT moralische Urteilsfähigkeit messen?

Wenn ja, wie bzw. welches Konzept steckt dahinter? Und nach der Validität 2 Ordnung:

Ist der MUT für die Untersuchungsgruppe – Schüler/innen der HLW und HAK – geeignet?

7.1 Validität 1: Wie misst der MUT moralische Urteilsfähigkeit?

7.1.1 Intentionen und Grundgedanken des MUT

Nach Lind ist eine Person unter anderem dann moralisch, wenn sie es versteht, Konflikte

nicht gewaltsam durch Kampf zu lösen, sondern durch Kopf. Daher reserviert Lind die

moralische Urteilsfähigkeit für Personen, die „offenbar eine Fähigkeit besitzen, die andere

nicht besitzen, nämlich die Fähigkeit, ihr Verhalten durch Vernunft und Überlegung leiten

zu lassen, statt bloß von Intuition und Gewohnheit. Diese Fähigkeit schätzen wir vor allem

deshalb, weil bei Meinungskonflikten nur durch sie eine vernünftige, diskursive, gewalt-

freie Einigung ermöglicht wird.“ (Lind 2000a, S. 90)

Einen sehr ähnlichen Zugang zur „Definition“ moralsicher Menschen lässt sich bei Kant

(Die Kritik der praktischen Vernunft 1787; siehe bspw. Höffe 1983, S. 173f.), Neuweg

(1997) und Lempert (1988, S. 19) finden.14 Es braucht an dieser Stelle wohl nicht weiter

ausgeführt werden, worin diese Wissenschafter ihre Legitimation für eine derartige Defini-

tion von Moral finden. Es sei mit Neuweg nur beispielhaft angeführt, wozu kopfloser

Glaube oder auch kopflose Moralität in der Geschichte geführt hat: „Es ist (Änd. d. Verf.)

14 Bei allen, vor allem aber bei Neuweg, steht die Erziehung zum kritischen Rationalisten im Sinne eines

Menschen, der „persönliche Weltanschauung im Prozess der Wertentscheidung erst dort greifen [lässt], wo Empirie und Logik mit ihren Mitteln tatsächlich am Ende sind“ (Neuweg 1997, S. 202) im Vordergrund.

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Die abhängige Variable „moralische Urteilsfähigkeit“

56

ins Bewusstsein zu rufen, dass mittelalterliche Hexenverfolgung und die französische Re-

volution, die kommunistische Bewegung und der Nationalsozialismus, (Fußnote d. Verf.

entfernt) der Terror von links und von rechts allesamt von Wertebewusstsein und Idealis-

mus getragen waren und sind.“ (Neuweg 1997, S. 209)

Wie versucht nun Lind zu messen, ob eine Person sich in Konfliktsituationen seines Köpf-

chens bedient, sich durch seinen Verstandes und seine Vernunft (Kant, 178415) leiten lässt

bzw. sich an Brückenprinzipien (Neuweg 1997, S. 202) orientiert, oder ob doch die „un-

moralische Macht“ von Gewohnheit und Intuition Oberhand über die Person gewinnt? Um

diese Frage zu beantworten, muss ein genauerer Blick hinter die Konstruktion bzw. das

Konzept des MUT geworfen werden.

Der MUT besteht aus zwei Dilemma-Geschichten, dem Arbeiter-Dilemma und dem Arzt-

dilemma, in denen der Protagonist eine Entscheidung fällt und nach dieser handelt (siehe

dazu den Dilemma-Teil des Fragebogens im Anhang 23). Nachdem die Testperson das

jeweilige Dilemma gelesen hat, wird es aufgefordert das Verhalten des Protagonisten als

richtig oder falsch einzustufen. Danach wird der/die Proband/in mit je sechs Argumenten

für und gegen die Handlung des Protagonisten konfrontiert und aufgefordert auf einer Li-

kert-Skala jedes Argument zu beurteilen. Insgesamt sind also 24 Argumente zu bewerten.

Den sechs Argumenten liegen jeweils die sechs in Kap. 2.4.2 erläuterten Kohlbergstufen

zugrunde. Durch Ausfüllen des MUT bzw. Setzen der Kreuze wird ersichtlich, welche

Kohlbergstufen die Probandin oder der Proband bevorzugt. Eine Bevorzugung hoher und

somit wünschenswerterer Kohlbergstufen gibt jedoch noch nicht Aufschluss über die Höhe

der moralische Urteilsfähigkeit einer Person (auch wenn sie positiv mit ihr korreliert, vgl.

Lind 2004, S. 29). Denn die Bevorzugung bestimmter moralischer Prinzipien – wie sie die

Kohlbergstufen verkörpern –, ist nach Lind noch keine Fähigkeit, die als moralische Ur-

teilsfähigkeit bezeichnet werden könnte (vgl. Zitat auf der Folgeseite). Als Beispiel führt

Lind (2004, S. 18) den Mordanschlag eines militanten Abtreibungsgegner auf den ameri-

kanischen Abtreibungsarzt George Tiller an. Womöglich präferierte der Mörder das Prin-

zip „Recht auf Leben“ (der Ungeborenen), missachtete dieses aber zugleich in jenem Zeit-

15 Kant ist der Auffassung, dass die Natur dem Menschen (im Unterschied zum Tier) die Vernunft mit

auf dem Weg gegeben hat. Diese vernünftige Naturanlage ist dazu bestimmt, „sich einmal vollständig und zweckmäßig auszuwickeln.“ (Kant 1964/1784, S. 6) „Die Vernunft in einem Geschöpfe ist ein Vermögen, die Regeln und Absichten des Gebrauchs aller seiner Kräfte weit über den Naturinstinkt zu erweitern, und kennt keine Grenzen ihrer Entwürfe. Sie wirkt aber selbst nicht instinktmäßig, sondern bedarf Versuche, Übung und Unterricht, um von einer Stufe der Einsicht zur andern allmählich fortzu-schreiten.“ (Kant 1964/1784, S. 7)

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Die abhängige Variable „moralische Urteilsfähigkeit“

57

punkt in dem er den Arzt erschoss.16 Das Beispiel soll zeigen, weshalb die Präferenz be-

stimmter moralischer Prinzipien alleine nicht reicht, um das Prädikat „moralisch urteilsfä-

hig“ zugesprochen zu bekommen. Diesen Aspekt der Bevorzugung nennt Lind auch den

affektiven Aspekt, weil dieser unsere Ideale, Einstellungen und Motive ausdrückt (vgl. Lind

2000a, S. 15), also etwas, dass ohne Köpfchen, ja aus dem Bauch, durch Intuition und Ge-

wohnheit präferiert/beurteilt werden kann. Hingegen: „Für den kognitiven Aspekt allein

reservieren wir den Begriff der moralischen Urteilsfähigkeit, da es wohl ohne Anstrengung

oder Erfahrung möglich ist, hohe Stufen des moralischen Urteilens zu präferieren oder zu

benutzen (weshalb der affektive Aspekt keine Fähigkeit darstellt), aber wohl nicht, sich

konsistent an moralischen Prinzipien zu orientieren.“ (Lind 2000a, S. 90, Herv. i. Orig.)

Hier ist bereits ein erster Hinweis, was Lind unter dem Einsatz von „Köpfchen“ in Kon-

fliktsituationen meint: Eine moralisch urteilsfähige, eine von Vernunft und nicht von Intui-

tion geleitete Person orientiert sich eben auch konsistent, d.h. widerspruchsfrei an den von

ihr präferierten moralischen Prinzipien. Unser Abtreibungsgegner hat genau gegen diese

Konsistenz verstoßen, weshalb seine moralische Urteilsfähigkeit alleine schon aus diesem

Grund als niedrig bewertet werden würde.

Beim MUT „wird die oder der Befragte mit mehreren (im Standard-MUT mit zwei) Di-

lemmas konfrontiert. Hierdurch kann festgestellt werden, ob eine Person moralisch konsi-

stent urteilt, das heißt immer wieder die Argumente einer bestimmten Stufe gebraucht oder

akzeptiert, um ihre Meinung zu begründen bzw. abzustützen.“ (Lind 2000a, S. 90)

Lind räumt jedoch ein, dass diese Konsistenz auch Ausdruck von „Gewohnheit, Habitus,

Rigidität oder ähnlichem“ sein kann (vgl. Lind 2000a, S. 91). Deshalb muss nach Lind

noch eine zweite Bedingung erfüllt sein, damit von einer kognitiven Fähigkeit und somit

von einer moralisch urteilsfähigen Person gesprochen werden kann, die Konfliktsituationen

mit Köpfchen und nicht mit Kampf zu bewältigen vermag:

„Damit sich beim Bearbeiten des MUT auch die Fähigkeit zum moralischen Urteilen er-

weisen kann, wird bei diesem Messverfahren die befragte Person mit Argumenten konfron-

tiert, die zu ihrer eigenen Meinung konträr sind, d.h. die ihrer Meinung widersprechen.

16 Nach dem Grundgedanken des Utilitarismus – „größtes Glück für die größte Zahl“ – wäre dies immer

noch moralisch, da „Opfer im Interesse des Ganzen ,legitim’ sind“ (vgl. Oser & Althof 1997, S. 428). Nicht so aber nach Lind, bei dem Gerechtigkeit, Gleichheit und menschliche Würde des Einzelnen im Vordergrund stehen.

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Wenn eine Person eine moralische Position akzeptiert oder übernimmt, die ihrer eigenen

vorgefassten Meinung widerspricht, und diese Meinung im Lichte dieser Position neu be-

wertet und möglicherweise sogar revidiert, so hat sie zumeist unsere persönliche Hoch-

schätzung.“ (Lind 2000a, S. 90f.) Die Begründ dafür liefert der Philosoph Wellmer (1986),

der meinte, dass die Art, in der eine Person zu Gegenargumenten steht, ein Zeichen dafür

ist, inwiefern sich diese Person von Vernunft leiten lässt (vgl. Lind 2000a, S. 91) Zudem:

„Es entspricht offenbar unserer allgemeinen Erfahrung, dass Menschen gewöhnlich dazu

tendieren, an ihrer vorgefassten Meinung festzuhalten und möglichst viele Gründe dafür

suchen, ein solches Beharren zu rechtfertigen, dass sie nur selten fähig sind, sich mit Ein-

wänden auseinanderzusetzen, die ihre Meinung in Frage stellen, und noch weniger in der

Lage sind, sich von einer Gegenmeinung überzeugen zu lassen.“ (Lind 2000a, S. 91)

Beim erwähnten Abtreibungsgegner hätte das geheißen, dass er zum einen – wie erwähnt –

sich konsistent, ohne Widerspruch, am Prinzip „Recht auf Leben“ orientiert und sich somit

auch der Erhaltung des Lebens des Abtreibungsarztes verpflichtet fühlt, und zum anderen

er fähig wäre, die Gegenposition des Arztes zu akzeptieren und gegebenenfalls aufzuneh-

men und gegen seine Meinung auszutauschen, sofern sich die Argumente des Arztes als

die besseren, qualitativ hochwertigeren (etwa im Sinne der Kohlbergstufen) erweisen. Dies

würde jedoch die Fähigkeit und Bereitschaft zur Diskursaufnahme voraussetzen.17

Es kann immerhin zusammengefasst werden, dass der MUT zu messen versucht, inwiefern

eine Person

1. ihre Meinung konsistent an moralischen Prinzipien orientiert und

2. fähig ist, Gegenargumente, die der eigenen Meinung widersprechen, zu akzeptieren

und aufzunehmen.

7.1.2 Der C-Wert basierend auf dem Dual-Aspekt-Modell

„Im Unterschied zu gewöhnlichen Leistungstests, bei denen die Richtigkeit der Lösung

zumeist aufgrund objektiver Merkmale von außen festgelegt werden kann, haben wir es bei

moralischen Dilemmas mit Aufgaben zu tun, für die es keine ,objektive’, von außen fest-

17 Hier stellt sich zumindest für mich die Frage, ob der MUT ein geeignetes Messinstrument darstellt, um

eine derartige Bereitschaft zu messen (vgl. auch Kap. 10).

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Die abhängige Variable „moralische Urteilsfähigkeit“

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legbare Lösung gibt.“ (Pittel & Mendelsohn zit. nach Lind 2000a, S. 86, Herv. i. Orig.)

Dieser Tatsache zufolge hat Kohlberg (1971) klargestellt, dass die moralische Urteilsfä-

higkeit nicht an einer gewählten Entscheidung für oder gegen eine Handlung in einem Di-

lemma gemessen werden kann, sondern nur an der Qualität der gegebenen Argumente (vgl.

Lind 2000a, S. 86).

1. Das 2-Aspekte-Modell

Auch der MUT entspricht mit der Messung des affektiven und kognitiven Aspekts Kohl-

bergs Forderung. Das 2-Aspekte-Modell versucht, diese beiden Komponenten zu vereinen,

es geht davon aus, dass Affekt und Kognition zwei, zwar unterscheidbare, aber nicht trenn-

bare Aspekte des Verhaltens sind (vgl. Lind 2000a, S. 38).

Zusammenfassend können wir also festhalten: Während der affektive Aspekt durch die

individuellen, inneren moralischen Einstellungen, Prinzipien an denen der einzelne sein

Urteilsverhalten ausrichtet zum Ausdruck kommt, ist der kognitive Aspekt durch die Kon-

sistenz des Verhaltens in Bezug auf diese Prinzipien determiniert (vgl. Lind 2000a, S. 89).

„Wenn sich eine Person bei der Beurteilung von Argumenten konsistent an der morali-

schen Qualität dieser Argumente orientiert, dann sagen wir, sie zeigt eine hohe moralische

Urteilsfähigkeit. Wenn sie sich stattdessen bei der Bewertung von vorgetragenen Argu-

menten konsistent an der Übereinstimmung dieser Argumente mit ihrer eigenen (vorge-

fassten) Meinung orientiert, dann erricht sie nur einen niedrigen Urteilsfähigkeitwert im

MUT.“ (Lind 2000a, S. 90, Herv. i. Orig.)

2. Ein 3-faktorielles Design

Der MUT ist als Fragebogen so konstruiert, dass er drei Faktorenkombinationen – an de-

nen sich einzelne Personen bei Dilemma-Entscheidungen orientieren – im Rahmen einer

multivariaten Varianzanalyse, „misst“:

1. „An der moralischen Qualität der vorgegebenen Argumente, die verschiedenen mo-

ralischen Orientierung oder Stufen im Sinne Kohlbergs repräsentierten (…),

2. An der Übereinstimmung oder Nicht-Übereinstimmung der vorgegebenen Argumente

mit der Meinung des Probanden (…)

3. An dem situativen Kontext der Argumentation“. (Lind 2000a, S. 95, Herv. i. Orig.)

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Die abhängige Variable „moralische Urteilsfähigkeit“

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Diese drei unabhängigen Variablen stellen im MUT ein 3-faktorielles (6 x 2 x 2) Design

dar. Der erste Faktor hat sechs Ausprägungen, nämlich die sechs Kohlbergstufen. Der

Zweite zwei (Pro- und Contra-Argumente) und der Dritte ebenfalls zwei (Diebstahl- und

Sterbehilfe-Dilemma) (vgl. Lind 2000a, S. 95). Die abhängige Variable bildet die „subjek-

tive Beurteilung der Akzeptabilität der vorgegebenen Argumente auf einer Bewertungs-

Skala, die gewöhnlich von - 4 bis + 4 reicht.“(Lind 2000a, S. 95)

3. Das Urteilsmuster

Das gesamte Urteilsmuster einer Person gibt sodann Auskunft über den affektiven und

kognitiven Aspekt moralischer Urteilsfähigkeit. Der affektive Aspekt, d.h. die innere Ein-

stellung der Person wird „in klassischer Weise durch Summierung der Einzelurteile der

befragten Person“ (Lind 2000a, S. 96) gemessen. Der kognitive Aspekt hingegen kann

durch mehrere eng miteinander verbundene Maße gebildet werden. Lind verweist jedoch

darauf, dass das am häufigsten verwendete Maß „der Grad der Determination des Urteils-

verhaltens einer Person durch moralische Überlegungen (…) ist. Der C-Wert ist definiert

als der Anteil der Varianz des Faktors Stufe an der Varianz des gesamten individuellen

Urteilsmusters (multipliziert mit 100). Der so ermittelte Messwert (C-Wert) hat ein Mini-

mum von 0 (dieser Wert bedeutet, dass die befragte Person sich beim Beurteilen von Ar-

gumenten überhaupt nicht an den moralischen Prinzipien orientierte) und ein Maximum

von 100 (dieser Wert bedeutet, dass die oder der Befragte sich ausschließlich an morali-

schen Gesichtspunkten orientiert).“ (Lind 2000a, S. 96, Herv. i. Orig.) Mit Hilfe der Quad-

ratsummenzerlegung wird berücksichtigt, dass eine Person dann über eine höhere morali-

sche Urteilsfähigkeit verfügt, wenn das Urteil unabhängig vom Dilemmatypen ist.18

Soweit die Theorie. Wenden wir uns nun der Frage zu, ob dieser international standardi-

sierte Test (vgl. Lind 2004) auch für die getestete Zielgruppe geeignet ist.

18 Statistisch gesehen misst der MUT diese Fähigkeit, indem er eine multivariate Varianzkomponenten-

zerlegung (VKZ) durchführt (vgl. Lind 2000c, 1985, S. 82ff.). Aus Platzgründen wird in dieser Arbeit nicht auf die Berechnung des MUT-Scores bzw. C-Wertes eingegangen.

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7.2 Validität 2: Ist der MUT für die Untersuchungsgruppe geeignet?

Lind schreibt, dass der MUT für Jugendliche ab dem 10. Lebensjahr eingesetzt werden

kann (vgl. Lind 2009d). Die Originalversion des MUT aus dem Jahr 1977 führte jedoch in

der Vorlauftestung bei Schüler/innen der Handelsschule, wie auch der Handelsakademie zu

einigen Verständnisschwierigkeiten; auch Hettinger (2009, S. 50) verweist darauf, dass die

Standardversion für den Einsatz bei Schüler/innen etwas schwer verständlich ist. Sowohl

die Dilemmata als auch die Pro- und Contra-Argumente enthielten teilweise Fremdwörter

sowie für die Schüler/innen unverständliche Textpassagen. Gemeinsam mit drei Schü-

ler/innen und zwei Lehrerinnen der Schulen wurde versucht, derartige verstehensschwieri-

ge Stellen zu identifizieren und in eine für die Schüler/innen gebräuchlichere Sprache zu

transformieren. Dabei wurde jedoch darauf geachtet, dass der Sinn bzw. die Kohlbergstufe

nicht verändert wurde. Im Anhang 21 sind die Änderungen tabellarisch dargestellt. Im Fol-

genden wird daher nicht mehr vom MUT die Rede sein, sonder vom MUT/s, wobei das s

für „Schülerversion“ steht.

Um zu überprüfen, ob diese Veränderungen die Testergebnisse auch nicht verfälschen,

wurde eine Validitätsprüfung nach Lind (2004, S. 28ff.) durchgeführt. Hierzu wurden die

Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung auf folgende fünf empirische Kriterien unter-

sucht, die in mehreren von Lind durchgeführten Studien zum MUT empirisch vorgefunden

wurden (vgl. Lind 2004, S. 29f.):

1. Präferenzhierarchie: “Moral reasoning on high Kohlbergian stages is preferred over

reasoning on lower stages.” (Lind 2004, S. 29) Die Abbildung 3 zeigt deutlich, dass in der

untersuchten Stichprobe (N=454) die höheren Kohlbergstufen im Durchschnitt (gemessen

an den Mittelwerten) deutlich präferiert wurden. Ein Vergleich mit den Ergebnissen von

Lind (2000a, S. 119; Abbildung 4) zeigt sogar eine Übereinstimmung hinsichtlich der Be-

vorzugung der eher egozentrischen19 Argumente der präkonventionellen, konventionellen

und postkonventionellen Ebene.

19 Mit „egozentrisch“ sind hier die Stufen 1, 3 und 5 gemeint, in denen eine Person bei ihrer Argumenta-

tion in moralischen Konflikten (noch) nicht fähig ist, „in eine vollständige Sozialperspektive einzutau-chen“ (vgl. Kohlberg 1995, S. 139ff.). So würde eine Person, die auf Stufe 2 argumentiert, eine „voll-ständige“ Sozialperspektive der präkonventionellen Ebene einnehmen, da sie sich nicht nur egoistisch an Strafe und Belohnung orientiert, sondern gemäß dem Motto „eine Hand wäscht die andere“ auch die Perspektive einer zweiten Person in die Argumentation aufnimmt.

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Validitätskriterium 1: Beurteilung der Argumente gereiht nach den Kohlbergstufen (Mittelwerte)

0,24

-0,15

0,54 0,54

1,170,85

-1,0

-0,5

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

1 2 3 4 5 6

Kohlbergstufen

Like

rt-Sk

ala

Abbildung 3: Präferenzhierarchie

Abbildung 4: Moralische Orientierung (MUT) in Abhängigkeit vom Alter. Repräsentativerhebung (alte Bundesländer) von EMNID 1990; N = 780 (aus Lind 2000a, S. 119)

2. Quasi-Simplex-Struktur: “The correlation between the preferences of neighboring stages

(like four and five) should be higher than the correlation between more distant stages like

four and six.” (Kohlberg, 1958, S. 82-84 zit. nach Lind 2004, S. 29) Abbildung 5 soll dies

auch für meine Stichprobe veranschaulichen: Die dunkle Linie spiegelt die Korrelation

zwischen der durchschnittlichen Präferenz (Mittelwerte) für die Kohlbergstufe 1 (A) und

der durchschnittlichen Präferenz für die jeweils anderen Stufen (B). Die Kurve zeigt nach

unten, d.h. je weiter sich die Stufe B (2 - 6) von der Kohlbergstufe 1 (A) entfernt, desto

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schwächer ist die Korrelation. Dasselbe „Spiel“ zeigt die helle Linie. Hier werden die Kor-

relationen der durchschnittlichen Präferenzen für die Stufen 1 – 5 (B) zur durchschnittli-

chen Präferenz der Kohlbergstufe 6 (A) dargestellt. Dasselbe Korrelationsmuster findest

sich auch bei Lind (2000c, S. 91): „Die Korrelationen zwischen benachbarten Stufen sind

durchweg die höchsten.“

Validitätskriterium 2: Korrelationen zwischen präferierten Kohlbergstufen

0

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

1 2 3 4 5 6

Kohlbergstufen

Kor

rela

tion Korrelation der

Kohlbergstufe 1mit den anderenStufenKorrelation derKohlbergstufe 6mit den anderenStufen

Abbildung 5: Quasi-Simplex-Struktur

3. Kognitiver und affektiver Aspekt verlaufen parallel: “The higher a participant’s moral

judgment competence is, the more clearly does he or she accept higher stage arguments

and rejects lower stage arguments. (…) We expect high negative correlations between the

C-score on the one hand, and attitudes scores for stages 1 and 2, on the other, and moderate

correlations between C and attitudes to stages 3 und 4, and substantial positive correlations

between C and attitudes to stages 5 and 6.” (Lind 2004, S. 29f.)

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Validitätskriterium 3: Korrelationen zwischen der Höhe des C-Werts (MUT) und

den Präferenzen für die Kohlbergstufen

-0,40-0,30-0,20-0,100,000,100,200,300,40

1 2 3 4 5 6

Kohlbergstufen

Kor

rela

tion

Abbildung 6: Kognitiver und affektiver Aspekt verlaufen parallel

Zu sehr ähnlichen Korrelationen kommt Lind (2008c) bei der Validitätsstudie für die ru-

mänische Version des MUT. So liegen die Korrelationen der Stufen 5 und 6 ebenfalls um

0,3 und die der Stufen 1 und 2 ebenfalls bei etwa -0,3. Auch die Differenzierung zwischen

präkonventioneller, konventioneller und postkonventioneller Ebene wird hier sehr gut

sichtbar; beide Stufen liegen jeweils sehr nahe beieinander. Im Klartext heißt das, dass

über alle Proband/innen hinweg, ein hoher C-Wert (kognitiver Aspekt) mit einer niedrigen

Präferenz für niedrige Stufen und einer hohen Präferenz für hohe Stufen einhergeht.

4. Argumente-Äquivalenz: “Pro and con arguments are equivalent: Indeed, the profile of

preferences for pro arguments by the pro subjects was almost identical with the preferences

of con arguments by con subjects.” (Lind 2004, S. 30, Herv. i. Orig.) Dieses Validitätskri-

terium konnte in der Stichprobe nur bedingt wieder gefunden werden. Betrachtet man die

Präferenzen der Pro- und Con-Argumente über die beiden Dilemmata hinweg, so weichen

nur die Stufen 2 und 4 ab, die anderen Mittelwerte sind annähernd identisch. Bei Betrach-

tung der einzelnen Dilemmata separat sind die Abweichungen jedoch noch stärker, wes-

halb hier dieses Validitätskriterium nicht erfüllt ist.

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Die abhängige Variable „moralische Urteilsfähigkeit“

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Validitätskriterium 4: Pro- und Con-Profile sind ähnlich

0

0,5

1

1,5

2

2,5

1 2 3 4 5 6

Kohlbergstufen

Like

rt-S

kala durchschnittliche

Präferenz der "Pro-Probanden" bei denPro-ArgumentendurchschnittlichePräferenz der "Con-Probanden" bei denCon-Argumenten

Abbildung 7: Argumente-Äquivalenz

5. Das Primat der Messung von Kompetenz: “The MJT is a difficult moral task and, hence,

the C-index is an index of moral competencies (rather than of moral attitudes).” (Lind

2004, S. 30, Herv. i. Orig.) Um dieses Validitätskriterium nachzuweisen, wäre eine eigene

Untersuchung, wie sie Emler, Renwick & Malone (1983) gemacht haben nötig. Die Unter-

suchung von Emler, Renwick & Malone bestätigte, dass der MUT bzw. der C-Index eine

Kompetenz und keine Einstellung misst. Eine Einstellung, wie sie der DIT (Rest 1979)

misst, wäre nach oben simulierbar, ein Kompetenztest ist es nicht. Emler, Renwick & Ma-

lone fanden mit ihrer Experimentalstudie heraus, dass auch der C-Wert nicht nach oben

simulierbar ist. Dieses Validitätskriterium können wir daher auch für unsere Stichprobe als

gültig ansehen.

Dieser kleine „Validitäts-Check“ mit Verweis auf sehr ähnliche Befunde, die Lind mit dem

MUT machte, sollte Antwort auf die zweite, der eingangs gestellten Fragen geben. Auch

wenn Validitätskriterium 4 nur bedingt in der Stichprobe zum Vorschein kommt – in der

aktuellen Liste von Lind (2007b) scheint es ohnehin nicht mehr als Kriterium auf –, so

können wir die Ergebnisse unserer Studie dennoch als valide bezeichnen.

Nun, da wir wissen, was und wie der MUT misst und, dass er bzw. die angelehnte Testver-

sion MUT/s auch auf die untersuchte Gruppe anwendbar ist, können wir die 1. Vorausset-

zung „die moralische Urteilsfähigkeit ist messbar“ für die Beantwortung der Forschungs-

frage als erfüllt ansehen. Zudem sollte all jene etwas Skepsis genommen worden sein, die

berechtigter Weise daran zweifeln, dass so etwas wie Moral mit einem Papier-Beilstift-

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Test gemessen werden kann. Aber dazu: Kap. 11 „Rückblick und Ausblick – eine kritische

Reflexion“.

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Die unabhängige Variable „COOL“

67

8 Die unabhängige Variable „COOL“

Voraussetzung 2: COOL ist geeignet um die moralische Urteilsfähigkeit zu fördern.

Halten wir uns die Forschungsfrage dieser Arbeit vor Augen: „Welchen Beitrag kann

COOL zur Förderung der moralischen Urteilsfähigkeit leisten?“ Bzw. in weiterer Folge:

„Welchen Beitrag leistet COOL tatsächlich?“ Wer eine derartige Forschungsfrage stellt

muss einen zweiten Aspekt berücksichtigen: COoperatives Offenes Lernen (COOL, Life,

OLE u.ä.) bzw. das Konzept, das dahinter steckt, muss zur Förderung der moralische Ur-

teilsfähigkeit „besonders geeignet“ sein. Dieser zweite Aspekt wird im Folgenden näher

beleuchtet, nämlich dann, wenn es darum geht, COOL als Einflussvariable auf die morali-

sche Urteilsfähigkeit darzustellen.

8.1 Moralerziehung im Unterricht – Eine theoriegeleitete Diskussion

Viele Wissenschafter angeführt von Lawrence Kohlberg im angloamerikanischen Sprach-

raum sowie dessen Schüler Georg Lind und Fritz Oser im deutschsprachigen Raum, vertre-

ten die Auffassung, dass die moralische Urteilsfähigkeit besonders durch demokratischen

Unterricht gefördert werden kann (vgl. Leming 1986, S. 245ff.; Oser & Althof 1997,

S. 448). Auch Lind stütz sich, wie in Kapitel 6.6.1 gezeigt wurde, auf die Bildungstheorie

bzw. den diskurspädagogischen Ansatz zur Werterziehung, die den eben erwähnten Zu-

sammenhang nahe legt.

Die Frage nach der besonderen Eignung von COOL zur Förderung moralischer Urteilsfä-

higkeit wird nun in zwei „Varianten“ zu beantworten versucht:

1. Durch eine Gegenüberstellung des COOL-Konzeptes zum JC-Ansatz und

2. durch eine Gegenüberstellung der COOL-Prinzipien (vgl. Dalton-Prinzipien) zu den

soziobiografischen Dimensionen nach Lempert, die der moralischen Urteilsfähigkeit

besonders förderlich sein sollen.

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Die unabhängige Variable „COOL“

68

Begonnen wird damit, den Just-community Ansatz darzustellen. Es wird auf dessen Ent-

stehungsgeschichte eingegangen, um dann die Prinzipien und Bestandteile von denen die-

ser Ansatz getragen wird, zu erläutern. Der Leserin und dem Leser werden, bei späterer

Gegenüberstellung mit COOL, einige Parallelen deutlich. Steigen wir also ein mit der Fra-

ge: Wie sieht eine demokratische Schule im Sinne des Just-community Ansatzes nach

Kohlberg und der Gerechten Schulgemeinschaft nach Oser & Althof und Lind aus?

8.1.1 Eine erste Gegenüberstellung: Just-community Ansatz und COOL

8.1.1.1 Der Just-community Ansatz

„Von der Dilemmadiskussion zur JC“ oder „vom Individual- zum Kollektivansatz“

1966, einige Jahre nach der Veröffentlichung seiner Dissertation, forderte Kohlberg in sei-

nem Artikel „Moral education in the schools: A develompental view“ erstmals, dass Schü-

ler/innen im Unterricht moralischen Konflikten und Problemen ausgesetzt werden sollten

(vgl. Leming 1986, S. 246). Wichtig für Kohlberg war damals auch, dass die Schüler/innen

mit moralisch-kognitiven Elementen konfrontiert werden, die sich auf genau einer höheren

Stufe befanden, also die Schülerin oder der Schüler selbst. Nur so könnte eine optimale

kognitive Entwicklung bzw. Stimulierung der Lernenden geschehen. Hinter dieser An-

nahme steckt – wie in Kap. 2.4.1 gezeigt wurde – nichts anderes als eine kognitive Ent-

wicklungstheorie. Diese „geht von der Annahme aus, dass die Interaktion mit der Umwelt

– verstanden als ‚a dialogue between the child’s cognitive structures and the structures of

environments’(1981b, S. 57) – zur Ausbildung kognitiver Stufen führt.“ (Herzig 1998,

S. 54, Herv. i. Orig.; bzw. Kohlberg 1974, S. 9 sowie grundlegend Piaget bspw. 1976) Mit

diesem Stufenmodell ist hier ein Entwicklungsniveau gemeint, das sich qualitativ von ei-

nem früheren Niveau und einem nachfolgendem, anzustrebenden Niveau unterscheidet.

Wird nun ein Individuum mit einer nächsthöheren Stufe konfrontiert, so entsteht eine kog-

nitive Dissonanz, welche das Individuum zu überwinden versucht, um das Äquilibrirum zu

erreichen (vgl. Kohlberg 1974, S. 9). Diese, aus der rein kognitiven Entwicklung stam-

mende Erkenntnisse von Piaget übernimmt Kohlberg für die Moralentwicklung.

„Moralische Situationen sind dadurch gekennzeichnet, dass in ihnen konfligierende An-

sprüche und Interessen verschiedener Individuen aufeinander treffen (…) Solche Situatio-

nen bzw. die mit ihnen verbundenen Konflikte können durch verschiedene Formen der

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Die unabhängige Variable „COOL“

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Rollenübernahme gelöst werden. Jede Lösung repräsentiert bestimmte Strukturen der mo-

ralischen Entscheidung und Beurteilung, die die Stufen der moralischen Entwicklung defi-

nieren.“ (Kohlberg zit. nach Herzig 1998, S. 70)

Demnach müssen Situationen geschaffen werden, in denen derartige Interessenskonflikte

sichtbar sind, die (nur) durch Rollenübernahme auf einer Stufe/Struktur, die eine über der

eigenen liegt, gelöst werden können. Nur so kann kognitive Dissonanz erfahren werden. In

anderen Worten: „Die hierarchische Struktur der Stufen und das Muster ihrer aktuellen

Verwendung lassen den für die Entwicklung notwendigen kognitiven Konflikt nur dann zu,

wenn das Individuum mit Denkstrukturen auf der nächsthöheren Stufe konfrontiert wird.“

(Herzig 1998, S. 71)

1969 wurde von Moshe Blatt Kohlbergs Hypothese, wonach – wie bereits erläutert – durch

Diskussionen über hypothetische moralische Konflikte/Probleme die Entwicklung der Mo-

ral gefördert würde, bestätigt. Der Blatt Effekt war geboren. In den Folgejahren bestätigte

eine Vielzahl von Studien diesen Effekt (vgl. Leming 1986, S. 247). Leming führt folgende

drei Voraussetzungen der Moraldiskussion an, damit Individuen die nächst höhere Kohl-

bergstufe erreich können: „(1) exposure to situations posing problems and contributions for

child’s current moral structure; (2) exposure to next highest stage; and (3) an atmosphere

of openness and exchange.” (Leming 1986, S. 247)

Sofern diese Voraussetzungen gewährleistet sind und Schüler/innen wöchentlich (über ein

halbes Jahr hinweg) mit einem Dilemma konfrontiert werden, so wird gemäß empirischer

Forschung erwartet, dass sich eine Veränderung/Erhöhung in der Kohlbergstufe der Schü-

ler/innen einstellt, während dies in der Kontrollgruppe nicht der Fall sein sollte (vgl. Le-

ming 1986, S. 247).

Lind ist wohl einer der renommiertesten Wissenschafter, die sich nach wie vor mit der Di-

lemmadiskussion beschäftigen. Auch er versucht, wie Kohlberg, durch Dilemmadiskussio-

nen die moralische Urteilsfähigkeit der Schüler/innen zu fördern. Jedoch mit einigen klei-

nen Unterschieden. So weicht er einerseits von der Plus-Eins-Theorie ab, da der Psycholo-

ge Lawrence Walker zeigen konnte, „dass die Auseinandersetzung mit Gegenargumenten

ebenso wirksam sein kann wie die Konfrontation mit Argumenten auf einer Stufe über der

eigenen (die so genannte ,plus-1-Konvention’)“ (Lind 2009e, Herv. i. Orig.) und anderer-

seits berichtet Lind bereits bei einmaliger KMDD-Sitzung über signifikante Zuwächse des

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Die unabhängige Variable „COOL“

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C-Wertes bei den Diskussionsteilnehmer/innen (vgl. ebd.). Auf die Konstanzer Methode

der Dilemma-Diskussion von Lind soll im Abschlusskapitel 11 genauer eingegangen wer-

den. Für diesen Abschnitte reicht es, darauf zu verweisen, dass die Dilemmadiskussion

nach wie vor in der Wissenschaft einen hohen Stellenwert hat, auch wenn, wie wir im Fol-

genden sehen werden, der JC-Ansatz eine wohl noch bedeutendere Rolle in der Moraler-

ziehung spielt bzw. zumindest das Monopol der Dilemmadiskussion verdrängt hat.

Da die Dilemmadiskussion nicht immer den erwünschten Erfolg brachte, wandte sich

Kohlberg vom Dilemmadiskussions-Ansatz zum Just-community Ansatz (Power & Hig-

gins zit. nach Herzig 1998, S. 72; Leming 1986, S. 247). Wobei nicht wirklich von einer

Wendung gesprochen werden kann, da die Dilemmadiskussion auch zentraler Bestandteil

des JC-Ansatzes ist und somit zentrales Element der Moralentwicklung geblieben ist. Dies

spiegeln auch die JC- Ziel wider:

1. „The Primary goal of public school moral education programmes should be princi-

pled moral reasoning.

2. The primary method of moral education is the stimulation of cognitive conflict

through the discussion of moral dilemmas.

3. The proper role of the moral educator (teacher) is that of a Socratic facilitator not an

advocate.

4. The proper content of moral education is hypothetical moral dilemmas.” (Leming

1986, S. 247f., Herv. i. Orig.)

Jedoch kann von einer Wendung von der „rein formalen Erfahrung kognitiver Konflikte

hin zur realen Erfahrung in einer Gemeinschaft“ gesprochen werden. Während in den Di-

lemmadiskussionen vorwiegend auf das moralische Urteil abgestellt wurde und darin

hauptsächlich die individuellen moralischen Entscheidungen zum Ausdruck kamen, wird

nun im JC-Ansatz versucht, auch der Komponente „moralisches Handeln“ Rechnung zu

tragen. In einer Gerechten Gemeinschaft, für die kollektive Normen konstitutiv sind, ist

moralisches Handeln unter anderem bei der Einhaltung und Ausführung dieser Normen

nötig (vgl. Herzig 1998, S. 72f.) „Wir glauben, dass die Schüler nicht lernen: ‚Ich muss der

Gruppe zustimmen’, sondern dem Kantischen Begriff der Autonomie: ‚Wir stellen Normen

auf, und wenn wir alle Gesetzgeber dieser Normen sind, müssen wir alle nach ihnen han-

deln’“ (Kohlberg zit. nach Herzig 1998, S. 73, Herv. i. Orig.) Auch Leming verdeutlicht

diese Wende hin vom Individuum zur Gemeinschaft wenn er sagt: „The focus of moral

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Die unabhängige Variable „COOL“

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education now becomes group, rather than individual development, and the major area of

study and concern becomes group norms and expectations“. (Leming 1986, S. 249)

Inspiriert zur Wendung vom individualistischen Ansatz der Dilemmadiskussion hin zum

kollektiveren Ansatz der JC wurde Kohlberg vom israelischen Kibbuz. Der Kibbuz ist eine

Form der Kollektiv-Erziehung, die die Realisierung der sozialistischen Lebensgestaltung

mit allen Konsequenzen und die Übertragung der Idee kooperativer Gesellschaftsformen

auf die Erziehung zum Ziel hat. Auch wenn – wie Oser & Althof verweisen – der Kibbuz

nicht mit dem JC-Ansatz vergleichbar ist, so wäre das Klima im Kibbuz für die Entwick-

lung des moralischen Urteils ein sehr gutes. Vor allem das kooperative Ideal, das den Kib-

buz auszeichnet, war für Kohlberg faszinierend (vgl. Oser & Althof 1997, S. 391).

Wie das angesprochene moralische Urteilen und Handeln in einer Gerechten Gemeinschaft

konkrete aussehen könnte, wird offensichtlich, wenn es nun um die Prinzipien und Ele-

mente des JC-Ansatzes bzw. der Gerechten Schulgemeinschaft nach Kohlberg geht.

Grundprinzipien und –elemente einer Gerechten Schulgemeinschaft (JC)

Oser & Althof analysieren in ihrem Buch „Moralische Selbstbestimmung“ verschiedene

Alltagssituation Gerechter Schulgemeinschaften und arbeiten folgende Grundprinzipien

des Lernens heraus, die für diesen Ansatz konstitutiv sind:

1. „Das Prinzip der positiven pädagogischen ›Zumutung‹, d.h. der Unterstellung, dass

der Schüler partizipieren, Vernunft anwenden, Verantwortung übernehmen kann.“

(Oser & Althof 1997, S. 353, Herv. i. Orig.) Dieses erste Prinzip nennen Oser & Alt-

hof auch ethische Präsupposition, was eben nichts anderes heißt, als dass Leh-

rer/innen so tun, als ob „die ideale Form des methodisch-moralischen Lösungspro-

zesses im Sinn des Gebrauchs von Prinzipien (beim Kind, Anm. d. Verf.) schon vor-

handen sei.“ (Oser & Althof 1997, S. 119) Wie zentral die Bedeutung dieser „Dis-

kurs-Haltung“ ist, wird in folgendem Zitat deutlich: „Dieses Zumuten von Verant-

wortlichkeit, von Wahrhaftigkeit und von gegenseitiger Fürsorge ist die wichtigste

Bedingung der Möglichkeit einer Just Community überhaupt.“ (Oser & Althof 1997,

S. 346)

2. Schule muss von allen Beteiligten als ein Ort, ein System verstanden werden, das nur

funktionieren kann, wenn erkannt wird, dass Probleme jeden angehen und jeden

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Die unabhängige Variable „COOL“

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betreffen. Die Einsicht, dass diese Probleme nur kooperativ, durch die Verantwortung

jedes einzelnen gegenüber der Gemeinschaft gelöst werden können, muss sich breit

machen. Lernen wird nicht länger als linearer, einseitiger Prozess verstanden, bei

dem sich Schüler/innen wie in einem Supermarkt bedienen können, ohne selber zu

investieren. Lernen wird hier vielmehr als ein alle Mitglieder betreffender Prozess

verstanden. Ein Prozess der durch die eigene Erfahrung und Konfrontation mit Prob-

lemen, die aus der Gemeinschaft Schule resultieren, geschieht (vgl. Oser & Althof

1997, S. 347).

3. „Schüler und Lehrer lernen zu argumentieren, Ansprüche zu legitimieren und ge-

meinsam zu entscheiden.“ (Oser & Althof 1997, S. 347) Dieses Lernen, so könnte

man meinen, unterscheidet sich kaum vom herkömmlichen Unterricht. Jedoch ist

wichtig zu verstehen, dass dahinter die Intention steht, den Lerner zum „besseren Ar-

gument“ hinzuführen bzw. ihn auf eine höhere Moralstufe der entwicklungspsycho-

logischen Stufentheorie nach Kohlberg zu verhelfen. Demzufolge müssen Schü-

ler/innen und Lehrer/innen lernen, auf das qualitativ hochwertigere Argument zu hö-

ren, aber vor allem es zu erkennen und zu verstehen. Das Prinzip der Entwicklung als

Ziel der Erziehung steht hier im Vordergrund (vgl. ebd.).

4. Die Just-community bildet sozusagen eine Welt in der Lebenswelt, in der die Schü-

ler/innen lernen, wie Demokratie funktioniert, was demokratisches Verhalten ist und

bedeutet. Die Konsequenzen von Gruppenbildungen, Mehr- und Minderheiten, Ab-

stimmung, Gültigkeit von Beschlüssen etc. wird hautnah erlebt. Schüler/innen lernen

so auch mit den Problemen einer Demokratie umzugehen, bspw. „wie kann man die

Probleme einzelner Schüler vor die Versammlung bringen, ohne ihre Würde und In-

tegrität zu verletzen“. (Oser & Althof 1997, S. 347) Aber auch Fragen danach, ob

man sich an Beschlüsse halten müsse, wenn man als Schüler/in bei der Abstimmung

dagegen war, wie diese Einhaltung kontrolliert werde, welche Dinge der Öffentlich-

keit zugänglich gemacht werden und welche nicht, müssen gelöst werden (vgl. ebd.).

5. „Ein fünftes Lernelement ist das Übernehmen von Positionen und Rollen und das

Sichhineinversetzen in Blickwinkel und Standpunkte anderer. Die Fähigkeit, jeman-

des Position aufzugreifen und zu transformieren, darauf angemessen zu reagieren,

ohne den eigenen Standpunkt aufzugeben, schließlich zu verstehen, was des anderen

Anliegen ist“. (Oser & Althof 1997, S. 348, Herv. d. Verf.) Die Gerechte Schulge-

meinschaft liefert Gelegenheiten, wie Verhandlungsvorgänge, Auseinadersetzungen

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Die unabhängige Variable „COOL“

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in Versammlungen, Gruppenzusammenschlüsse, Cliquen u.a., in denen diese Per-

spektivenübernahme ermöglicht, trainiert und gelernt wird (vgl. a.a.O., S. 347)

6. Ein weiters wichtiges Grundprinzip ist jenes des moralischen Handelns. In der Just-

community bzw. der Gerechten Schulgemeinschaft soll nicht nur das moralische Ur-

teilen der Schülerin oder des Schülers gefördert werden, sondern auch das moralische

(verantwortungsbewusste) Handeln. In der Gemeinschaft erhält sie/er dazu zum einen

überhaupt einmal die Gelegenheit sich in verschiedensten Situationen der Verantwor-

tung stellen zu können/müssen. Beispielsweise dann, wenn Schüler/innen gemeinsam

mit Lehrkräften Gemeinschaftssitzungen vorbereiten. Aber auch bei der Durchfüh-

rung und Einhaltung von Beschlüssen der Gemeinschaftssitzungen werden die Schü-

ler/innen für Dinge verpflichtet, die sie sonst möglicherweise nicht betreffen. Zum

anderen wird gerade bei solchen Beschlüssen und deren Einhaltung den Schü-

ler/innen ersichtlich, dass derartige kollektive Normen und ihre Einhaltung nur dann

funktionieren, wenn u.a. gegenseitiges Vertrauen, die Einsicht des Sichbeteiligens,

der Fürsorge und der gegenseitigen Integration besteht (vgl. Oser & Althof 1997,

S. 348).

7. Aus dem 6. Grundprinzip lässt sich ableiten, dass durch (intensive) Teilnahme an der

Gerechten Gemeinschaft eine Identifikation mit den aufgestellten Regeln passiert, die

bei bloßer Vermittlung und Überzeugungsarbeit nie möglich wäre. Oser & Althof

weisen auch darauf hin, dass dadurch das Schulklima besonders positiv beeinflusst

wird bzw. ein Grundstein für ein solches gelegt wird (vgl. Oser & Althof 1997,

S. 349).

Um das Konzept der Just-community zu verstehen, ist es wichtig, dass man sich immer

wieder auf diese Grundprinzipien zurückbesinnt. Auch wird hier viel von dem deutlich und

verständlich, was unter moralischer Urteilsfähigkeit und moralischem Handeln gemeint ist

(vgl. Kap. 7.1.1). Aufbauend auf diese Prinzipien wurden u.a. Elemente entwickelt, die die

Realisierung dieser Prinzipien unterstützen bzw. gewährleisten sollen.

Oser & Althof beschreiben verschiedene Formen/Modelle des JC-Ansatzes bzw. der Ge-

rechten Schulgemeinschaft, die vom „Kursprogramm mit Selbstverwaltungseinrichtungen

innerhalb der sonst unveränderten Schule“ über „Schule in der Schule“ bis hin zur „Um-

gestaltung der gesamten Schule“ reichen (vgl. Oser & Althof 1997, S. 369ff.). Gleichzeitig

verweisen sie darauf, dass für jede Schule die Struktur der Just-community anders aussieht,

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Die unabhängige Variable „COOL“

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aber folgende Minimalbedingungen (a.a.O., S. 362ff.) nötig sind, um eine Gerechte Schul-

gemeinschaft etablieren zu können:

1. Die Gemeinschaftssitzungen, in denen Entscheidungen getroffen werden, die die gan-

ze Schule betreffen, sind ein zentrales Kernelement. Sie sollten regelmäßig (wöchent-

lich, monatlich) oder zumindest nach Bedarf stattfinden. Für die Schüler/innen stellen

sie eine Gelegenheit dar, in der sie sich „zwingend“ mit dem behandelten (morali-

schem) Problem auseinandersetzen müssen – sofern es zuvor noch nicht geschehen

ist – und sich ein moralisches Urteil über das Dilemma/Problem oder den Konflikt

bilden können/müssen. Gleichzeitig bilden die Gemeinschaftssitzungen die erste Ge-

legenheit moralisches Handeln an den Tag zu legen. Die Schüler/innen haben einer-

seits durch die Art der Diskussionsführung und andererseits durch ihre Stimmabgabe

die Möglichkeit sich in verantwortungsbewusstem Handeln zu üben. Durch Diskus-

sion werden ihnen Konsequenzen ihres Handelns aufgezeigt und gleichzeitig wird

ihnen durch die Abstimmung/Mitbestimmung die Verantwortung für dieses zugewie-

sen.

2. Die Vorbereitungsgruppe, bestehend aus Vertretern der Klassen und des Lehrkörpers,

trägt die Verantwortung für die Planung der Gemeinschaftssitzungen. Sie bestimmt

die Tagesordnungspunkte und legt fest welche Schüler/innen und Lehrer/innen die

Sitzung leiten. Auch dieses Element bietet – wenn auch nur einem Teil der Schü-

ler/innen – Gelegenheit zur Verantwortungsübernahme über Dinge, die sie sonst

womöglich nicht betreffen würden.

3. Der Vermittlungsausschuss oder das Fairnesskomitee, wie es in der amerikanischen

Just-community auch genannt wird, ist für die Ausführung und Einhaltung der Be-

schlüsse der Gemeinschaftssitzungen verantwortlich. Weiters soll dieses, für längere

Zeit zusammengesetzte Gremium bei Regelüberschreitungen die Schüler/innen unter-

stützen und beraten.

4. Die Dilemmadiskussionen bilden den curricularen Bestandteil der JC bzw. Gerechten

Schulgemeinschaft und stellen neben der Gemeinschaftssitzung das zweite essentielle

Kernelement dieser Ansätze dar. Nach Oser & Althof (1997, S. 363) sollten wöchent-

lich ein bis zwei Dilemmadiskussionen zu a) allgemeinen und hypothetischen morali-

schen Dilemmata sowie zu b) moralischen Konflikten in der Klasse, die die Schü-

ler/innen konkret betreffen und zu c) fächerspezifischen moralischen Dilemmata

(zum Beispiel ökologische Dilemmata im Bereich der Naturwissenschaften) durchge-

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führt werden. Bezüglich der Häufigkeit und Art der Dilemmadiskussionen vertritt

Lind eine etwas andere Auffassung. Ihm Zufolge genügt die Durchführung von Di-

lemmadiskussionen auch in Monatsabständen, wobei er ausschließlich hypothetische

Dilemmata empfiehlt (vgl. Lind 2009e).

5. Regelmäßige Lehrerzusammenkünfte sollen eine Reflexion über theoretische und

praktische Ausgestaltung dieses Ansatzes gewährleisten.

6. Die Elterneinbindung, die ein weiteres Element dieses Ansatzes ist, soll nicht nur zur

Mitarbeit anregen, sondern den Eltern dieses Konzept nahe bringen und zur positiven

Einstellung dieser gegenüber der JC beitragen. Die Elterneinbindung kann bspw.

durch eine/n Elternvertreter/in in den Gemeinschaftssitzungen geschehen.

7. Ähnlich wie in Punkt 5 soll eine dauernde Evaluation (kollegial und durch wissen-

schaftliche Unterstützung) der Prozesse eine Weiterentwicklung des Ansatzes ge-

währleisten.

Diese Grundelemente sind unverzichtbare Bestandteile um Gerechte Schulgemeinschaft

etablieren zu können, die Ausprägung/Realisierung jener ist jedoch in verschiedener Inten-

sität möglich. Sehr ähnlich ist dies beim COOL-Konzept. Wenn dieses im Folgenden vor-

gestellt wird, so ist die Leserin und der Leser aufgefordert sich die eben erwähnten Grund-

prinzipien und Minimalbedingungen des Just-community Ansatzes vor Augen zu halten,

um die Gemeinsamkeiten (auch ohne nachfolgender Gegenüberstellung) entdecken zu kön-

nen.

8.1.1.2 Was ist COOL (COoperatives Offenes Lernen)?

COOL startete im Jahre 1996 an der Handelsschule Steyr als Schulversuch. Ziel war es,

der unbefriedigenden Situation an dieser Schule Herr zu werden (vgl. Hölblinger, Wittwer

& Neuhauser 2008, S. 4ff.). „Die extreme Heterogenität der Schüler in den ersten Klassen

im Hinblick auf Alter, Entwicklung, Motivation, Leistungsfähigkeit und Lerngeschwindig-

keit machte die herkömmliche, rein lehrerzentrierte Unterrichtsarbeit nahezu unmöglich.“

(Hölblinger, Wittwer & Neuhauser 2008, S. 6) Was von den Initiatoren Witwer und Neu-

hauser ursprünglich als „Selbsthilfe“ gedacht war, entwickelte sich innerhalb der letzten 13

Jahre zu einer, mittlerweile auf ganz Österreich ausgedehnten Innovation im Bildungssys-

tem (vgl. bspw. Altrichter & Maderthaner 2007). Seit Einführung dieses (reform)pädago-

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Die unabhängige Variable „COOL“

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gischen Ansatzes gleich geblieben sind jedoch seine wesentliche Merkmale und Grund-

prinzipien (siehe weiter unten). Einleitend heißt es in der Broschüre zum Film COOL:

„COOL ist ein pädagogischer Ansatz für mehr Selbständigkeit, Eigenverantwortung und

Kooperation in der Sekundarstufe I und II.“ (Hölblinger, Wittwer & Neuhauser 2008, S. 4)

Aus dieser allgemeinen Beschreibung von COOL geht noch nicht explizit hervor, dass die

Förderung der sozialen Kompetenz eine gewichtige Rolle in diesem Ansatz spielt. Anders

bei Wittwer u.a. 2004 (zit. nach Altrichter & Maderthaner 2007, S. 518, Herv. i. Orig.,

kursiv d. Verf.): „Mit dem Begriff ,kooperatives, offenes Lernen’ werden zusammenfas-

send ,neue’ Lehr- und Lernformen bezeichnet, die auf verschiedenen reformpädagogischen

Konzepten basieren und die Förderung sozialer Kompetenz und der Eigenverantwortlich-

keit und Selbständigkeit der Lernenden zum Ziel haben.“ Hier steht die Förderung sozialer

Kompetenzen als Ziel im Mittelpunkt. Auch auf der Homepage des COOL-

Impulszentrums – welches als Implementierungsstütze gegründet wurde (vgl. Altrichter &

Maderthaner 2007, S. 525) – wird dieses Ziel hervorgehoben:

„Sozial kompetente, selbständige, eigenverantwortliche SchülerInnen

Größtmögliches Maß an Freiheit für das Individuum bei größtmöglicher Verantwor-

tung für die Gemeinschaft

Förderung der Ressourcen und Potentiale des Einzelnen – kein Elitedenken, sondern

Differenzierung“ (Impulszentrum für Cooperatives Offenes Lernen o.J.a )

Dennoch: Versucht man herauszufinden, was im COOL-Konzept genau unter einem/r „so-

zial kompetenten Schüler/in“ verstanden wird, so merkt man sehr schnell, dass unter sozia-

ler Kompetenz, die von der Wirtschaft geforderten Soft Skills wie „Selbständigkeit, Eigen-

verantwortlichkeit, Flexibilität, Kreativität, Problemlösungskompetenz, Kritikfähigkeit,

Kommunikationsbereitschaft, Integrationsfähigkeit, Konflikt- und Teamfähigkeit“

(Hölblinger, Wittwer & Neuhauser 2008, S. 25) verstanden werden. „Das Wesen des Coo-

perativen Offenen Lernens ist es, den Erwerb fachlicher, methodischer, persönlicher und

sozialer Kompetenzen gleichwertig zu fördern.“ (ebd.) Von der Förderung moralischer

(Urteils)Fähigkeiten (auch wenn sie mit obigen Soft Skills eng zusammen hängt, wie zu

zeigen sein wird, vgl. Kap. 3 und Kap. 8.1.2) ist nirgends explizit die Rede. Dies verwun-

dert auch wenig, da COOL im Gegensatz zum Just-community Ansatz ja nicht aus den

Beweggründen der Moralentwicklung der Schülerinnen und Schüler konzipiert wurde,

sondern aus integrativen Aspekten. Umso erfreulicher – aus Perspektive der gestellten For-

schungsfrage dieser Arbeit – ist es, dass Demokratie im Klassenzimmer sowie der Klassen-

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rat (siehe COOL-Konzept unten) zentrale Bestandteile des COOL-Konzepts sind (vgl.

Hölblinger, Wittwer & Neuhauser 2008, S. 26). Die Tatsache, dass aus der Entstehungsge-

schichte bzw. den vorrangigen Zielen von COOL noch nicht explizit herauszulesen ist,

dass dieses Konzept „besonders geeignet“ zur Förderung der moralischen Urteilsfähigkeit

ist, soll nicht weiter beunruhigen oder gar die Forschungsfrage verwerfen lassen. Ein ge-

nauerer Blick auf die wesentlichen Merkmale von COOL im Vergleich zur JC wird zeigen,

welches Potential COOL birgt, um soziale Kompetenz im Sinne von moralischer Urteilsfä-

higkeit zu fördern.

Wie sieht nun das Konzept von COOL konkret aus?

Wesentliche Merkmale dieses Ansatzes finden sich auf der Homepage des COOL-Impuls-

zentrums (Impulszentrum für Cooperatives Offenes Lernen, o.J.a, Herv. i. Orig.):

„Die LehrerInnen kooperieren in Klassenlehrerteams. (…) Das heißt regelmäßige

Teamsitzungen, Einstiegsklausuren zu Beginn des Schuljahres und sogenannte ,Cool-

zilien’, Zusammenkünfte von Delegierten der Klassenlehrerteams, zwecks Reflexion

und Weiterentwicklung des COOL-Projektes.

Die SchülerInnen arbeiten mit schriftlichen, oft auch fächerübergreifenden As-

signments (Arbeitsaufträgen). In bis zu einem Drittel der Unterrichtszeit hat der

Schüler/die Schülerin die Wahlfreiheit, wann, wo und wie er die gestellten Aufgaben

(aus 6-8 Fächern) bis zu den vorgegebenen Terminen bewältigen will.

Der Lehrer/die Lehrerin wird zur Moderatorin, zum Coach, zur Begleiterin des Lern-

prozesses und kann so auf jeden einzelnen Schüler/in eingehen und ihn/sie gezielt

fördern.

Durch sogenannte ,Feedbackbögen’ zum Arbeits- und Sozialverhalten werden Schü-

lerInnen zur kritischen Selbstreflexion angeregt.

In der wöchentlich bzw. vierzehntägig stattfindenden Klassenratssitzung besprechen

die SchülerInnen ihre Anliegen, trainieren Gesprächsregeln und Protokollführung

und erlernen Moderationstechniken.

In mehrmals pro Semester stattfindenden Lehrer-Schüler-Foren (je ein/e gewählte/r

Lehrer- und Schülervertreter/in pro Klasse) werden gemeinsame Regeln des Zusam-

menlebens und Zusammenarbeitens im COOL-Bereich erarbeitet und in ,Verträge’

gegossen.

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Die unabhängige Variable „COOL“

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Die Eltern werden in die schulische Unterrichts- und Erziehungsarbeit eingebunden.

In regelmäßigen Elternabenden (mindestens 3x im Jahr) werden Anregungen, Wün-

sche und Befürchtungen zum Thema gemacht.“

Exkurs Klassenrat

Der konstruktivistischen Didaktik entsprechend soll der Klassenrat den Schüler/innen die

Gelegenheit bieten, Demokratie nicht nur gelehrt zu bekommen, sondern auch zu leben.

„Der Klassenrat hat hier die politische Aufgabe, ein hohes Maß an Selbstbestimmung zu

ermöglichen.“ (Impulszentrum für Cooperatives Offenes Lernen o.J.b, o.S.) Damit sollen

die Schüler/innen am Unterrichtsprozess beteiligt und die Macht der Lehrperson „umver-

teilt“ werden. Dazu „ist es notwendig Regeln, Bestimmungen und Rahmenbedingungen zu

begründen, und diese durch konstruktiven Diskurs für alle Beteiligten transparent und ein-

sichtig zu machen.“ (ebd.) Somit ist es Ziel dieser Institution Mit- und Selbstbestimmung,

Verantwortungsbewusstsein und soziales Verhalten zu fördern (vgl. ebd.)

Tabelle 5: Gegenüberstellung: Just-community und COOL

Just-community Ansatz COoperatives Offenes Lernen

1. regelmäßige, klassenübergreifende Sit-zungen

2. Vorbereitungsgruppen (Schüler und Lehrer aller Klassen)

3. Fairnesskomitee 4. (Konstanzer) Methode der Dilemma-

Diskussion 5. Lehrersitzungen 6. Elternmitarbeit 7. Kontinuierliche Evaluation der Prozes-

se

1. kooperierende Klassenlehrerteams 2. 1/3 Drittel der Unterrichtszeit besteht

Wahlfreiheit = wann, wo und wie die gestellten Aufgaben bewältigt werden

3. Lehrer = Moderator/Coach/Begleiter d. Lernprozesses

4. Feedbackbögen 5. Klassenratssitzung 6. Lehrer-Schüler-Foren 7. Eltern in schulische Unterrichts- und

Erziehungsarbeit eingebunden

Eine erste Analyse (vgl. zusammenfassend Tabelle 5) zeigt, dass COOL als integrativer

pädagogischer Ansatz einiges mit dem moralentwicklungsorientierten JC-Ansatz gemein-

sam hat. Aber sind gemeinsame Elemente in einem Konzept schon hinreichend um von

einer Eignung zur Förderung der moralischen Urteilsfähigkeit sprechen zu können? Ich

denke nicht, denn Namen alleine bewirken noch nichts. Erst, wenn diese Namen „Pro-

gramm“ sind, dann können wir, so denke ich – ungeachtet des immer vorhandenen Prob-

lems, dass jeder Unterricht in jeder Klasse und unter jedem/r Lehrer/in anders aussieht –

guter Hoffnung sein, dass COOL auch die entsprechende, in dieser Untersuchung erforsch-

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te Wirkung zeigt. Aber ab wann ist etwas „Programm“? Beim JC-Ansatz wurde gezeigt,

dass es wichtig ist, die Grundprinzipien des Ansatzes zu kennen, um auch zu verstehen,

welche Funktionen die einzelnen Konzept-Elemente erfüllen sollen. So ist beispielsweise

der Klassenrat nicht nur dazu da um Probleme im Sinne aller Beteiligten lösen zu können,

sondern vor allem um den Schüler/innen Erfahrungen im Umgang mit Demokratie zu er-

möglichen, um Gelegenheiten zu bieten, in denen sie eigene Meinungen artikulieren und

vertreten können, aber auch um Gegenmeinungen zu hören und aufnehmen zu lernen, e-

benso wie sich in Kritikfähigkeit zu üben (vgl. Impulszentrum für Cooperatives Offenes

Lernen o.J.b). Werfen wir also im nächsten Kapitel einen Blick auf die Grundprinzipien,

auf denen die oben geschilderten COOL-Elemente/Merkmale aufbauen.

8.1.2 Eine zweite Gegenüberstellung: COOL und die Entwicklungsdimensionen

Inwieweit soziale Kompetenz – was immer man bzw. COOL unter diesem vielfärbig schil-

lernden Begriff verstehen mag – mit jenem der moralischen Urteilsfähigkeit übereinstimmt

wurde bereits in Kap. 3 anzudiskutiert versucht und soll hier mit den Bedingungen für die

Entwicklung der moralischen Urteilsfähigkeit nach Lempert nochmals aufgezeigt werden.

Nach dessen Befunden (vgl. Lempert 1988, S. 54ff.), soll „das Tempo und der jeweilige

Stand der Entwicklung des moralischen Denkens“ (Lempert 1988, S. 37, Herv. i. Orig.)

bzw. die moralische Urteilsfähigkeit u.a. von folgenden fünf Dimensionen bzw. deren

Ausprägungen abhängen:

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Tabelle 6: Soziale Bedingungen der Entwicklung moralischer Urteilsfähigkeit – Versuch einer Systematisierung (Lempert 1988, S. 31)

Bedingung Spezifikation für den Übergang Vorrangig beeinflusste

Prozesse zwischen Person und Umwelt

Zur Konventionalität

(= „Soziozentrierung“) Zur Postkonventionalität

(= “Äquilibrierung“)

stabile emotionale Zuwen-dung und soziale Anerken-nung durch Autoritätsperso-nen und peers

Wertschätzung als Mitglied/Rolleninhaber der soz. Einheit, der sowohl der Sozialisator als auch der Sozialisand angehört, vor allem durch Eltern u. andere Autoritätspersonen, u.U. auch durch peers

Wertschätzung als Mensch und als einzigartige Person vor allem durch peers (beider Geschlech-ter)

Wahrnehmung/ Perspekti-venübernahme

emotionale Verarbeitung/ Auseinandersetzung mit normativen Ansprüchen

offene Konfrontation mit sozialen Problemen und Konflikten

Konfrontation vor allem mit Widersprüchen zwischen individuellen Interessen/Intentionen einerseits und sozialen Regeln/Normen ande-rerseits

Konfrontation vor allem mit Widerprüchen (sic!) zwischen verschiedenen sozialen Regeln/Normen oder zwischen verschiedenen kulturellen Werten oder zwischen Orientierungen beider Arten

Wahrnehmung kognitive Verarbeitung/ rationale Koordination der konkurrierenden Orientie-rungen

emotionale Verarbeitung

Chance zur Teilnahme an (relativ symmetrischen) Kommunikationsprozessen

Kommunikation als Verständigung über die Anwendung von problemlos anerkannten so-zialen Regeln/Normen unter Berücksichti-gung individueller Interessen/Intentionen

Kommunikation als Diskurs über die Legitmität (sic!) problematisierter Geltungsansprüche von sozialen Regeln/Normen, individuellen Rechten und kulturellen Werten, auf der Grundlage aner-kannter rationaler Prinzipien

Wahrnehmung kognitive Verarbeitung

Möglichkeit der Mitwirkung an kooperativen Entschei-dungen

Kooperation als Reproduktion interpersonaler Beziehungen, sozialer Institutionen und ge-sellschaftlicher (Sub-)Systeme in ihrer gege-benen Form

Kooperation als Reproduktion und Transformati-on sozialer Strukturen unter besonderer Berück-sichtigung individueller Rechte aller Beteiligten und Betroffenen

emotionale Verarbeitung Handeln

Chance zur Übernahme von Verantwortung für die Ges-taltung des eigenen Lebens und für andere Personen

Verantwortung als Quelle von Informationen über mögliche soziale Folgen eigenen Verhal-tens und Handelns

Verantwortung als Aufforderung zur individuel-len und situationsspezifischen Anwendung uni-verseller und allgemeiner Moralprinzipien

Wahrnehmung kognitive Verarbeitung emotionale Verarbeitung Handeln

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Die unabhängige Variable „COOL“

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Tabelle 6 soll der Leserin/dem Leser einen Überblick über die nach Lempert relevanten

Einflussfaktoren auf die moralische Urteilsfähigkeit geben. Genauer wollen wir uns an

dieser Stelle damit nicht beschäftigen; für eine vergleichende Analyse reicht diese Darstel-

lung. Jedoch werden wir auf diese Dimensionen zurückkommen, wenn es um die Darstel-

lung der empirischen Ergebnisse zu den intervenierenden Variablen geht (vgl. Kapitel 9).

Zu beachten ist weiters, dass die Dimensionen förderlich oder hinderlich wirken, je nach

ihren Ausprägungen. In diesem Sinne wird im Folgenden wohl immer von einer optimalen

Ausprägung der angesprochenen Dimension ausgegangen werden müssen.

Was haben diese Dimensionen nun mit COOL zu tun? Es ist wohl kein Zufall, dass genau

diese Dimensionen mit den Grundprinzipien von COOL übereinstimmen und daher im

Zentrum dieses Ansatzes stehen. Da sich COOL auf den Daltonplan zurück bezieht, sind

hier die Grundprinzipien der Daltonplan-Pädagogik dargestellt und versucht, in Einklang

mit den Dimensionen nach Lempert (1988) zu bringen:

Die Grundprinzipien von COOL (nach dem Daltonplan von Helen Parkhurst)20

Freedom Wahlfreiheit und Eigenverantwortung für den Lernfortschritt

Co-operation Zusammenarbeit und Teamfähigkeit

Budgeting time selbständiges Planen und Organisieren

Freiheit und Verantwortung

„Helen Parkhurst meint mit dem Begriff Freedom jene Freiheit, die die persönliche Wahl,

die persönliche Entscheidung erlaubt und sogar fordert. Diese Art von Freiheit schließt

auch die Verantwortung des Menschen für andere ein, wenn er sich für etwas entschieden

hat.“ (Eichelberger 2002, S. 19, Herv. i. Orig.) Freiheit ist also immer mit Verantwortung

verbunden. Damit die Schülerin oder der Schüler diese Art von Freiheit erlernen kann,

kommen ihr/ihm verschiedene Wahlfreiheiten zu. Beispielsweise kann entschieden wer-

den, ob die Aufgaben alleine oder mit einem/r Partner/in bewältigt werden, wo man dies

macht, mit welchen Hilfsmitteln, wie die Zeiteinteilung vorgenommen wird und vieles

mehr.

20 Im Kap. 8.2.3.1 wird auf die unterschiedliche Realisierung von COOL eingegangen. Hier ist bereits

darauf hinzuweisen, dass in der HLW Steyr eine „Mischform“ von COOL eingesetzt wird, der aber ebenfalls diese drei Grundprinzipien zugrunde liegen.

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Die unabhängige Variable „COOL“

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Verantwortung meint zusätzlich zur Verantwortungsübernahme – die aus der Entscheidung

im Rahmen der Wahlfreiheiten resultiert –, dass „der Schüler selbst verantwortlich für sei-

ne Arbeit und seinen Fortschritt ist.“ (Eichelberger 2002, S. 20) Es soll ihr/ihm bewusst

werden, dass nicht die Lehrerin oder der Lehrer sondern die Schülerin bzw. der Schüler für

das Lernen verantwortlich ist. Dies erfordert von der Lehrkraft jedoch, dass sie ihrem/r

Schüler/in auch etwas zutraut und sie/ihn somit wertschätzt (vgl. Eichelberger 2002, S. 21).

Vergleicht man diese Ausführungen zum Prinzip Freiheit und Verantwortung mit den Di-

mensionen nach Lempert, so finden sich wohl die Dimensionen „Verantwortungszuwei-

sung“, „Handlungschancen“ und „Wertschätzung“ unter diesem Prinzip wieder. Vor allem

die ersten beiden Dimensionen kommen gut zum Ausdruck, wenn Schüler/innen in der

Dalton-Schule oder in COOL die Möglichkeit zur Wahlfreiheit bzw. zur eigenen Entschei-

dung bekommen, diese wahrnehmen müssen und Verantwortung für das eigene Handeln

tragen. Auch die Dimension „Wertschätzung“ wird in diesen Ausführungen widergespie-

gelt, nämlich wenn es um die Lehrer-Schüler-Beziehung geht. Der/die Dalton- bzw.

COOL-Lehrer/in muss sensibel sein und den Schüler/innen großes Vertrauen und Wert-

schätzung entgegenbringen, um deren Bewusstsein zu stärken und um zu zeigen, dass ihre

Arbeit und ihr Ziel würdevoll ist (vgl. Eichelberger 2002, S. 20f.). Es muss wohl nicht an-

gemerkt werden, dass nicht nur im COOL-Unterricht Schüler/innen als Personen selbst und

in der Rolle als Schüler/in geschätzt und respektiert werden sollten.

Interessant ist in diesem Zusammenhang besonders, dass Helen Parkhurst darauf verweist,

dass die Verantwortung für das Arbeits- bzw. Lernergebnis nicht nur Intelligenzfähigkei-

ten, sondern auch das Urteilsvermögen und den Charakter der Schüler/innen stärkt (vgl.

Eichelberger 2002, S. 21). Interessant deshalb, weil Lind diese Aussage sicherlich un-

terstreichen und den Aspekt der Urteilsfähigkeit um jenen der moralischen Urteilsfähigkeit

präzisieren würde. In diesem Zusammenhang sei nochmals darauf verwiesen, dass „ein

Mangel an Gelegenheiten für Verantwortungsübernahme im Studium zu ein (sic!) Rück-

bildung der moralischen Urteilsfähigkeit fhrt (sic!).“ (Schillinger 2006 zit. nach Lind

2009f., Herv. i. Orig.; siehe auch EMNID-Studie von Lind 2000a, S. 117ff.)

Zusammenarbeit und Selbständigkeit

Zusammenarbeit meint „die Beseitigung kooperationshemmender Strukturen im Schulle-

ben.“ (Eichelberger 2002, S. 21) Soziales Lernen geschieht nach Parkhurst ganz von allei-

ne, wenn nur dem Konkurrenzdenken im Frontalunterricht ein Ende gemacht werden wür-

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Die unabhängige Variable „COOL“

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de und die Möglichkeiten zur Zusammenarbeit in und über die Klassen hinweg gegeben

sind (vgl. Eichelberger 2002, S. 21; zur Revision des Leistungs- und Konkurrenzdenkens

in der Schule siehe auch Klafki 1993, S. 233ff.). Beim Lernen in und für die Gruppe kann

die Schülerin und der Schüler – so Parkhurst – lernen, „den anderen zu respektieren und zu

verstehen, seine/ihre (Änd. d. Verf.) eigene Meinung zu formulieren und in der Diskussion

zu vertreten; es (das Kind, Anm. d. Verf.) entwickelt eine gewisse ,Kultur des Gesprächs’

und die Fähigkeit zu demokratischem Zusammenleben.“ (Eichelberger 2002, S. 22, Herv.

i. Orig.) Genau diese Fähigkeiten, diese Gesprächskultur versucht auch Lind mit dem In-

strument der Konstanzer Methode der Dilemma-Diskussion zu erreichen; und nicht zufäl-

lig misst auch der Moralisches Urteil-Test genau diese Kompetenz (vgl. Kap. 7.1.1).

Das Prinzip der Selbständigkeit wurde von Helen Parkhurst nicht angeführt, im Zuge der

europäischen Integration dieser Pädagogik jedoch eingearbeitet. Dieses Prinzip weist dar-

auf hin, dass Schüler/innen mit Problemstellungen konfrontiert werden, zu denen sie allei-

ne oder in Kooperation mit anderen, im Dialog/Diskurs Lösungen suchen sollen (vgl. Ei-

chelberger 2002, S. 22). Schon alleine in diesem Prinzip und noch viel mehr in jenem der

Zusammenarbeit wird ersichtlich, dass die drei restlichen Dimensionen von Lempert, näm-

lich „Kooperation“, „Verantwortung“ und „Konfrontation mit (sozialen) Problemen“ eben-

falls wichtiger Bestandteil der Daltonplan-Pädagogik bzw. des COOL-Unterrichts sind.

Zusammenfassend bleibt zum Daltonplan wie zum COOL-Konzept zu sagen:

Der Daltonplan ist „keine Methode, kein System, sondern ein Einfluss, ,a Way of

Life’“ (Parkhurst zit. nach Eichelberger 2002, S. 22, Herv. i. Orig.)

Ebenso ist COOL keine Unterrichtsmethode, sondern eine Unterrichtsphilosophie!

Ein Gelingensfaktor von COOL sind die Lehrer/innen, sie dürfen COOL nicht als

Methode ansehen, sondern müssen COOL leben, sonst ist das Scheitern vorpro-

grammiert (vgl. Neuhauser 2009).

Wie diese Analyse zeigt, scheinen die COOL/Dalton-Prinzipien und die Lempert-

Dimensionen ähnliche Ziele zu verfolgen und Wirkungen hervorzurufen bzw. Fähigkeiten

zu fördern. Lempert (1988, S. 35) sagt: „Wenn die genannten fünf Bedingungen bzw. ihre

jeweils wirksamen Ausprägungen allesamt vorliegen und wenn weiterhin auch alle inneren

Voraussetzungen für den betreffenden Fortschritt des moralischen Denkens gegeben sind,

dann ist am ehesten damit zu rechnen, dass der Entwicklungsschritt, den sie begünstigen,

tatsächlich vollzogen wird.“ Wenn dies stimmt, dann sollte das auch für COOL bzw. seine

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Die unabhängige Variable „COOL“

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Prinzipien gelten. Es stellt sich sodann die Frage, ob Wittwer u.a. (2004) nicht auch die

moralische Urteilsfähigkeit meinen, wenn sie von Förderung sozialer Kompetenz sprechen.

Am Ende müssen wir mit Wuttke & Surać (2003) zu dem Ergebnis kommen, dass morali-

sche Urteilsfähigkeit und soziale Kompetenz zwei sehr nahe Begriffe sind. Ob nun die

Schlüsselqualifikation „soziale Kompetenz“ dasselbe meint wie moralische Urteilsfähig-

keit oder umgekehrt, kann letztlich – mangels einer wissenschaftlichen Definition und der

Vieldeutigkeit des ersten Begriffs – nicht genau gesagt werden. Die obigen Ausführungen

(vgl. auch Kap. 3) lassen jedoch zumindest darauf schließen, dass die beiden Begriffe sehr

nahe beisammen liegen. Betrachtet man nun die soziale Kompetenz (oder moralische Ur-

teilsfähigkeit) als Ziel und die COOL-Prinzipien (oder Dimensionen nach Lempert) als

eine wichtige Voraussetzung zur Erreichung dieser, so kann die Frage, ob die strategischen

COOL-Ziele (u.a. Förderung der sozialen Kompetenz) durch die Förderung der morali-

schen Urteilsfähigkeit erreicht werden können, durchaus bejaht werden. Mit anderen Wor-

ten: Die Förderung der moralischen Urteilsfähigkeit trägt zur Förderung der sozialen Kom-

petenzen bei bzw. deckt einen großen Bereich dieser ab.

Jetzt wo geklärt ist, dass ein oder vielleicht sogar das Ziel von COOL darin besteht die

moralische Urteilsfähigkeit zu fördern, können wir den Bogen zur Konzeption von COOL

zurück spannen und wir gelangen zur Eingangsfrage, ob die COOL-Konzeption dafür ge-

eignet ist? Die obige Analyse der Minimalbedingungen des Just-community Ansatzes im

Vergleich zum COOL-Konzept (Kap. 8.1.1) ergab eine positive Antwort. Bleibt nur noch

darauf hinzuweisen, dass COOL eine zentrale Bedingung leider nicht erfüllt. Nämlich die

Forderung nach einem expliziten Curriculum für die Moralerziehung. Umso interessanter

stellt sich die Überprüfung der Hypothese(n) dar: Fördert COOL auch ohne Dilemmadis-

kussionen die moralische Urteilsfähigkeit (stärker als andere Ausbildungszweige)?

Zusammenfassend: Auch wenn in der kurzen, überblicksmäßigen Darstellung auf der Ho-

mepage des COOL-Impulszentrums keine expliziten Hinweise dafür zu finden sind, dass

COOL die moralische Urteilsfähigkeit der Schüler/innen fördert, so legen dies jedoch eini-

ge der genannten Merkmale, Prinzipien und Ziele nahe. Vor allem die Merkmale Feed-

backbögen, Klassenratssitzungen, Lehrer-Schüler-Foren zur Gestaltung von Regeln für das

Zusammenleben und die Elterneinbeziehung sowie das Grundprinzip der Kooperation und

Öffnung beinhalten Elemente, die die moralische Urteilsfähigkeit fördern (können). Be-

trachtet man die moralische Urteilsfähigkeit jedoch nicht als Output sondern eher als Input

für soziale Kompetenz (wie es Lind 2007a andenkt), so könnte man argumentieren, dass

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Die unabhängige Variable „COOL“

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die Entwicklung und Förderung moralischer Urteilsfähigkeit eine Voraussetzung für die

Erreichung der strategischen Ziele ist. Wenn COOL das Ziel verfolgt, sozial kompetente,

selbständige und eigenverantwortliche Schüler/innen ohne Elitedenken auszubilden, wäre

es dann nicht denkbar, dass dieses Ziel am ehesten durch die Förderung der moralischen

Urteilsfähigkeit erreicht werden kann? Im Endeffekt kommen wir immer zum selben Er-

gebnis: Ob wir nun die soziale Kompetenz oder die moralische Urteilsfähigkeit von Schü-

ler/innen fördern wollen, um die Schulung moralischer Fähigkeiten kommen wir nicht

herum. Wenn wir nun im Folgenden bestehende Untersuchungen zu COOL analysieren,

bleiben wir aber bei der Betrachtungsweise, die moralische Urteilsfähigkeit als eine Out-

put-Variable anzusehen.

8.2 Moralerziehung im Unterricht – Eine empiriegeleitete Diskussion

Welche Forschungsbefunde gibt es über die Wirkung von COOL auf die soziale Kompe-

tenz moralische Urteilsfähigkeit?

Im Gegensatz zum JC-Ansatz, zur Gerechten Schulgemeinschaft oder zur Konstanzer Me-

thode der Dilemma-Diskussion, wo Kohlberg, Oser und Lind auf verschiedene Studien

über die Wirkung „ihrer“ pädagogischen Ansätze auf die soziale Kompetenz der Schü-

ler/innen – im Speziellen auf die moralische Urteilsfähigkeit – verweisen können, gibt es

im Bereich COOL nur sehr wenige Evaluationsstudien, die sich mit der Wirkung auf die

soziale Kompetenz beschäftigen und es ist mir keine Studie bekannt, die die moralische

Urteilsfähigkeit der Schüler/innen zum Thema hat. In diesem Sinne stellt die vorliegende

Arbeit bzw. Untersuchung eine Pilotstudie dar. Auch im Hinblick auf die Messung der

sozialen Kompetenz bei COOL-Schüler/innen stellt sie ein Novum dar. Alle bisherigen

Studien zu COOL basieren auf Einschätzungen der Schüler/innen (oder Lehrer/innen) über

ihre sozialen Fähigkeiten.21 Durch den Einsatz des MUT/s wird erstmals versucht, soziale

Kompetenz tatsächlich zu messen. Da COOL in diesem Bereich noch relativ unerforscht

ist, sollen im Folgenden zum einen Ergebnisse von COOL-Untersuchungen dargestellt

werden, die im Zusammenhang mit sozialer Kompetenz generell stehen; und zum anderen

soll auf Ergebnisse von Untersuchungen über Just-community/Gerechte Schulgemein-

schaft sowie der KMDD im Zusammenhang mit moralischer Urteilsfähigkeit eingegangen

21 Eine Ausnahme bildet jedoch die Untersuchung von Raabe. Sie erfasste Kooperationsfähigkeit von

COOL-Schüler/-innen und NonCOOL-Schüler/-innen durch die Methodik der Beobachtung (vgl. Raa-be 2008, S. 36).

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werden. Beide, aber vor allem der letzte Punkt, sollen Aufschluss darüber geben, welche

Steigerung der sozialen Kompetenz generell bzw. der moralischen Urteilsfähigkeit speziell

auch in dieser Untersuchung zu erwarten ist.

8.2.1 Evaluationsergebnisse zu COOL mit Fokus auf soziale Kompetenz

Altrichter & Maderthaner erheben 2007 (S. 526) die subjektiv wahrgenommene Wirkung

von COOL durch eine Befragung von 100 COOL-Lehrkräften. Darunter u.a. auch zwei

wahrgenomme Wirkungen, die in den Bereich „soziale Kompetenz“ fallen und im Zusam-

menhang mit der moralischen Urteilsfähigkeit hier besonders interessieren: die „Ge-

sprächskultur“ der Schüler/innen und die „Konfliktlösefähigkeit“ (vgl. a.a.O., S. 527). Auf

einer Skala von 1 = „trifft überhaupt nicht zu“ bis 5 „trifft voll und ganz zu“ konnten die

Lehrkräfte die wahrgenommene Wirkung von COOL beurteilen. Dabei erhielten die bei-

den genannten Fähigkeiten einen Mittelwert von 3,7 (Gesprächskultur) und 3,6 (Konflikt-

lösefähigkeit). Altrichter & Maderthaner interpretieren das Ergebnis der Wahrnehmung

von Effekten wie folgt: „Die RespondentInnen schreiben ihrer Unterrichtsinnovation hohe

bis moderate Effekte auf soziale und motivationale Merkmale der SchülerInnen zu.“

(a.a.O., S. 526, Herv. i. Orig.) Geht es nach den Lehrer/innen, so scheint also zumindest

ein gewisser COOL-Effekt auf die Gesprächskultur und Konfliktlösefähigkeit der Schü-

ler/innen – zwei wie in Kap. 7.1.1 und 7.1.2 gezeigt wurde, für den MUT(/s)-Wert sehr

wichtige Fähigkeiten – vorhanden zu sein.

Eine hoch aktuelle qualitative Studie (Engler, Füreder & Niedermayr) vom 25. Juni 2009

mit dem Titel: „Welche Bedeutung hat die Erfahrung des ‚Cooperativen Offenen Lernens’

für meine derzeitige Ausbildungs- bzw. Berufssituation? (AbsolventInnenbefragung)“ bes-

tätigt ebenfalls einen positiven Einfluss von COOL auf die soziale Kompetenz. Engler,

Füreder & Niedermayr führten 16 Telefoninterviews mit berufstätigen und studierenden

COOL-Absolvent/innen durch. Im Rahmen der Einschätzung der sozialen Kompetenz

wurde vor allem nach den drei strategischen Zielen von COOL: Teamfähigkeit, Konfliktfä-

higkeit und Kommunikationsfähigkeit gefragt und folgende Ergebnisse und Absolventen-

aussagen ausgewertet:

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„Der Großteil der Befragten sieht einen extrem hohen Einfluss von COOL auf ihre

Teamfähigkeit. Dieser Punkt wurde von allen Beteiligten am höchsten bewertet.

Auch bei der Konfliktfähigkeit wurde ein sehr großer bis großer Einfluss von COOL

festgestellt. Die Kommunikationsfähigkeit wurde ebenfalls relativ hoch bewertet.“

(Engler, Füreder & Niedermayr 2009, S. 10)

„Man arbeitet nicht immer mit Freunden, sondern man muss auch mit Mitschü-

ler/innen, die man nicht so mag, zusammenarbeiten.“

„Konflikte gibt es in allen Klassen, bei COOL wird dafür Platz geschaffen, es werden

alle einbezogen und man lernt Rücksicht auf andere zu nehmen.“

„Netzwerken, man geht leichter auf Menschen zu, weniger Berührungsängste.“

„Man ist ständig auf andere angewiesen, man wird gezwungen, auf die anderen ein-

zugehen und zu kommunizieren.“ (Engler, Füreder & Niedermayr 2009, S. 10, kursiv

d. Verf.)

„Der Einfluss von COOL auf die soziale Kompetenz wurde von allen Beteiligten als

überdurchschnittlich hoch bewertet. Dies zeigt, dass COOL vor allem die soziale

Kompetenz fördert (im Vergleich zu den anderen Kompetenzen). Die Anstrengungen

sollten in keinem Fall reduziert, sondern weiterhin so engagiert umgesetzt werden. Es

sollte außerdem darauf geachtet werden, dass die Gruppen möglichst heterogen zu-

sammengesetzt werden (nicht nur Freunde) und dass Klassenräte vor allem bei Prob-

lemen abgehalten werden.“ (Engler, Füreder & Niedermayr 2009, S. 10)

Ein weiteres interessantes Ergebnis dieser Studie ist die Rangreihung der COOL-Elemente

durch die Befragten, demnach landet der Klassenrat auf dem 4. und letzten Platz und erhält

damit eine klar unterdurchschnittliche Bedeutung/Bewertung. Die Zitate aus den geführten

Interviews belegen das:

„Stunden nur abgesessen“

„zu ausführlich“

„man wurde psychologisch durchleuchtet“

„war ein Scherz“

„jede Woche mit Muss, besser je nach Bedarf abhalten“

„nur sinnvoll, wenn konkretes Problem“

(Engler, Füreder & Niedermayr 2009, S. 12, kursiv d. Verf.)

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Demnach ist vor allem der Einsatz des Klassenrats stark verbesserungswürdig (vgl. in die-

sem Zusammenhang Kap. 11). Entgegen diesem Befund betont Julia Schießer in der

COOL-Broschüre die Wichtigkeit des Klassenrats für ihre berufliche Laufbahn: „Im Klas-

senrat hatte jeder die Möglichkeit, seine Anliegen vorzubringen oder als Moderator das

Gespräch zu leiten, um Streitgespräche immer wieder auf eine sachliche Ebene zu bringen

oder beratend einzugreifen. (…) Durch den Klassenrat habe ich als Jugendliche gelernt,

wie Besprechungen zu moderieren sind. (…) Auch im privaten Bereich profitiere ich von

COOL, da ich gelernt habe, Konflikte nicht zu umgehen, sondern sie anzusprechen und

sachlich zu diskutieren. Für mich war diese Unterrichtsform die beste Wahl, da hierbei

meine soziale Kompetenz bestmöglich gefördert wurde.“ (Hölbling, Wittwer & Neuhauser

2008, S. 33f.) Auffallend in diesem Zitat ist, dass der Klassenrat vor allem auch als In-

strument zur Erlangung methodischer Kompetenzen gesehen wird.

Die Bedeutung des Klassenrats hebt auch Greimel-Fuhrmann (2007) im Rahmen eines

Artikels in der Zeitschrift wissenschaftplus hervor, in welchem sie sich mit der Frage:

„Was ist und was kann Cooperatives Offenes Lernen (COOL)?“ beschäftigt. Dabei ver-

sucht sie einen Überblick über vorliegende empirische Befunde zu geben. Der Befund zum

Klassenrat lautet: „neben der Weiterentwicklung der fachübergreifenden Fähigkeiten (wie

des selbständigen Arbeitens und der Kooperationsfähigkeit) (…) wurden vor allem Ver-

besserungen bei der sozialen Integration der Schüler in den Klassenverband deutlich. Hier

wird vor allem die Institution des Klassenrates als förderliches Element genannt, das Schü-

ler ermutigt, frei zu sprechen, ihre Meinung zu äußern, ihre Probleme und Sorgen zu arti-

kulieren und auf andere Rücksicht zu nehmen.“ (Greimel-Fuhrmann 2007, S. IIIf.) Der

Rest der Befunde bezieht sich auf Wirkungen von COOL (Senkung der Fehlstunden, Repe-

tentenanzahl, leicht besserer Notendurchschnitt, bessere Motivation der Lehrkräfte, Akzep-

tanz von COOL bei Schüler/innen und Lehrer/innen u.a.), die wenig oder wenn überhaupt

nur indirekt mit sozialer Kompetenz oder der moralischen Urteilsfähigkeit zu tun haben,

weshalb auf sie an dieser Stelle auch nicht näher eingegangen wird.

Eine für unsere Forschungsfrage sehr interessante Diplomarbeit arbeitete Iris Raabe 2008

an der Universität Karlsruhe aus. Sie versuchte, der Frage nachzugehen, inwiefern sich

COoperatives Offenes Lernen (COOL) positiv auf die soziale Kompetenz „Kooperations-

fähigkeit“ der Schüler/innen auswirkt? Diese Untersuchung ist aus mehreren Gründen her-

vorzuheben. Zum einen wird versucht, soziale Kompetenz nicht nur mittels Fremd- und

Selbsteinschätzung zu erheben, sondern die Kooperationsfähigkeit am konkreten Verhalten

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festzumachen. Dazu wurden die Schüler/innen bei der Lösung kooperativer Arbeiten beo-

bachtet und deren verbale Äußerungen auf Tonband aufgezeichnet und sodann ausgewertet

(vgl. Raabe 2008, S. 35ff.). Die Ergebnisse können somit als Korrektiv zur vorliegenden

Arbeit verwendet werden, da ja der MUT sowie der MUT/s konkretes Verhalten nur inso-

fern indirekt messen kann, als MUT(/s)-Wert und soziales Handeln miteinander korrelieren

(vgl. Kap. 10). Kooperationsfähigkeit als untersuchte Variable ist weiters nicht nur auf-

grund ihrer Zugehörigkeit zu den sozialen Kompetenzen allgemein (Schuler & Barthelme

1995) interessant, sondern auch wegen ihrer zugrunde liegenden Konzeption. Johnson &

Johnson (1987) beschreiben Kooperationsfähigkeit als Überbegriff für folgende vier Fä-

higkeiten:

1. Fähigkeit zur Kommunikation

2. Fähigkeit Vertrauen aufzubauen und zu erhalten

3. Fähigkeit zu führen, zu organisieren und zu entscheiden

4. Fähigkeit zur Konfliktbearbeitung und –lösung und demokratisches Verhalten

Der Leserin bzw. dem Leser ist sicherlich die Nähe dieser vier Fähigkeiten zu den lempert-

schen Dimensionen deutlich geworden. Vor allem auch die vierte Fähigkeit, die Konflikt-

fähigkeit steht in engem Zusammenhang mit dem, was der MUT(/s) zu messen versucht.

Somit liegt nahe, dass – nach dieser Definition von Kooperationsfähigkeit – kooperativere

Schüler/innen auch moralisch urteilsfähiger sind bzw. höhere MUT(/s)-Werte erreichen

sollten.

Zu welchen Ergebnissen kommt nun Raabe? Analog zu der, in dieser Arbeit untersuchten

Forschungsfrage, erwartet Raabe (2008, S. 52) aufgrund der theoretischen Konzeption von

COOL, dass COOL-Gruppen mehr kooperative und weniger unkooperative Verhaltens-

weisen zeigen. „Die Untersuchung mit dem T-Test ergibt allerdings keine Bestätigung die-

ser Annahme: Die NonCOOL-Gruppen zeigen sowohl mehr kooperative als auch unkoope-

rative Verhaltensweisen. (…) Auch im Vergleich der einzelnen Beobachtungsunterpunkte

können keine signifikanten Unterschiede aufgedeckt werden.“ (Raabe 2008, S. 52) Einzig

im Bereich der Organisationsfähigkeit scheinen COOL-Schüler/innen leichter in Freiar-

beitsphasen lernen zu können (vgl. a.a.O., S. 53). Weiters kommt Raabe mittels Selbstein-

schätzungsbögen zu dem Ergebnis, dass sich COOL-Schüler/innen in manchen Bereichen

besser einschätzen. So schreiben sich COOLer/innen eine bessere Teamfähigkeit zu und

haben weniger Hemmungen ihre Meinung in Gruppen frei zu äußern (vgl. a.a.O., S. 59).

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Zusammenfassend lässt sich jedoch mit den Ergebnissen von Raabe festhalten, dass „sich

die Schüler zwar unterschiedlich einschätzen, obwohl ihr Verhalten nicht unterschiedlich

ist.“ (a.a.O., S. 64)

Die hier dargestellten Befunde verschiedener (meist qualitativer) Untersuchungen zeigen,

dass COOL im Hinblick auf seine Auswirkungen auf die soziale Kompetenz noch sehr

wenig erforscht ist. Dies mag zum einen daran liegen, dass ein solches Vorhaben mit sehr

vielen Schwierigkeiten, etwa die Messung sozialer Kompetenz oder die variierende Unter-

richtspraxis in den einzelnen Klassen etc. verbunden ist (vgl. Oser & Althof 1997, S. 443),

und zum anderen daran, dass mit Einschätzungen der Lehrer/innen über ihre Schüler/innen

(und durch Selbsteinschätzungen der Schüler/innen) ohnehin ein – wenn nicht 100 % vali-

des, aber doch hinreichend verlässliches Ergebnis zustande kommt. Wer wenn nicht die

Lehrer/innen (abgesehen vielleicht von den Eltern) können am besten beurteilen, wie sich

das (soziale) Verhalten der Schüler/innen ändert (vgl. dazu die Befunde von Schlosser

2006, S. 138)? Und möglicherweise ist es auch gar nicht so wichtig Kompetenzen immer

auf Skalen exakt messen zu können. So zählt meiner Meinung auch in der Wirtschaft im

Regelfall weniger, welchen IQ-Wert eine Person bei einem Intelligenztest erlangt, sondern

vielmehr die Fähigkeit in verschiedenen komplexen Praxissituationen adäquat handeln zu

können bzw. ganz generell die Arbeitsbereitschaft und der Leistungswille. Und ob diese

Fähigkeit mit dem IQ zusammenhängt ist nach Dörner (1984, S. 10, Herv. i. Orig.) inso-

fern umstritten, als „für die Bewältigung von Problemsituationen neben der ,Intelligenz’ in

dem Sinne, wie sie implizit durch die Konstrukteure und Anwender von Intelligenztests

angenommen wird, noch viele andere Faktoren eine wichtige Rolle spielen.“ So ist auch

bei der moralischen Urteilsfähigkeit weniger der isoliert betrachtete C-Wert einer Person

an sich interessant, als vielmehr dieser in Kombination mit anderen Faktoren, die gemein-

sam Voraussetzung für die soziale Handlung einer Person sind. Aber dazu mehr in Kapitel

10. Dennoch, wie zu sehen war, ist lt. Kohlberg die moralische Urteilsfähigkeit Vorausset-

zung um moralisch Handeln zu können – genauso wie Intelligenz im Sinne des IQs eine

Determinante für die Problemlösefähigkeit ist (vgl. Dörner 1984, S. 18). Aus diesem

Grund geben wir uns auch nicht mit den hier dargestellten Ergebnissen zufrieden, sondern

fragen nun nach der Wirkung COOL-ähnlicher Schulinterventionen.

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Die unabhängige Variable „COOL“

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8.2.2 Ergebnisse der Just-community und der KMDD

Oser & Althof (1997) verweisen auf vier Untersuchungen von Power, Higgins & Kohlberg

1989, Power 1979, Kohlberg 1986 und Korte 1987, die den erhöhten Einfluss des Just-

community Ansatzes auf das moralische Urteilen zeigen. In einer dieser Untersuchungen

werden zwei so genannte Cluster Schools (JC) „normalen“ High Schools im Zeitvergleich

gegenübergestellt. „Die Hypothese lautete, dass die Just Community-Schule eine stärkere

Veränderung der moralischen Urteilsstufen (nicht des MUT-Wertes, Anm. d. Verf.) der

Schüler ermöglicht als alle anderen Schultypen.“ (Oser & Althof 1997, S. 448) Pre- und

Posttestung zeigen, dass diese Hypothese nicht widerlegt werden konnte, es jedoch nur in

einer JC-Schule zur signifikant stärkeren Zunahme von Moral Maturity-Punkten während

eines Schuljahres kam (vgl. ebd.). Auch die beiden anderen Untersuchungen sprechen da-

für, dass mit dem JC-Ansatz intendierte Wirkungen eingetreten sind: „Solche Resultate

sind überzeugend. Sie weisen darauf hin, dass die gesteckten Ziele (…) tatsächlich erreich-

bar sind“ resümieren Oser & Althof (1997, S. 450).

In den Jahren von 1987 bis 1990 wurde in Nordrein-Westfallen an drei Schulen das päda-

gogische Konzept „Demokratie und Erziehung in der Schule“ (DES) erprobt. Die wissen-

schaftliche Begleitung unterlag dabei u.a. Lind und Oser (vgl. Steffens, Bargel & Lind

1994, S. 2). Dabei kamen die Wissenschaftler u.a. zu folgenden Ergebnissen:

Der mittlere DES-Effekt – also jener der Intervention – beträgt 6,51 C-Punkte an Zuwachs

pro Schuljahr (Effektstärke von r = 0,26). Der C-Wert wurde hier mit dem VUT, einem

„Vorgängermodell“ des MUT gemessen. Dieser jährliche Zuwachs ist um 2,93 Punkte

höher als der geschätzte Zuwachs von 3,58 bei Normalunterricht. „Demnach wäre der Ef-

fekt des DES-Projekts fast doppelt so hoch wie der normale Schuleffekt.“ (Lind 1993b,

S. 182) Dem nicht genug, Lind berichtet über absolute Effektstärken, die über die 6,51

Punkte weit hinausgehen. Mit der von Lind selbst entwickelten Konstanzer Methode der

Dilemma-Diskussion erzielt er bis zu 15 Punkte Zuwachs bei Psychologiestudent/innen

während eines Semesters (vgl. Lind 2002). Besonders interessant für unsere Untersuchung

an diesem Befund ist, dass er die Ergebnisse in Verhältnis zu einer Lehrveranstaltung setzt,

die sich offener Didaktik bedient:

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Die unabhängige Variable „COOL“

92

Abbildung 8: Effektstärken von KMDD-Seminaren und offener Didaktik (Lind 2002)

Lind relativiert jedoch diese hohen Ergebnisse und spricht bei „normalem“ Unterricht von,

den in Tabelle 7 dargestellten, realistischen absoluten Effektstärken:

Tabelle 7: Effektstärken von Interventionen z. Förderung von moralischer Urteilsfähigkeit (vgl. Lind 2008b)

„normale“ Schulen ohne Programme

zur Förderung von Moral und Demo-

kratiefähigkeit

Schulen mit Dilem-madiskussionen und

Just-community

gut ausgebildete KMDD-

Lehrer/innen

absolute Ef-fektstärke pro Jahr

3 – 4 Punkte 6 – 8 Punkte bis zu 15 Punkte

Daraus kann mit Lind abgeleitet werden: „Wenn der Zuwachs des C-Wertes bei COOL-

Schulen deutlich darüber (über den jährlichen Zuwächsen bei normalen Schulen, Anm. d.

Verf.) liegt (5 Punkte und mehr), kann man von einem Erfolg dieses Ansatzes sprechen.“

(Lind 2008b) Generell meint Lind, dass die Beurteilung des Zuwachses von der Frage ab-

hängt, „wie stark der C-Wert in verschiedenen Gruppen üblicherweise voneinander ab-

weicht. Da er für Gruppen von Personen je nach Entwicklungsstand zwischen 10 und 40

liegt, bedeutet ein Effekt von durchschnittlich 3,6 C-Punkten, dass er ungefähr 10 % der

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Die unabhängige Variable „COOL“

93

üblichen Spannbreite der Moralentwicklung bedeutet, was wir als ziemlich viel empfin-

den.“ (Lind 2008a, S. 18) Mit dieser Interpretation von Effektstärken versucht Lind die

Schwäche der statistischen Signifikanz, die durch eine Vergrößerung der Stichprobenzahl

verbessert werden kann, zu beheben (vgl. Lind 2008a, S. 4).

Zusammenfassend: Verbindet man die, hier in den beiden Unterkapiteln, überblicksmäßig

dargestellten Befunde: Nämlich einerseits die Wahrnehmung von u.a. Lehrkräften, dass

COOL soziale Kompetenzen allgemein fördert und andererseits, dass der COOL-ähnliche

JC-Ansatz tatsächlich verstärkt die moralische Urteilsfähigkeit der Schüler/innen steigert,

so ist die Hoffnung groß, dass auch die vorliegende Untersuchung ähnliche Ergebnisse

hervorbringt.

8.2.3 Zu welchen Ergebnissen kommt die vorliegende Untersuchung?

Da der Einfluss von COOL auf die moralische Urteilsfähigkeit in einer Querschnittstudie

nicht gemessen werden kann, müssen wir uns hier mit einer Pseudo-Längsschnittstudie

begnügen, die Indizien für einen möglichen Einfluss von COOL offen legen kann. Die

Hypothese, die im Folgenden überprüft werden soll, lautet daher: „Der Unterschied in den

Mittelwerten der moralischen Urteilsfähigkeit je Schulstufe (gemessen durch eine Zeit-

punkterhebung) steigt bei den COOL-Klassen schneller an als bei den Kontrollklassen!“

Bevor diese Hypothese überprüft wird, zeigt Abbildung 9 die Verteilung des C-Wertes in

der gesamten Stichprobe (N=454), wobei sich der C-Wert wie folgt interpretieren lässt:

„The C-score ranges from 1 to 100. A score 1-9 is considered to be low, 10-29 medium,

30-49 high and above 50 very high. Those categories are based on Cohen’s proposal

(1988).” (Schillinger 2006, S. 77) Diese Kategorien beschreiben also, wie moralisch ur-

teilsfähig eine Person ist. Zur Erinnerung: „With the MJT, moral judgment competence is

operationally defined as the ability of a subject to accept or reject arguments on a particu-

lar moral issue consistently in regard to their moral quality even though they oppose the

subject’s stance on that issue.” (Lind 2004, S. 24, Herv. i. Orig.)

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Die unabhängige Variable „COOL“

94

Verteilung des C-Wertes in der Stichprobe gegliedert nach Unterrichtstyp in %

1

3

11

20

37

27

3

3

12

17

34

31

0 5 10 15 20 25 30 35 40

extraordinary high

very high

high

medium

low

very low

Prozentanteile der Schüler/-innen

ohne COOLmit COOL

Abbildung 9: Verteilung des C-Wertes in der Stichprobe gegliedert nach Unterrichtstyp

Obwohl – wie in Kapitel 7.2 aufgezeigt wurde – die meisten Schüler/innen in moralischen

Dilemmasituationen auf den wünschenswerteren höheren Kohlbergstufen urteilen, ist der

erreichte C-Wert der Stichprobe (zumindest von zwei Dritteln) mit „very low“ bis „low“

erschreckend niedrig. Dies ist so, weil “Most, if not all, persons prefer principled stages (5

and 6) most” (Lind 2004, S. 28) und dies daher – wie in Kap. 7.1.1 gezeigt wurde – keine

Fähigkeit ist, zumindest keine, die der MUT bzw. MUT/s misst.

Soll dieses „schwache“ Ergebnis beunruhigen? Die Antwort lautet: Nein. Auch Hettinger

(2009) findet ähnlich niedrige Werte in ihrer Stichprobe unter 155 Jugendlichen zwischen

14 und 18 im Rahmen der Untersuchung, inwiefern sich Intelligenz auf die moralische

Urteilsfähigkeit auswirkt:22

22 Zur Diskussion um Intelligenz und ihre Auswirkungen auf die moralische Urteilsfähigkeit seien die

Leserin und der Leser auf Kap. 9.1 verwiesen.

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Die unabhängige Variable „COOL“

95

Abbildung 10: Verteilung des C-Wertes in der Studie von Hettinger (2009, S. 60).

Zwar sind die Proband/innen in der Hettinger-Studie etwas jünger als die hier untersuchten

Schüler/innen, jedoch verweist Hettinger auf Lerkiatbundit (2004; 14 - 19 jährige Pro-

band/innen) und Colesante & Biggs (2001, College-Student/innen), die ähnliche Werte

erzielen (vgl. Hettinger 2009, S. 83f.).

Folgende Pseudo-Längsschnittstudie, also der Vergleich durchschnittlicher C-Wert-

Zuwächse über die Schulstufen je Schule, legt vorerst keine Indizien offen, die eine positi-

ve Wirkung von COOL auf die moralische Urteilsfähigkeit untermauern würden.

Schule A - Mittelwerte

0,00

5,00

10,00

15,00

20,00

25,00

1 2 3

Jahrgang

MUT

-Sco

re

OLEKontrollklasse

Schule B - Mittelwerte

0,00

5,00

10,00

15,00

20,00

25,00

1 2 3 4

Jahrgang

MUT

-Sco

re

LIFEKontrollklasse

5 Klasse

Schule C - Mittelw erte

0,00

5,00

10,00

15,00

20,00

25,00

1 2 3

Jahrgang

MU

T-Sc

ore

COOL

Kontrollklasse

Abbildung 11: C-Mittelwerte gegliedert nach Schulen und Jahrgängen

Betrachtet man Schule A, so haben zwar die COOL-Klassen im Durchschnitt generell hö-

here C-Werte, jedoch steigt der durchschnittliche C-Wert nur im zweiten Jahrgang an, um

dann wieder zu sinken. Während die durchschnittlichen C-Werte der Kontrollklassen etwa

auf einem konstanten Niveau stagnieren. In Schule B und C (mit Ausnahme des ersten

Jahrganges) verfügen hingegen die Kontrollklassen über höhere Durchschnittswerte. Auch

hier sind die Anstiege nicht linear und auch ein schnellerer Anstieg des C-Wertes in den

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Die unabhängige Variable „COOL“

96

COOL-Klassen erfolgt nicht. Diese Ergebnisse würden der „Bildungstheorie“ von Lind

widersprechen, die ja besagt, dass mit Fortlauf der Bildungsmöglichkeiten die moralische

Urteilsfähigkeit ebenfalls zunimmt. Auch wenn die gesamte Stichprobe betrachtet wird, so

schwankt der C-Wert nur zwischen einem Intervall von etwa 17 und 19 Punkten. Womög-

lich ist aber der Zeitraum von zwei Jahren etwas zu kurz, als dass sich signifikante Zu-

wächse abbilden lassen. Zieht man die Durchschnitte der fünften Klasse der Schule B her-

an, so zeigt sich, dass diese Klassen deutlich höhere Werte bis über 23 Punkte erreichen.

Von einer Widerlegung der „Bildungstheorie“ – auch nur bezogen auf diese Stichprobe –

kann daher keine Rede sein.

Wie sieht der Mittelwertvergleich aus, wenn man die Schulstufen unberücksichtigt lässt?

Ein T-Test unabhängiger Stichproben (siehe Anhang 16) zeigte, dass es zum einen eben-

falls keine signifikanten (.548) Unterschiede hinsichtlich der C-Wert-Mittelwerte zwischen

COOL-Schüler/innen (17,83) und NonCOOL-Schüler/innen (18,51) gibt, und zum anderen

der Mittelwert von NonCOOL-Schüler/innen höher ist. Auch die Effektstärke bzw. prakti-

sche Signifikanz liegt weit unter 10 % der Spannweite.23 Das die COOL-Schüler/innen im

Schnitt schlechter abschneiden ist also zufallsbedingt. Außerdem würde ein Vergleich von

COOL- und NonCOOL- Proband/innen ohnehin so einfach nicht der Komplexität der Un-

terrichtsrealität gerecht werden. Das Problem, dass COOL zum einen in jeder Schule etwas

anders ausgeprägt ist und auch in NonCOOL-Klassen die moralische Urteilsfähigkeit för-

dernde Elemente (etwa vermehrter Einsatz von Sozialformen im Unterricht) vorkommen

können und sollen, wird im nächsten Kapitel behandelt.

8.2.3.1 Die Ausprägungsproblematik von COOL

Wann immer man versucht, Unterricht oder Schule zu evaluieren, steht man vor dem Prob-

lem, dass nicht jeder Unterricht gleich abläuft. Wie Unterricht abläuft hängt sehr stark von

den Einstellungen, Intentionen und den daraus resultierenden Handlungen einer Lehrper-

son ab. „Ohne Zweifel können Lehrpersonen ihre Aufgaben mehr oder weniger gut erfül-

len, bzw. sie auf je eigene Weise gestalten.“ (Fend 2008, S. 280)24. Dies gilt – so meine ich

–für schülerorientierten Unterricht, wie es COOL darstellt, noch viel stärker als für her-

23 Berechnung: (18,51 - 17,83) / (40 - 10) = 0,0227 > 2,27 % 24 Die Rolle des „Heimlichen Lehrplans“/“Hidden Curriculum“ wird bei Kohlberg ebenfalls thematisiert

(vgl. bspw. Gordon 1986). In dieser Arbeit muss aber aus Platz- und Messbarkeitsgründen darauf ver-zichtet werden.

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Die unabhängige Variable „COOL“

97

kömmlichen lehrerzentrierten Unterricht. Als Grund dafür lässt sich bspw. die Notwendig-

keit der Lehrerkooperation für COOL nennen. So berichtet Schlosser in seiner qualitativen

Untersuchung: „Die Beteiligung an innerschulischer Kooperation scheint dort höher zu

sein, wo zum einen die Intensivierung von Teamarbeit ein ausdrückliches Anliegen der

Schulleitung war bzw. an der Schule schon kooperativere Traditionen aufgrund anderer

Schulentwicklungstätigkeiten bestanden haben.“ (Schlosser 2006, S. 137) Aber auch der

erhöhte Arbeitsaufwand, die Mehrarbeit, von denen COOL-Lehrkräfte berichten ist, ein

Indiz dafür, dass die Lehrerrolle – trotz des Verschwindens ihrer Monopolstellung im ei-

gentlichen Unterricht – wichtiger denn je für die Umsetzung von COOL-Unterricht gewor-

den ist. Zudem ist COOL, wie erwähnt, nicht eine Unterrichtsmethode, sondern ein „Way

of Life“, eine Unterrichtsphilosophie, die dem/der COOL-Lehrer/in inne sein muss (vgl.

Neuhauser 2009). Diese Indizien verweisen darauf, dass COOL nicht gleich COOL ist. Die

Unterschiede in der Umsetzung von COOL nennt Schlosser auch als Grund für die unter-

schiedliche Wahrnehmung von sozialen Schülerkompetenzen bei Lehrer/innen: „Die un-

gleiche Einschätzung der Entwicklung der Sozial-, Selbst- und Methodenkompetenzen der

Schüler/innen dürfte unter anderem auch damit zusammenhängen, dass sich der Umfang

wie auch die Art und Weise der Umsetzung des COOL-Unterrichts von Lehrer zu Lehrer

als auch von Schule zu Schule – trotz Einhaltung der Qualitätskriterien für ‚COOL’ (…) –

unterscheiden.“ (Schlosser 2006, S. 138, Herv. i. Orig.) Auch Altrichter & Maderthaner

(2007, S. 521) zeigen Unterschiede in der Umsetzung des COOL-Konzepts:

Tabelle 8: Elemente des COOL-Konzepts (Altrichter & Maderthaner 2007, S. 521)

in x Schulen in % Organisationale Strukturen von COOL: COOL-Richtlinien/Regeln für jede Klasse 35 89,7 Regelmäßiger Klassenrat 30 76,9 Regelmäßige Treffen des gesamten COOL-Lehrkörpers 28 71,8 Regelmäßige Treffen der Klassenlehrer-Teams 25 64,1 Wiederholte Evaluierung von COOL durch Schüler/innen oder Lehrer/innen 25 64,1

Schüler-Lehrer-Forum/COOL-Parlament 6 15,4 Unterrichtsbezogene Elemente von COOL: Schriftlich formulierte Arbeitsaufträge (Assignments) 38 97,4 Einsatz offener Unterrichtsmethoden 36 92,3 Freie Arbeitsphasen, die im Stundenplan verankert sind 31 79,5 Die Lehrer/innen geben den Schüler/innen regelmäßig Feed-back zu ihrem Arbeits- und Sozialverhalten. 28 71,8

Die Arbeitsaufträge sind fächerübergreifend. 26 66,7 Die Schüler/innen führen regelmäßig eine Selbstbeurteilung ihres Arbeits- und Sozialverhaltens durch. 13 33,3

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Die unabhängige Variable „COOL“

98

8.2.3.2 Die Lösung der Ausprägungsproblematik von COOL

Mit Greimel-Fuhrmann (2007, S. III) kann also zusammenfassend festgehalten werden:

„COOL läuft nicht an allen Schulen in gleicher Weise ab“. Um dieser Tatsache auch in der

vorliegenden Untersuchung gerecht zu werden, wurden zwei Maßnahmen gesetzt:

1. In Zusammenarbeit mit Frau Mag.a Wittwer und Herrn Mag. Neuhauser (Leitung des

COOL-Impulszentrums an der HAK Steyr) sowie mit Frau Mag.a Wimmer (Mitar-

beiterin des Impulszentrums) wurden jene COOL-Schulen ausgewählt, die über eine

COOL-Zertifizierung verfügten und bei denen davon ausgegangen werden konnte,

dass COOL in etwa am selben Stand der Entwicklung ist.

2. Im Erhebungsbogen wurden 20 Fragen eingefügt, die die Wahrnehmung einiger für

diese Untersuchung relevanter COOL-Zertifizierungskriterien (Teamarbeit der Lehr-

kräfte, Struktur der offenen Arbeitsphasen, schriftliche Arbeitsaufträge als Grundlage

des eigenverantwortlichen Lernens, Förderung von Kooperation und Teamfähigkeit,

Feedback und Leistungsbeurteilung) durch die Schüler/innen erheben sollten. Damit

sollte gewährleistet werden, dass die moralische Urteilsfähigkeit auch in Zusammen-

hang mit der je Schüler/in erlebten Ausprägung von COOL gebracht werden kann.

Auch dem Problem, dass in einer untersuchten Schule die COOL-Klasse des zweiten

Jahrganges mit einer nicht-COOLen Parallelklasse zusammengelegt wurde, konnte so

Rechnung getragen werden.

Die folgende Tabelle 9 ist Ergebnis einer Faktorenanalyse, die deutlich zeigt, dass sich die

20 COOL-Fragen – aufgrund ihrer jeweiligen Faktorladung – sehr gut auf fünf Faktoren

reduzieren lassen:

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Die unabhängige Variable „COOL“

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Tabelle 9: Faktorenanalyse der 20 COOL-Fragen

Komponente 1 2 3 4 5

1. Das selbständige Arbeiten macht mir viel Spaß. ,814 2. Die Phasen selbständigen Lernens sollten ausgedehnt werden. ,753 3. Mit der Verantwortung für mein Lernen komme ich gut zurecht. ,691 4. Freie Zeiteinteilung im Unterricht ist für mich EIN PROBLEM. -,636

5. Es ist mir wichtig, dass die schulischen Lernsituationen eine Heraus-forderung darstellen. ,542

6. Sie regen durch ihren Unterricht zum Mitdenken, Mitdiskutieren und Mitentscheiden an. ,748

7. Ihre sozialen Fähigkeiten (z.B. respektvoller Umgang mit den Schü-lern) werden im Unterricht deutlich. ,743

8. Sie muten uns Schülern zu, dass wir bei wichtigen Themen ernsthaft mitreden können. ,732

9. Ich merke, dass sie engagiert und bemüht sind. ,591

10. Die Noten setzen sich NICHT nur aus Schularbeiten und Tests zu-sammen. Es gibt oft auch eine alternative Leistungsbeurteilung, z.B. durch Portfolios, Referaten, Selbsteinschätzung etc.

11. Sie sprechen sich untereinander gut ab. ,794 12. Sie arbeiten (gut) zusammen. ,727 13. Sie machen fächerübergreifenden Unterricht. ,622

14. Im Unterricht lernen wir, uns in andere Personen hinzuversetzen und deren Argumente zu verstehen. ,773

15. Im Unterricht diskutieren wir öfters über allgemeine und persönliche Probleme die uns beschäftigen. ,587

16. Im Unterricht lernen wir zu argumentieren bzw. eigene Meinungen zu vertreten. ,578

17. Im Unterricht lernen wir gemeinsam zu entscheiden. ,418

18. Unterrichtsphasen, in denen ich selbst entscheiden kann, wann ich etwas mache und wie ich es mache, kommen oft vor. ,822

19. Im Unterricht habe ich oft die Gelegenheit zwischen verschiedenen (Lern-)aufgaben zu wählen. ,779

20. Gestellte Aufgaben und meine Arbeitsergebnisse im Unterricht wer-den oft mit Lehrern oder Klassenkollegen reflektiert (überdacht, dar-über diskutiert).

,412

Extraktionsmethode: Hauptkomponentenanalyse. Rotationsmethode: Varimax mit Kaiser-Normalisierung. a Die Rotation ist in 5 Iterationen konvergiert.

Die fünf Faktoren lassen sich aufgrund der ihnen zugrunde liegenden Fragen in „Selbst-

ständiges Arbeiten“ (Faktor 1), „Schülerumgang der Lehrer/innen“ (Faktor 2), „Lehrerko-

operation“ (Faktor 3), „Diskutieren im Unterricht“ (Faktor 4) und „Mitentscheidung im

Unterricht“ (Faktor 5) umbenennen. Diese fünf neuen Variablen bzw. ihre Faktorwerte

(Spannweite: -3 bis +3) lassen sich wie folgt interpretieren: Die Person mit dem Test-Code

„an0108“ erlangt am Faktor „Selbständiges Arbeiten“ einen Faktorwert von -2,492. Das

bedeutet sie hat die COOL-Fragen 1 bis 5 eher im negativen Bereich der Likertskala von -2

bis +2 angekreuzt (-2,-2,0,2,-1, man beachte die negative Korrelation in der Faktorladung).

In Worten heißt das, dass sie die Aussagen zum „Selbständigen Arbeiten“ eher ablehnt.

Oder – bezogen auf diese Person – anders formuliert: Sie kommt mit dem selbstständigen

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Die unabhängige Variable „COOL“

100

Arbeiten, der Verantwortungsübernahme für ihr Lernen, mit der selbstständigen Zeiteintei-

lung nicht gut zu recht und es ist ihr weniger wichtig, dass Lernsituationen eine Herausor-

derung darstellen. Ebenso steht sie einer Ausweitung der Phasen des selbständigen Lernens

neutral gegenüber. Die Person „cn0312“ erreicht einen Faktorwert von 1,953, d.h. sie hat

die Fragen zum „Selbstständigen Arbeiten“ eher im positiven Bereich angekreuzt

(2,2,2,-2,2, man beachte wieder die negative Korrelation in der Faktorladung). Die Inter-

pretation des Faktorwertes erfolgt daher vice versa.

Interessant erscheint nun die Frage, wie die Wahrnehmung dieser COOL-Fragen bzw.

COOL-Qualitätskriterien zwischen COOL-Schüler/innen und NonCOOL-Schüler/innen

divergiert. Ein Mittelwertsvergleich durch einen T-Test zweier unabhängiger Stichproben

ergab, dass signifikante Unterschiede bei den Faktoren „Selbständiges Arbeiten“ (,000)

und „Mitentscheiden im Unterricht“ (,000) zwischen den beiden Schülergruppen bestehen,

und zwar solche, die zeigen, dass die Mittelwerte der COOL-Schüler/innen im positiven

Bereich liegen, während die der NonCOOLer/innen im negativen Bereich liegen (siehe

Anhang 1). Dass die COOL-Schüler/innen den Bereichen „Selbständiges Arbeiten, Ver-

antwortungsübernahme für das Lernen, freie Zeiteinteilung, Lernsituationen als Herausfor-

derung etc.“ positiver gegenüber eingestellt sind bzw. damit besser zu Recht kommen, und

dass sie Mitentscheidungsmöglichkeiten im Unterricht deutlicher wahrnehmen als ihre

Kolleg/innen, verwundert wenig. Schließlich sind sie gemäß dem COOL-Konzept täglich

damit konfrontiert. Überraschender sind da schon die Resultate zu den anderen Faktoren.

So gibt es keinen signifikanten Unterschied wenn es um die Schülerwahrnehmung bezüg-

lich des Umgangs der Lehrer/innen mit den Schüler/innen geht und auch nicht bei der

Wahrnehmung der Lehrerkooperation. Beide sind jedoch wichtige Gelingensvoraussetzung

für COOL.

Eine Interpretation dieser Ergebnisse kann/soll hier nicht stattfinden, womöglich fehlt den

Schüler/innen zum einen die Einsicht in die Arbeit ihrer Lehrer/innen, um etwa beurteilen

zu können, inwiefern sie miteinander kooperieren. Zum anderen gelingt es möglicherweise

den Lehrer/innen nicht, ihren Mehraufwand (zum Mehraufwand von dem COOL-

Lehrer/innen berichten vgl. bspw. Schlosser 2006, S. 136) nach außen zu transportieren.

Möglicherweise sind aber auch die gestellten Fragen nicht valide genug. Für unsere Unter-

suchung jedoch interessant und bedeutend ist die Tatsache, dass der Faktor „Diskutieren

im Unterricht“ – welcher wichtige Voraussetzung zur Förderung moralischer Urteilsfähig-

keit wäre – von beiden Probandengruppen gleich wahrgenommen wird, bzw. kein statis-

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Die unabhängige Variable „COOL“

101

tisch und praktisch signifikanter Unterschied beobachtbar ist. Gerade im Hinblick auf die

Förderung sozialer Kompetenzen allgemein sollte sich hier bei COOL-Schüler/innen eine

wesentlich höhere Wahrnehmung einstellen, da sie über Elemente wie den Klassenrat ver-

fügen.

Widerlegung der Hypothese

Mit Hilfe der Schülerwahrnehmung bezüglich der COOL-Qualitätskriterien (sie spiegeln

sich in den Faktorwerten) haben wir nun ein Maß, das wir in Verbindung mit der morali-

schen Urteilsfähigkeit bzw. dem C-Wert der einzelnen Schüler/innen bringen können. In

einem ersten Schritt lassen wir die fünf Faktoren mit dem MUT/s-Wert korrelieren. Erge-

ben sich hier Zusammenhänge? In einem zweiten Schritt soll eine univariate Varianzanaly-

se durchgeführt werden, deren abhängige Variable der MUT/s-Wert bildet und die unab-

hängigen Kovariaten die fünf Faktoren bilden.

Bezüglich der Korrelationen scheint es keinen Zusammenhang zwischen den COOL-

Faktoren und den C-Werten zu geben (vgl. Anhang 2). Lediglich Faktor 1 „Selbständiges

Arbeiten“ korreliert mit .103 schwach aber auf einem Niveau von 0,05 signifikant. Zum

gleichen Ergebnis kommt die Varianzanalyse (betrachtet man die fünf COOL-Faktoren als

einzige Einflussvariablen, vgl. Anhang 3). Auch sie bestätigt einen signifikanten Einfluss

des Faktors „Selbständiges Arbeiten“ (.033). Diese Ergebnisse dürfen aber nicht überbe-

wertet werden, wie eine Berücksichtigung aller untersuchten Variablen (Kap. 9.8) zeigt.

Die Hypothese, dass die Ausprägung von COOL mit der moralischen Urteilsfähigkeit posi-

tiv korreliert, muss also eindeutig widerlegt werden. Auch Indizien für einen (empirisch)

positiven Einfluss von COOL auf die moralische Urteilsfähigkeit ließen sich nach Lösung

des Ausprägungsproblems von COOL nicht finden.

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Intervenierende Variablen

102

9 Intervenierende Variablen

Bisher stand nur die Einflussvariable COOL im Mittelpunkt. Gemäß Kapitel 6.6.1 ist es

aber durchaus denkbar, dass auch andere Variablen Einfluss auf die moralische Urteilsfä-

higkeit ausüben. Dieser Tatsache soll im Folgenden nachgegangen werden. Einzelne

Hypothesen zu möglichen intervenierenden Variablen werden im Diskussionsablauf darge-

stellt.

9.1 Kognitive Fähigkeiten: IQ25 und Schulnote

Wie in Kap. 2.4.1 gezeigt wurde, handelt es sich bei Kohlbergs Moralentwicklung um eine

kognitive Entwicklungstheorie. Mit Jean Piaget, James Mark Baldwin, John Dewey und

George Herbert Mead definiert Kohlberg Stufen „allein unter Rekurs auf kognitive Struk-

turen, also Denk- und Urteilsweisen.“ (Kohlberg 1995, S. 179)

Bereits Piaget hat angedeutet, dass bei Kindern intellektuelles Wachstum nötig ist, um hö-

herwertigere, qualitativere moralische Urteile fällen zu können (vgl. Kohlberg 1995,

S. 22). Auch „Kohlberg hat darauf hingewiesen, dass die Intelligenzentwicklung sensus

Piaget eine notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung für die moralische Ur-

teilsfähigkeit ist. So setzt bereits das Erreichen der Stufe 3 einfache formale Operationen

voraus (…), höhere Stufen des moralischen Urteils erfordern anspruchsvollere formale

Operationen.“ (Kohlberg 1973 zit. nach Weyers 2004, S. 176)

Die Empirie spricht ebenso für einen positiven Zusammenhang von Intelligenz und morali-

scher Urteilsfähigkeit: So berichtet Kohlberg, dass die moralische Fähigkeit der Rollen-

übernahme eine ausgeprägte kognitive Seite hat, deren Entwicklung mit dem kognitiven

Fortschritt (bei Intelligenztests oder Piagetaufgaben) korreliert (vgl. Kohlberg 1995, S. 33).

Daraus zieht er folgenden Schluss: „Intelligenz kann als eine notwendige, aber noch nicht

als hinreichende Ursache des moralischen Fortschritts angesehen werden. Alle moralisch

fortgeschrittenen Kinder sind gescheit, aber nicht alle gescheiten Kinder sind moralisch

fortgeschritten.“ (Kohlberg 1995, S. 33)

25 Interessierte seien für genauere Informationen auf bspw. Kohlberg 1974, S. 55ff. verwiesen.

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Intervenierende Variablen

103

Die hier dargestellten theoretischen und empirischen Befunde verleiten all zu sehr, den

Einfluss des Intellekts als zu hoch zu bewerten, denn: „»Rein kognitive« Anregung ist ein

notwendiger Hintergrund der Moralentwicklung, bringt diese jedoch nicht unmittelbar her-

vor.“ (Kohlberg 1995, S. 164, Herv. i. Orig.; vgl. auch Kap. 6.6.1) Wichtiger sind die so

genannten Rollenübernahme-Gelegenheiten, die soziale Erfahrung und Anregung ermögli-

chen. Die Faktoren der „Rollenübernahme-Gelegenheiten“ sollten in dieser Untersuchung

durch die Variablen „Entwicklungsbedingungen nach Lempert“ und „COOL-Fragen“ be-

rücksichtigt worden sein. So können wir uns hier ganz dem rein kognitiven Aspekt wid-

men.

Diesen Ausführungen entsprechend wird folgende Hypothese aufgestellt: Es besteht ein

positiver Zusammenhang zwischen kognitiven Fähigkeiten (IQ/Schulnote) und der morali-

schen Urteilsfähigkeit! Mit Bezug auf die obige Theorie kann hier sogar von einem kausa-

len Einfluss der Intelligenz bzw. des Intellekts einer Person auf ihre moralische Urteilsfä-

higkeit gesprochen werden. Zu beachten ist allerdings, dass sich die obigen Ausführungen

von Piaget und Kohlberg vor allem auf Kinder beziehen und dass die Erhebung der morali-

schen Urteilsfähigkeit dort eine andere ist als hier. Hier wird der MUT/s verwendet; und

für Intelligenz im Zusammenhang mit dem MUT liegen weit weniger Befunde vor. Den-

noch halten wir an der Hypothese fest, da die moralische Urteilsfähigkeit nach Lind – wie

gezeigt wurde – stark auf einem kognitiven Aspekt beruht (vgl. Kapitel 7.1.1 und 7.1.2).

Empirische Befunde

Hettinger hat in einer sehr aktuellen Studie (2009) versucht, den Einfluss von Intelligenz

auf die moralische Urteilsfähigkeit, gemessen mit dem MUT, zu erheben. Allerdings muss-

te die Hypothese, dass sich überdurchschnittlich/hoch Begabte durch eine höher morali-

sche Urteilskompetenz auszeichnen als durchschnittlich Begabte, verworfen werden. „Ver-

gleicht man den erzielten C-Wert beider Begabungsgruppen, so gibt es keine signifikanten

Mittelwertsunterschiede“. (Hettinger 2009, S. 60)

Aus methodischen Gründen konnte in der vorliegenden Untersuchung, keine IQ-Testung

durchgeführt werden (vgl. Kap. 6.6.1). Es wurde daher versucht, die „Intelligenz“ anhand

von Schulnoten (sechs Noten verschiedener Fächer, die über 50 % der Wochenstunden

beanspruchen) zu erheben. Zwar verweist bereits bspw. Ingenkamp (1975) mit mehreren

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Intervenierende Variablen

104

Untersuchungen26 darauf, dass Ziffernnoten ihre Ansprüche an Objektivität, Reliablität und

Validität nicht einlösen können. Jedoch empfiehlt Lind (2009a) dennoch Schulnoten zu

erheben, da für sie eine höhere prognostische Validität als bei Intelligenztests spricht. Wie

in Kap. 6.6.1 erwähnt vermutet Lind (2009a), dass moralische Urteilsfähigkeit eine wichti-

ge Bedingung für gute Schulleistungen ist. Als Grund führt er an, dass Schüler/innen, die

persönlich-moralische Konflikte nicht gut lösen können, auch kaum Kapazitäten für die

Beschäftigung mit weniger „ich-nahen“ Schulaufgaben frei haben. Diese Vermutung über

den Zusammenhang zwischen Schulnote und MUT wird in der Untersuchung von Lenz

(2006)27 bestätigt. Auch Heidbrink (1985, S. 269) hatte experimentell eine Korrelation r =

.22 zwischen MUT (C-Wert) und Ergebnissen in einem lernzielorientierten Test nachge-

wiesen.

Abbildung 12: Moralische Urteilsfähigkeit und Mathematik- sowie Deutschnoten (aus Lenz 2006, Datenanalyse Georg Lind)

26 Die Leserin und der Leser seien bspw. auf die Untersuchungen zur Aufsatzbeurteilung verwiesen, die

immer wieder nachwiesen, „dass verschiedene Beurteiler den gleichen Aufsatz so unterschiedlich be-urteilen, dass fast immer die ganze Notenskala besetzt ist“ (Ingenkamp 1975, S. 22). Das diese For-schungsergebnisse auch für die Schultypen der vorliegenden Untersuchung gelten, zeigt Grill 2005 in seiner Studie, die oberösterreichische berufsbildende Schulen als Stichprobe heranzieht (vgl. Grill 2005, S. 81).

27 Die Ergebnisse, die in Abbildung 12 sichtbar sind, sind so in der Arbeit von Lenz (2006) nicht darge-stellt; sie entstammen einer weiteren Analyse dieser Daten von Lind.

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Intervenierende Variablen

105

Zu welchen Ergebnissen kommt die vorliegende Untersuchung?

Die Abbildung 13 zeigt deutlich, dass der C-Wert – also die moralische Urteilsfähigkeit –

beinahe linear mit dem (besseren) Notengrad ansteigt bzw. einhergeht.

Moralische Urteilsfähigkeit und Noten

10,00

12,00

14,00

16,00

18,00

20,00

22,00

1 2 3 4 5

Noten

C-W

ert

Deutsch

Englisch

LebendeFremdspracheMathematik

BWL

Rechnungswesen

Abbildung 13: Moralische Urteilsfähigkeit und Noten

Auch die SPSS-Korrelationstabelle 10 zeigt, dass wenn auch nur schwache, so doch hoch

signifikante Zusammenhänge zwischen der Schulnote und dem C-Wert des MUT/s beste-

hen. Die niedrigere Probandenanzahl bei der Mathematiknote erklärt sich dadurch, dass in

den ersten Klassen der untersuchten Schulen noch kein Mathematikunterricht stattfindet.

Tabelle 10: Korrelationen zwischen MUT/s und den erhobenen Schulnoten

D E FS M BWL RW Schnitt MUT/s Korrelation nach Pearson -,156(**) -,147(**) -,094(*) -,166(**) -,138(**) -,092 -,171(**) Signifikanz (2-seitig) ,001 ,002 ,049 ,010 ,005 ,055 ,000 N 443 443 435 241 421 438 440

** Die Korrelation ist auf dem Niveau von 0,01 (2-seitig) signifikant. * Die Korrelation ist auf dem Niveau von 0,05 (2-seitig) signifikant.

Auch eine Varianzanalyse zeigt – wie später in Kap. 9.8 noch zu sehen sein wird –, dass

von der Schulnote ein signifikanter Einfluss ausgeht (0,027). Die praktische Signifikanz

wird zudem auch deutlich, wenn man sich die Spannbreite der MUT/s-Werte in der obigen

Abbildung verdeutlicht. Sie reicht vom niedrigsten Wert um etwa 12 Punkte bei Note 5 bis

etwa 21 Punkte bei Note 1. Etwas verschärft formuliert, hat die Schulnote auf etwa ein

Drittel der üblicherweise beanspruchten MUT(/s)-Skala Einfluss.

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Intervenierende Variablen

106

Bestätigung der Hypothese

Die oben angeführte Hypothese kann nur insofern bestätigt werden, als sich in einigen Stu-

dien – so auch in der vorliegenden – zeigt, dass ein Zusammenhang zwischen Noten und

moralischer Urteilsfähigkeit besteht bzw. gute Noten mit höheren C-Werten einhergehen.

Ob jetzt gute Noten bzw. die Leistungsfähigkeit eines Schülers/einer Schülerin gemessen

an der Note, Auslöser für höhere C-Werte sind/ist oder umgekehrt – wie Lind es oben ver-

mutet – muss mangels weiterer Untersuchungen offen bleiben. Ebenso konnte der Einfluss

des IQs auf die moralische Urteilsfähigkeit nicht überprüft werden bzw. musste er mit Het-

tingers Ergebnissen verneint werden.

Zusammenfassend ist mit Lind zu sagen: „Der MUT misst, wenn Sie wollen, moralische

Intelligenz. (…) Wie Intelligenz ist moralische Urteilsfähigkeit sehr stark von der Länge

und der Qualität der Beschulung abhängig, die ein Kind erfährt.“ (Lind 2009a)28

28 Zur Frage inwiefern Schule den IQ fördert sei auf Ceci (1991) verwiesen, der zu folgendem Schluss

kommt: „Even though many factors are responsible for individual and group differentes in the intellec-tual development of children, schooling emerges as an extremely important source of variance”. (Ceci 1991, S. 40)

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Intervenierende Variablen

107

9.2 Soziobiografische Dimensionen nach Lempert

Welche Befunde gibt es aus der Forschung?

Im Kapitel 8.1.2 ist bereits auf die soziobiografischen Dimensionen nach Lempert einge-

gangen worden.29 Während sie dort als Hilfsmittel für die Analyse einer theoretischen Eig-

nung von COOL herangezogen wurden, stehen sie jetzt in ihrer eigentlichen Funktion –

nämlich zur Klärung beeinflussender Entwicklungsbedingungen auf die Moral – im Mit-

telpunkt. Bevor empirische Befunde dargestellt werden, ist noch wichtig darauf hinzuwei-

sen, dass in manchen Untersuchungen (bspw. Bienengräber 2000, S. 5) die in Tab. 6

(Kap. 8.1.2) geschilderten fünf sozialen Bedingungen der Entwicklung moralischer Urteils-

fähigkeit noch eine weitere Kategorie hinzugefügt bzw. die letzte Dimension „Verantwor-

tung“ in „Verantwortung“ und „Handlungschancen“ unterteilt wird. Dies ist deshalb wich-

tig, weil Beck (Johannes Gutenberg-Universität Mainz) für die Untersuchung der „Lem-

pert-Dimensionen“ ein Instrumentarium – welches er mir dankenswerterweise zur Verfü-

gung gestellt hat – konstruierte, das diese „Erweiterung“ ebenfalls beinhaltet. Welche For-

schungsergebnisse erzielen Beck u.a. nun mit ihren Versuchen, die Wirkung moralischer

Entwicklungsbedingungen zu erfassen? Viele Studien beziehen sich lediglich auf die

Wahrnehmung der Entwicklungsbedingungen und ihre Veränderung. Dennoch konnten

zwei Studien ausfindig gemacht werden, die versuchen, den Zusammenhang zwischen mo-

ralischer Urteilsfähigkeit (gemessen am Weighted Average Score nach Kohlberg 1987)

und Entwicklungsbedingungen darzustellen:

1. „Zur Frage der Bereichsspezifität in der Wirkung moralischer Entwicklungsbedingun-

gen“ (Bienengräber 2000, Herv. i. Orig.): Bienengräber untersucht die Homogenitätshypo-

these Kohlbergs – wonach „ein Mensch bei der Lösung sozialer Problemstellungen immer

von der höchsten ihm zur Verfügung stehenden Urteilstufe Gebrauch macht, unabhängig

von dem sozialen Umfeld, in dem er sich gerade befindet“. (Kohlberg zit. nach Bienengrä-

ber 2000, S. 2, Herv. i. Orig.) Entgegen dieser Homogenitätshypothese liegt seiner Unter-

suchung die Annahme zugrunde, dass das „Niveau der moralischen Urteilsbildung mit der

Umgebung verknüpft ist, für die und innerhalb der sie erfolgt“. (a.a.O., S. 3) Um diese zu

bestätigen befragte er 174 Auszubildende der Versicherungsbranche jeweils im Jahresab-

stand hinsichtlich der Ausprägung der lempertschen Entwicklungsbedingungen in den Le-

29 Angeführte Stelle beinhaltet ebenfalls eine theoretische Diskussion darüber, weshalb und warum die

lempertschen Dimensionen auf die Entwicklung der moralischen Urteilsfähigkeit Einfluss nehmen. Somit kann auf jene Ausführungen an dieser Stelle verzichtet werden.

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Intervenierende Variablen

108

bensbereichen „Berufsschule“, „Betrieb“, „Lebensgemeinschaft“, „Freundskreis“ und

„Herkunftsfamilie“. Das allgemeine Ergebnis: „Bei Betrachtung der einzelnen Bedingun-

gen zeigt sich, dass es unabhängig von Domänespezifizität oder bereichsübergreifender

Wirkung die Kommunikationsdimension ist, die in der überwiegenden Zahl der Fälle den

höchsten Beitrag zur Varianzaufklärung leistet.“ (a.a.O., S. 18, Herv. i. Orig.)

2. „Der Zusammenhang von betrieblichen Interaktionsbedingungen und Facetten sozialer

Kompetenz – Möglichkeiten der Diagnose.“ (Wuttke & Surać 2003, Herv. i. Orig.): Über

die Forschungsfrage von Bienengräber hinaus, wird in ihrer empirischen Analyse der Fo-

kus verstärkt auf den Zusammenhang zwischen Entwicklungsbedingungen und moralischer

Urteilskompetenz gelegt. Wie auch Bienengräber kommen Wuttke & Surać (2003, S. 10)

zu dem Ergebnis, dass „Veränderungen in der moralischen Urteilskompetenz (…) insbe-

sondere mit den wahrgenommenen Kommunikations- und Kooperationsmöglichkeiten in

Zusammenhang stehen.“

Trotz dieser Ergebnisse verweisen beide Autoren darauf, dass keine signifikanten Effekte

der Entwicklungsdingungen entdeckt werden konnten. „Zweifellos finden wir irgendeinen

Einfluss der Entwicklungsbedingungen auf die Veränderung der moralischen Urteilsfähig-

keit. Ein spezifisches Muster ist allerdings mit unseren Daten bislang nicht zu ermitteln“.

(Wuttke & Surać 2003, S. 12, Herv. i. Orig.)

Weshalb habe ich nun diese Dimensionen trotz der „negativen“ Ergebnisse in die Untersu-

chung aufgenommen? Wuttke & Surać (2003, S. 12) führen als einen möglichen Grund für

diese Ergebnisse die niedrige Stichprobe an. Meine Stichprobe ist beinahe dreimal so groß.

Außerdem bietet das Erhebungsinstrument eine, hinsichtlich der Untersuchungsökonomie,

günstige Möglichkeit, all jene für die moralische Urteilsfähigkeit relevanten Bereiche (fa-

miliäre Situation, Schule, Peers) abzudecken (siehe dazu Kap. 6.6.1). Es wird also auch für

diese Untersuchung die Hypothese aufgestellt, dass zwischen der Wahrnehmung der Ent-

wicklungsbedingungen und dem C-Wert ein positiver Zusammenhang besteht.

Zu welchen Ergebnissen kommt die vorliegende Untersuchung?

Um die folgenden Daten auch angemessen interpretieren zu können, ist es notwendig zu

wissen, wie der Einfluss der Entwicklungsbedingungen gemessen wurde. Erhoben wurde

die Selbsteinschätzung der Schüler/innen. Mit Lüdecke-Plümer (1997, S. 4f.) und Wuttke

& Surać (2003, S. 6f.) wurde dazu folgende Vorgehensweise gewählt: Die Proband/innen

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Intervenierende Variablen

109

wurden aufgefordert, die Ausprägung einer soziobiographischen Bedingung auf einer Ska-

la (1) von - 2 bis + 2 (bspw. „selten“ bis „oft“ oder „völlig“ bis „gar nicht“) zu beurteilen.

Die subjektive Bedeutsamkeit der Bedingung aus Sicht der Auszubildenden wurde sodann

mit einem Gewichtungsfaktor ebenfalls auf einer Skala (2) von - 2 bis + 2 („nicht wichtig“

bis „sehr wichtig“) erhoben. Skala 2 wurde in eine Skala von 0 bis 2 transformiert, damit

eine Multiplikation mit Skala 1 möglich war. Durch diese Multiplikation ergaben sich ge-

wichtet Daten zwischen – 4 und + 4, wobei der negative Bereich als „hinderlich“ und der

positive als „förderlich“ klassifiziert werden kann (vgl. Wuttke & Surać 2003, S. 6).

Folgende Abbildung 14 zeigt die Mittelwerte der Einfluss-Faktoren der Entwicklungsbe-

dingungen gegliedert nach den Domänen „Familie“, „Peers“ und „Schule“. Wichtig ist,

dass es sich hier um Selbsteinschätzungen handelt! Eine Unterscheidung in COOL und

nicht-COOL erscheint nicht relevant, da die Entwicklungsbedingungen ja unabhängig vom

Unterrichtstyp sind (mit Ausnahme von Kooperation, Verantwortung und Handlungschan-

cen in der Schule, welche zum Teil schon in den COOL-Fragen berücksichtigt wurden).

Selbsteinschätzung der Entwicklungsbedingungen nach Lempert in den 3 Domänen durch die Schüler/-innen

-1,00-0,500,000,501,001,502,002,503,00

Wertsc

hätzu

ng

Konflik

te

Kommun

ikatio

n

Koope

ration

Verantw

ortun

g

Handlu

ngsc

hanc

en

Entwicklungsbedingungen nach Lempert

Mitt

elw

erte

der

Impa

cts

(Ska

la -4

bis

+4)

FamiliePeersSchule

Abbildung 14: Selbsteinschätzung der Entwicklungsbedingungen30

30 Wertschätzung und Kommunikation wurden im Bereich der Schule für Mitschüler/-innen und Leh-

rer/-innen getrennt erhoben, weshalb in diesen Dimensionen eine vierte Säule erscheint. Die dritte Säule von links bedeutet also Wertschätzung/Kommunikation unter/mit den Mitschüler/-innen und vierte bedeutet Wertschätzung/Kommunikation von/mit den Lehrer/-innen.

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110

Auffallend sind vor allem zwei Aspekte dieses Diagramms; beide wenig verwunderlich:

1. Die Domäne „Peers“ wird von den Schüler/innen über alle Entwicklungsbedingungen

hinweg (mit Ausnahme der Bedingung „Handlungschancen“) als die am ausgepräg-

testen und wichtigsten beurteilt; gefolgt von der Domäne „Familie“.

2. Die Entwicklungsbedingung „Kooperation“ in der Domäne Schule, ist die einzige

Bedingung, die – der Einschätzung der Schüler/innen nach – als „hinderlich“ für die

moralische Entwicklung klassifiziert werden kann. Werfen wir einen genaueren Blick

auf dieses Ergebnis. Gefragt wurde danach, ob die Schüler/innen in den Fächern

Deutsch, Englisch, zweite lebende Fremdsprache, Mathematik, Betriebswirtschaft

und Rechnungswesen in Entscheidungen zur Unterrichtsgestaltung einbezogen wer-

den. Die Antworten „selten“ und „nie“ dominieren dabei, weshalb sich dieses Ergeb-

nis erklären lässt. Hier ist eine Unterscheidung in COOL und nicht COOL notwen-

dig, da davon ausgegangen werden kann, dass COOL-Schüler/innen stärker in die

Unterrichtsgestaltung einbezogen werden, aufgrund der diversen Wahlmöglichkeiten.

Jedoch zeigt ein T-Test zweier unabhängiger Stichproben, dass der Mittelwertunter-

schied nicht signifikant ist (vgl. Anhang 5).

Soweit das Bild der Selbsteinschätzung von Schüler/innen. Haben die Entwicklungsbedin-

gungen bzw. ihre errechneten Einflussfaktoren nun tatsächlich Auswirkungen auf die mo-

ralische Urteilsfähigkeit? Diese Frage soll im Folgenden durch eine Faktorenanalyse und

eine darauf aufbauende Varianzanalyse beantwortet werden.

Faktorenanalyse und Varianzanalyse

Eine Faktorenanalyse (Anhang 4) zeigt, dass sich die 19 Einflussfaktoren der Entwick-

lungsdimensionen – die sich aus der oben geschilderten Berechnung ergeben – auf vier

Faktoren verdichten lassen: „Peers“, „Familie“, „Mitschüler/innen“ und „Lehrer/innen“

genannt. Betrachtet man diese vier Faktoren als alleinige Variablen, die Einfluss auf die

moralische Urteilsfähigkeit haben, so kommt eine Varianzanalyse (Anhang 6) zu dem Er-

gebnis, dass der Faktor „Lehrer/innen“ signifikanten Einfluss nimmt (Korrelation: 0,107

jedoch signifikant bei 0,05; vgl. Anhang 7). Das bedeutet, dass eine höhere Ausprägung

dieses Faktors mit einem höheren C-Wert einhergeht. Betrachtet man die Fragestellungen,

die diesem Faktor zugrunde liegen, so erscheint dies nur plausibel:

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Intervenierende Variablen

111

1. Fühlst du dich von deinen Lehrern als „eigenständige Persönlichkeit“ geachtet?

2. Kannst du deine Argumente immer offen äußern und werden diese ernst genommen

in Diskussionen mit deinem Lehrer?

3. Wirst du vom Lehrer in Entscheidungen zur Unterrichtsgestaltung einbezogen? (vgl.

auch den Fragebogen, Abschnitt „Fragen zum Bereich Schule“ 3., 8., 10.)

Widerlegung der Hypothese

Die Hypothese, dass zwischen den Entwicklungsbedingungen und dem MUT/s-Wert ein

positiver Zusammenhang besteht, kann nur für den Faktor „Lehrer“, der sich aus den Di-

mensionen „Wertschätzung von Lehrer/innen“, „Kommunikation mit Lehrer/innen“ sowie

„Kooperation (oder besser Mitgestaltungsrechte) in der Schule“ zusammensetzt, bestätigt

werden. Die Korrelation ist jedoch schwach, aber signifikant auf einem Niveau von 0,05.

Die anderen Faktoren bzw. Entwicklungsbedingungen scheinen weder mit dem MUT/s-

Wert zu korrelieren noch signifikanten Einfluss auf diesen zu haben, wie die Varianzanaly-

se zeigt. Auch eine spätere, umfassendere Varianzanalyse zeigt, dass der Einfluss des Fak-

tors „Lehrer“ verschwindet, werden andere Variablen hinzugezogen (vgl. Kap. 9.8).

Gelegenheit zur Rollenübernahme

Es wurde bereits öfters die Bedeutung der Gelegenheiten zur Rollenübernahme für die Ent-

wicklung der moralischen Urteilsfähigkeit hervorgehoben: „Moralentwicklung hängt von

Stimulierung ab, die man kognitiv-strukturell aufschlüsseln kann, die aber auch eine sozia-

le Stimulierung sein muss, wie sie durch soziale Interaktion, moralische Entscheidungen,

moralischen Dialog und moralisches Miteinander zustande kommt.“ (Kohlberg 1995,

S. 164, Herv. d. Verf.) Die Gelegenheiten zur Rollenübernahme sind vor allem deshalb so

wichtig, weil sie der Person die Möglichkeit bieten, die Haltung anderer nachzuvollziehen,

sich ihre Gedanken und Gefühle zu vergegenwärtigen und sich in ihre Lage zu versetzen

(vgl. Kohlberg 1995, S. 165).

Es soll nun diese Behauptung über den Einfluss der Gelegenheiten zur Rollenübernahme in

der vorliegenden Untersuchung überprüft werden. Zwar ist dies schon zum Teil mit den

lempertschen Dimensionen geschehen, jedoch floss dort die subjektive Bedeutung derarti-

ger Gelegenheiten für die Proband/innen mit ein. Eine Ausschaltung dieser sowie die Hin-

zunahme einiger weiterer Items aus dem ORIGIN/s (bspw. die Frage nach einer Vereins-

zugehörigkeit, siehe unten) führten jedoch ebenfalls zu keinem erkennbaren Zusammen-

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Intervenierende Variablen

112

hang mit der moralischen Urteilsfähigkeit. Lediglich die Vereinstätigkeit für sich betrach-

tet macht einen Unterschied, wie der folgenden T-Test (Tabelle 11) zeigt.

Tabelle 11: T-Test des MUT/s-Mittelwerts bei den beiden Probandengruppen

“mit und ohne Vereinsmitgliedschaft“

Gruppenstatistiken

Verein N Mittelwert Standardab-

weichung

Standardfeh-ler des Mit-telwertes

kein Vereins-mitglied 151 16,4353 11,56206 ,94091 MUT/s

Vereinsmit-glied 296 19,0754 12,08870 ,70264

Test bei unabhängigen Stichproben

T-Test für die Mittelwertgleichheit

T df Sig. (2-seitig) Mittlere

Differenz Standardfehler der Differenz

95% Konfidenzintervall der Differenz

Untere Obere MUT/s -2,216 445 ,027 -2,64012 1,19143 -4,98165 -,29859

-2,248 314,255 ,025 -2,64012 1,17431 -4,95063 -,32961

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113

9.3 Soziale Schicht

„In drei untersuchten unterschiedlichen Kulturen wurde festgestellt, dass die moralische

Urteilsfähigkeit von Mittelschichtkindern weiter fortgeschritten war, als die der entspre-

chenden Unterschichtkinder.“ (Kohlberg 1995, S. 34) Nach Kohlberg durchlaufen Mittel-

schichtkinder die moralische Entwicklung schneller als Arbeiterkinder und kommen dabei

auch weiter voran (vgl. ebd.). Im Gegensatz dazu führt Lind Unterschiede in der morali-

schen Urteilsfähigkeit einzig und alleine auf geeignete Bildungserfahrungen zurück (siehe

Kap. 6.6.1).

Trotzdem wird in dieser Arbeit – gemeinsam mit Weyers (2004, S. 174) – ein positiver,

jedoch nicht linearer Zusammenhang zwischen moralischer Urteilsfähigkeit und sozialer

Schicht unterstellt. Mit anderen Worten: Es wird erwartet, dass Proband/innen aus der ge-

hobenen Schicht signifikant höhere C-Werte erreichen als ihre Kolleg/innen der Unter-

schicht.

Konzeptualisierung und Erhebung der Schichtvariable

Lippe zeigt bereits 1972 in seinem Buch „Statistische Methoden zur Messung der sozialen

Schichtung“ verschiedenste Möglichkeiten zur Erhebung der hier behandelten unabhängi-

gen Variable „soziale Schicht“ auf. Unter anderem wird auch auf die hier verwendete Me-

thode des Statusindexes sowie auf ihre Vor- und Nachteile eingegangen (siehe Lippe 1972,

S. 62ff.). In diesem Abschnitt soll es aber bei einer Darstellung der Zusammensetzung des

Indexes bleiben, für weitere Ausführungen zu diesem Instrument seien die Leserin und der

Leser auf bspw. Lippe 1972 verwiesen.

Wenn von Indizes zur Messung sozialer Schicht die Rede ist, wird fast immer darauf ver-

wiesen (bspw. Oevermann 1972, S. 111), dass in der Literatur viele Beispiele und Varian-

ten für einen Gesamtindex des sozi-ökonomischen Status bestehen. „Üblicherweise werden

dabei die Faktoren Beruf, Einkommen und Ausbildungsniveau des Haushaltesvorstandes

erfasst, gewichtet und zu einem Gesamtindex kombiniert.“ (Oevermann 1972, S. 111)

Der Strategie des Österreichischen Instituts für Bildungsforschung (Schlögl & Lachmayr,

2004, S. 27) folgend, wird die soziale Schicht über Beruf und Bildung der Eltern erhoben.

Das Einkommen der Eltern bleibt aus methodischen Gründen – die Schüler/innen können

darüber meist kaum Auskunft geben – unberücksichtigt. So wurden die Schüler/innen ei-

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Intervenierende Variablen

114

nerseits aufgefordert unter vorgegebenen Bildungsabschlüssen, jenen der Mutter und jenen

des Vaters anzukreuzen und andererseits in einer Freiantwort, den Beruf der beiden Eltern-

teile möglichst genau zu beschreiben. Letztere Antwort wurde im Rahmen der Auswertung

umkodiert in die Kategorien nach Oevermann (1972, S. 454 und 456). Anschließend wur-

den ähnliche dieser 20 Berufskategorien zu insgesamt sieben Überkategorien zusammen-

gefasst. Auch die neun Bildungskategorien wurden zu vier Überkategorien zusammenge-

fasst, die je ähnliche Bildungsabschlüsse beinhalten. Im nächsten Schritt wurden diese bei-

den Kategorien addiert, wobei die Bildungskategorie mit 1,5facher Gewichtung einfloss,

da sie für die vorliegende Untersuchung wichtiger erscheint und so dem bildungsnahen

Haushalt Rechnung getragen werden kann. In einem letzten Schritt wurde dann der Wert

der Mutter zu jenem des Vaters (sofern jeweils vorhanden) hinzuaddiert, wobei wiederum

eine Gewichtung vorgenommen wurde (2/5 Mutter und 3/5 Vater). So entstanden Index-

werte von 0 bis 12, die in Tabelle 12 jeweils einer Schicht zugewiesen wurden:

Tabelle 12: Schichtzuweisung

kein Schul-abschluss BMS Meister-

prüfung Kolleg,

Akademie

HS/AHS Un-terstufe

Berufs-schule AHS/BHS Hochschul-

ausbildung

1 2 3 4 angelernte Arbeiter 1 ungelernte Arbeiter 1 2,5 4 5,5 7 Land- und Forstarbeiter 1 einfache Angestellte 2 einfache Beamte 2 3,5 5 6,5 8 2 Landwirte 3 mittlere Angestellte/Beamte 3 4,5 6 7,5 9 Facharbeiter (Handwerk) 3 kleine Selbständige 4 gehobene Angestellte 4 5,5 7 8,5 10 gehobene Beamte 4 mittlere Selbständige 5 leitende Angestellte 5 6,5 8 9,5 11 höhere Beamte 5 akademisch freie Berufe 6 sonstige frei Berufe 6 7,5 9 10,5 12 große Selbständige 6

Hohe Schicht: 10-12 Gehobene Schicht: 7-10 Mittlere Schicht: 4-7 Niedrige Schicht: 0-4

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115

Die Korrelationen zwischen der Schicht und den Variablen „Ausbildung des Vaters“

(0.72), „Beruf des Vaters“ (0.70) und „Ausbildung der Mutter“ (0.56) sowie „Beruf der

Mutter“ (0.52) sind hoch. Die Variablen sind also nicht voneinander unabhängig.

Befund von Weyers 2004

Weyers (2004, S. 185) kommt in seiner Untersuchung der moralischen Entwicklung und

Sozialisation 30 straffälliger Jugendlicher zu folgenden Resultaten:

Tabelle 13: Soziale Schicht der Eltern und der WAS (Weyers 2004, S. 185)

Soziale Schicht der Eltern N = WAS

I untere Unterschicht 8 298

II obere Unterschicht 13 309

III Mittelschicht 9 331

Aus Tabelle 13 geht hervor, dass in Weyers Untersuchung nicht der MUT zum Einsatz

kam, sonder das Weighted Average Score-Verfahren von Kohlberg. Dieses Verfahren be-

dient sich anders als der MUT der Auswertung qualitativer Interviews, auf deren Basis

durch ein aufwändiges Verfahren der WAS-Wert berechnet wird (vgl. Kohlberg 1995,

S. 202). Die in Tabelle 13 angeführten WAS-Werte sind lt. Weyers statistisch zwar nicht

signifikant, jedoch zeigen die, hier nicht abgebildeten Stufenwerte, dass die soziale Schicht

der Eltern durchaus aussagekräftig ist (vgl. Weyers 2004, S. 186).

Zu welchen Ergebnissen kommt die vorliegende Untersuchung?

Die untenstehende Tabelle 14 zeigt, dass 3 % der Proband/innen der hohen, 33 % der ge-

hobenen, 55 % der mittleren und 8,5 % der niedrigen Schicht angehören. Die durchschnitt-

lich erreichten C-Werte steigen mit der Schicht an.

Tabelle 14: Durchschnittliche C-Werte je sozialer Schicht

soziale Schicht Mittelwert MUT/s N % Standardab-

weichung

hohe Schicht 18,0854 15 3,33 16,55015 gehobene Schicht 20,6830 149 33,11 12,90898 mittlere Schicht 17,3523 248 55,11 11,33774 niedrige Schicht 14,5370 38 8,44 8,40303 Insgesamt 18,2418 450 100,00 11,98243

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116

Eine einfaktorielle ANOVA (Anhang 8) zeigt, dass sich der Mittelwert der gehobenen

Schicht (20,68) signifikant auf einem Niveau von 0,015 vom Mittelwert der niedrigen

Schicht (14,53) unterscheidet. Alle anderen Mittelwertunterschiede sind statistisch nicht

signifikant. Jedoch liegen die Mittelwerte jeweils drei Punkte auseinander. In Kap. 8.2.2

wurde gezeigt, dass für Lind drei Punkte Unterschied im C-Wert bereits praktisch signifi-

kant sind, da sie etwa 10 % der normalerweise beanspruchten MUT(/s)-Skala ausmachen.

Weiters ist die Korrelation nach Pearson mit 0,134 zwar schwach aber hoch signifikant

(0,005). Auch in der abschließenden Varianzanalyse nimmt die Variable „soziale Schicht“

einen statistischen signifikanten Einfluss (0,033) ein (vgl. Kap. 9.8). Mit Hettinger (2009,

S. 50) muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass der MUT(/s) viel Konzentration ver-

langt und so Schüler/innen bildungsschwacher Schichten benachteiligen könnte.

Bestätigung der Hypothese

Die oben angeführte Hypothese, dass Proband/innen höherer Schichten im Durchschnitt

über höhere moralische Urteilskompetenz verfügen als Proband/innen niedrigerer Schich-

ten, kann somit bestätigt werden. Als Grund dafür könnten eventuell die zunehmenden

Gelegenheiten zur Rollenübernahme mit steigender sozialer Schicht angesehen werden.

Folgende Abbildung 15 zeigt, dass die Proband/innen der höheren und gehobenen sozialen

Schicht die Gelegenheiten zur Rollenübernahme stärker – wenn auch nicht statistisch sig-

nifikant – wahrnehmen als Proband/innen der unteren Stufen.

hohe Schicht gehobene Schicht mittlere Schicht niedrige Schicht

soziale Schicht

0,28

0,30

0,32

0,34

0,36

Mittel

wert v

on Ro

llenüb

ernah

me

Abbildung 15: Rollenübernahme und soziale Schicht

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Intervenierende Variablen

117

9.4 Alter und Schulstufe

„Nach Piaget taucht die höchste Stufe, formale Operationen, (unter günstigen Entwick-

lungsbedingungen, Anm. d. Verf.) in der frühen Adoleszenz, im Alter zwischen 12 und 15

Jahren auf.“ (Kohlberg 1995, S. 89) Auch empirische Untersuchungen (bspw. Kohlberg

und Haan 1977) bestätigen einen Alterstrend in der Entwicklung des formal-operatorischen

Denkens.

Für die Entwicklung der moralischen Urteilsfähigkeit konstatiert Kohlberg aufbauend auf

Piaget folgenden Einfluss des Alters: „Die Entwicklung von Stufen moralischen Urteilens

erfolgt zum größten Teil in der Kindheit und in der Adoleszenz und erfordert nicht die um-

fassende persönliche Erfahrung moralischer Entscheidungsmöglichkeiten und Verantwor-

tungen, wie man sie im Leben des Erwachsenen findet.“ (Kohlberg 1995, S. 102) Aller-

dings sieht Kohlberg nicht das Alter alleine verantwortlich für einen Stufenwechsel:

„Vermutlich bilden chronologisches Alter und Erbkomponente des IQ einen Reife-Index,

mit dem Piagets Stufen korrelieren. Bevor der Reifungsprozess – vermutlich in der Ado-

leszenz – nicht endgültig abgeschlossen ist, scheint es also unmöglich zu sein, den jeweili-

gen Einfluss von Reifung und Erfahrung bei der Erzeugung von Stufen und Stufenwech-

seln zu isolieren.“ (Kohlberg 1995, S. 88)

Da in der vorliegenden Untersuchung sich die meisten Proband/innen „mitten“ in der Ado-

leszenz befinden, scheinen diese Annahmen von Piaget und Kohlberg hohe Relevanz zu

haben. Nicht jedoch so bei Lind bzw. genauer hinsichtlich seiner Auffassung von morali-

scher Urteilsfähigkeit – gemessen mit dem MUT. „Es gibt keine Entwicklungslogik, nach

der sich die Fähigkeit zum differenzierten und konsistenten Urteilen als Funktion des Al-

ters entfaltet.“ (Lind 2000a, S. 120, Herv. i. Orig.) Demnach stellt das Alter keine einfluss-

nehmende Variable (auf den C-Wert) dar. Viel wichtiger erscheinen angemessene Bil-

dungserfahrungen (siehe Kapitel 6.6.1). „In fast allen Studien wird Wert auf die Feststel-

lung gelegt, dass die Stufe des moralischen Urteils mit wachsendem Alter zunimmt, aber

von wenigen Ausnahmen abgesehen hat es kaum ein Autor für wichtig erachtet mitzutei-

len, dass in derselben Zeit ebenfalls die Bildungserfahrungen der Befragten zunehmen.“

(Lind 2000a, S. 114) In Bezugnahme auf Linds Worte/These wird auch für diese Studie

angenommen, dass das Alter eine eher untergeordnete Rolle spielt und seine Wirkung auf

die moralische Urteilsfähigkeit vernachlässigt werden kann. Dennoch, werfen wir einen

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Intervenierende Variablen

118

Blick auf die Befunde, mit denen Lind seine Behauptung untermauert, um sie danach mit

den Werten der vorliegenden Studie vergleichen zu können.

Empiriegeleitete Diskussion

Für die Prüfung der bildungstheoretischen These verweist Lind u.a. auf eine repräsentative

Erhebung (1990) mit dem MUT bei Jugendlichen aus Deutschland. Die Stichprobe dieser

Erhebung bestand ebenso wie in der vorliegenden Studie aus jungen Erwachsenen im Alter

zwischen 14 und 21 Jahren. Jedoch hatten sie bereits das allgemein bildende Schulsystem

verlassen und besuchten Berufsschulen oder berufsvorbereitende Vollzeitschulen (vgl.

Lind 2000a, S. 116).

Abbildung 16: Moralische Urteilsfähigkeit (MUT/C-Wert) in Abhängigkeit von Alter und Schulart bei 14 bis 21 jährigen Jugendlichen (Lind 2000a, S. 118)

„Diese Befunde (verglichen mit anderen Studien, Anm. d. Verf.) zeigen, dass sich während

des Hochschulstudiums keine Regression der moralischen Urteilsfähigkeit ereignet, dass

eine solche Regression aber zu beobachten ist, wenn man Jugendliche und junge Erwach-

sene studiert, die in diesem Lebensabschnitt eine berufliche Ausbildung oder eine Arbeit

aufnehmen.“ (Lind 2000a, S. 120, Herv. i. Orig.) Mit diesen Ergebnissen sieht Lind „seine

Bildungstheorie“ bestätigt. Wie aus der Abbildung 16 ersichtlich ist, nimmt der C-Wert mit

Zunahme des Alters ab. Würde die Reifungsthese Gültigkeit beanspruchen, so müssten die

C-Werte mit dem Alter steigen. Die Abnahme der C-Werte führt Lind auf fehlende Bil-

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Intervenierende Variablen

119

dungsprozesse zurück, die die Entwicklung stimulieren könnten (vgl. ebd.). Offenbar sind

diese nach dem Verlassen des allgemein bildenden Schulsystems nicht mehr gegeben:

„Unter Lebens- und Arbeitsbedingungen, die keine solche Stimulation bieten oder den

Menschen gar die Möglichkeit der moralischen Reflexion und des ethischen Diskurses

entziehen, müssen wir mit einem schleichenden Verlust der moralischen Urteilsfähigkeit

rechnen.“ (Lind 2000a, S. 120)

Diesen Befunden zufolge wird die Hypothese aufgestellt, dass zum einen das Alter keinen

statistisch signifikanten Einfluss auf die moralische Urteilsfähigkeit hat und zum anderen

in der Stichprobe keine Abnahme der moralischen Urteilsfähigkeit mit Zunahme des Alters

einhergeht, da angenommen wird, dass die berufsbildenden höheren Schulen Bildungspro-

zesse ermöglichen, die die Entwicklung der moralischen Urteilsfähigkeit stimulieren.

Zu welchen Ergebnissen kommt die vorliegende Untersuchung?

Wie die Abbildung 17 (bzgl. der ONEWAY ANOVA siehe Anhang 12 und 13) zeigt, kann

von einem Abfall der C-Werte mit Zunahme des Alters bzw. der Schulstufe keine Rede

sein. Es scheint, als würden die berufsbildenden höheren Schulen tatsächlich Bildungspro-

zesse ermöglichen, die die Entwicklung der moralischen Urteilsfähigkeit stimulieren –

anders als in der EMNID-Studie – jedoch auch nicht erheblich fördern, da sich der C-Wert-

Anstieg in Grenzen hält.

MUT-Werte und Alter

15,516

16,517

17,518

18,519

19,520

14 15 16 17 18 19 20

Alter in Jahren

C-W

ert-D

urch

schn

itt

MUT und Schulstufe

17,518

18,519

19,520

20,521

21,522

1 2 3 5

Schulstufe

C-W

ert-D

urch

schn

itt

Abbildung 17: MUT/s-Werte und Alter sowie Schulstufe

Hat das Alter nun Einfluss auf den C-Wert?

Betrachtet man das rechte Diagramm mit den Schulstufen, so scheint das Alter tatsächlich

Einfluss zu haben, ist doch der Abstand zwischen 21,5 (5. Klassen) und 17,5 (1. Klassen)

mit vier Punkten zumindest praktisch signifikant. Diese hohe Differenz ergibt sich aber nur

aufgrund einiger Ausreißer nach oben in den 5. Klassen. Im linken „Alters-Diagramm“

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Intervenierende Variablen

120

wurden diese herausgefiltert. Betrachtet man daher nur das linke Diagramm mit dem Alter

in Jahren, so sieht man, dass der Unterschiede nicht mehr so groß ist (rund 2,5 Punkte) und

der durchschnittliche C-Wert weiters relativ stark schwankt. Die einfaktorielle ANOVA

ergibt zudem hinsichtlich beider Unterteilungen „Alter“ und „Schulstufe“ keine signifikan-

ten C-Wert-Unterschiede (Signifikanzniveau: Alter 0,798; Schulstufe 0,424).

Bestätigung der Hypothesen

Die beiden aufgestellten Hypothesen können also bestätigt werden, da zum einen kein

„Leistungsabfall“ im C-Wert über das Alter hinweg ersichtlich ist und zum anderen der

Einfluss des Alters ebenfalls weder statistisch noch praktisch signifikant erscheint. Näheres

dazu aber noch in der abschließenden Varianzanalyse (Kap. 9.8).

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Intervenierende Variablen

121

9.5 Geschlecht: Die weibliche Stimme

1982 veröffentlichte Carol Gilligan das Buch „In a different Voice: Psychological Theory

and Women’s Development“, in welchem sie darzulegen versucht, dass Frauen eine „eige-

ne“ Moral haben. Die Kohlberg-Schülerin kritisiert, dass die moralische Entwicklungsthe-

orie nach Kohlberg einem „männlichen Vorurteil folge und die Entwicklung von Jungen

und Männern als die Normalentwicklung darstelle.“ (Gilligan 1988, S. 90, Änderung d.

Verf.) Frauen haben jedoch eine andere Stimme, eine andere moralische Sprache, die es

notwendig mache, moralische Entwicklung neu zu definieren (vgl. Gilligan 1988, S. 9ff.)

Ohne an dieser Stelle genauer darauf eingehen zu wollen, würden Gilligan zufolge Männer

in Moralfragen (oder genauer in Moralkonflikten wie dem Heinz-Dilemma) verstärkt ge-

rechtigkeits- und prinzipiengeleitet urteilen (Gerechtigkeitsmoral), während Frauen eher

fürsorge- und verantwortungsgeleitet urteilen (Fürsorgemoral) (vgl. Gilligan 1988, S. 124).

Genauer gesagt beruht „ihr Verhalten (jenes der Frauen, Anm. d. Verf.) nicht auf ‚abstrak-

ten’ Prinzipien wie Recht und Gerechtigkeit, sondern auf einer anderen Moral, nämlich der

Moral der Konformität mit den Normen der Primärgruppe, die im wesentlichen (sic!) der

Erhaltung der Beziehungen zu anderen Menschen dient.“ (Lind, Grocholewska & Langer

1986, S. 2, Herv. i. Orig.) Den Grund dafür sieht Gilligan vor allem in unterschiedlichen

Sozialisationsprozessen, die Mädchen und Jungen durchlaufen (vgl. Oser & Althof 1997,

S. 298f.). So entwickeln Frauen eine eigene Sprache der Moral: „Es ist dies die Sprache

des Egoismus und der Verantwortung, die das moralische Problem als Verpflichtung defi-

niert, Rücksichtnahme zu üben und Verletzungen zu vermeiden. Das Zufügen von Verlet-

zungen wird als egoistisch und unmoralisch angesehen, da es von Gleichgültigkeit zeugt,

während der Ausdruck von Rücksichtnahme als Erfüllung der moralischen Verantwortung

betrachtet wird.“ (Gilligan 1988, S. 94)

Aufgrund dieser Fürsorgeperspektive befürchtet Gilligan, dass Frauen im Vergleich zu

Männern auf niedrigeren moralischen Stufen nach Kohlberg „gefangen“ seien, wodurch sie

im kohlbergschen Auswertungssystem auch schlechter abschneiden würden (vgl. Oser &

Althof 1997, S. 308). Folglich würden Frauen in der Regel auf Stufe 3 (der Kohlberg-

Skala) landen, während es die männlichen Kollegen zumindest auf die Stufe 4 schaffen.

Da in meiner Stichprobe rund zwei Drittel Frauen enthalten sind (vgl. Kreuztabelle im An-

hang 10), ist diese Hypothese von Gilligan durchaus relevant für die Interpretation der Da-

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Intervenierende Variablen

122

ten – sofern sie denn haltbar ist. Genau das soll im Folgenden mit theoretischen und empi-

rischen Hinweisen überprüft werden. Auf den Ansatz von Gilligan wird an dieser Stelle

aus Platzgründen nicht weiter eingegangen.

Empiriegeleitete Diskussion

Nach Oser & Althof (1997, S. 296) sind Gilligans Ideen „vor allem deshalb beachtenswert,

weil sie zwar von den das Forschungsgebiet beherrschenden Theorien ausgehen, sich aber

zugleich gegen einige Grundannahmen, die dort erhoben oder stillschweigend mitgeführt

wurden bzw. werden, kritisch aussprechen.“ Die oben angeführte Behauptung jedoch, dass

Frauen schlechter abschneiden, halten sie für einen Mythos, der immer wieder in Lehrbü-

chern und Einleitungen zu wissenschaftlichen Untersuchungen auftaucht (vgl. Oser & Alt-

hof 1997, S. 308f.). Als empirischen Befund gegen diese Behauptung führen sie die Meta-

analyse von Walker (1984, 1986) an, welche sich auf 152 Stichproben mit über 10.000

Proband/innen stützt. „In 130 dieser Stichproben (85,5 %) ergab sich keine signifikante

Differenz.“ (Oser & Althof 1997, S. 309, Herv. i. Orig.) Soweit zu den Befunden, die das

Auswertungsverfahren von Kohlberg verwendeten. Wie sieht es nun bei der Ermittlung der

moralischen Urteilsfähigkeit mit dem MUT aus? Drei Verweise sollen Antwort geben:

1. theoretischer Verweis

Bezogen auf Untersuchungen mit dem MUT versuchen Lind, Grocholewska & Langer im

Artikel „Haben Frauen eine andere Moral?“ (1986) bereits in theoretischer Hinsicht aufzu-

zeigen, dass die moralische Urteilsfähigkeit geschlechterunabhängig ist. Gemäß der kogni-

tiven Entwicklungstheorie und „Kants Definition der Moralität als jenen Bereich menschli-

chen Handelns (…), der nicht durch äußere Zwänge, sondern durch den freien, autonomen

Willen bestimmt ist (…) kann die Gültigkeit universeller moralischer Prinzipien nicht als

durch das biologische Geschlecht oder bestimmte soziale Funktionen begrenzt angesehen

werden.“ (Lind, Grocholewska & Langer 1986, S. 3) Außerdem umfassen kognitiv-

moralische Fähigkeiten mehr als „nur“ die Kenntnis der sozialen Konsequenzen des eige-

nen Handelns: Bspw. „die Fähigkeit, soziale Normen auf ihre Universalisierbarkeit hin zu

überprüfen und sie konsistent und differenziert im konkreten Handeln anzuwenden.“ (Pia-

get 1973; Kohlberg 1984 zit. nach Lind, Grocholewska & Langer 1986, S. 3) Daher mei-

nen die Autoren, kann man annehmen, dass Frauen und Männer die gleiche moralische

Urteilsfähigkeit besitzen, „sofern sie durch gleiche Schulbildung und gleichen Zugang zu

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Intervenierende Variablen

123

verantwortungsvollen Positionen im Beruf und im öffentlichen Leben dieselben Anregun-

gen zur moralischen Reflexion erhalten.“ (ebd.)

2. empirischer Verweis

Und auch empirisch zeigen Lind, Grocholewska & Langer (1986) anhand einer 3.000 Stu-

denten/innen umfassende Untersuchung (FORM-Projekt 1984), dass sich keine bedeuten-

den Unterschiede in der moralischen Urteilsfähigkeit zwischen Frauen und Männer erhe-

ben ließen: „Während nationale Unterschiede einen hohen Prozentsatz der Urteilsunter-

schiede erklären, klärt das Geschlecht – wie übrigens auch das (Studien)Fach (Anm. d.

Verf.) – fast keine Unterschiede auf“. (Lind, Grocholewska & Langer 1986, S. 7) Treten in

Untersuchungen dennoch geschlechterspezifische Unterschiede auf, so lassen sie sich

meist durch den unterschiedlichen Bildungsstatus erklären (vgl. Lind 2009b).

3. messtechnischer Verweis

Dass, die von Gilligan angeführte „Moral der Frauen“ – sollte sie trotz den angeführten

Einwänden von Oser & Althof und Lind u.a. nach wie vor Gültigkeit besitzen – für die

vorliegende Untersuchung eher eine geringere Rolle spielt, kann weiters mit folgendem

Argument begründet werden: Der MUT (Moralisches Urteil-Test wie auch der MUT/s) ist

so konzipiert, dass die Wahl der Stufen nach Kohlberg keinen Einfluss auf den C-Wert,

d.h. auf die moralische Urteilsfähigkeit ausübt. Zwar erhebt er – wie in Kap. 7.1.2 gezeigt

wurde – die Argumentationsstufe mit (bspw. ob jemand Argumente auf der ersten oder der

sechsten Stufe nach Kohlberg bevorzugt), d.h. er berücksichtigt den affektiven Aspekt,

jedoch stellt der errechnete C-Wert ausschließlich die kognitive Fähigkeit dar. Folglich

würde es keine Auswirkungen auf den C-Wert haben, wenn von den weiblichen Proban-

dinnen (wie Gilligan annimmt) niedrigere Stufen gewählt werden würden, denn, wie be-

reits des Öfteren darauf hingewiesen wurde, kommt es ausschließlich auf die Fähigkeit

„konsistent urteilen und Gegenargumente zulassen zu können“ an. Folgende Ergebnisse

der vorliegenden Untersuchung sollen diese Ausführungen untermauern.

Zuvor wird aber die Hypothese aufgestellt, dass die weiblichen Probandinnen meiner

Stichprobe, gemäße Gilligan die Kohlbergstufen 3 und 4 stärker in ihrer Urteilsbildung

präferieren als die männlichen Probanden. Gleichzeitig jedoch wirkt sich dies nicht auf den

C-Wert aus, weshalb keine signifikanten Unterschiede im durchschnittlichen C-Wert der

beiden Personengruppen zu erwarten sind.

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Intervenierende Variablen

124

Zu welchen Ergebnissen kommt die vorliegende Untersuchung?

Wenn nach Herzig (1998, S. 351) bei Frauen tendenziell stärker verantwortungs- und für-

sorgeethische Aspekte in ihre Urteilsbegründung bei Freiantworten einfließen, so ist inte-

ressant nachzuforschen, ob sich dies auch in der Präferenz der Kohlbergstufen der weibli-

chen Probanden in vorliegender Untersuchung widerspiegelt. Tatsächlich ist ersichtlich,

dass die Präferenzrangordnung zwar der der männlich Probanden entspricht, aber die

Kohlbergstufen 3 und 4 im Vergleich zu den Jungen höher beurteilt wurden, wobei der

Mittelwertunterschied auf Kohlbergstufe 4 mit 0,018 statistisch signifikant ist, während der

Präferenzunterschied auf Kohlbergstufe 3 mit 0,248 zufällig zustande kam (siehe Anhang

11). Ein Beleg, der zumindest teilweise für die These von Gilligan spricht, sich jedoch –

wie oben geschildert – nicht auf die moralische Urteilsfähigkeit auswirkt:

Kohlbergstufen_Geschlecht

-0,40-0,200,000,200,400,600,801,001,201,40

1 2 3 4 5 6

Stufen

Bew

ertu

ng BurschenMädels

Abbildung 18: Präferenzordnung der Kohlbergstufen nach dem Geschlecht

Der folgende T-Test (vgl. Tabelle 15) unabhängiger Stichproben liefert auch hinsichtlich

des Mittelwerts der C-Werte der beiden Personengruppen keinen statistisch signifikanten

Unterschied (0,435); auch nach praktischer Signifikanz nicht: Auf der C-Wert-Spannweite

von 10 – 40/50 Punkten liegen die beiden Gruppen mit 17,8 (weiblich) und 18,8 (männ-

lich) lediglich einen Punkt auseinander.

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Intervenierende Variablen

125

Tabelle 15: T-Test der C-Mittelwerte der Geschlechter

Gruppenstatistiken

Geschlecht N Mittelwert Standardab-

weichung

Standardfeh-ler des

Mittelwertes MUT/s männlich 148 18,8171 12,52274 1,02936 weiblich 295 17,8734 11,72453 ,68263

Test bei unabhängigen Stichproben

Widerlegung der Hypothese

Auch die vorliegende Untersuchung widerlegt die allgemeine Vermutung, dass die morali-

sche Urteilsfähigkeit geschlechterabhängig ist. Zwar bestätigt sie die Vorhersage von Gil-

ligan, dass Frauen die Kohlbergstufen 3 und 4 bevorzugen, jedoch wirkt sich dies nicht auf

den C-Wert aus. Die Hypothese, dass keine signifikanten Unterschiede in den C-Werten

der beiden Probandengruppen „weiblich“ und „männlich“ vorliegen, wurde somit bestätigt.

Levene-Test der Varianz-

gleichheit T-Test für die Mittelwertgleichheit

95% Konfidenzintervall

der Differenz

F

Signi-fikanz

T

df

Sig. (2-seitig)

Mittlere Differenz

Standardf. Differenz

Untere Obere

MUT/s ,142 ,706 ,781 441 ,435 ,94363 1,20841 -1,43133 3,31859

,764 277,855 ,446 ,94363 1,23514 -1,48779 3,37505

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Intervenierende Variablen

126

9.6 Religion

Empiriegeleitete Diskussion

Lind (2003) hat festgestellt, dass Studenten/innen in den Ländern Mexico, Kolumbien und

Brasilien, in denen die Institution Kirche einen starken Einfluss ausübt, niedrigere morali-

sche Urteilskompetenzen besitzen als westeuropäische Student/innen, deren Länder „säku-

larer orientiert“ sind. Dies spiegelt sich nach Lind (2003, S. 1) auch darin wieder, dass la-

teinamerikanische Studenten/innen bei Dilemmadiskussionen auf niedrigeren Stufen (et-

wa 4) urteilen, während ihre westeuropäischen Kollegen/innen die höchste Kohlbergstufe

(5,6) vorziehen.

In dieser Studie kommt Lind (2003) zu dem Ergebnis, dass die persönliche Religiosität

gering, aber positiv mit der moralischen Urteilsfähigkeit korreliert. Zudem hat sich, seinen

Angaben zufolge, die dogmatische Religiosität in mehreren Studien als Hemmnis für die

Entwicklung moralischer Urteilsfähigkeit gezeigt. Ebenso konnte Lupu (2009) im Rahmen

ihrer Dissertation bei 477 Studenten/innen verschiedener rumänischer Universitäten fol-

gendes nachweisen:

“Dogmatic religiosity had a negative effect on moral judgment competence. (r = .24)

Personal religiosity had a positive, moderate effect on moral judgment competence.

(r = .08)”

Es kann also auch für die vorliegende Untersuchung die Hypothese aufgestellt werden,

dass dogmatische Religiosität mit niedrigeren MUT/s-Werten der Proband/innen einher-

geht, als eine weniger „religionszentrierte“ Einstellung.

Zu welchen Ergebnissen kommt die Untersuchung? Bestätigung der Hypothese.

Die im Untersuchungsinstrument aufgenommenen Skalen zur Religiosität lassen sich in die

drei Subskalen „allgemeine Religiosität“, „dialogische Formen der Religiosität“ sowie

„Kirchenbindung“ unterteilen. Nach Lind (2009c) sollten die Skalen für alle Konfessionen

anwendbar sein und nicht-religiösen Proband/innen die Möglichkeit geben, ihre Positionen

auszudrücken, ohne immer NEIN sagen zu müssen. Um die Befragung nicht zu überladen,

wurden in diesem Bereich Kürzungen vorgenommen. So wurden von den 15 Items fünf

redundant erscheinende entfernt (siehe Anhang 22).

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Intervenierende Variablen

127

Zur Überprüfung der oben angeführten Hypothese, wurde für jede der drei Subskalen der

Mittelwert berechnet. Sodann erfolgte eine Einteilung der Proband/innen in „dogmatisch“

(arithmetischer Subskalenwert der Person liegt unter dem Stichprobenmittelwert der Sub-

skala) und „persönlich“ (arithmetischer Subskalenwert der Person liegt über dem Stichpro-

benmittelwert der Subskala). T-Tests unabhängiger Stichproben zeigen, dass lediglich hin-

sichtlich der Subskala „Kirchenbindung“ ein statistisch wie praktisch signifikanter Mittel-

wertunterschied im MUT/s-Wert beobachtbar ist. So verfügen Personen, die die Fragen

„Die Bibel (der Koran) ist das Wort Gottes, deren Aussagen wortwörtlich zu verstehen

sind.“ und „Abtreibung ist für mich Sünde.“ im Stichprobendurchschnitt stärker ablehnen

über einen C-Wert von rund 19,14, während ihre „Gegengruppe“ lediglich einen Wert von

rund 16,61 erreicht. Bei den beiden anderen Subskalen konnten keine signifikanten Mit-

telwertunterschiede entdeckt werden. Insofern kann die Hypothese nur bedingt – den eben

dargestellten Ausführungen folgend – bestätigt werden. Allgemeine Aussagen, wie die,

dass eine Ablehnung aller Religions-Items (siehe Fragebogen im Anhang 23) mit der mo-

ralischen Urteilsfähigkeit korrelieren würde, können nicht bestätigt werden.

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Intervenierende Variablen

128

9.7 Sonstige intervenierende Variablen

Die meiner Meinung nach wichtigsten Einflussfaktoren standen bereits ausführlich im Fo-

kus der Analyse. An dieser Stelle soll nun auf ein paar weiters interessant erscheinende

Variablen verwiesen werden. Mangels theoretischem und praktischem Einfluss wird aber

nur kurz auf diese eingegangen:

Wohnort der Schüler/innen, „broken home“ und Familiengröße

Ein geringer Anteil der Schüler/innen wohnt nicht mehr bei den Eltern (4,5 %). Ihr C-Wert

liegt durchschnittlich zwei Punkte unter dem ihrer Kolleg/innen. Aufgrund der geringen

Zahl dieser Personen kann das Ergebnis aber nicht interpretiert werden. 71 (15,6 %) der

454 befragten Schüler/innen stammen aus so genannten „broken homes“, d.h. ein Elternteil

lebt nicht im selben Haushalt wie der/die Schüler/in. Ein T-Test führte jedoch zu keinen

signifikanten Unterschieden bzgl. der moralischen Urteilsfähigkeit. Auch die Familiengrö-

ße korreliert nicht mit der moralischen Urteilsfähigkeit, was etwas verwundert, liegt doch

die Annahme nahe, dass in größeren Familien die Gelegenheiten zu Rollen- und Verant-

wortungsübernahmen steigen. Auch sollte man meinen, dass zum Beispiel die Fähigkeit

Rücksicht zu nehmen und sich in andere hineinversetzen zu können bei mehreren Ge-

schwistern/Familienmitgliedern in ihrer Bedeutung steigt.

Herkunft und Religionszugehörigkeit

Kohlberg hat zu empirischen Befunden bezüglich kultureller Einflüsse gemeint: „Das be-

deutet, dass die moralische Entwicklung keine Angelegenheit puren Lernens verbal vermit-

telter Werte oder Regeln der jeweiligen Kultur ist, sondern dass sich in der Entwicklung

etwas Universelleres spiegelt, etwas, das Bestandteil jeder Kultur ist.“ (Kohlberg 1995,

S. 31) Für diese Behauptung sprechen auch die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung.

Vergleicht man die Schüler/innen nach Herkunft ihrer Familie, so zeigt sich, dass Schü-

ler/innen, deren Eltern nicht aus Österreich stammen, einen durchschnittlich geringeren,

nicht aber signifikant geringeren (0,074, vgl. Anhang 15), C-Wert aufweisen (nicht Öster-

reich: 15,23/Österreich: 18,53). Jedoch ist dieses Ergebnis vorsichtig zu interpretieren, da

der Anteil nicht-österreichischer Familien nur rund 10 % der Stichprobe ausmacht. Auch

müsste der Mittelwertunterschied dahingehend untersucht werden, inwiefern die soziale

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Intervenierende Variablen

129

Schicht und die Noten eigentliche Verursacher sind.31 Ebenfalls aufgrund des geringen

Anteils der verschiedenen Religionen in der Stichprobe können keine Schlüsse aus den

gewonnen Daten gezogen werden, die den Einfluss der Religionszugehörigkeit belegen

würden.

Schultyp, Klassengröße, vorhergehende Schule sowie Wahlmotiv

145 Schüler/innen entstammen einer Höhern Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe (HLW)

und 309 einer Handelsakademie (HAK). Unterschiede in der moralischen Urteilsfähigkeit

lassen sich erwartungsgemäß keine feststellen, trennt man die Schüler/innen nach ihrem

Schultyp. Auch die Klassengröße scheint keinen Einfluss auf die untersuchte Fähigkeit zu

haben, so korreliert sie lediglich mit -0,084 schwach und nicht signifikant. Bezüglich der

zuvor besuchten Schule konnten ebenfalls keine Unterschiede gefunden werden. So errei-

chen Schüler/innen, kommend aus Gymnasien, ebenso einen C-Wert um 18 wie ihre Kol-

leg/innen aus den städtischen und ländlichen Hauptschulen. Auch bei Gliederung nach

Schulstufe ergeben sich kaum Änderungen. Die Frage, ob das Motiv für die Wahl eines

bestimmten Ausbildungszweiges an der Schule Einfluss auf die moralische Urteilsfähigkeit

ausübt, kann nur insofern verneint werden, als das Wahlmotiv bei beiden Probandengrup-

pen (COOL und NonCOOL) annähernd gleich ausgeprägt ist. So landet die Antwort „weil

mir die Stoffinhalte/angebotenen Unterrichtsfächer zugesagt haben“ mit 74 % bei COOL-

Schüler/innen und 85 % bei NonCOOL-Schüler/innen jeweils auf dem ersten Platz. Weit

abgeschlagen auf Platz 2 folgt „weil Freunde diesen Zweig ebenfalls gewählt haben“

(19 % COOL und 14 % NonCOOL). Es kann also davon ausgegangen werden, dass diese

Ausprägung bei der Experimental- wie bei der Kontrollgruppe gleich ausgeprägt ist.

31 Eine Varianzanalyse (im Anhang 14) zeigt, dass vor allem die Note Einfluss nimmt. Die Herkunft der

Eltern hat keinen statistischen Einfluss mehr.

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Intervenierende Variablen

130

9.8 Eine zusammenfassende Varianzanalyse

Abschließend soll eine Varianzanalyse (Tabelle 16) – quasi als Spiegelbild der bisherigen

Ergebnisse – nochmals zusammenfassend die Bedeutung der verschiedenen intervenieren-

den Variablen zeigen. Gemäß der hier dargestellten univariaten Varianzanalyse nehmen

die intervenierenden Variablen „Notendurchschnitt“ (0,027) und „soziale Schicht“ (0,033)

signifikanten Einfluss auf die abhängige Variable „moralische Urteilsfähigkeit“/„MUT/s“.

Anzumerken ist, dass die Verteilung des Notenschnittes und der sozialen Schicht sich nicht

signifikant zwischen COOL- und NonCOOL-Schüler/innen unterscheidet.

Tabelle 16: Zusammenfassende Varianzanalyse

Abhängige Variable: MUT/s

Quelle Quadratsumme vom Typ III df Mittel der

Quadrate F Signifikanz

Korrigiertes Modell 14557,133(a) 92 158,230 1,094 ,283

Konstanter Term 11001,897 1 11001,897 76,070 ,000

Religion 10,899 1 10,899 ,075 ,784

Notendurchschnitt 709,497 1 709,497 4,906 ,027

Selbständiges Arbeiten 110,823 1 110,823 ,766 ,382

Schülerumgang 15,405 1 15,405 ,107 ,744

Lehrerkooperation 181,926 1 181,926 1,258 ,263

Diskutieren lernen 533,363 1 533,363 3,688 ,056

Mitentscheiden im

Unterricht 96,486 1 96,486 ,667 ,415

Peers 42,681 1 42,681 ,295 ,587

Familie ,196 1 ,196 ,001 ,971

Schüler 17,942 1 17,942 ,124 ,725

Lehrer 181,544 1 181,544 1,255 ,263

Soziale Schicht 1275,012 3 425,004 2,939 ,033

Geschlecht 5,593 1 5,593 ,039 ,844

Alter 995,996 9 110,666 ,765 ,649

Unterrichtstyp 79,652 1 79,652 ,551 ,459

Fehler 47727,534 330 144,629

Gesamt 206462,181 423

Korrigierte Gesamtvariation 62284,667 422

a R-Quadrat = ,234 (korrigiertes R-Quadrat = ,020)

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Intervenierende Variablen

131

Die Frage, weshalb soziale Schicht und Note32 Einfluss auf die moralische Urteilsfähigkeit

ausüben, führt zur Vermutung, dass mit „Verbesserung“ dieser beiden Variablen auch die

Gelegenheiten zur Rollenübernahme – die nach Kohlberg und Lind ja wichtiger Entwick-

lungsfaktor sind – steigen bzw. zumindest was deren Wahrnehmung durch die Pro-

band/innen angeht. Ein direkter Zusammenhang zwischen Gelegenheiten zur Rollenüber-

nahme, den Entwicklungsbedingungen nach Lempert33, COOL-Fragen und moralischer

Urteilsfähigkeit/C-Wert konnte jedoch nicht gefunden werden. Betrachtet man die COOL-

Items, so übt einzig der Faktor „Diskutieren lernen in der Schule“ ebenfalls – auf einem

Signifikanzniveau von 0,056 – Einfluss aus. Jedoch dürfte dieser Faktor in COOL wie

auch im normalen Unterricht gleich ausgeprägt sein. Darauf deuten zumindest die statis-

tisch nicht signifikant unterscheidbaren Wahrnehmungen der Schüler/innen beider Unter-

suchungsgruppen hin.

32 Auch die Variable „Note“ korreliert schwach negative, aber hoch signifikant mit der Variable „Gele-

genheiten zur Rollenübernahme“. 33 Die, den Variablen „Entwicklungsbedingungen“ und „Gelegenheiten zur Rollenübernahme“ zugrunde

liegenden Fragen bzw. Items überschneiden sich teilweise.

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Moralische Urteils- und Handlungsfähigkeit

132

10 Moralische Urteils- und Handlungsfähigkeit

Bedeutet eine höhere moralische Urteilskompetenz gleichzeitig höhere moralische Hand-

lungsfähigkeit? Oder anders: Ist das Verhalten moralisch urteilsfähigerer Personen tatsäch-

lich moralischer?

Im Rahmen meiner Vorarbeiten zur Untersuchung wurde ich von einer Lehrkraft gefragt,

inwiefern die Ergebnisse zu interpretieren seien, und mit folgender Sorge konfrontiert: „Ich

möchte damit nur auf eine gewisse Grenze von solchen Befragungen hinweisen. Nämlich,

dass diese Befragung wenig aussagt über das konkrete moralische Handeln der Schü-

ler/innen. Ein/e Schüler/in kann bei der Befragung schlecht abschneiden, weil er/sie sich

nicht so gut ausdrücken kann und kann trotzdem aufgrund seines/ihres Verhaltens im Klas-

senverband als moralisch hochstehende Person anerkannt sein.“ (Birklbauer 2008, Herv. d.

Verf.) Diese durchaus berechtigte Sorge sowie die oben dargestellten Fragen sollen in die-

sem Abschnitt vor allem im Rahmen eines Experiments unter die Lupe genommen wer-

den.34 Eine Auseinandersetzung mit dieser Thematik ist auch vor dem Hintergrund der

Definition moralischer Urteilsfähigkeit von Kohlberg wichtig, beinhaltet doch diese, auch

nach moralischen Urteilen zu handeln (vgl. Kohlberg, Kap. 3). In den bisherigen Ausfüh-

rungen wurden nur kognitive (und affektive) Strukturen gemessen bzw. von solchen ge-

sprochen. Welchen Sinn würde aber bspw. eine MUT(/s)-Testung machen, wenn man von

ihren Ergebnissen ohnehin nicht auf die Handlungen von Personen schließen könnte? Wäre

es dann nicht ein nutzloses Artefakt?

10.1 Theoretischer Ansatz von Kohlberg & Candee

Kohlberg & Candee (1984) versuchten den Zusammenhang zwischen moralischem Urteil

und moralischer Handlung mit vier Phasen der Urteils-Handlungs-Beziehung zu beschrei-

ben. In der ersten Phase wird die Situation vom Individuum interpretiert. In der zweiten

Phase bildet sich die Person ein deontisches Urteil: Was ist moralisch richtig? Darauf fol-

gend wird in der dritten Phase ein Verantwortlichkeitsurteil gebildet: Bin ich verantwort-

lich dafür, mich im Handeln nach dem zu richten, was ich als moralisch richtig erachte?

34 Für eine ausführliche theoretische sowie empirische Diskussion dieser Problematik seien die Leserin

und der Leser auf die Ausführungen etwa bei Kohlberg (1995, S. 373-495) oder bei Oser & Althof (1997, S. 224-256) verwiesen. Sie kann hier aus Platzgründen nicht vorgenommen werden.

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Moralische Urteils- und Handlungsfähigkeit

133

Und schließlich spielen in der vierten Phase noch außermoralische Fähigkeiten wie der IQ

einer Person, die Aufmerksamkeit, Belohnungsaufschubfähigkeit etc. eine Rolle (vgl.

Kohlberg 1995, S. 488f.; Oser & Althof 1997, S. 232ff.)

Kohlberg & Candee (bspw. 1984) sowie Blasi (1980/1983) konnten in Metaanalysen ver-

schiedenster Experimente zeigen, dass die moralische Urteilsfähigkeit (u.a. gemessen nach

dem WAS-Kohlbergverfahren) mit der moralischen Handlung korreliert bzw. zusammen-

hängt. Ein paar Befunde dazu (vgl. Oser & Althof 1997, S. 234f.):

Die „Free speach Movement“-Untersuchung

Bei den 1986er Sit-Ins an der Universität Berkeley, Kalifornien, handelt es sich um eine

Demonstration von Student/innen, die nach dem Verbot, politische Literatur am Campus

zu verteilen und politisch aktiv zu werden, das Verwaltungsgebäude besetzten. Woraufhin

129 Demonstrant/innen festgenommen wurden. Diese und zufällig ausgewählte Stu-

dent/innen wurden später auf ihre moralische Urteilsfähigkeit getestet; mit dem Ergebnis,

je höher die Stufe, desto geschlossener war die Teilnahme und desto wahrscheinlicher die

Beteiligung an den Sit-Ins (vgl. Oser & Althof 1997, S. 234).

Das Milgram-Experiment

„In diesem sehr bekannten Experiment geht es darum, dass eine Person, der die Rolle des

›Schülers‹ zugeteilt wurde, mit zunehmend starkem Elektroschock ›bestraft‹ werden soll,

wenn sie Gedächtnisaufgaben falsch löst. Das vermeintliche Opfer war jeweils ein Mitar-

beiter des Versuchsleiters, der die Schmerzen des Schocks bis hin zum tödlichen Schwei-

gen ›spielte‹.“ (a.a.O., S. 235, Herv. i. Orig.) Auch hier konnte Kohlberg nachweisen, dass

Personen höherer Stufe eher fähig waren, aus dem Experiment früher auszusteigen oder die

schreckliche Sache zu verweigern.

Betrugsstudien

In diesen Studien wurde bspw. untersucht, ob die moralische Urteilsfähigkeit mit dem Ein-

halten von Vereinbarungen oder Verträgen korreliert. Eines der dafür durchgeführten Ex-

perimente stellt das Unterschlagungsexperiment von Krebs & Rosenwald (1977) – welches

im Folgekapitel erläutert wird – dar. Wiederum konnte den Proband/innen, die sich an die

Vereinbarung hielten, eine höhere moralische Urteilsfähigkeit attestiert werden (vgl. dazu

die dargestellten Ergebnisse im Kap. 10.2).

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Moralische Urteils- und Handlungsfähigkeit

134

Auch Lind (2007a, o.S.) konnte derartige Zusammenhänge für den MUT nachweisen. So

belegt eine Studie, die 175 Personen – die Juden während des 2. Weltkrieges das Leben

retteten – postalisch nach der moralische Urteilsfähigkeit befragte, dass die Lebensretter

eine höhere moralische Urteilsfähigkeit besaßen als die Vergleichsgruppe. Weiters zeigt

eine Untersuchung von Lenz, dass der C-Wert scheinbar negativ mit Drogenkonsum (Ni-

kotin-, Alkohol- und Cannabis-Konsum) korreliert (vgl. die Ergebnisse dazu in Lenz

2006).

Wie sieht es mit dem Urteils-Handlungs-Zusammenhang in der vorliegenden Stichprobe

aus? Um das zu untersuchen, habe ich versucht, das Experiment von Krebs & Rosenwald –

etwas verändert – nachzustellen. Dazu habe ich einen eigenen Abschnitt in den Fragebogen

integriert. Die Ergebnisse sollten zumindest als Indizien für den Zusammenhang von mora-

lischer Urteilsfähigkeit und moralischem Handeln herangezogen werden können. Als

Hypothese wird die Erwartung formuliert, dass der durchschnittliche C-Wert jener, die im

Experiment nicht unterschlagen, höher ist, als jener, die unterschlagen. Zuerst aber zur

Darstellung des Unterschlagungsexperiments in seiner ursprünglichen Form.

10.2 Das Unterschlagungsexperiment von Krebs & Rosenwald35

An diesem Experiment nahmen 31 Personen teil, die durch eine Anzeige: „Good pay for

little work – Subjects wanted for psychological experiments“ dazu aufgefordert wurden.

Als Entgelt für die Teilnahme an den Tests erhielt jede Person drei US-Dollar (vgl. Krebs

& Rosenwald 1994, S. 112). Das Alter der Versuchspersonen erstreckte sich von 17 bis 54

(Durchschnitt: 23). Geschlecht sowie sozialer Hintergrund variierten (vgl. a.a.O., S. 113).

Die Versuchspersonen trafen sich für das Experiment gemeinsam in einem Hörsaal. Die

Versuchsleiterin, eine 24jährige Studentin, teilte den Teilnehmer/innen mit, dass es sich

hierbei um ein Experiment handelte, welches die Redundanzen von Persönlichkeitsskalen

erforschen sollte, um festzustellen, ob sie in einem Test verbunden werden könnten. Wei-

ters teilte sie mit, dass diese Studie Teil eines Forschungsprojektes und eines Kursprojektes

sei (vgl. ebd.).

35 Die hier dargestellte Beschreibung des Unterschlagungsexperiments findet sich in englischer Fassung

in „Moral Reasoning and Moral Behavior in Conventional Adults“ (Krebs & Rosenwald, 1994) wider.

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Moralische Urteils- und Handlungsfähigkeit

135

Außerdem verwies sie darauf, dass – aus organisatorischen Gründen – der Hörsaal nicht

wie geplant für eineinhalb Stunden, sondern nur für eine Stunde zur Verfügung stehen

würde. Aus diesem Grund bat sie die Teilnehmer/innen zuerst den schwieriger auszuwer-

tenden Test durchzuführen und den zweiten Teil zuhause auszufüllen. Für letzteren Teil

erhielten die Proband/innen einen adressierten und frankierten Briefumschlag. Die drei

Dollar erhielten sie aber trotzdem sofort, quasi als Vertrauensvorschuss. Schließlich teilte

sie ihnen mit, dass das Kursprojekt innerhalb der nächsten 1,5 Wochen beendet werden

müsse, und es für sie daher sehr wichtig sei, dass jede Person den übrigen Teil vollständig

ausgefüllt bis zum Tag X (eine Woche nach dem Experiment) an sie zurücksende! Sie

verwies nochmals auf den Vertrauensvorschuss, den sie ihnen mit den drei Dollar gegeben

hatte und erklärte, dass durch ein „Nicht-Zurücksenden“ ihre Chancen, den Kurs positiv zu

bestehen, gefährdet würden (vgl. ebd.).

Nach diesen Instruktionen bekamen die Versuchspersonen zwei Fragebögen, einen zu bio-

grafischen Daten und einen, der Kohlbergs Test moralischer Entwicklung enthielt. Nach-

dem die Versuchspersonen den Kohlberg Test durchgeführt hatten, erhielten sie den Brief-

umschlag mit der Bitte, den biografischen Fragebogen zuhause auszufüllen. Beim Verlas-

sen des Hörsaals wurden die Teilnehmer/innen nochmals darauf hingewiesen, dass sie mit

der Entgegennahme der drei Dollar einen Vertrag abgeschlossen hätten, den sie zeitgerecht

einzuhalten verpflichtet seien (vgl. ebd.).

Resultate: Zwölf (39 %) Versuchspersonen sandten den Fragebogen nicht zeitgerecht zu-

rück. Davon sieben (23 %) gar nicht oder unausgefüllt, fünf (16 %) zu spät. Keine der Ver-

suchspersonen wurde mit dem Kohlberg-Test auf Stufe 1 oder 6 getestet, d.h. alle befanden

sich innerhalb der Stufen 2 bis 5. Bis auf eine Ausnahme haben alle Versuchspersonen der

Stufen 4 und 5 den Fragebogen ordnungsgemäß retour gesandt. Alle Versuchspersonen,

die den Fragebogen verspätet eingesandt hatten, waren auf Stufe 3; und zwei der drei Ver-

suchspersonen auf der Kohlbergstufe 2 reichten den Briefumschlag samt Fragebogen nicht

ein (vgl. a.a.O., S. 114).

Die Auswertung dieser Studie (siehe Tabelle 17) zeigte, dass das Pearson r zwischen mora-

lischer Entwicklung und moralischem Verhalten (ordnungsgemäße Erfüllung des Vertrages

bzw. Rücksendung des 2. Fragebogens) 0.49 betrug. Bei einer Signifikanz von p < 0.01.

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Moralische Urteils- und Handlungsfähigkeit

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Tabelle 17: Ergebnisdarstellung des Unterschlagungsexperiments von Krebs & Rosenwald (1977)

Stufe Probanden Unterschlagung % Anzahl 1 0 0 - 2 10 3 2 U. 3 5 verspätet, 5 U. 4

83 26

5 7 2 1 U.

6 0 0 -

Soweit ein kurzer Aufriss dieses Experiments. Nun zum Experiment, das ich mit den Pro-

band/innen der vorliegenden Untersuchung (N=454) durchgeführt habe. Aus u.a. Ressour-

cengründen musste das Experiment in einer abgewandelten Form durchgeführt werden:

Anstatt des Moral Judgment Interviews von Kohlberg wurde der MUT/s in Anleh-

nung an den MUT von Lind zur Messung der moralischen Urteilsfähigkeit eingesetzt.

Aufgrund finanzieller Bedingungen wurde anstatt des frankierten Briefumschlags

eine E-Mail verwendet. Den Proband/innen wurde auf einem gesonderten Blatt Pa-

pier ein Internet-Link mitgeteilt, auf dem sie allgemeine Fragen zum Thema Moral

beantworten sollten.

Um die oben geschilderte Vertragssituation auch in diesem Experiment herzustellen,

wäre eine finanzielle Vergütung nötig gewesen. Auf diese musste jedoch aus finan-

ziellen Gründen verzichtet werden. Daher wurde am Anfang und am Ende der Unter-

suchung mehrmals auf die Wichtigkeit der Onlinefragen für diese Untersuchung hin-

gewiesen und verstärkt um das spätere Ausfüllen dieser Fragen gebeten.

Die Ausschreibung bzw. der „Freiwilligkeitscharakter“ fällt bei diesem Experiment

weg, da eine ausgewogene Untersuchung zwischen COOL- und NonCOOL-

Schüler/innen ebenso wie eine genügend hohe Rücklaufquote garantiert werden soll-

te.

Auch wenn die Vertragssituation – wie sie im Originalexperiment dargestellt wurde – in

der vorliegenden Untersuchung nicht 1:1 rekonstruiert werden konnte, so kann m.E. min-

destens durch die Ergebnisse darauf geschlossen werden, inwiefern moralische Urteilsfä-

higkeit mit Freiwilligkeit korreliert.

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Moralische Urteils- und Handlungsfähigkeit

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10.3 Ergebnisse des Experimentes der vorliegenden Untersuchung

Tabelle 18: T-Test der MUT/s-Mittelwertunterschiede der Unterschlagungs- und Kooperationsgruppe

Unterschlagung N36 Mittelwert Standardab-

weichung

Standardfeh-ler des

Mittelwertes MUT/s fristgerechte Antwort 129 19,9005 12,29895 1,08286 Antwort unterschlagen 318 17,4870 11,77645 ,66039

Test bei unabhängigen Stichproben

Levene-Test der Varianz-

gleichheit T-Test für die Mittelwertgleichheit

F Signifi-kanz T df

Sig. (2-seitig)

Mittlere Differenz

Standard-fehler der Differenz 95% KI der Differenz

Untere Obere MUT/s ,295 ,587 1,938 445 ,053 2,41348 1,24524 -,03380 4,86076

1,903 228,174 ,058 2,41348 1,26835 -,08569 4,91265

Die Rücklaufquote des Experiments betrug 28,4 % (129 von 454). Der durchgeführte T-

Test (Tabelle 18) zweier unabhängiger Stichproben zeigt einen beinahe statistisch sowie

praktisch signifikanten Unterschied (0,053 zweiseitig; 2,4 Punkte) im durchschnittlichen

C-Wert jener Personen, die der Aufforderung, fristgerecht zu antworten, nachgekommen

sind, und jener Personen, die dieser Aufforderung nicht nachgekommen sind. Die weiter

oben aufgestellte Hypothese, dass jene Schüler/innen, die nicht kooperieren, durchschnitt-

lich einen niedrigeren C-Wert aufweisen als ihre kooperativen Mitschüler/innen, kann so-

mit – auch wenn statistisch nicht signifikant – bestätigt werden.

36 N=447 weicht von N gesamt (454) um sieben Proband/-innen ab. Für diese konnte kein MUT-Wert

errechnet werden, da ein oder mehrere Argumente vom/n der Proband/-in nicht beurteilt wurden.

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Rückblick und Ausblick – eine kritische Reflexion

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11 Rückblick und Ausblick – eine kritische Reflexion

Rückblick

Es sollen nun – quasi in einem kurzen Zeitraffer – nochmals die wichtigsten Ergebnisse, zu

denen die vorliegende Arbeit gekommen ist, zusammenfassend für die Leserin und den

Leser dargestellt werden. Einleitend wurde auf die aktuelle Bedeutung der Moralerziehung

im Allgemeinen hinzuweisen versucht. Es stellte sich heraus, dass die Erziehung zur Mora-

lität eine zeitlose und von vielen Seiten oft gestellte Forderung ist. Im Kapitel 4 wurde zu-

dem versucht, die Bedeutung der Moralerziehung im Zusammenhang mit dem Bildungs-

begriff zu erörtern. Mit Klafki konnte darauf hingewiesen werden, dass die Erziehung zum

moralischen Menschen in der Tradition einer kritisch-konstruktiven Didaktik steht und

somit seit jeher Selbstverständnis der Pädagogik war und ist; dies spiegelt sich im Bil-

dungsbegriff wider. Bevor jedoch über Moral im Zusammenhang mit Bildung gesprochen

werden konnte, musste in Kapitel 2 der Moralbegriff definiert bzw. ausgelegt werden. Kei-

ne leichte Aufgabe, wie sich herausstellte, liefer(te)n doch verschiedenste Moralphiloso-

phen und –psychologen je unterschiedliche Beiträge zu dieser Diskussion. Mit Kant und

Rawls wurde jedoch eine Begriffsbestimmung darzulegen versucht, die als Stütze für die

weiteren Ausführungen dieser Arbeit dienen konnte. Im Zentrum dieser Begriffsauslegung

standen schließlich der kategorische Imperativ (Kant) und die Gerechtigkeitstheorie

(Rawls) sowie die Abstufungen der Moral der beiden Philosophen. Aufbauend auf diesen

beiden Abstufungen sowie der Kognitionstheorie von Piaget wurde das viel zitierte und

bekannte Stufenmodell von Kohlberg erarbeitet. Dieses sechsstufige Modell zeigt, an wel-

chen Argumenten sich eine Person bei der Bildung von Urteilen in Dilemmasituationen

orientiert. Gleichzeitig wurde durch den Qualitätsanstieg in den Stufen deutlich, dass es

sich bei der moralischen Urteilsfähigkeit um eine kognitiv orientierte Fähigkeit handelt.

Diese moralische Urteilsfähigkeit, die sich schon im Stufenmodell widerspiegelt, wurde

sodann in Kapitel 3 näher betrachtet. Mit Kohlberg kamen wir zum Schluss, dass die mora-

lische Urteilsfähigkeit das Vermögen ist, moralische Entscheidungen zu treffen, die auf

ebenso moralischen Prinzipien – wie sie etwa die Kohlbergstufen repräsentieren – beruhen,

und in Einklang mit diesen zu handeln. Bevor ab Kap. 6 mit der Darstellung des empiri-

schen Teils dieser Arbeit begonnen wurde, sollte in einer kurzen Lehrplananalyse gezeigt

werden, dass Moralerziehung im Unterricht auch gesetzlich verankert ist.

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Rückblick und Ausblick – eine kritische Reflexion

139

Während in Kap. 6 die (methodische) Vorgehensweise bei der Durchführung der empiri-

schen Untersuchung umfangreich dargestellt wurde, beschäftigten sich die darauf folgen-

den Kapitel mit deren Resultaten. Die vorliegende Querschnittstudie unter 454 Schü-

ler/innen der 1. bis 3./5. Klasse dreier berufsbildenden höheren Schulen kam u.a. zu fol-

genden Ergebnissen:

1. Im Kapitel 7 wurde nach einer ausführlichen Beschreibung des MUT – anhand einer

umfangreichen Validitätsprüfung – gezeigt, dass der Einsatz dieses Messinstruments

in der untersuchten Stichprobe zu validen Ergebnissen führte.

2. Eine Analyse der Theoriekonzepte der Just-community und der moralfördernden Ent-

wicklungsbedingungen nach Lempert im Vergleich zum COOL-Konzept kam zu dem

Ergebnis, dass COOL bzw. seine Konzeption sehr gut zur Förderung/Entwicklung

der moralischen Urteilsfähigkeit geeignet ist.

3. Eine Sekundaranalyse bestehender Untersuchungen zu COOL (und zur Just-

community) skizzierte zudem ein äußerst positives Bild: In vielen qualitativen Unter-

suchungen wurde auf die hinsichtlich sozialer Kompetenzen förderliche Wirkung von

COOL hingewiesen.

4. Einige wenige Untersuchungsergebnisse sowie auch die vorliegenden weisen jedoch

in eine andere Richtung. Ihnen zufolge scheinen COOL-Schüler/innen hinsichtlich

der moralischen Urteilsfähigkeit nicht mehr von COOL zu profitieren als ihre Kol-

leg/innen der Kontrollgruppe vom tradierten Unterricht. Jedoch sind diese Ergebnisse

nur vorläufige. Eine Längsschnittstudie ist abzuwarten.

5. Zusammenhänge zwischen COOL und moralischer Urteilsfähigkeit konnten in einer

explorativen Analyse also nicht gefunden werden. Hingegen zeigte sich, dass die Va-

riablen „soziale Schicht“ und „Schulnoten“ (statistisch und praktisch) signifikanten

positiven Einfluss auf den MUT/s-Wert ausüben.

Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit sind also durchwegs ernüchternd, geht man von

den Erwartungen aus, die in dieser Arbeit mit COOL verbunden wurden. Deshalb sollen

im Folgenden verschiedene Gründe dargestellt werden, die möglicherweise Ursache für

diese Ergebnisse sind. Zuvor seien die Leserin und der Leser aber nochmals explizit darauf

hingewiesen, dass es sich bei den Ergebnisse dieser Arbeit „nur“ um eine Querschnittsstu-

die handelt und daher die Wirkung von COOL ohnehin nur bedingt festgestellt werden

konnte (vgl. dazu die Diskussion in Kap. 6.3).

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Rückblick und Ausblick – eine kritische Reflexion

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Ausprägungsproblematik von COOL

In Kap. 8.2.3.1 „Ausprägungsproblematik von COOL“ wurde bereits versucht, die Tatsa-

che, dass Unterricht aller Orts anders „aussieht“, zu berücksichtigen. Inwiefern dies gelun-

gen ist, muss wohl mangels qualitativer Untersuchung offen bleiben bzw. eine Beurteilung

darüber der Leserin/dem Leser überlassen sein.

Ungenutztes Potential des Klassenrats sowie die fehlenden Dilemmadiskussionen

Die zentrale Bedeutung des Klassenrats für die Förderung moralischer Urteilskompetenzen

wurde in der vorliegenden Arbeit an mehreren Stellen hervorgehoben (bspw. Kap. 8.1.1.2).

Gleichzeitig aber wurde auch bereits angedeutet, dass möglicherweise die Umsetzung die-

ses Elementes nicht immer jener gleicht, die für eine entsprechende Moralentwicklung

förderlich wäre. Während Neuhauser & Wittwer 2002 noch von einem gewichtigen Stel-

lenwert des Klassenrats berichten – „Die Akzeptanz dieser Einrichtung seitens der Schüler

ist sehr groß. (…) Schüler und Lehrer sind sich einig, dass der Klassenrat eine ganz we-

sentliche Hilfe ist, wenn es darum geht, Konflikte zu erkennen und zu lösen, zum freien

Reden anzuregen, Rücksichtnahme aufeinander und damit die Klassengemeinschaft zu

fördern. Fortschritte im Umgang mit dieser Einrichtung von der ersten auf die zweite Klas-

se sind eindeutig erkennbar.“ (Neuhauser & Wittwer 2002, S. 177) –, werfen aktuellere

Befunde ein etwas trüberes Licht auf dieses COOL-Element. Es sei an jenes Zitat einer

COOL-Absolventin erinnert, die hervorhebt, v.a. Moderationstechniken im Klassenrat er-

lernt zu haben; oder an das Ergebnis der qualitativen Untersuchung von Engler, Füreder &

Niedermayr (2009). Letzteren zufolge wird dem Klassenrat-Element von Seiten der Schü-

ler/innen ein denkbar schlechtes Zeugnis ausgestellt. So werden Klassenratsstunden

scheinbar nur abgesessen oder die Schülerin bzw. der Schüler kommt sich dabei „psycho-

logisch durchleuchtet“ vor. Auch Doppler (2008, S. 86) kommentiert in ihrer Arbeit den

Klassenrat eher ernüchternd: „Die Qualität des Klassenrats kann stark variieren und ist

mitunter abhängig vom Thema. Als sehr hilfreich wurde dieses Instrument beispielsweise

empfunden, als eine Schülerin aufgrund von Problemen die Schule verlassen hat. (…) Hin-

gegen wird ein Klassenrat als langweilig empfunden, wenn es aktuell keine wichtigen zu

besprechenden Themen gibt.“ Auch in der vorliegenden Untersuchung wurde im Rahmen

der 20 COOL-Fragen indirekt nach dem Klassenrat gefragt. Die in Tabelle 9 (Kap. 8.2.3.2)

enthaltenen Fragen 14 bis 17 versuchen Kompetenzen zu erheben, die m.E. nach durch den

Klassenrat geschult werden sollten. Jedoch zeigten sich im Rahmen der Auswertung keine

Unterschiede in der Wahrnehmung dieser Elemente zwischen COOL und NonCOOL-

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Rückblick und Ausblick – eine kritische Reflexion

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Schüler/innen. Ganz entgegen all diesen Befunden berichtet Greimel-Fuhrmann (2007) von

einem positiveren Bild bzgl. des Einsatzes und der Wirkung des Klassenrats, wie in Kap.

8.2.1 zu sehen war.

Wir wollen und können – mangels fehlender Untersuchungen – an dieser Stelle nicht näher

auf die tatsächliche Umsetzung des Klassenrats in der Schulpraxis eingehen. Um letztend-

lich beurteilen zu können, ob der Klassenrat in einer Weise abgehalten wird, die schluss-

endlich auch für die moralische Urteilsfähigkeit fördernd und fordernd ist, wären wohl

konkrete Unterrichtsbeobachtungen in umfangreichem Ausmaß nötig. Aber auch hier wäre

wiederum anzumerken, dass von einigen Beobachtungen keine generellen Aussagen ge-

macht werden können. Genauso steht es auch mit den oben angeführten Befunden zum

Klassenrat. Die Leserin und der Leser mögen wohl allzu schnell ein negatives Bild des

Klassenrats bekommen, jedoch sei darauf hingewiesen, dass es sich hier nicht um repräsen-

tative Untersuchungen handelt. Klassenratssitzungen in anderen Schulen, in anderen Klas-

sen, bei anderen Lehrer/innen sehen mit ziemlicher Sicherheit anders aus. Aber der An-

spruch in diesem Abschnitt besteht auch lediglich darin, mögliche Gründe, also Indizien

für die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung zu liefern. Für diesen Zweck scheinen

die Ausführungen sehr brauchbar, verweisen sie immerhin zumindest darauf, dass zwi-

schen dem intendierten und – wie die Analysen aus Kap. 8.1 gezeigt haben – für die Mo-

ralerziehung so geeignetem COOL-Konzept und seiner tatsächlichen Umsetzung Unter-

schiede bestehen können.

Auch sei darauf hingewiesen, dass bei COOL ein weiteres, für die Moralerziehung so

wichtiges Element, nämlich die Dilemmadiskussion, gänzlich fehlt. Weiters stellt sich die

Frage, inwiefern es gelang und gelingt, COOL als einen „Way of Life“ zu betrachten und

nicht nur als eine Unterrichtsmethode. Womöglich ist COOL eben noch nicht „Programm“

genug. Im Zusammenhang damit sei auch auf die Bedeutung des geheimen Lehrplans

(hidden curricula) verwiesen, dessen Einfluss noch zu untersuchen ist. Anzudenken ist

auch, inwiefern die Anzahl der COOL-Stunden ausreichend ist, um entsprechende Wir-

kungen hervorzurufen. Diese Desiderate – die „Konzept- und Implementationslücke“, eine

möglicherweise „uneffektive“ Nutzung des Klassenrats sowie das Fehlen des Elements der

Dilemmadiskussion – gilt es aufzuheben, will man mit COOL einen höheren Beitrag zur

Entwicklung sozialer Kompetenz beitragen (auch sensus moralischer Urteilsfähigkeit) als

bisher.

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Rückblick und Ausblick – eine kritische Reflexion

142

Laufen COOL und MUT(/s) aneinander vorbei?

Misst der MUT(/s) vielleicht doch etwas anderes, als bei COOL im Zentrum steht? Diese

Arbeit hat bereits versucht Antwort auf diese Frage zu geben. Betrachtet man das COOL-

Konzept und seine offiziellen Ziele, so würden diese durchaus mit dem harmonieren, was

der MUT(/s) misst, nämlich die soziale Kompetenz „moralische Urteilsfähigkeit“, die sich

zum Beispiel in Diskursfähigkeit, Kooperationsfähigkeit und Teamfähigkeit widerspiegelt.

Das Problem liegt jedoch darin, dass die genannten Kompetenzen relativ schwammige

Begriffe sind, in die viel hineininterpretiert werden kann, wenn man will. So ist die morali-

sche Urteilsfähigkeit sicherlich Bestandteil und Voraussetzung all dieser Kompetenzen,

jedoch hat es den Anschein, als könnte man auch von sozialer Kompetenz sprechen, ohne

dabei auf die moralischen Elemente Rücksicht zu nehmen. Zumindest scheint es so, wenn

man die erreichten Ziele von COOL betrachtet. Denn wenn man danach fragt, was denn

COOL bewirkt, steht nicht selten im Zentrum der Antwort die Selbständigkeit/das selb-

ständige Arbeiten. Wann immer von so genannten Soft Skills die Rede ist, die bei COOL-

Schüler/innen besser gefördert werden als bei ihren Kolleg/innen, dann muss hinterfragt

werden, ob hier mehr als „Selbständigkeit“ gemeint ist oder nicht. Dies soll nicht als Kritik

an COOL oder dessen Promotoren/innen missverstanden werden. Ganz im Gegenteil, mit

der Frage, was man mit COOL eigentlich will, soll der Leserin und dem Leser nochmals

vor Augen gehalten werden, dass die COOL-Initiative aus einer unbefriedigenden Schulsi-

tuation heraus entstanden ist, und nicht aus dem Anspruch, die moralische Urteilsfähigkeit

der Schüler/innen zu fördern. Dennoch, wie gezeigt wurde, legt COOL viel, und sicherlich

mehr als herkömmlicher Unterricht, Wert auf die Ausbildung sozialer Kompetenzen; zu-

mindest wird damit auch geworben. Vor diesem Hintergrund und jenem, der besagt, dass

Schule an sich zur Moralerziehung verpflichtet ist (vgl. Kap. 4 und 5), ist es nur gerecht

und interessant danach zu fragen, ob dem auch so ist. Insofern misst der MUT wieder doch

das, was COOL im Speziellen und Schule im Allgemeinen letztendlich u.a. anstrebt.

Probleme einer Evaluation dieser Art generell

„Da die unabhängigen Variablen weitgehend durch die sich beteiligenden Klassen festge-

legt sind, da quasi-experimentell gearbeitet werden muss bzw. die Klassen nicht nach dem

Zufallsprinzip ausgewählt werden können, und da kaum Kontrollgruppen möglich sind

(…), muss die Erfahrungsbildung vom quantitativen Standpunkt her mit vielen Unbere-

chenbarkeiten fertig werden.“ (Oser & Althof 1997, S. 443, Herv. i. Orig.) Dieses Zitat

drückt sehr gut aus, dass eine Unterrichtsevaluation wie die vorliegende mit vielen Prob-

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Rückblick und Ausblick – eine kritische Reflexion

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lemen und Grenzen zu kämpfen hat, derer man sich beim Interpretieren der Untersu-

chungsergebnisse bewusst sein muss. Zwar kann zum einen aufgrund des hohen Stichpro-

benumfangs von annähernd repräsentativen Ergebnissen gesprochen werden und zum an-

deren wurde versucht, die Ergebnisse mit theoretischen Konzepten sowie weiteren Studien

zu untermauern, jedoch sind bzgl. COOL noch weitere Forschungsergebnisse abzuwarten.

Derzeit muss in diesem Bereich also noch ein Forschungsdesiderat konstatiert werden, in

quantitativer wie qualitativer Hinsicht. Dies bringt uns zum nächsten Punkt dieser kriti-

schen Rückschau.

Methodische Kritik

Qualitative Forschung

Oser & Althof (1997, S. 443) verweisen im Rahmen der Evaluation des Modells der „Ge-

rechten Gemeinschaft“ in Schulen auf das oben zitierte Problem, dass quantitative Unter-

suchungen für Unterrichtsevaluationen nur bedingt geeignet sind. „Dies ist aber kein

Grund, die Erfahrungssicherung bzw. Evaluation grundsätzlich in Zweifel zu ziehen, denn

es gibt viele andere qualitative Möglichkeiten, so die Beschreibung und Analyse von Un-

terrichtsstunden, die Beschreibung der Gerechten-Gemeinschaftssitzungen, Interviews mit

Lehrern, die Verarbeitung der Gespräche im Vorbereitungsausschuss, die Analyse der Phä-

nomenologie des Schullebens u.a.“ (Oser & Althof 1997, S. 443, Herv. i. Orig.) Im Zu-

sammenhang mit der Realisierung von COOL wurde bereits weiter oben darauf hingewie-

sen, dass in dieser Untersuchung natürlich qualitative Elemente wie Interviews oder eben

Unterrichtsbeobachtungen fehlen, die zumindest für die untersuchten Schulen valide wi-

derspiegeln würden, inwiefern die Grundprinzipien von COOL tatsächlich umgesetzt wer-

den und folglich Antwort auf die eigentliche Frage geben: Was bedeutet dies für die Mo-

ralerziehung? Damit ist eine Forschungsfrage skizziert, deren Beantwortung Aufgabe einer

eigenen Forschungsarbeit wäre.

Qualitative Untersuchungen haben zwar den Nachteil der Generalisierung, jedoch begeg-

nen Oser & Althof (1997, S. 452) diesem Einwand mit folgender offenen Antwort: „Wir

meinen aber grundsätzlich, dass Schulverbesserungen stets eine Sache von Einsichten und

Engagement sind, und ob sich diese beiden Qualitäten generalisieren lassen, bleibe dahin-

gestellt.“

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Rückblick und Ausblick – eine kritische Reflexion

144

Kritik am Moralisches Urteil-Test

Um auf die Kritik, die dem MUT vorgeworfen wird, eingehen zu können, wäre ein Eintau-

chen in die Psychometrie (Theorie und Methode des psychologischen Messens) nötig. Aus

Platz- und Komplexitätsgründen kann dies hier leider nicht geschehen und ist m.E. auch

nicht nötig, da Lind ohnehin die meisten Einwände widerlegen konnte (vgl. Lind 2000c,

93ff.). Die Leserin und der Leser seien auf diese Stelle verwiesen. Zudem wurde in Kap. 7

ausführlich versucht den MUT zu beschreiben, wodurch den Leser/innen die Möglichkeit

gegeben werden sollte, selbst zu entscheiden, inwiefern der MUT dazu geeignet ist die

moralische Urteilsfähigkeit bzw. Moral zu messen. In Kap. 10 wurde zudem gezeigt, dass

neben der moralischen Urteilsfähigkeit noch viele weitere Variablen Einfluss auf die tat-

sächliche Handlung einer Person nehmen. In der Untersuchung dieser und ihren Zusam-

menhang untereinander besteht wohl derzeit eines der wichtigsten Forschungsdesiderate.

Ausblick – Worin liegt das Potenzial der KMDD?

Die ernüchternden Ergebnisse dieser ersten Querschnittsuntersuchung zeigen, dass sowohl

im herkömmlichen Unterricht als auch im COOL-Unterricht im Allgemeinen soziale

Kompetenz noch stärker gefördert werden muss, und im Speziellen Bedarf an Unterrichts-

methoden oder –elementen besteht, die sich förderlich auf die Entwicklung der morali-

schen Urteilsfähigkeit auswirken. Das Element des Klassenrats wurde bereits kritisch unter

die Lupe genommen, jedoch wurden noch keine Verbesserungsvorschläge gegeben. Dies

soll hier nachgeholt werden, in dem ein neues Just-community-Element angedacht wird,

nämlich die Dilemmadiskussion. Ich beziehe mich dabei auf die Konstanzer Methode der

Dilemma-Diskussion; aus zwei Gründen: Zum einen durfte ich sie – wie eingangs erwähnt

– im Rahmen eines einwöchigen Seminars genauer kennen lernen und zum anderen wurde

sie von Lind speziell zur Förderung der moralischen Urteilsfähigkeit im Sinne des MUT

konzipiert.

Wenn es also stimmt, wie einige Schüler/innen in Interviews berichten, dass Klassenratsit-

zungen nur dann interessant sind, wenn aktuelle Problemthemen anliegen oder sowieso nur

abgesessen werden, dann könnte doch – so meine Überlegung – die Zeit sinnvoll genutzt

werden, indem man mit Schüler/innen hypothetische Dilemmadiskussionen durchführt.

Aber die KMDD ist kein Selbstzweck, im Gegenteil, Lind „verspricht“ höhere Zuwachsra-

ten in der moralischen Urteilskompetenz als mit anderen Methoden. Wie sieht nun die

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Rückblick und Ausblick – eine kritische Reflexion

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KMDD konkret aus? Eine ausführliche Darstellung findet sich bspw. auf http://www.uni-

konstanz.de/ag-moral/moral/dildisk-d.htm, hier soll nur auf die Grundprinzipien und Pha-

sen der KMDD eingegangen werden, damit die Leserin/der Leser ein ungefähres Bild da-

von bekommt, wie so etwas abläuft. Für die Realisierung einer KMDD im Unterricht ist

ohnehin das erwähnte Lehrerbildungsseminar nötig, eine Investition, die sich auf alle Fälle

lohnt, wie ich selbst erleben durfte.

Grundprinzipien

Das Prinzip der Gleichwürdigkeit37. Unter Gleichwürdigkeit versteht Lind (2009e), dass

alle am (demokratischen) Lernprozess Beteiligten gleich behandelt werden, sozusagen

gleiche Rechte und Pflichten besitzen, aber auch der Umgang miteinander in einer würde-

vollen, ja menschenwürdigen Atmosphäre geschieht. Damit verbunden ist gleichzeitig die

Forderung, dass alle – in der Schule alle Schüler/innen – am Lernprozess beteiligt sind,

denn: „Die Demokratie ist mehr als eine Regierungsform; sie ist in erster Linie eine Form

des Zusammenlebens, der gemeinsamen und miteinander geteilten Erfahrung.“ (Dewey

1993/1964, S. 121) Demzufolge gibt es kein stellvertretendes Lernen für Demokratie, „sie

muss von jedem Individuum direkt erfahren und aktiv gelernt werden.“ (Lind 2009e)

Das konstruktivistische Prinzip. Lind und Mitarbeiter sehen das Lernen von Demokratie als

einen konstruktivistischen Prozess an: „Das bedeutet, dass wir das, was die Umwelt uns

zum Lernen anbietet, immer auf der Grundlage der eigenen Interessen auswählen und im-

mer nur auf der Grundlage des bisher Gelernten verstehen können. Dies gilt auch und ge-

rade für moralisches Lernen.“ (Lind 2009e) Gleichzeitig verweist das Wort „konstruktiv“

darauf, dass es keine Moral und Demokratie unabhängig vom Menschen – quasi in der

Natur existierend – gibt. Sie ist immer ein Machwerk des bzw. der Menschen (vgl. Lind

2009e).

Das Prinzip der Affektregulation. In der KMDD wechseln sich Phasen der Herausforderung

mit Phasen der Unterstützung ab. Damit, so Lind (2009e), gelinge es, „das Erregungsni-

veau der Teilnehmer auf einem mittleren, für Lernprozesse besonders günstigen Niveau“

zu halten. Die Steuerung der Länge der einzelnen Phase spielt dabei eine besondere Rolle

bei der Regulierung der Affekte und Emotionen der Teilnehmer/innen. Um diese zu be-

herrschen bedarf es aber einer guten KMDD-Ausbildung (vgl. Lind 2009e). 37 Der Begriff „Gleichwürdigkeit“ wurde von Jesper Juul (2005) im Buch Erziehung wird Beziehung.

Authentische Eltern – kompetente Kinder geprägt. Für weitere Ausführungen siehe dort.

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Rückblick und Ausblick – eine kritische Reflexion

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Phasen der KMDD38

1. Einführung in das Dilemma

In der Einführungsphase versucht die Lehrperson zum einen die volle Aufmerksamkeit der

Schüler/innen zu erhalten, indem er/sie zur Dilemmageschichte führt. Zum anderen wird

versucht zu erreichen, dass sich die Lernenden mit dem/der Protagonisten/in der Dilemma-

geschichte identifizieren.

2. Erste Abstimmung

Nach der Dilemma-Präsentation (etwa dem Heinz-Dilemma) erfolgt eine Phase des stillen

Nachdenkens, in der die Lerner/innen die Gelegenheit bekommen, die gehörte Geschichte

zu „verdauen“, sich der eigenen Gefühle und der eigenen Position zur Geschichte bewusst

zu werden. Sodann erfolgt die Phase der Dilemma-Klärung, in der sich die Lernenden un-

tereinander über die Geschichte austauschen. Darauf folgt eine erste Abstimmung, in der

sich die Lernenden dafür entscheiden müssen, ob der/die Protagonist/in richtig gehandelt

hat.

3. Unterstützende Argumente in der Kleingruppe sammeln

In Kleingruppen werden Argumente gesammelt für und gegen die Handlung des Hauptak-

teurs der Dilemmageschichte, die sodann in der Gesamtgruppe kurz andiskutiert werden.

4. Diskussion

Die eigentliche Diskussion der Argumente erfolgt jedoch in dieser Diskussionsrunde, in

der die Teilnehmer/innen freiwillig in Pro- und Contra-Gruppen geteilt werden. Diese bei-

den Gruppen sitzen sich nun gegenüber und „verhandeln“ ihre Argumente. Im Zuge dieser

„Verhandlung“ sind vor allem zwei Regeln einzuhalten. Die eine, bereits bekannte Regel

ist die der Gleichwürdigkeit. D.h. die Diskussion muss so geführt werden, dass die Person

gegenüber mit Würde und Achtung behandelt wird. Die zweite Regel ist die so genannte

Pingpong-Regel. Sie besagt, dass eine Gruppe ein Argument vorbringt und dann der „Ball“

zur Gegengruppe wandert und diese mit einem Argument „kontert“, ehe wieder die andere

Gruppe am Zug ist.

38 Die folgenden Ausführungen sind dem KMDD-Ausbildungsprogramm entnommen. Dieses ist ver-

schlüsselt im Internet: http://www.uni-konstanz.de/ag-moral/moral/dildisk-d.htm#kmdd zugänglich. Bezüglich des Zugangs werden die Leserin und der Leser gebeten Kontakt mit Prof. Lind (Uni Kon-stanz) aufzunehmen.

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Rückblick und Ausblick – eine kritische Reflexion

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5. Abschätzung gegensätzlicher Argumente

In dieser 5. Phase werden alle vorgebrachten Argumente – die während der Diskussion an

einer Tafel festgehalten wurden – nochmals vorgelesen. Die Teilnehmer/innen müssen sich

nun für ein Argument der Gegenseite entscheiden, das sie für am besten halten. Dies soll

dazu dienen, die beiden Gruppen wieder „auszusöhnen“. Darauf aufbauend erfolgt dann

eine zweite Abstimmung über die Richtigkeit der Protagonistenhandlung.

6. Reflexion der Übung

In einer abschließenden Phase wird sodann nochmals gemeinsam über den Diskussionsver-

lauf reflektiert. Hier hat jede/r die Möglichkeit seine Erfahrungen, Gefühle und Emotionen

einzubringen.

Dieser kurze Ausflug in die KMDD sollte eine Möglichkeit aufzeigen, wie Moral- und

Demokratieerziehung im Unterricht geschehen und funktionieren kann. Vielleicht ist er

Anstoß für die eine oder andere Lehrperson, selbst einmal eine KMDD im Unterricht ein-

zubauen. Vor allem vor dem Hintergrund einer Folgeuntersuchung im Rahmen einer

Längsschnittstudie, die auf die Ergebnisse dieser Arbeit aufbaut, wäre der (vermehrte) Ein-

satz der KMDD interessant. Ich möchte diese Arbeit mit Aussagen von Grundschü-

ler/innen der Gebhartschule Konstanz, die an einer KMDD in ihrer Klasse (4. Jahrgang)

teilgenommen haben, beschließen. Sie zeigen m.E. nach sehr gut, was u.a. Ziel der KMDD

ist, und dass dies bereits von 10jährigen Kindern wahrgenommen wird und reflektiert wer-

den kann.

„Hat es dir den Etwas gebracht, geholfen die Argumente der Gegenseite zu hören?

Ja, weil … also dann hab ich über meine Argumente nochmals überlegt, ob die wirk-

lich richtig sind. Ja es hat schon was gebracht.

Es nutzt halt was, weil man dann wieder neue Gedanken dazubekommt, neue Ideen

hat. Auch mal wieder eine andere Meinung bekommt, das ist schon ganz nützlich.“

(Lind 2007c)

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Anhang

158

Anhang

Anhang 1 COOL-Faktoren: T-Test bei unabhängigen Stichproben zwischen COOL-

und NonCOOL-Schüler/innen ......................................................................159

Anhang 2 COOL-Faktoren: Korrelationen zwischen COOL-Faktoren und

MUT/s-Werten ..............................................................................................159

Anhang 3 COOL-Faktoren: Varianzanalyse..................................................................160

Anhang 4 Entwicklungsbedingungen nach Lempert: Faktorenanalyse.........................161

Anhang 5 Kooperation (Unterrichtsgestaltung): T-Test zwischen COOL-

und NonCOOL-Schüler/innen ......................................................................162

Anhang 6 Entwicklungsbedingungen: Varianzanalyse .................................................162

Anhang 7 Entwicklungsfaktor „Lehrer“: Korrelationen zwischen

Faktor „Lehrer“ und „MUT/s“ ......................................................................163

Anhang 8 Soziale Schicht: ONEWAY ANOVA - Mittelwertunterschiede

in den Schichten ............................................................................................163

Anhang 9 Soziale Schicht: Korrelationen zwischen „sozialer Sicht“ und „MUT/s“ ....164

Anhang 10 Geschlecht: Kreuztabelle mit „Unterrichtstyp“ und „Geschlecht“ ...............164

Anhang 11 Kohlbergstufen 3 und 4: T-Test zwischen „männlich“ und „weiblich“ .......165

Anhang 12 Alter: ONEWAY ANOVA ...........................................................................166

Anhang 13 Schulstufe: ONEWAY ANOVA ..................................................................167

Anhang 14 Herkunft der Eltern: Varianzanalyse.............................................................168

Anhang 15 Herkunft der Eltern: T-Test zwischen „Österreich“ u. „nicht Österreich“ ...168

Anhang 16 MUT/s: T-Test zwischen COOL- und NonCOOL-Schüler/innen ................169

Anhang 17 Mögliche Testverfahren zur Messung der moralischen Urteilsfähigkeit......170

Anhang 18 Auswahlkriterien zur Bestimmung der Testinstrumente...............................171

Anhang 19 Prüfung möglicher, allgemeiner Störvariablen, die sich auf die abhängige

Variable „moralische Urteilsfähigkeit“ auswirken können...........................173

Anhang 20 Techniken der Kontrolle von Störvariablen..................................................176

Anhang 21 Modifikationen des MUT zum MUT/s .........................................................177

Anhang 22 Kürzungen in den Religiositätsskalen...........................................................178

Anhang 23 Fragebogen....................................................................................................179

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Anhang

159

Anhang 1 COOL-Faktoren: T-Test bei unabhängigen Stichproben zwischen COOL- und NonCOOL-Schüler/innen

Levene-Test der Varianzgleichheit T-Test für die Mittelwertgleichheit

F Signifikanz T df Sig.

(2-seitig) Mittlere

Differenz Standardfehler der Differenz

95% Konfidenzintervall der Differenz

Untere Obere

Selbständiges Arbeiten 1,274 ,260 3,616 440 ,000 ,33959829 ,09391558 ,15501942 ,52417716

3,622 439,653 ,000 ,33959829 ,09376423 ,15531647 ,52388010

Schülerumgang der Lehrer/innen 1,584 ,209 -,852 440 ,394 -,08116833 ,09522221 -,26831521 ,10597856

-,855 439,924 ,393 -,08116833 ,09492707 -,26773525 ,10539859

Lehrerkooperation 2,630 ,106 -1,215 440 ,225 -,11560317 ,09514131 -,30259107 ,07138472

-1,212 431,388 ,226 -,11560317 ,09537943 -,30306938 ,07186303

Diskutieren im Unterricht ,019 ,891 ,333 440 ,739 ,03172560 ,09528880 -,15555215 ,21900336

,332 432,884 ,740 ,03172560 ,09548173 -,15593984 ,21939104

Mitentscheiden im Unterricht 2,940 ,087 13,323 440 ,000 1,07176290 ,08044635 ,91365604 1,22986976

13,274 427,111 ,000 1,07176290 ,08074327 ,91305928 1,23046652 Anhang 2 COOL-Faktoren: Korrelationen zwischen COOL-Faktoren und MUT/s-Werten

MUT/s Selbständiges

Arbeiten Schülerumgang der

Lehrer/innen Lehrer-

kooperation Diskutieren

im Unterricht Mitentscheiden im

Unterricht MUT/s Korrelation nach Pearson 1 ,103(*) ,022 -,031 -,063 -,022 Signifikanz (2-seitig) ,031 ,648 ,520 ,188 ,651 N 447 435 435 435 435 435

* Die Korrelation ist auf dem Niveau von 0,05 (2-seitig) signifikant.

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Anhang

160

Anhang 3 COOL-Faktoren: Varianzanalyse - Tests der Zwischensubjekteffekte Abhängige Variable: MUT/s

Quelle Quadratsumme

vom Typ III df Mittel der Quadrate F Signifikanz

Korrigiertes Modell 1039,214(a) 5 207,843 1,440 ,209

Konstanter Term 147014,621 1 147014,621 1018,707 ,000

Selbständig Arbeiten 663,745 1 663,745 4,599 ,033

Schülerumgang 33,819 1 33,819 ,234 ,629

Lehrerkooperation 56,549 1 56,549 ,392 ,532

Diskutieren Lernen 246,672 1 246,672 1,709 ,192

Mitentscheiden im Unterricht 32,232 1 32,232 ,223 ,637

Fehler 61911,122 429 144,315

Gesamt 209955,502 435

Korrigierte Gesamtvariation 62950,336 434 a R-Quadrat = ,017 (korrigiertes R-Quadrat = ,005)

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Anhang

161

Anhang 4 Entwicklungsbedingungen nach Lempert: Faktorenanalyse - Rotierte Komponentenmatrix(a)

Komponente

Peers Familie Schule Lehrer …. ….

Kommunikation Peers ,712

Wertschätzung Peers ,669

Kooperation Peers ,653

Handlungschancen Peers ,611

Verantwortung Peers ,572

Kommunikation Familie ,734

Wertschätzung Familie ,723

Konflikt Familie ,684

Handlungschancen Familie ,546

Kooperation Familie ,543

Wertschätzung Schule Mitschüler ,708

Kommunikation Schule Schüler ,668

Handlungschancen Schule ,614

Konflikt Schule ,556

Kommunikation Schule Lehrer ,727

Wertschätzung Schule Lehrer ,688

Verantwortung Familie ,688

Kooperation Unterricht ,416 -,565

Konflikt Peers ,802 Extraktionsmethode: Hauptkomponentenanalyse. Rotationsmethode: Varimax mit Kaiser-Normalisierung. a Die Rotation ist in 6 Iterationen konvergiert.

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Anhang

162

Anhang 5 Kooperation (Unterrichtsgestaltung): T-Test zwischen COOL- und NonCOOL-Schüler/innen Gruppenstatistiken

Unterrichtstyp N Unterricht-Mittelwert

Standardab-weichung

Standardfehler des Mittelwertes

Kooperation im Unterricht COOL 220 -,5774 1,14377 ,07711 Kontrollgruppe 234 -,6060 1,19040 ,07782

Test bei unabhängigen Stichproben

Levene-Test der Varianzgleichheit T-Test für die Mittelwertgleichheit

F Signifikanz T df Sig. (2-seitig) Mittlere

Differenz Standardfehler der Differenz

95% Konfidenzintervall der Differenz

Untere Obere

Kooperation im Unterricht ,696 ,405 ,260 452 ,795 ,02856 ,10969 -,18701 ,24412

,261 451,784 ,794 ,02856 ,10955 -,18674 ,24386 Anhang 6 Entwicklungsbedingungen: Varianzanalyse - Tests der Zwischensubjekteffekte Quelle Quadratsumme vom Typ III df Mittel der Quadrate F Signifikanz

Korrigiertes Modell 794,340(a) 4 198,585 1,392 ,236

Konstanter Term 147654,539 1 147654,539 1034,856 ,000

Peers 41,921 1 41,921 ,294 ,588

Familie 8,150 1 8,150 ,057 ,811

Schüler 14,649 1 14,649 ,103 ,749

Lehrer 729,135 1 729,135 5,110 ,024

Fehler 63065,121 442 142,681

Gesamt 211656,154 447

Korrigierte Gesamtvariation 63859,460 446 a R-Quadrat = ,012 (korrigiertes R-Quadrat = ,004) Abhängige Variable: MUT/s

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Anhang

163

Anhang 7 Entwicklungsfaktor „Lehrer“: Korrelationen zwischen Faktor „Lehrer“ und „MUT/s“ MUT/s Lehrer

MUT/s Korrelation nach Pearson 1 ,107(*)

Signifikanz (2-seitig) ,024

N 447 447* Die Korrelation ist auf dem Niveau von 0,05 (2-seitig) signifikant. Anhang 8 Soziale Schicht: ONEWAY ANOVA - Mittelwertunterschiede in den Schichten MUT/s

Quadrat-summe df

Mittel der Quadrate F Signifikanz

Zwischen den Gruppen 1502,133 3 500,711 3,542 ,015

Innerhalb der Gruppen 62054,151 439 141,353

Gesamt 63556,285 442 MUT/s - Duncan

Untergruppe für Alpha = .05.

Soziale Schicht N 1 2

Niedrige Schicht 38 14,5370

Mittlere Schicht 246 17,4233 17,4233

Hohe Schicht 15 18,0854 18,0854

Gehobene Schicht 144 20,6214

Signifikanz ,220 ,269Die Mittelwerte für die in homogenen Untergruppen befindlichen Gruppen werden angezeigt. a Verwendet ein harmonisches Mittel für Stichprobengröße = 38,465. b Die Gruppengrößen sind nicht identisch. Es wird das harmonische Mittel der Gruppengrößen verwendet. Fehlerniveaus des Typs I sind nicht garantiert.

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Anhang

164

Anhang 9 Soziale Schicht: Korrelationen zwischen „sozialer Sicht“ und „MUT/s“ MUT/s Soziale Schicht

Korrelation nach Pearson 1 -,134(**)

Signifikanz (2-seitig) ,005

MUT/s

N 447 443** Die Korrelation ist auf dem Niveau von 0,01 (2-seitig) signifikant. Anhang 10 Geschlecht: Kreuztabelle mit „Unterrichtstyp“ und „Geschlecht“ Geschlecht Gesamt

männlich weiblich

Unterrichtstyp COOL Anzahl 68 152 220

% von Unterrichtstyp 30,9% 69,1% 100,0%

% von Geschlecht 44,7% 51,0% 48,9%

% der Gesamtzahl 15,1% 33,8% 48,9%

Kontrollgruppe Anzahl 84 146 230

% von Unterrichtstyp 36,5% 63,5% 100,0%

% von Geschlecht 55,3% 49,0% 51,1%

% der Gesamtzahl 18,7% 32,4% 51,1%

Gesamt Anzahl 152 298 450

% von Unterrichtstyp 33,8% 66,2% 100,0%

% von Geschlecht 100,0% 100,0% 100,0%

% der Gesamtzahl 33,8% 66,2% 100,0%

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Anhang

165

Anhang 11 Kohlbergstufen 3 und 4: T-Test zwischen „männlich“ und „weiblich“ Gruppenstatistiken

Geschlecht N „Skalen“-Mittelwert

Standardab-weichung

Standardfeh-ler des

Mittelwertes

männlich 152 ,3701 1,19912 ,09726Kohlberg4

weiblich 298 ,6250 1,01675 ,05890

männlich 152 ,4507 1,28028 ,10384Kohlberg3

weiblich 298 ,5839 1,08851 ,06306 Test bei unabhängigen Stichproben

Levene-Test der Varianzgleichheit T-Test für die Mittelwertgleichheit

F Signifikanz T df Sig. (2-seitig) Mittlere

Differenz Standardfehler der Differenz

95% Konfidenzintervall der Differenz

Untere Obere

Kohlbergstufe 4 Varianzen sind gleich 5,612 ,018 -2,365 448 ,018 -,25493 ,10781 -,46681 -,04305

Varianzen sind nicht gleich -2,242 264,004 ,026 -,25493 ,11371 -,47882 -,03105

Kohlbergstufe 3 Varianzen sind gleich 4,451 ,035 -1,156 448 ,248 -,13323 ,11529 -,35981 ,09335

Varianzen sind nicht gleich -1,097 264,591 ,274 -,13323 ,12149 -,37244 ,10597

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Anhang

166

Anhang 12 Alter: ONEWAY ANOVA deskriptive Statistiken MUT/s

95%-Konfidenzintervall für den Mittelwert

Alter N MUT/s-

Mittelwert Standardab-

weichung Standard-

fehler Untergrenze Obergrenze Minimum Maximum

14 55 18,9791 12,01883 1,62062 15,7300 22,2283 1,10 57,03

15 122 17,1488 11,01068 ,99686 15,1752 19,1223 ,76 58,84

16 140 18,7807 12,94186 1,09379 16,6181 20,9433 1,97 60,21

17 74 17,4878 11,26294 1,30929 14,8784 20,0973 1,29 52,40

18 29 18,4524 11,52611 2,14034 14,0681 22,8367 1,82 50,93

19 14 19,4802 15,39863 4,11546 10,5893 28,3711 1,50 50,17

20 7 19,2899 12,77698 4,82924 7,4732 31,1066 4,04 35,80

21 1 24,6650 . . . . 24,67 24,67

Gesamt 444 18,1982 11,97936 ,56852 17,0809 19,3156 ,76 60,21 ONEWAY ANOVA MUT/s

Quadrat-summe df

Mittel der Quadrate F Signifikanz

Zwischen den Gruppen 779,313 9 86,590 ,598 ,798

Innerhalb der Gruppen 62793,417 434 144,685

Gesamt 63572,730 443

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Anhang

167

Anhang 13 Schulstufe: ONEWAY ANOVA deskriptive Statistiken MUT/s

Jahrgang N MUT/s-

Mittelwert Standardab-

weichung Standard-

fehler 95%-Konfidenzintervall für

den Mittelwert Minimum Maximum

Untergrenze Obergrenze

1 147 17,6821 11,51412 ,94967 15,8052 19,5590 ,76 58,84

2 135 17,8981 11,48146 ,98817 15,9437 19,8525 1,10 58,37

3 130 18,1911 12,39680 1,08727 16,0399 20,3423 1,29 60,21

5 35 21,3627 13,94591 2,35729 16,5721 26,1533 1,50 50,93

Gesamt 447 18,1835 11,96590 ,56597 17,0713 19,2958 ,76 60,21 ONEWAY ANOVA MUT/s

Quadrat-summe df

Mittel der Quadrate F Signifikanz

Zwischen den Gruppen 401,713 3 133,904 ,935 ,424

Innerhalb der Gruppen 63457,747 443 143,245

Gesamt 63859,460 446

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Anhang

168

Anhang 14 Herkunft der Eltern: Varianzanalyse Tests der Zwischensubjekteffekte Abhängige Variable: MUT/s

Quelle Quadratsumme

vom Typ III df Mittel der Quadrate F Signifikanz

Korrigiertes Modell 3407,148(a) 8 425,894 3,040 ,002

Konstanter Term 11773,169 1 11773,169 84,042 ,000

Durchschnittsnote 1297,441 1 1297,441 9,262 ,002

Rollenübernahme 9,835 1 9,835 ,070 ,791

Herkunft der Eltern 277,691 1 277,691 1,982 ,160

Soziale Schicht 318,387 3 106,129 ,758 ,518

Fehler 59817,333 427 140,087

Gesamt 208666,163 436

Korrigierte Gesamtvariation 63224,481 435 a R-Quadrat = ,054 (korrigiertes R-Quadrat = ,036) Anhang 15 Herkunft der Eltern: T-Test zwischen „Österreich“ und „nicht Österreich“ Gruppenstatistiken

Herkunft der Eltern N MUT/s-

Mittelwert Standardab-

weichung

Standardfeh-ler des

Mittelwertes

MUT/s aus Österreich 400 18,5305 12,14110 ,60706

nicht aus Österreich 47 15,2310 9,98523 1,45650

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Anhang

169

Test bei unabhängigen Stichproben

Levene-Test der Vari-anzgleichheit T-Test für die Mittelwertgleichheit

F Signifikanz T df Sig. (2-seitig) Mittlere

Differenz Standardfehler der Differenz

95% Konfidenzintervall der Differenz

Untere Obere

MUT/s Varianzen sind gleich 2,771 ,097 1,793 445 ,074 3,29950 1,84054 -,31772 6,91673

Varianzen sind nicht gleich 2,091 63,150 ,041 3,29950 1,57794 ,14639 6,45262 Anhang 16 MUT/s: T-Test zwischen COOL- und NonCOOL-Schüler/innen Gruppenstatistiken Unterrichtstyp N Mittelwert Standardabweichung Standardfehler des Mittelwertes

MUT/s COOL 218 17,8348 11,43408 ,77441

Kontrollgruppe 229 18,5155 12,46707 ,82385 Test bei unabhängigen Stichproben

Levene-Test der Varianzgleichheit T-Test für die Mittelwertgleichheit

F Signifikanz T df Sig. (2-seitig) Mittlere

Differenz Standardfehler der Differenz

95% Konfidenzintervall der Differenz

Untere Obere

MUT/s Varianzen sind gleich ,927 ,336 -,601 445 ,548 -,68070 1,13309 -2,90758 1,54617

Varianzen sind nicht gleich -,602 444,389 ,547 -,68070 1,13068 -2,90285 1,54144

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Anhang

170

Anhang 17 Mögliche Testverfahren zur Messung der moralischen Urteilsfähigkeit

1. Brandstiftungsszenario – Hommers

2. Defining Issue Test – Rest

3. Erweiteter Urteilskonsistenz-Test – Herzig

4. Fragebogen zum moralischen Urteil – Eckensberger & Reinshagen

5. Fragebogen zur Erfassung des moralischen Urteilens in soz. Konf. – Bonk-Luetkens

6. Fragebogen zur Erfassung ethischer Orientierungen – Sieloff u.a.

7. Interview zum Umweltdilemma – Nieder u.a.

8. Meinungen und Stellungnahmen zu sozialen Problemen – Schreiner

9. Moral Judgment Interview – Kohlberg

10. Moralischer-Urteils-Präferenztest – Briechle

11. Moralisches Urteil-Test – Lind

12. Moralisches-Urteil-Fragebogen – Krämer-Badoni & Wakenhut

13. Moral-Judgment-Scale – Maitland & Goldman

14. Piaget-Geschichten – Kemmler, Windheuser & Morgenstern

15. Sociomoral Reflection Measure-Short Form – Gibbs

16. Urteilskonsistenz-Test – Hinder

17. Diskussionsprotokolle – Oser

18. Ethnographisches Interview – Korte

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Anhang

171

Anhang 18 Auswahlkriterien zur Bestimmung der Testinstrumente

Oser & Althof (1997) verweisen in ihrem Werk: Moralische Selbstbestimmung – Modelle

der Entwicklung und Erziehung im Wertebereiche im Rahmen der Evaluierung von Ver-

änderungen, die durch das Modell der Gerechten Gemeinschaft bewirkt werden, auf fol-

gende wichtige Erkenntnis: „Messfragen hängen stets von den Zielen und Absichten derje-

nigen ab, die ein solches Modell realisieren.“ (Oser & Althof, 1997, S. 443) Es muss also

zuerst die Frage nach den wichtigen Maßen geklärt sein, bevor man diese Variablen mit

einem adäquaten Testdesign untersuchen kann. Als Beispiele führen Oser & Althof in ihrer

Untersuchung die Höhe der Stufe des moralischen Urteils, das Ausmaß an moralischer

Sensibilität… an (vgl. Oser & Althof 1997, S. 443).

Da ich in meiner Diplomarbeit das Maß „moralische Urteilsfähigkeit“ der Schüler erheben

will, stellt sich die Frage welches Messinstrument diesem Anspruch am ehesten gerecht

wird. Zugegeben:

1. Die moralische Urteilsfähigkeit ist ein sehr abstraktes und komplexes Konstrukt,

zwar gibt es wissenschaftlich einen Konsens über die begriffliche Definition (vgl. je-

ne von Kohlberg), jedoch bezüglich der Theorie der Entwicklung moralischer Fähig-

keiten bestehen verschiedene wissenschaftliche Auffassungen (vgl. Lind 1993b,

S. 9ff. zur Reifungs-, Sozialisations- und „Bildungstheorie“), wodurch eine Messung

schier unmöglich erscheint und,

2. wie die Liste möglicher Testverfahren zeigt, gibt es viele verschiedene Tests, die den

Anspruch erheben eine derartige Fähigkeit zu messen.

Auf das zweite Auswahlproblem bzgl. der Testverfahren möchte ich hier etwas genauer

eingehen. Es wurden in Anhang 17 18 Testverfahren aufgelistet, die in den ersten Recher-

chen gefunden wurden. Grundlegend lassen sich diese Verfahren in halbstrukturierte Inter-

views (mit offenen Fragen) wie etwa dem Moral Judgment Interview (MJI von Kohlberg)

oder dem Sociomoral Reflection Measurement (von Gibbs) sowie in standardisierte Frage-

bögen (mit meist nur Ankreuzmöglichkeiten) wie etwa Defining Issue Test (von Rest) und

dem Moralisches Urteil-Test (von Lind) unterscheiden (vgl. Oser & Althof 1997, S. 444).

Im Folgenden geht es mir aber nicht um eine systematische Einteilung der möglichen

Testverfahren sondern um die Kriterien, die zur Auswahl der Messinstrumente geführt

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Anhang

172

haben. Dabei stehen vor allem praktische Rahmenbedingungen, die die Auswahl ein-

schränken, im Vordergrund:

1. Testvorlagen müssen vorliegen und der Auswertungsalgorithmus muss bekannt sein

(d.h. Auswertungsmanuals bzw. Handanweisungen müssen vorliegen) bzw. in ange-

messener Zeit erlernbar sein.

2. Der Test soll den ökonomischen Möglichkeiten einer Diplomarbeit entsprechen. D.h.

der zeitliche Aufwand der Durchführung sowie der Auswertung darf den Rahmen

nicht sprengen.

3. Das Messinstrument soll gültig (Validität) und zuverlässig (Reliabilität) sein. D.h. der

Test soll auch messen, was er vorgibt zu messen und bei verschiedenen Versuchsper-

sonen dasselbe konstant und valide messen.

4. Es darf natürlich nicht auf die eingangs gestellte Frage vergessen werden: Ist der Test

überhaupt für die gestellten Ziele geeignet?

5. In Verbindung mit Punkt 2: Es soll eine größere Schülerpopulation gemessen werden

können. D.h. Individual-Tests sind eher weniger geeignet, wenn diese längere Aus-

wertungszeiten in Anspruch nehmen.

Eine zusammenfassende Reflexion der gewählten Instrumente

Die oben überblicksmäßig dargestellten Ergebnisse meiner Literaturrecherche zeigen, dass

es eine Vielfalt von möglichen Tests/Instrumenten gibt, die es erlauben Rückschlüsse auf

die moralische Urteilsfähigkeit oder ähnliche Konstrukte einer Person/einer Personengrup-

pe zu ziehen. Natürlich unterscheiden sie sich hinsichtlich ihrer Validität und Reliabilität.

Diese beiden Kriterien und noch weitere haben die Fülle von für die vorliegende Untersu-

chung infrage kommenden Instrumente auf acht Möglichkeiten eingeschränkt. Erst die

Literaturrecherchen zu den Überlegungen zum Forschungsdesign haben gezeigt, dass bei

der Evaluation pädagogischer Interventionen – und diese Untersuchung gleicht einer sol-

chen – das Testinstrument „MUT“ (zur Erhebung der abhängigen Variable „moralische

Urteilsfähigkeit“) von Lind bzw. die adaptierte Version „MUT/s“ am besten für „meine

Zwecke“ geeignet erscheint; auch in Bezug auf die oben erwähnten fünf Punkte.

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Anhang

173

Anhang 19 Prüfung möglicher, allgemeiner Störvariablen, die sich auf die abhän-

gige Variable „moralische Urteilsfähigkeit“ auswirken können

Schnell, Hill & Esser (1992, S. 228ff.) weisen im Zusammenhang mit verschiedenen Un-

tersuchungsdesigns auf folgende Störfaktoren hin, die den meisten Designs immanent sind,

und „die neben dem Treatment ebenfalls für eine Veränderung der Ausprägungen in den

abhängigen Variablen verantwortlich sein können.“ (Schnell, Hill & Esser 1992, S. 228)

Theoretisch soll hier auf die Ausführungen von Schnell, Hill & Esser und praktisch auf

jenen von Herzig („Evaluation eines Unterrichtskonzeptes“) eingegangen werden:

Zeitliches Geschehen

Dabei handelt es sich um Ereignisse zwischen Pre- und Posttest, die neben der unabhängi-

gen Variable beeinflussend wirken können (vgl. Schnell, Hill & Esser 1992, S. 229). Her-

zig beispielsweise weist in seiner Evaluation des Unterrichtskonzepts darauf hin, dass die

Ergebnisse durch die zeitliche Lage der Unterrichtsstunden, durch Unterrichtsinhalte in

anderen Fächern, durch die Verteilung der Unterrichtseinheiten über den Untersuchungs-

zeitraum oder durch die Lehrerpersönlichkeit beeinflusst werden können. Durch die Anla-

ge eines entsprechenden Forschungsdesigns versuchte er diese Effekte auszuschalten. Bis

auf die Ausschaltung des Versuchsleitereffektes, d.h. der mögliche Einfluss der Lehrperson

gelang dies auch (vgl. Herzig 1998, S. 274). Bezogen auf eine eventuelle Längsschnittstu-

die zu der die vorliegende Untersuchung ausgebaut werden könnte, ist es aus organisatori-

schen Gründen nicht möglich, auf Effekt wie „Verteilung der Unterrichtseinheiten“ einzu-

gehen, da diese vom Lehrplan vorgegeben sind. Es wäre auch nicht sinnvoll, da ja der gan-

ze Ausbildungszweig Untersuchungsgegenstand ist und nicht wie im Falle von Herzig eine

konkrete Unterrichtsmethode. Die Lehrerpersönlichkeit wird auch in vorliegender Unter-

suchung Einfluss nehmen und es muss daher überlegt werden, wie diese berücksichtigt

wird (siehe Kap. 6.6.1).

Reifungsprozesse

Die biologisch-psychologische Reifung während den fünf Jahren der Untersuchung, d.h.

während der Wachstums- und Entwicklungsphase zwischen dem Übergang in die HAK

(etwa dem 14. Lebensjahr) und dem letzten Schuljahr (etwa 18. - 20. Lebensjahr), wird

möglicherweise Einfluss auf die Ergebnisse ausüben (vgl. Schnell, Hill & Esser 1992,

S. 229). Dieser Effekt lässt sich, wie auch Herzig (1998, S. 275) erwähnt, durch die Kon-

trollgruppe kontrollieren, da auch in dieser Reifungsprozesse zu erwarten sind. Daher müs-

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sen sie nicht im Einzelnen erfasst werden. In Kap. 6.6.1 wurde zudem gezeigt, dass der

Reifungstheorie gegenüber der „Bildungstheorie“ weniger Wirksamkeit zugemessen wird.

Messeffekte

Proband/innen können rein aus dem Messvorgang lernen, in dem sie über die gegebenen

Antworten nachdenken (vgl. Schnell, Hill & Esser 1992, S. 229). In der konkreten Unter-

suchung ist dieser Effekt meiner Meinung nach weniger wahrscheinlich, da der MUT(/s)

für Laien schwer zu durchschauen ist. Bzw. – so sagt die kognitive Entwicklungstheorie

voraus – ist die moralische Urteilsfähigkeit nicht simulierbar (vgl. Lind 2000a, S. 121ff.).

Hilfsmittel

„Durch Verwendung von unterschiedlichen Messinstrumenten, z.B. geänderte Tests, an-

ders formulierte Fragen, ungleiche Antwortvorgaben o.a., und variierende ,Hilfsmittel’,

etwa verschiedene Versuchsleiter, Beobachter, Interviewer usw., können Effekte auf die

abhängige Variable möglich werden“. (Schnell, Hill & Esser 1992, S. 230, Herv. i. Orig.)

In vorliegender Untersuchung wurde den Schüler/innen in der Basiserhebung die aktuelle

Version des MUT(/s) vorgelegt. Diese wäre dann auch in späteren Untersuchungen zu ver-

wenden, damit keine Verzerrungseffekte auftreten. Die Auswertung ist beim MUT(/s) stan-

dardisiert, so dass auch hier keine Verzerrungseffekte zum Greifen kommen können.

Verzerrte Auswahlen und Ausfälle

Verzerrte Auswahl bedeutet, dass sich die Experimentalgruppe und Kontrollgruppe nicht

nur hinsichtlich des Treatments unterscheiden, sondern auch im Hinblick auf andere

Merkmale, wie z.B. Geschlecht. Würden in der Experimentalgruppe beispielsweise vor-

wiegend Männer sein, so würde dies möglicherweise das Ergebnis beeinflussen. Weiters

sind Ausfälle beim Posttest von Versuchspersonen die am Pretest teilgenommen haben zu

berücksichtigen (vgl. Schnell, Hill & Esser 1992, S. 230). Soweit die Verzerrte Auswahl

betroffen ist, so wurde weiter im Kap. 6 schon darauf hingewiesen, dass dies aufgrund der

Natur der Untersuchung nicht im Einflussbereich des Forschers liegt. Auf die Ausfälle

wird in der Untersuchung jedoch Rücksicht zu nehmen sein. Auch Herzig (1998, S. 276)

verweist darauf, dass in seiner Untersuchung die Schüler/innen nicht auf einzelne Gruppen

zugeteilt werden konnten, da die Kurse festgelegt waren. Jedoch versucht er diesen Effekt

durch die Kovarianzanalyse zu berücksichtigen.

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Wechselwirkungen

„Die Ergebnisse einer Untersuchung können auch durch die Wechselwirkung einzelner

Faktoren (z.B.: Auswahl und Reifung, Anm. d. Verf.) beeinflusst werden.“ (Herzig 1998,

S. 277) Da es sich hier jedoch um ein quasi-experimentelles Design handelt, können solche

Wechselwirkungen nicht kontrolliert werden. Herzig (1998, S. 277) schätzt ihre Bedeutung

zudem gering ein.

Reaktivität des Messens

„Durch die Durchführung des Pretests kann die Empfänglichkeit der Versuchspersonen für

den Stimulus angeregt werden.“ (Schnell, Hill & Esser 1992, S. 231) Dieser Effekt ist vor

allem dann gegeben, wenn die Testaufgaben von den Unterrichtsaufgaben abweichen

(Campbell & Stanley zit. nach Herzig 1998, S. 277). Dies ist in vorliegender Untersuchung

sicherlich der Fall. Wenn jedoch auch die Kontrollgruppe am Pretest teilgenommen hat –

wie es hier ebenfalls der Fall ist, kann dieser Effekt vernachlässigt werden.

Auswahl-Effekt

„Ein Wechselwirkungseffekt zwischen der Auswahl der Stichprobe und der unabhängigen

Variable der Untersuchung kann dazu führen, dass die Ergebnisse nur für die einge-

schränkte Stichprobe gelten, der die Versuchs- und Kontrollgruppe entstammen.“ (Herzig

1998, S. 278) Dieser Effekt konnte auch bei Herzig nicht kontrolliert werden. Da die Wahl

des COOL-Zweiges freiwillig ist, ist anzunehmen, dass eher am kooperativen, offenen

Lernen interessierte Schüler/innen diesen Zweig wählen.

Reaktive Effekte der experimentellen Situation

Da es sich bei der konkreten Untersuchung um ein Feldexperiment in der Alltagssituation

handelt, d.h. es eigentlich gar keine experimentelle Situation gibt, ist dieser Effekt wohl

nicht gegeben (vgl. Schnell, Hill & Esser 1992, S. 232).

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Anhang

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Anhang 20 Techniken der Kontrolle von Störvariablen

Elimination: Die Ausschaltung denkbarer Störgrößen bei der Durchführung des Experi-

ments um eine maximale Kontrolle des Stimulus und seiner Variation zu erreichen (vgl.

Schnell, Hill & Esser 1992, S. 232). Da diese Technik hauptsächlich bei Laborexperimen-

ten sehr gut eingesetzt werden kann bzw. umgekehrt, die Realisation dieser Technik bei

Feldexperimenten kaum möglich ist – wie erwähnt hat der/die Forscher/in keinen Einfluss

auf den Stimulus bzw. das Treatment –, scheidet sie auch für die konkrete Untersuchung

dieser Arbeit aus.

Konstanthaltung: „Konstanthaltung bedeutet nur, solche (mit unter unvermeidliche) Ein-

flüsse in beiden Gruppen möglichst gleichartig wirken zu lassen, d.h. die Versuchsbedin-

gungen für beide Gruppen bis auf das Treatment maximal anzugleichen.“ (Schnell, Hill &

Esser 1992, S. 233) Was bedeutet dies für das konkrete Experiment? Auch hier ist wie o-

ben, das Argument zu bringen, dass es sich bei der Untersuchung nicht um ein Laborexpe-

riment handelt, sondern um eine reale Situation, die nicht im Einflussbereich der Forsche-

rin bzw. des Forschers liegt. Somit scheidet auch diese Kontrolltechnik aus.

Das Matching und die Randomisierung sollen gewährleisten, dass sich in den beiden

Gruppen – Kontroll- und Experimentalgruppe – Versuchspersonen mit gleichen Merk-

malsausprägungen befinden bzw. im Falle der Randomisierung zumindest deren Zuteilung

zufällig geschieht (vgl. Schnell, Hill & Esser 1992, S. 234f.). Weiter oben wurde aber be-

reits darauf hingewiesen, dass dies aufgrund der Zusammensetzung der Klassen nicht mög-

lich, ja nicht sinnvoll, wäre (vgl. Lind 1993a, S. 74 und Herzig 1998, S. 273).

Zusammenfassend kann zum beabsichtigten Forschungsdesign bzw. zu den bisherigen

Anmerkungen gesagt werden: „Wenn die Messungen über Zeit zugleich bei einer Kon-

trollgruppe vorgenommen werden, die in wesentlichen Aspekten der Experimentalgruppe

gleicht und wie diese den unkontrollierbaren historischen Einflüssen (Persönlichkeitsent-

wicklung, Effekte der Erstmessung etc.) ausgesetzt ist, lässt sich der experimentelle Effekt,

d.h. die Differenz zwischen den jeweiligen Messungsdifferenzen (M1-M2) und (M3-M4),

relativ gut kontrollieren; auch dann, wenn – wie in der vorliegenden Begleituntersuchung –

der experimentelle Stimulus weder exakt gemessen noch manipuliert werden kann.“

(Bonk-Luetkens 1978, S. 59f.)

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Anhang

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Anhang 21 Modifikationen des MUT zum MUT/s

MUT-Originalversion eingesetzte MUT-Schülerversion (MUT/s)

In einem Betrieb haben Arbeiter aufgrund einer Reihe scheinbar unbegründeter Entlassungen den Verdacht, dass die Firmenleitung mittels der Ge-gensprechanlage ihre Beschäftigten abhört und diese Informationen gegen sie verwendet. Die Firma dementiert diesen Vorwurf entschieden. Die Gewerkschaft möchte erst dann etwas gegen den Betrieb unternehmen, wenn sich Belege für den Verdacht erbringen lassen. Daraufhin brechen zwei Arbeiter in die Räume der Direktion ein und nehmen Tonbandabschriften mit, die ein Abhören beweisen.

In einem Unternehmen werden Mitarbeiter scheinbar ohne Grund entlassen. Die Arbeiter ha-ben den Verdacht, dass die Firmenleitung ihre Be-schäftigten mit Abhörgeräte belauscht. Angeblich verwendet die Firmenleitung diese Aufzeichnun-gen als Kündigungsgrund. Die Firmenleitung weist diese Vorwürfe jedoch entschieden zurück. Die Arbeitervertretung (Gewerkschaft) will erst dann etwas gegen die Firmenleitung unternehmen, wenn sie Beweise hat. Daraufhin brechen zwei Arbeiter in die Räume der Firmenleitung ein und nehmen Tonbandkopien mit, die ein Abhören be-weisen.

Argumente Gründe (Argumente)

… dass wegen der Missachtung des Gesetzes durch die Firma dieses Mittel erlaubt war, um wieder Recht und Ordnung herzustellen.

… dass wegen des gesetzeswidrigen Handelns der Firmenleitung der Einbruch erlaubt war, um wie-der Recht und Ordnung herzustellen

billigen gutheißen

Hausrecht der Firmenleitung … das Recht der Firmenleitung in ihrem Unter-nehmen zu bestimmen, was geschieht.

sich zuerst ins Unrecht gesetzt hat zuerst einen Fehler begangen hat

… dass es falsch ist, ein so grundlegendes Recht wie das Eigentum zu verletzen, solange es noch keine allgemeingültigen Maßstäbe dafür gibt, ihr Verhalten von Selbstjustiz zu unterscheiden.

… dass es falsch von ihnen sei, zu steh-len/einzubrechen. Und zwar deshalb, weil man im Allgemeinen hier nicht unterscheiden kann, ob die Arbeiter ein Verbrechen begangen haben, oder nur den betroffenen Mitarbeitern geholfen haben. Im Prinzip haben sie beides getan, man kann es nicht trennen. Und solange man das nicht tren-nen/unterscheiden kann, ist es falsch so zu han-deln.

… dass sie nicht hinreichend die rechtlichen Mit-tel ausgeschöpft und dadurch mit dem Einbruch voreilig eine erhebliche eigene Rechtsverletzung begangen haben.

… dass sie nicht alle oder zumindest nicht genü-gend rechtliche Schritte unternommen haben und dadurch mit dem Einbruch eine voreilige Rechts-verletzung begangen haben.

Abschriften Kopien

… Phase der relativen Besserung … in einer Phase, in der es ihr kurzfristig besser ging

gebot ihm zwang ihn

Konsequenzen Folgen

… Wenn diese sich gegen aktive Sterbehilfe aus-sprechen, dann sollte kein Arzt das tun.

… Wenn diese gegen Tod auf Verlangen (aktive Sterbehilfe, z.B. das Verabreichen einer Spritze, die zum Tot führt) sind, dann sollte ein Arzt das nicht tun.

… weil der Schutz des Lebens für jeden die höchste moralische Verpflichtung sein sollte. So lange wir keine klaren Kriterien haben, wie wir aktive Sterbehilfe von Mord unterscheiden kön-nen, darf das keiner tun.

… weil das Leben zu schützen für jedermann höchste (moralische) „Verpflichtung“ ist. So lange wir keine klaren Kriterien haben, wie wir Sterbe-HILFE (Hilfe zum Tod z.B. durch eine Spritze) von MORD unterscheiden können, darf das keiner tun.

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Anhang

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Anhang 22 Kürzungen in den Religiositätsskalen

1. Ich bin religiös.

2. Ich kann gut ohne Religion auskommen.

3. Man kann auch moralisch handeln, ohne an Gott zu glauben.

4. Ich glaube, dass es einen allmächtigen Gott gibt.

5. Ich glaube an ein Leben nach dem Tode.

6. Ich glaube an die Existenz des Teufels und der Engel.

7. Der Koran (die Bibel) ist das Wort Gottes, deren Aussagen wortwörtlich zu verstehen

sind.

8. Abtreibung ist für mich Sünde.

9. Menschen müssen für ihre Sünden in der Hölle büßen.

10. Der Glaube gibt mir ein Gefühl der Geborgenheit.

11. Rituale und Feiern meiner Glaubensgemeinschaft sind mir wichtig.

12. Der Glaube hilft mir, schwierige Lebenslagen zu meistern.

13. Ich bin überzeugt, dass die wachsende Kriminalität durch mehr Religiosität verringert

werden kann.

14. Religiöse Unterweisung sollte ein Pflichtfach in den Schulen sein.

15. Ich bete häufig.

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Anhang

179

Institut für Pädagogik und Psychologie o.Univ.Prof. Dr. Herbert ALTRICHTER

Tel.: +43/732/2468-8221 Fax: +43/732/2468-9315 [email protected]

Diplomand: Christoph Helm [email protected]

Anhang 23 Fragebogen

A

Fragebogen-Code: Liebe Schülerin, Lieber Schüler, ich bitte dich, mein Forschungsprojekt zu unterstützen. Lies und beantworte bitte dazu, die folgenden Fragen sorgfältig. Die Fragebögen beziehen sich auf folgende Themen: 1. Bearbeitung zweier Dilemmata („Zwickmühlen“) 2. Fragen zum Thema „Religion“ und zu Deinen Eltern 3. Fragen zu sozialen Beziehungen in der Familie, im Freundeskreis und der Schule 4. Fragen zum Thema „kooperatives offenes Lernen“ 5. Fragen zu deiner Lebenssituation und Deiner schulischen Laufbahn Die folgende Befragung ist Teil einer Untersuchung, die ich im Rahmen meiner Diplomar-beit im Studium „Wirtschaftspädagogik“ an der Johannes Kepler Universität Linz durch-führe. Alle Daten werden anonym erhoben und streng vertraulich behandelt. Bitte fülle die Fragebögen in vorgegebener Reihenfolge mit Kugelschreiber leserlich

aus! Vielen Dank für Deine Mithilfe! Christoph Helm

Rückseite bitte nicht vergessen!

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Anhang

180

Moralisches Urteil Du sollst zwei schwierige Situationen beurteilen: 1. Arbeiter Dilemma und 2. Arzt Dilem-ma. Lies zunächst die Geschichte sorgfältig durch und kreuze auf jeder Skala an, ob Du mit dem jeweiligen Argument übereinstimmst oder es ablehnst. (Skalen von: „ich lehne die Begründung völlig ab bzw. halte sie für falsch“ bis „ich halte die Begründung für sehr gut“) Es ist wichtig, dass Du in jeder Zeile ein Kreuz machst. Danke!

Arbeiter-Dilemma

In einem Unternehmen werden Mitarbeiter scheinbar ohne Grund entlassen. Die Arbeiter haben den Verdacht, dass die Firmenleitung ihre Beschäftigten mit Abhörgeräte belauscht. Angeblich verwendet die Firmenleitung diese Aufzeichnungen als Kündigungsgrund. Die Firmenleitung weist diese Vorwürfe jedoch entschieden zurück. Die Arbeitervertretung (Gewerkschaft) will erst dann etwas gegen die Firmenleitung unternehmen, wenn sie Be-weise hat. Daraufhin brechen zwei Arbeiter in die Räume der Firmenleitung ein und neh-men Tonbandkopien mit, die ein Abhören beweisen. 1. Hältst Du das Verhalten der Arbeiter für eher richtig oder falsch? Ich halte es für...

falsch -3 -2 -1 0 1 2 3 richtig Wie stehst Du zu den Gründen (Argumenten), die für das Verhalten der beiden Arbeiter vorgebracht wurden? Man hat für die Arbeiter vorgebracht…

2. dass sie der Firma keinen großen Schaden zugefügt haben. Ich lehne das völlig ab -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 Ich akzeptiere das völlig

3. dass wegen des gesetzeswidrigen Handelns der Firmenleitung der Einbruch erlaubt

war, um wieder Recht und Ordnung herzustellen. Ich lehne das völlig ab -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 Ich akzeptiere das völlig

4. dass die meisten (Mit)arbeiter ihre Tat gutheißen würden und viele sich darüber freu-

en. Ich lehne das völlig ab -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 Ich akzeptiere das völlig

5. dass das Vertrauen zwischen den Menschen und die Würde des Einzelnen mehr wie-

gen als das „Recht“ der Firmenleitung in ihrem Unternehmen zu bestimmen, was ge-schieht.

Ich lehne das völlig ab -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 Ich akzeptiere das völlig 6. dass die Firma zuerst einen Fehler begangen hat und die Arbeiter deshalb berechtigt

waren, dort einzubrechen. Ich lehne das völlig ab -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 Ich akzeptiere das völlig

7. dass die Arbeiter keine rechtliche Möglichkeit sahen, den Vertrauensbruch der Firma

aufzudecken und deshalb das - in ihren Augen - kleinere Übel wählten. Ich lehne das völlig ab -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 Ich akzeptiere das völlig

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Anhang

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Für wie gut hältst Du die Gründe (Argumente), die gegen das Verhalten der Arbeiter vor-gebracht wurden? Man hat gegen die Arbeiter vorgebracht, …

8. dass es Recht und Ordnung im Zusammenleben der Menschen gefährdet, also ein Chaos entstehen würde, wenn jeder wie die beiden Arbeiter handeln würde.

Ich lehne das völlig ab -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 Ich akzeptiere das völlig

9. dass es falsch von ihnen sei, zu stehlen/einzubrechen. Und zwar deshalb, weil man im Allgemeinen hier nicht unterscheiden kann, ob die Arbeiter ein Verbrechen be-gangen haben, oder nur den betroffenen Mitarbeitern geholfen haben. Im Prinzip ha-ben sie beides getan, man kann es nicht trennen. Und solange man das nicht tren-nen/unterscheiden kann, ist es falsch so zu handeln.

Ich lehne das völlig ab -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 Ich akzeptiere das völlig

10. dass es unüberlegt ist, wegen anderer den Hinauswurf aus der Firma zu riskieren. Ich lehne das völlig ab -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 Ich akzeptiere das völlig

11. dass sie nicht alle oder zumindest nicht genügend rechtliche Schritte unternommen

haben und dadurch mit dem Einbruch eine voreilige Rechtsverletzung begangen ha-ben.

Ich lehne das völlig ab -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 Ich akzeptiere das völlig

12. dass man nicht stiehlt und nicht einbricht, wenn man als anständiger und ehrlicher Mensch gelten will.

Ich lehne das völlig ab -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 Ich akzeptiere das völlig

13. dass sie von der Entlassung gar nicht betroffen waren und deshalb für sie kein Grund bestand, die Kopien zu stehlen.

Ich lehne das völlig ab -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 Ich akzeptiere das völlig

Rückseite bitte nicht vergessen!

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Anhang

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Arzt-Dilemma Eine Frau war krebskrank, und es gab keine Rettung mehr für sie. Sie hatte qualvolle Schmerzen und war schon so geschwächt, dass eine größere Dosis eines Schmerzmittels wie „Morphin“ ihr Sterben beschleunigt hätte. In einer Phase in der es ihr kurzfristig besser ging, bat sie den Arzt, ihr genügend Morphin zu verabreichen, um sie zu töten. Sie sagte, sie könne die Schmerzen nicht mehr ertragen und würde ja doch in wenigen Wochen ster-ben. Der Arzt gab der Frau die Überdosis Morphin, wie sie es wollte. 14. Haltest Du das Verhalten des Arztes für eher richtig oder falsch? Ich halte es für...

falsch -3 -2 -1 0 1 2 3 richtig Wie stehst Du zu den Gründen (Argumenten), die zugunsten des Verhaltens des Arztes vorgebracht wurden? Man sagt, der Arzt habe richtig gehandelt…

15. weil der Arzt nach seinem Gewissen handeln musste. Der Zustand der Frau rechtfer-tigt eine Ausnahme von der (moralischen) „Verpflichtung“, Leben zu erhalten.

Ich lehne das völlig ab -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 Ich akzeptiere das völlig 16. weil der Arzt der einzige war, der den Willen der Frau erfüllen konnte; die Achtung

vor dem Willen der Frau zwang ihn, so zu handeln, wie er es tat. Ich lehne das völlig ab -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 Ich akzeptiere das völlig

17. weil der Arzt nur getan hat, wozu die Frau ihn überredete. Er braucht sich deswegen

um unangenehme Folgen keine Sorgen zu machen. Ich lehne das völlig ab -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 Ich akzeptiere das völlig

18. weil die Frau ja ohnehin gestorben wäre, und es für den Arzt wenig Mühe bedeutet

hat, ihr eine größere Dosis des Schmerzmittels zu verabreichen. Ich lehne das völlig ab -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 Ich akzeptiere das völlig

19. weil der Arzt eigentlich kein Gesetz verletzt hat, da die Frau nicht mehr hätte gerettet

werden können, und er nur ihre Schmerzen verkürzen wollte. Ich lehne das völlig ab -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 Ich akzeptiere das völlig

20. weil vermutlich die meisten seiner Kollegen in einer ähnlichen Situation genauso

gehandelt hätten wie dieser Arzt. Ich lehne das völlig ab -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 Ich akzeptiere das völlig

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Anhang

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Für wie gut hältst Du die Gründe (Argumente), die gegen das Verhalten des Arztes vorge-bracht wurden? Man sagt, der Arzt habe falsch gehandelt, …

21. weil er damit gegen die Überzeugung seiner Kollegen verstoßen hat. Wenn diese ge-gen Tod auf Verlangen (aktive Sterbehilfe, z.B. das Verabreichen einer Spritze, die zum Tot führt) sind, dann sollte ein Arzt das nicht tun.

Ich lehne das völlig ab -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 Ich akzeptiere das völlig 22. weil man dem Arzt völlig vertrauen können muss, dass er sich voll für die Erhaltung

des Lebens einsetzt, auch wenn man wegen großer Schmerzen am liebsten sterben möchte.

Ich lehne das völlig ab -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 Ich akzeptiere das völlig

23. weil das Leben zu schützen für jedermann höchste (moralische) „Verpflichtung“ ist. So lange wir keine klaren Kriterien haben, wie wir SterbeHILFE (Hilfe zum Tod zB. durch eine Spritze) von MORD unterscheiden können, darf das keiner tun.

Ich lehne das völlig ab -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 Ich akzeptiere das völlig

24. weil der Arzt sich damit eine Menge Unannehmlichkeiten zuziehen kann. Andere sind dafür schon hart bestraft worden.

Ich lehne das völlig ab -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 Ich akzeptiere das völlig

25. weil er es wesentlich leichter haben können hätte, wenn er gewartet und nicht in das Sterben der Frau eingegriffen hätte.

Ich lehne das völlig ab -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 Ich akzeptiere das völlig

26. weil der Arzt gegen das Gesetz verstoßen hat. Wenn man Zweifel hat, ob Sterbehilfe gegen Gesetze verstößt oder nicht, dann darf man das auch nicht tun.

Ich lehne das völlig ab -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 Ich akzeptiere das völlig

Rückseite bitte nicht vergessen!

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Anhang

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Fragen zur Religion Kreuze jeweils an, ob Du der Aussage überhaupt nicht zustimmst (-2) oder ihr völlig

zustimmst (+2)! Nutze auch die Skalen dazwischen! 1. Ich würde von mir sagen, dass ich religiös bin. -2 -1 0 1 2

2. Man kann auch moralisch (gut) handeln, ohne an Gott zu glauben. -2 -1 0 1 2

3. Ich glaube, dass es einen allmächtigen Gott gibt. -2 -1 0 1 2

4. Ich glaube an ein Leben nach dem Tode. -2 -1 0 1 2

5. Die Bibel/der Koran ist das Wort Gottes, deren Aussagen wortwörtlich zu verstehen sind. -2 -1 0 1 2

6. Abtreibung ist für mich Sünde. -2 -1 0 1 2

7. Der Glaube gibt mir ein Gefühl der Geborgenheit. -2 -1 0 1 2

8. Messen u. Feiern meiner Glaubensgemeinschaft sind mir wichtig. -2 -1 0 1 2

9. Der Glaube hilft mir, schwierige Lebenslagen zu meistern. -2 -1 0 1 2

10. Meiner Einschätzung nach bete ich häufig. -2 -1 0 1 2 Fragen zur Familie und Deinen Eltern 1. Welche Personen wohnen in Eurem Haushalt? (Mehrfachnennungen möglich)

Mutter/Stiefmutter Vater/Stiefvater

Anzahl der Kinder unter 18 Jahren: _________________ 2. Was ist ihr höchster Schulabschluss? Mutter Vater kein Schulabschluss Hauptschule/AHS Unterstufe AHS/BHS Matura (AHS, HTL, HAK, HBLA) Fachschule, Handelsschule (BMS) Berufsschule, Lehre Meisterprüfung Hochschulausbildung (UNI, FH) Kolleg, Akademie (PädAK, SozAK, …) weiß ich nicht 3. Welchen Beruf üben Deine Eltern aus? (Mache möglichst genaue Angaben, z.B. NICHT „ÖBB-Bediensteter“, SONDERN „Lokführer“) Mutter: ________________ Vater: _______________ 4. Stammen deine Eltern aus Österreich?

Ja. Nein, aus ________________________

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Anhang

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Kreuze bei den folgenden Fragen die jeweils für Dich am ehesten zutreffende Antwort an.

Deine sozialen Beziehungen in der Familie bzw. Lebensgemeinschaft 1. Wo wohnst Du zurzeit? bei den Eltern in einer eigenen Wohnung in einer Wohngemeinschaft/bei meinem festen Freund/meiner festen Freundin anderes: ......................... 2. Hast Du den Eindruck, dass Du zu Hause auch rundum mit all Deinen Fehlern und

Vorzügen, die Du so hast, akzeptiert wirst? nein -2 -1 0 1 2 ja

3. Wie wichtig ist Dir diese Anerkennung?

nicht wichtig -2 -1 0 1 2 sehr wichtig 4. Wie oft gibt es Spannungen in Deinem häuslichen Umfeld?

sehr selten -2 -1 0 1 2 sehr oft 5. Wie wird dann mit solchen Problemen offen angesprochen?

sehr selten -2 -1 0 1 2 sehr oft 6. Wie stark beschäftigen Dich solche Spannungen?

weniger stark -2 -1 0 1 2 sehr stark 7. Wird in Gesprächen mit Deinen Familienangehörigen/Mitbewohnern Deine Mei-

nung angehört und ernst genommen? nein -2 -1 0 1 2 ja

8. Wie wichtig ist es Dir, dass alle an einem Gespräch Beteiligten gleichberechtigt

und offen ihre Meinung sagen können? nicht wichtig -2 -1 0 1 2 sehr wichtig

9. Wie oft bestimmt Ihr in Deiner Familie oder Lebensgemeinschaft gemeinsam, was

wie gemacht wird (z.B. Haushaltsarbeiten, gemeinsame Freizeit- und Urlaubsges-taltung)?

selten -2 -1 0 1 2 oft 10. Ist es Dir wichtig, mitentscheiden zu können?

nicht wichtig -2 -1 0 1 2 sehr wichtig 11. selten bis oftWie häufig bestimmst Du die Höhe Deines Taschengeldes mit? -2 -1 0 1 2 Bestimmst Du mit, wo Deine Familie Urlaub macht? -2 -1 0 1 2 Löst Ihr einen Streit unter Euch Geschwister gemeinsam? -2 -1 0 1 2 Entscheidest Du mit, was es zu Essen gibt? -2 -1 0 1 2

Rückseite bitte nicht vergessen!

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Anhang

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12. Trägst Du in Deiner Familie (Lebensgemeinschaft) für irgendjemanden oder ir-gendetwas Verantwortung? (z.B. jüngere Geschwister, Pflege von Haustieren, Haushalt u.ä.) Wie kommst du damit zurrecht?

ich fühle mich eher überfordert -2 -1 0 1 2 ich komme damit sehr gut zurecht 13. Ist bzw. wäre es für Dich wichtig, in Deiner Familie (Lebensgemeinschaft) ein

Stück Verantwortung zu tragen? nicht wichtig -2 -1 0 1 2 sehr wichtig

14. Wie beurteilst Du die Freiräume (z.B. hinsichtlich Freizeitgestaltung, Verwendung

des Einkommens, Berufsweg), die Du hast? ich fühle mich sehr eingeschränkt -2 -1 0 1 2 ich kann tun und lassen was ich will

15. Wie wichtig ist es Dir, Möglichkeiten zu haben, eigene Ideen zu verwirklichen und

Entscheidungen allein zu treffen? nicht wichtig -2 -1 0 1 2 sehr wichtig

Deine sozialen Beziehungen im Freundeskreis Bitte denke bei der Beantwortung der folgenden Fragen an die Freunde, die Dir am wich-tigsten sind! (Nicht gemeint ist hier Dein Partner!) 1. Wie eng sind Deine Freundschaftsbeziehungen?

lockere -2 -1 0 1 2 enge 2. Wie wichtig sind Dir enge Freundschaften?

nicht wichtig -2 -1 0 1 2 sehr wichtig 3. Auch zwischen Freunden bleiben Spannungen oder Meinungsverschiedenheiten

nicht aus. Wie oft kommt so etwas bei Dir vor? selten -2 -1 0 1 2 oft

4. Wie gehen Du und Deine Freunde mit Konflikten um?

werden nie ausgesprochen -2 -1 0 1 2 werden immer offen ausgesprochen 5. Wie stark beschäftigen Dich solche Spannungen?

weniger stark -2 -1 0 1 2 sehr stark 6. Wird in Gesprächen im Freundeskreis Deine Meinung angehört und ernst genom-men?

nein -2 -1 0 1 2 ja 7. Wie wichtig ist es Dir, dass alle an einem Gespräch Beteiligten gleichberechtigt

und offen ihre Meinung sagen können? nicht wichtig -2 -1 0 1 2 sehr wichtig

8. Wie stimmt Ihr euch untereinander ab, wenn Ihr etwas gemeinsam unternehmen

wollt? wir entscheiden nie gemeinsam -2 -1 0 1 2 wir entscheiden immer gemeinsam

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9. Ist es Dir wichtig, mitentscheiden zu können?

nicht wichtig -2 -1 0 1 2 sehr wichtig 10. Im Freundeskreis muss man manchmal Verantwortung übernehmen (dass etwas

klappt/sich um einen anderen kümmern). Wie empfindest Du diese Verantwortung? ich fühle mich eher überfordert -2 -1 0 1 2 ich komme damit sehr gut zurecht

11. Ist es für Dich wichtig, in Deinem Freundeskreis Verantwortung zu übernehmen?

nicht wichtig -2 -1 0 1 2 sehr wichtig 12. Wie stark bist Du an die Meinungen und Aktivitäten Deiner Freunde gebunden:

Kannst Du das, was gemacht wird, beeinflussen und mit den anderen (oder auch mal alleine) die eigenen Vorstellungen verwirklichen?

ich kann mich nie durchsetzen -2 -1 0 1 2 ich setze mich immer durch 13. Wie wichtig ist es Dir, in Deinem Freundeskreis eigene Vorstellungen verwirkli-

chen zu können? nicht wichtig -2 -1 0 1 2 sehr wichtig

14. Bist Du Mitglied in… einem Verein, z.B. Fußball, Ballett, … einer (kirchlichen) Jugendgruppe, z.B. Jugend, Jungschar, Pfadfinder… bei etwas anderem: ________________________

Fragen zum Bereich Schule

1. Fühlst Du Dich in Deiner Klassengemeinschaft gut integriert? eher nein -2 -1 0 1 2 eher ja

2. Wie wichtig ist für Dich die Anerkennung durch Deine Mitschüler in der Schule?

nicht wichtig -2 -1 0 1 2 sehr wichtig 3. Fühlst Du Dich von Deinen Lehrern als "eigenständige Persönlichkeit " geachtet? völlig eher ja eher nein gar nicht Deutsch Englisch 2. lebende Fremdsprache Mathematik Betriebswirtschaft Rechnungswesen 4. Wie wichtig ist für Dich diese Anerkennung?

nicht wichtig -2 -1 0 1 2 sehr wichtig 5. Wie oft erlebst Du Unstimmigkeiten oder Spannungen in der Schule?

sehr selten -2 -1 0 1 2 sehr oft 6. Wie wird in der Schule normalerweise mit solchen Konflikten umgegangen?

werden nie ausgesprochen -2 -1 0 1 2 werden immer offen ausgesprochen Rückseite bitte nicht vergessen!

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7. Wie stark beschäftigen Dich solche Spannungen? weniger stark -2 -1 0 1 2 sehr stark

8. Wie laufen Diskussionen in der Schule ab: Kannst Du Deine Argumente immer

offen äußern und werden diese ernst genommen? in Diskussionen mit Mitschülern: immer eher ja eher nein nie in Diskussionen mit dem Lehrer: immer eher ja eher nein nie 9. Wie wichtig ist es für Dich persönlich, in der Schule frei und gleichberechtigt mit-

einander diskutieren zu können? nicht wichtig -2 -1 0 1 2 sehr wichtig

10. Wirst Du vom Lehrer in Entscheidungen zur Unterrichtsgestaltung (z.B. Stoffaus-

wahl, Themenreihenfolge oder Stundenablauf) einbezogen? ja, sehr oft manchmal selten nein, nie Deutsch Englisch 2. lebende Fremdsprache Mathematik Betriebswirtschaft Rechnungswesen 11. Wie wichtig ist es Dir, bei der Unterrichtsgestaltung mitwirken zu können?

nicht wichtig -2 -1 0 1 2 sehr wichtig 12. nie bis oftWie häufig bestimmst Du die Regeln an Deiner Schule mit? -2 -1 0 1 2 Bestimmst Du die Regeln in Deiner Klasse mit? -2 -1 0 1 2 Bringst Du Vorschläge oder Ideen zum Unterricht ein? -2 -1 0 1 2 Machst Du Vorschläge zu den Hausaufgaben? -2 -1 0 1 2 Entscheidest Du mit, wohin die Schulreise gehen soll? -2 -1 0 1 2 Stimmt Ihr in der Klasse ab, bevor eine Entscheidung getroffen wird? -2 -1 0 1 2 Wie häufig hältst Du Referate/Vorträge in der Klasse? -2 -1 0 1 2 Überlegt Ihr gemeinsam in der Klasse, wie Probleme gelöst werden? -2 -1 0 1 2 13. Wenn Du Probleme hast, an welche Person wendest Du Dich in erster Linie?

Eltern Freunde Lehrer andere: _____________

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Fragen zum kooperativen offenen Lernen Die folgenden Fragen beziehen sich auf den Unterricht in Deiner Schule generell. Kreuze an: von (- 2) „die Aussage lehne ich völlig ab“ bis (+ 2) „der Aussage stimme ich völlig zu“ 1. Schätze folgende Aussagen zu Deinen „LehrerInnen“ ein: lehne ab stimme zu a) Sie sprechen sich untereinander gut ab. -2 -1 0 1 2 b) Sie machen fächerübergreifenden Unterricht. -2 -1 0 1 2 c) Sie arbeiten (gut) zusammen. -2 -1 0 1 2 d) Ich merke, dass sie engagiert und bemüht sind. -2 -1 0 1 2 e) Ihre sozialen Fähigkeiten (z.B. respektvoller Umgang mit den

Schülern) werden im Unterricht deutlich. -2 -1 0 1 2

f) Sie muten uns Schülern zu, dass wir bei wichtigen Themen ernst-haft mitreden können. -2 -1 0 1 2

g) Sie regen durch ihren Unterricht zum Mitdenken, Mitdiskutieren und Mitentscheiden an. -2 -1 0 1 2

2. Schätze folgende Aussagen zum Unterricht generell ein: selten oft a) Unterrichtsphasen, in denen ich selbst entscheiden kann, wann ich

etwas mache und wie ich es mache, kommen oft vor. -2 -1 0 1 2

b) Gestellte Aufgaben und meine Arbeitsergebnisse im Unterricht werden oft mit Lehrern oder Klassenkollegen reflektiert (über-dacht, darüber diskutiert).

-2 -1 0 1 2

c) Im Unterricht habe ich oft die Gelegenheit zwischen verschiede-nen (Lern-)aufgaben zu wählen. -2 -1 0 1 2

d) Die Noten setzen sich NICHT nur aus Schularbeiten und Tests zusammen. Es gibt oft auch eine alternative Leistungsbeurteilung, z.B. durch Portfolios, Referaten, Selbsteinschätzung…

-2 -1 0 1 2

lehne ab stimme zue) Das selbständige Arbeiten macht mir viel Spaß. -2 -1 0 1 2 f) Mit der Verantwortung für mein Lernen komme ich gut zurecht. -2 -1 0 1 2 g) Freie Zeiteinteilung im Unterricht ist für mich EIN PROBLEM. -2 -1 0 1 2 h) Die Phasen selbständigen Lernens sollten ausgedehnt werden. -2 -1 0 1 2 i) Es ist mir wichtig, dass die schulischen Lernsituationen eine Her-

ausforderung darstellen. -2 -1 0 1 2

j) Im Unterricht lernen wir zu argumentieren bzw. eigene Meinun-

gen zu vertreten. eher nein eher ja

k) Im Unterricht lernen wir gemeinsam zu entscheiden. eher nein eher ja l) Im Unterricht diskutieren wir öfters über allgemeine und persönli-

che Probleme die uns beschäftigen. eher nein eher ja

m) Im Unterricht lernen wir, uns in andere Personen hinzuversetzen und deren Argumente zu verstehen. eher nein eher ja

Rückseite bitte nicht vergessen!

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Anhang

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Fragen zu Deiner Lebenssituation und Deiner schulischen Laufbahn

Kreuze bitte eine Antwort an bzw. trage die gefragten Daten ein! Danke! Geschlecht: männlich weiblich Alter: ___Jahre Staatsbürgerschaft: ______________ Religionsbekenntnis: ______________ Wahlmotiv: Aus welchen Gründen hast Du den derzeitigen Ausbildungszweig gewählt? (mehrere Antworten möglich)

Weil mir die Stoffinhalte/angebotenen Unterrichtsfächer zugesagt haben. Weil es meine Eltern so wollten. Weil Freunde diesen Zweig ebenfalls wählten. Unsere Klasse wurde mit einer anderen zusammengelegt. Weil in meinem „Wunschzweig“ kein Platz mehr war. Weil mein gewünschter Ausbildungszweig nicht zustande kam. andere:_____________________

Welche Schule hast Du zuvor (also ca. im Alter von 10-14) besucht?

eine (eher) städtische Hauptschule eine (eher) ländliche Hauptschule ein Gymnasium eine andere Schule/Institution:____________

Was strebst Du nach der HAK/HLW (bzw. nach abgeleisteten Präsenzdienst) an?

sofortigen Berufseinstieg ein Studium oder eine andere Weiterbildung (College) einen Auslandsaufenthalt (z.B. Au pair) bin noch unentschlossen etwas anderes:_____________

Gib bitte die letzte Jahresnote bzw. sofern Du 1.-Klässler bist die letzte Schularbeitsnoten in folgenden Fächern an (solltest Du ein Fach nicht belegen, mach bitte einen Strich): Deutsch ____ Englisch ____ 2. lebende Fremdsprache ____ Mathematik ____ Betriebswirtschaft ____ Rechnungswesen ____

Es folgt ein Abschnitt mit Onlinefragen, die du jedoch zuhause beantworten sollst. Hier endet der Fragebogen! Vielen Dank für Deine Mithilfe!