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Die Volkssprache in der Liturgie: Chancen und Probleme Univ.-Prof. Dr. Basilius J. Groen Das Thema der Muttersprache im Gottesdienst beschäftigt die christlichen Gemüter oft heftig. 1 Die Frage, welche Sprache wir benutzen, ist ja keineswegs nebensächlich, sondern hat mit unserer Identität, unseren kulturellen Wurzeln sowie mit unserem religiösen Handeln, Denken und Fühlen zu tun. Deswegen ist sie auch mit der Einheit und der gewünschten, beziehungsweise nicht gewünschten Uniformität der kirchlichen Liturgie sowie mit der Verständlichkeit der liturgischen Texte und Riten verbunden. Eine Veränderung der Liturgiesprache geht immer mit einer Veränderung im liturgischen Empfinden einher. Vor allem während des zwanzigsten Jahrhunderts spielte dieses Thema innerhalb der Römisch- Katholischen Kirche eine wichtige Rolle und am Anfang des dritten Jahrtausends ist es gewiss noch nicht erledigt. In einem ersten Schritt werde ich einige unser Thema betreffende Streifzüge durch die Liturgiegeschichte machen. Dabei konzentriere ich mich auf die Westkirche. In einem zweiten Schritt schauen wir kurz, wie sich die heutige Sprachensituation bei einigen christlichen Nachbarkirchen darstellt. In einem dritten Schritt werden Grundsatzfragen bezüglich der liturgischen Sprache erörtert. 1. Streifzüge durch die westkirchliche Liturgiegeschichte Jesus, seine Mutter, seine Jünger waren Juden und sprachen Aramäisch. Im Synagogen- und Tempelgottesdienst war auch das Hebräisch wichtig. Aufgrund des jüdischen Ursprungs des Christentums kommen in den meisten christlichen Gottesdiensten bis heute nicht nur jüdische liturgische Strukturelemente, wie zum Beispiel der Psalmengesang und die Schriftlesung vor, sondern werden auch noch hebräische Wörter, unter anderem Halleluja, Hosanna und Amen, gesprochen oder gesungen. Zur Zeit Jesu sprachen jedoch viele Juden, vor allem außerhalb Palästinas, zum Beispiel in Alexandrien, das Koinê-Griechisch, die damalige Weltsprache im östlichen 1 Antrittsvorlesung an der Karl-Franzens-Universität Graz, 11. Mai 2004. Für die Publikation wurde der Text leicht überarbeitet und mit Anmerkungen versehen. Ich danke Peter Ebenbauer (Graz) für die sorgfältige Korrektur. Die Ausdrücke ‚Volkssprache’ und ‚Muttersprache’ werden hier synonym verwendet. Mit dem Ersteren meine ich also nicht die alltägliche Umgangssprache, die Sprache des ‚einfachen’ Volkes (im Gegensatz zur Literatursprache).

Die Volkssprache in der Liturgie: Chancen und Probleme · promulgatum Ioannis Pauli PP. II cura recognitum, Editio typica tertia (Vatikanstadt 20023) 325, 508-509. 6 Die ‚römische

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Die Volkssprache in der Liturgie: Chancen und Probleme

Univ.-Prof. Dr. Basilius J. Groen

Das Thema der Muttersprache im Gottesdienst beschäftigt die christlichen Gemüter oft

heftig.1

Die Frage, welche Sprache wir benutzen, ist ja keineswegs nebensächlich, sondern hat

mit unserer Identität, unseren kulturellen Wurzeln sowie mit unserem religiösen Handeln,

Denken und Fühlen zu tun. Deswegen ist sie auch mit der Einheit und der gewünschten,

beziehungsweise nicht gewünschten Uniformität der kirchlichen Liturgie sowie mit der

Verständlichkeit der liturgischen Texte und Riten verbunden. Eine Veränderung der

Liturgiesprache geht immer mit einer Veränderung im liturgischen Empfinden einher. Vor

allem während des zwanzigsten Jahrhunderts spielte dieses Thema innerhalb der Römisch-

Katholischen Kirche eine wichtige Rolle und am Anfang des dritten Jahrtausends ist es gewiss

noch nicht erledigt.

In einem ersten Schritt werde ich einige unser Thema betreffende Streifzüge durch die

Liturgiegeschichte machen. Dabei konzentriere ich mich auf die Westkirche. In einem

zweiten Schritt schauen wir kurz, wie sich die heutige Sprachensituation bei einigen

christlichen Nachbarkirchen darstellt. In einem dritten Schritt werden Grundsatzfragen

bezüglich der liturgischen Sprache erörtert.

1. Streifzüge durch die westkirchliche Liturgiegeschichte

Jesus, seine Mutter, seine Jünger waren Juden und sprachen Aramäisch. Im Synagogen- und

Tempelgottesdienst war auch das Hebräisch wichtig. Aufgrund des jüdischen Ursprungs des

Christentums kommen in den meisten christlichen Gottesdiensten bis heute nicht nur jüdische

liturgische Strukturelemente, wie zum Beispiel der Psalmengesang und die Schriftlesung vor,

sondern werden auch noch hebräische Wörter, unter anderem Halleluja, Hosanna und Amen,

gesprochen oder gesungen.

Zur Zeit Jesu sprachen jedoch viele Juden, vor allem außerhalb Palästinas, zum

Beispiel in Alexandrien, das Koinê-Griechisch, die damalige Weltsprache im östlichen

1

Antrittsvorlesung an der Karl-Franzens-Universität Graz, 11. Mai 2004. Für die Publikation wurde der Text

leicht überarbeitet und mit Anmerkungen versehen. Ich danke Peter Ebenbauer (Graz) für die sorgfältige

Korrektur. Die Ausdrücke ‚Volkssprache’ und ‚Muttersprache’ werden hier synonym verwendet. Mit dem

Ersteren meine ich also nicht die alltägliche Umgangssprache, die Sprache des ‚einfachen’ Volkes (im Gegensatz

zur Literatursprache).

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Mittelmeerraum. Sie verwendeten diese Sprache sowohl im Alltag als auch für ihre

Schriftlesung und den übrigen Gottesdienst. Bereits im dritten und zweiten Jahrhundert vor

Christus war in Alexandrien darum der hebräische Tenach ins Griechische übersetzt worden:

die Septuaginta.2

Übrigens verstanden auch im Palästina des ersten Jahrhunderts viele

griechisch. Vielleicht sprach auch Jesus griechisch; ob er es gut oder nur wenig konnte, ist

ebenfalls eine Sache der Spekulation.

Es waren vornehmlich griechisch sprechende Missionare, die die jüdisch-christliche

Frohe Botschaft im ersten Jahrhundert nach Rom, Nordafrika und Südfrankreich brachten.

Darum, und weil in der Reichshauptstadt überhaupt viele Menschen griechisch sprachen,

wurde Griechisch, nicht Latein die erste Liturgiesprache in Rom. Die Situation in Rom

änderte sich, als dort ab der Mitte des dritten Jahrhunderts das Christentum auch die höheren,

lateinischen Gesellschaftsschichten erreichte. Dadurch übertraf die Anzahl der Latein

sprechenden Christen allmählich die der griechisch sprechenden. Dieser Prozess wurde von

der Restauration des Lateinischen durch die kaiserlichen Behörden gefördert. Die Kirche

Roms übernahm nun – also ab der Mitte des dritten Jahrhunderts – immer mehr das Latein in

ihrer Liturgie und passte sich also allmählich den neuen sozialen und kulturellen

Begebenheiten an. Dieser Prozess erreichte am Ende des vierten Jahrhunderts einen

Höhepunkt, als Papst Damasus anordnete, das eucharistische Hochgebet sollte künftig

lateinisch gebetet werden.3

Viel früher als Rom verwendete die Kirche in Nordafrika – d.h. in der römischen

Provinz Africa – das Latein im Gottesdienst. Wahrscheinlich wurde in Karthago um die Mitte

des dritten Jahrhunderts, also zur Zeit des Bischofs Cyprian, die Liturgie lateinisch gefeiert.

Bereits im zweiten Jahrhundert hatte man in Nordafrika auch damit angefangen, die Bibel ins

2

Später erfolgten noch mehr Tenach-Übersetzungen ins Griechische, zum Beispiel die von Aquila, der um das

Jahr 130 n. Chr. eine möglichst buchstäbliche Übersetzung anfertigte.

3

Vgl. A. BASTIAENSEN: Talen, liturgische. Latijn, in Liturgisch Woordenboek II (1965-1968) 2637-2639; H.

CHADWICK: The Early Church (Harmondsworth 19932

= The Penguin History of the Church 1) passim;

DERS.: The Church in Ancient Society. From Galilee to Gregory the Great (Oxford-New York 2001 = Oxford

History of the Christian Church) passim. Vgl. die Kurzübersichten in einigen liturgiewissenschaftlichen

Handbüchern: H. REIFENBERG: Fundamentalliturgie. Grundelemente des christlichen Gottesdienstes. Wesen,

Gestalt, Vollzug. Bd. II (Klosterneuburg 1978 = Schriften des Pius-Parsch-Instituts 3) 107-111; A.

MARTIMORT: Structure et lois de la célébration liturgique, in DERS.: L’Église en prière. Introduction à la

liturgie I. Principes de la liturgie (Paris 19844

) 95-223, S. 169-175; R. VOLP: Liturgik. Die Kunst, Gott zu

feiern. Bd. I. Einführung und Geschichte (Gütersloh 1992) 579-583; A. ADAM: Grundriss Liturgie (Freiburg-

Basel-Wien 19987

) 63-68; T. BERGER: Die Sprache der Liturgie, in H.-C. SCHMIDT-LAUBER, M. MEYER-

BLANCK & K.-H. BIERITZ (Hg.): Handbuch der Liturgik. Liturgiewissenschaft in Theologie und Praxis der

Kirche (Göttingen 20033

) 798-806; K.-H. BIERITZ: Liturgik (Berlin-New York 2004 = de Gruyter Lehrbuch)

27-31.

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Latein zu übersetzen. Es gab übrigens mehrere Versionen lateinischer Bibeltexte in der

Westkirche. Die neue Übersetzung, die Hieronymus ab dem Jahr 383 anfertigte, wurde später

die ‚Allgemeine’ (Vulgata) genannt. Für die gottesdienstlichen Lesungen und die biblisch

inspirierten Gebete und Gesänge wurden jedoch noch lange Zeit mehrere lateinische

Bibelversionen neben einander benutzt.

Das liturgische Latein war nicht die Umgangssprache, sondern eine Mischung von

einerseits christlich-lateinischer Gruppensprache mit vielen aus dem Griechischen entlehnten

Wörtern, wie zum Beispiel evangelium und baptisma, sowie mit neuen Wortbildungen, unter

anderem salvator oder spiritualis, und andererseits klassisch-lateinischen Wendungen. Es war

eine feierliche, getragene und komprimierte Kultsprache, die präzise ausgesprochen werden

musste.4

Diese liturgischen Texte waren keine Übersetzungen aus dem Griechischen, sondern

neue, wenn auch nicht leicht verständliche Schöpfungen. Zunächst herrschte Kreativität bei

der Verfassung neuer Gebete, aber im Laufe des Frühmittelalters trat allmählich Erstarrung

ein, obwohl noch lange Zeit danach neue Hymnen geschrieben und vertont wurden.

Aufgrund der griechischen Einflüsse, die auch später, namentlich vom sechsten bis

zum neunten Jahrhundert, noch stark waren, blieben aber auch einige liturgische Elemente im

Griechischen erhalten. Beispiele dafür sind das Kyrie Eleison im Ordo Missae und das Hagios

o Theos in der Karfreitagsliturgie.5

Wahrscheinlich benutzten jene germanischen Völker, die der arianischen Gestalt des

Christentums beitraten, ihre eigene Sprache im Gottesdienst. Bischof Wulfila (zirka 311-383)

übersetzte die griechische Bibel und Liturgie ins Gotische. Die Franken jedoch, die die Taufe

von Rom annahmen, übernahmen gleichzeitig die ehrwürdige päpstliche Liturgie und das

Latein als Ritualsprache, ein für die spätere Liturgiegeschichte in der Westkirche

folgenschweres Ereignis. Um die politische Einheit ihres Reiches zu gewährleisten, hielten

die Karolinger eine uniforme, aus Rom stammende Liturgie mit einer einheitlichen Sprache

für notwendig.6

Das Latein war aber im früh- und hochmittelalterlichen Abendland nicht nur

Kultsprache, sondern ebenfalls Kultur-, Verwaltungs- und Rechtssprache. Seine Funktion war

mit der des Koinê-Griechischen vergleichbar. Das so genannte ‚einfache Volk’ war allerdings

4

Vgl. H. WEGMAN: Liturgie in der Geschichte des Christentums (Regensburg 1994) 104, 125.

5

Missale Romanum ex decreto sacrosancti oecumenici concilii Vaticani II instauratum auctoritate Pauli PP. VI

promulgatum Ioannis Pauli PP. II cura recognitum, Editio typica tertia (Vatikanstadt 20023

) 325, 508-509.

6

Die ‚römische Synthese’ bestand jedoch aus einer Mischung römischer und fränkischer / germanischer

Elemente. Siehe WEGMAN: Liturgie in der Geschichte des Christentums 166-243.

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des Lateinischen nicht mächtig. Um das Jahr 500 hörte im Westen das Latein auf,

Umgangssprache zu sein.7

Für die meisten Christen und Christinnen in Westeuropa – auf

jeden Fall für die, deren Muttersprache eine nicht-romanische war – war also das Latein eine

völlige Fremdsprache. Deswegen wurde für sie bereits im karolingischen Zeitalter ein

liturgisches Sonderritual entwickelt: Dieses fand in der Volkssprache statt und bestand aus

Evangelienlesung, Predigt, Glaubensbekenntnis, Dekalog, Vater Unser, Ave Maria und

Segen. Später wurden ein Schuldbekenntnis und Fürbitten hinzugefügt. Zunächst war dieses

Ritual noch Teil der lateinischen Messe – das heißt: während der Priester am Altar die Messe

‚las’, stand auf der Kanzel ein Volksprediger dem Volksritual vor –, später wurde es zu einem

Prädikantengottesdienst verselbständigt, an denen man zum Beispiel in Franziskaner- und

Dominikanerkirchen teilnehmen konnte.

Zudem fanden muttersprachliche Gesangstexte Eingang in die Messe. Im deutschen

Sprachraum sang am Ende des Mittelalters das Volk muttersprachliche Gesänge, zum

Beispiel zum Credo und Pater Noster, entweder als Zusatz oder als Ersatz. Die wichtigsten

Fragen bei der Taufe und der Trauung wurden im Mittelalter ebenfalls in der Volkssprache

gestellt. Die Tatsache aber, dass das Volk den Großteil des vom Priester zelebrierten

Gottesdienstes nicht verstand, trug zur Entwicklung anderer, volksnaher liturgischer

Frömmigkeitsformen, vor allem der Andachten, bei.

Als in der zweiten Hälfte des neunten Jahrhunderts die aus Thessaloniki stammenden Brüder

Konstantin (nach seiner Mönchsweihe Kyrill genannt) und Method in Mähren missionierten,

war es für sie selbstverständlich, die Petrus-Liturgie, also die römische Messe, ins Slawische

zu übersetzen. Viele westliche Theologen regten sich darüber auf, weil es ihrer Meinung nach

nur drei liturgische Sakralsprachen gäbe, nämlich Hebräisch, Griechisch und Latein, die drei

Sprachen der Kreuzinschrift (vgl. Joh 19,19-20).8

Die erfolgreiche Arbeit der beiden Brüder

war starken Widerständen ausgesetzt. Nach heftigen Auseinandersetzungen genehmigten

jedoch Papst Hadrian II. und Papst Johannes VIII. das kyrillo-methodianische

Übersetzungswerk. Der letztgenannte Papst schrieb im Jahr 880, dass Gott der Schöpfer aller

Sprachen ist und durch sie alle geehrt werden will. Die Franken wollten jedoch verhindern,

dass Byzanz, als dessen Vertreter Kyrill und Method betrachtet wurden, in Mähren Einfluss

7

Vgl. L. DE BLOIS & R. VAN DER SPEK: Een kennismaking met de Oude Wereld (Bussum 20016

) 285-286.

8

Einige Textvarianten von Lk 23,38 erwähnen ebenfalls diese drei Sprachen.

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5

gewinnt. Auf ihr Betreiben widerrief Papst Stephan V. wenige Jahre später die Entscheidung

seiner Vorgänger und untersagte die slawische Liturgie. Das Latein siegte und die Arbeit der

Schüler von Kyrill und Method in Mähren kam zu einem jähen Ende: Sie wurden entweder

getötet oder verjagt. Auch im Jahr 1080 lehnte Papst Gregor VII. eine böhmische Bitte, die

Liturgie weiter slawisch feiern zu dürfen, ab. Er argumentierte, die Heilige Schrift solle nicht

zu gewöhnlich werden und falschen Interpretationen mittelmäßiger Leute unterliegen. In

Dalmatien wurde jedoch die römische Messe bis ins zwanzigste Jahrhundert im

Kirchenslawischen (in glagolitischer Schrift) gefeiert, bald mit römischem Einverständnis,

bald gegen den Willen Roms und der Ortsbischöfe.9

Ab dem fünfzehnten Jahrhundert – und immer mehr nach der Erfindung der

Druckpresse in der Mitte dieses Jahrhunderts – wurden Volksmissalien in der Volkssprache

herausgegeben, zunächst nur mit den Texten der Lesungen und einigen Gesängen, dann auch

mit Priestergebeten. Statt des Canon Romanus (das römische eucharistische Hochgebet),

wurden jedoch meistens nur einige fromme Gebete abgedruckt. Diese Missalien dienten Laien

dazu, sich zu Hause für die Messe vorzubereiten oder über sie zu meditieren.

Für die Reformatoren des sechzehnten Jahrhunderts waren die verständliche Lesung der

Heiligen Schrift und eine gute Predigt äußerst wichtige Anliegen: Die in der Bibel bezeugte

Botschaft der Gnade Gottes, der Rechtfertigung der Christenmenschen durch Jesus Christus

sowie der Vergebung ihrer Sünden durch ihn sollte der Gemeinde ja klar gemacht werden.

Darum war für die Reformatoren die Einführung der Volkssprache im Gottesdienst

unentbehrlich. Das war nun etwas leichter als zuvor zu realisieren, weil die soeben erwähnte

Erfindung der Druckpresse zur Verbreitung der reformatorischen Ideen beitrug und weil im

sechzehnten Jahrhundert viele Volkssprachen ein reiferes Stadium ihrer Entwicklung erreicht

hatten.

9

Vgl. G. OSTROGORSKY: Geschichte des byzantinischen Staates (München 19633

= Handbuch der

Altertumswissenschaft XII, I, 2) 191; H.-G. BECK: Geschichte der orthodoxen Kirche im byzantinischen Reich,

(Göttingen 1980 = Die Kirche in ihrer Geschichte I, D1) 96-118; P. PLANK: Die geschichtliche Entwicklung

der orthodoxen Kirchen im Südosten und Osten Europas, in W. NYSSEN, H.-J. SCHULZ & P. WIERTZ (Hg.):

Handbuch der Ostkirchenkunde. Bd I. (Düsseldorf 1984) 133-208, S. 136-137.

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Für die protestantischen Liturgieerneuerer des sechzehnten Jahrhunderts war es nicht

notwendig, völlig neue Gottesdienste zu entwickeln.10

Es gab nämlich Modelle, die schon

längst praktiziert wurden. Luther selber und die von ihm beeinflussten Reformatoren – wir

befinden uns hier vor allem in Nord- und Mitteldeutschland – wollten die traditionelle Messe

nur ‚reinigen’. Sie schnitten zum Beispiel den Großteil des Offertoriums und des römischen

Canon Missae weg. Die Reformatoren im süddeutschen Raum, in der Schweiz, den

Niederlanden, Schottland basierten sich auf dem spätmittelalterlichen Prädikantengottesdienst

und auf dem ebenfalls bereits existierenden volkssprachlichen Ritual der

Gemeindekommunion. Im letztgenannten Ritual konnte das Volk, unabhängig von der Messe,

kommunizieren. Dieses Ritual enthielt eine Kommunionansprache, ein Schuldbekenntnis, die

Austeilung selbst, Gebet und Segen, wahrscheinlich auch einige Leisen. Zuvor sollte man

gebeichtet haben.

Diese mittelalterlichen Gottesdiensttypen wurden also von den Reformatoren

übernommen und angepasst. Die einzigartige Bedeutung der Heiligen Schrift hielten die

Reformatoren für das wichtigste Kriterium ihrer Anpassungsarbeit. Aufgrund theologischer

und territorialer Unterschiede entstanden nicht überall die gleichen Agenden, sondern es

entwickelte sich eine große Verschiedenheit. Auch der Gesang wurde von den Reformatoren

betont. Hier gab es ebenfalls die von mir bereits erwähnten mittelalterlichen Vorbilder. Die

protestantische Gemeinde sollte mit gesungenen Psalmen und eventuell anderen Gesängen in

der jeweiligen Volkssprache ihre dankbare Reaktion zum Gehörten zum Ausdruck bringen.

Luther verfasste selber bedeutende und beliebte Lieder, die schweizerische und die

niederländische Reformation hielten jedoch lange Zeit das Psalterium für ausreichend. Das

Lied diente nicht nur als Lobpreis, sondern auch als Katechese und Verkündigung.

Für Luther jedoch war aus Erziehungsgründen das Latein im Gottesdienst wichtig.

Dabei ging es ihm nicht zuletzt auch um die Beibehaltung internationaler Kontakte. Zu seiner

Lebenszeit wurde in Wittenberg oft mehr lateinisch als deutsch gefeiert. Nach seinem Tod

veränderte sich dies allmählich. Aber Latein spielt in der lutherischen Tradition noch immer

eine wichtigere Rolle als in der reformierten. Die Sonntage zum Beispiel tragen oft noch ihre

alten lateinischen Namen.

10

Vgl. I. PAHL: Die Feier des Abendmahls in den Kirchen der Reformation, in H.B. MEYER, Eucharistie.

Geschichte, Theologie, Pastoral (Regensburg 1989 = Gottesdienst der Kirche. Handbuch der

Liturgiewissenschaft 4) 393-430; WEGMAN: Liturgie in der Geschichte des Christentums 312-341.

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7

In allen reformatorischen Kirchen fand jedoch später eine Versteinerung statt. Das

‚Lutherdeutsch’, die King James Version, das vom englischen Erzbischof Thomas Cranmer

geschriebene liturgische Englisch, das Niederländisch der Statenvertaling der reformierten

Synode von Dordrecht aus dem siebzehnten Jahrhundert11

und so weiter, wurden immer

antiquierter, und die Entfernung zwischen der liturgischen Sprache und der tatsächlichen

Volkssprache wurde immer größer.

Man muss allerdings hier (sowie in dieser ganzen historischen Kurzübersicht) mit dem

Ausdruck ‚Volkssprache’ vorsichtig sein. Damit meine ich nicht nur die Tatsache, dass der

weitaus größte Teil der Europäer bis zum neunzehnten Jahrhundert aus Analphabeten bestand

(und dass diese ihre Muttersprache zwar verstehen und sprechen, aber nicht lesen und

schreiben konnten), sondern auch, dass fast alle Volkssprachen aus dem bestanden, das

heutzutage vielmehr als ‚Dialekte’ bezeichnet wird. Noch im Jahr 1789 sprachen 50 % der

Franzosen kein Französisch, nur 12-13 % sprachen es ‚richtig’.12

Drei Viertel Jahrhundert

später, nämlich 1863, sprach noch immer ein Viertel aller Franzosen kaum ein Wort

Französisch.13

Bezüglich der deutschen Sprache verwendete im achtzehnten Jahrhundert nur

eine äußerst kleine Minderheit die deutsche Hochsprache als Alltagssprache.14

Jemand mit

Schwyzerdütsch als Muttersprache konnte eine Person, die eine norddeutsche Mundart

sprach, kaum verstehen. Es gab kaum ‚Nationalsprachen’. Diese wurden bewusst kreiert,

meistens konstruiert aus mehreren Dialekten.15

Es gibt sie eigentlich erst seit der Einführung

der allgemeinen Schulpflicht und dem Aufkommen der Nationalstaaten, in denen eine

einheitliche Sprache für unentbehrlich gehalten wurde.

11

Die Synode fand 1618-19 statt, die Staatenbijbel wurde 1637 publiziert.

12

E. HOBSBAWM: Nations and Nationalism since 1780. Program, myth, reality (Cambridge 1990) 60.

13

G. MAK: In Europa. Reizen door de twintigste eeuw (Amsterdam-Antwerpen 2004) 37.

14

HOBSBAWM: Nations and Nationalism since 1780, 61.

15

HOBSBAWM: Nations and Nationalism since 1780, 54: “National languages are therefore almost always

semi-artificial constructs…They are usually attempts to devise a standardized idiom out of a multiplicity of

actually spoken idioms, which are thereafter downgraded to dialects…” Eine ähnliche Beschreibung auf S. 111.

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Das Konzil von Trient (1545-1563) verurteilte in seiner Auseinandersetzung mit der

Reformation lediglich die Aussage, die Messe dürfe ausschließlich in der Volkssprache

gefeiert werden,16

es verurteilte aber nicht die Teilverwendung der Volkssprache in der

Liturgie. Schon wenige Jahrzehnte später deutete man dies jedoch so, als hätte das Konzil die

Benutzung der Muttersprache als solcher verurteilt. Vier Jahrhunderte lang lehnte Rom die

modernen Volkssprachen im Gottesdienst scharf ab. Sogar Übersetzungen für die persönliche

spirituelle Lektüre wurden untersagt. Versuche französischer Bischöfe im siebzehnten und

achtzehnten Jahrhundert, in ihren Diözesen Teilübersetzungen anzubieten, wurden verurteilt.

Übrigens existierte der damalige Brauch in französischen Kirchen, nach dem

Sonntagsevangelium nicht nur Mitteilungen zu verlesen, sondern auch gemeinsam französisch

das Vater Unser, den Dekalog usw. zu beten, weiter. Dieser prône genannte Teil erinnert uns

an den mittelalterlichen Prädikantengottesdienst.

Die gesellschaftliche Funktion des Latein veränderte sich allerdings in der Epoche der

tridentinischen ‚eisernen Einheitsliturgie’ allmählich. Noch bis ins neunzehnte Jahrhundert

hinein war Latein eine wichtige wissenschaftliche Sprache, aber danach kaum noch.

Außerdem war es immer weniger die Sprache der Kultur und Diplomatie; diese Funktion

übernahmen bestimmte Volkssprachen, wie zum Beispiel das Französische. Das Latein wurde

immer mehr ausschließlich die Sprache der Römisch-Katholischen Kirche. Wie das

Fronleichnamsfest, die Hostienkommunion, der Priesterzölibat und das Papsttum bestätigte

das Kirchen- und Liturgielatein die katholische Identität, auch dem Protestantismus und der

Orthodoxie gegenüber. Freilich trug es ebenfalls zum Antiquiert-Werden der Katholischen

Kirche innerhalb der Gesellschaft bei. Wie die liturgischen Gewänder einst Teil der

Alltagsrealität waren, aber dann antiquiert wurden, so geschah dies auch mit dem Latein.

Es gab jedoch Ausnahmen. Davon gebe ich einige wichtige Beispiele. In Dalmatien wurde,

wie gesagt, die Messe kirchenslawisch gefeiert. Die erste Lesung und das Evangelium der

Messe wurden sogar im modernen Kroatisch vorgetragen. Auch die übrigen Sakramente

wurden kroatisch gespendet. Im Vergleich mit Kroatien spielte die Volkssprache in

Slowenien zwar eine geringere Rolle, aber die Slowenen besaßen seit 1613 ein eigenes

Lektionar und – seit den Dreißigerjahren des zwanzigsten Jahrhunderts – ein vollständiges

Rituale Romanum in slowenischer Sprache. Zwei Jahre nach dem slowenischen Lektionar

16

Si quis dixerit … lingua tantum vulgari missam celebrari debere …: a.s. (Sessio XXII). Siehe J. ALBERIGO

u.a (Hg.): Conciliorum Oecumenicorum Decreta (Bologna 19733

) 736.

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9

gestattete Papst Paul V. die chinesisch gefeierte Messe (1615). Das hier betreffende

Chinesisch war allerdings das Mandarinchinesisch, das nur gut ausgebildete Priester verstehen

konnten. Im Zuge des späteren Konfliktes über den chinesischen Ritus nahm Rom diese

Genehmigung zurück (1755). 1624 erlaubte der Hl. Stuhl die Übersetzung der lateinischen

Liturgie ins Persische, 1631 tat er das Gleiche für das Georgische.17

Im deutschen Sprachgebiet entwickelte die katholische Reformbewegung im Zeitalter

der Aufklärung die so genannte ‚Singmesse’: Während der Priester zum Beispiel den

lateinischen Text des Gloria leise betete, sang die Gemeinde ein deutsches Glorialied. Ein

weiterer Schritt in der Aufklärungszeit war die ‚Betsingmesse’: Der Priester sprach die

offiziellen lateinischen Gebete und die Gemeinde sprach deutsche Gebete und sang Lieder

‚zur Messe’. In diesem Kompromiss wurde einerseits das Latein ‚gerettet’ und andererseits

war eine gewisse Form der tätigen Teilnahme aller Gläubigen gewährleistet. Die Aufklärer

förderten auch die Verwendung der deutschen Muttersprache in der Taufe und der Vesper.

Zwei Benediktiner gaben am Ende des neunzehnten Jahrhunderts Volksmissalien

heraus, die sich rasch verbreiteten: Gérard van Caloen das Missel des fidèles (1882) und

Anselm Schott das Messbuch der hl. Kirche (1884). Neben dem lateinischen Text

beinhalteten sie eine französische bzw. deutsche Übersetzung, aber statt des Canons gab es

wiederum fromme Gebete.18

Nach langem Zögern wurden diese Volksmessbücher von Rom

toleriert. Schott gab 1893 auch ein Vesperbuch heraus. Das später von der belgischen Abtei

Affligem herausgegebene Volksmissaal (1915) wurde jedoch rasch genehmigt. Diese

lateinisch-niederländische Textausgabe beinhaltete sogar den Text des Canons samt

Übersetzung. Mit diesen Büchern konnten die Gläubigen in der Kirche selber die Messe

mitverfolgen und in vielen Teilen zumindest still mitbeten.19

Vor allem seit den

17

Mehr Details dazu u.a. in D. KNIEWALD: Altslawische und kroatische Sprache im Gottesdienst, in

Liturgisches Jahrbuch 13 (1963) 33-42; M. SMOLIK: Muttersprache in der Liturgie. Am Beispiel Sloweniens,

in Liturgisches Jahrbuch 34 (1984) 100-113; J. NIEUWHOF: Talen, liturgische. Volkstaal, in Liturgisch

Woordenboek II (1965-1968) 2639-2646.

18

Der einflussreiche französische Benediktiner Prosper Guéranger (1805-1875) war der Ansicht, dass das

Canongebet nur für Priester bestimmt und für Laien – vor allem für Frauen – schwer verständlich und gefährlich

sei.

19

Het Volksmisboek en Vesperale bevattende al de Missen en gebeden van het Romeinsch Missaal, bewerkt door

de Benedictijnen der Abdij Affligem, versierd naar oorspronkelijke teekeningen van Jos. Speybroeck (Hekelgem

19294

).

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10

Fünfzigerjahren des zwanzigsten Jahrhunderts kamen auch für die übrigen Sakramente

doppelsprachige Ausgaben in Umlauf. Dabei blieb die eigentliche Spendeformel jedoch

meistens nur lateinisch.

Im Kriegsjahr 1943 hatte Rom das seit Jahrhunderten existierende ‚deutsche Hochamt’

– also ein lateinisches Hochamt, in dem der Chor bzw. das Volk deutsche Gesänge ausführt –

für das damalige Deutschland offiziell genehmigt. Es gab ebenfalls ein ‚polnisches Hochamt’,

bei dem der Chor- und der Volkspart aus paraphrasierenden Gesängen bestand; diese Feierart

war, mit Ausnahme der Klöster, in Polen seit dem achtzehnten Jahrhundert üblich. Zudem gab

die polnische Ausgabe des Rituale Romanum aus dem Jahr 1927 der Muttersprache breiten

Raum.

Die Einführung der Muttersprache zeigte sich als ein allgemeines Hauptanliegen in den

Reformbemühungen der so genannten ‚Liturgischen Bewegung’ des neunzehnten und

zwanzigsten Jahrhunderts. Das war unter anderem der Fall im ‚Volksliturgischen Apostolat’,

das vom 1954 verstorbenen Klosterneuburger Augustiner-Chorherrn Pius Parsch gegründet

wurde. Nach dem Jahrhunderte langen, einseitigen Hervorheben des liturgischen Handelns

des Klerus wurden nun immer mehr das aus dem Blick geratene so genannte ‚Volk’ und der

Gemeinschaftscharakter der Liturgie neu betont und man versuchte das Gleichgewicht

innerhalb der Kirche wieder herzustellen. Die römische Kirchenführung betrachtete die

Liturgische Bewegung zunächst mit großem Misstrauen, versuchte sie zu bremsen, tolerierte

sie dann und inkorporierte sie schließlich.20

Die Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanums, Sacrosanctum Concilium (SC), die

am besten vorbereitete der vier Konzilskonstitutionen, die am 4. Dezember 1963 promulgiert

wurde, bestätigte die Liturgische Bewegung auch in Bezug auf die Volkssprache.21

Sie

eröffnete endlich die Möglichkeit, die vielen in der Katholischen Kirche gesprochenen

Volkssprachen auch innerhalb des Gottesdienstes zum Ausdruck zu bringen. Das tat sie aus

pastoralen Gründen, damit auch jene am Gottesdienst Teilnehmenden, die das Latein nicht

verstehen, die Liturgie sprachlich verstehen können. Die Konstitution beabsichtigt, die „volle,

bewusste und tätige Teilnahme“ (participatio plena, conscia et actuosa) aller an der Liturgie

Beteiligten zu ermöglichen. Das christliche Volk hat kraft der Taufe das Recht und die Pflicht

20

Vgl. WEGMAN: Liturgie in der Geschichte des Christentums 348-356.

21

Conciliorum Oecumenicorum Decreta 820-843.

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zu dieser Teilnahme (SC 14). Natürlich werden auch die Priester und die anderen liturgischen

Funktionäre zu einem bewussten liturgischen Handeln aufgefordert. Die aktive Teilnahme ist

jedoch nicht auf die Menschen beschränkt und nicht mit Aktionismus zu verwechseln. Es ist

ja Gott, der einlädt; es ist Christus selbst, der zelebriert (SC 7). Es ist wichtig zu betonen, dass

der theologische Hauptgrund für die Einführung der Volkssprache das Anliegen ist, den Kern

des Glaubens, nämlich die Hinwendung Gottes zu den Menschen und die Hingabe Jesu

Christi erfahren und feiern zu können, das „Geheimnis (Mysterium) des Glaubens“ leben zu

können, und zwar in unseren konkreten Umständen, hier und jetzt.22

Damit das Gottes- und Christusmysterium in den liturgischen Texten und Riten besser

zum Ausdruck kommen kann und die Teilnehmenden diese Riten verstehen können, ist es,

laut der Konstitution, erforderlich, die Liturgie zu revidieren und der Muttersprache in ihr

Raum zu geben (SC 21, 34; in Bezug auf die Eucharistie: 48). Auch mit der hervorragenden

Stellung, die das Konzil der Bibel und den Schriftlesungen gewährt (SC 7, 24, 35, 51, 92,

106), sowie mit der Bedeutung der Inkulturation und Variation (SC 37-38) geht die

sprachliche Verständlichkeit einher.

Für die Konzilsväter selbst war jedoch die allgemeine, uneingeschränkte Einführung

der Volkssprache noch ein Schritt zu weit. Sie bestimmten, „der Gebrauch der lateinischen

Sprache soll in den lateinischen [also in den westlichen] Riten erhalten bleiben“ (SC 36). Die

Erneuerung lag darin, dass die Muttersprache bei den Lesungen und Hinweisen sowie einigen

Gebeten und Gesängen nun offiziell erlaubt wurde. Bei der Eucharistie zum Beispiel sollten

die Lesungen, die Fürbitten und jene Teile, die das Volk betreffen, in der Muttersprache

stattfinden können. Die Veränderungen betrafen also vor allem den Wortgottesdienst der

Messe (damals ‚Vormesse’ genannt), kaum den eucharistischen Gottesdienst. Das ‚Volk’

sollte jedoch die ihm zukommenden Teile künftig auch lateinisch sprechen oder singen

können (SC 54). Auch bei den übrigen Sakramenten und bei den Sakramentalien ist der

Gebrauch der Volkssprache (linguae vernaculae usurpatio) sehr nützlich, so das Konzil, und

soll das Römische Rituale – auch in Bezug auf die Sprache – den Bedürfnissen des jeweiligen

Gebiets angepasst werden (SC 63, 79). Bei den Weiheriten dürfen die Ansprachen des

Bischofs zu Beginn der Feier in der Volkssprache gehalten werden (SC 76). Der Brautsegen,

der so revidiert werden soll, dass er die Verpflichtung zur gegenseitigen Treue beider

22

Vgl. A. REDTENBACHER: „Sacrosanctum Concilium“. Eine notwendige Hinführung nach 40 Jahren, in

DERS. (Hg.): Die Zukunft der Liturgie. Gottesdienst 40 Jahre nach dem Konzil (Innsbruck-Wien 2004) 25-40, S.

28.

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Eheleute ausdrückt, kann ebenfalls in der Muttersprache erteilt werden (SC 78). Was das

Stundengebet betrifft, wird unterschieden: Die Kleriker, also Männer, sollen es lateinisch

beten, obwohl hier Ausnahmen möglich sind. Die Ordensfrauen und einige andere

Gruppierungen dürfen jedoch das Stundengebet in der Landessprache abhalten (SC 101).

Weiters soll innerhalb des römischen Ritus der (lateinisch gesungene) Gregorianische Choral

die wichtigste Stelle einnehmen. Für andere Gesangarten bleibt jedoch auch Raum und der

religiöse Volksgesang soll gepflegt werden (SC 116, 118; vgl. 113).

Die einzelnen Bischofskonferenzen sollen – so das Konzil – den Umfang des

Gebrauches der Landessprache sowie die Übersetzungen aus dem Lateinischen approbieren

(SC 36, 39). In Bezug auf die Eucharistie dürfen die jeweiligen Bischofskonferenzen über den

weiteren Umfang der Verwendung der Volkssprache entscheiden (SC 54). Nur der

Apostolische Stuhl und die Bischöfe dürfen Richtlinien für die Liturgie erlassen (SC 22,

§1-2). Übrigens behandelt das Konzil nicht nur die liturgische Sprache, sondern es erwähnt

auch die Wichtigkeit des heiligen Schweigens (SC 30).

Die liturgiepraktische Realität in den Diözesen und Pfarrgemeinden überholte jedoch die

Konzilsentscheidungen. Es erwies sich pastoral als schwierig, in ein und derselben Feier

immer sowohl Latein als auch die Landessprache zu benutzen. So genannte

‚Pioniergemeinden’ spielten eine Vorreiterrolle. In einigen davon kam es zu Zwischenfällen,

weil sie sich nach der Ansicht der römischen Kurie überhaupt nicht an die kirchlichen

Richtlinien hielten.23

Innerhalb weniger Jahre jedoch war die Landessprache in sehr vielen

Pfarrgemeinden allgemein eingeführt. Im Jahr 1967 kam dann die offizielle römische

Erlaubnis, für sämtliche gesprochenen und gesungenen Texte die jeweilige Landessprache zu

23

Ein besonderes Beispiel betrifft die Praxis, dass in der Amsterdamer Studentenekklesia bereits ab Dezember

1964 das eucharistische Hochgebet nur noch niederländisch vorgetragen wurde. Es handelte sich dabei jedoch

nicht um den römischen Kanon, sondern um Neuschöpfungen. Diese Praxis wurde im November 1965 von der

vatikanischen Kurie abgelehnt. In einem Brief forderte diese, dass ab 1. Dezember 1965 das Hochgebet, nämlich

der römische Canon Missae, wieder lateinisch gesprochen wird. Während einer Zusammenkunft (Anfang

Februar 1966) einiger niederländischer Bischöfe mit mehreren Pfarrgemeinden, in denen liturgische

Experimente stattfanden, entschieden sich die Teilnehmenden, dass der Kurienbrief ‚verloren gegangen’ war und

dass die Studentenekklesia gemeinsam mit den anderen betreffenden Gemeinden künftig den Status

‚Pilotpfarren’ (paroisses pilotes) erhalten sollte. Siehe H. OOSTERHUIS: Licht dat aan blijft. 30 jaar liturgie-

vernieuwing. Kees Kok in gesprek met Huub Oosterhuis (Kampen-Kapellen 1990) 40-46; K. KOK: De vleugels

van een lied. Over de liturgische poëzie van Huub Oosterhuis (Baarn 1990) 124-125. Das wichtigste damals neu

geschaffene eucharistische Gebet von Oosterhuis findet sich in H. OOSTERHUIS: Bid om vrede (Bilthoven

1966) 105-108. Übrigens hatte Oosterhuis auch – im Auftrag der niederländischen Bischöfe – gemeinsam mit

dem flämischen Jesuitenpater Desmet den römischen Kanon ins Niederländische übersetzt, aber diese

Übersetzung ist in der Amsterdamer Studentenekklesia erst in den Neunzigerjahren (sic!) benutzt worden.

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verwenden. Gebete, einschließlich des Hochgebetes, Schriftlesungen, Gesänge: Alle hörten

sie in der eigenen Sprache. Es handelte sich dabei allerdings um aus dem Latein übersetzte

Texte. Die tätige Teilnahme von Ministranten, Lektorinnen und Lektoren und allen anderen

Anwesenden war nun besser realisierbar als zuvor.24

Liturgiekreise konnten Teile des

Gottesdienstes sogar selber gestalten. Es wurden neue liturgische Texte in der jeweiligen

Muttersprache verfasst, teilweise von hohem Niveau. Es herrschte eine Aufbruchstimmung.

Die Einführung der Volkssprache bedeutete nicht, dass es nun keine lateinischen

Gottesdienste mehr gab. Es wurden noch immer lateinische Hochämter zelebriert und in

vielen Pfarrgemeinden sang der Chor das Messordinarium noch – ganz oder teilweise –

lateinisch. Manche trauerten jedoch dem Verlust des Latein als der offiziellen Liturgiesprache

par excellence nach und idealisierten zu Unrecht die vorkonziliare Vergangenheit.

Auf der einen Seite war also die Rolle des Latein als (fast tote) Sprache der ‚sichtbaren

Einheit der Weltkirche’ viel geringer geworden, auf der anderen zeigte die Einführung von

Hunderten lebendigen Muttersprachen erst recht die gegenwärtigen mondialen Züge der

Katholischen Kirche.

Die nach dem Konzil erschienenen revidierten liturgischen Bücher waren zwar wieder in

Latein verfasst, sie wurden aber als Modellbücher verstanden, die in die jeweiligen

Muttersprachen übersetzt werden sollten. Nach welchen Kriterien musste man sie aber

übersetzen? Wörtlich oder frei? Viele lateinische Begriffe stammten aus einer bestimmten

nicht mehr bestehenden Kultur und Zeit, zeigten einige nicht mehr relevante theologische

Akzente oder waren schwierig übersetzbar, wie zum Beispiel die Begriffe sacramentum und

mysterium. Laut einer römischen Instruktion aus dem Jahr 1969 (25. Januar 1969) mit dem

Titel Comme le prévoit, sollte man die lateinischen Texte gedanklich freilegen und ihren

Inhalt in die gehobene Umgangssprache der jeweiligen Landessprache übertragen. Die

Instruktion betonte also das Übertragen statt des buchstäblichen Übersetzens und fügte hinzu,

Neuschöpfungen seien notwendig.25

Außerdem war in den lateinischen Modellbüchern die

24

Vgl. Interview mit Kardinal Franz König. Wie es zur Liturgiekonstitution kam – aus der Sicht eines

Zeitzeugen und Konzilsteilnehmers, in Zukunft der Liturgie 14-24, S. 17, 22. W. HAUNERLAND: Lingua

vernacula. Zur Sprache der Liturgie nach dem 2. Vatikanum, in Liturgisches Jahrbuch 42 (1992) 219-238 legt

dar, dass die uneingeschränkte Einführung der Volkssprache eine theologische Folge der ‚tätigen Teilnahme’

aller ist.

25

R. KACZYNSKI (Hg.): Enchiridion documentorum instaurationis liturgicae. I (1963-1973) (Turin 1976)

421-430.

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Möglichkeit vorgesehen, lokale Anpassungen vorzunehmen. Diese Möglichkeit wurde in

einigen Sprachgebieten stark, so etwa im deutschen und im englischen, und in anderen, wie

zum Beispiel im niederländischen, kaum in Anspruch genommen.26

Eine kurze Erläuterung zur international stark beachteten Situation in den

Niederlanden ist angebracht. Dort wurde nicht nur die offizielle Erneuerung zügig

durchgeführt, sondern es gab auch Experimente mit neuen liturgischen Texten, Gesängen und

Formen. Diese Experimente wurden von einer von den Bischöfen in den Sechzigerjahren

eingesetzten Nationalkommission gefördert, um eine zeitgemäße niederländische Liturgie zu

entwickeln. Dabei spielte die Amsterdamer Arbeitsgruppe für volkssprachliche Liturgie

(Werkgroep voor Volkstaalliturgie) eine Pionierrolle. Vor allem die liturgischen Dichtungen

des in der Amsterdamer Studentenekklesia tätigen Huub Oosterhuis (nicht nur seine Liedtexte

und Fürbitten, sondern auch seine Hochgebete) riefen große Anerkennung und – bei einigen

anderen - starke Ablehnung hervor, im In- und Ausland. Es entstanden viele neue Gesänge für

alle in der Kirche Anwesenden, vor allem im Rahmen von Jugendgottesdiensten (so genannte

‚Beatmessen’). Dies führte zur Koexistenz zweier unterschiedlicher Liturgietypen, nämlich

des römischen und des niederländischen. Es kam auch zur Polarisierung zwischen

Befürwortern und Gegnern dieser Erneuerung. Weil die Letztgenannten von Rom kräftig

unterstützt wurden, gelang es ihnen schließlich, die in Gang gesetzten Experimente und

Reformen zu stoppen, oft sogar zu desavouieren. In der heutigen Praxis beobachtet man

jedoch, dass für die Feier der Sakramente unterschiedliche Formulare benutzt werden: sowohl

26

Vgl. ADAM: Grundriss Liturgie 67-68; A. VERHEUL: De vertaling van de liturgische boeken in de landen

van Europa, in Tijdschrift voor Liturgie 63 (1979) 178-201, S. 198-199.

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die ‚offiziellen’, ins Niederländisch übersetzten römischen Bücher als auch ‚nicht-offizielle’,

von niederländischen Priestern und Theologen verfasste Formulare.27

Das niederländische Beispiel macht anschaulich, dass in Rom die Aufbruchstimmung

schon bald einem Bremsprozess Platz gemacht hatte. Vatikanische Dokumente aus den

Siebziger-, Achtziger- und Neunzigerjahren warnen vor einer zu weit durchgeführten

Erneuerung, bedauern den Mangel an liturgischer Bildung, zeigen oft Ängstlichkeit vor

liturgischen Missbräuchen und betonen die liturgische Disziplin. Eine Offenheit für neue

Entwicklungen sucht man in diesen Dokumenten meist vergebens. Laut der Instruktion

Liturgiam authenticam aus dem Jahr 2001 sollen alle in die jeweiligen Muttersprachen

übersetzten liturgischen Bücher überprüft werden. Damit sie als ‚authentisch’ betrachtet

werden können, brauchen sie die Anerkennung (recognitio) der vatikanischen

Liturgiekongregation.28

Dadurch erobert sich die römische Kurie eine größere

Kontrollbefugnis als von der Liturgiekonstitution selbst vorgesehen ist.29

Einige weitere Entwicklungen machen klar, dass das Latein in der katholischen Liturgie ein

gewisses Comeback feiert. Im Jahr 1984 wurde die lateinische tridentinische Messe in

bestimmten Fällen wieder zugelassen. Weiters sieht man am Äußeren der dritten Ausgabe des

Missale Romanum aus dem Jahr 2002, dass dieses Buch nicht nur als zu übersetzendes

Modell, sondern auch für den regelmäßigen feierlichen Gebrauch gedacht ist. In vielen

Ländern gibt es noch immer die Möglichkeit, an bestimmten Orten die vom Konzil erneuerte

Liturgie nicht in der Volkssprache, sondern lateinisch zu feiern. Für die Teilnehmenden an

27

Vgl. J. ROES: R.K. Kerk Nederland 1958-1973. Een encyclopedisch overzicht (Nijmegen 1974) 33-41, 59-65;

A. SCHEER: De liturgievernieuwing sinds Vaticanum II, in Balans van de Nederlandse Kerk. Kritische

evaluatie van wetenschap en praktijk (Bilthoven 1975 = Annalen van het Thijmgenootschap 63, 1) 103-136,

255-260; H. OOSTERHUIS: Twee of drie. Voor en over kritische gemeenten. Nederlandse kerkgeschiedenis

sinds bisschop Bekkers (Baarn 1980) passim; DERS.: Licht dat aan blijft; H. WEGMAN: Riten en mythen.

Liturgie in de geschiedenis van het christendom (Kampen 19952

) 355-356. Im Januar 1980 fand in Rom eine

damals in der Katholischen Kirche einzigartige, von den vatikanischen Behörden organisierte Sondersynode der

niederländischen Bischöfe gemeinsam mit dem Papst, Kurienkardinälen und einigen anderen statt. Laut

Synodenbeschluss 40 soll die Liturgie nur nach den offiziellen Büchern gefeiert werden, wobei allerdings die in

diesen Büchern vorgesehenen Anpassungsmöglichkeiten wahrgenommen werden können. Siehe Bijzondere

Synode van de Bisschoppen van Nederland, Rome, 14-31 januari 1980. Documenten (Utrecht, Sekretariat der

römisch-katholischen Kirchenprovinz 1980) 43. Es ist aber sehr fragwürdig, ob die Synodenbeschlüsse

Veränderungen in der niederländischen liturgischen Landschaft bewirkt haben.

28

Een-twee-een. Kerkelijke Documentatie 30 (2002) Nr. 7.

29

Siehe auch M. KLÖCKENER: Die Zukunft der Liturgiereform. Im Widerstreit von Konzilsauftrag,

notwendiger Fortschreibung und ‚Reform der Reform’, in Die Zukunft der Liturgie 70-118, S. 85-86, 93, 107.

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diesen Feiern sind Verbundensein mit der ‚Weltkirche’, Rechtgläubigkeit und Erkennung der

Vergangenheit besonders wichtig.

Gleichzeitig gibt es auf der anderen Seite des kirchlichen Spektrums Klagen über die

„abgehobene“, „zeitlose“, „überholte“ Liturgiesprache.30

Klagen, dass Menschen von heute

Begriffe, wie zum Beispiel ‚Heil’, ‚Erlösung’, ‚Opfer’, ‚Sühnetod’ und so weiter, nicht

verstehen.31

Frauen- und Jugendgruppen verlangen eine ihrer konkreten Situation

angemessene Liturgiesprache, eine ‚inklusive Sprache’.32

Bevor über die Muttersprache in der Liturgie weiter zu reflektieren ist, wende ich mich nun

der Situation in einigen Nachbarkirchen zu.

2. Entwicklungen in den Orthodoxen Kirchen und in den Kirchen der Reformation

Das ambivalente Thema der Muttersprache in der Liturgie ist gewiss kein exklusiv

katholisches Problem. Es spielt auch in anderen Kirchen, vor allem in den Ostkirchen, eine

bedeutende Rolle. Was die Ostkirchen betrifft, muss man nuancieren. In vielen ostkirchlichen

Liturgien wird ein älteres Stadium der Muttersprache verwendet: Innerhalb der griechischen

und der russischen Orthodoxie zum Beispiel das Alt- und Byzantinisch-Griechische,

beziehungsweise das Altkirchenslawische.33

Für viele Gläubige ist diese historische Schicht

ihrer Muttersprache nur sehr schwer fassbar. Viele Psalmtexte, Lesungen aus dem Corpus

Paulinum und zahlreiche Hymnen sind sogar fast völlig unverständlich. Zudem haben einige

30

F.-J. ORTKEMPER: Ist unsere Liturgiesprache noch zeitgemäß?!, in Bibel und Kirche 56 (2001) 60, siehe

auch 114-115; DERS.: Zwischen Tradition und Spontaneität, in M. KLÖCKENER u.a. (Hg.): Gottes Volk feiert

…. Anspruch und Wirklichkeit gegenwärtiger Liturgie (Trier 2002) 80-91, S. 80-84; K. RICHTER:

Gottesgeheimnis der Worte. Warum wir dringend eine neue Liturgiesprache brauchen, in Christ in der

Gegenwart 53 (2001) 157-158.

31

Über den Opferbegriff und das katholische Amtsverständnis im Besonderen siehe z.B. die Kritik in P.

TRUMMER: “…dass alle eins sind!”. Neue Zugänge zu Eucharistie und Abendmahl (Düsseldorf 2001). Eine

umfassende liturgiewissenschaftliche (und interdisziplinäre) Behandlung des Opferthemas findet sich in A.

GERHARDS & K. RICHTER (Hg.): Das Opfer. Biblischer Anspruch und liturgische Gestalt (Freiburg-Basel-

Wien 2000 = Quaestiones Disputatae 186).

32

Siehe z.B. T. BERGER & A. GERHARDS (Hg.): Liturgie und Frauenfrage. Ein Beitrag zur Frauenforschung

aus liturgiewissenschaftlicher Sicht (St. Ottilien 1990 = Pietas Liturgica 7); A. GERHARDS: “Einschließende

Sprache im Gottesdienst“. Eine übertriebene Forderung oder Gebot der Stunde?, in Liturgisches Jahrbuch 42

(1992) 239-248; T. BERGER: Sei gesegnet, meine Schwester. Frauen feiern Liturgie. Geschichtliche

Rückfragen, praktische Impulse, theologische Vergewisserungen (Würzburg 1999); G. RAMSHAW: Inclusive

language, in P. BRADSHAW (Hg.): The New SCM Dictionary of Liturgy and Worship (London 2002) 243-244;

M. PROCTER-SMITH: Women and Worship, in New SCM Dictionary 476-478.

33

Vgl. Ph. HARNONCOURT: Ausdrucksformen des Glaubens. Liturgie, Ikonen, Kirchenbau, Gesang, in D.

WINKLER & K. AUGUSTIN: Die Ostkirchen. Ein Leitfaden (Graz 1997) 135-143.

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in den Evangelien benutzte Wörter im Lauf der Zeit eine andere Bedeutung bekommen.

Berüchtigt ist das folgende Beispiel: Das griechische Wort malakia bedeutet in Gebeten sowie

in den Evangelien ‚Schwäche’ oder ‚Krankheit’. Im heutigen Griechenland wird dieses Wort

im Alltagsleben oft verwendet, bedeutet nun aber ‚sexuelle Selbstbefriedigung’ oder –

verzeihen Sie mir den Ausdruck – ‚Schweinerei’. Darum ersetzen viele Priester das Wort in

den Gebeten durch ein anderes Wort für Krankheit, nämlich astheneia. Sie wagen es jedoch

nicht immer, das gleiche bei den heiligen Evangelien zu tun, was bei einigen Gläubigen zum

Schmunzeln führt.

Um dem Problem der Unverständlichkeit einigermaßen zu begegnen, ist es

mittlerweile in einigen slawischen Kirchen, unter anderem in der Russisch-Orthodoxen

Kirche, üblich geworden, die Schriftlesungen nicht nur während des Wortgottesdienstes im

Altkirchenslawischen, sondern kurz vor der Kommunion auch in der Muttersprache zu

verlesen.

Die genannten orthodoxen Kirchen wenden selber das althergebrachte orthodoxe

Prinzip, man solle in der Liturgie die jeweilige Landessprache verwenden, nicht mehr an. Es

gibt wohl eine Diskussion, ob man das heutige Stadium der Muttersprache statt des veralteten

verwenden soll. Im Allgemeinen wehrt sich die Kirchenführung dennoch sehr dagegen. In

Griechenland sind für den Heiligen Synod wichtige Argumente, dass die Septuaginta die

maßgebende Version des Alten Testamentes ist, das Neue Testament selbst im Griechischen

verfasst worden ist, die großen Kirchenväter und liturgischen Dichter sowie die sieben

ökumenischen Konzilien sich dieser Sprache bedienten, und dass in den byzantinischen

Troparien Text und Melodie sich gegenseitig bedingen und daher der Text nicht verändert

werden kann, ohne die Melodie zu schädigen. Umsetzung in eine modernere Sprachgestalt

wäre Untreue der heiligen Tradition und den Urtexten gegenüber. In dieser Hinsicht hat die

griechische Kirche ein wunderbares, aber auch schweres, und der Erneuerung oft im Wege

stehendes literarisches Erbe bekommen. Das kommt auch darin zum Ausdruck, dass die

griechisch-orthodoxe Bibelübersetzung, die nach sehr langer Zeit endlich in den Achtziger-

und Neunzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts zu Stande gekommen ist, im Gottesdienst

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nicht verwendet werden darf.34

Laut der griechischen Verfassung ist es sogar verboten, ohne

Genehmigung der orthodoxen Kirchenführung die Bibel offiziell ins Neugriechische zu

übertragen (Art. 3, Nr. 3).35

Aber weil auch in Griechenland das Problem der

Unverständlichkeit der Texte akut ist, überlegt sogar der griechische Heilige Synod zurzeit,

als Experiment künftig Epistel und Evangelium nicht nur in der Originalfassung, sondern

auch in der Volkssprache vortragen zu lassen. Man hofft, dass so die Beteiligung der

Gläubigen, vor allem der Jugendlichen, verbessert werden kann. Neue

Gottesdienstordnungen, zum Beispiel für neue Heilige, werden übrigens noch immer in der

alten Liturgiesprache verfasst.

Die rumänische, die serbische und die georgische Orthodoxie dagegen benutzen das

Rumänische bzw. das Serbische und das Georgische als Liturgiesprache. In der Ukraine ist

die Lage kompliziert. Die mit dem Moskauer Patriarchat verbundene Ukrainisch-Orthodoxe

Kirche benutzt, wie ihre Mutterkirche, das traditionelle Kirchenslawische. Die beiden anderen

orthodoxen Kirchen in der Ukraine, die jedoch erstens bedeutend kleiner sind und zweitens

von der weltweiten Orthodoxie nicht als kanonisch anerkannt werden, verwenden im

Allgemeinen bereits das Ukrainische – das macht die Autokephale Ukrainisch-Orthodoxe

Kirche seit den Zwanzigerjahren des zwanzigsten Jahrhunderts –, oder sie fangen gerade

damit an, wie es in der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche / Patriarchat Kiev der Fall ist. Dadurch

möchten diese beiden Kirchen zeigen, dass nur sie die Nationalidentität des orthodoxen Teils

der Ukraine verkörpern. Das hat aber zur Folge, dass, in Reaktion dazu, die kanonische

Ukrainisch-Orthodoxe Kirche zusätzliche Argumente gegen die Einführung des Ukrainischen

als Liturgiesprache vorbringt: Sie will ja nicht mit den ihrer Ansicht nach ‚schismatischen’

Kirchen identifiziert werden.36

In der mit Rom unierten Ukrainischen Griechisch-

Katholischen Kirche ist die Situation sehr unterschiedlich. Viele Pfarren und Klöster feiern im

Ukrainischen, aber es gibt von einander abweichende Übersetzungen. Andere Kommunitäten

34

Hê Hagia Grafê (Palaia kai Kainê Diathêkê). Metafrasê apo ta prôtotupa keimena (Athen 1997) XI und Brief

des Konstantinopler Patriarchen Bartholomaios an die Übersetzer des Neuen Testaments (ohne Seitenangabe,

vor dem Text des Neuen Testaments). Siehe jedoch dort den Brief des Patriarchen von Alexandrien, Parthenios,

der weitere Schritte befürwortet.

35

G. & G. (Hg.): To Syntagma tês Helladas (Athen 2001) 20.

36

Ich danke Sophia Senyk (Rom) für ihre Auskunft über dieses Thema. Siehe auch Religious Information

Service of Ukraine 19. September 2003.

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feiern noch im Kirchenslawischen. In der Frage, wer welche Sprache und welche Übersetzung

verwendet, spielen oft divergierende kirchliche Positionen und andersartige Spiritualitäten

eine ausschlaggebende Rolle.37

Aus dieser kurzen, unvollständigen Übersicht einiger bedeutender Ostkirchen in Ost- und

Südosteuropa wird auf jeden Fall klar, dass die Frage, welche Liturgiesprache verwendet

wird, eng mit der Eigenidentität der jeweiligen kirchlichen Gruppierung zusammenhängt.

Die Kirchen der Reformation feiern im Allgemeinen in der jeweiligen Muttersprache.

Allerdings steht auch hier oft die Sprachenfrage im Mittelpunkt der Diskussionen. Es handelt

sich dann vor allem darum, welche Ebene der Muttersprache benutzt wird: Die im hohen

Ansehen stehende, aber jetzt versteinerte Sprache der großen Vorfahren, wie Martin Luther

oder Thomas Cranmer, oder spätere Versionen? Und wenn die moderne Umgangssprache

schon verwendet wird, welches Niveau ist dann erforderlich? Illustrativ für dieses Thema sind

die Diskussionen in der Anglikanischen Kirche. Nachdem The Book of Common Prayer

Jahrhunderte lang das einzige offizielle Gottesdienstbuch der Kirche Englands gewesen war

und das Englisch des literarisch so begabten Erzbischofs von Canterbury, Thomas Cranmer,

die englische Sprache mit bereichert hatte, bot im Jahr 1980 zunächst das Alternative Service

Book Alternativfeiern an und ist seit Ende 2000 eine neue anglikanische Agende, Common

Worship, in Gebrauch. Der Hintergrund dieser neuen Agenden ist der Wunsch, im

Gottesdienst gegenwärtiges Englisch zu verwenden und den Anforderungen der modernen

Zeit besser zu entsprechen. In Common Worship findet man sowohl alte Formulare aus The

Book of Common Prayer als auch neue. Diese Agende versucht also, ein Gottesdienstbuch für

alle Angehörigen der Anglikanischen Kirche zu sein. Die Meinungen sind dennoch geteilt.

Für einige kommt jegliche Nicht-Benutzung der alten Formulare dem Verrat an der eigenen

Tradition gleich. Andere finden die neue Agende auch sprachlich recht gut gelungen. Wieder

andere behaupten, die in der neuen Agende verwendete Sprache sei noch immer altmodisch

und entspreche nicht dem modernen Lebensgefühl, und befürworten ein weiteres Wach-

Küssen der Liturgiesprache durch das veränderte Menschen- und Weltbild.

37

Ich danke Markiyan Filevich (Graz und Lemberg / Lviv) für seine Auskunft über dieses Thema.

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Nach diesem Blick auf die liturgische Praxis in anderen Kirchen möchte ich nun in einem

dritten Schritt auf einige (knappe) fundamentale Punkte zu sprechen kommen, die unser

Thema betreffen.

3. Grundsätzliche Überlegungen

Erstens: Das Mysterium Gottes ist für uns Menschen verschleiert. Obwohl Gott sich im Lauf

der Geschichte, namentlich in seinem Bund mit Israel und in Jesus von Nazareth, erkennen

ließ und sich auch heute den Menschen zu erkennen gibt, ist unser Erkennen unvollkommen.

Sämtliche Versuche – mittels Riten, Mythen, Zeichen, darstellender Künste, Musik und

Sprache – sich dem Gottesmysterium anzunähern, mögen wirkungsvoll sein, aber sie sind

nicht vollkommen. Auch die christlichen Kernriten, die Sakramente, unterliegen dieser

Ambivalenz: In ihnen berührt uns Gott und bleibt uns zugleich doch verschleiert. Sprache ist

daher nicht das Ziel, sondern ein (holpriges) Medium auf dem Weg zur Begegnung von Gott

und Mensch. Auch die beste liturgische Sprache ist also ein unzulängliches Mittel, um das

Geheimnis Gottes und die Vision einer neuen Erde und eines neuen Himmels zum Ausdruck

zu bringen. Sie stammelt, holpert und stockt. Sie spricht über Gott als ‚Alles und Nichts’,

‚Ursprung und Ende’. Gleichzeitig – wiederum paradoxerweise – vermag gerade die Sprache,

wie die übrigen Künste, Funken von Licht, Spuren des Unsichtbaren zu zeigen.38

Zweitens: Sprache ist immer Teil einer bestimmten Kultur. Sie ist nicht einzeln erhältlich,

sondern mit einem bestimmten Denken, Fühlen und Benehmen verbunden. Die lateinische

Sprache ruft eine andere kulturelle Umwelt hervor als zum Beispiel die englische. Wenn es

zutrifft, dass Gott sich immer von konkreten Menschen in ihrer Eigensprache finden lässt,

dass der Heilige Geist sich in konkrete Kulturen herablässt, dann sind alle Sprachen und

Kulturen im Prinzip gleichberechtigte Kommunikationsmittel des Glaubens und der

Liturgie.39

Außerdem ist, wie auch Paulus sagt (1Kor 14,10-19), die sprachliche

38

Vgl. B. SIERTSEMA: “Hoger woord dan klanken kunnen dragen“. De taal van de dichter, in A. VAN

HEUSDEN, K. KOK & C. VAN DER VEN (Hg.): Liedje dat ik niet kan laten. Verzamelde opstellen over de

liederen van Huub Oosterhuis, doctor theologiae (Kampen 2002) 71-79.

39

Vgl. P. PLANK: Liturgische Sprachen, in Religion in Geschichte und Gegenwart 5 (2002)4

470-472, S. 470:

„Prinzipiell ist jedes literaturfähige Idiom als liturgische Sprache geeignet.“

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Verständlichkeit im Gottesdienst ein sine qua non. Sie ist die Bedingung, um „zu deinem

Dankgebet das Amen sagen“ (V. 16) zu können.40

Natürlich spielt das lateinische Erbe für die Identität der Römisch-Katholischen Kirche

eine wichtige Rolle, auch in ihrer Liturgie. Die schönen biblisch inspirierten Hymnen des

lateinischen Stundengebetes sowie die übrigen gregorianischen Choralgesänge geben

manchen Klosterbesuchern, die sich eine ‚Auszeit’ gönnen,41

innere Ruhe und wirken

meditativ. Wäre es nicht auch schade, wenn eine jahrhundertealte Tradition, die die

katholische Identität so sehr bestimmte, völlig verschwindet? In Österreich zum Beispiel wird

heutzutage der Gregorianische Choral vor allem in Klöstern der Zisterzienser gepflegt, er hält

sich bei den Benediktinerinnen mühsam und ist aus den meisten anderen Klöstern sowie aus

den Pfarrgemeinden verschwunden. Allerdings vermag der Gregorianische Choral auch als

Inspirationsquelle für neue volkssprachliche Gesänge zu dienen, wie zum Beispiel mehrere

Schöpfungen des niederländischen liturgischen Komponisten Bernard Huijbers zeigen. In

Österreich singen aber Pfarrchöre noch regelmäßig Messen von Haydn, Mozart und so weiter.

Das ist einerseits schön und Teil der reichen kirchenmusikalischen Tradition dieses Landes,

andererseits führt es leider gelegentlich dazu, dass die Liturgie zum Konzert wird. Liturgie

beinhaltet Ästhetik, aber sie ist viel mehr als Ästhetik und letztere soll die

Verkündigungsdimension des Gottesdienstes nicht überschatten.

Für den pastoralen Alltag gilt aber, dass die heutige, jeweils unterschiedliche Kultur

berücksichtigt werden muss, wie es auch die bereits genannte Instruktion Comme le prévoit

vorsieht. Das trifft übrigens auch für Westeuropa und Nordamerika zu, nicht nur für Afrika,

Asien und Südamerika. In dieser Hinsicht greift die Instruktion Liturgiam authenticam zu

kurz. Außerdem krankt in dieser Instruktion das Verhältnis zwischen den Ortskirchen und der

römischen Kurie. Die Rechte der Bischofskonferenzen, die von der Liturgiekonstitution

ausdrücklich festgelegt sind (SC 22b), werden beschnitten. Ist es nicht die Hauptaufgabe der

römischen Zentralstellen, zu koordinieren und zu ermutigen, statt jede Zeile der

muttersprachlichen, meistens sehr sorgfältig erarbeiteten liturgischen Bücher zu überprüfen?

40

Vgl. A. GERHARDS: Theologische Aspekte des volkssprachlichen Gottesdienstes, in Liturgisches Jahrbuch

34 (1984) 131-144.

41

Es betrifft hier nicht nur Katholiken, sondern gelegentlich auch Protestanten und der ‚offiziellen’ Kirche

Entfremdete.

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Der emeritierte Erzbischof von Wien, Franz Kardinal König betonte im Jahr 1999 die

Notwendigkeit der Dezentralisierung der Katholischen Kirche.42

Die Frage, wann die

Bischofskonferenzen ihre Rechte und Befugnisse zurückfordern werden, ist berechtigt. Zu

diesem Thema gehört auch das gesunde katholische Subsidiaritätsprinzip: Das, was auf einer

niedrigeren Ebene geschehen kann, soll dort passieren und nicht anderswo. Wichtig ist hier

die Zusammenarbeit zwischen Bischöfen und Liturgiewissenschaftlern. Heutzutage

beobachtet man, dass die Letztgenannten in offiziell-kirchlichen Gremien eine immer

geringere Rolle spielen. Beim Zweiten Vatikanum arbeitete das Lehramt des Papstes und der

Bischöfe eng mit dem Forschungs- und Lehramt der akademischen Theologie zusammen.

Nicht zuletzt deswegen war dieses Konzil ein Erfolg.43

Daher ist für die Wiederaufnahme

dieser engen Zusammenarbeit zu plädieren.

Drittens: Liturgische Bücher, auch die offiziellen römischen, sind Behelfe im Gottesdienst.

Sie sind sehr wichtig – eine Feier braucht ein gutes ‚Drehbuch’ – aber sie dürfen nicht

verabsolutiert werden. Es geht um die konkrete Feier,44

um die Verkündigung des Wortes

Gottes an hier und jetzt lebende Menschen, um das heutige Gedächtnis – hodie, sêmeron – der

einmal geschehenen Hingabe Christi. Nicht die liturgischen Texte an sich sind sakrosankt,

sondern der drei-eine Gott ist es. Weil die Menschen sich ständig ändern, ihr Weltbild sich

verändert und sie, je nach Kultur, einen anderen Zugang zu Gott, auch zu Jesus haben, sind

auch die liturgischen Bücher ständig reformbedürftig, damit die Frohe Botschaft zeitgemäß

rituell begangen werden kann.45

Nicht nur die Kirche ist semper reformanda, auch die

Liturgie. Was heute genau die religiösen Gefühle ausdrückt, kann in zehn Jahren schon

42

Vgl. CARDINAL FRANZ KÖNIG: My vision for the Church of the future, in The Tablet, 27. März 1999,

424-426: „ … the curial authorities … have appropriated the tasks of the episcopal college. It is they who now

carry out almost all of them … Today … we have an inflated centralism.” Siehe auch KLÖCKENER: Die

Zukunft der Liturgiereform 91-118.

43

Vgl. H. KRÄTZL: Im Sprung gehemmt. Was mir nach dem Konzil noch alles fehlt (Mödling 19994

) 202: „Der

Fortschritt des Konzils in so vielen Fragen ist wohl nur zu erklären, weil die Bischöfe mit den besten Theologen

gearbeitet haben.“

44

Vgl. BERGER: Sprache der Liturgie 802: „Die liturgische Rede ist im Kern … vor allem Vollzug, Handlung,

Redegeschehen. Bei einem Blick auf liturgische Texte nähert man sich deshalb nur einem kleinen Teil der

Wirklichkeit der Sprache der Liturgie.“ Siehe auch S. 805.

45

Das wird auch dargelegt in W. HAUNERLAND: Liturgiesprache, in Lexikon für Theologie und Kirche 6

(1997)3

988-989; DERS.: Lingua vernacula 232-236; M. KLÖCKENER: Die Zukunft der Liturgiereform

106-108.

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wiederum veraltet sein. Hier ähnelt das Ritual den darstellenden Künsten. Gotik, Barock usw.

wurden in ihrer Zeit als zeitgemäße Gestaltungen der Annäherung zum Gottesmysterium

empfunden. Was die moderne Kunst betrifft, sagt der Grazer Bischof Egon Kapellari mit

Recht, dass sie Freiheit braucht, um das Religiöse ausdrücken zu können. Er plädiert für eine

zeitgemäße Kunst, für die es auch in Sakralräumen Platz gibt. Die liturgische Sprache ist auch

eine Kunst, nämlich die der Dichtung. Wir brauchen gute neue Dichtungen, in Gebeten und

Gesängen. Das Schaffen neuer liturgischer poetischer Gebetstexte ist Jahrhunderte lang in der

Katholischen Kirche vernachlässigt und unterdrückt worden, es muss neu erlernt werden.

Zudem lässt die Arbeit guter Dichtung sich nicht zwingen, man sollte jedoch förderliche

Bedingungen für sie kreieren.46

Dabei geht es nicht darum, alte Wahrheiten durch neue zu ersetzen, sondern sie

sozusagen ‚in neuen Worten zu kleiden’.47

Es geht mir allerdings nicht um ein oberflächliches

‚neue Worte finden’. Es ist äußerst wichtig, zu versuchen, altbewährte

Glaubensüberzeugungen und -erfahrungen – neu, in unserer Zeit inkarniert – in uns selber zu

empfinden und ihnen dann einen authentischen Ausdruck zu verleihen. Wenn dafür neue

verbale Ausdrucksweisen erforderlich sind, soll man davor nicht zurückschrecken. Aber man

sollte sich gleichzeitig anstrengen, alte Texte wirklich zu verstehen. Wenn wir heutzutage

solche Texte nicht sofort verstehen, denken wir oft, dass sie daran schuld sind und viele von

uns neigen dazu, sie zu streichen. Stattdessen sollten wir zunächst versuchen, die im Text

festgelegten religiösen und anderen Lebenserfahrungen auszuloten und sie uns anzueignen.

Diese Aneignung kann jedoch nur geschehen, wenn wir uns selbst – mit unserer ganzen

Person, mit all unseren Lebenserfahrungen – mit dem Text auseinandersetzen.

Ich plädiere hier also nicht für die Abschaffung aller traditionellen liturgischen

Elemente. Das Ritual braucht ja Kontinuität, damit es überhaupt Ritual sein kann. Wir

brauchen Rhythmus und Strukturen, die fest (aber nicht unbeweglich) sind. Nicht nur wir

tragen die Liturgie, sondern sie trägt auch uns. Zudem basieren die Sakramente auf dem

biblischen Befund und der späteren kirchlichen Tradition, wobei der biblische Kern

normierend zu sein hat. Die Liturgie muss zwar zeitgemäß sein, aber die daran

46

A. CHUPUNGCO: Inculturation, in New SCM Dictionary 244-251, S. 248: “It would be an irresponsible act

on the part of church authorities to deprive the worshipping community of prayers concerning current issues by

minimizing the composition of original texts.”

47

T. VAN DER STAP: De lyriek van het verlangen. Over „Ander, ouder“, in Liedje dat ik niet kan laten 96-99,

S. 98.

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Teilnehmenden müssen auch liturgiegemäß sein. Es geht darum, ein richtiges Verhältnis

zwischen dem Festhalten an Traditionellem und alten Formen einerseits und jeweils

zeitgenössischen Ausdrucks- und Sprachformen andererseits, zu finden.48

Das gilt übrigens

nicht nur für die Sprache, sondern auch für die Architektur, die Einrichtung des

Kirchenraumes und die ‚Regie’ der Feier.

Viertens: Die Liturgiesprache soll in der biblischen Botschaft verwurzelt sein. Aber immer

aktualisierend, denn Tradition und heutiges Empfinden müssen mit einander verknüpft

werden. Also in einem ständigen Aggiornamento, klagt die Liturgie Unrecht und Chaos an,

thematisiert sie die Erfahrung der Befreiung durch Gott aus dem Sklavenhaus, aus Armut und

Hunger, und vermittelt die Vision von Freiheit, Essen und Unterkunft für alle, Leben in

Frieden und Gesundheit, Zusammenleben in Solidarität, Versöhnung, Erbarmen und Treue,

die Vision von einer neuen Welt und einem neuen Bund.49

Liturgieerneuerung geht nicht ohne

biblisch-theologische Erneuerung. Das im Lehrhaus gehörte Schriftwort, das im Gottesdienst

gefeierte Wort sowie das in der Diakonie und Caritas gelebte Wort sind untrennbar mit

einander verbunden. Wenn sie getrennt werden, wird die Liturgie nur ‚dröhnendes Erz’ (vgl.

1Kor 13,1).50

Die Heilige Schrift soll immer wieder aktualisiert werden: Gott befreit auch hier

und jetzt durch uns, lebende Menschen.

Weiters soll das Niveau der Muttersprache die gehobene Umgangssprache sein: gut

zugänglich, aber nicht die Sprache der Zeitungen oder des Computers. Sie soll dichterisch

sein. Sie ist ‚die zweite Sprache’ (de tweede taal; Huub Oosterhuis), die Sprache der

Visionen, Bilder und Gleichnisse, die Sprache des Betastens und der Rührung, die Sprache

der Sehnsucht und des Verlangens, eine verletzbare Sprache, die wesentlich anders ist als ‚die

48

Laut M. VAN LEEUWEN: De onalledaagse taal van de liturgie, in M. BARNARD u.a. (Hg.): Nieuwe wegen

in de liturgie. De weg van de liturgie. Een vervolg (Zoetermeer 2002) 65-81, S. 72, ist die Wechselwirkung

zwischen Wiederholung des Alten und neuen Schöpfungen die Kraft der liturgischen Sprache.

49

Vgl. K. KOK: De kunst van de liturgie (Kampen 2004) 34.

50

Vgl. KOK: De kunst van de liturgie 17-18, 24-37.

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erste Sprache’, die Sprache der Tatsachen, Begriffe, des genauen Beschreibens, der

Wissenschaft.51

(Natürlich braucht auch die Theologie als wissenschaftliche Disziplin diese

‚erste Sprache’, aber ihre Quelle und ihr Strömen soll die ‚zweite Sprache’ sein. Das ist leider

oft nicht der Fall und dann dominiert auch im wissenschaftlichen Sprechen von Gott die erste

Sprache die zweite.) Zudem soll, wie Kunst, auch liturgische Sprache nicht glatt, nicht banal

sein, sondern eher der Banalität Widerstand leisten. Gute performative liturgische Sprache

bewirkt Veränderungen, eine Katharsis bei den Teilnehmenden. Sie trägt zum Verbundensein

mit einander sowie zur Begegnung der Gemeinde mit dem Unsichtbaren bei. Sie ist der Atem

der ‚Schule’ der Liturgie, die auf ein anderes Fühlen und Denken, auf die innere Umkehr der

Teilnehmenden hinzielt.52

Es gibt zwei Urpolen, die für menschliches Glück und die

christliche Spiritualität notwendig sind: Geborgenheit und Herausforderung (comfort and

challenge). Die liturgische Sprache bewegt sich vom einen Pol zum anderen, bezieht beide

Pole ein. Sie ‚meistert’ ihre Aufgaben in allerlei Arten des Sprechens: in der Klage genauso

wie im Lobpreis, im tastenden Zweifel wie im festen Wissen, flehend oder verkündigend,

verzweifelt anrufend oder segnend.

Die liturgische Sprache muss nicht unbedingt nur gesprochen werden. Gerade das

Singen kann – mehr als das gesprochene Wort – Gefühle hervorrufen oder Verbundenheit

forcieren. Obwohl der Text den Primat haben soll, unterstützt eine gute Melodie den Text, sie

interpretiert ihn und verleiht ihm Flügel. Mehr als ein gesprochener Text, ist es ein

gesungener, ein Lied, das uns in Bewegung hält.53

Es ist richtig, dass es nicht selten an liturgischer Bildung fehlt, dass es Unwissenheit

und einen Mangel an kulturellem Niveau gibt. Uferloses Gerede, Phrasendrescherei,

Moralisieren kommen in unseren Gottesdiensten regelmäßig vor. Hier ist noch viel

51

Vgl. H. OOSTERHUIS: In het voorbijgaan (Utrecht 19684

) 236-244. Deutsche Übersetzung: DERS.: Du bist

der Atem und die Glut. Gesammelte Meditationen und Gebete (Freiburg-Basel-Wien 1994) 242-254. Eine

Überarbeitung des Textes über ‘die zweite Sprache’ findet sich in DERS.: In het voorbijgaan (Bilthoven 19755

)

151-158. Für liturgische Sprache als ‚zweite Sprache’ siehe auch A. GOVAART: Taal. Een omgangsregeling

met de Onuitsprekelijke, in M. BARNARD & P. POST (Hg.): Ritueel bestek. Antropologische kernwoorden van

de liturgie (Zoetermeer 2001) 131-138; DERS.: Taal. Voorbeelden, in Ritueel bestek 139-144; H. WIERSINGA:

De omgangstaal van Huub Oosterhuis, in Liedje dat ik niet kan laten 80-89. Laut G. RAMSHAW: Language,

Liturgical, in New SCM Dictionary 270, neigen einige Kirchen dazu, eine möglichst einfache Sprache im

Gottesdienst zu verwenden und bevorzugen andere Kirchen dagegen eine außergewöhnliche, ‚sakrale’ Sprache.

52

Vgl. H. HILLENAAR: Het lied als leerschool. Over het „Lied aan het licht“, in Liedje dat ik niet kan laten

117-132.

53

Vgl. OOSTERHUIS: Licht dat aan blijft, passim. Vgl. den Titel des von Kok verfassten Buches: De vleugels

van een lied.

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Bildungsarbeit zu leisten. Aber gleichzeitig muss festgestellt werden, dass in zahlreichen

Pfarrgemeinden begeistert Liturgie vorbereitet und gefeiert wird, dass neben Pfarrern und

Diakonen auch Pastoralassistentinnen und -assistenten sowie viele ehrenamtliche Frauen und

Männer mit großem Einsatz und Zeitaufwand an Liturgiekreisen teilnehmen und liturgische

Sonderfunktionen verrichten. Eine umfassende Liturgieerneuerung, wie die vom Zweiten

Vatikanum veranlasste, braucht einige Generationen, um realisiert werden zu können. Die

Tatsache, dass vierzig Jahre nach dem Konzil noch nicht alles gut ‚läuft’, ist kein Grund, die

Notbremse zu ziehen. Ängstlichkeit und fast ausschließliche Sorge um liturgische Disziplin

sind hier nicht die Lösung, sondern weiteres Aufgeschlossen-Sein sowie gute Betreuung und

Bildung. Der Großteil der Liturgieerneuerung liegt noch vor uns.

Fünftens: Die unterschiedlichen Sprachformen von Jugendlichen, Frauen und anderen

Gruppen verdienen es, honoriert zu werden. Im Allgemeinen muss Liturgie inklusiv sein, darf

das Sprechen von Gott zum Beispiel nicht einseitig maskulin sein. Sie darf weder andere

christliche Gruppierungen noch den von Gott zuerst gerufenen Partner, das jüdische Volk,

ausschließen. Es empfiehlt sich, im liturgischen ‚Angebot’ stärker zu differenzieren. In

Jugendgottesdiensten können die spezifischen Jugendanliegen besser zum Ausdruck kommen.

Bistümer sollten sich dazu entschließen, dass in bestimmten Kirchen Gottesdienste in einer

modernen Sprache, mit einer freieren Struktur als gewöhnlich gefeiert werden. Die Erfahrung

lehrt, dass Menschen, die am Rand oder außerhalb der Kirche stehen, diese Art von

Gottesdiensten oft attraktiv finden. Gute Beispiele dafür sind die ‚Thomas-Feier’ für

‚Zweifler’ und die im Erfurter Dom gefeierten Segnungsgottesdienste für der Kirche

Entfremdete und ‚Nicht-Glaubende’. Der so genannte ‚Gottesdienst für Liebende’ am

Valentinstag zieht Paare der verschiedensten kirchlichen und nicht-kirchlichen Schattierungen

an. Es empfiehlt sich ebenfalls, neben der Eucharistie weitere Gottesdienstformen zu fördern.

Damit meine ich nicht nur das Stundengebet, das ja auch für die Pfarrgemeinden gedacht ist,

sondern bestimmte Andachten, in denen eine freiere Sprache möglich ist, und besondere

Gottesdienste, wie zum Beispiel ‚Gottesdienste für Trauernde’.54

54

Ein ähnliches Plädoyer findet sich in KLÖCKENER: Die Zukunft der Liturgiereform 112-116.

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Es ist vielleicht ein Paradox, dass einer, der Deutsch nicht als seine Muttersprache hat, den

Gebrauch einer lebendigen, volksnahen deutschen Sprache in der Liturgie befürwortet. Ich bin

mir meiner Beschränkungen in dieser Hinsicht wohl bewusst und strenge mich an, mir die

sprachlichen Feinheiten und die emotionale Bedeutung des deutschen Wortschatzes zueigen

zu machen und mich im allgemeinen Sinn in diesem Alpenland zu inkulturieren. Aber auch

wenn ich fließend deutsch sprechen könnte, heißt das noch nicht, dass ich gut Österreichisch

kann. Und wenn ich auch das beherrschen würde, dann kann ich noch nicht Steirisch, das

Summum. Ähnliches ließe sich in Bezug auf das Ostfriesisch, Schwyzerdütsch usw.

feststellen. Die angesprochene Problematik betrifft übrigens nicht nur den Gottesdienst,

sondern auch beispielsweise die Bibelübersetzungen. Hochsprache und Mundarten sind nicht

identisch. Bibelübersetzungen in einzelnen Dialekten werden von denen, die diese Dialekte

sprechen, oft sehr geschätzt. Die Volkssprache hat also viele Schichten.

Wir berühren damit auch ein aktuelles pastorales Kernproblem, nämlich die

Beschäftigung ausländischer Priester für Einheimische zum Beispiel in Österreich und in den

Niederlanden. Die Tatsache, dass viele dieser Priester die Volkssprache oft nur bruchstückhaft

beherrschen, erzeugt pastorale Probleme. Das Aussprechen liturgischer Texte in der

Landessprache ist eine Aufgabe, die die meisten von ihnen schon meistern können, aber in der

Landessprache lebensnah zu predigen, in der Alltagsseelsorge die echten Nöte und Anliegen

der Menschen zu verstehen und ihnen entsprechen zu können, ist vielen kaum möglich. Wenn

man schon ausländische Priester einsetzt, sollte man sich in ihrer Ausbildung um eine

gründliche Inkulturation kümmern.