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4 Sokar - Die Welt der Pyramiden 4 (1/2002)P. Jánosi: Bemerkungen zur Entstehung, Lage und Datierung der Nekropolenfelder von Giza unter Cheops, S. 4-9

Bei dem Versuch, die Entwicklung dieser Nekropolenfelderrelativchronologisch darzustellen, stößt man allerdings schnellan die Grenzen der Möglichkeiten. Das Hochplateau von Gizazählt zwar zu den am besten ergrabenen und dokumentiertenGräberfeldern des Alten Reiches, was einerseits eine erfreuli-che Feststellung ist, doch sind die Fragen zur Datierung undzur relativen Chronologie von Gräbergruppen bzw. einzelnerGrabanlagen keineswegs so sicher, wie man glauben möch-te. Die seit über einem Jahrzehnt aufgeflammte und z. T. rechtkontrovers geführte Diskussion zur Datierung von Grabanlagendes Alten Reiches zeigt eindrücklich, auf welch unsicheremFundament wir uns hinsichtlich der relativen Chronologie die-ser Epoche bewegen. So begrüßenswert die derzeitige Aus-einandersetzung zu Datierungsfragen ist, so bedauerlich sinddie oft einseitig argumentierten Schlußfolgerungen und über-triebenen Rückdatierungen. Es ist offenbar immer noch an-genehmer, anhand einiger selektiv gewählter Kriterien sche-matische Datierungspostulate aufzustellen (die lediglich ein

Bemerkungen zur Entstehung, Lage undDatierung der Nekropolenfelder von Giza

unter CheopsDr. Peter Jánosi

Als Cheops am Beginn seiner Regierung auf dem nördlichen Ausläufer der Mokattam-Forma-tion (heute bekannt unter dem modernen Toponym Giza) sein Grabmal zu errichten begann,dürfte bereits festgestanden haben, in unmittelbarer Nähe der Königspyramide Grabbautenfür seine Familie und Untergebenen anlegen zu lassen. Dem heutigen Besucher des Pyramiden-plateaus stellen sich die beiden großen Gräberfelder östlich und westlich der Cheopspyrami-de als gewaltige Areale mit einer verwirrenden und fast unüberschaubaren Anzahl von Grab-anlagen dar. Beide Gräberfelder mit ihren ungezählten Bestattungen blicken auf eine langeBau- und Belegungsgeschichte zurück, die bis heute nicht eindeutig faßbar ist.

gesichertes Datierungsnetz vortäuschen)1, als der sicherlichmühsameren Aufgabe einer umfassenden und tiefgehendenUntersuchung über den Zustand und die Belegung der Grä-berfelder des Alten Reiches nachzugehen. Ein Jahrhundertnach der berühmten »Aufteilung« der Nekropole von Giza(1902) unter den drei interessierten KonzessionsbewerbernAmerika, Deutschland und Italien sind wir immer noch nicht inder Lage, die Entwicklungsstadien dieser Nekropole unter deneinzelnen Herrschern einigermaßen gesichert darzulegen.Dabei erkannte bereits Hermann Junker, der ab 1912 im Na-men der Österreichischen Akademie der Wissenschaften diedeutsche Konzession im Gräberfeld übernahm, daß nur einTeil der fast unübersehbaren Zahl an Grabanlagen und Be-stattungen dieser gewaltigen Nekropole tatsächlich in die 4.Dynastie und noch wenigere Gräber in die Zeit des Gründersder Nekropole zu datieren sind. Eine relativchronologische undhistorisch fundierte Aufarbeitung der Nekropole schien ihm fürdie frühe Zeit daher wünschenswert.2

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Nun ist die Problematik der Datierungsfrage nicht nur imAlter der Anlagen und in der Spärlichkeit des erhaltenen Ma-terials begründet, sondern beruht im Gegenstand selbst. Dafür das Alte Reich eindeutige Textquellen zu den Grab-eigentümern nur in beschränktem Maße zur Verfügung ste-hen, stützt man sich auf archäologische Dokumentationen.Hierbei ist es wichtig festzuhalten, daß es sich um indirekteZeugnisse handelt, die die Lebenszeit des Betreffenden le-diglich einzugrenzen vermögen. Dennoch wird immer wiederversucht, anhand archäologischer Relikte – sprich einer Grab-anlage – eine bestimmte Person zeitlich zu fassen. Dabeiübersieht man jedoch leicht, daß man nicht die Person, son-dern den Gegenstand der Untersuchung datiert, im vorliegen-den Fall also die Grabanlage oder im Speziellen deren Deko-rationen, Texte oder Ausstattungen.

Für den Fall Giza kommt noch eine weitere Besonderheit indieser Frage hinzu. Die Entstehungszeit des Grabmassivs –also der Mastaba – muß nicht mit der Ausführung und Vollen-dung der Dekorationen und Beschriftungen zeitlich Hand inHand gehen (in einigen Fällen können sogar etliche Regie-rungen dazwischen liegen). Dies kann bei einer Reihe vonGräbern mühelos nachgewiesen werden. Hier sei als Beispieldie bekannte Kultkammer des Seschemnefer III. (G 5170)3

aus dem sogenannten »Cemetery en Échelon« im Westfeld,die sich heute in Tübingen befindet, genannt.Seschemnefers Grabbau datiert sicher aus derersten Hälfte der 4. Dynastie, seine Kapelle bzw.deren Dekorationen müssen hingegen aufgrundder Inschriften in die Regierungszeit des Niuser-re eingeordnet werden,4 und vielleicht lebte derGrabbesitzer sogar noch unter der Regierung desMenkauhor oder Djedkare-Isesi. Wir wissen esnicht, aber kategorisch ausschließen können wires auch nicht.

Die chronologische Fixierung eines Grabesbedeutet a priori also nicht auch die Lebenszeitdes dort Bestatteten bestimmt zu haben. Konse-quenterweise legt der Zeitpunkt der Fertigstellungder Grabanlage natürlich nicht den Zeitpunkt desAblebens bzw. den der Bestattung des Grab-besitzers fest. Ein berühmtes Beispiel einer kras-sen Fehldatierung ist der bekannte Debehni. Auf-grund einer Inschrift in seinem Felsgrab, die Kö-nig Mykerinos nennt, werden der Grabbesitzerund sein Felsgrab allgemein in dessen Regierungdatiert. Es ist dies ein Paradebeispiel dafür, wienaiv man in der Ägyptologie nach wie vor ägypti-schen Inschriften vertraut ohne andere relevanteDatierungskomponenten in Betracht zu ziehen.Nach eingehender Auswertung des zur Verfügungstehenden Materials an architektonischem Be-fund, Dekoration und Texten kann es keinen Zwei-fel geben, daß Debehnis Lebenszeit nicht vor derMitte der 5. Dynastie anzusetzen ist.

Das Westfeld

Doch kehren wir zu den Gräberfeldern, die un-ter Cheops angelegt worden sind, zurück. Da istan erster Stelle das sogenannte Westfeld, daswestlich der Cheopspyramide und nördlich derChephrenpyramide liegt, zu nennen. Es ist dergrößte Nekropolensektor in Giza und umfaßt eine

Fläche von ca. 500 x 375 Metern Ausdehnung. Aufgrund desarchäologischen und architektonischen Befundes erkannteReisner, der den größten Teil dieser Nekropole ausgegrabenund untersucht hatte, daß sich der Westfriedhof aus mehre-ren sogenannten Kernfriedhöfen (»nucleus cemeteries«) ent-wickelt hatte, die den Ausgangspunkt der weiteren Fried-hofsbelegung bildeten. Seine Bezeichnung bezieht sich aufMastabamassive, die in Ausrichtung und Bauweise Überein-stimmungen zeigen und zu einheitlichen Gruppen zusammen-gefaßt werden können.

Die drei ältesten »Kernfriedhöfe«, aus denen sich das west-liche Gräberfeld herausgebildet hat, bestehen aus den folgen-den Gruppen5:

G 1200: Das Gräberensemble von G 1200 besteht aus zehnAnlagen und liegt ca. 175 Meter westlich der Gräber-gruppe G 2100.

G 2100: Der Kernfriedhof G 2100 liegt ca. 50 Meter östlichder großen Anlage G 2000 und ca. 40 Meter nörd-lich der Gräbergruppe von G 4000. Der Friedhof be-steht aus 11 Anlagen, die in vier Nord-Süd-Reihenangeordnet sind.

G 4000: In G 4000, dem größten der drei ältesten Kernfried-höfe, liegen 42 Mastabas (darunter auch das be-rühmte Grab des Hemiunu G 4000), die nach einemso auffällig regelmäßigen System angelegt sind, wiees nur in G 7000 eine Entsprechung findet. Die Grä-ber sind in sechs regelmäßigen Reihen angeordnet.

Position und Größe der KernnekropolenG 1200, G 2100 und G 4000 unter Cheops.

Abb.: Liza Majerus

Foto links: Blick auf den ausgedehnten Nekropolenbereich west-lich der Cheopspyramide auf dem Giza-Plateau. Foto: Michael Haase

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6 Sokar - Die Welt der Pyramiden 4 (1/2002)P. Jánosi: Bemerkungen zur Entstehung, Lage und Datierung der Nekropolenfelder von Giza unter Cheops, S. 4-9

Sowohl Reisner wie auch Junker erkannten, daß die topo-graphischen Bedingungen des Plateaus einen wesentlichenFaktor für die Standortwahl der ältesten Anlagen bildeten.6 Diefür den Bau von großen Anlagen günstigsten Plätze wurdenzuerst ausgewählt und belegt. Daneben wird auch die Verfüg-barkeit des Baugrundes eine wesentliche Rolle gespielt ha-ben. Aufgrund dieser Beobachtungen stellten beide Ausgrä-ber fest, daß die Entstehung und Belegung des Westfriedhofesin der Regel von West nach Ost verlief.7 Die ältesten Anlagenlagen nicht unmittelbar in der Nähe der Königspyramide, son-dern in beträchtlichem Abstand zu dieser. Reisner erkannteauch, daß neben den topographischen Kriterien im Geländedie im Zusammenhang mit dem Bau befindlichen Königspyra-mide notwendigen Einrichtungen (Rampen, lokale Steinbrü-che, Versorgungswege, Transportbahnen etc.) zu unterschied-lichen Distanzen zwischen den ersten Privatgräbern und derKönigspyramide geführt haben müssen. Im Vergleich zu denälteren Nekropolen in Meidum, Dahschur oder Sakkara ist au-ßerdem auffällig, daß in Giza der Abstand zwischen Königs-grab und Privatfriedhof auffällig abgenommen hat,8 was ne-ben topographischen Gründen sicherlich die Beziehung aberauch die Abhängigkeit zwischen König und Untergebenen do-kumentiert.

Die Frage nach den ursprünglichen Besitzern der Gräberim Westfeld – also den anfangs vorgesehenen Grabeigentü-mern unter Cheops – stellt einen der wichtigsten Punkte derBelegungsgeschichte der Gizanekropole dar. In dem ältestenfaßbaren Bauplan dieser Nekropole entstanden insgesamt 64Tumuli mit je einer Bestattungsanlage,die folglich der Beisetzung von 64 Per-sonen dienten. Die Baubefunde, Inschrif-ten sowie die ungenutzt verbliebenen An-lagen zeigen jedoch, daß das ursprüng-liche Konzept nicht bzw. nur z. T. verwirk-licht wurde. Lediglich eine kleine Grup-pe der in diesen Gräbern bestatteten Per-sonen kann aufgrund ausreichender In-dizien tatsächlich als ursprünglicher Be-sitzer der Mastabas identifiziert werden,wobei die tatsächliche Verbindung zumKönigshaus bis auf wenige Einzelfälle(Hemiunu als Neffe des Cheops) un-durchsichtig bleibt.

Wann die Gräberfelder bzw. einzelne Grabanlagen inner-halb der Regierung des Cheops erbaut worden sind, bleibteine offene Frage, da keine verläßlichen Quellen vorliegen.Reisner versuchte anhand eines relativen chronologischen Ge-rüsts die Bauarbeiten im Westfeld zeitlich zu unterteilen. Sei-ner Vorstellung nach setzten die Arbeiten an den ältesten Grä-bern vor dem 5. Regierungsjahr des Königs ein.9 In sukzes-siver Folge wurden dann alle Mastabamassive bis kurz nachdem 15. Regierungsjahr errichtet. Demgegenüber ist festzu-halten, daß es für dieses angenommene zeitliche Gefüge we-der in den Baubefunden noch im vorhandenen TextmaterialAnhaltspunkte gibt. Einige Überlegungen schließen einen der-artig frühen Ansatz der Bauarbeiten sogar aus. Es ist nämlichfraglich, ob bereits in den ersten Jahren des Cheops, als sichalle Arbeiten auf die Pyramide konzentrierten, der Baugrundim Westfeld zum Errichten der ersten Mastabas überhauptzur Verfügung gestanden hat, da davon auszugehen ist, daßim ersten Regierungsjahrzehnt das Feld für große Materialsan-lieferungen für das Massiv des königlichen Grabmonumentszur Verfügung stehen mußte.

Ein weiterer Einwand, der gegen die frühe Ansetzung derEntstehungszeit der Gräber spricht, ist der unvollendete Zu-stand fast aller Mastabatumuli der Kernfriedhöfe. Von den ins-gesamt 64 Grabmassiven wurden nach Ausweis der Baube-funde nur etwa ein Viertel vollendet. Es läßt sich mit dem bis-her vorliegenden Material kaum vernünftig begründen, warumdie ältesten Tumuli zwar im 5., 10. oder nach dem 15. Jahrdes Königs als Rohbau standen, es dann aber kaum einemGrabeigentümer gelungen sein soll, innerhalb der doch rechtlangen Regierung des Königs sein Grab fertigstellen zu las-sen.

Auf dem Westfriedhof: Links oben die Mastaba G 4460. Blick vonSüdosten. Rechts am Bildrand die im späten Alten Reich errichte-te kleine Mastaba des Kapuptah. Links unten die Grabanlage G4350 von Nordosten. Rechts oben die Mastaba G 4250 mit ihrenbeiden Kultstätten an der Ostseite. Im Hintergrund die Pyramidedes Chephren. Alle Fotos: Michael Haase

Die Mastaba des Hemiunu (G 4000) von Südwesten. Hemiunu war Wesir und Bauleiterunter Cheops. Seine Mastaba bildet die westliche Begrenzung der Nekropole G 4000. Tei-le ihrer westlichen Verkleidung wurden rekonstruiert. Nordwestlich der Mastaba findenderzeit Ausgrabungen statt. Foto: Michael Haase

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Blick von der Mastaba G 4150 (Grabinhaber: Iunu, u. a. »Vorsteherder Arbeitermannschaften von Oberägypten«) in Richtung Nord-osten. In der Bildmitte die Mastaba G 4260, rechts daneben dieMastaba des Richters Merhetepef (G 4360). Foto: Michael Haase

Der Ostfriedhof – Die Nekropole G 7000

Ein etwas anderes Bild der Bauvorgänge bie-tet sich an der Ostseite der Cheopspyramide.Diese Nekropole umfaßt auf einer Fläche vonetwa 350 x 300 Metern Größe Grabanlagen un-terschiedlicher Größe und Form, die südlich desköniglichen Aufwegs und östlich der Cheopspy-ramide liegen. Zentrum dieses großen Gräber-feldes ist die Nekropole G 7000, die die Graban-lagen der unmittelbaren Nachkommen des Che-ops enthält. Dazu gehören die drei Königinnen-pyramiden G I a-c, die Teil der Nekropole G 7000sind, die acht großen Mastabas sowie die gigan-tische Anlage G 7510 des Prinzen Anchchaef imOsten. Um diese Bauten gruppieren sich weite-re Mastabas sowie zahlreiche kleinere Anlagen,die zum Teil an die älteren Gräber angebaut sindund nicht in die Entstehungszeit des Prinzen-friedhofes fallen.

Aufgrund der Befunde und verschiedener Be-obachtungen lassen sich in G 7000 mindestensdrei Bauperioden unterscheiden, die wesentlicheMerkmale der Zusammengehörigkeit und Aus-richtung der Gräber zueinander erkennen lassen.Alle drei Bauetappen sind der Regierung desCheops zuzuordnen, wobei die zeitliche Ordnungder Planänderungen innerhalb dieser Regierungnur ansatzweise bestimmt werden kann. BereitsReisner, der diesen Nekropolensektor untersuch-te, machte in seiner Darlegung der Nekropolen-entwicklung10 darauf aufmerksam, daß G 7000nicht in einem Bauvorgang angelegt wurde. ImBauplan seien mindestens zwei große Änderun-gen zu unterscheiden, die unter Cheops stattge-funden haben.11

Eine wesentliche und heute noch gut erkenn-bare Veränderung des anfangs geplanten Fried-hofskonzepts betraf die Mastabas. Ursprünglichwaren in G 7000 zwölf Mastabamassive mit den Abmessun-gen von ca. 36,15 x 16,08 Metern (69 x 30 Ellen) in drei Rei-hen zu je vier Massiven im Rohzustand errichtet.12 Zu einemspäteren Zeitpunkt in der Regierung des Cheops wurden diezwölf Massive zu zwei Reihen großer Doppelmastabas umge-staltet. Hierbei verband man die Tumuli der nördlichen beidenReihen miteinander und schuf Doppelmastabas (»twin-ma-

Blick auf den Ostfriedhof von der Königinnenpyramide G I-c.Rechts im Vordergrund ein spätzeitlicher Isis-Tempel, der auf denRuinen des Totentempels der Pyramide G I-c errichtet wurde undsich über die »Königinnenstraße« hinweg bis ins Kernmauerwerkder Mastaba des Prinzen Chaefchufu I. (G 7130-7140) erstreckt.Links daneben die Mastaba des Kawab (G 7110-7120). Foto: Michael Haase

Die Besitzer der Gräber in der Nekropole G 7000.Abb.: Liza Majerus; geändert: M. Haase

stabas«) von durchschnittlich etwa 83,55 x 19,93 Meter (158x 38 Ellen) Größe. Die dritte Reihe im Süden wurde durchAnsetzen eines massiven Kernbaus an die ursprüngliche Ma-staba nach Süden verlängert. Diese Anlagen besaßen im End-zustand etwas geringere Abmessungen als die der nördlichenReihe: 68,47 x 18,9 Meter (130 x 36 Ellen).13

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Für die Entstehung des Ostfriedhofes muß davon ausgegan-gen werden, daß die königliche Anlage mit allen Nebeneinrich-tungen zumindest konzipiert oder bereits im Entstehen war. ImBau oder in Planung befindlich waren der königliche Pyrami-denkomplex mit dem Aufweg und dem Pyramidentempel, dieBootsgruben, die Nebenpyramiden G I-a und G I-b, wahrschein-lich auch die kürzlich freigelegte Kultpyramide (G I-d)14 des Kö-nigs. Auffällig ist die exakte Ausrichtung der einzelnen Bauwer-ke zueinander, wobei ein Bezug auf den Königsbezirk als »Be-zugspunkt« nicht zu übersehen ist. So ist eine klare Nordgren-ze der Nekropole G 7000 zu erkennen, bei der die nördlichePyramidenkante von G I-a und die entsprechende Kante dergroßen Mastaba G 7510 (Anchchaef) eine Linie bilden,15 süd-lich deren Verlaufes die Mastabas des Kernfriedhofes angelegtwurden. Alle Grabanlagen, die zwischen dieser Linie und demnach Nordosten verlaufenden Aufweg liegen, sind später entstan-den.16

Diese exakte Ost-West-Abgrenzung von G 7000 im Nordenläßt die Vermutung zu, daß der Verlauf des königlichen Aufwegsursprünglich axial auf die Pyramide ausgerichtet geplant warund wahrscheinlich erst weiter im Osten Richtung Nordostenzum Taltempel im Fruchtland abknicken sollte.17 Auch die Süd-seite der Nekropole zeigt exakte Ausrichtungen, auch wenn diesenicht von einer einzigen Grenzlinie gebildet werden. Wiederumist gut zu erkennen, daß die Südkante von G I-b und die dergroßen Mastaba G 7510 auf einer gedachten Linie liegen, die inder Verlängerung nach Westen mit der Südkante der Cheops-pyramide zusammenfällt. Auf dieser Linie scheint die Nordkanteder neu entdeckten Kultpyramide G I-d zu liegen. Diese Aus-richtung beruht sicher auf keinem Zufall, und es kann vermutetwerden, daß die Anordnung Königspyramide, Kultpyramide,Königinnenpyramiden G I-a, G I-b und Mastaba G 7510 in ei-nem direkten Bezug zueinander stehen.

Auch bei der Südreihe der Doppelmastabas ist eine Bezug-nahme auf eine imaginäre »Grenze« festzustellen. Diese warbis vor kurzem nicht so klar ersichtlich und ist erst durch diejüngsten archäologischen Unternehmungen offenbar geworden.So ist zu erkennen, daß die Südkante der Kultpyramide G I-d ineiner Linie mit den Südkanten der Mastabakerne der Südreiheliegt und auch hier ein »Abschluß« des Gräberfeldes vorliegt.Demnach scheinen die zwölf Mastabatumuli entstanden zu sein,als die königliche Nebenpyramide bereits im Bau oder zumin-dest in Planung befindlich war.

Zusammenfassend kann also festgehalten werden, daß dasältere Baukonzept an der Ostseite der Königspyramide folgen-de Bauwerke umfaßte:

- den Königsbezirk (mit Pyramide, Pyramidentempel,Aufweg, Umfassungsmauer),

- die Kultpyramide G I-d,- die Königinnenpyramiden G I-a und G I-b,- die Mastaba des Anchchaef, G 7510,- die zwölf Mastabatumuli 7110-7410, 7120-7420 und

7130-7430.

Wann die ersten Mastabas an der Ostseite errichtet wurdenund wann die Umgestaltung in acht große Zwillingsmastabaserfolgte, lassen die Quellen leider nicht erkennen. Die Anzahlder Baugraffiti aus dieser Nekropole sind zu gering und wider-sprüchlich, als daß man ein verläßliches Datierungsgerüst ent-werfen könnte. Solange auch die Art der Jahreszählung im Al-ten Reich nicht eindeutig geklärt ist,18 wird die zeitliche Bestim-mung der Entstehung vage bleiben, da auch die Regierungslängedes Cheops mit den bisher vorliegenden Quellen nicht festge-legt werden kann (die Überlieferungen im Turiner Königspapy-rus halte ich aus methodischen Gründen für diese Epoche fürwenig vertrauenswürdig). Immerhin ist aber auch in der Nekro-pole G 7000 zu erkennen, daß ein Großteil der Gräber nie voll-

Die Bauänderungen in der Nekropole G 7000:Oben: Erstes geplantes Konzept mit zwei Königinnenpyramidenund 12 Mastabas. Unten: Erweiterung um eine Nebenpyramide(G I-c) und Umgestaltung der Mastabas zu acht Doppelmastabas.

Beide Abbildungen: Liza Majerus

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9Sokar - Die Welt der Pyramiden 4 (1/2002)P. Jánosi: Bemerkungen zur Entstehung, Lage und Datierung der Nekropolenfelder von Giza unter Cheops, S. 4-9

Anmerkungen und Literatur:1 Das Bestürzende dabei ist nicht die Tatsache der Neudatierung etli-

cher Anlagen, sondern das zeitliche Ausmaß dieser Neudatierungen:bestimmte Grabanlagen bzw. ganze Gräbergruppen werden um Ge-nerationen bzw. Dynastien umdatiert!

2 H. Junker, Gîza. Bericht über die von der Akademie der Wissenschaf-ten in Wien auf gemeinsame Kosten mit Dr. Wilhelm Pelizaeus unter-nommenen Grabungen auf dem Friedhof des AR bei den Pyramidenvon Gîza, Bd. XII, 1955, S. 12.

3 PM III2, S. 153; E. Brunner-Traut, Die altägyptische GrabkammerSeschemnofers III. aus Gîsa. 1995; I. Gamer-Wallert, Von Giza bis Tü-bingen. Die bewegte Geschichte der Mastaba G 5170. 1998.

4 Der jüngste in den Darstellungen vertretene Königsname des Neferir-kare ist lediglich ein terminus post quem.

5 Zur Numerierung der Nekropolen siehe G. A. Reisner/C. S. Fisher, ASAE13, 1913, S. 227, S. 229f.; G. A. Reisner, A History of the Giza Necropolis.Vol. I, Cambridge (Mass.) 1942, S. 13f., S. 66ff.

6 G. A. Reisner, Giza I, S. 66ff., S. 75ff.; H. Junker, Gîza I, S. 3ff.7 G. A. Reisner, Giza I, S. 66, S. 78ff, S. 417, S. 454f.; H. Junker, Gîza I,

S. 10ff. Eine Ausnahme bildet die Nekropole G 1200.8 In Dahschur liegt das Gräberfeld Dahschur-Mitte etwa 900 Meter süd-

östlich der Roten Pyramide, G. Heindl, MDAIK 49, 1993, S. 267ff., Abb.5; N. Alexanian, MDAIK 54, 1998, S. 314, Abb. 2; R. Stadelmann/N.Alexanian, MDAIK 54, 1998, Abb. 2.

9 G. A. Reisner, Giza I, S. 12, S. 75f., S. 78, S. 83f.10 Giza I, S. 16, S. 70ff., S. 81.11 G. A. Reisner, Giza I, S. 16, S. 70ff., S. 296, fig. 18. Reisner brachte

diese Änderungen in G 7000 in Verbindung mit den zwei scheinbarenÄnderungen des Baukonzepts in der Königspyramide, op.cit., S. 80f.;gegen die Theorie der Bauphasen in der Königspyramide siehe R.Stadelmann, Die ägyptischen Pyramiden. Vom Ziegelbau zum Welt-wunder, Mainz 19973, S. 110f.

12 G. A. Reisner, Giza I, S. 59, S. 72.13 G. A. Reisner, Giza I, S. 72, S. 80f., S. 296.14 Dieses kleine Bauwerk wurde erst 1992 entdeckt, siehe Z. Hawass in:

Studies in Honor of William Kelly Simpson (hg. von Peter Der Manue-lian), Boston 1996, S. 379ff. Die Errichtung dieser Pyramide wird vomAusgräber an das Ende der Regierung des Cheops datiert. Das Bau-werk ist nicht im eigentlichen Pyramidenbezirk eingeschlossen, son-dern steht zwischen den Königinnenpyramiden und der Umfassungs-mauer des königlichen Bezirks.

15 Wie M. Lehner, The Pyramid Tomb of Hetep-heres and the SatellitePyramid of Khufu. SDAIK 19, 1985, fig. 9, gezeigt hat, liegt diese Liniein der Verlängerung nach Westen genau in der Achse der Königskam-mer der Pyramide.

16 So die beiden großen Anlagen G 7810 und G 7820, die nach G. A.

endet wurde, was angesichts der Besitzer dieser Anlagen einmerkwürdiges Licht auf die Geschichte wirft.

Noch unter der Regierung des Cheops muß es aber zu er-heblichen Änderungen im bereits bestehenden Baukonzeptgekommen sein. Die Gräber der nördlichen beiden Reihenwurden, wie bereits oben beschrieben, verbunden und zu gro-ßen Doppelanlagen umgebaut. In der südlichen Reihe mußtean jeden Tumulus ein neues Massiv angebaut werden, umeine einheitliche Gestaltung der Gräber zu erhalten. Diese Ver-längerung der Südreihe weist ebenfalls eine Ausrichtung auf,die mit der Südkante der dritten Nebenpyramide G I-c zusam-menfällt. Da die Südkante von G I-c und die Südkanten dererweiterten Doppelmastabas G 7130/40–7430/40 in einer Li-nie liegen, dürfte die Erweiterung der südlichen Mastabareihedes Kernfriedhofes vermutlich im Einklang oder zumindest kurzdanach mit der Errichtung der dritten Nebenpyramide erfolgtsein.19 Die Umwandlung der zwölf Tumuli in acht große Doppel-anlagen erfolgte also in vorgegebenen Grenzen. Während imNorden die Grenzlinie zum königlichen Aufweg eingehaltenwurde, bildete im Süden die Südkante der dritten Königinnen-pyramide G I-c die Abschlußlinie für die Doppelmastabas derSüdreihe.

Auch wenn die wahren Ursachen die-ser Bauänderungen nicht mehr befrie-digend zu ergründen sein werden, sodürfte es doch klar sein, daß von einereinheitlichen Planung unter Cheopsnicht gesprochen werden kann. Die Än-derungen und Ergänzungen in der Archi-tektur zeigen, daß während der Regie-rung des Königs Erfordernisse eintraten.Die Errichtung einer dritten Nebenpyra-mide (G I-c) und die Erweiterung dersüdlichen Mastabareihe geben zu erken-nen, daß es offenbar notwendig wurdefür weitere Mitglieder der KönigsfamilieGrabstätten zu errichten. Aufgrund derbesonderen Form der großen Zwillings-oder Doppelmastabas (»twin-masta-bas«)20 sollte dabei auch eine bestimm-te elitäre Absicht der Besitzer in derfunerären Architektur zum Ausdruckkommen.

Der Weg zwischen den Doppelmastabas auf dem Ostfriedhof.Im Hintergrund die Königinnenpyramiden,die Cheopspyramide (rechts) und dieChephrenpyramide (links hinten).Foto: Michael Haase

Reisner, Giza I, S. 16 und S. 74, zurzweiten Erweiterungsphase der Ne-kropole G 7000 gehören.

17 Dies ist eine Überlegung, die auchM. Lehner, Hetep-heres, S. 71f., nichtfür ausgeschlossen hält. Zum Verlaufdes Cheopsaufweges siehe ders.,MDAIK 41, 1985, S. 118ff., figs. 3Bund 4.

18 Siehe dazu die umfassende Darstel-lung und Diskussion von M. Verner,Archiv Orientálni. Quaterly Journal ofAfrican and Asian Studies, Bd. 69 Nr.3, August 2001, S. 363-418.

19 Es kann natürlich nicht völlig ausge-schlossen werden, daß G I-c erstnach den Erweiterungen in der Süd-reihe errichtet wurde.

20 Diese Grabform ist nicht zu verwech-seln mit der Zweischachtmastaba(»two-shaft mastaba«). Die »twin-mastaba« war keine Neuschöpfung,sondern findet bereits ab der 3. Dy-nastie in den großen Ziegelmastabasin Sakkara und später in Meidum äl-tere Vorläufer, G. A. Reisner, The De-velopment of the Egyptian TombDown to the Accession of Cheops.Cambridge (Mass.) 1936, S. 155, S.285ff.; neuerdings N. Alexanian, Dah-schur II. Das Grab des Prinzen Net-jer-aperef. Die Mastaba II/1 in Dah-schur, AV 56, 1999, S. 18, Anm. 22,S. 43, Anm. 130.

Im Vordergrund die Überreste der südlichenKultkapelle der Doppelmastaba G 7310-7120. Im Hintergrund die KöniginpyramidenG I-b (rechts) und G I-c und dahinter dieChephrenpyramide. Foto: Michael Haase