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Die zehn Fragen

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Atlan - Die Abenteuer der SOL Nr. 646 Anti‐ES ‐ Das Arsenal  

Die zehn Fragen von Hubert Haensel  Wöbbekings Bericht aus der Vergangenheit  

Die Verwirklichung von Atlans Ziel,  in den Sektor Varnhagher‐Ghynnst  zu gelangen, um dort den Auftrag der Kosmokraten zu erfüllen, scheint außerhalb der Möglichkeiten des Arkoniden zu  liegen. Denn  ihm wurde die Grundlage zur  Erfüllung  seines  Auftrags  entzogen:  das  Wissen  um  die  Koordinaten dieses Raumsektors. Doch Atlan gibt nicht auf! Um  sich die verlorenen Koordinaten wieder zu 

besorgen,  scheut  der Arkonide  kein Risiko. Mit  den  Solanern  folgt  er  einer Spur,  die  das  Generationenschiff  gegen  Ende  des  Jahres  3807  Terrazeit schließlich nach Bars‐2‐Bars  führt, die aus zwei miteinander verschmolzenen Galaxien bestehende Sterneninsel. Die Verhältnisse dort  sind mehr  als verwirrend. Doch die Solaner  tun  ihr Bestes,  die  Verhältnisse  zu  ordnen,  indem  sie  die  Völker  der  künstlichen Doppelgalaxis, die einander erbittert bekämpfen, zum Frieden bewegen und die Galaxien selbst wieder zu trennen versuchen. Inzwischen schreibt man an Bord der SOL Ende März des Jahres 3808, und Anti‐ES hat, aus der Namenlosen Zone heraus agierend,  in der Zwischenzeit eine  ganze  Schar  von  Helfern  aufgeboten,  um  die  Pläne  der  Solaner  zu durchkreuzen. Doch  diese  haben  bisher  allen Angriffen  standgehalten  – und  in  einer  der Kampfpausen erhält Atlan Antwort auf DIE ZEHN FRAGEN … 

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 Die Hauptpersonen des Romans:  Atlan  ‐  Der  Arkonide  wird  erneut  dem  temporären  Reinkarnationseffekt unterworfen. Wöbbeking ‐ Das Wesen gewährt Atlan die Beantwortung von zehn Fragen. Tyari ‐ Atlans Gefährtin. Anti‐ES ‐ Der Arkonide trifft auf seinen Gegenspieler. Asgard und Kik ‐ Atlans Begleiter in der Namenlosen Zone.  

1.  Die Stille war beunruhigend und geheimnisvoll zugleich. Sie hatte etwas Friedvolles an sich, etwas, was so gar nicht zu den hektischen Geschehnissen der letzten Wochen und Monate passen wollte. Lang  ausgestreckt,  die  Beine  übereinandergeschlagen  und  die 

Arme hinter dem Kopf verschränkt,  lag Atlan  auf  seinem Bett. Er hielt die Augen geschlossen, als lausche er in sich hinein. Er wartete,  daß Wöbbeking‐Nar´Bon  sich  erneut  bei  ihm 

meldete. Seine Gedanken wanderten durch Zeit und Raum und versuchten 

herauszufinden, was  für die SOL und  ihn  selbst wichtig war oder noch wichtig werden konnte. Was war in der Namenlosen Zone und bei  den  Kosmokraten  geschehen?  Sein  photographisches Gedächtnis, auf das er sich sonst in jeder Hinsicht verlassen konnte, ließ  ihn  diesmal  schmählich  im  Stich.  Und  auch  der  Extrasinn schwieg  sich  aus.  Allerdings  gab  es  keine  Zweifel  daran,  daß  er irgendwann  den  Weg  nach  jenseits  der  Materiequelle  wirklich gefunden hatte. Das Geräusch leiser Schritte schreckten ihn auf. Tyari beugte sich über ihn. Sekunden später berührten ihre Lippen 

die seinen. Ihre Hände schlossen sich um seinen Nacken … »Du wartest vergeblich«, sagte sie. »Was  sind  schon  einige  Stunden  für  einen  Unsterblichen?« 

antwortete Atlan, sich auf die Ellbogen hochstemmend. »Du weißt, 

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wie  ich  es meine.«  »Nein.  Erkläre  es mir.«  Bevor  Tyari  zu  einer Antwort ansetzen konnte, umfaßte der Arkonide ihre Hüfte und zog sie  sanft  zu  sich  herab.  Er  liebte  diese  Frau,  die  ihm  in  vielem ähnlich war, und sie erwiderte seine Gefühle. Grund genug, um  in den  wenigen  Stunden,  die  sie  manchmal  für  sich  allein  hatten, glücklich zu sein. Aber immer dann schob sich die Ungewißheit wie eine trennende Wand zwischen sie. Tyari wußte selbst nicht, welche Zukunft  ihr beschieden  sein würde. Die Gefahr, daß  sie  sich eines nicht mehr fernen Tages trennen mußten, schwebte wie ein düsterer Schatten über ihnen. »Was hast du?« fragte sie leise. Obwohl er sich Mühe  gab,  seine  Befürchtungen  zu  verbergen,  spürte  sie  mit weiblicher Intuition, daß längst nicht alles so war, wie es sein sollte. »Es  ist  nichts«,  wehrte  Atlan  ab.  »Ich  mußte  nur  an  Bars  und 

Farynt denken.« »…  und  daran,  was  wohl  aus  mir  werden  wird,  wenn  die 

Verzahnung der beiden Galaxien endet?« »Davon sind wir noch weit entfernt. Wir …« Tyari  legte  ihm  ihren rechten Zeigefinger auf den Mund. »Sprich 

jetzt nicht. Es ist viel schöner, für einige Minuten zu träumen. Nimm mich fest in die Arme.« Hast du nichts Besseres zu tun? bemerkte Atlan Extrasinn spöttisch, 

als er ihre Küsse erwiderte. Die Reaktion  des Arkoniden  bestand  in  einem  äußerst  unfeinen 

Gedanken,  Laut  ausgesprochen,  hätte  er  Tyari  sicherlich  erröten lassen.  Selbst  der  Logiksektor  wurde  davon  überrascht,  denn  er schwieg sekundenlang, ehe er sich erneut meldete. Wie  kannst du nur  so  impulsiv  reagieren, Atlan? Nach 12.000jähriger Lebenserfahrung solltest du eine gewisse Abgeklärtheit an den Tag  legen. Auch, oder gerade, in Liebesangelegenheiten. Bist du eifersüchtig? Ein  lautloses,  verhaltenes  Kichern  durchbrach  Atlans 

Überlegungen. Deine  terranischen Freunde  kennen  ein wunderbares Sprichwort: Liebe 

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ist  die  Art  Krankheit,  die  weder  die  Gescheiten  noch  die  Dummen verschont. Und? Zu welcher Kategorie zählst du mich? Da war es wieder, dieses spöttische Kichern. Atlan bemerkte, daß 

auch sein Extrasinn verwundert reagierte. »Wöbbeking?« fragte er laut. Tyari richtete sich erstaunt auf. Sie ahnte, daß Atlan erstmals seit 

Stunden wieder von  jenem  im Grunde genommen unbegreiflichen Wesen hörte, das es verstanden hatte, die physikalischen Einheiten einer Sonne zu simulieren und dadurch die SZ‐2 zu retten. »Es war  amüsant,  deinem  Selbstgespräch  zu  lauschen«,  erklärte 

Wöbbeking‐NarʹBon.  »Inzwischen  kann  ich  mir  vorstellen,  was deine erste Frage sein wird.«   

*  Eine  stärker  werdende  Erregung  hatte  sich  Tyaris  bemächtigt. Ruhelos  huschte  ihr  Blick  durch  Atlans  Kabine;  sie  vermied  es jedoch geflissentlich, den Arkoniden anzusehen. Sie fürchtet sich, wisperte der Extrasinn. Wovor? gab Atlan stumm zurück. Sie ahnt genauso wie Wöbbeking, was du fragen wirst. Er  hatte  zehn  Fragen  zugestanden  bekommen  –  aber  nur  eine 

einzige brannte ihm im Augenblick auf den Lippen. »Ich  darf  dir  nun  nicht  mehr  direkt  helfen«,  ließ  Wöbbeking‐

NarʹBon vernehmen. »Nur die Beantwortung deiner Fragen macht es mir noch möglich, 

wobei ich eingestehen muß, daß selbst ich keineswegs alles weiß. Es gibt Beschränkungen …« »Welcher Art?« »Du  würdest  es  kaum  verstehen,  wenn  ich  versuchte,  eine 

Erklärung dafür  zu  geben. Nimm  es  hin, Atlan, wie du  vieles  als 

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gegeben  hinnehmen  mußtest.  Irgendwann  wirst  du  die  ganze Wahrheit erfahren.« »Weshalb nicht schon heute?« »Vielleicht ist die Zeit noch nicht reif dazu.« »Vielleicht? Weißt  du  es  selbst  nicht? Wer  steht  hinter  dir? Die 

Kosmokraten? Handelst du auf ihre Anweisung?« »Selbst wenn ich wollte, ich kann es dir nicht sagen.« »Also  doch«,  stellte Atlan  fest.  »Was  erwarten  die Kosmokraten 

von mir?« »Ist das deine erste Frage?« Einen Moment  lang zögerte der Arkonide. »Nein«, sagte er dann. 

»Möglich,  daß  ich  sie  später  stelle,  wenn  ich  mehr  über  die Zusammenhänge erfahren habe, aber jetzt noch nicht.« »Ich  stehe  dir  nicht  unbegrenzt  zur  Verfügung«,  erklärte 

Wöbbeking. »Immerhin soll Anti‐ES weiter annehmen, die SZ‐2 sei vernichtet, und  sie vor  ihm zu verbergen, bedarf  es meiner vollen Aufmerksamkeit.  Zehn  Fragen  wurden  dir  gewährt.  Für  jeden durch dein Wirken in Xiinx‐Markant befreiten Zähler eine.« Flüchtig spielte Atlan mit dem Gedanken, zu fragen was aus den 

Zählern letztlich geworden war. Unwichtig, bemerkte sein Extrasinn sofort. Konzentriere dich auf das Wesentliche. Auf Tyari? Du  würdest  es  mir  nie  verzeihen,  wenn  ich  versuchte,  dich  davon abzubringen. Obwohl deine Emotionen irrational sind. Ich liebe sie! dachte Atlan. Sie ist in vieler Hinsicht wie ich. Zu sehr sogar. Wie meinst du das? Stelle  deine  Frage.  Meinen  Folgerungen  würdest  du  ohnehin  nicht glauben. »Bist  du  dir  endlich  einig?«  drängte  Wöbbeking.  Auch  Tyari 

vernahm  die  Stimme  des  positiven  Teils  von  Anti‐ES,  der  durch Atlans  Handeln  in  der  Vergangenheit  von  der  Superintelligenz 

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abgespalten worden war. Der Arkonide  nickte  stumm.  Sein  Blick  ruhte  auf  der  Frau,  die 

spontan  aufbegehrte:  »Der  Konflikt mit  Anti‐ES  ist  wichtiger  als alles andere. Vergiß nicht, daß  es  in  erster Linie um das Schicksal zweier Galaxien und ihrer Völker geht.« »Zehn Fragen sind genug, daß ich auch ein persönliches Anliegen 

darin unterbringen kann«, erwiderte Atlan. Sie sind schneller vertan, als du glaubst, warnte der Logiksektor. »Nichts wird  sich verändern«, meinte Tyari. »Selbst wenn meine 

Aufgabe erledigt ist, werde ich weiterleben.« »Das  behauptest  du,  aber  du  bist  dir  keineswegs  sicher.« Atlan 

wollte mit der Hand über ihr Haar fahren, doch sie wich ihm aus. »Wöbbeking‐NarʹBon«, sagte er laut, »ich wünsche, daß du meine 

erste  Frage  ausführlich  beantwortest.  Wie  real  ist  Tyari,  was geschieht  mit  ihr,  wenn  sie  ihren  Auftrag  als  Gesandte  Tyars erledigt hat, das heißt, sobald die Verzahnung von Bars und Farynt sich zu lösen beginnt?« »Du hättest das nicht tun sollen«, murmelte die Frau bedrückt. »Hast du Angst? Womöglich davor, die Wahrheit über dich selbst 

zu erfahren?« »Nein«, machte Tyari. »Aber es ist unnötig, daß du wegen mir auf 

das  Wesentliche  verzichtest.«  Sie  wurde  unterbrochen,  weil Wöbbeking sich wieder meldete. »Es  ist  schwer, Atlan, mit wenigen Worten darauf zu antworten. 

Deshalb werde ich dich in die Vergangenheit führen, in jene Zeit, da Anti‐Homunk das Gard vernichtete und die Senke des verlorenen Raumes sich auflöste.« Der  Arkonide  sah,  wie  Tyaris Miene  sich  verhärtete.  Sie  sagte 

etwas,  aber  er  verstand  schon  nicht  mehr.  Der  temporäre Reinkarnationseffekt ergriff von ihm Besitz und führte ihn zurück in die Tiefen seiner Erinnerung. Bislang blockiertes Wissen brach in ihm auf. Für Atlan war es, als 

erlebe er das alles nun zum erstenmal. 

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*  Wie  lange war  es  her,  daß Asgard mich  aus  dem  im Atombrand vergehenden Gard  gerettet  hatte? Zwei Tage,  vielleicht  auch drei, ich  wußte  es  nicht  so  genau.  Die  Finsternis  lieferte  keine Anhaltspunkte. Lediglich mein knurrender Magen signalisierte, daß es  an  der  Zeit war,  etwas  Eßbares  zu mir  zu  nehmen,  außerdem machte sich quälender Durst bemerkbar. Asgard  unterhielt  sich  mit  meinem  Extrasinn,  und  ich  konnte 

verstehen, was dieses von Anti‐Homunk geschaffene Wesen  sagte. Schon  deshalb  wurde  mir  die  Zeit  nicht  lang,  hatte  ich  doch zumindest  indirekt  an  Asgards  Wahrnehmungen  teil.  Aus  der Zellsubstanz  der  Gardianer  war  die  fünf  Meter  durchmessende Kugel  entstanden,  in  deren  Innerem  ich mich  befand.  Alles, was man  irgendwie als Organe bezeichnen konnte, auch die  Intelligenz dieses Wesens,  befand  sich  in der  nur  einen Meter  starken Hülle, ohne  dort  jedoch  lokalisierbar  zu  sein.  Asgard  war  in  der  Lage, beliebige  Auswüchse  zu  formen  und  mit  ihnen  zu  hantieren,  er konnte nicht nur Worte und Bilder auf seiner Oberfläche entstehen lassen,  sondern  sogar  zusammenhängende  Geschehen  filmisch wiedergeben. Unwillkürlich mußte ich daran denken, wie er mir das Wort  FREUND  in  Interkosmo  gezeigt  hatte.  Asgard  legte  es offensichtlich  darauf  an,  mir  den  Aufenthalt  so  angenehm  wie möglich  zu  gestalten. Die  Schwerkraft  lag  nur wenig unter  einem Gravo, und die Luft, die  ich atmete, war angenehm frisch und von wohlriechenden Düften durchsetzt. Die Atmosphäre wurde ständig regeneriert. Deshalb hatte ich meinen Raumanzug längst abgelegt. Obwohl kein eigentlicher Telepath, konnte Asgard sich gedanklich 

mit meinem Extrasinn verständigen.  Immerhin hatte der Extrasinn die Kugel während  ihrer Entstehung  im  positiven  Sinn  beeinflußt und  sie  dem Zugriff  von Anti‐ES  entzogen. Auch meine Gefühle, 

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Gedanken  und  Empfindungen  waren  von  Asgard  aufgesogen worden wie von einem trockenen Schwamm. »Was  ist  mit  dir,  schläfst  du?«  meldete  sich  der  Extrasinn 

überraschend. »Wieso?« erwiderte ich laut. Weil Asgard mich soeben wissen ließ, daß er einen hell leuchtenden Stern entdeckt hat. Ich war  zu Recht  überrascht.  Bislang  kannte  ich  die Namenlose 

Zone  als  nahezu  leeren  Raumsektor.  Sicher,  es  mochte Dunkelwelten wie  den  Löcherplanetoiden  geben,  in  dem Anti‐ES gefangen war, außerdem alle möglichen künstlichen Objekte wie die Basis des Ersten Zählers und das Spinar, und dann waren da noch die Grenzwächter und ihre Zweige, die dafür sorgten, daß niemand die Namenlose Zone verließ – aber eine Sonne … das war mir neu. Das  Abbild  eines  gelborangen  Sterns,  von  dem  lodernde 

Protuberanzen  weit  ins  All  hinausgriffen,  entstand  in  meinen Gedanken. Nichts  ist  unmöglich, meinte  der  Logiksektor  zynisch.  Die  Sonne besitzt sogar einen Planeten. »Asgard soll diese Welt anfliegen«, sagte ich. Das tut er bereits. Es  fiel  mir  schwer,  selbst  nichts  unternehmen  zu  können. 

Irgendwann, das wußte ich, würden Anti‐ES oder sein Helfer Anti‐Homunk mich  aufspüren,  und  dann mußte  eine  gnadenlose  Jagd beginnen, über deren Ausgang ich mich keinen Illusionen hingeben durfte. Asgard übermittelte mir das Abbild eines rasch größer werdenden 

Planeten.  Landmassen  und  Ozeane  hielten  einander  die  Waage, weiße Polklappen  zeugten  von  ewigem Eis und unterschiedlichen Klimazonen. Einen Mond besaß diese Welt nicht. Es  gab  üppige  Vegetation,  die  ausgedehnte  grüne  Flächen 

erkennen  ließen.  Das  Vorhandensein  von  Chlorophyll  deutete zugleich auf eine Sauerstoffatmosphäre hin. Wieviel hätte ich dafür 

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gegeben,  jetzt  mit  den  feinfühligen  Instrumenten  an  Bord  eines Raumschiffs  nähere Messungen  vornehmen  zu  können.  Aber  ich mußte mich mit dem zufriedengeben, was Asgard mir übermittelte. Wenig  später  tauchte die  organische Kugel  in die Ausläufer der 

planetaren Atmosphäre ein.   

*  Asgard ging langsam tiefer. Da ist etwas, behauptete er. »Du meinst, es gibt Leben auf dieser Welt.« Ich spüre die Anwesenheit von etwas, was ich nicht einordnen kann, das ist alles. Wo soll ich landen? Ich  seufzte  leise.  Das  war  ungefähr  so,  als  frage  jemand  einen 

Blinden nach dem Weg. Irgendwo  in  der  Vegetationszone,  antwortete  mein  Extrasinn  für 

mich. Alles andere ist egal. Asgard vermittelte mir das Abbild dichter Wolkenschichten. Wir befinden uns in Äquatornähe, erklärte er. Düster  türmten  sich die Wolken  übereinander. Dann  zuckte der 

erste grelle Blitz auf, von ohrenbetäubendem Donner gefolgt. Im Nu schien  der  Himmel  nur  noch  aus  einer  einzigen  Feuerwand  zu bestehen, die uns einhüllte. Asgard hatte Mühe, gegen den tobenden Sturm  anzukämpfen  –  die  starken  energetischen  Entladungen  in unmittelbarer Nähe behinderten ihn. Den  entfesselten  Naturgewalten  hatte  selbst  er  nur  wenig 

entgegenzusetzen – immer rascher wurden seine Kräfte aufgezehrt, von etwas, was aus der Atmosphäre auf uns eindrang. Ich vernahm einen  entsetzten  Aufschrei,  Sekunden  später  wurde  Asgard  von mehreren  Blitzen  getroffen,  deren Auswirkungen  ich  ebenfalls  zu spüren  bekam.  Ein  eigenartiges  lähmendes  Prickeln machte mich unfähig, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen, und das Gefühl, mich  in einem  rasend schnell  in die Tiefe stürzenden Fahrstuhl zu 

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befinden, rief quälende Übelkeit hervor. Asgard  schien  jegliche  Kontrolle  über  sich  selbst  verloren  zu 

haben. Wir  werden  hilflos  zerschmettern,  bemerkte  der  Extrasinn  mit 

eiskalter Logik. Vielleicht  verglühen  wir  vorher  wie  eine  Sternschnuppe, 

durchzuckte es mich. Es wurde merklich wärmer. Asgard schrie. Wie hoch mochten wir noch sein? Zehn Kilometer? Oder weniger? 

Ich besaß keine Möglichkeit, das festzustellen. Mein Magen  rebellierte.  Ich  spürte,  daß  der Zellaktivator  gegen 

die  stärker werdende  Übelkeit  ankämpfte.  Ohne  Asgard war  ich verloren. Er mußte diesen rasenden Sturz beenden. Aber in meinen Gedanken  keimte  bereits  die  Befürchtung,  Anti‐ES  könne  uns gefolgt und an unserer Hilflosigkeit schuld sein. Asgards Zellmasse begann  konvulsivisch  zu  zucken.  Ich  verlor  meinen  halbwegs sicheren  Stand  und  stürzte.  Die  Hitze  wurde  bedrückender.  Das Atmen fiel mir schwer, als nehme der Sauerstoffanteil der Luft rasch ab. Asgard wimmerte nur noch. »Du mußt unseren Sturz abfangen!« rief ich. Er  schien mich  nicht  zu  hören.  Eine Vielzahl  rasch wachsender 

Erhebungen  ließ  den  Hohlraum,  in  dem  ich  mich  befand,  enger werden. Ich wurde eingeklemmt, ein schwerer Pseudoarm legte sich über  meinen  Brustkorb  und  drohte  mich  vollends bewegungsunfähig  zu machen. Mit  aller Kraft  versuchte  ich mich aus dem unbarmherzigen Griff zu befreien. Obwohl ganz sicher nur wenige Sekunden verstrichen, erschien es mir, als währte das alles endlos lange Minuten. Ein  eigenartiger,  stechender Geruch  stieg mir  in  die Nase  –  der 

Geruch von verbranntem Zellgewebe. Asgard! rief ich lautlos, ohne eine Antwort zu bekommen. Er  hört  dich  nicht  mehr,  erklärte  mein  Logiksektor.  Er  hat  sich vollständig abgekapselt. 

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Die Falle schien perfekt. Hatte Anti‐ES dafür gesorgt, daß wir die Sonne und den Planeten entdeckten? »Asgard!«  schrie  ich, wohl mehr  aus Verzweiflung heraus  als  in 

der Hoffnung, das organische Raumschiff könne mich wirklich noch verstehen.  Ich  hätte  nie  geglaubt,  daß  es  mir  so  unsagbar schwerfallen  würde,  dem  Tod  ins  Auge  zu  sehen.  Wenn  ich wenigstens hätte erkennen können, was außerhalb des noch knapp zwei Meter durchmessenden Hohlraums geschah. Das würde nichts ändern, meinte der Extrasinn. Du bist eben nur aus Fleisch und Blut und folglich verwundbar. Und du? erwiderte ich verärgert. Wenn ich sterben muß, gehst du 

mit mir. Ein  seltsamer  Gedanke  durchzuckte  mich.  Eigentlich  hatte  ich 

diesen  Einfall  dem  Extrasinn  zu  verdanken,  der mich mit  seinem Einwand darauf gebracht hatte. Mit  fliegenden Fingern öffnete  ich meine Kombination und zog den an einer dünnen Kette hängenden Zellaktivator  hervor.  Sicher,  das  Gerät  war  auf  meine Individualschwingungen  justiert, und  ich konnte keinesfalls  sicher sein, daß Asgard darauf ansprach, aber ich mußte es versuchen. Kaum berührte der Aktivator die Zellsubstanz der Kugel, als diese 

prompt  aufzuwallen  begann  und  das  eiförmige  Gebilde  in  sich aufnahm. Verkrampft wartete  ich auf  irgendeine Reaktion, obwohl mir  klar  sein mußte,  daß  dies  nicht  die  Sache weniger  Sekunden war. Ich schwitzte ärger als zuvor. Täuschte ich mich, oder ebbten die zuckenden Bewegungen rings 

um mich her ab? Augenblicke später  fraß sich ein gellender Aufschrei unter meine 

Schädeldecke.  Die  ungeheure  Wucht,  mit  der  dieser  mentale Hilferuf  über  mir  zusammenschlug,  ließ  mich  taumeln.  Meine Hände verkrampften sich um die Schläfen. Das letzte, was ich noch wahrnahm, war, daß  ich  ruckartig hochgewirbelt wurde und mich mehrmals überschlug. Dann war nichts mehr.  

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 * 

 Ich  erwachte  von  einem  dumpfen Dröhnen,  das  sich  schmerzhaft durch  meinen  Schädel  zog.  Meine  Gedanken  wirbelten  wirr durcheinander,  ohne daß  es mir möglich war,  auch  nur  einen  für kurze Zeit festzuhalten. Entspanne dich. Du bist verkrampft. Gerne wäre ich diesem Ratschlag nachgekommen, doch sobald ich 

es versuchte, wurde das Gefühl übermächtig,  in  einen bodenlosen Abgrund zu stürzen. Instinktiv begann ich um mich zu schlagen. Warm und feinkörnig rann es durch meine Finger. Sand? Ich  wälzte  mich  herum  und  versuchte,  die  Augen  wenigstens 

einen  Spalt  zu  öffnen,  um  herauszufinden,  wo  ich  mich  befand. Gleißende Helligkeit blendete mich. Zumindest leben wir noch. Endlich  fiel  es mir  leichter, mich  zu  entspannen. Das Gefühl,  in 

einer taumelnden Bewegung gefangen zu sein, wich rasch. Dennoch vermißte  ich die belebenden Schwingungen des Zellaktivators. Die Luft, die ich atmete, brannte wie Feuer in meinen Lungen, aber das war zweifellos der Erschöpfung zuzuschreiben. Asgard! rief ich in Gedanken. Ein  leichter Wind  kam  auf  und wirbelte mir  Sand  ins  Gesicht. 

Hinter  vorgehaltenen  Händen  blinzelte  ich  mühsam  in  die Helligkeit.  Die  Sonne  stand  nicht  sehr  nahe  und  erschien  kaum größer als meine Faust,  trotzdem reflektierte der Wüstenboden das einfallende Licht um ein Vielfaches verstärkt. Wie  unzählige  Nadelstiche  brannte  der  Sand  auf  der 

ungeschützten Haut. Selbst die Kleidung bot kaum Schutz vor den winzigen Kristallen. Nach  und  nach  erfaßte  ich  mehr  von  meiner  Umgebung.  Ich 

befand mich inmitten einer ausgedehnten Senke. Es gab kein Grün, 

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nur  funkelnden,  gelborangen  Sand,  den  der Wind  aus  der Höhe herabwehte. Die Dünen waren mehr  als  dreißig Meter  hoch,  und seltsamerweise  blies  der Wind  nicht  konstant  aus  einer Richtung, sondern  drehte  fast  ständig.  Es  war  unmöglich,  den  wirbelnden Sandschleiern auszuweichen. Von Asgard keine Spur. Innerhalb weniger Minuten stand  ich bis zu den Knien  im  locker 

angehäuften Sand. Auch ohne die Warnung des Extrasinns erkannte ich  die  drohende  Gefahr.  Jeder  Schritt wurde  zur  Qual,  aber  ich mußte die Kuppe einer der Dünen erreichen, wollte  ich nicht unter den Sandmassen begraben werden. Mit geschlossenen Augen kämpfte  ich mich vorwärts und öffnete 

nur hin und wieder die Lider einen winzigen Spalt. Mein Ziel schien kaum näher zu rücken. Plötzlich brach der Boden unter mir ein. Im Nu stand ich bis zur Hüfte im Sand und sank rasch tiefer ein. Da war eine Berührung an meinen Beinen – irgend etwas zog mich 

hinab. Ich spürte dieses Etwas höhersteigen, ein Tentakel, der meine Hüfte umschlang und mich fest umklammerte. Das Messer  fiel  mir  ein,  mit  dem  ich Wöbbeking  von  Anti‐ES 

befreit  hatte.  Ich  trug  es  noch  immer  in  einer  Tasche  meiner Kombination bei mir. Den Kombistrahler hatte ich im Gard verloren. Der  Tentakel  wand  sich  weiter  um  meinen  Körper.  Im  letzten 

Moment gelang es mir, das Messer aus der Tasche zu ziehen, und ich stach blindlings zu. Der mörderische  Druck  des  sich  ruckartig  zusammenziehenden 

Fangarms  ließ mich gequält aufstöhnen. Sand wirbelte vor mir auf, begleitet von fauchenden, aus der Tiefe kommenden Geräuschen. Wieder und wieder bohrte ich die scharfe Klinge in den Tentakel, 

bis sie mir entrissen wurde. Im selben Moment brach die Wüste auf. Gut  ein Dutzend  Fontänen wirbelten den  Sand meterhoch  empor, während  der  Fangarm  endlich  von  mir  abließ.  Ein  sich  rasch ausweitender  Trichter  entstand,  auf  dessen Grund  ein  zuckendes, schnabelähnliches  Gebilde  sichtbar wurde.  So  schnell  ich  konnte, 

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hastete  ich  weiter  und  kroch  auf  allen  vieren  den  steilen  Hang hinauf. Mehrmals rutschte  ich ab und glitt meterweit zurück. Doch der  Sand  war  hier  fester  als  in  der  Senke,  und  ich  erreichte schließlich die Kuppe. Mittlerweile brannte mein ganzer Körper wie Feuer.  In Verbindung mit dem  Schweiß  rissen die Kristalle meine Haut  auf. Aber  ich mußte mich damit  abfinden,  schließlich wußte ich von Asgard, daß auf dieser Welt nicht nur Wüsten existierten, sondern  ebenfalls  ausgedehnte  Vegetationsgebiete.  Und  wo Pflanzen wuchsen,  gab  es Wasser.  Schon  der Gedanke  daran  ließ mich ein wenig zuversichtlicher werden. Zurückblickend  sah  ich  ein  monströses  Etwas  mit  mehr  als 

zwanzig  dürren  Spinnenbeinen  sich  wieder  im  Sand  vergraben. Nach wenigen Augenblicken zeugte nichts mehr von der lauernden Gefahr.   

*  Vor  mir  erstreckte  sich  eine  ausgedehnte  Sandwüste,  die  erst  in einiger Entfernung von Geröllfeldern abgelöst wurde. Es sah aus, als hätte  die  Hand  eines  Riesen  mächtige  Felsblöcke  wie  Bausteine durcheinandergewürfelt. Unmittelbar  am Horizont  zeigte  sich  ein schmaler grüner Streifen – zu weit entfernt, um erkennen zu lassen, worum es sich handelte. Vermutlich ein ausgedehntes Waldgebiet. Zu  meiner  Überraschung  war  der  Wind  inzwischen  wieder 

abgeflaut.  Ausgerechnet  in  dem Moment,  in  dem  ich  die  Kuppe erreicht hatte. Du stellst eigenartige Vermutungen an, warf mir der Logiksektor vor. Trotzdem erscheint es mir, als sollte  ich  in der Senke verschüttet 

werden, erwiderte ich. Das  ist  unlogisch.  Es  handelte  sich  um  normale  atmosphärische Turbulenzen. Und wenn Anti‐ES dahintersteckt? So  recht glaube  ich allerdings 

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selbst  nicht  daran,  denn  mein  Gegner  besaß  zweifellos  andere Möglichkeiten. Trotzdem blieb ein dumpfes, beklemmendes Gefühl. Obwohl  ich  die  Augen  wieder  mit  den  Händen  bedeckt  hielt, 

verursachte  die  Helligkeit  stechende  Kopfschmerzen.  Es  war unangenehm schwül, und mein Durst wurde immer unerträglicher. Dennoch mußte ich zuerst Asgard finden. Ich war überzeugt davon, daß  das  organische  Raumschiff  in  der  Nähe  abgestürzt  war. Vermutlich hatte es mich kurz vorher ins Freie gestoßen. Während zu meiner Rechten die Senke steil abfiel, erstreckte sich 

linkerhand  eine  sanft  gewellte  Ebene.  Der  Sand  schien  dort  zu bizarren Mustern erstarrt zu sein. Endlich  entdeckte  ich  etliche  Kilometer  entfernt  einen  düsteren 

Fleck. Das mußte Asgard sein. Ich begann zu laufen, bis mein Herz schmerzhaft  pochte  und  ich  kaum  noch  Luft  bekam.  Eine  nie gekannte Schwäche stieg in mir auf, die aber nicht allein durch das Fehlen des Zellaktivators bedingt  sein konnte. Vermutlich war  ein unverträglicher Bestandteil der Atmosphäre schuld daran. Ich mußte mich dazu zwingen, langsamer zu gehen. Die Helligkeit 

und  der  Sand machten mir  zu  schafften,  ein  schier  unerträglicher Juckreiz  quälte  mich.  Wenn  ich  versuchte,  mir  durch  Kratzen Linderung  zu  verschaffen,  hinterließen  meine  Finger  blutige Striemen auf der »Haut, die plötzlich spröde und wie ausgetrocknet wirkte. Strahlung! warnte der Extrasinn. Selbst wenn er recht hatte – wie sollte ich mich davor schützen? Ich benötigte gut eine halbe Stunde, bis ich Asgard erreichte. Trotz 

aller  diesbezüglichen  Befürchtungen  traf  mich  sein  Aussehen beinahe wie ein Schock. Das  Kugelwesen  war  auf  knapp  drei  Meter  Durchmesser 

zusammengeschrumpft.  Sein  Äußeres  wirkte  verbrannt  und  war von unzähligen Narben und offenen Wunden verunstaltet, in denen sich Sand ablagerte. Wie Schuppen standen an machen Stellen dicke 

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Krusten  ab  –  Schorf,  der  sich  aus  Zellsekreten  gebildet  hatte. Zumindest  ein  Beweis  dafür,  daß  der  Organismus  nicht  völlig verbrannt war. Ich umrundete Asgard und  fand  einen klaffenden Riß, der mich 

ins  Innere blicken  ließ. Der Hohlraum war kaum noch vorhanden. Vermutlich war ich durch den Riß ins Freie gestoßen worden. Meinen  Zellaktivator  konnte  ich  nicht  entdecken.  Siedendheiß 

durchzuckte es mich: Was, wenn das für mich lebenswichtige Gerät irgendwo  im  Wüstensand  lag,  inzwischen  vielleicht  unter  einer knietiefen Schicht verborgen? Asgard, rief ich in Gedanken. Kannst du mich verstehen? Nichts. Keine Antwort. Ich versuchte es noch einmal. Mit demselben negativen Ergebnis 

wie zuvor. Wenn mein Zellaktivator verloren war, hatte  ich nur noch wenig 

mehr als zwei Tage irdischer Zeitrechnung zu leben, ehe ein rapider Alterungsprozeß einsetzen würde. Allmählich begann  ich mich mit dem Gedanken  abzufinden, daß  ich  gescheitert war. Warteten die Kosmokraten jenseits der Materiequelle überhaupt noch darauf, daß ich  eines  Tages  bei  ihnen  erscheinen  würde,  oder  hatte  der einäugige  Roboter  Laire  inzwischen  einen  anderen  Vertreter  der Menschheit zu ihnen geholt? Du  machst  es  dir  unnötig  schwer,  mahnte  der  Extrasinn.  Warum stellst du immer wieder Fragen, auf die du keine Antwort finden kannst? Ein  leises Geräusch  ließ mich  aufmerken.  Ich  sah,  daß  eine  der 

Schorfplatten  von  Asgards  Haut  abgefallen  war.  Darunter  kam frisches, rosa gefärbtes Gewebe zum Vorschein. Ich empfand unsagbare Erleichterung. Asgard stand demnach am 

Anfang seiner Regeneration. Das bedeutete, daß die Schwingungen des Zellaktivators wirkten. »Asgard!«  rief  ich nun  laut, mußte aber einsehen, daß die Kugel 

noch  nicht wieder  soweit war, daß  sie  sich mit mir  oder meinem Extrasinn verständigen konnte. Von ihr hatte ich wenigstens vorerst 

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keine Hilfe zu erwarten. Mein Blick wanderte zum Horizont, wo das Waldgebiet  sich  inzwischen  deutlich  abzeichnete.  Je  eher  ich aufbrach, desto besser.   

*  Allmählich wurde der Untergrund  felsiger. An die zehn Kilometer mochte  ich  zurückgelegt  haben,  hatte  zwei  Senken  allerdings  in gehörigem  Abstand  umgangen,  weil  ich  ahnte,  was  im  Sand vergraben lauerte. Die  Sonne  war  inzwischen  ein  ansehnliches  Stück 

weitergewandert  und  stand  nun  schräg  hinter  mir.  Die  länger werdenden  Schatten  verrieten,  daß  die Nacht  bald  hereinbrechen würde.  In dieser Beziehung hatte  ich mich gehörig verschätzt. Die noch namenlose Welt mußte sich  in weniger als 14 Stunden einmal um ihre Achse drehen. Heisere Schreie  ließen mich aufsehen. Hoch über mir zogen zwei 

mächtige  Schatten  ihre  Kreise  im  wolkenlosen  Himmel.  Es  fiel schwer, ihre Größe zu schätzen, doch die Vögel mochten gut drei bis vier Meter Spannweite haben. Unwillkürlich beschleunigte  ich meine Schritte. Anfangs kam  ich 

zwar  leichter voran, aber dann wurde das Felsgestein porös. Wind und Wetter  hatten  aus  dem  Tuff  tiefe  Rinnen  herausgewaschen. Dazwischen  ragten  nadelspitze  Erhebungen  auf,  die  schon  bei geringer  Berührung  explosionsartig  zersplitterten  und  ihre Bruchstücke meterweit  verschleuderten. Die  Felsdecke  erwies  sich als  nicht  minder  trügerisch  als  der  Sand;  größtenteils  unterhölt, brach  sie  ein,  sobald  ich  länger  als  einige  Augenblicke  auf  einer Stelle verharrte. Die  Schreie der Vögel  klangen  lauter. Überrascht  stellte  ich  fest, 

daß  die  Zahl  der  Tiere  inzwischen  auf  mehr  als  ein  Dutzend angewachsen  war.  Wie  sie  ihre  enger  werdenden  Kreise  zogen, 

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erinnerten sie mich an Geier. Mit bloßen Händen mußte ich den Tieren hoffnungslos unterlegen 

sein, falls sie sich zum Angriff entschlossen. Ich bückte mich nach einigen faustgroßen, scharfkantigen Steinen. 

Im  selben Moment  stieß  der  erste  der  Vögel  lautlos  herab.  Nur durch  eine  aus  den  Augenwinkeln  heraus  erhaschte  Bewegung aufmerksam  werdend,  warf  ich  mich  herum.  Zwei  gierig vorgestreckte Fänge zuckten neben mir  ins Leere. Schwerfällig mit den Flügeln schlagend, versuchte der große Vogel, sich abzufangen. Ich blickte in tückisch funkelnde Augen voll Mordgier. Während der gut unterarmlange  Schnabel  sich  zischend  öffnete,  schmetterte  ich dem  Tier  einen  der  Steine  zwischen  die  Lichter.  Es  sackte  weg, versuchte  aber  noch  auf  dem  Boden  liegend,  nach  mir  zu schnappen.  Nur  um  Haaresbreite  entging  ich  dem mit  winzigen Zähnen übersäten Schnabel. Noch einmal schlug  ich zu – der Stein in meiner Rechten  zersplitterte.  Instinktiv  riß  ich das getötete Tier hoch und schleuderte es, indem ich mich halb umwandte, von mir. Der Kadaver prallte mit zwei weiteren Vögeln zusammen und  ließ sie mit gebrochenen Flügeln zu Boden stürzen. Mir blieb keine Zeit, um zur Besinnung zu kommen. Ein Stein, den 

ich mit  aller Kraft warf,  ging  fehl,  zugleich war  ein weiteres  Tier heran.  Ich unterlief den  gierig  aufgerissenen  Schnabel  und  packte die beiden Fänge, während der Vogel  flügelschlagend an Höhe zu gewinnen versuchte. Sein Krächzen klang kläglich. Plötzlich  stoben  Federn  auf.  Die  Vögel  griffen  ihren  eigenen 

Artgenossen an, um an mich heranzukommen. Der Boden brach unter mir ein. Ich wurde völlig davon überrascht. 

Noch  ehe  ich  in  der  Lage war,  den  Sturz  abzufangen,  schlug  ich zwischen lockerem Geröll auf. Ich war in eine gut vier Meter tiefe, enge Felsspalte gestürzt, in die 

mir die Vögel nicht zu folgen vermochten. Eine Zeitlang hockten sie noch  oben  und  starrten  zu  mir  herab,  schließlich  stiegen  sie schwerfällig auf und verschwanden aus meinem Blickfeld. 

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Vergeblich versuchte ich, in die Höhe zu klettern. Das Gestein war brüchig und bot nirgendwo  ausreichend  festen Halt. Da der  Spalt sich  jedoch  in  die  Richtung  fortsetzte,  in  die  ich  ohnehin wollte, entschloß  ich mich, seinem Verlauf zu folgen. Manchmal traten die Wände so eng zusammen, daß ich Mühe hatte, mich zwischen ihnen hindurchzuzwängen,  schließlich  aber  endeten  sie  abrupt  am Rand eines ausgedehnten Talkessels. Die  Dämmerung  brach  bereits  herein.  Trotzdem  konnte  ich 

erkennen,  daß  der  jenseitige,  gut  drei  Kilometer  entfernte  Hang dicht  bewaldet  war.  Das  Tal  selbst  mochte  einst  Bett  eines gewaltigen  Urstroms  gewesen  sein,  jetzt  schlängelte  sich  nur  ein vergleichsweise  winziges  Rinnsal  zwischen  Felsen  und  Büschen dahin und markierte die Grenze zur Vegetation. So  schnell  ich konnte, hastete  ich den Abhang hinunter, kleinere 

Geröllawinen auslösend, die vor mir her in der Tiefe verschwanden. Der Himmel überzog  sich mit  einem  tiefen Orange, das  im Osten einer vollkommenen Schwärze wich. Bisher hatte  ich geglaubt, daß es in der Namenlosen Zone keine Sterne gab. Inzwischen mußte ich jedoch  annehmen,  daß  dies  ein  Irrtum war.  Die  hereinbrechende Nacht  würde  vollkommen  sein.  Die  Sonne  war  zweifellos inzwischen  hinter,  dem  Horizont  versunken  und  die  trübe Helligkeit,  die  noch  herrschte,  ausschließlich  eine  Folge atmosphärischer Reflexion. Obwohl ich zu rennen begann, kam ich dem schmalen Wasserlauf 

nicht näher. Keuchend  blieb  ich  stehen.  Meine  Lippen  waren  spröde  und 

aufgeplatzt;  ich schmeckte geronnenes Blut auf der Zunge, die wie ein Fremdkörper am Gaumen klebte. Schätzungsweise 100 Meter waren es noch bis zum Fluß. Ich zählte 

meine Schritte. Bei 90 angelangt, war das Wasser mindestens immer noch so viele entfernt. Die Konturen der Sträucher und Bäume am jenseitigen Ufer lösten sich in Düsternis auf. Du jagst einer Fata‐Morgana nach, wisperte der Extrasinn. 

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Ich nickte schwer. Diese Welt, auf der  ich gestrandet war, wurde mir zunehmend unheimlicher. Jetzt gab es weder ein Vor noch ein Zurück. Die Finsternis umfing 

mich mit  einer Vielfalt von Geräuschen. Angespannt  starrte  ich  in die Finsternis hinaus, jeden Moment damit rechnend, daß glühende Raubtieraugen mich fixierten. Nach  einer Weile  ließ  ich mich  in die Hocke  sinken. Der Boden 

war  lehmig.  Es  gab  nicht  einmal  Steine,  die  ich  als Waffe  hätte verwenden können. Versuche zu schlafen, flüsterte der Extrasinn. Ich wache über dich. Aber ich konnte es nicht. Meine eigene Erregung hielt mich wach. Irgendwann  vernahm  ich  ein  fernes  Brausen,  das  sich  rasch 

steigerte.  Ein winziger  Punkt  hoch  über mir  schwoll  zu  feurigem Leuchten an und zog wie ein stürzender Komet seine Bahn über den Himmel.  Aber  unvermittelt  änderte  er  seinen  Kurs  und  machte damit klar, daß es sich um ein Raumschiff handelte. Es war nicht groß – ein Beiboot vermutlich. Der Gedanke, daß es 

den Robotern  an Bord der Basis des Ersten Zählers gelungen  sein mochte,  mich  aufzuspüren,  ließ  mich  unverwandt  in  die  Höhe starren. Ein  sich  rasch  ausdehnender  Glutball  entstand. 

Sekundenbruchteile ein zweiter, dessen Ausläufer das kleine Schiff streiften, das jetzt in gewagtem Zickzackflug tiefer zog. Zwei Verfolger näherten sich mit wahnsinniger Geschwindigkeit. 

Soweit  ich  es  erkennen  konnte,  besaßen  ihre  Schiffe  die  seltsame Form eines Kugelausschnitts mit drei geraden und einer gebogenen Seite. Ihre Kantenlänge betrug gut und gerne zweihundert Meter. Die  nächste  Salve  aus  ihren  Thermogeschützen  ließ  das  kleine 

Schiff glühend vergehen. Grollend hallte der Donner der Explosion über  das  Land,  gleich  darauf  fegte  ein warmer  Orkan  durch  die Schlucht und wirbelte Sand und zerfetzte Äste vor sich her. Als  ich  wieder  aufsah,  waren  die  beiden  großen  Raumer 

verschwunden. Nur ein Schleier glühender Partikel hing noch in der 

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Luft.   

*  Flackernde  Leuchterscheinungen  am  Horizont  kündeten  den Morgen an. Obwohl der Rest der Nacht ruhig verlaufen war, fühlte ich  mich  schwach  und  ausgebrannt.  Ich  hatte  kaum  ein  Auge zugetan. Vom  Durst  getrieben,  taumelte  ich  vorwärts.  Jetzt  wirkten  alle 

Entfernungen  anders  als  am  vergangenen Abend.  Ich  schalt mich einen  Narren,  als  ich  feststellte,  daß  mich  nur  lumpige  zwanzig Schritte vom Ufer des kleinen Flusses trennten – eine Strecke, die ich sogar in der Dunkelheit hätte zurücklegen können. Diese  Welt  hat  etwas  Abstoßendes  an  sich.  Alles,  was  du  bislang kennengelernt hast, richtete sich irgendwie gegen dich. Soll das eine Warnung sein? gab  ich  lautlos zurück, während  ich 

mich  auf  die  Knie  niedersinken  ließ  und  die  Arme  bis  zu  den Ellenbogen ins kristallklare Wasser tauchte. Du weißt nicht, ob der Fluß mit Bakterien verseucht ist. Und wenn schon, ich … Mach  dir  einmal  Gedanken  darüber,  vor  welchen  gesundheitlichen Schäden dein Zellaktivator dich stets bewahrt hat. Mit  einer  unwilligen  Handbewegung  schob  ich  alle  düsteren 

Gedanken weit von mir.  In einigen Stunden konnte  ich wieder bei Asgard  sein und den Aktivator  an mich nehmen. Eine Vergiftung brauchte ich also trotz allem nicht zu befürchten. Mit der hohlen Hand schöpfte ich und ließ das Wasser über mein 

Gesicht  laufen.  Es  brannte wie  Feuer  auf  der  rissigen Haut,  aber schon  Augenblicke  später  machte  sich  die  belebende  Wirkung bemerkbar. Dann trank ich in kurzen, hastigen Schlucken. Ohne daß  ich Schritte vernommen hatte,  zeichnete  sich plötzlich 

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das Spiegelbild eines Mannes auf der Wasseroberfläche ab. Er  sagte  etwas  in  einer  fremden,  guttural  klingenden  Sprache. 

Seine  Worte  klangen  nicht  eben  freundlich,  und  er  hielt  eine stabförmige  Waffe  auf  mich  gerichtet,  die  ich  wegen  der flimmernden  Abstrahlmündung  unschwer  als  Thermostrahler identifizierte. Langsam breitete  ich die Arme aus und zeigte  ihm meine  leeren 

Handflächen. In seinen Augen blitzte es kurz auf. Er stieß eine Reihe abgehackter Laute hervor. »Es tut mir leid«, sagte ich leise. »Ich verstehe dich nicht.« Im  nächsten Moment drückte  er  ab, und  ich warf mich  in  einer 

blitzschnellen Reflexbewegung zur Seite.  Ich prallte hart auf,  rollte mich  über  die  Schulter  ab  und  kam  schwankend wieder  auf  die Beine, als der Fremde den zweiten Schuß abgab. Fauchend  entlud sich der Thermostrahl. Allerdings nicht  in meine Richtung. Wo  ich eben  noch  gestanden  hatte,  blähte  sich  ein wesenloses, wallendes Ding,  der  kieselbedeckten  Uferfläche  nahezu  gänzlich  angepaßt. Zugleich begann ich mich zu fragen, wie der Fremde auf das perfekt getarnte Tier aufmerksam geworden war. Er  senkte  die  Waffe  und  lächelte.  Er  war  schätzungsweise 

einsachtzig  groß,  schlank,  aber  doch  sehnig.  Jede  seiner Bewegungen  verriet  Kraft  und  Ausdauer.  Seine  Augen  fixierten mich  stumm. Große,  ausdrucksvolle Augen, deren Farbe  ich nicht zu  bestimmen  vermochte.  Am  ehesten  schimmerten  sie  wie kristallklare Bergseen, in denen sich die Unendlichkeit des Himmels widerspiegelt. Sein Blick  ist der eines Wesens, das nach  logischen Gesichtspunkten zu handeln versteht, bemerkte der Extrasinn. »Danke«,  sagte  ich  und  streckte  dem  Fremden  meine  Hand 

entgegen. »Ich bin Atlan.« Er ergriff die ihm dargebotene Rechte und drückte fest zu. »Tyar«, 

sagte er. Ein  seltsames  Prickeln  breitete  sich  unter meiner Kopfhaut  aus. 

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War  Tyar  Telepath  und  versuchte, meine Gedanken  zu  erfassen? Dann würde er kein Glück haben, denn ich war mentalstabilisiert. Er will nichts von dir, bemerkte der Extrasinn trotzig. Aber ich spüre seine Verwunderung darüber, daß zwei Seelen in deiner Brust leben. Vorübergehend wurde mir schwarz vor Augen. Urplötzlich hatte 

ich das Gefühl, daß alles um mich her sich zu drehen begann. Selbst der Boden wölbte sich mir jäh entgegen. Ich  taumelte,  spürte  aber  sofort  zwei  kräftige Hände  an meinen 

Schultern, die mir Halt gaben. Tyars Gesicht schwankte vor mir hin und her; vergeblich versuchte  ich, es zu  fixieren. Eiskalter Schweiß brach mir aus. Ich fror. Ein Gefühl, das von meinem Magen ausging. Du wolltest  nicht  auf mich  hören,  dröhnte  es  überlaut  in meinem 

Schädel. Das Wasser! Nichts  anderes  konnte  an meinem  Zustand  schuld 

sein. Ich mußte  zu Asgard  zurück  und  zu meinem  Zellaktivator.  Ich 

mußte … Würgend brach es aus mir hervor. Ich sank zitternd in die Knie und versuchte nur noch, mein Gleichgewicht zu halten.   

*  Als  ich wieder  bewußt  zu  denken  vermochte, war  alles  vorüber, allerdings fühlte ich mich elender als zuvor. Tyars Hände lagen auf meinen  Schläfen,  und  eigenartiger  Weise  ging  eine  deutlich beruhigende Wirkung von ihnen aus. »Anti‐ES  darf  nicht  triumphieren«,  stöhnte  ich.  »Ich  muß  zu 

Asgard zurück.« »Anti‐ES wird dich nicht bekommen«, erwiderte Tyar  leise. »Uns 

beide nicht.« Nur  langsam  begriff  ich,  daß  der  Fremde  sich  des  Interkosmo 

bediente.  Ich wollte  auffahren,  aber die  Schwäche war  noch  nicht völlig aus meinen Gliedern gewichen. 

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Tyar  ist mehr,  als  es  den Anschein  hat, wisperte der Extrasinn.  Ich weiß  nicht,  wie  er  es  macht,  doch  er  ist  in  der  Lage,  dein  Ego,  deine Ausstrahlung, in sich aufzunehmen. Unwillkürlich versteifte ich mich. »Ruhig  bleiben«, mahnte Tyar.  Seine Worte  klangen  schon nicht 

mehr  ganz  so  holprig wie  eben.  »Ich  bin  kein  Feind,  falls du das befürchtest. Aber  ich möchte von dir wissen, weshalb du vor Anti‐ES fliehst. Nein, nicht jetzt«, fügte er rasch hinzu, als ich verkrampft Luft holte. »Wenn es dir bessergeht, ist Zeit genug.« »Ich muß zu Asgard!« stieß ich hervor. »Bringe mich zu ihm.« »Wer ist das?« »Mein Raumschiff.« Ich streckte einen Arm aus und deutete in die 

betreffende Richtung. Erneut durchflutete  eine Welle von Übelkeit meinen  Körper,  nur  konnte  ich  diesmal  erfolgreich  dagegen ankämpfen. »Dein  Schiff  wurde  in  der  vergangenen  Nacht  abgeschossen? 

Warum?« Während wir dann  aufbrachen, begann  er von  sich  zu  erzählen. 

Das  Laufen  tat  mir  gut  und  mobilisierte  neue  Kraftreserven. Trotzdem  gab  ich mich  keinen  Illusionen  hin.  Irgendwann mußte der unvermeidliche Zusammenbruch kommen. Tyar  sprach  von  sich wie  von  einem Herrscher  über  die  ganze 

Galaxis. Allerdings schien er kein Tyrann zu sein, sondern eher von Verständnis und Sorge selbst um das kleinste und unbedeutendste Volk  erfüllt.  Und  Sorge  drückte  sich  in  jedem  seiner  Sätze  aus. Ehrlich  gesagt,  verstand  ich manches  nicht  oder  nur  sehr  schwer. Meine Sinne waren wie umnebelt, und immer wieder mußte ich an die zurückliegenden Geschehnisse denken. Dann  jedoch stutzte  ich und  hob  ruckartig  den  Kopf,  um  Tyar  anzusehen.  Ich  kniff  die Augen  zusammen,  blinzelte.  Täuschte  ich  mich,  oder  hatte  der Fremde  sich  tatsächlich verändert? Das  einzig Bemerkenswerte  an seinem Gesicht waren bislang die ausdrucksvollen Augen gewesen, alles  andere  hatte  irgendwie  unfertig  gewirkt.  Jetzt  jedoch  traten 

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seine Wangenknochen deutlicher hervor, die Lippen waren kräftiger geworden  und  die  Nase  kantiger.  Die  Augen  hatten  ihre unergründliche Farbe beibehalten. Trotzdem war mir, als blicke ich in  einen matten  Spiegel, der  zwar die Konturen  leicht verwischte, aber  dennoch  den  Gesamteindruck  nicht  verändern  konnte.  Tyar war mir ähnlich geworden. Ein Gestaltwandler!  durchzuckte  es mich  siedendheiß. War  ich, 

ohne es zu wollen, doch meinem Gegner in die Falle gegangen? Nur Anti‐ES konnte hinter allem stecken. Wo  warst  du  mit  deinen  Gedanken?  wurde  ich  vom  Extrasinn 

angefahren,  der  unverkennbar  ungehalten  war.  Wieder  stieg Übelkeit in mir auf. Der große Arkonide sieht endlich ein, daß auch er Fehler macht, spottete 

mein  zweites  Ich.  Du  hättest  auf  mich  hören  und  das Wasser  nicht trinken sollen. Was ist mit Tyar? Doch  interessiert? Das  lautlose Gelächter  reizte mich,  indes  fühlte 

ich  mich  zu  schwach,  um  dagegen  aufzubegehren.  Tyar  ist  die personifizierte  Intelligenz  einer Galaxis,  die von  vielen  ihrer Völker Bars genannt wird. Aus Gründen, die selbst er erst nach und nach herausfinden konnte,  hat  Anti‐ES  eine  zweite,  in  vielem  ähnliche  Galaxis  mit  Bars vereint. Farynt, so ihr Name, wurde von einem Instinkt geleitet. Infolge  dieser  widernatürlichen  Vereinigung  entstanden  nabelähnliche Übergänge in die Namenlose Zone, die solange bestehen werden, wie Bars und Farynt ihre Positionen nicht mehr verändern. Und aus diesem Grund hat Anti‐ES Tyar und den  Instinkt  zu  seinen Gefangenen gemacht. Nur gelang  es  Tyar,  in menschlicher Gestalt  zu  entkommen.  Ihm  blieb  keine andere Wahl,  als  durch  einen Nabel  in  die Namenlose Zone  zu  fliehen. Inzwischen wird unser gemeinsamer Feind wohl erfahren haben, was sich abgespielt hat. »Dann schweben wir beide in Gefahr, je länger wir auf dieser Welt 

verweilen«, stieß ich unwillkürlich hervor. Tyar  bedachte  mich  mit  einem  forschenden  Blick.  »Ich  dachte 

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schon, du hörst mir überhaupt nicht zu«, sagte er. »Wie geht es dir?« Ich  versuchte  ein  Lächeln,  doch  wurde  nur  eine  verzerrte 

Grimasse  daraus.  Die  Schmerzen  kamen  in  kürzer  werdenden Perioden und immer stärker. Mittlerweile hatten wir die Sandwüste erreicht, ohne daß ich mich 

bewußt  erinnern  konnte,  mit  Tyar  zusammen  die  Felsspalte emporgeklettert  zu  sein.  Ich  zermarterte  mir  den  Kopf,  bis  mir wieder einfiel, daß wir erst ein Stück dem Bett des Urstroms gefolgt und dort, wo der Aufstieg verhältnismäßig einfach erschienen war, das ausgedehnte Geröllfeld erreicht hatten. »Ich will nach Bars  zurück«,  sagte Tyar.  »Kann dein Raumschiff 

die Namenlose Zone verlassen?« Deshalb  also  hatte  er  sich mir  angeschlossen.  Durfte  ich  sicher 

sein,  daß  er  mir  nicht  in  den  Rücken  fiel,  sobald  wir  Asgard erreichten?  Andererseits  –  mir  blieb  keine  andere  Wahl.  Allein würde ich es wohl nicht schaffen. Bei jedem Schritt empfand ich das Gefühl, in einen endlosen Abgrund zu stürzen. Die  Reflexion  des  Sandes  durchdrang  sogar  die  geschlossenen 

Lider.  In weniger  als  einer  Stunde würde die  Sonne  erneut hinter dem Horizont versinken. Ich begann mich zu fragen, was geschehen würde, wenn wir dann unser Ziel noch nicht erreicht hatten. Über uns ertönte heiseres Krächzen. »Wenn die Vögel angreifen«, stieß ich mühsam hervor, »mußt du 

schießen.« Augenblicke später erhielt  ich einen Stoß, der mich  taumeln  ließ. 

Hinter mir ertönte das Fauchen von Tyars Strahler. Alles drehte  sich. Verzweifelt versuchte  ich, mich zu orientieren, 

und irgendwie gelang es mir auch, wenngleich ich noch immer das Gefühl  hatte,  wie  ein  Baum  im  Orkan  zu  schwanken.  Keine fünfhundert Meter  vor mir  lag Asgard  im Wüstensand. Ob  seine Heilung Fortschritte gemacht hatte, konnte ich nicht erkennen. Tyar  wurde  von  den  Vögeln  heftig  attackiert.  Ununterbrochen 

schoß er. Doch dann, als nur noch wenige übrig waren, wirbelte ihm 

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ein  Flügelschlag  die  Waffe  aus  der  Hand.  Schon  stieß  das  Tier wieder auf ihn herab, als ein anderer Vogel ihm unverhofft zu Hilfe kam  und  sich  kreischend  gegen  seinen  Artgenossen wandte. Mit Schnäbeln und Fängen hackten sie aufeinander ein. Ein  Schatten  senkte  sich herab. Abwehrend wollte  ich die Arme 

hochreißen,  als  ich  erkannte,  daß  Asgard  unmittelbar  neben  mir niederging. Tyar hastete heran,  ließ  seinen Blick verwundert über die Kugel 

mit der  lederartigen Haut schweifen und wandte sich dann um. Er hatte seine Waffe wiedergefunden und richtete sie auf die Vögel. Nicht! vernahm  ich den gedanklichen Aufschrei Asgards. Er darf nicht schießen! Aber es war bereits zu spät, um Tyar in die Arme zu fallen. Einer 

der  Vögel  stürzte  tödlich  getroffen  ab,  während  der  andere  mit glimmenden Schwingen dem Boden entgegentaumelte. Ich  fühlte meine Knie weich werden. Dann hüllte Schwärze mich 

ein.   

*  Das  erste,  was  ich  bewußt  wahrnahm,  waren  die  belebenden Impulse, die mich durchfluteten. Noch ehe ich die Augen aufschlug, tasteten  meine  Hände  nach  dem  eiförmigen  Gebilde  auf  meiner Brust. Der Zellaktivator war wieder da. Ich mußte eine ganze Weile ohne Besinnung gewesen  sein, denn 

überrascht stellte  ich  fest, daß  ich mich bereits  in Asgards  Innerem befand. Tyar hatte sich neben mir niedergelassen und musterte mich fragend. Du hast lange geschlafen, teilte der Extrasinn mit. Aber der Schlaf hat dir gutgetan. Inzwischen befinden wir uns schon im freien Raum. »Asgard, warum hast du nicht gewartet?« fuhr ich auf. Weil der gesamte Planet eine einzige Gefahr für uns darstellt. 

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»Woher willst du das wissen?« Als Asgard schwieg, wiederholte ich meine Frage. Einer aus meinem Volk hat mich gewarnt. Zweifellos sprach Asgard nicht von sich in seiner augenblicklichen 

Gestalt.  Die  Gardianer  waren  bereits  ein  aussterbendes  Volk gewesen,  als  500  von  ihnen  auf  der  Suche  nach  den Quellen  des Jenseits,  von  denen  sie  sich Hilfe  versprachen,  in  die Namenlose Zone  und  in  die  Gewalt  von  Anti‐ES  gerieten.  Aus  ihrer Zellsubstanz  hatte  Anti‐Homunk  jenes  organische  Raumschiff geformt,  das  allerdings  durch  das  Eingreifen  meines  Extrasinns seiner  Kontrolle  entglitten  war.  Daß  ausgerechnet  jetzt  ein Gardianer  auf  der  Bildfläche  erschien, mutete mehr  als  sonderbar an. Nur  der Geist  eines  von uns,  die Seele,  oder wie  immer  du  es nennen willst,  erklärte  Asgard.  Die  geistige  Einheit  der  Gardianer  wurde zerrissen und durch die Namenlose Zone verstreut, als ich entstand. »Wo ist er jetzt?« In mir, und er macht es mir leichter, mich mit dir zu verständigen. Auch Tyar kann ich nun verstehen und mich ihm mitteilen. Asgard unterbrach sich für einige Sekunden. Wir fliegen den Nabel an, durch den Tyar kam. Wenn  wir  Glück  haben,  ist  es  uns  möglich,  nach  der  anderen  Seite durchzubrechen. »Ich  glaube nicht, daß Wachschiffe der Gyranter patrouillieren«, 

sagte  Tyar.  »Für  alle  Fälle  können  wir  uns  jedoch  in  dem Asteroidenring  verbergen,  der  diese  Seite  des  Nabels  umkreist.« Inzwischen sprach er perfekt Interkosmo, und ich fragte mich, ob er auch anderes Wissen von mir übernommen hatte. Aber bevor ich ins Grübeln verfallen konnte, meldete sich Asgard erneut. Du  sollst  erfahren, was  ich  inzwischen  über  den Planeten weiß. Men‐Gards Geist, der sich nun mit mir vereint hat, wäre ohne Körper kaum in der  Lage  gewesen,  länger  als  einige  Tage  zu  überleben.  Deshalb bemächtigte er sich eines der Vögel und fand dann schnell heraus, daß diese Welt  etwas Besonderes  aufzuweisen  hat,  beinahe  so  als  sei  sie  selbst  ein 

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gigantisches Lebewesen – von ungeheurer Bösartigkeit erfüllt, denn Flora und  Fauna  und  sogar  ihre  Umwelt  liegen  miteinander  in  ständigem Kampf.  Dabei  geht  es  keineswegs  um  eine  natürliche  Nahrungskette, sondern viel eher ums nackte Überleben. Wir haben es zu spüren bekommen, dachte ich irritiert. Und  alles  wäre  noch  schlimmer  gekommen,  hätte  Men‐Gard  in  der Gestalt  des  Raubvogels  nicht  andere  Tiere  von  uns  ablenken  können. Wieder  stockte Asgard kurz. Als  er dann  fortfuhr,  sagte  er  etwas, was  mir  zu  denken  gab:  Erwähntest  du  nicht,  daß  Anti‐ES  zur Läuterung  für  zehn  Relativeinheiten  in  die  Namenlose  Zone  verbannt wurde?  Vielleicht  befinden  sich  der  Planet  und  seine  Sonne  aus  einem ähnlichen Grund hier. Tyar  steckte  mir  einen  Konzentratriegel  zu,  den  er  aus  einer 

Innentasche  seiner  Kombination  hervorzog.  »Du  wirst  hungrig sein«, sagte er. Der Riegel schmeckte nach gar nichts, aber er stillte Hunger und Durst fast augenblicklich. Als  ich mich  fragte, wonach Asgard  sich  bei  seinem  Flug wohl 

orientierte, übermittelte er mir das Abbild eines silbrigen Gespinsts, das die Finsternis der Namenlosen Zone durchzog. Das Netz eines Grenzwächters. Tyar behauptete, daß er aufgrund der Stellung der Fäden  zueinander  erkennen konnte,  in welcher Richtung  sein Ziel lag. Wenn es uns, wirklich gelang, den Übergang zu finden und in den 

Einstein‐Raum vorzudringen, wie weit würden Bars und Farynt von der  heimatlichen Milchstraße  entfernt  sein  –  oder  von  einer  der Galaxien,  in  denen  sich  Terraner  aufhielten?  Besaß  ich  überhaupt die  Spur  einer  Chance,  jemals  wieder  mit  der  Menschheit Verbindung  aufzunehmen?  Wenn  ich  mir  die  ungeheure Ausdehnung des Weltais vor Augen  führte, konnte die Suche nach der Milchstraße durchaus  ähnlich werden wie die  Suche nach der berühmt‐berüchtigten Nadel im Heuhaufen. Vor  uns  erstreckt  sich  eine  ungeheure  Vielzahl  von  Trümmerstücken unterschiedlicher Größe, ließ Asgard wissen. 

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»Die  Überreste  des  zerplatzten  Planeten«,  bestätigte  Tyar.  »Die Schwerkraft des Nabels war stark genug, sie an sich zu binden. Sei vorsichtig,  Asgard,  die  Gyranter  lassen  auf  keinen  Fall  mit  sich spaßen.« Wir näherten uns einem großen Asteroiden, der dem Zentrum des 

Trümmerrings sehr nahe lag. Das nebelartige Wallen, das  ich durch Asgards Sinne  fast ebenso 

deutlich erkennen konnte wie mit eigenen Augen, war der einzige optische  Hinweis  auf  etwas  Besonderes  in  diesem  auf  wenige Lichtsekunden Durchmesser begrenzten Raumsektor. Raumschiffe! unterbrach Asgard meine Gedankengänge. Fünf große Einheiten sind soeben materialisiert. Ob sie uns entdeckt hatten? Zum einen befanden wir uns noch  innerhalb des Asteroidenrings 

und Asgard konnte durchaus für einen runden Felsbrocken gehalten werden,  zum  anderen  war  anzunehmen,  daß  die  energetischen Wirbelfelder  des Nabels  die  Ortungen  der  Schiffe  zumindest  auf gewisse Entfernungen beeinträchtigen. Trotzdem  erschien  es  sicherer,  wenn  wir  auf  dem  großen 

Asteroiden  niedergingen  und  uns  vorerst  aufs  Beobachten beschränken. Der Nabel übt  eine  anziehende Wirkung  aus,  stellte Asgard  fest.  Ich könnte  mich  treiben  lassen.  Sicher  streben  hin  und  wieder  auch Bruchstücke des Planeten dem Zentrum zu. »Die Gefahr  ist  zu groß, daß die Gyranter  solche Asteroiden  für 

Schießübungen heranziehen«, wehrte ich ab. »Mir liegt nichts daran, als Materiewolke zu enden.« Asgard landete auf dem großen Brocken, der immerhin eine Länge 

von gut 500 Kilometern besaß und  fast ebenso  tief war. Zu meiner Überraschung  besaß  der  Asteroid  eine  ausreichende  Schwerkraft, um  sich  zumindest  eine  dünne Atmosphäre  zu  erhalten.  Sie war atembar,  sonst  hätte  Asgard  Tyar  und  mich  nicht  ins  Freie hinausgelassen. 

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Die Raumschiffe der Gyranter waren inzwischen mit bloßem Auge als kleine,  fahl  leuchtende Kugeln auszumachen. Sie näherten sich. Nur  die  Tatsache,  daß  sie  nach wie  vor  dicht  beieinander  flogen, verriet  mir,  daß  sie  uns  noch  nicht  aufgespürt  hatten.  Oder  sie waren sich ihrer Überlegenheit sehr sicher. »Ich weiß nicht, was sie vorhaben«, sagte Tyar, als könne er meine 

Gedanken  lesen.  »Aber kein Gyranter  ist bisher  in die Namenlose Zone eingedrungen, ohne daß Anti‐ES ihn gerufen hätte.« Ein  raschelndes  Geräusch  ließ  mich  herumfahren.  Obwohl  die 

Finsternis nahezu undurchdringlich war, glaubte  ich, eine flüchtige Bewegung erkennen zu können. Zögernd  machte  ich  einen  Schritt  vorwärts.  Auch  Tyar  schien 

aufmerksam geworden zu sein, denn er schwieg plötzlich. Das  Rascheln  wiederholte  sich;  gleich  darauf  erklang  ein 

abgehacktes  Zischen.  Instinktiv  nahm  ich  Abwehrhaltung  ein. Unmittelbar vor mir zeigte sich ein fahles Fluoreszieren, die Umrisse eines weniger als einen Meter hohen Bäumchens nachzeichnend. Ein  Tier,  eine  Pflanze?  Unter  anderen  Umständen  hätte  ich 

sicherlich versucht, mit diesem Geschöpf in Kontakt zu kommen. So aber  mußte  mein  Augenmerk  mehr  den  näher  kommenden Raumschiffen  gelten.  Doch  als  ich  mich  umwandte,  waren  sie verschwunden. Sie  sind  weg,  bestätigte  Asgard.  Vermutlich  in  den  Asteroidenring eingeflogen. »Dann sollten wir die Gelegenheit nutzen«, rief Tyar. »Je eher ich 

nach Bars zurückkehre, desto besser.« Ich  nickte  flüchtig,  obwohl  er  die  Geste  kaum  wahrnehmen 

konnte. Asgard öffnete sich wieder für uns. Schade,  dachte  ich,  als  ich  den  fluoreszierenden  Baum  aus  den 

Augen verlor. Ich nahm an, daß es sich um einen Überlebenden des durch den Nabel zerstörten Planeten handelte. Das Bruchstück, auf dem wir uns  befanden, war  groß  genug, um  ihm und  vermutlich auch anderen seiner Art eine weitere Existenz zu ermöglichen. Da es 

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weit und breit keine Sonne gab, mußte es sich schon vorher um eine Dunkelwelt gehandelt haben. Asgard hielt  auf den Nabel  zu. Nach  endlos  lang  erscheinenden 

Minuten ließen wir die letzten Asteroiden hinter uns und rasten den Wirbelfeldern  entgegen.  Die  Raumschiffe  der  Gyranter  blieben verschwunden. Aus einen bestimmten Winkel heraus wurde ein  fahles Leuchten 

erkennbar, das sich zunehmend ausdehnte. Schließlich entdeckte ich die  ersten  Sterne,  die mir  wie  eine  Verheißung  erschienen.  Tyar hatte also nicht gelogen. »Dein Weg nach Hause ist weit, Atlan«, sagte der Mann neben mir 

unvermittelt.  »Wir  sollten  uns  zusammentun,  damit  einer  dem anderen  bei  der  Lösung  seiner  Probleme  helfen  kann.«  Erstaunt blickte  ich  ihn  an.  »Du  erwartest Unmögliches  von mir. Wenn  es Anti‐ES gelang, zwei Galaxien seiner Macht zu unterwerfen, können nur die Kosmokraten ihn noch daran hindern.« »Sie werden auch diesmal nicht eingreifen.« Im ersten Moment blickte  ich Tyar  fragend an, doch er war nicht 

minder überrascht als ich. Mentales Gelächter brandete auf. Zugleich  meldete  Asgard,  daß  die  Schiffe  der  Gyranter  uns 

einkreisten. »Glaubt ihr wirklich, ich ließe ich euch entkommen? Du, Tyar, bist 

viel zu wertvoll, und was Atlan betrifft, nun, er wird wissen, was ich mit ihm vorhabe.« »Anti‐ES«,  stieß  ich  zwischen  zusammengebissenen  Zähnen 

hervor. »Du hast gut gespielt, Arkonide, das muß ich anerkennen, aber du 

hast  verloren.  Jeder,  der  gegen  mich  anzutreten  versucht,  wird verlieren.« Asgard,  dachte  ich.  Haben  wir  eine  Chance,  den  Schiffen  zu 

entkommen? Keine! 

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»Anti‐ES will in erster Linie mich haben«, sagte Tyar. »Asgard, du mußt das ausnutzen und mit Atlan in den Nabel einfliegen.« Auf einmal wurde Tyar von wogenden Nebelschleiern eingehüllt. 

Meine Hände stießen ins Leere, als ich ihn zurückhalten wollte. Du kannst  ihn nicht aufhalten, behauptete der Extrasinn. Er  ist kein Wesen aus Fleisch und Blut, eher nur Geist oder intelligente Energie. Mag sein,  daß  auch  ES  und Anti‐ES  vor Äonen  so wie  er waren. Um  Tyar festzuhalten, bedarf es mehr als Mauern oder einfacher Schutzschirme. Ich begann zu ahnen, was dieses Wesen vorhatte. Sekunden  später  lösten  sich  die  ersten  Asteroiden  aus  ihrer 

Kreisbahn  und  strebten mit  enormen  Beschleunigungswerten  den Raumschiffen  entgegen.  Einige  der  Felsbrocken  zerstäubten  unter der Wirkung von Impulskanonen und anderen Waffensystemen, die größten aber kamen den Gyrantern bedrohlich nahe. Ich spürte, daß Asgard beschleunigte. »Nicht  zum  Nabel  hin!«  rief  ich  intuitiv.  »Wir  bleiben  in  der 

Namenlosen Zone.« Eines  der  Raumschiffe  kollidierte mit mehreren Asteroiden  und 

explodierte  trotz  aktivierter  Schutzschirme. Asgard  bemühte  sich, den Glutball der Explosion als Ortungsschutz auszunutzen. Wenig  später  flammten  Dutzende  winziger  Sonnen  in  diesem 

Sektor  auf  –  doch  war  ihre  Energie  innerhalb  von  Sekunden aufgezehrt. Um den Nabel  lag  ein blaues,  flirrendes Licht,  in dem die Asteroiden vergingen. Zweifellos hätte auch Asgard und mich dieses Schicksal ereilt, wären wir Tyars Rat gefolgt. »Du kannst mir nicht entkommen!« dröhnte die »mentale« Stimme 

von Anti‐ES auf. »Aber Tyar  ist mir  jetzt wichtiger. Genieße deine Freiheit, solange sie dir bleibt.« Wohin sollen wir uns wenden? fragte Asgard. »Dorthin,  wo  wir  in  Sicherheit  sind«,  antwortete  ich  in  einem 

Anflug von Galgenhumor.   

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*  Der  temporäre Reinkarnationseffekt endete abrupt. Als Atlan, vom durchlebten  Geschehen  noch  leicht  benommen,  die  Augen aufschlug, blickte er geradewegs  in Tyaris erstauntes Gesicht. Viele Fragen schienen sie zu bewegen. »Ich werde die Geschichte  zu Ende  erzählen,  an der Atlan nicht 

mehr  teilhatte«,  kam  es  von  Wöbbeking‐Narʹ  Bon.  »Tyar,  die Intelligenz von Bars, wurde noch am Rand des Nabels von Anti‐ES und den Gyrantern gestellt und nach einem heftigen Kampf wieder in  die  Verzahnung mit  Prezzar  eingegliedert.  Doch  er  nahm  das Wissen  um  Atlan  in  die  Gefangenschaft  mit.  Heimlich  und  mit letzter Kraft begann er, während er sich erfolgreich gegen Prezzars Ungestüm  zur  Wehr  setzte,  ein  junges  Mädchen  aus  einem arkonidenähnlichen,  bislang  unbedeutenden  Volk  von  Bars  in seinem Sinn zu formen. Dann legte Anti‐ESʹ Fessel wieder den Bann des Vergessens um Tyar.« »Ich wurde  demnach  nicht  aus  lebloser Materie  erschaffen wie 

Mjailam?« machte Tyari erstaunt. »Du warst schon  immer eine Frau«, bestätigte Wöbbeking. »Tyar 

hat  lediglich  deinen  Körper  zu  einem  Wachstum  nach  Atlans Schönheitsideal angeregt und prägte dir seinen Willen auf. Deshalb fehlt dir  jede Erinnerung  an Kindheit  und  Jugend, weil diese  nur einen  unkalkulierbaren  Störfaktor  bedeutet  hätte.  Deine  einzige Aufgabe  sollte  es  sein, Atlan  zu  suchen und dabei  auch nicht mit deinen weiblichen Reizen  zurückzuhalten,  um  Tyar  und  Bars  zur Freiheit zu verhelfen.« Der Arkonide pfiff  leise  zwischen den Zähnen hindurch.  »So  ist 

das also«, stieß er hervor. »Was willst du damit sagen?« fuhr Tyari auf. Er musterte sie stumm. Sein Blick streifte ihr locker fallendes Haar, 

verharrte kurz auf den straffen Brüsten und wanderte dann zu ihrer Taille und den langen, schlanken Beinen weiter. 

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Mit  zusammengepreßten  Lippen  hatte  Tyari  seine  Reaktion beobachtet, nun machte sie ihrem Ärger Luft. »Du glaubst also, daß ich dich nur deshalb liebe, weil Tyar es mir 

befohlen hat?« »Es wäre immerhin möglich, oder …?« Einen  spitzen Aufschrei  ausstoßend,  schlug Tyari  zu. Atlan  fing 

ihre Hand unmittelbar vor seinem Gesicht ab. »Ich will die Wahrheit wissen!« »Es  ist die Wahrheit«, stieß Tyari hervor. »Wie kann man nur so 

kurzsichtig und egoistisch sein, wie du. Ich liebe dich wirklich, nicht weil …« »Dann beweise es mir.« Ein Lächeln huschte über Atlans Züge als 

er  sie,  immer  fest  in  seinem Griff,  zu  sich heranzog. Tyaris Mund verharrte dicht vor dem seinen. »Du mißtraust mir?« »Eher den Gefühlen, die du  für mich  aufbringst.«  Seine Zweifel 

blieben in jeder Hinsicht. »Ich  lasse mich nicht verkaufen – weder von dir, noch von Tyar, 

noch von sonst wem.« Mit einer ruckartigen Bewegung löste sie sich aus seinem Griff.   

2.  Die  Gewißheit,  daß  sie  ihre  Existenz  keinesfalls  einem  bloßen Willensakt  verdankte, machte  Tyari  vieles  leichter. Und wenn  sie ehrlich  gegen  sich  selbst  war,  verstand  sie  Atlans  Reaktion.  Der Arkonide  mußte  in  der  Tat  Angst  davor  haben,  von  fremden Mächten ausgenutzt zu werden.  Immerhin ging es dabei nicht nur um  ihn,  sondern  das  mächtige  Fernraumschiff  SOL  mit  seiner gesamten Besatzung wurde in die Geschehnisse mit hineingezogen. Atlan  räusperte  sich  verhalten.  Er  hatte  sich  erhoben  und  eine 

ruhelose  Wanderung  durch  seine  Kabine  begonnen.  Tyari 

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beobachtete  ihn angespannt. Schließlich blieb er stehen und starrte eines der Bilder von der Erde an. »Wöbbeking«,  sagte  er mit  leiser,  vibrierender  Stimme.  »Asgard 

war  damals  so  etwas wie mein  Freund,  zumindest  ein wertvoller Helfer. Zuletzt gehörte er zum Arsenal und stand damit gegen mich. Ich  weiß,  daß  er  selbst  lichtjahreweite  Entfernungen  innerhalb kürzester Zeit  zurückzulegen  vermag  – doch wie  gelangte  er  von Xiinx‐Markant  nach  Bars‐2‐Bars?  Hatte  Anti‐ES  schon  zu  jenem Zeitpunkt damit begonnen, seinen Plan auszuspielen?« »Du  irrst, Atlan, wenn  du  glaubst,  alles  unserem Gegner  in  die 

Schuhe schieben zu müssen. Ich war es, der Asgard zusammen mit Kik  und  Sanny  nach  Bars‐2‐Bars  versetzte,  weil  ich  es  als  nötig erachtete,  dir  durch  die  Paramathematikerin  Unterstützung zukommen zu lassen, und weil ich selbst nicht direkt in Erscheinung treten wollte. Anti‐ESʹ Angriff,  als  er mich durch das  im Zentrum von Xiinx‐Markant entstandene Schwarze Loch zu sich holen wollte, hatte mich vorsichtig gemacht. Zum  anderen überkam mich  gerade  zu  jenem Zeitpunkt wieder 

die Erinnerung an Chybrains Tod. Und das Verschwinden der SOL in  dem  Giganttransmitter  erzeugte  in  mir  ein  Gefühl,  als  sei Chybrain in diesem Moment zum zweitenmal gestorben.« »Wahrscheinlich war es die Verbundenheit zwischen uns, die dich 

so fühlen ließ«, vermutete Atlan. »Ich bin schließlich doch selbst nach Bars‐2‐Bars gekommen, weil 

hier etwas ist, was mich anzieht«, sagte Wöbbeking. »Noch kann ich nicht definieren, ob es sich um eine Gefahr handelt, aber ich werde es herausfinden.«   

3.  »Es ist eine Gefahr«, sagte Tyari nach längerem Schweigen. Atlan wandte sich zu ihr um. »Weißt du mehr darüber?« 

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Die Frau schüttelte den Kopf. »Was sollte es sonst sein?« stellte sie die Gegenfrage. Der Arkonide schluckte krampfhaft. »Wenn ich ehrlich sein soll, mir brennt die Frage auf den Lippen, 

wie unsere Auseinandersetzung mit Anti‐ES enden wird.« Tyari erschrak sichtlich. »Darauf wird  dir  niemand  eine Antwort  geben  können  –  selbst 

Wöbbeking nicht. Die Frage wäre sinnlos vertan.« Atlan warf ihr einen forschenden Blick zu. »Alles, was sich in der 

Vergangenheit ereignete, wirft seine Schatten bis in die Gegenwart. Wenn  ich daran denke, daß  ich  infolge meiner Gedächtnislöschung durch  die  Kosmokraten  vieles  nicht  mehr  wußte,  was  uns  hätte weiterhelfen  können,  sei  es  bei  der  Konfrontation  mit  den Manifesten oder überhaupt die Existenz der kosmischen Nabel,  so muß ich mich unwillkürlich fragen, was damals in der Namenlosen Zone noch geschah.« Er zögerte,  fuhr  sich mit den Fingern durchs Haar. »Mir wird  immer deutlicher bewußt, wie sehr alle Ereignisse miteinander verknüpft sind. Als würde jemand am Hintergrund die Fäden ziehen – und die Marionetten, die an diesen Fäden hängen, sind wir, Tyari. Du und ich, die SOL, vielleicht sogar Anti‐ES …« »Du  spinnst«,  entfuhr  es  der  Frau.  »Wer  sollte  jener 

›Puppenspieler‹ sein, der uns im Griff hat?« »Die Kosmokraten! Sie wären dazu in der Lage.« Tyari seufzte. »Du weißt nichts von ihnen, Atlan. Das hast du selbst zugegeben. 

Wenn du schon glaubst, als Puppe mißbraucht zu werden, weshalb versuchst du nicht, dich von den Fäden zu lösen?« »Und wie? Kannst du mir sagen, welchen Schritt ich tun muß, um 

wirklich das Spiel so fortzuführen, wie ich es für richtig halte?« Tyari erkannte, daß sie nahe daran waren, sich im Kreis zu drehen, 

ohne  Ergebnisse  zu  erzielen.  Ein  Zustand,  der  keineswegs zufriedenstellen  konnte,  der  eher  alles  bisher  Erreichte  fraglich erscheinen ließ. 

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»Wöbbeking«,  rief Atlan. »Welche Ereignisse  in der Namenlosen Zone, die ich vergessen habe, spielen in die Gegenwart herein oder sind irgendwie mit ihr verbunden?« Unwillkürlich  mußte  er  an  das  Nymo‐Tay  denken,  mit  dessen 

Hilfe  er  zu  Sanny, Kik  und  den  anderen Gefangenen‐im  Prezzar‐Mydonium  gefunden  hatte. Kik  behauptete  seinerzeit, das Nymo‐Tay von Atlan in der Namenlosen Zone erhalten zu haben. Der Arkonide  hatte  plötzlich  das Gefühl,  den  Boden  unter  den 

Füßen zu verlieren. Ohne daß Wöbbeking sich meldete, machte sich der temporäre Reinkarnationseffekt wieder bemerkbar. Sekundenbruchteile  später  schlug  die Vergangenheit  über Atlan 

zusammen. Wie eine Woge, die alles andere auslöscht.   

*  Asgards  mentaler  Aufschrei  weckte  mich  aus  ohnehin  nur oberflächlichem  Schlaf.  Ich wußte  nicht, was  geschehen war, mir blieb  auch  keine  Zeit,  um  Fragen  zu  stellen.  Unvermittelt einsetzende  Andruckkräfte  preßten  mich  tief  in  die  weiche Körpermasse des  organischen Raumschiffs.  Ich bekam kaum noch Luft, mein  Rücken  begann  zu  schmerzen, weil  ich mich  aus  der unnatürlichen  verkrampften  Haltung  nicht  befreien  konnte. Mindestens sieben oder acht Gravos schlugen durch. Ein  rasender Wirbel  schien uns erfaßt zu haben und mit  sich zu 

reißen. Asgard schrie noch immer. Bruchstücke seiner Gedanken verrieten 

mir, daß auch er nicht wußte, was geschah. Es gab nichts, woran er sich hätte orientieren können. Und dann, schlagartig war alles anders. Zweifellos  befanden wir  uns  auf  der Oberfläche  eines  Planeten. 

Fahles grünes Licht umgab uns. Instinktiv  versuchte Asgard  an Höhe  zu  gewinnen.  Es  blieb  bei 

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dem Versuch. Fesselfelder hielten ihn am Boden fest. Demnach  befanden  wir  uns  in  der  Gewalt  intelligenter Wesen. 

Aber mit Intelligenzen ließ sich reden, zumindest verhandeln. … glaubst du, schränkte mein Extrasinn sofort ein. Ich verzichtete auf eine Antwort, weil dies eines der Themen war, 

über  die  man  stundenlang  diskutieren  konnte,  ohne  zu  einem brauchbaren  Ergebnis  zu  gelangen.  Die  Fremden, wer  immer  sie sein mochten, verfügten über hervorragende technische Kenntnisse. Daß es ihnen gelungen war, uns aus dem freien Weltraum auf ihren Planeten zu holen,  setzte  eine Art Fiktivtransmitter voraus, wie  es ihn in der Anfangszeit des Solaren Imperiums gegeben hatte. Die Atmosphäre  ist  für dich  atembar,  teilte Asgard mir mit. Deinem Organismus abträgliche Beimengungen kann ich nicht feststellen. Eigentlich war  ich  froh, den Hohlraum  in  seinem  Innern endlich 

wieder  verlassen  zu  können.  Aber  das  Grün,  das  mich  umfing, weckte Unbehagen. Die Sicht reichte kaum weiter als einige Meter. Der Boden wirkte wie Metallplastik, strahlte  jedoch eine Kälte aus, die mich frösteln ließ. Im Gegensatz zu Asgard konnte ich mich frei bewegen. Indes stieß 

ich  gleich  darauf  gegen  ein  unsichtbares  Hindernis,  das  mir Widerstand  entgegensetzte.  Eine  Energiekuppel,  deren Durchmesser annähernd 30 Meter betrug. Die Höhe konnte ich nur schätzen und nahm sie deshalb mit demselben Wert an. Im Grunde genommen war nur die Erkenntnis wichtig, daß Asgard und ich uns als  Gefangene  zu  betrachten  hatten.  Von  wem,  die  Frage  blieb vorerst unbeantwortet. Geduld,  Atlan,  sollte  schon  lange  deine  Stärke  sein,  bemerkte mein 

zweites Ich spöttisch. Das grüne Leuchten veränderte  sich, wurde erst blau, dann gelb 

und  schließlich weiß, wobei  der  Farbwechsel  jeweils  an  der  Basis der  Kuppel  begann  und  sich  schlierenförmig  in  die  Höhe ausbreitete. Sekunden später brach das Energiefeld zusammen. Bewaffnete  hatten  uns  eingekreist.  Obwohl  sie  nur  entfernt 

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menschenähnlich waren, glaubte  ich,  ihre Mimik  recht gut deuten zu können. Sie würden beim geringsten Anzeichen von Gegenwehr sofort schießen. Wir befanden uns in der Randzone einer ausgedehnten Stadt. Die 

dicht  gedrängt  stehenden  Bauten  besaßen  Wabenformen,  wobei jeweils  zehn  von  ihnen  eine  Einheit  bildeten,  die  sich  als  leicht geöffnete  Spirale  darstellte.  Keines  der  Gebäude  einer  solchen Spirale  besaß  dieselbe  Höhe  wie  ein  anderes,  und  sie  waren stufenförmig ansteigend hintereinander angeordnet. »Mitkommen!« wurde  ich  angeherrscht  und  reagierte  im  ersten 

Moment überrascht, weil  ich nicht erwartet hatte, die Bewaffneten zu  verstehen.  Aber  zusätzlich  zum  gesprochenen Wort  hatte  ich einen telepathischen Befehl erhalten. Ich beschloß, die Fremden deshalb »Zweisprecher« zu nennen. Keiner  von  ihnen war  kleiner  als  zwei Meter. Trotz  ihrer Größe 

wirkten  sie  keineswegs  hager.  Das  Auffallendste  an  ihnen  war zweifellos das  rudimentäre  zweite Armpaar, das unmittelbar über dem Hüftknochen etwa dreißig Zentimeter lang hervorstand und in zwei ebenfalls verkümmerte Greiffinger auslief. Ihre Kopfform war menschlich,  nur wiesen  die  Schädel  keinerlei  Behaarung  auf,  und die  Nase  war  lediglich  andeutungsweise  als  leichte  Erhebung vorhanden. Doch dafür besaßen die Zweisprecher vier Augen, von denen  zwei  ganz  normal  angeordnet  waren,  die  beiden  anderen aber  die  Stelle  der  Brauen  einnahmen.  Die  Pupillen  der übereinanderliegenden  Augen  schienen  jeweils  miteinander  zu verschmelzen.  »Was  wollt  ihr  von  mir?«  fragte  ich,  als  die Zweisprecher mich zu einem Prallkissengleiter  führten. Auf meine Frage reagierten sie mit eisiger Zurückhaltung. Unsanft wurde  ich  ins  Innere des Fahrzeugs gestoßen, dann glitt 

die Tür hinter mir  zu und  ich war  allein und von der Außenwelt hermetisch  abgeschlossen. Vergeblich wartete  ich  darauf,  daß  das Gefährt  starten und mich  irgendwohin bringen würde, wo  andere Zweisprecher bereits auf mich warteten. 

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Oder Anti‐ES? Ich verwarf den Gedanken  sofort wieder, denn die Anwesenheit 

der Superintelligenz würde mir kaum verborgen bleiben. Nacktes,  fugenloses Metall umgab mich.  Ich begann, die Wände 

abzuklopfen,  doch  der  Klang  war  immer  derselbe,  als  existierte dahinter nicht der kleinste Hohlraum. Fünf Minuten waren vergangen, als sich das Schott wieder öffnete. 

Ein schmaler, schnurgerader Gang schloß sich an, dessen jenseitiges Ende  im Dunste verborgen blieb. Zweifellos waren Energieschirme für  diesen  optischen  Effekt  verantwortlich. Also  hatte  der Gleiter sich  bewegt,  ohne  daß  ich  auch  nur  die  geringste  Erschütterung wahrgenommen hatte. Die Zweisprecher erwarteten von mir, daß ich den Gleiter verließ. 

Flüchtig spielte  ich mit dem Gedanken, mich hartnäckig zu zeigen, doch das wäre einer möglichen Verständigung zwischen ihnen und mir kaum förderlich gewesen. Ich durfte mich immer mehr als Gefangener fühlen. Meine Schritte 

erzeugten  nicht das  leiseste Geräusch. Das Licht, das  gleichmäßig von der Decke, den Wänden und sogar vom Boden ausstrahlte, ließ mich  frösteln. Wenn  ich die Hände hob und sie ansah, glaubte  ich, ein eigenartiges Flimmern zu sehen, das mich unwillkürlich an die leuchtende Aura der Kirlianfotografie erinnerte. Hast du eine Erklärung dafür? fragte ich meinen Extrasinn. Unwillkürlich  war  ich  stehengeblieben.  Jetzt  verspürte  ich  eine 

rasche  Folge  schmerzhafter  Schläge  gegen meinen  Körper.  Kleine Lichtexplosionen  erfüllten  den  Gang.  Nur  Augenblicke  später schien sich das Leuchten um mich her zu verdichten, und ich hatte das  Gefühl,  regelrecht  vorwärtsgerissen  zu  werden.  Ich  wollte abwarten,  was  weiter  geschah,  aber  meine  Beine  machten  sich selbständig.  Sie  unterlagen  plötzlich  nicht  mehr  der  Steuerung durch das zentrale Nervensystem, sondern gehorchten irgendeinem anderen  Befehl.  Die  Tatsache,  daß  ich  trotz  meiner Mentalstabilisierung  fremdem Zwang ausgesetzt war, erfüllte mich 

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mit Unbehagen. Das  ist weder Hypnose noch  etwas Vergleichbares.  Immerhin  triffst du völlig unbeeinflußt deine Feststellungen. Mein  Unbehagen  wuchs  von  Minute  zu  Minute,  je  länger  die 

Zweisprecher mir ihre Macht bewiesen. Zu beiden Seiten des Ganges zweigten Räumlichkeiten ab – kleine, 

kaum  wenige  Quadratmeter  messende  Kammern,  die  mich unwillkürlich  an Gefängniszellen  erinnerten. Nur  daß  die Wände nicht  materiell  waren,  sondern  von  Energieschirmen  gebildet wurden.  Ein  Zweisprecher  kauerte  im  hintersten  Winkel  einer solchen Zelle. Er wirkte  apathisch und war  ohnehin nur noch  ein Zerrbild  seiner  selbst,  bis  auf  die Knochen  abgemagert  und wohl nicht mehr in der Lage, sich auf den Beinen zu halten. Einige Meter weiter öffnete sich eine Kammer. Sie war leer, wie ich 

flüchtig feststellte. Ich zögerte. Doch da war wieder dieses Prickeln in den Beinen, das 

mir meine eigene Hilflosigkeit verriet.  Ich wollte es nicht, aber  ich schritt auf die Zelle zu. Hinter mir schloß sich der Energievorhang.   

*  Mit überkreuzten Beinen  saß  ich auf dem kalten Boden, hatte den Kopf  in die Hände und die Ellbogen auf die Oberschenkel gestützt und  harrte  der  Dinge,  die  da  kommen  würden.  Einige  Stunden waren  vergangen,  in  denen  ich  vergeblich  nach  einem  Ausweg gesucht hatte. Die Wände, eine feste Form von Energie, verwehrten mir jeden Blick nach außen. Sie waren hart und glatt wie Stahl. Meine  Gedanken  beschäftigten  sich  mit  der  Struktur  der 

Namenlosen Zone, die  längst nicht  so  leer  zu  sein  schien, wie  ich dies bislang geglaubt hatte. Entweder waren Asgard und ich in eine von allem bisherigen Geschehen weit entfernte Region verschlagen 

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worden, oder der Schein der zweifellos vorhandenen Sonnen reichte nie  weiter  als  einige  Lichtstunden.  Andernfalls  hätte  sich  dem Beobachter  zumindest  ein  spärlicher  Sternenhimmel  darbieten müssen. Was hatten die Zweisprecher mit mir vor – was war aus Asgard 

geworden?  Je mehr Zeit verging, desto weniger glaubte  ich an die Möglichkeit  einer  friedlichen  Verständigung.  Die  absolute  Stille schien Teile einer psychischen Folter zu sein. Mit  geschlossenen  Augen  versank  ich  allmählich  in  eine  Art 

Trance, die mich Raum und Zeit vergessen ließ. Stunden konnten so zu  einem  Bruchteil  von  Sekunden  zusammenschrumpfen.  Eine wohltuende Ruhe durchströmte mich, begleitet von einer sich bis in die engsten Kapillaren ausdehnenden Wärme. Irgendwann  –  ich  hatte  jegliches Zeitgefühl  verloren  –  schreckte 

ich auf. Zweisprecher standen mit angeschlagenen Waffen vor mir. Der Extrasinn behauptete, daß höchstens zwei Stunden vergangen waren.  Das  bedeutete,  daß  die  Fremden  sehr  schnell  des  bloßen Beobachter überdrüssig geworden waren. Ich wurde zu einem Antigravschacht geführt und hineingestoßen. 

Gerichtete  Schwerefelder  ließen mir  keine Gelegenheit  zur  Flucht. Als ich nach schätzungsweise hundert Metern Höhenunterschied in einen  lichtüberfluteten Korridor kam und die Zugfelder erloschen, nahmen mich erneut Bewaffnete in Empfang. Ich befand mich  in einem der höchsten wabenförmigen Gebäude. 

Alles machte einen sterilen Eindruck, und als ich schließlich in einen mit  fremdartigen  Instrumenten  angefüllten  Saal  gebracht  wurde, wußte ich mit letzter Konsequenz, was mich hier erwartete. Abrupt blieb  ich  stehen  und  mißachtete  selbst  den  Lauf  des Strahlenkarabiners, der  sich mir  in den Rücken bohrte. Der Mann würde nicht schießen – noch nicht. Einige Zweisprecher – Ärzte oder Wissenschaftler? – starrten mich 

herausfordernd an. Ihre Blicke waren kalt und berechnend. »Warum können wir nicht miteinander reden?« 

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»Alles, was  von draußen  kommt, bringt Unheil«,  stieß  einer der Männer  hervor,  die  mich  bewachten.  »Wir  wollen  endlich herausfinden, warum das so ist.« Mit »draußen« meinte er  sicherlich die Namenlose Zone. Wer  so 

redete, mußte einige schlechte Erfahrungen gemacht haben. Sei  vorsichtig mit  deinen Folgerungen, warnte mein  zweites  Ich. Es kann  sich  ebensogut  anders  verhalten. Die  Zweisprecher  hätten  Asgard und dich nicht auf ihre Welt geholt, wenn sie sich fürchteten. »Auch ich habe draußen Feinde«, sagte ich, ohne eine Reaktion zu 

erzielen. »Macht alles bereit«, befahl einer der Ärzte. Ich  reagierte,  ohne  zu  überlegen. Auf  dem Absatz  schnellte  ich 

herum und  setzte zum Dagorgriff an, der einem meiner Bewacher einknicken  ließ,  ehe  er  überhaupt  begreifen  konnte, was mit  ihm geschah.  Aber  die  beiden  anderen  waren  schnell.  Der  Hitze  des Strahlschusses  entging  ich nur durch  eine blitzartige Drehung  zur Seite. Ich riß den Mann mit mir zu Boden, der geschossen hatte. Der andere  legte zwar auf mich an, wagte aber nicht abzudrücken, aus Furcht,  er  könne  seinen  Kameraden  treffen.  Ineinander  verkrallt, wälzten wir uns herum, bis ich eine Hand freibekam und zupackte. Besinnungslos sackte der Zweisprecher in meinem Griff zusammen. Zugleich verspürte ich ein eigenartiges Prickeln. Da war die Kirlian‐Aura wieder. Sie umschloß meine Arme und breitete sich über den gesamten  Oberkörper  aus.  Ich  wollte  schreien,  doch  die  Stimme versagte mir  den  Dienst.  Als  sei  ich  nicht mehr Herr  über mich selbst,  schritt  ich  auf die gepolsterte  runde Liege  in der Mitte des Raumes  zu,  über  der  starke  Scheinwerferbatterien  angeordnet waren.  Ich  wollte  es  nicht,  aber  ich  konnte  nicht  anders.  Kein einziger  Muskel  gehorchte  noch  meinen  Befehlen.  Selbst  die Erkenntnis,  daß  diese  Liege  sämtliche  technischen  Einrichtungen eines Seziertisches barg, hinderte mich nicht daran. Ich setzte mich auf  ihren  Rand  und  ließ  mich  zurücksinken.  Die  Zweisprecher entblößten meinen Oberkörper  und  brachten mich  in  die  richtige 

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Lage;  aber  erst  als  magnetische  Klammern  um  meine  Gelenke zuschnappten,  fiel  der  fremde  Wille  von  mir  ab  wie  ein  böser Traum, aus dem man erwacht und erkennt, daß in Wirklichkeit alles anders ist. Doch nichts war anders. Interessierte Gesichter beugten sich über 

mich und musterten mich, knochige Hände tasteten mich ab. »Woher mag er kommen?« hörte ich fragen. »Er ist anders als jene, 

die wir bisher gefangen haben.« »Wir werden es herausfinden. Sobald wir anfangen, achtet auf die 

Aktionsströme seiner Großhirnrinde.« »Wir  sollten  sein  Gehirn  sofort  absondern.  Die  Nährlösung  ist 

bereit,  ebenso  sämtliche  Aufzeichnungsapparaturen.  Seine Erinnerungen werden uns Aufschluß geben.« Einer der Ärzte winkte heftig ab. »Ohne  das Gehirn  können wir  die  Funktionen  des Körpers  nur 

unzureichend überprüfen.  Ich muß darauf dringen, daß zuerst alle zweitrangigen Messungen ausgeführt werden.« Obwohl ich weder in der Lage war, mich zu bewegen, noch mich 

zu  artikulieren,  war  ich  hellwach.  Die  Zweisprecher,  die  mich umstanden, blieben  für mich mehr  oder weniger diffuse  Schatten, denn das Licht der Scheinwerfer über dem Seziertisch blendete. Leise summend senkte sich ein viereckiger Kasten auf mich herab. 

Ich  fühlte  ein  eigenartiges  Prickeln,  als würde mein  Blutkreislauf jeweils  dort  unterbrochen,  wo  der  Kasten  schwebte.  Vermutlich entstand  auf  diese  Weise  ein  exaktes  Computerbild  meines Adernsystems. »Er ähnelt den Gyrantern«, vernahm ich. »Ob er ebenfalls aus dem 

Alten Raum kommt?« »Dann ist die Frage, ob er wie unser Volk auch verbannt wurde.« Sie meinen den Einstein‐Raum, wisperte der Extrasinn. Still!  fuhr  ich  ihn an.  Ich wollte hören, was die Zweisprecher zu 

sagen hatten. Aber sie schwiegen jetzt. Ein  Laserskalpell  flammte  auf.  Zumindest  würde  ich  kaum 

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Schmerzen  empfinden,  wenn  der  mikroskopisch  fein  gebündelte Lichtstrahl in mich eindrang. »…  ich  muß  darauf  dringen,  daß  zuerst  alle  zweitrangigen 

Messungen ausgeführt werden.« Das Skalpell verharrte eine Handbreit über meiner Bauchdecke. »Er  ähnelt  den  Gyrantern«,  sagte  der  Arzt,  der  rechts  von mir 

stand und das Operationsbesteck  führte. »Ob er ebenfalls aus dem Alten Raum kommt?« Wenn  ich dazu  in der Lage gewesen wäre, hätte  ich verwirrt den 

Kopf  geschüttelt.  So  überschlugen  sich  meine  Gedanken.  Genau dieselben Worte, die der Zweisprecher gebrauchte, hatte  ich schon vor wenigen Augenblicken gehört. »Dann ist die Frage, ob er wie unser Volk auch verbannt wurde«, 

erwiderte ein anderer, den  ich nicht sehen konnte, da er hinter mir stand. Ich begann an meinem Verstand zu zweifeln. War ich nahe daran, 

mich  in geistige Umnachtung zu  flüchten, weil  ich keinen anderen Ausweg mehr sah? Blödsinn.  Ich war nicht so  labil, daß mich eine solche  Belastung  umkippen  ließ.  Etwas  anderes  mußte dahinterstecken. Die Szenerie schien in gewisser Weise eingefroren. Der Arzt schob 

das  Skalpell  einen  halben  Meter  von  mir  weg,  dann  zog  er  es langsam wieder näher heran. »… daß zuerst alle zweitrangigen Messungen ausgeführt werden.« Das war Wahnsinn. »Er ähnelt den Gyrantern …« Wie eine altertümliche Schallplatte, bei der die Tonabnehmernadel 

infolge eines Kratzers immer wieder in dieselbe Rille zurückspringt. Aus  den  Augenwinkeln  heraus  gewahrte  ich  ein  seltsames 

Flimmern.  Eine  doppelt  faustgroße  Kugel  schwebte  heran  und verharrte  einen Meter über mir.  Sie war  halbtransparent und  von grauer Farbe. In ihrem Innern pulsierte es, als lebe sie. Die  Zweisprecher  schienen  dieses  Ding  zwar  ebenfalls 

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wahrzunehmen,  trafen  jedoch keinerlei Anstalten, es zu vertreiben, als  es  langsam  zwischen  ihnen  hindurchglitt.  Die  Lähmung  fiel allmählich  von mir  ab.  Schon war  ich  in  der  Lage,  den  Kopf  zu bewegen.  Ich  sah mindestens  acht Kugeln  innerhalb  des  Saales  – genausoviel wie Zweisprecher anwesend waren. »… Messungen ausgeführt werden.« Ich hörte  immer wieder dasselbe, nur  jedesmal ein Stück kürzer. 

Wie ein allmähliches Echo. Lediglich die Magnetfesseln hielten mich noch auf dem Seziertisch 

fest. »Warum befreit  ihr mich nicht ganz?« rief  ich. Die Kugeln glitten 

heran  und  verharrten  vor  mir.  Sie  waren  völlig  glatt,  nur  eben durchscheinend;  ich konnte weder Sinnesorgane noch Extremitäten entdecken. Dünne rote und grüne Fäden bewegten sich in vielfachen Verschlingungen in ihrem Innern. »Die Khyrr‐Bay‐Yah  sind nicht  in der Lage, materielle Dinge  zu 

bewegen, nicht wahr«, erklang es hinter mir. Die Stimme und die Redewendung waren mir so vertraut, daß ich 

unwillkürlich  einen  leichten  Freudenschauer  verspürte.  Aber  ich mußte mich  täuschen.  Kik,  der  liebenswerte  kleine  Seestern, war gestorben,  als  die  Arltra‐Ranger  versucht  hatten,  die  Quelle  der Jenseitsmaterie auf der Basis des Ersten Zählers  in  ihre Gewalt zu bringen. Vergeblich zerrte ich an meinen Fesseln. »Du  brauchst  mich,  Atlan,  nicht  wahr.  Wer  sonst  sollte  dir 

beistehen.« »Kik!« rief ich aus. »Bist du es wirklich?« »Ich bin mein Geist, nicht wahr?« Er kicherte. »Aber halte endlich 

still. Wie soll ich dich sonst befreien?« An  den  Schaltkontrollen  des  Seziertisches  stand  tatsächlich  ein 

knapp  einen Meter großer  fünfbeiniger  Seestern.  Sein Kopf  schien fast  nur  aus  roten  Haaren  und  einem  großen  Augenpaar  zu bestehen. Kik bemerkte, daß ich ihn anstarrte. 

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»Jetzt  glaubst  du  es,  nicht wahr«,  stieß  er  hastig  hervor.  »Raffe dich  endlich  auf; wir müssen uns beeilen. Die Khyrr‐Bay‐Yah«,  er deutete mit zwei seiner Extremitäten auf die schwebenden Kugeln, »können die Telepathie‐Reflexion nur einmal anwenden. Sobald das Echo verklungen ist, werden deine Gegner Jagd auf uns machen.« Ich  streifte  meine  Kombination  über  und  entriß  einem  der 

Zweisprecher die Strahlenwaffe. Hinter  uns  schlug das  Schott  zu.  Im Laufen  feuerte  ich  auf den 

Rahmen,  obwohl  die  eventuelle Verfolger  kaum  aufhalten würde. Mir blieb keine Zeit, um das Schott dauerhaft zu verschweißen. Die Khyrr‐Bay‐Yah, wie Kik die Kugeln nannte, deren Innenleben 

mich  an  Jenseitsmaterie  erinnerte,  schwebten  vor  uns  her.  Kik sprang  in  den  nächstbesten Antigravschacht,  ohne  sich  vorher  zu vergewissern,  ob  dieser  tatsächlich  aktiviert  war. Wir  glitten mit ziemlicher Geschwindigkeit in die Tiefe. Ein  Wachtposten  riß  seine  Waffe  hoch,  als  er  mich  bemerkte. 

»Stehenbleiben!« rief er. Die  Khyrr‐Bay‐Yah  waren  schneller.  Der  Posten  senkte  den 

Strahler wieder. Im nächsten Moment brachte er die Waffe erneut in Anschlag. »Stehenbleiben!« Ich hörte seinen Ruf noch, obwohl Kik und  ich gerade  im Begriff 

waren, das Gebäude zu verlassen. Der schwarze Nachthimmel über der Stadt zeigte sich sternenlos. 

Nur die fahle Sichel eines winzigen Mondes stand einsam gegen die Düsternis. Dennoch herrschte ausreichende Helligkeit. Sie ging von den  Gebäuden  selbst  aus,  die wie  fensterlose  Lichtsäulen  in  den Himmel ragten. Flüchtig  sah  ich  mich  um.  Die  Kugeln  waren  verschwunden. 

Mehrere  Gleiter  parkten  unmittelbar  an  der  äußeren  Begrenzung des  spiralförmigen  Innenhofs.  Kik  öffnete  einen  von  ihnen  und winkte mir, einzusteigen. »Wir müssen fort, nicht wahr.« 

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*  Fast war  er mir unheimlich, wie  er  im Pilotensitz des Gleiters  saß und mit seinen fünf Armen die Kontrollen bediente, als habe er sein Leben  lang  nichts  anderes  getan. Dicht  über  dem  Boden  glitt  das Fahrzeug  mit  rasch  ansteigender  Geschwindigkeit  dahin.  Kik versuchte  mit  bewundernswerter  Geschicklichkeit,  außerhalb  des Erfassungsbereichs eventueller Ortungsstationen zu bleiben. Ich  saß  neben  ihm  und  ließ  ihn  keine  Sekunde  lang  aus  den 

Augen. Belustigt blinzelte er mir zu. »Du bist verwirrt, Atlan, nicht wahr?« Ich  sagte nichts,  sondern  schürzte nur die Lippen und versuchte 

weiterhin,  irgend  etwas  Auffälliges  an  ihm  zu  entdecken.  Kik  – zumindest  der Kik,  den  ich  von  der  Basis  des  Ersten Zählers  her kannte – war tot. Aber wer war dann jenes Wesen neben mir? »Du zweifelst, nicht wahr?« Flüchtig wandte er sich mir zu. »Habe 

ich dir nicht immer geholfen?« Wir ließen die Stadt hinter uns, ohne verfolgt zu werden. Weit vor 

dem Gleiter, inmitten der lichtlosen Dunkelheit der Nacht, gewahrte ich ein fahles Farbenspiel – als hätte jemand eine Palette von Farben in einem Glas zusammengeschüttet, um  sie kräftig zu vermischen. Oder wie bunte Nebelschwaden, die dicht über die Oberfläche des Planeten dahintrieben und sich dabei stetig veränderten. Was immer es sein mochte, Kik hielt genau darauf zu. »Kik hat viele Leben, nicht wahr«, sagte der Seestern unvermittelt. »Wie hast du mich gefunden?« fragte ich. Aufgebracht begann er, mit zwei  seiner Extremitäten  in der Luft 

herumzufuchteln. »Die Hohen Mächte wollen dich nicht verlieren, nicht wahr.« »Die Kosmokraten?« Kik stieß ein  leises Kichern aus. »Das hast du gesagt, nicht wahr, 

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nicht Kik.« »Aber du hast es so gemeint. Oder?« Manchmal  wußte  ich  selbst  nicht,  was  ich  denken  sollte.  Die 

Kosmokraten  hatten  Anti‐ES  für  zehn  Relativ‐Einheiten  zur Läuterung  in  die Namenlose Zone  verbannt. Zehn  Einheiten,  von denen die erste noch längst nicht vorüber war. Genauer genommen: Wenn Anti‐ES seine Einstellung nicht grundlegend änderte, würde schon die  erste Einheit  niemals  enden. Die  Superintelligenz  setzte jedoch alles daran, um ihre Freiheit wiederzuerlangen – auf eine Art und  Weise,  die  ganz  ihrer  Mentalität  entsprach.  Aber  weshalb griffen die Kosmokraten nicht ein? Billigten sie das Verhalten  ihres Gefangenen? Welchen Sinn sollte dann die Verbannung haben? Jäh  schreckte  ich  auf,  als  eine  gleißende  Strahlbahn  an  der 

Gleiterkanzel vorbeizuckte und unter uns den Boden aufwühlte. Kik zog die Maschine in einer steilen Kurve hoch und entging so einem zweiten, besser gezielten Thermoschuß. Erst  jetzt bemerkte  ich den Gleiter, der  schräg von oben auf uns 

herabstieß. Kik  leitete  mehrere  gewagte  Flugmanöver  ein.  Unter  diesen 

Umständen  konnte  der  Verfolger  höchstens  einen  Zufallstreffer anbringen.  Allerdings  begann  ich mich  zu  fragen, wie  lange  der Seestern diese Anspannung durchhalten würde. »Wir  können  ihn  nicht  abschütteln«,  rief  ich.  »Versuche  so  zu 

fliegen, daß ich zum Schuß komme.« »Kik braucht keine Waffe, nicht wahr. Kik ist so gut.« Ich unterdrückte ein Stöhnen. Warum vertraust du ihm nicht einfach, schlug der Extrasinn vor. Kik hielt weiter auf den farbigen Nebel zu. Inzwischen konnte ich 

erkennen,  daß  der  fahle  Widerschein  von  eigenartigen Bodenformationen ausstrahlte. Das Gelände vor uns wirkte wie ein erstarrter  sturmgepeitschter  Ozean,  aber  es  waren  weder Sanddünen  noch  Erdwälle,  die  sich  da  schroff  aufwölbten.  Der Boden erschien kristallin. 

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Der  Gleiter  glitt  tiefer,  schwebte  über  die  ersten  Ausläufer  der Kristalle hinweg. Plötzlich  stiegen  Dutzende  der  kleinen  Kugeln  auf.  Einige  von 

ihnen zerplatzten wie Seifenblasen, als sie von einem Thermostrahl getroffen  wurden,  und  ich  glaubte,  einen  empörten  Aufschrei wahrzunehmen,  dann  hatten  die  Khyrr‐Bay‐Yah  die  uns verfolgende Maschine erreicht. Von da an geschah nichts mehr. Ich konnte  die Gesichter  der  beiden  Piloten  erkennen,  als  ihr Gleiter schnurgerade  an  uns  vorbeizog.  Sie wirkten  verschlossen  und  in sich gekehrt – sie sahen mich, aber sie waren handlungsunfähig. »Telepathie‐Reflexion«,  erklärte Kik.  »Die Khyrr‐Bay‐Yah  sind  in 

der  Lage,  die  Gedanken  jedes  Wesens  auf  dieses  selbst zurückzuspiegeln. Bis zu zehnmal kannst du eine Situation  immer wieder durchleben und bist währenddessen so gut wie hilflos. Khyrr‐Bay‐Yah  und  Zweisprecher  machen  sich  die  Herrschaft 

über diese Welt streitig, die vor langer Zeit allein den Erbauern der Städte gehörte. Aber dann fielen Sporen aus der Namenlosen Zone auf  die  Oberfläche  des  Planeten  herab  und  wuchsen  zu  den kristallinen  Gebilden,  aus  denen  sich  die  Khyrr‐Bay‐Yah absondern.« Er hatte auf sein geliebtes »nicht wahr« vergessen. Für mich war 

das wieder  einmal  ein  Zeichen,  daß  er  auch  anders  konnte. Was steckte wirklich hinter der Fassade des liebenswerten Seesterns? »Woher weißt du?« fragte ich. »Ich  weiß  es  eben,  nicht  wahr?«  Mir  war,  als  würde  er 

herausfordernd grinsen. Am Horizont entstand der sich rasch ausdehnende Glutball einer 

Explosion  und  entriß  vorübergehend  die  Silhouette  eines weitläufigen  Gebirgszugs  der  Finsternis.  Der  Gleiter,  der  uns verfolgt hatte, war an einem der Berge zerschellt.   

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 »Übrigens«,  sagte Kik, während wir  zwischen  beinahe  haushohen Kristallsäulen  landeten,  »da  ist  ein  Freund  von  dir,  der  auf  dich wartet.« »Ein Freund?« machte ich überrascht. Er nickte  eifrig, nahm mich bei der Hand und  zog mich  einfach 

hinter sich her. Eine eigenartige Aura ging von den Kristallen aus, doch  hätte  ich  nicht  behaupten  können,  daß  sie mir  unangenehm gewesen wäre. Sie war nur gänzlich fremdartig. Ich sah, wie sich aus einer der Säulen die Wölbung einer Kugel herausschob. Die Geburt des Khyrr‐Bay‐Yah  interessierte mich, aber Kik zerrte mich einfach weiter mit sich. Wahrscheinlich  basiert  ihre  Existenz  auf  der  kristallinen  Struktur  des Kohlenstoffs, teilte mir der Extrasinn mit. Du meinst, es handelt sich um lebende Diamanten? Nicht unbedingt. Sieh dich um! Oder hast du die winzigen grünen und rötlichen Einschlüsse nicht bemerkt? Ich behaupte, daß es sich um Spuren von  Jenseitsmaterie  handelt,  die  mit  den  Kohlenstoffatomen  eine  enge Bindung eingegangen ist. Das würde bedeuten, daß die Khyrr‐Bay‐Yah irgendwann Kontakt 

zur Lichtquelle hatten. … oder die Vulnurer ihnen die Jenseitsmaterie überlassen haben. Es gibt hundert verschiedene Möglichkeiten. In  dem Moment,  in  dem  die  Kristallsäulen mir  nicht mehr  die 

Sicht versperrten, blieb ich unwillkürlich stehen. »Asgard«, stieß ich hervor. Keine zehn Meter entfernt ruhte das organische Raumschiff auf mehreren dem unebenen Gelände angepaßten Auswüchsen. Kik ließ sich auf den Boden sinken und klatschte seine fünf Arme 

über dem Kopf zusammen. Offensichtlich freute er sich über meine Verblüffung. »Wie hast du das geschafft?« wollte ich wissen. »Du wirst Kik mitnehmen, Atlan, nicht wahr?« erwiderte er, ohne 

auf meine Frage einzugehen. 

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Asgards  Haut  unterlag  einer  unablässigen  Veränderung.  Ich erkannte, daß  er die wabenförmigen Gebäude der Stadt  abbildete. Als ich weiter auf ihn zuging, entstand eine Öffnung für mich. Jetzt war  ich  auch  nahe  genug,  um  seine  telepathische  Stimme wahrzunehmen. Ich  orte  eine Vielzahl  anfliegender Gleiter.  Ihr Kurs weist  eindeutig  in unsere Richtung. »Dann werden sie angreifen«, erwiderte ich laut. »Die Zweisprecher, nicht wahr?« machte Kik, keineswegs erstaunt. 

»Wir müssen fliehen.« Bevor  ich  ihn  daran  hindern  konnte,  hatte  er  sich  an  mir 

vorbeigeschoben  und  verschwand  im  Innern  von  Asgard.  Im Grunde  genommen  war  ich  froh,  einen  Begleiter  gefunden  zu haben.  Die  Zweifel,  die  ich  anfangs  noch  hegte,  waren  im Schwinden  begriffen.  Kik  war  echt,  davon  war  ich  mittlerweile überzeugt. Als  Asgard  aufstieg,  schlugen  die  ersten  Thermostrahlen  in 

unserer Nähe  ein.  Plötzlich wimmelte  es  von  Khyrr‐Bay‐Yah,  die sich den Angreifern entgegenstürzten. Gerne hätte ich den Ausgang dieser Konfrontation  abgewartet,  aber  eine  innere  Stimme warnte mich und sagte, daß es besser sei, den Planeten rasch zu verlassen. Immerhin  bestand  die  Gefahr,  daß  die  Zweisprecher  ihren Transmitter  erneut  gegen  uns  einsetzten.  Ich  hatte  keine Ahnung, wie  weit  die  Wirkung  des  Entstofflichungsfelds  in  den  Raum hinausreichte. Kik  redete  fast  unablässig  auf  Asgard  ein.  Ich  achtete  kaum 

darauf,  weil  ich  an  Asgards  Wahrnehmungen  teilhatte.  Wir überquerten die Bahn des winzigen Mondes  in unmittelbarer Nähe des  öden,  von  Kratern  übersäten  Himmelskörpers,  der  Luna ähnelte. Dann  rasten wir weiter, hinein  in die ewige Schwärze der Namenlosen Zone. Die Sonne wurde rasch zu einem winzigen Stern, der gleich darauf spurlos verschwand. Unablässig  tastete  Kik  über  eine  bestimmte  Stelle  an  Asgards 

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Zellgewebe. Ich sah genauer hin und erkannte, daß dort eine kleine Beule  entstanden  und  anscheinend  noch  immer  im  Wachsen begriffen war. Warte! raunte mein Extrasinn, als ich einschreiten und Kik um eine 

Erklärung bitten wollte. Der Seestern weiß nicht viel mehr als du. Aber …? Asgards  lederartige  Haut  riß  auf  und  gab  eine  kleine, 

halbtransparente Kugel von hellgrauer Farbe  frei.  In  ihrem  Innern umschlangen sich rote und grüne Fäden. Im  ersten Moment  war  ich  versucht,  das  nur  zwei  Zentimeter 

durchmessene Gebilde für einen winzigen Khyrr‐Bay‐Yah zu halten. Es ist dein Nymo‐Tay! »Mein … was?« platzte ich laut heraus, daß Kik mich verwundert 

anstarrte. Dein  Nymo‐Tay.  Asgard  ließ  es  aus  einer  mutierten  Kristallspore wachsen, die  in seinen Zellverband eindrang. Er meint, du solltest es Kik geben. Ich verstand so gut wie gar nichts. Der Extrasinn sprach in Rätseln. 

Lediglich der Name  für dieses Ding  erinnerte mich an  einen ganz bestimmten Vorfall, nämlich an die Gedankenwaffe Paz‐Tay, die ich von  den  ehemaligen  Gefangenen  des  Grenzwächters  Eppleton erhalten hatte. Du  kommst  dem  Kern  der  Sache  nahe,  triffst  ihn  aber  dennoch  nicht ganz. Diese  kleine  Kugel  reflektiert  deine Gedanken  oder  auch  die  ihres Besitzers und ermöglicht es so, euch selbst über große Entfernung hinweg wiederzufinden. Du meinst, unterbrach ich die Erklärung, falls ich wieder einmal in 

Bedrängnis gerate. Asgard ist dieser Meinung, nicht ich. Ich erhielt eine kurze Beschreibung der Funktion des Nymo‐Tays, 

die  ich  wortwörtlich  an  Kik  weitergab.  Der  Kleine  sah  mich forschend  an,  dann  nahm  er  die  Kugel  an  sich  und  ließ  sie  in irgendeiner Falte seines Körpers verschwinden. 

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»Glaube  aber  nicht«,  sagte  er  zögernd,  »daß  ich  dich  aus  jeder gefährlichen Situation befreien kann. Und umgekehrt …?  Ich weiß nicht, nicht wahr?«   

4.  »Was  hast  du  damit  gewonnen?«  fragte  Tyari  ärgerlich  und  ließ Atlan  kaum  Zeit,  von  den  Ereignissen  der  Vergangenheit  in  die Gegenwart zurückzufinden. »Das Nymo‐Tay ist gewiß keine Waffe, die wir gegen Anti‐ES einsetzen können. Es hat dir geholfen, Sanny, Kik und Asgard  zu  finden,  als diese von den Prezzarerhaltern  im Mydon‐System festgehalten wurden – aber weiter …?« Der  Arkonide  erhob  sich  umständlich,  ging  zum 

Getränkeautomaten  und  bestellte  einen  Fruchtsaft,  ohne  auf  die Frau zu achten, die offensichtlich auf eine Antwort wartete. Er trank mit kurzen Schlucken und  leckte  sich mehrmals gedankenverloren über die Lippen. Dann stellte er den leeren Becher ruckartig zurück, anstatt  ihn  in den Abfallvernichter zu werfen, und wandte sich zu Tyari um. »Wenigstens weiß ich  jetzt ein weiteres Bruchstück von dem, was 

in der Vergangenheit geschah«, sagte er mit deutlicher Erregung in der  Stimme.  »Gerade  dieses  Wissen  kann  sich  eines  Tages  als nützlich erweisen.« »Wirklich?«  fragte  Tyari  lauernd.  »Geht  es  dir  nicht  im Grunde 

genommen  nur  darum,  deine  verlorene  Erinnerung wiederzufinden?« »Du  solltest  mich  besser  kennen.«  Atlan  schien  noch  etwas 

hinzufügen zu wollen, winkte dann aber, mehr  für  sich  selbst, ab. »Ach  was«,  murmelte  er.  »Es  hat  ohnehin  keinen  Sinn,  dir  das klarmachen zu wollen.« »Und warum nicht? Weil  ich der Meinung bin, du  solltest deine 

Fragen sinnvoller stellen?« 

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»Ich weiß, um was es dir geht.« »Wirklich?  Es  sieht  aber  nicht  danach  aus.«  Tyari  erschrak 

offensichtlich  über  ihre  eigene  Gereiztheit,  denn  sie  ließ  sich seufzend  in den nächstbesten Sessel  fallen. »Es  tut mir  leid, Atlan. Ich weiß, daß  ich  impulsiv  reagiere, aber mir bleibt  in diesem Fall keine andere Wahl.« »Sagen wir, du bist unbeherrscht«, erwiderte er. »Ich wäre sehr froh, könnte ich aus meiner Haut herausschlüpfen. 

Im Moment fühle ich mich alles andere als wohl.« »Ich weiß, du kannst nichts dafür. Du mußt einfach so reagieren. 

Vermutlich täte ich es an deiner Stelle nicht anders.« Tyari hob den Blick. »Ich bin nur Gast an Bord deines Schiffes«, murmelte sie bedrückt. 

»Folglich habe ich kein Recht, Forderungen zu stellen.« »Du  bist mehr  als  ein Gast.  Inzwischen  gehörst du  zu uns, und 

jeder  erkennt dich  an. Du kannst dich nur nicht von der Aufgabe lösen, für die Tyar dich eingesetzt hat.« Die junge Frau nickte schwach. Sie ergriff die Hand, die Atlan ihr 

entgegenstreckte und schmiegte ihr Gesicht in die Handfläche. »Wöbbeking gewährte mir noch sieben Antworten«, sagte er. »Ich 

werde  in  meinen  Fragen  alles  unterbringen,  was  für  uns  von Wichtigkeit  ist  –  auch  das  Problem  von  Bars‐2‐Bars  und  das Arsenal.« Er  ging  zum  Getränkeautomaten  zurück,  entnahm  ihm  einen 

zweiten Becher Fruchtsaft und  reichte diesen Tyari. »Trink«,  sagte er.  »Manchmal wirkt  ein  kräftiger  Schluck  entspannend.  Es muß nicht einmal Alkohol sein.« Er  setzte  sich  der  Frau  gegenüber  in  den  zweiten  Sessel  und 

beobachtete sie aufmerksam – Tyari gab sich nun wesentlich ruhiger und gelassener als zuvor. »Wöbbeking«,  sagte  Atlan  langsam  und  betont,  um  seinen 

Gedanken den nötigen Nachdruck zu verleihen, »wo liegt die akute Bedrohung  im Moment  –  das, was  sich  nicht  fassen  läßt?  Ich  bin 

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überzeugt davon, daß Anti‐ES längst eine Fünfte Kolonne eingesetzt hat,  die  womöglich  sogar  vor  unseren  Augen  ihrer  Aufgabe nachgeht.« Er wartete darauf, die mentale  Stimme  von Wöbbeking‐NarʹBon 

zu vernehmen. Um so überraschter war er, als erneut alles um  ihn herum sich veränderte. Die  Beantwortung  seiner  Frage  begann  abermals  in  der 

Vergangenheit …   

*  Die  eben  noch  lichtlose  Leere  verwandelte  sich  innerhalb  von Sekunden. Ein düsteres, glühendes Rot breitete sich aus. Im  ersten Moment war  ich  versucht,  an  eine Nova  zu  glauben, 

aber  die  Wahrscheinlichkeit  für  ein  solches  Schauspiel  mochte innerhalb der Namenlosen Zone gleich Null sein. Wie ein ins Wasser geworfener Stein gleichmäßige Kreise zieht, so 

dehnte sich dieses Glühen nach allen Seiten hin aus. »Entfernung?« wollte ich von Asgard wissen. Einige  Lichtminuten  – möglicherweise  auch  Lichtstunden.  Ich  kann  es nicht feststellen. »Aber …« Ich schwieg, weil  ich einsah, wie schwer es war, unter 

den gegebenen Verhältnissen eine Distanz zu beschreiben. »Ich  weiß  auch  nicht,  was  das  ist,  nicht  wahr«,  ließ  Kik 

vernehmen. »Wir sollten vorsichtig sein.« Das Rot griff rasend schnell um sich. Auch hinter uns begann der 

Raum  zu  glühen. Die drohende Gefahr wurde  beinahe  körperlich spürbar. »Asgard«, rief ich. »Versuche durchzubrechen!« Ein bestätigender Impuls erreichte mich, mehr nicht. Asgard raste 

auf  eine  der  letzten  verbliebenen Lücken  zu,  deren  Schwärze wie eine stumme Verheißung wirkte. 

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Doch  dann  wurde  er  ohne  erkennbaren  Grund  langsamer.  Die Lücke würde sich geschlossen haben, bevor er sie erreichte. »Was ist los?« Asgard reagierte nicht. Sieh dir Kik an! riet mein Extrasinn. Der Seestern kauerte wie erstarrt neben mir. Seine Augen waren 

auf mich gerichtet, aber sie schienen mich nicht wahrzunehmen. Mir war, als sei ich überhaupt nicht mehr für ihn vorhanden. Als ich mit der Hand  über  seine Augen  fuhr,  zuckte  er  nicht  einmal mit den Lidern. Unendlich langsam bewegte er einen seiner Arme. Der Zeitablauf hat sich verändert! durchzuckte es mich. Und  er  veränderte  sich noch  immer. Kiks Bewegung  schien wie 

eingefroren. In meinen Gedanken brandete heiseres Gelächter auf. »Du bist am Ende, Atlan. Niemand kann dir helfen.« »Anti‐ES«,  stieß  ich  hervor.  »Wenn  du  kämpfen  willst,  ich  bin 

bereit.« Angespannt  wartete  ich  auf  den  Anprall  einer  psionischen 

Schockwelle,  darauf  vertrauend,  daß  meine  Mentalstabilisierung mich den ersten Anprall würde überstehen lassen. »So einfach wirst du es nicht haben, Atlan. Als Geisel bist du  für 

mich wertlos, doch  bevor du  stirbst,  sollst du  erkennen, wie  groß meine Macht ist. Selbst die Kosmokraten wagen es nicht mehr, offen gegen mich vorzugehen. Du hast erlebt, was  ich aus  ihren Zählern gemacht habe.« »Deine  Verbannung  wird  nach  der  zehnten  Relativ‐Einheit 

enden«,  sagte  ich,  bemüht, meiner  Stimme  einen  festen Klang  zu verleihen. »Nicht eine Einheit eher.« »Du armer Narr«, erklang es. »Willst du sehen, wie schnell deine 

Träume und Hoffnungen verwehen? Dann kämpfe!« Vorsicht! warnte der Extrasinn. Er verstummte im selben Moment, 

in  dem  sich  ein  schmerzhaftes  Ziehen  unter  der  Schädeldecke 

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bemerkbar  machte.  Das  Jetzt  versank  im  Taumel  unangenehmer Erinnerungen. Der  Wind  hatte  gedreht,  und  der  beißende  Qualm,  den  er  mir entgegenwirbelte, ließ meine Augen tränen. Wie aus weiter Ferne hörte ich die Schreie der Ritter, vernahm das Klirren der Waffen und das Wiehern der Pferde. Noch glaubten die Europäer,  leichtes Spiel zu haben, doch die Mongolen des Dschingis‐Khan würden sie  in Kürze das Fürchten  lehren. Ich  hatte  das  Land  gesehen,  das  sie  verwüsteten,  und  die  brennenden Städte, die sie hinter sich ließen. Nichts konnte sie aufhalten. Das Feuer und der Rauch verwirrten die bislang geordneten Reihen der Verteidiger.  Hilflos  mußte  ich  mit  ansehen,  wie  sie  in  den  Untergang ritten. Aus  den  Augenwinkeln  heraus  gewahrte  ich  eine  blitzende  Klinge heranzucken und ließ mich instinktiv vom Pferd fallen. »Stirb, Verräter!« Der Angreifer zog sein struppiges Reittier auf der Hinterhand hoch, aber ich entging den zuschlagenden Vorderkufen um Haaresbreite. Er sprang ab, drang mit dem Säbel auf mich ein. Ich parierte seine Hiebe und wich  langsam zurück. Seine Streiche wurden härter,  er  schwang die Waffe mit der tödlichen Geschicklichkeit eines Samurai. Klirrend  prallten  unsere  Klingen  aufeinander  und  verbissen  sich ineinander. Mein  Gegner  war  geschickt  und  mir  durchaus  ebenbürtig. Trotzdem durfte ich ihn nicht schonen. Ungestüm drängte ich ihn zurück – Schritt für Schritt. Sein Gesichtsausdruck verriet deutlich sein Erstaunen. »Wer bist du wirklich?« stieß er hervor. Wollte er mich mit der Frage nur ablenken? Sein Ausfall kam jedenfalls überraschend. Ich  parierte,  setzte  nach,  war  gezwungen,  seine  Klinge  abermals abzuwehren  und  strauchelte,  als  er  erneut  mit  aller  Wucht  auf  mich eindrang. Ein Fußtritt ließ mich das Gleichgewicht vollends verlieren und stürzen. Blitzschnell  wälzte  ich mich  auf  den  Rücken,  während  sich  der  Säbel neben mir  ins Erdreich bohrte. Breitbeinig  stand der Angreifer nun über 

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mir  und  holte  abermals  aus.  Ich  parierte  den  Hieb  –  gleichzeitig veränderten  sich  die  Gesichtszüge  meines  Gegners  auf  geradezu erschreckende Weise. »Perry …«, kam es tonlos über meine Lippen. Der  Großadministrator  des  Solaren  Imperiums  hob  die  Waffe  zum tödlichen  Streich.  Ich  verstand  nichts mehr. Was war Wirklichkeit, was Schein? Das Unmögliche an dieser Situation ließ mich zögern. Seine  Klinge  glitt  an  meinem  Schwert  ab  und  traf  meinen  Arm.  Ich verbiß mir  einen  Schmerzensschrei.  Rhodans  Gesicht  verzerrte  sich  zur Grimasse. Entweder er oder ich. Es gab keine andere Wahl. Wenn ich jetzt zustieß, würde sein eigener Schwung ihn in meine Klinge stürzen lassen. Wenn nicht, würde er mir den Schädel spalten. Es geht um dein Leben, Atlan, raunte es in mir. Trotzdem konnte ich den Freund nicht töten, nur um mich zu retten. Stoß zu! Nein! In dem Moment, in dem der tödliche Stahl auf mich herabzuckte, 

veränderte  sich  meine  Umgebung  erneut.  Ich  vernahm  Anti‐ESʹ dröhnendes Gelächter und wußte, daß es ein Versuch gewesen war, mich in seine Abhängigkeit zu bringen. Ein erfolgloser Versuch. Hättest  du  die Klinge  gegen  den Freund  gerichtet, wärst  du  dir  selbst untreu geworden, raunte der Extrasinn. Wer weiß, vielleicht hätte Anti‐ES dich dann nie aus dieser Vision freigegeben. »Du  wärst  an  dir  selbst  zugrunde  gegangen«,  spottete  die 

Superintelligenz. Ich  gewann  den  Eindruck,  daß  der  Zeitablauf  sich  wieder 

normalisierte. Kiks Bewegungen wurden schneller. »Was war los?« wollte er wissen. »Nichts von Bedeutung.« Ich winkte einfach ab. Raumschiffe! meldete Asgard. Es müssen Gyranter sein. »Haben sie uns entdeckt?« 

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Ich weiß nicht. Im nächsten Moment  stieß  er  einen gequälten Aufschrei  aus. Sie haben den Kurs geändert und kommen genau auf uns zu. »Wie viele sind es?« fragte ich. Vier Einheiten. Uns bleibt nur die Flucht. Daran,  daß Asgard  der Unterlegene  sein würde,  konnte  es  von 

Anfang an keine Zweifel geben. Seine Verzweiflung griff allmählich auch auf mich über. Gut eine Stunde verging, während der die Gyranter langsam, aber 

sicher  aufholten. Die Distanz  zwischen  ihnen und uns  betrug  nur noch wenige Lichtsekunden. Mehrmals breiteten sich die Glutbälle von  Explosionen  in  unserer  unmittelbaren  Nähe  aus.  Ich  war überzeugt davon, daß die Verfolger uns  absichtlich verfehlten. Sie wollten  uns  lebend  –  und  sie  würden  uns  bekommen.  Ihre offensichtlich schlecht gezielten Salven dienten nur dazu, Asgard zu zermürben. »Sie werden uns töten, nicht wahr?« vermutete Kik. »Viel  schlimmer«,  erwiderte  ich.  »Sie  werden  uns  an  Anti‐ES 

ausliefern.« Die Glutbahn  eines  Impulsschusses warf Asgard  aus  dem Kurs. 

Noch ehe er sich abfangen konnte, streifte ihn eine zweite Salve. Er schrie. Und in sein Schreien hinein mischte sich Anti‐ESʹ dröhnende Stimme: »Ich  habe  lange  darauf  gewartet,  die  erlittene  Schmach 

zurückzahlen  zu  können.  Endlich  ist  es  soweit. Die Kosmokraten sind zu schwach, um mich daran zu hindern.« »Du willst mich haben«, erwiderte  ich. »Also  laß wenigstens Kik 

und Asgard ihrer Wege gehen.« Anti‐ES lachte spöttisch. »Du  bist  ein  Schwächling,  Arkonide,  aber  dein  Edelmut  kann 

niemandem  helfen.  Die  Gyranter  haben  den  Befehl,  euch  zu vernichten.« Die vier Schiffe waren bis auf weniger als 100.000 Kilometer heran. 

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Asgard  konnte  kaum  noch  den  Impulsbahnen  ihrer  Geschütze ausweichen. »Unsere Lage ist aussichtslos, nicht wahr?« Kik zitterte. »Es  ist  an der Zeit, daß du mir mehr über dich  erzählst,  als  ich 

bisher weiß«, forderte ich ihn auf. »Warum?« der Seestern blinzelte mich verwirrt an. »Weil  ich gerne wüßte, wer oder was du wirklich bist, woher du 

kommst, wer dich geschickt hat …« »Viele Fragen auf einmal, nicht wahr?« Vor  uns  ist  etwas, meldete Asgard. Es muß  ein  Sonnensystem  sein, obwohl es sich meinem Zugriff nahezu gänzlich entzieht. »Planeten?« Ich weiß nicht. – Doch. Zwei oder drei sind da. Ich fühle ihre Gravitation, mehr nicht. Optisch ist der Raum nach wie vor leer. Nicht  eine  Sekunde  lang  zweifelte  ich  an  Asgards  Feststellung. 

Wenn das Glück uns noch kurze Zeit hold war, konnten wir in den Ortungsschutz der Sonne gehen oder auf einer der Welten landen. Asgards mentaler Aufschrei riß mich aus meinen Überlegungen. Etwas … Unfaßbares nähert sich. Auch  Kik  schien  es  wahrzunehmen  –  nur  ich  nicht.  Jedenfalls 

machte der Seestern eine bestätigende Geste. Die Gyranter verstärkten ihren Beschuß. Aber keine der tödlichen 

Strahlbahnen erreichte uns. Sie verschwanden schlagartig aus dem Raum‐Zeit‐Kontinuum der Namenlosen Zone. »Eine  Schlafende Macht!«  stieß  Kik  hervor.  »Wir  sind  in  ihren 

Einflußbereich gelangt.« Asgard  wurde  jäh  gestoppt  –  als  stelle  sich  ihm  ein 

undurchdringliches Prallfeld entgegen. Zum Glück  traten keinerlei Beharrungskräfte auf. Die Gyranter  beschleunigten mit Höchstwerten, wie  an  den  aus 

ihren Triebwerksdüsen hervorbrechenden Gluten zu erkennen war. Trotzdem standen auch sie scheinbar still. Schlagartig verschwanden die beiden ersten Raumschiffe. 

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Asgard stöhnte verhalten. Das Unbekannte will uns nicht haben. Die anderen Schiffe versuchten zu  fliehen. Sie kamen nicht weit. 

Der  Vorgang  ihres  Verschwindens  war  anders  als  bei  einer eingeleiteten Transition oder dem Übertritt in den Linearraum, ohne daß ich allerdings zu sagen vermochte, was daran anders war. Und dann wurde Asgard von einer unbekannten Kraft erfaßt und 

fortgewirbelt.   

*  Die Schlafende Macht hatte uns von sich gestoßen,  irgendwohin  in die  unerforschte  Tiefe  der  Namenlosen  Zone.  Innerhalb  eines Sekundenbruchteils  mochten  wir  auf  diese  Weise  Hunderte  von Lichtjahren zurückgelegt haben. Ortung! meldete Asgard. Im ersten Moment dachte ich an die Gyranter, dann erkannte ich, 

daß es sich um ein einzelnes Objekt handelte, wenngleich dieses von beachtlicher Größe war. Eine  innere Erregung  erfaßt mich,  für die ich keine Erklärung hatte. Besser,  wir  fliegen  daran  vorbei,  meinte  Asgard.  Es  ist  eindeutig künstlichen Ursprungs. »Warte!«  rief  ich.  »Zumindest  vorerst  scheint  keine  Gefahr  zu 

bestehen. Ich will wissen, womit wir es zu tun haben.« Die  Verfolgung  durch  die  Gyranter  hat  mich  viel  Kraft  gekostet, 

widersprach  Asgard.  Ich  bin  zu  schwach,  um  im  Fall  eines  Angriffs schnell fliehen zu können. »Trotzdem. Ich will lediglich beobachten.« »Atlan ist hartnäckig, nicht wahr?« kicherte Kik. Im Laufe weniger Minuten entpuppte sich das unbekannte Objekt 

als  Scheibe  von  rund  fünf  Kilometern  Durchmesser  und  einem Kilometer  Dicke.  Sie  leuchtete  in  allen  nur  erdenkbaren  Farben, 

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wobei jedoch Grautöne überwogen. »Das Spinar!« stieß ich überrascht hervor. Es  bestand  zu  ungefähr  90  Prozent  aus  hochverdichteter 

magnetischer Energie, die materielle Form  angenommen hatte.  Im Zentrum  befand  sich  eine  zylinderförmige  Anlage,  die  ständig magnetische Energie erzeugte. Und  in der Scheibe  selbst  lagen die Unterkünfte der zehn Zähler, deren Aufgabe es war, Anti‐ES in der Verbannung zu überwachen und die Länge der  einzelnen Relativ‐Einheiten  festzulegen.  Jede  dieser  Einheiten war  ursprünglich  als Phase der Läuterung und Besinnung gedacht. Ich hatte mich bereits auf dem Spinar aufgehalten und war dort in 

Auseinandersetzungen  mit  den  Neutralschwebern  verwickelt worden. Dabei  hatte  ich  herausgefunden,  daß Anti‐ES  im  Begriff war,  sich  sämtliche Zähler  zu unterjochen. Auch mich hatte  es  zu einem Manifest umformen wollen, zu einem willenlosen Hilfsmittel seiner  nach wie  vor  ungebrochenen Machtbestrebungen. Nur  die Tatsache,  daß  die  Lichtquelle  mich  mit  einer  Aura  der Unantastbarkeit  umgeben  hatte,  ließ  schließlich  diesen  Plan scheitern. »Gefährlich, nicht wahr?« meinte Kik. Auch er hatte  sich damals 

an Bord des Spinars aufgehalten. Ich fragte mich, ob ich diesmal Hilfe finden konnte, oder ob Anti‐

ES  inzwischen  sämtliche  Zähler  in Manifeste  umgewandelt  hatte. Begab  ich mich gar  in eine größere Gefahr, als  ich ahnte, wenn  ich mich weiter näherte? Asgard mußte meine Unruhe spüren, denn er schickte mir einen 

forschenden Gedanken. »Wir  haben  nichts  zu  befürchten«,  sagte  ich,  bemüht,  meiner 

Stimme einen unverfänglichen Klang zu geben. Die farbige Masse gab einen metallischen Ring an der Außenseite 

und  eine  Reihe  technischer  Einrichtungen  frei. Die  Frage war,  ob dieser  Vorgang  von  der  Maschinerie  oder  von  einem  lebenden Wesen gesteuert wurde. 

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Ein kleines Hangartor öffnete sich. Asgard  zögerte,  einzufliegen.  Erst meine Aufforderung  ließ  ihn 

seine Scheu überwinden. Verfestigte  magnetische  Energie  umgab  uns.  Als  ich  das 

organische  Raumschiff  verließ,  hielt  ich  den  Strahlenkarabiner entsichert  in der Rechten. Immerhin mußte  ich befürchten, daß mir die  Neutralschweber  erneut  feindselig  entgegentraten.  Kik  folgte mir  nur  zögernd,  wollte  aber  offenbar  nicht  allein  mit  Asgard zurückbleiben.  Der  einzige  Gang,  der  vom Hangar  aus  tiefer  ins Innere des Spinars führte, war zu eng für die organische Kugel. Wir bewegten uns einige hundert Meter weit geradlinig fort, ohne 

auf  eine  begehbare  Abzweigung  zu  stoßen.  Andere  Gänge  und sogar größere Räumlichkeiten waren stets durch eine dünne Schicht magnetischer Energie abgetrennt. »Unheimlich, nicht wahr?« Unvermittelt  prallte  Kik  gegen  eine  jäh  entstehende Wand  und 

stürzte zu Boden. Ich konnte meinen Schritt gerade noch verhalten, sonst wäre es mir wohl genauso ergangen. Der weitere Weg blieb uns versperrt; wir mußten wohl oder übel 

umkehren. Aber  schon  nach  wenigen Metern  stießen  wir  auf  ein  weiteres 

Hindernis. »Wir sind gefangen?« fragte Kik zögernd. Die  zweite  Wand  bewegte  sich.  Vergeblich  stemmte  ich  mich 

dagegen. In  einigen  Minuten  wirst  du  zerquetscht  werden,  warnte  der 

Extrasinn. Und? gab ich lautlos zurück. Weißt du einen Ausweg? Sein Schweigen war Antwort genug. »Schieß doch!«  forderte Kik. Er hatte seine ebenfalls vergeblichen 

Bemühungen, das Unheil aufzuhalten, noch nicht aufgegeben. »Wenn die Thermoenergie reflektiert wird, werden wir geröstet«, 

gab ich zu bedenken. 

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Überrascht hielt der Seestern inne. Er starrte mich durchdringend an. »Du hast Angst, nicht wahr?« »Ach.«  Ich winkte einfach ab. Die Wände  standen nur noch drei 

Meter  weit  auseinander. Wenn  ich  jetzt  schoß,  mußte  ich  damit rechnen, daß mir die Waffe in der Hand explodierte. Verzweifelt  begann  Kik  gegen  die  seitliche  Begrenzung  des 

Ganges zu trommeln. Er erreichte herzlich wenig damit. In einer Minute ist es vorüber, raunte der Extrasinn. Verdammt! erwiderte ich heftig. Laß dir etwas einfallen. Ich  versuchte, den Karabiner  zwischen die Wände  zu  klemmen, 

aber die Waffe verrutschte und fiel zu Boden. Augenblicke später konnte  ich mich nicht mehr bewegen. Als sei 

ich  zwischen  die  stählernen  Backen  einer  hydraulischen  Presse geraten, die sich unaufhaltsam schloß. Kik schrie. Er benutzte eine Sprache, die ich nicht verstand. Mit  einemmal  schien  jede  Sekunde  zur  kleinen  Ewigkeit  zu 

werden. Du irrst, ließ mein Logiksektor mich wissen. Die Bewegung ist zum Stillstand gekommen. Eine Galgenfrist? Wenn ich wenigstens in der Lage gewesen wäre, 

den Strahler aufzuheben. Ich glaube, jetzt hätte ich geschossen, ohne die möglichen Folgen zu bedenken. Schlagartig wich der Druck von mir. Ohne zu zögern, bückte  ich 

mich nach dem Karabiner. »Atlan«, rief Kik. »Da ist jemand, nicht wahr.« Ich wirbelte herum, riß die Waffe hoch … Vor mir stand ein durchaus menschliches Wesen – ein Mann, wie 

ich  unschwer  feststellen  konnte.  Wäre  seine  tiefblaue  Hautfarbe nicht gewesen, man hätte ihn für einen Terraner halten können. Seine  Kleidung  bestand  aus  einer  einfachen,  ebenfalls  blauen 

Kombination,  die  um  den  Hals  hoch  geschlossen  war.  An  einer Gürtelschnalle  hing  ein  kleines  Kästchen,  das  mir  auf  Anhieb 

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vertraut erschien. 

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Er musterte mich aus großen, tiefgründigen Augen. »Es besteht kein Grund, die Waffe zu benutzen«, sagte er leise und 

betont.  »Immerhin  habe  ich  euch  vor  einem  schlimmen  Schicksal bewahrt.« Das Kästchen war ein Translator, wie der Neutralschweber Knautz 

ihn benutzt hatte. Konnte  ich den Mann demnach als Verbündeten ansehen? »Wer bist du?« fragte ich und senkte die Mündung des Strahlers. »Nenne mich  Egen«,  sagte  er.  »Einen  anderen Namen  habe  ich 

nicht.« »Woher kommst du?« Egen vollführte eine vage Handbewegung. »Von einer Welt in der 

Namenlosen Zone. Ihr Name würde dir nichts sagen, auch kann ich dir nicht beschreiben, wo sie zu finden ist.« Neben  Kik  wölbte  sich  der  Boden  auf;  er  sprang  mit  einem 

heiseren Aufschrei zur Seite. Ein Neutralschweber durchdrang die Spinarmaterie.  Sein  Kugelleib  durchmaß  wenig  mehr  als  vierzig Zentimeter, es handelte sich also um eines der kleineren Exemplare. In seinen Fingern hielt er einen schlanken Metallstab. »Nicht bewegen!« rief Egen mir zu. »Du  bist  Atlan?«  stieß  der  Neutralschweber  hervor.  »Ja,  ich 

erkenne dich. Mein Herr verlangt, daß ich dich töten soll.« »Welcher Zähler ist dein Herr?« Der Neutralschweber richtete den Stab auf mich. »Ich kenne keine Zähler«, sagte er. »Anti‐ES hat mir befohlen, über 

das Spinar zu wachen.« Egen  hatte  seine  Rechte  in  einer  Tasche  seiner  Kombination 

vergraben.  Als  er  sie  jetzt  hervorzog  und  öffnete,  flammte  es  in seiner  Hand  grell  auf.  Ich  hatte  den  Eindruck,  daß  ein  kleiner Kugelblitz  auf  den Neutralschweber  zufuhr,  der  im Moment  der Berührung regelrecht in sich zusammenfiel. Egen  zuckte  bedauernd mit den  Schultern.  »Tut mir  leid, Atlan, 

aber ich mußte ihn vernichten. Sonst hätte er dich getötet.« 

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»Du  konntest  nicht  anders  handeln«,  erwiderte  ich.  »Jedenfalls stehe ich in deiner Schuld.« Egen lächelte wissend. »Ich  bin  schon mehreren  dieser Geschöpfe  begegnet  und mußte 

mich gegen sie verteidigen. Aber wer ist Anti‐ES?« Wie sollte ich es ihm erklären? Ich beschloß, mit dem größten Teil 

der Wahrheit  hinter  dem  Berg  zu  halten,  »…  ein Überwesen,  das mich aus verschiedenen Gründen verfolgt«, sagte  ich deshalb. »Ich war  seine  Geisel,  aber  es  gelang  mir  zu  entkommen.  Anti‐ES schreckt vor nichts zurück, um seine Ziele zu erreichen.« »Ich kann es mir vorstellen«, nickte Egen. »Doch was suchst du im 

Spinar?« »Ich hoffte, wenigstens einen der Zähler vorzufinden.« »Außer  einer  Handvoll  Neutralschweber  gibt  es  kein  lebendes 

Wesen an Bord.« Ich vergegenwärtigte mir den Aufbau der Station, soweit  ich  ihn 

im  Gedächtnis  hatte.  Die magnetische  Energie mochte  ihre  Form längst  verändert haben,  keineswegs  aber  alle  aus Normalmaterien errichteten Räumlichkeiten. Wenn ich mich nicht täuschte, befanden wir  uns  in  unmittelbarer  Nähe  des  Aufenthaltsorts  von  Wonat‐Zount, dem achten Zähler. »Meinetwegen«, nickte Egen, als  ich den Vorschlag machte, nach 

dem  Rechten  zu  sehen.  »Wenn  du mir  nicht  glaubst … Aber  ich begleite dich.« Wir  kamen  gut  voran.  Die  kantigen,  vielfach  verschachtelten 

Räume waren durch schmale Wege mit dem Zentrumskern und der Außenkante des Spinars verbunden. Egen  sollte  recht  behalten. Wir  fanden weder  von Wonat‐Zount 

eine  Spur,  noch  gab  es  Anzeichen,  daß  jemals  andere Wesen  als Neutralschweber  hier  gelebt  hatten.  Egen  warf  mir  einen mitleidigen Blick zu, aber im selben Atemzug schlug er mir vor, ihn zu begleiten. Er befand sich auf der Suche nach einem Ausweg aus der Namenlosen Zone  und war  nur  deshalb  an  Bord  des  Spinars 

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gekommen. »Kik kann uns ebenfalls begleiten, wenn er will«, fügte er hinzu. Schlagartig wurde  ich hellhörig. Woher kannte Egen den Namen 

meines Begleiters? Ich war sicher, ihn nicht genannt zu haben. Sei vorsichtig! mahnte auch der Extrasinn. Egen erscheint miraalglatt. Mein  Gegenüber  bedachte  mich  mit  einem  forschenden  Blick. 

Hatte er mein flüchtiges Zögern bemerkt? Ich kam nicht mehr dazu, mir diesbezüglich Gedanken zu machen, 

denn schlagartig wurde der Raum, in dem wir uns befanden, in ein irisierendes  Leuchten  getaucht.  Graue  Schlieren  durchzogen  die Wände  und den Boden  und  verwandelten  sie  in  ein dickflüssiges Medium,  das  sich  nach  allen  Seiten  ausbreitete.  Selbst  die  Luft begann sich zu verändern. Daran, daß ich plötzlich das Gefühl hatte, mich auf dem Grund eines Sees zu bewegen, erkannte  ich, daß der Druck anstieg. Ich kam kaum noch vorwärts. Bei jedem Schritt setzte sich mir größerer Widerstand entgegen. Zu allem Überfluß begann die künstliche Schwerkraft verrückt zu 

spielen.  Von  wechselnden  Schwerefeldern  umgeben,  verlor  ich rasch die Orientierung. Kopfüber und um sich schlagend,  taumelte Kik an mir vorüber. Sekunden später klatschte er bäuchlings auf den Boden. Mindestens  drei  Gravos wirkten  auf mich  ein.  Ich  hatte Mühe, 

mich noch auf den Beinen zu halten. Egen wurde von einem bläulichen Flimmern eingehüllt, das mich 

an  die  Aura  eines  Individualschutzschirms  erinnerte.  Tatsächlich schien dieses Flimmern ihn den äußeren Einflüssen zu entziehen. In aller Eile platzierte er an mehreren Stellen kleine metallene Würfel. »Die Augen schließen, Atlan!« rief er mir zu. Selbst durch die Lider hindurch nahm  ich den grellen Lichtblitz 

wahr, mit  dem  die Würfel  detonierten.  Schlagartig  normalisierten sich die Verhältnisse wieder. Egen zog mich kurzerhand hinter sich her. »Wir müssen fort von 

hier«, rief er. 

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»Wohin …?« »Zu meinem Raumschiff. Mit ihm können wir fliehen.« Ich wollte an Asgard erinnern, aber Egen unterbrach mich schroff. 

»Du mußt in meiner Nähe bleiben, Atlan.« Flüchtig vergewisserte ich mich, daß Kik uns folgte. Graue Fladen schwebten mit wellenförmigen Bewegungen hinter 

uns her. »Schieß!« rief Egen mir zu. »Es sind halbstoffliche Überreste der Explosion, die alles Lebende, das  sie berühren, einer  tödlichen Zellwucherung aussetzen.« Im Laufen  feuerte  ich auf die uns verfolgenden Gebilde, die vor 

den  Thermoenergien  regelrecht  auseinanderstoben.  Einige  von ihnen stürzten grell aufleuchtend ab. Ich konnte erkennen, daß sich unter ihnen der Boden verformte. Egen schien nicht einen Moment  lang unschlüssig, wohin er sich 

zu wenden hatte. Er läuft im Kreis, bemerkte mein Extrasinn nach einer Weile. Ich habe es auch erkannt, gab ich lautlos zurück. Aber weshalb? Die Ahnung,  daß  der  Blauhäutige  etwas  anderes war,  als  er  zu 

sein  vorgab,  wurde  zur  Gewißheit.  Zudem  war  ich  überzeugt davon, daß er unser Zusammentreffen provoziert hatte. Und er gab sich alle Mühe, als unentbehrlicher Helfer aufzutreten. Endlich erreichten wir den Hangar. Egens Raumschiff war kleiner 

als erwartet. Es besaß die Form einer acht Meter hohen Pyramide, wobei  das  obere,  transparente  Drittel  Steuereinheiten  und Bildschirme erkennen ließ. Die  merkwürdige  Parallele  zur  ÜBERZONE  wurde  mir  sofort 

bewußt. Aber konnte mein Gegner so dilettantisch sein? Egen  blieb  in  der  geöffneten  Bodenschleuse  stehen  und wandte 

sich zu mir um. »Wir beide, Atlan, könnten viel erreichen.« Ich  nickte  zögernd. Noch war  ich mir  nicht  völlig  sicher,  doch 

mein  Zeigefinger  tastete  bereits  nach  dem  Auslöser  des Strahlenkarabiners. 

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»Du glaubst, daß Atlan mit dir fliegt, nicht wahr?« fragte Kik. »Ich hoffe es.« Auch  der  Seestern  war  mißtrauisch,  und  er  zeigte  seine 

Abneigung deutlich. »Mein Freund ist nicht dumm, daß er auf dich hereinfällt. Nicht wahr, Anti‐ES?« Ich  feuerte, ohne zu überlegen. Der Glutstrahl aus meiner Waffe 

floß  jedoch eine Handbreit vor Egen auseinander. Daß der Strahler zu schwach war, um den Schutzschirm zu durchschlagen, war mir sofort  klar.  Deshalb  schoß  ich  in  die  offenstehende  Schleuse  des kleinen Raumschiffs,  in der sich sofort sengende Hitze ausbreitete. Schaltungen  detonierten,  eine  Seitenwand  brach  krachend auseinander,  und  Feuer  griff  rasend  schnell  um  sich.  Egen verschwand hinter der auflodernden Glut. Ohne  zu überlegen,  feuerte  ich  auch  auf den  transparenten Bug 

der  Pyramide.  Ich  wußte  nur,  daß  ich  Anti‐ESʹ  Helfer  Schaden zufügen mußte, wollte ich nicht von ihm verfolgt werden. »Komm  endlich!« Kik  schob mich  vor  sich her  auf den  einzigen 

Ausgang  des Hangars  zu. Noch  bevor  sich  das  Schott  hinter  uns schloß, stürzte das Raumschiff um. Die Triebwerksaggregate waren bereits rotglühend und konnten jeden Augenblick in einer atomaren Explosion vergehen. Ich begann zu rennen. Kik hielt mühelos mit mir Schritt. Als  die Druckwelle  einer  verheerenden  Explosion  uns  erreichte, 

hatten  wir  gut  anderthalb  Kilometer  zurückgelegt.  Das  Spinar schien  sich  aufzubäumen;  infernalisches  Heulen  drang  von  allen Seiten her auf uns ein. Kik  war  gegen  eine  Wand  geschleudert  worden  und  lag 

benommen  am Boden. Als  ich  ihm half,  sich wieder  aufzurichten, sah er mich aus seinem großen Augen durchdringend an. »Anti‐ES steckt zu einem Teil in Egen. Er sollte dich überlisten und 

als Helfer gewinnen.« Ungefähr so hatte ich es mir vorgestellt. Aber ohne Kiks Warnung 

hätte  ich zweifellos  länger gezögert – womöglich zu  lange. Erneut 

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durchliefen  heftige  Erschütterungen  diesen Abschnitt  des  Spinars. Täuschte  ich  mich,  oder  verloren  die  Wände  ihre  bisherige Konsistenz? Ich begann das Schlimmste zu befürchten. »Das  Magnomon  arbeitet  unregelmäßig«,  schrie  Kik,  um  das 

losbrechende Chaos zu übertönen. Das  Magnomon  war  das  Kernstück  des  Spinars,  in  dem  die 

magnetische Masse erzeugt wurde. Wie  leicht konnte eine Störung die endgültige Katastrophe bedeuten. Völlig außer Atem erreichte ich Asgard, der bereits äußere Zeichen 

von  Unruhe  zeigte.  Auch  hier  waren  die  häufiger  werdenden Detonationen zu spüren. Wo ist Kik? fragte Asgard, während er sich für mich öffnete. Eben  noch  war  der  Seestern  hinter  mir  gewesen,  jetzt  war  er 

verschwunden.  So plötzlich und unauffällig, wie  er  zu  erscheinen pflegte. Er hat das Nymo‐Tay mitgenommen, erinnerte der Extrasinn. Wenn es an der Zeit ist, wird er dich wiederfinden – oder du ihn. Asgard startete. Durch seine Sinne sah ich das Spinar vergehen. In 

gewaltigen Eruptionen  verflüchtigte  sich die magnetische Energie, bis  innerhalb  kürzester  Zeit  nur  noch  das metallene Gerippe  der Scheibe vorhanden war, das von einem unaufhaltsamen Atombrand zerfressen wurde. Anti‐ES, rief ich in Gedanken. Willst du mich noch immer jagen? Aber ich erhielt keine Antwort.   

*  »EGEN!«  murmelte  Atlan,  kaum  daß  er  aus  der  temporären Reinkarnation  in  die  Gegenwart  zurückgefunden  hatte.  »Die Namensgleichheit  kann  kaum  ein Zufall  sein,  und dem Aussehen nach muß es sich ohnehin um einen Beneterlogen gehandelt haben.« Tyari nickte schwer. 

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»Um  den  EGEN  sogar,  den  Herrscher  der  Beneterlogen.  Nicht auszudenken, welches Unheil er anrichten kann, wenn er wirklich ein Diener von Anti‐ES ist.« »Aber  hätte  er  nicht  längst  im  Sinn  seines  Herrn  eingegriffen? 

Spätestens  die  Friedensverhandlungen  zwischen  Beneterlogen, Prezzarerhaltern  und  Anterferrantern  müssen  Anti‐ESʹ  Pläne zuwiderlaufen.« Die Frau starrte verwirrt vor sich hin. Plötzlich war sie sich  ihrer 

eigenen Schlußfolgerung nicht mehr sicher. »Wenn unser EGEN wirklich mit  jenem aus dem Spinar identisch 

ist«,  überlegte  Atlan,  »und  vieles  spricht  dafür,  dann  braut  sich einiges  über  unseren  Köpfen  zusammen.  Hoffentlich  ist  es  nicht schon zu spät, dagegen anzugehen.« »Und?« machte Tyari. »Was gedenkst du zu tun?« »EGEN  muß  gestellt  werden.  Egal,  ob  wir  mit  unseren 

Vermutungen  recht  behalten  oder  nicht.«  Er  stellte  eine Interkomverbindung  zur Hauptzentrale  im Mittelteil der SOL her. Lyta  Kundurans  wächsern  wirkendes  Gesicht  erschien  auf  dem Bildschirm.  Ihre  grauen  Augen  drückten  Überraschung  aus.  Sie wollten etwas sagen, aber Atlan unterbrach sie kurz. »Ist Breck da?« »Sicher«,  nickte  Lyta.  »Ich  habe  deine  Erinnerungen  über 

SENECAS  Eingangspeicher  mitverfolgt.  Dieser  EGEN,  dem  du begegnet …« »Gib mir den High Sideryt!« verlangte Atlan mit Nachdruck. Der  Frau war  anzusehen,  daß  sie  sich  Sorgen machte.  Flüchtig 

wandte  sie  sich  um  und  rief  etwas,  was  Atlan  nicht  verstehen konnte.  Sekunden  später  wechselte  die  Wiedergabe  auf  dem Monitor. »Atlan?«  Breckcrown  Hayesʹ  raues,  von  den  SOL‐Würmern 

entstelltes Gesicht wirkte unbewegt. »Ich nehme an, du weißt bereits, worum es geht.« »Lyta sagte mir etwas von EGEN. Wenn es das ist …« »Ich  habe  Grund  zu  der  Annahme,  daß  das  Oberhaupt  der 

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Beneterlogen von Anti‐ES beherrscht wird. Was wir brauchen, sind sämtliche Daten über EGEN, die  sich auftreiben  lassen. Falls mein Verdacht sich bewahrheitet, müssen wir schnell handeln.« »Wie groß ist die Gefahr?« »Wenn ich das wüßte, wäre mir wohler.« »Solange EGEN die Friedensverhandlungen nicht stört …« »Eben  das  gibt  zu  denken.  Er müßte  längst  eingegriffen  haben. 

Oder er fühlt sich unsicher und fürchtet eine Entdeckung – das aber wohl nur, falls er Dinge von größerer Tragweite plant.« »Ich werde mich darum kümmern«, versprach der High Sideryt.   

5.  »Ich  warte  darauf,  daß  du  deine  nächste  Frage  stellst«,  erklang Wöbbekings Stimme. Täuschte Atlan sich, oder schwang tatsächlich eine Spur von Ungeduld darin mit? »Die  Reinkarnationen  haben  mich  viel  Zeit  gekostet.  Während 

Anti‐ES weiterhin  nach mir  sucht, muß  ich  untätig  bleiben. Es  ist mehr als zuvor bemüht, mich  ihm wieder  einzuverleiben, und  ich bin noch immer zu schwach, ihm zu widerstehen.« »Wir sind also auf uns allein gestellt«, folgerte Atlan. »Noch dazu 

rekrutiert der Gegner seine Helfer aus unseren eigenen Reihen.« »Es geht in erster Linie darum, uns den Rücken freizuhalten«, warf 

Tyari ein. »Sanny und Kik sind nur die Spitze des Eisbergs, dem wir uns gegenübersehen.« Fahrig fuhr Atlan sich mit den Fingern durchs Haar. »Wöbbeking‐NarʹBon«,  sagte  er.  »Was  weißt  du  über  das 

Arsenal?« »Du meinst, ob die Solaner gegen das Arsenal bestehen können? 

Nun,  das  Kräfteverhältnis  verschiebt  sich  immer  mehr  zu  euren Ungunsten. Aus Porters Erzählung  ist dir bekannt, wie Sanny und Kik  in die Gewalt von Anti‐ES gelangten. In der Namenlosen Zone 

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erzeugte  die  Superintelligenz  zugleich  die  Penetranz,  einen quasibiologischen Roboter  und  schickte diesen durch  einen Nabel auf den sogenannten Arsenalplaneten. Sanny und Kik waren die beiden ersten Mitglieder des Arsenals, 

die  wie  alle  anderen  ebenfalls  Bewährungskämpfe  zu  bestehen hatten.  Tyari, Mjailam  und Asgard,  auf  der  Suche  nach weiteren Nabelstationen,  wurden  von  der  Penetranz  zum  Arsenalplaneten gelockt. Ähnlich  erging  es Twoxl, Mata St. Felix und der Korvette MT‐K‐9  mit  dem  Eigennamen  BANANE,  die  sich  zu  jenem Zeitpunkt  noch  in  Xiinx‐Markant  befanden,  ohne  zu wissen, was aus der SOL geworden war. Die Penetranz meldete  sich bei  ihnen als Wöbbeking‐NarʹBon.  Ich war  leider  nicht  in der Lage, dies  zu verhindern,  weil  ich  rechtzeitig  erkannte,  daß  mir  damit  eine weitere  Falle  gestellt  werden  sollte.  Die  Besatzung  der  Korvette überstand alle Prüfungen, ihr gelang sogar die Flucht. Da aber jeder bereits im Bann der Penetranz stand, konnte diese das Schiff erneut zur Landung zwingen. Zu den Mitgliedern zählen außerdem die beiden Gyranter Vessel 

Moora und Ryta Bolanc. Die Besatzung der BANANE mußte sie  in einem  gefahrvollen  Unternehmen  befreien,  bei  dem  die  Korvette schwer  beschädigt  wurde.  Anti‐ES  belohnte  den  Einsatz  jedoch, indem er einen Klumpen  Jenseitsmaterie durch den Nabel schickte und mit  dieser  die Außenhülle  der wiederhergestellten  BANANE überzog, die von da an ARSENALJYK genannt wurde. Das Schiff mußte sich vor dem ersten Einsatz bewähren.  In einer 

Raumschlacht  auf Leben und Tod  erwies  sich die  gehärtete Hülle aus Jenseitsmaterie tatsächlich als unzerstörbar.« »Selbst  die  SOL  mit  ihrer  geballten  Feuerkraft  ist  dagegen 

machtlos«, nickte Atlan. »Wozu  der  Gegner  außerdem  fähig  ist,  hast  du  erlebt,  als  du 

zusammen mit Cara Doz von Bord der SOL entführt wurdest«, fuhr Wöbbeking fort. »Ich  habe  aber  auch  herausgefunden,  daß  es  keineswegs 

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unmöglich ist, der Gewalt der Penetranz zu entfliehen.« »Versuche nicht, die Ausnahme zur Regel zu erheben, denn damit 

würdest du dir selbst den größten Schaden zufügen.« »Unsere Liebe hat den Einfluß der Penetranz überwunden«,  ließ 

Tyari vernehmen und wandte sich an Atlan. »Bei dir war vielleicht noch etwas anderes mit im Spiel, immerhin konntest du dich rascher befreien.« »Und Asgard?« »Dein Zellaktivator  und  Tickers  Fähigkeit  der  Psi‐Neutralisation 

wirkten  vermutlich  zusammen.  Ausschlaggebend  mag  außerdem gewesen  sein,  daß  die  Regeneration  Asgards  von  innen  heraus erfolgte. Das  läßt  sich  bei  keinem  anderen Mitglied  des Arsenals wiederholen.« »Es hätte vermutlich auch wenig Sinn«, warf Tyari ein. »Immerhin 

steht uns noch der Angriff der ARSENALJYK  II bevor. Nach allen bisherigen Geschehnissen werden wir wohl damit rechnen müssen, daß die SOL diese Auseinandersetzung verliert.« »Du solltest das Unheil nicht herbeireden«, fiel Atlan ihr ins Wort. 

»Die  Moral  der  Solaner  ist  inzwischen  ohnehin  schwer angeschlagen.« »Ich  weiß  leider  nichts  über  die  ARSENALJYK  II«,  gestand 

Wöbbeking.  »Nur,  daß  Anti‐ES  etwas  ungemein  Bedrohliches bereithält.« »Wir dürfen nicht abwarten, bis der Gegner erneut angreift«, sagte 

Atlan. »Wenn wir wirklich etwas erreichen wollen, müssen wir ihn dort packen, wo er es am wenigsten erwartet.« »Auf seiner eigenen Welt«, stimmte Tyari zu. »Aber wie willst du 

sie  finden?  Uns  bleibt  kaum  die  Zeit,  die wir  benötigen,  um  im Sternendschungel  zweier  Galaxien  eine  Handvoll  Nabelstationen ausfindig zu machen.« »Der  Arsenalplanet«,  ließ  Wöbbeking  sich  wieder  vernehmen, 

»befindet sich in einer Entfernung von 32.667 Lichtjahren zu Anterf, seine  Sonne  gehört  zur  ursprünglichen  Population  von  Bars.  Die 

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genauen  Koordinaten  übermittle  ich  in  diesem  Moment  an SENECA.«   

*  Die  Bedrohung  durch  Anti‐ES,  die  Penetranz  und  das  Arsenal wurde  immer  deutlicher. Wenn  Atlan  ehrlich  zu  sich  selbst  sein wollte,  mußte  er  sich  eingestehen,  daß  die  SOL  längst  auf verlorenem Posten stand. Selbst die gelegentlichen Erfolge, die man erzielte, konnten nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Gegner alle Trümpfe besaß und diese nacheinander ausspielte. Anti‐ES wollte Atlan mit  seinen  eigenen Helfern  schlagen. Wer 

sonst  sollte dazu besser geeignet  sein als  jemand, der wußte, oder zumindest  in  der  Lage  war  vorauszusehen,  welches  Vorgehen welche Reaktionen provozieren würde. Warum drehst du den Spieß nicht einfach um? wisperte der Extrasinn. Wir  benötigen  Jenseitsmaterie,  um  der  Superintelligenz  wirksam entgegentreten zu können. In  sich  zusammengesunken,  kauerte  der  Arkonide  in  seinem 

Sessel. Konnte er es überhaupt verantworten, die SOL weiterhin  in diese Auseinandersetzung  kosmischen Ausmaßes  hineinzuziehen? Das  Schicksal  der  SZ‐2,  die  nur  durch  Wöbbekings  direktes Eingreifen vor der Vernichtung bewahrt werden konnte, gab ihm zu denken. Andererseits  –  war  es  überhaupt  noch  möglich,  sich  aus  der 

Verstrickung  der  Geschehnisse  zu  lösen?  Anti‐ES  würde  wohl keinen Unterschied machen. Atlan verspürte einen Kloß  im Hals, der  ihm das Atmen  schwer 

machte. Er wußte, daß  er Opfer  bringen mußte, die  ihn  auf  seine künftige  Aufgabe  vorbereiten  sollten.  Aber  konnten  die Kosmokraten  wirklich  so  weit  gehen,  annähernd  100.000 Menschenleben aufs Spiel zu Setzen? Dann waren sie moralisch und 

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ethisch wohl kaum besser zu beurteilen als Anti‐ES. Atlan  ahnte  instinktiv,  daß  er  zuviel  über  Dinge  nachgrübelte, 

deren  Für  und Wider  erst  die Zukunft  aufzeigen würde. Aber  es wäre  Lüge  gewesen,  zu  glauben,  daß  die  Verantwortung  bei anderen lag. Er  seufzte  schwer und wischte  sich mit der Hand übers Gesicht. 

Überrascht  stellte  er  fest,  daß  er  schwitzte.  Dabei  war  ihm  alles andere als warm – er fröstelte eher. »Stehe ich wirklich ohne Helfer auf verlorenem Posten?« platzte er 

heraus.  »Immerhin  konnten  wir  wiederholt  merkwürdige Geschehnisse  an  Bord  der  SOL  beobachten,  ohne  bislang  zu erfahren, wer oder was dahintersteckt.« Er  dachte  daran,  daß  die  Emotionautin  Cara  Doz  spurlos 

verschwunden war,  als  einige Mitglieder  des  Arsenals  sie  in  die Enge getrieben hatten. Und dann war da die unbekannte wispernde Stimme,  die  man  zuerst  für  Wöbbeking  gehalten  hatte.  Diese Stimme war  sogar  in  der  Lage  gewesen,  die Gespräche  zwischen Anti‐ES und seinen Dienern abzuhören. »Ich  weiß  auch  nicht,  wer  dahintersteckt«,  sagte  Wöbbeking‐

NarʹBon. »Aber ich war es nicht. Ich habe weder bei dem Geschehen eingegriffen, auf das du reflektierst, noch habe ich Cara Doz auf die SOL zurückgebracht, nachdem Mjailam sie entführt hatte. Vielleicht hat  so  etwas wie  der  gemeinsame Wille  aller  Solaner  das  kleine Wunder  vollbracht.  Du  weißt,  daß  der  Geist  keine  Schranken kennt.« Wöbbeking irrt, flüsterte der Extrasinn. Er macht sich die Erklärung zu einfach. Kennst du die Wahrheit? gab Atlan lautlos zurück. Ich kann nichts dazu sagen. Das  klang  überaus  schroff.  Obwohl  der  Arkonide  sofort 

nachhakte, weil er zu fühlen glaubte, daß sein zweites Ich mehr über die Vorfälle wußte, schwieg dieses beharrlich. »Doch, einen Helfer hast du«, gab Wöbbeking zu verstehen. »Es ist 

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Twoxl‐7,  der  sich  inzwischen  vollständig  von  der  Beeinflussung durch die Penetranz losgelöst hat. Er ist auf der Suche nach dir, der SOL und vor allem nach Sternfeuer – seiner Zuneigung zu ihr hat er seine Freiheit zu verdanken.«   

*  Es konnte keine Zweifel daran geben, daß Atlans Maßnahmen und das  Eingreifen  der  SOL  in  Bars‐2‐Bars  für  große Unruhe  sorgten. Nicht unter den Völkern der beiden Galaxien, sondern bei Anti‐ES und seinen Helfern. Vor allem die Gyranter waren davon betroffen, denn die Nabel zur Namenlosen Zone waren gefährdet. Falls es den Solanern  gelingen  sollte,  Bars  und  Farynt  zu  entklammern  –  und damit  Tyar  und  Prezzar  zur  Freiheit  zu  verhelfen  –, war Anti‐ES wohl  für  immer  in die Namenlose Zone verbannt. Für  immer, das bedeutete genaugenommen für zehn Relativ‐Einheiten, wobei allein schon  die  Erste  eine  Ewigkeit währen würde,  denn  es war  nicht anzunehmen, daß die Superintelligenz durch ein solches Geschehen geläutert wurde. Der Gedanke, durch die Zerstörung sämtlicher Nabelstationen die 

Gefahr  ein  für  allemal  zu  bannen,  erschien  Atlan  verlockend. Wenngleich  sich  dem  schier  unüberwindliche  Schwierigkeiten entgegenstellten.  Bestrebungen,  sämtliche  Nabel  ausfindig  zu machen,  waren  längst  im  Gang.  Mit  vereinten  Kräften  von Anterferrantern und Beneterlogen sollte es eigentlich möglich sein, den zu erwartenden Widerstand der Gyranter zu brechen und die Stationen zu vernichten. Seit  wann  flüchtest  du  dich  in  solches Wunschdenken? wandte  der 

Extrasinn ein. Du weißt, daß dich  ein derartiges Vorgehen am härtesten treffen  würde.  Denn  dann  wären  nicht  nur  die  Koordinaten  von Varnhagher‐Ghynnst  für  immer  verloren,  dann  hättest  du  auch  als Beauftragter der Kosmokraten versagt. 

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Ich muß  versuchen,  eine  andere Lösung  zu  finden,  nickte Atlan betreten. Aber gibt es wirklich eine andere Lösung? Selbst  Wöbbeking‐NarʹBon  ist  sich  unsicher,  was  die  Ereignisse  der nahen  Zukunft  betrifft,  stellte  der  Extrasinn  unumwunden  fest.  Er hofft,  daß  irgendein  undurchschaubarer  Plan  der  Hohen Mächte  durch deine Hilfe doch noch aufgehen könnte. Woher willst du das wissen? Wöbbekings ganze Haltung  läßt nur diesen  einen  logischen Schluß  zu. Warum sonst sollte er sich immer wieder mit dir befassen? Weil ich es war, der ihn von Anti‐ES befreit hat. Zufall.  Damals  konntest  du  nicht  einmal  ahnen,  was  sich  daraus entwickeln würde. Und was hat sich daraus wirklich entwickelt? Du weißt es. Alles?  Tatsächlich  alles?  Ohne  die  durchlebten  Reinkarnationen 

wüßte ich nicht einmal mehr, was in der Namenlosen Zone geschah. Atlan  vergrub  sein Gesicht  in  den Handflächen  und  atmete  tief 

durch. »Wöbbeking, meine Gedächtnislöschung macht mir  zu  schaffen. 

Wieso  durfte  ich  erst  nach  und  nach  erfahren,  was  ich  in  der Namenlosen Zone  erlebt habe, und weshalb überhaupt nichts von dem, was  jenseits der Materiequelle geschah? Immerhin kannte  ich nur die Koordinaten von Varnhagher‐Ghynnst, als  ich auf die SOL kam.« »Die  einfachste  Erklärung  wäre  die,  daß  du  zwei 

grundverschiedenen  Effekten  unterliegst.  Aber  so  einfach  ist  die Wirklichkeit nicht. Zum  einen  war  da  ursprünglich  die Mnemo‐Löschung,  die  dir 

jeweils während des Schlafs die Erinnerung raubte. Anti‐ES steckte dahinter. Aber  es  gelang  dir,  den  einem  Tausendfüßler  ähnlichen Laupertyn aufzuspüren, der die Ursache der Mnemo‐Löschung war. Was  deine  möglichen  Erlebnisse  bei  den  Kosmokraten  betrifft, 

vermag  ich  dir  weder  auf  das  Wie  noch  auf  das  Warum  einer 

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eventuellen  Gedächtnislöschung  zu  antworten.  Ich  weiß  nicht einmal,  ob  die  Hohen  Mächte  dir  überhaupt  deine  Erinnerung genommen haben.« »Aber … sie müssen doch …« Atlan wirkte irritiert. »Wirklich?« wandte Wöbbeking ein. »Ich bedauere, daß ich dir die 

Ungewißheit  lassen  muß.  Nur  eines  kann  ich  mit  Bestimmtheit sagen:  Einzig  und  allein  Anti‐ES  kennt  die  Koordinaten  von Varnhagher‐Ghynnst.« Also  verbietet  es  sich  von  selbst,  sämtliche  Nabelstationen  offen anzugreifen. Zumindest so lange, bis du wieder im Besitz der Koordinaten bist. »Aber  irgend etwas muß geschehen.« Unwillkürlich wurde Atlan 

laut.  Er  bemerkte  es  erst,  als  er  Tyaris  fragenden  Blick  auf  sich gerichtet fühlte. Es wird auch einiges geschehen, raunte der Extrasinn. Sehr bald sogar. Man muß kein Prophet sein, um das vorauszusagen. »Eine  Chance  habe  ich  noch«,  überlegte  der  Arkonide.  »Dann 

nämlich, wenn die Zähler zu unseren Gunsten eingreifen.« »Du  glaubst,  daß  sie  noch  existieren?«  wandte  Tyari  ein. 

»Schließlich haben sie versagt, weil sie  ihre ursprüngliche Aufgabe nicht erfüllen konnten.« »Wir  haben  nur  die Manifeste  vernichtet,  zu  denen Anti‐ES  sie 

umgeformt hatte.« Atlan zögerte einen kurzen Moment, bevor er seine nächste Frage 

stellte. Vielleicht weil er unbewußt davor zurückschreckte, in seinen gerade erst neu geschöpften Hoffnungen enttäuscht zu werden. »Wöbbeking, was geschah mit den umgewandelten Zählern nach 

ihrer Befreiung? Sie kehrten in die Namenlose Zone zurück?« »Das ist richtig. Als Körperlosen bot ihnen nur die Basis des Ersten 

Zählers  ausreichende  Lebensbedingungen,  nachdem  das  Spinar längst  vernichtet war. Die Zähler waren  entsetzt  darüber,  daß  sie den Zweck ihres Daseins nun nicht mehr erfüllen konnten, doch sie verstanden  nicht,  warum  alles  so  kommen  mußte.  Sie  wußten 

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lediglich, daß Anti‐ES sie mißbraucht hatte –  jenes Wesen, mit dem ihr Schicksal verknüpft war. Sie  wollten  lieber  sterben,  als  stets  mit  der  Erinnerung  an  ihr 

Versagen  zu  leben,  und  sie  beschlossen, mit  der  Basis  zusammen unterzugehen.  Aber  ehe  sie  ihr  Vorhaben  wahrmachen  konnten, wurden  sie  abberufen.  Niemand  weiß,  wo  sie  jetzt  sind,  welche Körper sie besitzen und welchen Aufgaben sie nachgehen. Sicher ist nur, daß du in ihnen keine Verbündeten finden wirst.«   

*  Trotzdem hast du noch eine Chance! durchzuckte es den Arkoniden. Selbst wenn die SOL  in Bars‐2‐Bars  festgehalten wurde, eines  ihrer Beiboote  befand  sich  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  in  der Namenlosen Zone.  Im ersten Moment  erschien diese Tatsache wie der rettende Strohhalm für einen Ertrinkenden. Doch schon wich der Gedanke rascher Ernüchterung. Die  MT‐K‐20  FARTULOON  unter  dem  Kommando  von  Bjo 

Breiskoll  war  bislang  nicht  wieder  aufgetaucht.  Ihr  letzter Funkspruch  besagte,  daß  sie  entweder  versehentlich  oder  durch einen  Angriff  von  Anti‐ES  in  die  Namenlose  Zone  geraten  war. Seither gab es keinen Kontakt mehr. Es bestand also auch nicht die Möglichkeit,  Breiskoll  und  seine  Mannschaft  zu  irgendwelchen Maßnahmen zu veranlassen. Falls sie überhaupt noch lebten. »Was  ist  aus  der  FARTULOON  geworden?«  fragte  Atlan. 

»Befindet  die  Korvette  sich  wirklich  innerhalb  der  Namenlosen Zone?« Er erhielt keine Antwort. Die entstandene Stille wirkte bedrückend. »Wöbbeking«, rief Atlan. »Warum meldest du dich nicht?« Tyari  stand  bereits  am  Interkom  und  aktivierte  die Verbindung 

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zur Hauptzentrale. »Das Ortungsbild  überspielen!«  befahl  sie,  ohne  eine  Erklärung 

abzugeben. »Was ist mit der Sonne, in die die SZ‐2 gestürzt ist?« Die  Wiedergabe  ließ  eine  deutlich  gesteigerte  Zahl  von 

Protuberanzen  erkennen, die weit  ins All hinausgriffen. Es  sah  so aus, als wolle die Sonne sich ausdehnen. »Die Oberflächentemperatur steigt sprunghaft an«, wurde aus der 

Zentrale  gemeldet.  »Die Werte  liegen  bereits  bei  über  8.000 Grad Celsius.« Noch  war  eine  Verfärbung  des  Spektrums  optisch  nicht 

auszumachen, was letztlich daran lag, daß die SOL zu weit entfernt stand. »Was ist mit Wöbbeking?« kam es aus der Zentrale. »Ich weiß nicht«, erwiderte Atlan. »Es  sieht  so aus, als würde er 

zur Nova werden.« »Verdammt.  Dann  verlieren  wir  die  SZ‐2.  Wir  müssen  alles 

versuchen, sie zu retten.« »Ich glaube nicht, daß wir eine Chance hätten.« »Aber … wir können nicht tatenlos abwarten.« »Womöglich  will  Anti‐ES,  daß  wir  eingreifen.  Dann  wäre 

Wöbbeking gezwungen, seine Tarnung aufzugeben.« »Was schlägst du vor?« Breckcrown Hayes wirkte verunsichert. »Abwarten«,  erwiderte  Atlan.  »Auf  jeden  Fall  sollte 

Gefechtsbereitschaft angeordnet werden.« Aufgeregt deutete Tyari auf das Ortungsbild. »Die Protuberanzen 

fallen in sich zusammen.« Fast gleichzeitig meldete Wöbbeking‐NarʹBon sich wieder. »Lange  kann  ich  dem  von  Bars‐2‐Bars  ausgehenden  Sog  nicht 

mehr widerstehen. Die Zeit drängt. Du, Atlan, hast mich nach der FARTULOON gefragt. Ich weiß nur, 

daß  die  Verschwundenen  sich  mit  großer  Wahrscheinlichkeit tatsächlich  in der Namenlosen Zone  befinden. Aber  ich  kann  ihre Gedanken  nicht  empfangen,  so  daß  ich  keine  Einzelheiten  kenne. 

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Auf  jeden  Fall  leben Bjo Breiskoll  und  seine Mannschaft,  und die Korvette existiert ebenfalls noch.« »Sie können uns nicht helfen«, sagte Tyari bitter. »Wir müssen mit 

den anstehenden Problemen wohl oder übel allein fertig werden.« »Bjo ist nicht der Mann, der die Dinge tatenlos auf sich zukommen 

läßt«, widersprach  Atlan.  »Und  bei  Vorlan  Brick,  Federspiel  und Insider  kann  ich  mir  das  ebenfalls  nicht  vorstellen.  Außerdem kennen  sie  unsere  Probleme.  Ich  bin  überzeugt  davon,  daß  sie versuchen werden, einen Brückenkopf gegen Anti‐ES zu errichten.« »Nur  mit  der  Ausrüstung  der  Korvette  haben  sie  kaum  eine 

nennenswerte Chance.« »Vielleicht  doch.  Anti‐ES  konzentriert  seine  Aufmerksamkeit  in 

erster Linie auf Wöbbeking und uns. Die FARTULOON muß ihm zu unbedeutend erscheinen.« »Mag sein.« Tyari stemmte  ihre Fäuste  in die Taille und  funkelte 

den  Arkoniden  herausfordernd  an.  »Das  allein  löst  unsere Schwierigkeiten jedoch in keiner Weise.« »Was schlägst du vor, was wir unternehmen sollen?« Tyari seufzte leise. »Ich weiß es genausowenig wie du.«   

6.  Du hast noch eine Frage, erinnerte der Extrasinn. Es  gab  einiges, was Atlan  bewegte,  aber  im Grunde  genommen 

hatte er alle wichtigen Fakten im Zusammenhang mit Bars‐2‐Bars in Erfahrung gebracht. Die Zukunft würde erweisen, was er übersehen hatte. Warum sprichst du nicht aus, was dich bewegt? Weil – der Arkonide warf Tyari einen  forschenden Blick zu –  ich 

nicht weiß, ob es wirklich von so großer Bedeutung ist. Soll ich dir die logischen Ursachen deines Verhaltens aufzeigen? 

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Ich brauche keinen Seelenklempner, der mir einen Spiegel vorhält. Der Extrasinn lachte spöttisch. Es  gelingt mir  selten,  dich  derart  aus  der Reserve  zu  locken. Und  das alles nur wegen einer irrationalen Gefühlsaufwallung, die du Liebe nennst. Sei still! Das Lachen brach abrupt ab. Auch gut. Wenn du nicht auf mich hören willst, bleibe eben unwissend. Atlan stutzte. Mir  scheint,  du  legst  mehr  Wert  auf  die  Beantwortung  dieser 

Frage als ich. Weißt du etwas, was du mir verheimlichst? Nein. Ich habe nur einiges gegen Gedächtnislücken, die sich eines Tages als entscheidend erweisen könnten. Das  klang plausibel. Anti‐ES  hatte Atlan  vor  nunmehr  über  200 

Jahren auf dem Weg zu den Kosmokraten abgefangen und in seine Gewalt  gebracht. Wenn  es  ihm  trotzdem  gelungen war,  den Weg nach  Jenseits  der  Materiequellen  zu  gehen,  mußte  er  die Superintelligenz  irgendwie  überlistet  haben.  Unter  Umständen ließen sich aus dem damaligen Geschehen brauchbare Folgerungen ableiten. »Was ist?« fragte Tyari besorgt. »Warum zögerst du?« »Ich habe nachgedacht«, erwiderte Atlan. »Auch über uns.« Sie  hörte  nur mit  halbem Ohr  hin. Die Daten  der Hyperortung 

wurden  noch  immer  auf  den  Monitor  überspielt,  und  die beginnende Veränderung nahm ihre Aufmerksamkeit in Anspruch. »Es  geht  wieder  los«,  rief  sie  überrascht.  »Die 

Sonnenfleckentätigkeit ist größer als beim erstenmal; wahrscheinlich sind heftigere Protuberanzen zu erwarten.« »Der  Sog  wird  stärker«,  meldete  sich  Wöbbeking.  »Vielleicht 

schon  in  Kürze  werde  ich  mich  nur  noch  darauf  konzentrieren müssen, ihm zu trotzen.« Dann  bleibt  dir  die  Antwort  auf  die  letzte  Frage  womöglich  versagt, 

drängte der Extrasinn. Atlan sah ein, daß es keinen Sinn hatte, länger zu zögern. 

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»Wie gelangte ich zu den Kosmokraten?« wollte er wissen. Wieder führte Wöbbeking‐NarʹBon ihn in die Vergangenheit.   

*  Seit Tagen hatte  ich das Gefühl, daß Asgard  immer  schweigsamer wurde,  andererseits  stand  auch  mir  nicht  der  Sinn  nach tiefschürfenden  Diskussionen.  Obwohl  ich  es  nie  für  möglich gehalten  hätte, machte mir  die  Einsamkeit  der Namenlosen  Zone ebenfalls  zu  schaffen. Wir hatten Hunderte, vielleicht  sogar  einige tausend Lichtjahre zurückgelegt, ohne erneut auf ein Sonnensystem zu  stoßen.  Trotzdem  hatte  Asgard  anfangs  noch  behauptet, Unregelmäßigkeiten  im  Gravitationsgefüge  wahrnehmen  zu können. Die unsichtbar bleibenden Himmelskörper beeinflußten mit ihrer Masse die Raumkrümmung. Anti‐ES  schien  unsere  Verfolgung  aufgegeben  zu  haben. 

Allerdings wollte ich nicht so recht daran glauben. Durch Egen hatte er  versucht,  mich  als  Helfer  zu  gewinnen.  Da  dieser  Versuch fehlgeschlagen war, mußte er mich als Gegner ausschalten. Längst hatten wir jede Orientierung verloren. Selbst wenn Asgard 

sich im Kreis bewegte, würden wir es nicht feststellen können. »Du mußt einen Ausweg finden«, drängte ich. Nichts. Keine Antwort. Irgendwo veränderte sich die Zellstruktur, bildete das organische 

Raumschiff  einen  Tentakel  aus,  der  ziellos  durch  den  Hohlraum tastete. Als er meine Beine berührte, zog er sich blitzschnell zurück. Ein verhaltenes Stöhnen zwängte sich in meine Überlegungen. Asgard ist krank, behauptete der Extrasinn, und genau das hatte ich 

befürchtet. Schlagartig  setzte  die  bislang  herrschende  Schwerkraft  von 

ziemlich  genau  einem  Gravo  aus.  Zum  Glück  war  ich  daran gewöhnt,  mich  auch  unter  den  Bedingungen  völliger 

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Schwerelosigkeit gezielt zu bewegen. Asgard reagierte noch immer nicht auf meine Versuche, mit ihm in 

Kontakt zu kommen. Aber unmittelbar vor mir entstand eine Falte in seiner Haut, die innerhalb weniger Augenblicke mehr als dreißig Zentimeter tief wurde. Nur  ein Meter  künstlich  zusammengefügtes  Zellgewebe  trennte 

mich  vom  Vakuum  des  Raumes.  Der  Gedanke,  was  geschehen mußte,  wenn  Asgard  sich  unvermittelt  öffnete,  ließ  mir  kalten Schweiß ausbrechen. Mit  fliegenden Fingern griff  ich nach meinem leichten Raumanzug und streifte ihn mir über. Bislang hatte ich auf diesen  Schutz  verzichten  können,  da  Asgard  die  Atemluft  stetig regenerierte. Hilf mir! vernahm ich seinen mentalen Aufschrei in dem Moment, 

in  dem  ich  den  Helm  schloß.  Sekunden  später  wurde  meine Befürchtung Wirklichkeit:  Die mich  umgebende  Hülle  brach  auf. Der entstehende Sog war allerdings zu schwach, um mich weiter als bis  an den Rand der  sich  bereits  verkrusteten Wunde mit  sich  zu reißen. Zitternd  huschte  der  scharfe  gebündelte  Lichtkegel  meines 

Helmscheinwerfers über Asgards Oberfläche.  Ich  entdeckte  etliche faustgroße Geschwüre. Bei näherem Hinsehen erwiesen sie sich als Fremdkörper. Vergeblich versuchte  ich, einen von  ihnen zu entfernen. Asgards 

telepathischer  Schrei  traf  mich  mit  aller  Wucht.  Er  mußte wahnsinnige Schmerzen empfinden. Es sind lebende Organismen, stellte der Extrasinn fest. Tatsächlich pulsierten sie leicht. Die Sensoren meiner Handschuhe 

vermittelten mir die Bewegung. Durch vorsichtiges Abtasten stellte ich  fest,  daß  jedes  dieser  Gebilde  mit  drei  wurzelförmigen Fortsätzen  in Asgards Haut  verankert war.  Sie  schienen  sogar  zu wachsen. Es gab nur  eine Möglichkeit,  sie zu beseitigen.  Ich  regulierte die 

Abgabeleistung  des  Strahlenkarabiners  auf  minimalste  Leistung, 

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dann  hielt  ich  die Waffe  so,  daß  ich  zwar  eine  der  Geschwülste treffen mußte,  daß  der  Thermostrahl Asgard  aber  nicht  berühren würde. Als  ich den Auslöser  betätigte,  schrie Asgard  gellend  auf. Blaßrote  Glut  umfloß  das  mittlerweile  gut  dreißig  Zentimeter durchmessende graue Gebilde, konnte diesem aber nichts anhaben. Eine  heftige  Kontraktion  ließ  mich  den  Halt  verlieren.  Ich 

überschlug mich, und ehe  ich mit Hilfe meines Rückstoßaggregats den  Sturz  unter  Kontrolle  bringen  konnte,  war  Asgard  in  der unendlichen Schwärze verschwunden. Zum Glück  fand  ich keine Zeit, mir meiner Hilflosigkeit bewußt 

zu  werden.  Ein  nebelartiges  Leuchten  fesselte  meine Aufmerksamkeit.  Noch  während  ich  hinsah,  schob  sich  etwas Großes, Düsteres, Schroffes vor dieses Leuchten. Ein  kosmischer  Trümmerbrocken,  der  vermutlich  schon  seit 

Jahrmillionen seine Bahn zog. Die Helligkeit wurde zur fahlen Aura, die  schroffe  Felszacken  und  tief  eingeschnittene  Schluchten erkennen ließ. Ein  seltsames  Zusammentreffen,  bemerkte  mein  Logiksektor  und 

sprach damit aus, was mich ebenfalls beschäftigte. »Du meinst, Anti‐ES  steckt hinter  alldem?  Selbst wenn  es  so  ist, 

bleibt mir keine andere Wahl.«   

*  Eine  Stunde  benötigte  ich,  um  den  Planetoiden  zu  erreichen. Das nebelartige Leuchten war  inzwischen verschwunden. Lediglich ein düsterer  Schimmer umgab den  etliche Kilometer durchmessenden Felsbrocken. Ich landete am Rand eines schmalen Hochplateaus, das nach zwei 

Seiten  hin  steil  abfiel. Hier  existierten  die  versteinerten Überreste einer  einstmals  üppigen  Flora.  Schwarze  Bäume  streckten  ihre kahlen Äste anklagend in die Höhe. Fast hatte es den Anschein, als 

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absorbierten sie die vage, von den Felsen ausstrahlende Helligkeit. »Eine  tote  Welt,  Atlan,  obwohl  sie  einstmals  von  blühendem 

Leben  erfüllt  war.  Nur  schade,  daß  du  sie  nie  wieder  verlassen wirst.« Wie mit  glühenden Nadeln  bohrten  sich  die Worte  unter meine Schädeldecke. »Anti‐ES!« stieß ich keuchend hervor. »Wenigstens  weißt  du  es.«  Die  Superintelligenz  ließ  ein 

dröhnendes  Lachen  vernehmen.  »Du  hättest mein Diener werden können,  aber  du  wolltest  nicht.  Also  nahm  ich  an,  daß  du  es vorziehst,  auf  einem  öden  Felsbrocken  das  Universum  zu durchmessen. Reizt dich eine solche Gelegenheit nicht?« »Das hängt von den Umständen ab.« »Oh«,  machte  Anti‐ES  erstaunt.  »Tote  pflegen  im  allgemeinen 

nicht nach irgendwelchen Umständen zu fragen. Vielleicht erreichst du  eines  fernen  Tages  sogar  eine  Materiequelle.«  Ich  gab  mich keinen Illusionen hin. Diesmal sah es so aus als hätte  ich endgültig verloren. Als zwanzig Meter von mir entfernt eine düster strahlende Kugel materialisierte, schoß ich sofort. Der Thermostrahl wurde von dem Gebilde, das langsam auf mich zukam, regelrecht aufgesogen. Ich wich zurück. Obwohl ich wußte, daß ich nirgendwohin fliehen 

konnte. Die  Kühlspirale  meiner  Waffe  begann  aufzuglühen,  ich 

schleuderte sie dem vermeintlichen Ableger von Anti‐ES entgegen. Im nächsten Moment erfolgte eine grelle Detonation. Aber selbst die Stichflamme  des  in  einer  atomaren  Explosion  vergehenden Energiemagazins  konnte  dem  leuchtenden  Kugelgebilde  nichts anhaben.  Unversehrt  schwebte  es  aus  den  Gluten  hervor,  zwei Tentakel ausbildend, die nach mir griffen. Von  ankommender  Panik  erfüllt,  warf  ich  mich  herum.  Die 

geringe  Schwerkraft  des  Asteroiden  erlaubte  mir  meterweite Sprünge. »Du kannst mir nicht entkommen«, spottete Anti‐ES. Ich  wußte  es,  trotzdem  hielt  ich  nicht  inne.  Irgend  etwas 

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Unerklärliches  zwang mich  vorwärts.  Eine weite  Schlucht  öffnete sich  vor  mir.  Auch  hier  ragten  die  Zeugen  eines  früheren Pflanzenwuchses auf. Ein  flüchtiger  Reflex  zwischen  den  Felsen  erregte  die 

Aufmerksamkeit  meines  Extrasinns.  Das  ist  keine  Gesteinsader, behauptete er. Da war es wieder. Diesmal konnte ich die schemenhaften Umrisse 

einer menschlichen Gestalt erkennen. Sie winkte mir zu. Eine Falle? Wohl kaum. Anti‐ES würde mich auch so bekommen. Plötzlich  erfüllte  ein  irrlichterndes  Feuerwerk  den  lichtleeren 

Himmel. Mein Verfolger verformte sich zur rotierenden Spirale, die langsam auseinandergerissen wurde. Anti‐ESʹ mentaler Aufschrei  zeugte  von Überraschung  und Wut 

zugleich.  In dem Moment wußte  ich, daß der Fremde eingegriffen hatte. Mit ausgebreiteten Armen trat er auf mich zu. Er war genauso groß  wie  ich  und  trug  einen  Raumanzug mit  halbtransparentem Helm.  Ich  versuchte  ihm  klarzumachen,  daß  er  sein  Funkgerät einschalten  solle,  aber  offensichtlich  war  dieses  auf  eine  andere Frequenz justiert. Der  Fremde  bedeutete  mir,  ihm  zu  folgen.  Nach  einer  Weile 

erkannte  ich vor uns eine völlig ebene, spiegelnde Fläche, als wäre hier glutflüssiges Metall unter Schwerkrafteinfluß erstarrt. Zugleich spürte  ich die erneute Annäherung von Anti‐ES mit nie gekannter Wucht. Die  Schwärze des Alls begann  aufzuglühen,  als  ein Hagel von  Mikrometeoriten  herniederging.  Trotz  der  Vielzahl  von Einschlägen wurde ich wie durch ein Wunder nicht getroffen. Der Fremde betrat die metallene Ebene und wandte sich zögernd 

zu mir um. Sein Helm  spiegelte, dennoch glaubte  ich, helles Haar erkennen  zu  können.  Auffordernd  streckte  er  mir  die  Hand entgegen. Warum zögerst du? Ich  wußte  es  nicht.  Selbst  der  Zellaktivator  konnte  nicht 

verhindern,  daß  mir  das  Herz  plötzlich  bis  zum  Hals  klopfte. 

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Unwillkürlich  schreckte  ich davor  zurück, mich dem Mann weiter zu nähern. Und  dann  sah  ich  sein  Gesicht.  Es  lächelte.  Rötliche  Augen 

musterten mich durchdringend. Ich  war  auf  alles  gefaßt  gewesen,  trotzdem  prallte  ich  entsetzt 

zurück. Ich stand mir selbst gegenüber! Der andere war ich, daran konnte 

es  keinen  Zweifel  geben.  Aber  wie  war  das  möglich?  Ein Zeitphänomen? Eine bessere Erklärung wußte ich nicht. Mein Ebenbild ergriff mich am Arm und zog mich näher zu sich 

heran. Gleißendes Licht hüllte mich ein. Das letzte, was ich bewußt wahrnahm,  war,  daß  Anti‐ES  den  Planetoiden  vernichtete.  Ich tauchte ein in eine grenzenlose Leere …   

*  »Ich  spürte  nur  noch  die  Gedanken  eines  Atlan,  aber  auch  die verwehten  rasch«,  sagte Wöbbeking‐NarʹBon.  »Danach bist du nie wieder  in der Namenlosen Zone erschienen, und  ich fand dich erst viel später wieder, als du auf Chail mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen hattest. Die Schmarotzer, mit denen Anti‐ES Asgard infiziert hatte, starben 

ab,  nachdem  sie  ihre  Aufgabe  erfüllt  hatten,  Asgard  von  dir  zu trennen. Das organische Raumschiff und Kik verließen irgendwann die  Namenlose  Zone,  wobei  alles  darauf  hindeutete,  daß  es  Kik gelang,  die Grenze  zum Normaluniversum  zu  überwinden.  Beide erschienen  in  Xiinx‐Markant,  als  Sanny  hilflos  in  der  Nähe  des galaktischen Zentrums trieb und das Schwarze Loch sie anzog. Daß ich alle drei nach Bars‐2‐Bars versetzte, erwähnte ich bereits. Du, Atlan, warst für mich ebenfalls für  lange Zeit verschwunden. 

Ich weiß nicht, was mit dir geschah oder wo du dich während all der  Jahre befunden hast.  Ich kann nicht einmal deine Frage  richtig 

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beantworten, weil  ich  nicht weiß,  ob  du  die  Kosmokraten  jemals erreicht hast.« »Aber  …«,  machte  Atlan  irritiert.  »Ich  habe  von  ihnen  einen 

konkreten Auftrag erhalte. – Oder nicht? Und was wurde aus dem anderen Atlan, der mir half? Ich kann mich an nichts erinnern.« »Frage mich nicht – mein Kontingent ist erschöpft, denn ich weiß 

nun, daß die Hohen Mächte Anti‐ES schon sehr bald vollends in die Freiheit entlassen werden. Warum das so  ist, bleibt mir ein Rätsel; ich  kann  es  nicht  ändern.  Rechne  also  nicht  damit,  weitere Unterstützung  von  mir  zu  erhalten,  außer  daß  ich  die  SZ‐2 weiterhin vor dem Gegner verberge, bis sie gebraucht wird.«   

7.  Wöbbeking‐NarʹBon meldete sich von da an nicht mehr. Nach einer Weile gab Atlan seine vergeblichen Versuche auf, noch einmal mit diesem Wesen in Verbindung zu treten. Manches  war  ihm  ein  Rätsel  geblieben,  insbesondere  die 

Ankündigung,  daß  Anti‐ESʹ  Gefangenschaft  in  der  Namenlosen Zone  enden  sollte.  Hatten  die  Kosmokraten  ihr  ohnehin vergebliches  Bemühen  aufgegeben,  die  Superintelligenz  auf  den Weg des Guten zurückzuführen? Zum erstenmal verspürte der Arkonide auch Zweifel, was seinen 

möglichen  Aufenthalt  jenseits  der  Materiequelle  betraf. Ursprünglich war er der Meinung gewesen, zweihundert  Jahre bei den  Kosmokraten  zugebracht  zu  haben.  Dann  hatte  er  an  den Jahreszahlen Abstriche machen müssen  – und  jetzt  konnte  er  sich nicht einmal mehr sicher sein, ob er überhaupt jemals den von Laire vorgezeichneten Weg bis zum Ende gegangen war. Trotzdem  dachte  Atlan  nicht  daran,  aufzugeben  oder  gar  zu 

resignieren. Immerhin hatte er viele nützliche Hinweise erhalten. Wenn EGEN wirklich ein Teil von Anti‐ES war, mußte er gestellt 

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und unschädlich gemacht werden … Twoxl‐7 war  es  gelungen, der Kontrolle durch die Penetranz  zu 

entfliehen.  Er  befand  sich  auf  der  Suche  nach  Sternfeuer.  Sicher konnte er ein nützlicher Helfer sein … Endlich  waren  auch  die  Koordinaten  des  Arsenalplaneten 

bekannt,  der  einen  entscheidenden  Gefahrenpunkt  darstellte.  Ein Überraschungsschlag mit der SOL würde vielleicht die Bedrohung beseitigen oder zumindest schmälern. Mit  SENECAS  Hilfe  hatte  Breckcrown  Hayes  inzwischen  eine 

brauchbare  Analyse  der  an  Bord  herrschenden  Stimmung vorgenommen. Das Ergebnis war einigermaßen überraschend, denn die Solaner standen noch hinter Atlan. Der  Arkonide  ahnte,  daß  er  dies  vor  allem  dem  Umstand  zu 

verdanken hatte, daß die verschwundene SZ‐2 noch existierte und sich  zudem  in  Sicherheit  befand.  Für die  FARTULOON  unter Bjo Breiskoll  galt  mit  Einschränkungen  das  gleiche.  Wöbbekings Absicht war unschwer zu erkennen: Er hoffte darauf, daß Atlan und die  Solaner  nach  dieser  moralischen  Aufrüstung  es  doch  noch schaffen mochten, dem scheinbar Unabwendbaren eine Wende zum Positiven zu geben.   

ENDE   Nach einer kurzen Verschnaufpause gehen Anfang April 3808 die Kämpfe der Solaner  gegen  Anti‐ES  und  seine  Erfüllungsgehilfen  weiter.  Es  kommt  zu Aktionen gegen den geheimnisvollen EGEN und gegen das Arsenal Dabei geht es ZUG UM ZUG …  ZUG UM ZUG – das ist auch der Titel des nächsten Atlan‐Romans, der von Horst Hoffmann geschrieben wurde.