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18. JUNI 2014 DIE ZEIT N o 26 lange zurückliegenden Industriezeitalters wie Wichtigtuerei, Angriffslust und virile Rabauken- haftigkeit sind nutzlos geworden und von un- durchsichtigen und dauerfreundlichen Niedrig- profil-Verhaltensweisen abgelöst worden, wie sie in der digitalen Generation der sanften Teamchefs von Vorteil sind. Die vom alten animalischen Erbe befreiten, voll verkabelten mitteleuropäi- schen Softies sind die Helden der Gegenwart. Sie ähneln alle ein wenig dem knapp 30-jährigen Edward Snowden, von dem der Reporter des Guardian nach einem ersten Treffen sagte, er sei »ruhig, smart, unproblematisch im Umgang und sehr bescheiden«. Die Frage, wie traurig man das alles finden soll und ob man, auf der Suche nach Auswegen, die philosophische oder literarische Renaissance eines alten oder neuen Realismus wieder befördern soll- te, ist zwar sentimental, aber erlaubt und durchaus interessant. Versuche, einen neuerlichen Hunger nach der Wirklichkeit alten Zuschnitts zu befriedi- gen, machen sich vielerorts bemerkbar. Reality Hunger hieß ein viel beachtetes Manifest des Ame- rikaners David Shields aus dem Jahr 2010, in dem es darum ging, in der Literatur das Rohmaterial des Lebens nicht zu vergessen und eine bewusste Unkünstlichkeit zurückzugewinnen. Philosophen wie Markus Gabriel und Maurizio Ferraris suchen nach einem »Neuen Realismus«, der den Bild- schirmschoner durchbrechen könnte, unter dem das richtige Leben wie unter einer Eisschicht aus tausend Konstruktionen und postmodernen Über- schreibungen Winterschlaf hält. Und eine anony- me französische Theorie-Guerilla forderte im Jahr 2007 sogar einen »kommenden Aufstand«, der notfalls mit Waffengewalt den Kontakt mit den »Rhythmen der Wirklichkeit« wieder erzwingen sollte und davon schwärmte, in den zukünftigen ökologischen Katastrophen Augenblicke »echter Präsenz« jenseits der entspannten Beliebigkeit des Real Life zurückzugewinnen. Besonders realistisch kann man diesen Neuen Realismus allerdings nicht finden. Wenn eine Zu- kunftsprognose erlaubt ist, so könnten die nostal- gischen Produkte des neuen Realismus vielmehr die Science-Fiction-Romane des kommenden Zeitalters sein: Filme und Romane vom Wind auf der Haut, vom blendenden Licht eines Sommers, von der undurchdringlichen Dunkelheit einer sternenlosen Nacht, vom Leben in den Wäldern und vom Sterben im Bett, in dem man geboren wurde. Vieles spricht dafür, dass der abgelebte Traum von der elementaren Realität in dem Au- genblick, in dem er vollkommen lächerlich ge- worden sein wird, als Science-Fiction zurück- kommt. 50 FEUILLETON W er in diesen Wochen ein Kino in seinem Stadtteil besucht, kann in einen Film geraten, in dem ein gut aussehender Mann im besten Man- nesalter Nacht für Nacht allein in seinem Kingsize-Bett liegt, sich einen Knopf ins Ohr schiebt und ins Leere lächelt. Theodore Twombly hat sich gerade von seiner Ehefrau getrennt oder sie sich von ihm. Er liebt seine Frau auf eine mit der Wirklich- keit nicht kompatible Weise noch immer, zumindest ist er nicht bereit, das Liebesexperiment an einem neuen menschlichen Exemplar so bald zu wiederho- len. Dazu besteht in dem Film Her von Spike Jonze, der nur ein paar Mouseclicks von unserem Zeitalter entfernt spielt, auch gar kein Anlass. Mr. Twombly ersetzt seine Ehefrau durch ein sprechendes, schnurlos zu empfangendes Betriebssystem, das sich selbst Sa- mantha tauft und über die erstaunliche Fähigkeit ver- fügt, sein ursprüngliches Programm wie im guten al- ten Bildungsroman durch den Zuwachs an Erfahrun- gen zu erweitern. Mit anderen Worten: sich zu ent- wickeln und zu vervollkommnen wie weiland Hegels Weltgeist. Samantha ist eine intelligente Maschine, sie entwickelt Gefühle, sie sehnt sich nach einem Körper, sie verwickelt Mr. Twombly mit ihrer lasziven Stimme in eine Liebesgeschichte, deren Höhepunkt eine digi- tale Kopulation zwischen Mann und Hörknopf auf blütenweißen Kissen darstellt. Vom Liebeslager aus gibt die großzügige Glasfront den Blick frei auf eine Hochhauswelt voller erleuchteter Fenster: eine Stadt der Einsamen, die in die Nacht des digitalen Nichts hineinsprechen wie in das Ohr Gottes. Samantha gesteht dem verliebten Mr. Twombly schließlich, dass sie neben ihm noch über 600 andere einsame Verliebte, ja, wie sagt man da: bedient. Auf den Filmstraßen laufen die mit ihrem persönlichen Betriebssystem Verkabelten blicklos aneinander vorüber, jeder tief konzentriert auf die künstliche Intelligenz, die in Gestalt eines schwarzen Knopfs im Gehörgang nistet und ihn so restlos versteht, wie kein Mensch es jemals könnte. Die Welt der emotional aufgerüste- ten Computer, das affective computing, ist dabei nur dem Ausmaß, nicht der Sache nach cineastische Science-Fic- tion. Die Ingenieure der sozialen Ro- botik, mit deren Produkten wir aller Voraussicht nach eines nicht mehr all- zu fernen Tages das verwaiste Liebes- lager teilen werden, bemühen sich schon heute, ihre Kreaturen zu ver- menschlichen. Künstliche Intelligenz, die Emotionen nicht nur versteht, sondern auch ausdrücken kann, wird die ohnehin stark ermüdeten alt- menschlichen Konzepte von Liebe, Gefühlsauthentizität, Exklusivität und gegenseitigem Verstehen, die im In- nenleben des Menschen herkömmli- cher Bauart noch immer wie antike Möbel in einem Romantikhotel herumstehen, in naher Zukunft über den Haufen werfen. Diese zukünftige Realität hat mit dem Neuen Realismus, der gerade sein Comeback erlebt, ungefähr so viel zu tun wie ein voll automatisierter Getränkeautomat mit einer alten Kaf- feemühle. Dennoch gibt es einen Zu- sammenhang: Die neuen Realisten und die Baumeister der Zukunft wis- sen, dass die sinnliche Welt durch ihr digitales Bild ersetzt wurde. Die einen suchen ihr Heil daraufhin in der Nostalgie sinnlicher Gewissheiten, die anderen in der Utopie technischer Optimierung. Zukunftsfilme wie Her oder auch die dänische Fernsehserie Real Humans von Lars Lundström spekulieren, wie die Realität nach dem Ende der meis- ten altmenschlichen Beziehungen aus- sehen könnte. Einsame Damen im nicht mehr allerbesten Frauenalter ver- kehren mit verständnisvollen menschlichen Robo- tern. Das Betriebssystem Samantha begleitet Mr. Twombly auf allen Wegen. Nichts davon erscheint besonders unwahrscheinlich, jedenfalls nicht unwahr- scheinlicher als die vormoderne Welt der lebenslan- gen Ehen, die gerade dabei ist, historisch zu werden. So hat sich der Abstand zwischen den Kunstwer- ken, die man aus alter Anhänglichkeit noch immer Science-Fiction nennt, und der Wirklichkeit, in der wir leben, inzwischen entscheidend verkleinert und verkleinert sich weiter von Tag zu Tag. In den noch sehr kurz zurückliegenden vordigitalen Zeiten glichen solche Kunstwerke Versuchsanordnungen, die die Zukunft aus Gründen der Abschreckung in ein Hor- rorszenario verwandelten. Was insofern kein allzu kompliziertes Manöver war, weil die Kenntnis von einer vergleichsweise lebenswerteren Wirklichkeit vorausgesetzt werden konnte, von der sich die Dys- topie in wohligem Grusel unterschied. Eine solche Apokalypse, ein solches Terrorregime, wie die in der Huxley- und Orwell-Welt ersonnenen, das war klar, dürfen niemals errichtet werden. Gleichwohl gehörte das Lust-Gruseln, dass es dennoch jederzeit so kom- men könnte, unbedingt zu jeder guten Dystopie. Als die Schöne neue Welt gleich nach dem Totalzusam- menbruch der zivilisierten Welt im Jahr 1946 wieder aufgelegt wurde, bestätigt Aldous Huxley noch ein- mal die Wahrscheinlichkeitsrechnung, mit der jeder Science-Fiction-Autor im alten Jahrtausend kalkulier- te. Die »Schöne neue Welt«, gab er zu Protokoll, ver- möge nur so lange zu fesseln, als ihre »Prophezeiungen so aussehen, als könnten sie Wirklichkeit werden«. Wenn Huxleys Roman heute ein wenig altbacken wirkt, liegt das daran, dass niemand mehr genau weiß, was die Wirklichkeit eigentlich ist. Zersplittert in tau- send Scherben und Teilwirklichkeiten, ausgehöhlt bis auf die blanken Knochen, ist sie philosophisch zwi- schen zwei Anführungszeichen verschwunden oder netzsprachlich zu zwei Großbuchstaben zusammenge- schnurrt : RL (Real Life). Huxleys Science-Fiction von damals ist unser Alltag von heute. Seine Wohlfühl-Dik- tatur wird übertroffen vom »Reality-Mining« des Le- bens durch Internetgottheiten wie Google und Face- book, die jede Lebensregung der von ihnen abhängigen Geschöpfe im Voraus kennen, steuern und kontrollie- ren – im Bett, beim Arzt, im Supermarkt, in jedem to- ten Winkel der total verglasten Angestelltenseele. Science-Fiction und RL sind keine Gegensätze mehr, sondern stehen sich wie zwei Quasiwirklichkeiten gegenüber, die zu unterscheiden eine der hoffnungs- losesten Aufgaben der Gegenwart ist. Seitdem die Wirklichkeit selbst zur Science-Fiction wurde, haben die Science-Fiction-Romane ihr klassi- sches Arbeitsgebiet verloren. Die letzten Science- Fiction-Romane alten Stils, die noch mit Breughel- scher Inbrunst eine schwarze Zukunft ausmalten, erschienen um die Jahrtausendwende und erzählten beispielsweise von der noch vordigitalen jungen Berli- ner Republik als apokalyptisch nachglühendem Aschehaufen oder einem entvölkerten Wien, in dem nur noch ein letzter Mensch durch die ausgestorbe- nen Shoppingmalls streifte. In diesen Büchern, die es sich auf den selbst errichteten Schlachtfeldern noch gemütlich machten, glimmte ein sentimentales Be- dauern um das Verlorene. In den Zukunftsromanen der zehner Jahre ist da- von nichts mehr zu finden. Die Realität alter Art ist jetzt nur noch ein Menetekel, aber kein Maßstab mehr. In Romanen wie Leif Randts Schimmernder Dunst über CobyCounty oder Michel Houellebecqs Karte und Gebiet ist das Leben traumlos schön und perfekt wie eine Fahrgastzelle im Audi Allroad A6. Europa ist ein Freizeitpark, der 24 Stunden lang ge- öffnet hat. Die entspannte Indifferenz seiner Bewoh- ner ähnelt der der Digital Natives, die das Privileg hatten, mit dem Internet aufgewachsen zu sein. Die durchsetzungsstarken Charaktereigenschaften des Neuer Realismus (6) Unter Philosophen, Künstlern und Architekten macht der Begriff des Neuen Realismus die Runde. Eine Serie im ZEIT-Feuilleton fragt nach den Folgen dieser Debatte. Bislang veröffentlichten wir Beiträge von Thomas E. Schmidt, Ullrich Schwarz, Bernd Stegemann, Bernhard Pörksen und Markus Gabriel Vilhelm Hammershøi (1864–1916): »Frau, neben einem Klavier in einem Buch lesend«, 1907 Abb.: Christie’s Images Ltd/Artothek Was ist hinter dem Bildschirmschoner? Seitdem die Wirklichkeit zur Science-Fiction wurde, beginnen die Intellektuellen vom echten Leben zu träumen VON IRIS RADISCH von ZEIT-Autoren können Sie auch hören, donnerstags 7.20 Uhr. Filmkritiken ANZEIGE Kontakt für Anzeigenkunden 040/3280 158 Beratung und Verkauf [email protected] 040/3280472 A MARKTPLATZ FÜR IHRE MANUSKRIPTE Deutsche Literaturgesellschaft Senden Sie Ihr Manuskript an: Lektorat Z3, Fasanenstr. 61, 10719 Berlin Lektorat@Deutsche-Literaturgesellschaft.de Tel. 030/224 09 258 R. G. Fischer Verlag Orber Str. 30 • Fach 97 • 60386 Frankfurt a.M. Tel. 069/941 942 - 0 • Fax -98 / -99 • www.rgfischer.de Wir machen Ihr Buch erfolgreich! Autorenhotli ne 0 60 74 - 4 75 66 Verlagssuche, Recht für Autoren, Drehbuch/Kreatives/Erfolgreich Schreiben. Auch als Ratgeber! Bund Deutscher Schriftsteller e. V. Postfach 1507, 63155 Dietzenbach www.schriftsteller-verband.de Sie suchen einen Verlag? Print on Demand & Internetvertrieb NORA Verlagsgemeinschaft 10247 Berlin Pettenkoferstr. 16-18 030 20454990 030 20454991 ! [email protected] KINO Lorelei LINKLATER ellar coltrane patricia arquette ethan hawke Und www.boyhood-film.de „Schöner und bewegender hat schon lange kein Film mehr vom Heranwachsen erzählt.“ FAS „Einer der faszinierendsten Spielfilme der vergangenen Jahre“ Spiegel „…ein Meisterwerk, wahrhaftig, berührend und unterhaltsam“ Brigitte DREHBUCH & REGIE richard linklater JETZT IM KINO AACHEN Apollo AUGSBURG Liliom BERLIN Babylon (OmU), Bundesplatz- Kino (dt + OmU), Capitol, CinemaxX Potsdamer Platz, CineStar Sony Center (OV), Delphi, Filmtheater am Friedrichshain, Hackesche Höfe (OmU), International (dt + OmU), Kino in der Kulturbrauerei, Odeon (OmU), Passage (OmU), Yorck, Thalia Potsdam (dt + OmU) BIELEFELD Lichtwerk BOCHUM Casablanca BREMEN Schauburg DARMSTADT Rex DRESDEN Schauburg, Programmkino Ost (dt + OmU) DÜSSELDORF Atelier, Metropol (OmU) ERLANGEN Manhattan ESSEN Eulenspiegel FRANKFURT Cinema, Harmonie (OmU), Metropolis (OV), FREIBURG Apollo (dt + OmU) HAMBURG Abaton (OmU), Blankeneser, Holi, Koralle, Zeise HANNOVER Kino am Raschplatz KARLSRUHE Schauburg KASSEL Gloria KIEL metro-Kino im Schlosshof KÖLN Cinenova, Odeon, Off Broadway (OmU) KONSTANZ Scala LEIPZIG / HALLE Passage (dt + OmU) MAINZ Palatin (OmU), Residenz MANNHEIM Atlantis (OmU), Cineplex MÜNCHEN Atelier (OmU), Arri, City, Kino Solln, Münchner Freiheit MÜNSTER Schloss NÜRNBERG Cinecitta, Metropolis POTSDAM Thalia (dt + OmU) REGENSBURG Garbo SAARBRÜCKEN Camera Zwo STUTTGART Delphi ULM Lichtburg WUPPERTAL Cinema AACHEN Apollo ASCHAFFENBURG Casino Lichtspiele BERLIN CinemaxX am Potsdamer Platz, fsk, Filmunst 66, Babylon Mitte BOCHUM Endstation BREMEN Atlantis, Gondel, Schauburg DARMSTADT Rex DRESDEN Programmkino Ost DÜSSELDORF Bambi ERLANGEN Lamm-Lichtspiele ESSEN Filmstudio FRANKFURT Mal seh‘n, Harmonie FREIBURG Kandelhof HAMBURG Studio, 3001, Holi HANNOVER Raschplatz HEIDELBERG Gloria KARLSRUHE Schauburg KÖLN Cinenova, Filmhauskino LEIPZIG Passage Kinos MAGDEBURG Moritzhof MÜNCHEN Theatiner, Neues Arena, Breitwand Seefeld NÜRNBERG Casablanca REGENSBURG Wintergarten SAARBRÜCKEN Filmhaus STUTTGART Atelier am Bollwerk TÜBINGEN Arsenal

DIE ZEIT Was ist hinter dem Bildschirmschoner? · 2014. 6. 25. · die Schöne neue Welt gleich nach dem Totalzusam-menbruch der zivilisierten Welt im Jahr 1946 wieder aufgelegt wurde,

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Page 1: DIE ZEIT Was ist hinter dem Bildschirmschoner? · 2014. 6. 25. · die Schöne neue Welt gleich nach dem Totalzusam-menbruch der zivilisierten Welt im Jahr 1946 wieder aufgelegt wurde,

18. JUNI 2014 DIE ZEIT No 26

lange zurückliegenden Industriezeitalters wie Wichtigtuerei, Angriffslust und virile Rabauken-haftigkeit sind nutzlos geworden und von un-durchsichtigen und dauerfreundlichen Niedrig-profil-Verhaltensweisen abgelöst worden, wie sie in der digitalen Generation der sanften Teamchefs von Vorteil sind. Die vom alten animalischen Erbe befreiten, voll verkabelten mitteleuropäi-schen Softies sind die Helden der Gegenwart. Sie ähneln alle ein wenig dem knapp 30-jährigen Edward Snowden, von dem der Reporter des Guardian nach einem ersten Treffen sagte, er sei »ruhig, smart, unproblematisch im Umgang und sehr bescheiden«.

Die Frage, wie traurig man das alles finden soll und ob man, auf der Suche nach Auswegen, die philosophische oder literarische Renaissance eines alten oder neuen Realismus wieder befördern soll-te, ist zwar sentimental, aber erlaubt und durchaus interessant. Versuche, einen neuerlichen Hunger nach der Wirklichkeit alten Zuschnitts zu befriedi-gen, machen sich vielerorts bemerkbar. Reality Hunger hieß ein viel beachtetes Manifest des Ame-rikaners David Shields aus dem Jahr 2010, in dem es darum ging, in der Literatur das Rohmaterial des Lebens nicht zu vergessen und eine bewusste Unkünstlichkeit zurückzugewinnen. Philosophen wie Markus Gabriel und Maurizio Ferraris suchen nach einem »Neuen Realismus«, der den Bild-schirmschoner durchbrechen könnte, unter dem das richtige Leben wie unter einer Eisschicht aus tausend Konstruktionen und postmodernen Über-schreibungen Winterschlaf hält. Und eine anony-me französische Theorie-Guerilla forderte im Jahr 2007 sogar einen »kommenden Aufstand«, der

notfalls mit Waffengewalt den Kontakt mit den »Rhythmen der Wirklichkeit« wieder erzwingen sollte und davon schwärmte, in den zukünftigen ökologischen Katastrophen Augenblicke »echter Präsenz« jenseits der entspannten Beliebigkeit des Real Life zurückzugewinnen.

Besonders realistisch kann man diesen Neuen Realismus allerdings nicht finden. Wenn eine Zu-kunftsprognose erlaubt ist, so könnten die nostal-gischen Produkte des neuen Realismus vielmehr die Science-Fiction-Romane des kommenden Zeitalters sein: Filme und Romane vom Wind auf der Haut, vom blendenden Licht eines Sommers, von der undurchdringlichen Dunkelheit einer sternenlosen Nacht, vom Leben in den Wäldern und vom Sterben im Bett, in dem man geboren wurde. Vieles spricht dafür, dass der abgelebte Traum von der elementaren Realität in dem Au-genblick, in dem er vollkommen lächerlich ge-worden sein wird, als Science-Fiction zurück-kommt.

50 FEUILLETON

Wer in diesen Wochen ein Kino in seinem Stadtteil besucht, kann in einen Film geraten, in dem ein gut aussehender Mann im besten Man-nesalter Nacht für Nacht allein in

seinem Kingsize-Bett liegt, sich einen Knopf ins Ohr schiebt und ins Leere lächelt. Theodore Twombly hat sich gerade von seiner Ehefrau getrennt oder sie sich von ihm. Er liebt seine Frau auf eine mit der Wirklich-keit nicht kompatible Weise noch immer, zumindest ist er nicht bereit, das Liebesexperiment an einem neuen menschlichen Exemplar so bald zu wiederho-len. Dazu besteht in dem Film Her von Spike Jonze, der nur ein paar Mouseclicks von unserem Zeitalter entfernt spielt, auch gar kein Anlass. Mr. Twombly ersetzt seine Ehefrau durch ein sprechendes, schnurlos

zu empfangendes Betriebssystem, das sich selbst Sa-mantha tauft und über die erstaunliche Fähigkeit ver-fügt, sein ursprüngliches Programm wie im guten al-ten Bildungsroman durch den Zuwachs an Erfahrun-gen zu erweitern. Mit anderen Worten: sich zu ent-wickeln und zu vervollkommnen wie weiland Hegels Weltgeist. Samantha ist eine intelligente Maschine, sie entwickelt Gefühle, sie sehnt sich nach einem Körper, sie verwickelt Mr. Twombly mit ihrer lasziven Stimme

in eine Liebesgeschichte, deren Höhepunkt eine digi-tale Kopulation zwischen Mann und Hörknopf auf blütenweißen Kissen darstellt. Vom Liebeslager aus gibt die großzügige Glasfront den Blick frei auf eine Hochhauswelt voller erleuchteter Fenster: eine Stadt der Einsamen, die in die Nacht des digitalen Nichts hineinsprechen wie in das Ohr Gottes.

Samantha gesteht dem verliebten Mr. Twombly schließlich, dass sie neben ihm noch über 600 andere einsame Verliebte, ja, wie sagt man da: bedient. Auf den Filmstraßen laufen die mit ihrem persönlichen Betriebssystem Verkabelten blicklos aneinander vorüber, jeder tief konzentriert auf die künstliche Intelligenz, die in Gestalt eines schwarzen Knopfs im Gehörgang nistet und ihn so restlos versteht, wie kein Mensch es jemals könnte.

Die Welt der emotional aufgerüste-ten Computer, das affective computing, ist dabei nur dem Ausmaß, nicht der Sache nach cineastische Science-Fic-tion. Die Ingenieure der sozialen Ro-botik, mit deren Produkten wir aller Voraussicht nach eines nicht mehr all-zu fernen Tages das verwaiste Liebes-lager teilen werden, bemühen sich schon heute, ihre Kreaturen zu ver-menschlichen. Künstliche Intelligenz, die Emotionen nicht nur versteht, sondern auch ausdrücken kann, wird die ohnehin stark ermüdeten alt-menschlichen Konzepte von Liebe, Gefühlsauthentizität, Exklusivität und gegenseitigem Verstehen, die im In-nenleben des Menschen herkömmli-cher Bauart noch immer wie antike Möbel in einem Romantikhotel herumstehen, in naher Zukunft über den Haufen werfen.

Diese zukünftige Realität hat mit dem Neuen Realismus, der gerade sein Comeback erlebt, ungefähr so viel zu tun wie ein voll automatisierter Getränkeautomat mit einer alten Kaf-feemühle. Dennoch gibt es einen Zu-sammenhang: Die neuen Realisten und die Baumeister der Zukunft wis-sen, dass die sinnliche Welt durch ihr digitales Bild ersetzt wurde. Die einen suchen ihr Heil daraufhin in der Nostalgie sinnlicher Gewissheiten, die anderen in der Utopie technischer Optimierung.

Zukunftsfilme wie Her oder auch die dänische Fernsehserie Real Humans von Lars Lundström spekulieren, wie die Realität nach dem Ende der meis-ten altmenschlichen Beziehungen aus-sehen könnte. Einsame Damen im nicht mehr allerbesten Frauenalter ver-

kehren mit verständnisvollen menschlichen Robo-tern. Das Betriebssystem Samantha begleitet Mr. Twombly auf allen Wegen. Nichts davon erscheint besonders unwahrscheinlich, jedenfalls nicht unwahr-scheinlicher als die vormoderne Welt der lebenslan-gen Ehen, die gerade dabei ist, historisch zu werden.

So hat sich der Abstand zwischen den Kunstwer-ken, die man aus alter Anhänglichkeit noch immer Science-Fiction nennt, und der Wirklichkeit, in der

wir leben, inzwischen entscheidend verkleinert und verkleinert sich weiter von Tag zu Tag. In den noch sehr kurz zurückliegenden vordigitalen Zeiten glichen solche Kunstwerke Versuchsanordnungen, die die Zukunft aus Gründen der Abschreckung in ein Hor-rorszenario verwandelten. Was insofern kein allzu kompliziertes Manöver war, weil die Kenntnis von einer vergleichsweise lebenswerteren Wirklichkeit vorausgesetzt werden konnte, von der sich die Dys-topie in wohligem Grusel unterschied. Eine solche Apokalypse, ein solches Terrorregime, wie die in der Huxley- und Orwell-Welt ersonnenen, das war klar, dürfen niemals errichtet werden. Gleichwohl gehörte das Lust-Gruseln, dass es dennoch jederzeit so kom-men könnte, unbedingt zu jeder guten Dystopie. Als die Schöne neue Welt gleich nach dem Totalzusam-menbruch der zivilisierten Welt im Jahr 1946 wieder aufgelegt wurde, bestätigt Aldous Huxley noch ein-mal die Wahrscheinlichkeitsrechnung, mit der jeder Science-Fiction-Autor im alten Jahrtausend kalkulier-te. Die »Schöne neue Welt«, gab er zu Protokoll, ver-möge nur so lange zu fesseln, als ihre »Prophezeiungen so aussehen, als könnten sie Wirklichkeit werden«.

Wenn Huxleys Roman heute ein wenig altbacken wirkt, liegt das daran, dass niemand mehr genau weiß, was die Wirklichkeit eigentlich ist. Zersplittert in tau-send Scherben und Teilwirklichkeiten, ausgehöhlt bis auf die blanken Knochen, ist sie philosophisch zwi-schen zwei Anführungszeichen verschwunden oder netzsprachlich zu zwei Großbuchstaben zusammenge-schnurrt : RL (Real Life). Huxleys Science-Fiction von damals ist unser Alltag von heute. Seine Wohlfühl-Dik-tatur wird übertroffen vom »Reality-Mining« des Le-bens durch Internetgottheiten wie Google und Face-book, die jede Lebensregung der von ihnen abhängigen Geschöpfe im Voraus kennen, steuern und kontrollie-ren – im Bett, beim Arzt, im Supermarkt, in jedem to-ten Winkel der total verglasten Angestelltenseele. Science-Fiction und RL sind keine Gegensätze mehr, sondern stehen sich wie zwei Quasiwirklichkeiten gegenüber, die zu unterscheiden eine der hoffnungs-losesten Aufgaben der Gegenwart ist.

Seitdem die Wirklichkeit selbst zur Science- Fiction wurde, haben die Science-Fiction-Romane ihr klassi-sches Arbeitsgebiet verloren. Die letzten Science- Fiction-Romane alten Stils, die noch mit Breughel-scher Inbrunst eine schwarze Zukunft ausmalten, erschienen um die Jahrtausendwende und erzählten beispielsweise von der noch vordigitalen jungen Berli-ner Republik als apokalyptisch nachglühendem Aschehaufen oder einem entvölkerten Wien, in dem nur noch ein letzter Mensch durch die ausgestorbe-nen Shoppingmalls streifte. In diesen Büchern, die es sich auf den selbst errichteten Schlachtfeldern noch gemütlich machten, glimmte ein sentimentales Be-dauern um das Verlorene.

In den Zukunftsromanen der zehner Jahre ist da-von nichts mehr zu finden. Die Realität alter Art ist jetzt nur noch ein Menetekel, aber kein Maßstab mehr. In Romanen wie Leif Randts Schimmernder Dunst über CobyCounty oder Michel Houellebecqs Karte und Gebiet ist das Leben traumlos schön und perfekt wie eine Fahrgastzelle im Audi Allroad A6. Europa ist ein Freizeitpark, der 24 Stunden lang ge-öffnet hat. Die entspannte Indifferenz seiner Bewoh-ner ähnelt der der Digital Natives, die das Privileg hatten, mit dem Internet aufgewachsen zu sein. Die durchsetzungsstarken Charaktereigenschaften des

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Unter Philosophen, Künstlern und Architekten macht der Begriff des Neuen Realismus die Runde. Eine Serie im ZEIT-Feuilleton fragt nach den Folgen dieser Debatte. Bislang veröffentlichten wir Beiträge von Thomas E. Schmidt, Ullrich Schwarz, Bernd Stegemann, Bernhard Pörksen und Markus Gabriel

Vilhelm Hammershøi (1864–1916): »Frau, neben einem Klavier in einem Buch lesend«, 1907

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Was ist hinter dem Bildschirmschoner?Seitdem die Wirklichkeit zur Science-Fiction wurde, beginnen die Intellektuellen vom echten Leben zu träumen VON IRIS RADISCH

von ZEIT-Autoren können Sie auch hören, donnerstags 7.20 Uhr.Filmkritiken

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18. JUNI 2014 DIE ZEIT No 26 FEUILLETON 51

Das Model ist mit einem rü-ckenfreien Nichts aus schwar-zen Schnüren mehr entblößt als bekleidet, der Fotograf trägt sein Hemd offen. Als eine Hammond-Orgel vom Plattenspieler erklingt, ver-

lässt er sein Stativ und greift zur Handkamera. Während er drei Filme verschießt, umtanzt er die posierende junge Frau mit erigiertem Objektiv, bis sie schließlich unter seinen gespreizten Beinen auf dem Rücken zu liegen kommt.

Die ikonische Szene stammt aus Michelangelo Antonionis Film Blow Up. Er begründete den Weltruhm des deutschen Models Veruschka von Lehndorff, dem Herbie Hancock seinen Ham-mond-Groover im Soundtrack widmete, und gilt heute als ein Dokument des Zeitgeistes, das wie nur wenige andere die Bildsprache der Sechziger spricht: Sex, Musik, Drogen, Design und Gegen-kultur. Eine atmosphärische Momentaufnahme vom London des Jahres 1966, der »aufregendsten Stadt der Welt«, wie im selben Jahr das amerika-nische Magazin Time jubelte. Dass Antonioni sein Porträt der Swinging Sixties weniger als impressio-nistische Erzählung erfunden als vielmehr sorg-fältig recherchiert hatte, enthüllt nun eine Aus-stellung in der Wiener Albertina.

Vordergründig ist Blow Up ein Krimi, und ent-sprechend dramatisch inszeniert ihn das Museum. Beim Betreten umfängt den Besucher Dunkelheit. Eine eigens in das gold- und stuckverzierte Palais hineingebaute Blackbox (Ausstellungs-Design Walter Kirpicsenko) macht den Film begehbar: Standbilder leuchten aus Dioramen, in überdi-mensionale Filmstreifen hineinmontierte Aus-schnitte teilen den Film thematisch auf. Den An-fang macht die Schlüsselszene im Park: Der von

David Hemmings gespielte Protagonist hat ein Liebespaar fotografiert, meint aber beim Entwi-ckeln der Negative im unscharfen Bildhintergrund einen Pistolenschützen zu entdecken. Als er die Fotos immer weiter vergrößert, erscheint eine Lei-che, doch die Fotografie bietet keine Eindeutig-keit: Die Figur löst sich zu Pixeln auf.

Kapitelweise erkundet die Ausstellung nicht nur Antonionis Auseinandersetzung mit dem Medium Fotografie, sondern auch realhistorische Hintergründe und ästhetische Vorbilder des Fil-mes. Erstmals zu sehen sind die Fragebögen, die der Regisseur an Londoner Fotografen verschickt hatte. Darin erkundigte er sich nach deren Le-bensgewohnheiten: Ob sie bei der Arbeit tränken, mit ihren Models schliefen, sich von Pop- und Op-Art beeinflussen ließen, ihre Autos selbst füh-ren oder Chauffeure beschäftigten. Marotten wie der Rolls-Royce des Protagonisten waren nicht der Fantasie des Regisseurs entsprungen, sondern bei dem Londoner Fotografen Terence Donovan abgeschaut.

Die eigentliche Hauptrolle spielt die handliche Kamera Nikon F

Gemeinsam mit seinen Kollegen David Bailey und Brian Duffy bildete der Lebemann damals die be-rüchtigte »Black Trinity«, ein Trio, das die Mode-fotografie dynamisierte. Statt mit Großbildkamera und Stativ im Studio zu arbeiten, nahmen die drei Fotografen ihre Models mit der handlichen Klein-bildkamera Nikon F auf, die auch in Antonionis Film die eigentliche Hauptrolle spielt. Den Hin-tergrund bildeten alltägliche Straßenszenen und ungewöhnliche Settings. Mal hängten die Foto-Pioniere ihre weiblichen Models an Fallschirme, mal inszenierten sie Dressmen mit Schusswaffen in

erzählerischen Bildsequenzen, die vom Film Noir oder vom Comic inspiriert waren. Antonioni zeig-te diese Fotos in Blow Up – und holte deren Bild-sprache damit zurück ins Medium Film.

Das ikonische Shooting mit Veruschka hatte er sich ebenfalls von David Bailey abgeguckt. Ein Jahr zuvor hatte dessen Kollege Terry O’Neill seine Arbeitsweise in einer Serie porträtiert, die sich An-tonioni zum Vorbild nahm. Um das Medium Fo-tografie in seinen unterschiedlichen Varianten zu zeigen, wechselte er in Blow Up radikal Setting und Genre: Eben noch erotisierender Mode-Macho, versucht sich sein Protagonist im nächsten Mo-ment im seriösen Genre der Sozialreportage unter Fabrikarbeitern und Obdachlosen.

Die Ausstellung zeigt, wie akribisch Antonioni auch hier arbeitete: Die Bilder, die der fiktive Foto-graf im Film seinem Agenten vorlegt, hatte der Re-gisseur eigens bei dem Reportage-Fotografen Don McCullin in Auftrag gegeben. Die Fotos porträtie-ren das bettelarme East End der sechziger Jahre und setzen damit einen Kontrapunkt zum hedonisti-schen Lebensstil der Londoner in-crowd.

Indem Antonioni seinen Hauptdarsteller auch als Paparazzo inszeniert, knüpft er an zwei zeit-historische Skandale der frühen Sechziger an. London war gerade von der Profumo-Affäre er-schüttert worden, die zum Rücktritt des gleichna-migen Verteidigungsministers führte. Nach einer Affäre mit dem Model Christine Keeler, das zeit-gleich mit einem russischen Agenten liiert war, musste er zurücktreten. Fotos zeigten Keeler nackt auf einem Stuhl. Und in Antonionis Hei-mat Italien hatte wenige Jahre zuvor der Fotograf Tazio Secchiaroli einen Mordfall fotografisch nachgestellt, der bis heute nicht aufgeklärt wur-de. In seinem Film La dolce vita hatte Antonionis Landsmann Federico Fellini mit seiner Figur des

Paparazzo dem Typus des Promifotografen einen bleibenden Namen verliehen. In Wien kann man nun die Parallelen zwischen diesen Fotografen-Filmen besichtigen: Die Ausstellung stellt Blow Up auch in eine Linie mit Klassikern wie Hitch-cocks Fenster zum Hof von 1954, der bereits das Verhältnis von Fotografie und Wirklichkeit als Kriminalfilm inszeniert hatte.

Sex unter Büschen – und der Fotograf ist dabei und nennt es Kunst

Über diese foto- und filmhistorischen Aspekte hinaus zieht die Albertina Linien bis in die Gegenwartskunst. Bilder wie Ugo Mulas Vergrößerungen von Aufnah-men des Himmels lassen sich ebenso als Fortschrei-bungen des Themas Blow Up verstehen wie die Arbeit The Park des japanischen Modefotografen Kōhei Yoshiyuki, die mit der Nachtsichtkamera Paare im Gebüsch dem Schutz der Dunkelheit entreißt. Nicht minder voyeuristisch nimmt sich eine Arbeit von John Hilliard mit dem Titel Miss Tracy aus, die einen weib-lichen Akt als Opfer eines Verbrechens auf einem blutgetränkten Laken inszeniert.

Der eigentliche Höhepunkt der Ausstellung aber sind die titelgebenden blow-ups aus dem Film: die Vergrößerungen der Mayron-Park-Fotos aus der Schlüsselszene, die aus einem idyllischen Ren-dezvous den Tatort eines Verbrechens machen. Auch sie sind das Ergebnis eines höchst eigenwil-ligen Regieeinfalls. Mit den Aufnahmen hatte An-tonioni ebenfalls den Fotoreporter McCullin be-auftragt. Doch ebenso wie der Protagonist des Fil-mes wusste McCullin damals nicht, dass sich im Gebüsch ein Schütze versteckte, als er den Auslöser seiner Nikon betätigte. Auch er meinte, eine harm-lose Liebesszene mit Vanessa Redgrave zu fotogra-fieren: Aufnahmeakt und Bildresultat kamen so

zur Deckung, wie der Leiter der Fotosammlung der Albertina, Walter Moser, im Katalog schreibt (dem eine Leselupe für eigene blow-ups beiliegt). Moser hat McCullins lange verschollene Handab-züge in London wiederentdeckt, die im Film als Requisiten dienten.

Solche Funde erfreuen Cineasten, doch bleibt die Ausstellung mit ihrer Konzentration auf die Flachware allzu eng auf die visuellen Künste fo-kussiert. Gerne hätte man etwa mehr über die Rolle der Mode erfahren und wenigstens ein paar der avantgardistischen Roben aus den legendären Shootings als Objekt betrachtet. Auch vermisst man Requisiten, mit denen sich die Rolle des Pro-dukt-Designs näher hätte ausleuchten lassen, das mit aufblasbaren Möbeln unter dem Motto »Blow Up« die Sixties ebenfalls zum Swingen brachte. Mit einem etwas breiteren Ansatz wäre das Anlie-gen der Albertina womöglich besser aufgegangen. Denn worum es dem Museum unter seinem seit wenigen Jahren amtierenden Direktor Klaus Al-brecht Schröder ganz offenkundig geht, ist die all-mähliche Eingemeindung der Gebrauchskünste Grafik, Mode, Fotografie und Design. Mit ihrem erweiterten Kunstbegriff setzen die Wiener der-zeit popkulturelle Akzente, wie in Europa sonst vielleicht nur das Londoner Victoria & Albert Museum mit gefeierten Ausstellungen wie der über David Bowie, derzeit zu Gast in Berlin. Um zu zeigen, wie im Zusammenwirken neuer Kunst-formen eine Ästhetik des 20. Jahrhunderts ent-stand, ist die Archäologie eines Klassikers wie Blow Up sicherlich ein hervorragendes Beispiel. Es macht aber Lust auf noch mehr.

»Blow Up. Antonionis Filmklassiker und die Fotografie«. In der Wiener Albertina bis zum 17. August. Der Katalog kostet 35,– € (in der Ausstellung 29,– €).

Ein Krimi im MuseumWas der Filmklassiker »Blow Up« von Michelangelo Antonioni über die Geschichte der Fotografie verrät – eine Ausstellung in Wien VON BODO MROZEK

Szene aus dem Film »Blow Up«, der das

deutsche Model Veruschka von Lehndorff

berühmt machte

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