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Die Verleihung des Dichterpreises der Stadt München für 1935 an Georg Britting von Katrin Höchtberger I m Jahre 1936 wurde Georg Britting rückwirkend für 1935 der Literaturpreis der Stadt München verliehen. Wie es zu die- ser Verleihung kam und welche Dis- kussionen ihr im Literaturbeirat vorausgingen, belegen Akten des Kulturamtes im Münchner Stadtar- chlv, Der Münchener Dichterpreis war, als Britting ihn erhielt, eine relativ neue Einrichtung. Erst 1927 war er - zusam- men mit weiteren Preisen für Musik und Bildende Kunst - unter Oberbür- germeister Karl Scharnagl aus dem Bewußtsein heraus begründet worden, daß München im Begriff war, seinen Rang als Kulturhauptstadt immer mehr an Berlin zu verlieren. Durch die Stif- tung des mit anfangs 3.000,--, ab 1931 mit 2.000,-- Reichsmark dotierten Preises wollte man in München leben- de Künstler fördern und so den Ab- wanderungsprozeß in die Hauptstadt bremsen. Zuständig für die jährlicheVergabedes Preises war der Literaturbeirat, der außerdem auch Druckkostenzuschüsse und Reisestipendien vergeben konnte. In den Anfangsjahren setzte er sich vor allem aus Schriftstellern zusammen. Gründungsmitglieder waren Peter Dörfler, Baron Gumppenberg, Thomas Mann, Emil Preetorius, Wilhe1m Weigand, Katharina Godwin und der Direktor der Stadtbibliothek, Hans Ludwig Held. Die Richtlinien, nach denen die Beiratsmitglieder ihre Ent- scheidung trafen, wurden am 15.12.1927 vom Stadtrat genehmigt. Über die Voraussetzungen, die die Preisträger erfüllen mußten, heißt es; »1. Der Literaturpreis der Stadt Mün- 38 ehen kann nur einem deutschsprachi- gen Dichter (Lyrik, Drama, Epik) zu- erkannt werden, der seit mindestens 5 Jahren in München tätig ist und durch seine bisherigen Leistungen die Ge- währ für ein fortschreitendes dichte- risches Schaffen bietet. Die Höhe des Preises verbietet es, das dichterische Werkeines fertigen Meisters kröflen ZU wollen, wie auch andererseits der Preis keineswegs eine Unterstützung für notleidende Dichter sein soll. 2. Da es sich bei der Preiszuteilung nicht um die Beurteilung von einzel- nen Bewerbungen oder einzelnen Wer- ken handelt, kommt nur ein Dichter in Betracht, dessen Rufbereits in der zeit- genössischen Literatur begründet ist. Es soll nicht ein bestimmtes Werk, son- dern eine dichterische Persönlichkeit ausgezeichnet werden. 3. Für die Verleihung des Preises ist die weltanschauliche Einstellung des Dichters nicht von Belang.« Die Diskussionen des Beirates verlie- fen in den ersten Jahren sehr heftig, die Protokolle füllen viele Seiten. Die Preisträger seit 1927 waren Hans Carossa, Willy Seidel, Josef Magnus Wehner, Hans Brandenburg und Ruth Schaumann. 1932 wurde der Preis nicht vergeben. Am 6.2.1930 fallt in den Protokollen der Literaturbeiratssitzungen erstmals Georg Brittings Name, als ihm ein Reisestipendium zugesprochen wird. Das literarische Resultat bildet das »Kleine Tagebuch einer Fahrt durch Bosnien, die Herzegowina, Dalmatien, Montenegro und Albanien im Mai 1930«. Bis 1933 hatte sich der Literaturbeirat durch den Tod oder das Ausscheiden einzelner Mitglieder und die Neu- bestellung anderer als Ersatz in seiner Besetzung nur geringfügig verändert. Nach der Machtergreifung Hitlers wurde er jedoch im Zuge der Gleich- schaltung völlig neu berufen. Zwar waren nach wie vor einige Mitglieder der alten Zusammensetzung, wie Pe- ter Dörfler, Katharina Godwin und Wilhelm Weigand, vertreten, die Hälf- te der insgesamt 12 Mitglieder stell- ten jedoch nun Stadt- und Rechtsräte. den Vorsitz führte Stadtrat Reinhard, der Leiter des Kulturamtes. Die Sit- zungsprotokolle nach 1933 fallen im Vergleich mit den früheren besonders durch ihre Kürze auf. Große Diskus- sionen scheint es nur noch selten ge- geben zu haben, oder sie wurden nicht protokolliert. In der Sitzung des Literaturbeirats am 13.10.1933 wird Britting erstmals für den Dichterpreis vorgeschlagen. Nach der anfänglichen Begrüßung, beson- ders der neu aufgenommenen Mitglie- der Korfiz Holm und Josef Magnus Wehner, schlägtzunächst Rechtsrat Dr. Hörburger für den Dichterpreis Stadt- rat und NSDAP-Mitglied Hans Zöberlein vor, der das Buch »Der Glaube an Deutschland« verlaßt hat. Sein Vorschlag findet die Unterstüt- zung von Bürgermeister Dr. Küfner sowie der Stadträte Deisenberger, Flüggen und Reinhard. Weigand, der daraufhin Gottfried Kölwel für den Preis vorschlägt, fin- det keine Zustimmung. Dörfler be- nennt daraufhin als nächsten Georg Britting und wird dabei von Wehner, Holm und Preetorius unterstützt. Die nächste Sitzung am 22.11.1933 soll die Entscheidung zwischen Zöberlein und Britting bringen. Zu diesem Termin er- scheinen neun Stimmberechtigte, und

DieVerleihung des Dichterpreises der StadtMünchenfür 1935 ...Lyrik bezog - und gar nicht anders konnte, denn im Hamlet-Romanwird der Krieg nicht heroisiert, sondern entheroisiert;

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Page 1: DieVerleihung des Dichterpreises der StadtMünchenfür 1935 ...Lyrik bezog - und gar nicht anders konnte, denn im Hamlet-Romanwird der Krieg nicht heroisiert, sondern entheroisiert;

Die Verleihung des Dichterpreises der Stadt München für 1935 an Georg Britting

von Katrin Höchtberger

I m Jahre 1936 wurde GeorgBritting rückwirkend für 1935der Literaturpreis der Stadt

München verliehen. Wie es zu die­serVerleihung kam und welche Dis­kussionen ihr im Literaturbeiratvorausgingen, belegen Akten desKulturamtes im Münchner Stadtar­chlv,

Der Münchener Dichterpreis war, alsBritting ihn erhielt, eine relativ neueEinrichtung. Erst 1927 war er - zusam­men mit weiteren Preisen für Musikund Bildende Kunst - unter Oberbür­germeister Karl Scharnagl aus demBewußtsein heraus begründet worden,daß München im Begriff war, seinenRang als Kulturhauptstadt immer mehran Berlin zu verlieren. Durch die Stif­tung des mit anfangs 3.000,--, ab 1931mit 2.000,-- Reichsmark dotiertenPreises wollte man in München leben­de Künstler fördern und so den Ab­wanderungsprozeß in die Hauptstadtbremsen.Zuständig für die jährlicheVergabedesPreises war der Literaturbeirat, deraußerdem auch Druckkostenzuschüsseund Reisestipendien vergeben konnte.In den Anfangsjahren setzte er sich vorallem aus Schriftstellern zusammen.Gründungsmitglieder waren PeterDörfler, Baron Gumppenberg, ThomasMann, Emil Preetorius, Wilhe1mWeigand, Katharina Godwin und derDirektor der Stadtbibliothek, HansLudwig Held. Die Richtlinien, nachdenen die Beiratsmitglieder ihre Ent­scheidung trafen, wurden am15.12.1927 vom Stadtrat genehmigt.Über die Voraussetzungen, die diePreisträger erfüllen mußten, heißt es;»1. Der Literaturpreis der Stadt Mün-

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ehen kann nur einem deutschsprachi­gen Dichter (Lyrik, Drama, Epik) zu­erkannt werden, der seit mindestens 5Jahren in München tätig ist und durchseine bisherigen Leistungen die Ge­währ für ein fortschreitendes dichte­risches Schaffen bietet. Die Höhe desPreises verbietet es, das dichterischeWerkeines fertigen Meisters kröflen ZU

wollen, wie auch andererseits derPreis keineswegs eine Unterstützungfür notleidende Dichter sein soll.2. Da es sich bei der Preiszuteilungnicht um die Beurteilung von einzel­nen Bewerbungen oder einzelnen Wer­ken handelt, kommt nur ein Dichter inBetracht, dessen Rufbereits in der zeit­genössischen Literatur begründet ist.Es soll nicht ein bestimmtes Werk, son­dern eine dichterische Persönlichkeitausgezeichnet werden.3. Für die Verleihung des Preises istdie weltanschauliche Einstellung desDichters nicht von Belang.«Die Diskussionen des Beirates verlie­fen in den ersten Jahren sehr heftig,die Protokolle füllen viele Seiten. DiePreisträger seit 1927 waren HansCarossa, Willy Seidel, Josef MagnusWehner, Hans Brandenburg und RuthSchaumann. 1932 wurde der Preisnicht vergeben.Am 6.2.1930 fallt in den Protokollender Literaturbeiratssitzungen erstmalsGeorg Brittings Name, als ihm einReisestipendium zugesprochen wird.Das literarische Resultat bildet das»Kleine Tagebuch einer Fahrt durchBosnien, die Herzegowina, Dalmatien,Montenegro und Albanien im Mai1930«.Bis 1933 hatte sich der Literaturbeiratdurch den Tod oder das Ausscheideneinzelner Mitglieder und die Neu-

bestellung anderer als Ersatz in seinerBesetzung nur geringfügig verändert.Nach der Machtergreifung Hitlerswurde er jedoch im Zuge der Gleich­schaltung völlig neu berufen. Zwarwaren nach wie vor einige Mitgliederder alten Zusammensetzung, wie Pe­ter Dörfler, Katharina Godwin undWilhelm Weigand, vertreten, die Hälf­te der insgesamt 12 Mitglieder stell­ten jedoch nun Stadt- und Rechtsräte.den Vorsitz führte Stadtrat Reinhard,der Leiter des Kulturamtes. Die Sit­zungsprotokolle nach 1933 fallen imVergleich mit den früheren besondersdurch ihre Kürze auf. Große Diskus­sionen scheint es nur noch selten ge­geben zu haben, oder sie wurden nichtprotokolliert.In der Sitzung des Literaturbeirats am13.10.1933 wird Britting erstmals fürden Dichterpreis vorgeschlagen. Nachder anfänglichen Begrüßung, beson­ders der neu aufgenommenen Mitglie­der Korfiz Holm und Josef MagnusWehner, schlägtzunächst Rechtsrat Dr.Hörburger für den Dichterpreis Stadt­rat und NSDAP-Mitglied HansZöberlein vor, der das Buch »DerGlaube an Deutschland« verlaßt hat.Sein Vorschlag findet die Unterstüt­zung von Bürgermeister Dr. Küfnersowie der Stadträte Deisenberger,Flüggen und Reinhard.Weigand, der daraufhin GottfriedKölwel für den Preis vorschlägt, fin­det keine Zustimmung. Dörfler be­nennt daraufhin als nächsten GeorgBritting und wird dabei von Wehner,Holm und Preetorius unterstützt. Dienächste Sitzung am 22.11.1933 soll dieEntscheidung zwischen Zöberlein undBritting bringen. Zu diesem Termin er­scheinen neun Stimmberechtigte, und

Fritz
Notiz
Literatur in Bayern. Vierteljahresschrift für Literatur, Literaturkritik und Literaturwissenschaft, Nr. 56 (1999): 38–41.
Fritz
Notiz
Literatur in Bayern. Vierteljahresschrift für Literatur, Literaturkritik und Literaturwissenschaf, Nr. 56 (1999): 38–41.
Page 2: DieVerleihung des Dichterpreises der StadtMünchenfür 1935 ...Lyrik bezog - und gar nicht anders konnte, denn im Hamlet-Romanwird der Krieg nicht heroisiert, sondern entheroisiert;

Idas Protokoll vermerkt, daß die Verei­nigung von mindestens sieben Stim­men auf einen Namen für die Entschei­dung erforderlich ist. Weiter heißt es:»Prof. Weigand erklärt, daß ihn dasBuch Zoberieins 'Der Glaube anDeutschland' sehr gepackt habe. ObZöberlein zu einem großen Dichterheranwächst, mächte er nicht entschei­den. Das Werk ist zweifellos das be­deutendste bis jetzt erschieneneKriegsbuch. Es ist eine künstlerischeTatsachenschilderung.Die Abstimmung ergibt, daß sämtlicheStimmberechtigte für die Preiszu­teilung an Zoberletn sind. Diese Preis­zuteilung wird in der morgigenHauptausschußsitzung bekanntgege­ben.«Erstmals wurde hier die Entscheidungüber die Verleihung des Dichterpreisesnicht mehr aus künstlerischen, sondernrein politischen Erwägungen herausgetroffen, wie der angemeldete Zwei­fel an Zöberleins künstlerischer Be­deutung eindeutig beweist. Darin liegtnämlich ein klarer Widerspruch zu den1933 noch geltenden, ursprünglichenRichtlinien für die Preisvergabe, nachdenen nur ein Dichter für den Preis inBetracht kam, »dessen Ru/in der zeit­genössischen Literatur bereits begrün­det ist«.1935 wurden dann auch diese ur­sprünglichen Richtlinien für die Preis­vergabe der neuen politischen Situati­on angepaßt:»2. Für die Verleihung des Preises istdie weltanschauliche Einstellung desDichters von ausschlaggebender Be­deutung. Für die Zuerkennung kannsowohl ein Dichter in Betracht kom­men, dessen Ruf in der zeitgenössi­schen Literatur bereits fest begründetist, als auch ein solcher; der durch einehervorragende Probe dichterischerBegabung und Gestaltungskraft sich·ausgezeichnet hat.3. Vorschläge über die Zuerkennungdes Preises bereitet jeweils das städt.Kulturamt. Abteilungfür Literatur undTheater, vor. Es steht ihm frei, Vor­schläge und Gutachten bedeutenderMünchener Dichter und Schriftstellereinzuholen. Die endgültige Verleihungerfolgt in einer Sitzung des Kultur­amtes unter dem Vorsitz des 1. Bürger­meisters.«Erst am 2.4.1936 findet die nächste

Sitzung des Literaturbeirates statt, inder nun rückwirkend die Preise für1934, 1935 und 1936 vergeben wer­den sollen. Bei der Eröffnung werdendie gemäß den neuen Richtlinien vomKulturamt ausgearbeiteten Vorschlägedem Beirat präsentiert. Es werden für1934 Ziska Luise Dresler-Schember,für 1935 Georg Britting und für 1936Erwin Guido Kolbenheyer als Preis­träger vorgeschlagen. Dabei war dieNominierung von Dresler-Schemberhausintem sehr umstritten. In einemGutachten über ihren Balladenbanddurch den Bibliotheksdirektor Dr.Sauter heißt es: »Es ist schade um diekostbare und künstlerisch schöne Aus­stattung des Bandes; aber die biblio­phile Form der Drucklegung ist auchwieder verständlich, denn jedergesunddenkende Verleger hätte dieseGedichtsammlung abgelehni.« Er kri­tisiert aufs stärkste die unstimmigenBilder sowie die pathetisch-schwulsti­ge Sprache und kommt zu dem Schluß:»Die Verleihung eines Preises an ZiskaLuise Schember wäre eine Katastro­phe und würde der völligen Entwer­tung des betr. Preises gleichkommen.«Über dieses Gutachten gibt es folgen­de Notiz von Stadtrat Reinhard(28.3.1936): »Ich schließe mich derMeinung des Herrn Dr. Sauter voll in­haltlich an. Es bestehtjedoch aus zwin­genden Gründen die Notwendigkeit,über die Mängel hinwegzusehen undden Literaturpreis 1934 Frau ZiskaLuise Dresler-Schember zu verleihen.«Frau Dresler-Schember ist nämlich dieFrau des Stellvertretenden Reichs­pressechefs. Gleichzeitig wird aus die­ser Notiz deutlich, daß die Abstim­mung im Literaturbeirat nur noch eineFormsache darstellte; die Entscheidun­gen waren schon viel früher gefälltworden, und zwar von Reinhard selbst.Derselbe Dr. Sauter, der Dresler­Schembers Balladen so vernichtendkritisiert hatte, hatte die Vorschlags­begründung für Georg Britting verfaßt,die folgendermaßen lautete: »GeorgBritting stammt aus Regensburg. Anden Ufern des Donaustromes, aufdenWiesen und in den Waldgebirgen sei­ner Heimat wuchs in ihm die eine Sei­te seines dichterischen Wesens: einkraftvolles, echtes Naturgefühl. 4 Jah­re stand Britting als Offizier an der'Front, von der er schwerbeschädigt

1919 heimkehrte. Das Erlebnis desKrieges formte seine Weltanschauung,das Leben stehtfür ihn unter dem un­abänderlich wirkenden, unabwendba­ren Schicksal. Schicksal ist für ihn ­und das ist das Germanische und Gro­ße in Brittings Wesen - ein natürliches,göttliches Gesetz, das es gläubig, mu­tig, trotzig und todesmutig zu ertragengilt. Ein bizarrer Humorfunkelt in denWerken dieses seit Jahren in Münchenlebenden Dichters, den man mit Rechtden Dichter des unsterblichen bayeri­sehen Barocks genannt hat, ein oftgrimmiger, aber niemals bissiger Hu­mor, der aus dem überlegenen Wissenum Leben und Tod, um die Irrungenund Wirrungen der Menschen, um dieewigen Gesetze des Kosmos stammt.[' ..[Hritting ist kein Dichter der gro­ßen Masse. Aber er ist einer der größ­ten Hoffnungen des deutschen Schrift­tums. Britting drängt sich niemals' vor;er arbeitet in Stille und Bescheiden­heit an seinem Werk, keine Zeile läßter zum Druck gehen, ohne daß sie im­mer und immer wieder durchgefeilt ist.Er weiß um die Ehrfurcht und denFleiß, die das Wesen wahrer Kunstausmachen [ ...[.«In der auf die Verlesung der Vorschlä­ge folgenden Diskussion meldet sichHans Brandenburg zu Wort, äußertZweifel bezüglich aller drei Anwärterund schlägt von sich aus noch JosefPonten als Preisträger vor. Das Proto­koll vermerkt: »Bezüglich BrittingsBedeutung in der deutschen Literaturist Brandenburg skeptisch. Er hält ihnder großen Auszeichnung des Litera­turpreises noch nicht für würdig. [' ..JDr. Sauter erwidert aufdiese Einwen­dungen etwafolgendes: KolbenheyersGröße als Dichter und Denker ist wohlüber jeden Zweifel erhaben. [ ... ]Britting ist unstreitig Deutschlandsgrößter lebender Lyriker [. ..].«Reinhard erklärt daraufhin: »Hinsicht­lieb der Verleihung an Kolbenheyer istjede Diskussion überflüssig. An Pontenhabe er allerdings auch gedacht undhatte ihn auch auf die 10 Namen ent­haltende erste Vorschlagsliste gesetzt.Er hält aber Britting für bedeutender.Man dürfe auch nicht vergessen, daßdieser 4 Jahre als Offizier an der Frontwar und schwerkriegsbeschädigt ist.«Damit ist die Diskussion in Bezug aufBritting beendet, und letztlich werden

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Aufseiner Reise durch Bosnien,Herzegowina, Dalmatien, Montenegro und

Albanien im Mai 1930, für die er einStipendium der Landeshauptstadt München

erhalten hatte, schrieb GeorgBritting zahlreiche Eindrücke in einem

»Kleinen Tagebuche nieder. Er kaufte auchAnsichtskarten zur Erinnerung. Manche von

ihnen waren in Münchenhergestellt worden.

alle Vorschläge des Kulturamtes vomLiteraturbeirat angenommen. Das Pro­tokoll vermerkt, daß auch Brandenburgsich der allgemeinen Meinung an­schließt und seine Einwendungen le­diglich als Anregungen betrachtet wis­sen will.Daß neben der künstlerischen Bedeu­tung Brittings, für die vor allem Dr.Sauter eintrat, von politischer Seiteauch seine Beteiligung am Ersten Welt-

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~ Ta.,~~4-......

Wie die insgesamtelferhaltenen An­siehiskarten belegen,besuchte GeorgBritting unter ande­rem Mostat; Skuta­ri, Durazzo und dieBegova-Moschee inSarajevo (untenrechts).

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krieg eine ausschlaggebende Rolle beider Preisvergabe spielte, wird hier ganzdeutlich. Sie erleichterte es sicherlich,den Preis für 1935 nach Zöberlein undDresler-Schember wieder an einen li­terarisch hochwertigen Dichter zu ver­leihen . Auffallend ist jedoch, daß manin diesem Zusammenhang gerade dasWerk Brittings, in dem der Krieg viel­leicht am offensten angesprochenwird, seinen 1932 erschienenen Ro­man Lebenslaufeines dicken Mannes,

. der Hamlet hieß, mit keinem Wort er­wähnte, sondern sich nur auf seineLyrik bezog - und gar nicht anderskonnte, denn im Hamlet-Roman wirdder Krieg nicht heroisiert, sondernentheroisiert; alle an ihm Beteiligtensind seine Opfer. In der offiziellen Be­gründurig für die Preisvergabe, die indieser Form auch der Presse zugelei­tet wurde, heißt es über Britting: »DerLiteraturpreis der Hauptstadt der Be­wegungfür i935 wird an den DichterGeorg Britting vor allem in Anerken­nung seines lyrischen Schaffens ver­liehen. Sein Werk, gebo ren aus tieferNaturverbundenheit und geformtdurch das erschütternde Erlebnis desKrieg es, ist nicht nur ein glanzvollesdichterisches Wiederaufleben bayeri­sehen Barocks, sondern wächst dar­über hinaus zu einer Schicksals­dichtung von germanischer Prägung,die von dem Wissen um Leben und Todgetragen und von einem oft grimmi-gen, aber niemals bissigen, echt deut­schen Humor durchleuchtet ist.«Die Pressereaktionen beschränken sichim Wesentlichen auf eine verkürzteWiedergabe dieses Inhalts, lediglichder Artikel von Karl Ude aus dem»Abendblatt« vom 9. April 1936 fälltetwas heraus, wenn er in einigen Zei­len auf die Kluft zwischen KunstDichtung und dem »deutschen Men~sehen unserer Zeit « anspielt: »GeorgBritting ist einer, der bisher still sei­nen Weg gegangen ist. Er hat in sei­nem Schaffen nie zu Tagesfragen Stel­l~ng genommen, er hat einen, irgend­einen Stoff aufgegriffen und leiden­schaftlich mit ihm gerungen, bis er ineine klare gültige Form gebannt war.Georg Britting war nur Künstler, nurDichter, nichts anderes. Daß er den­noch zu den deutschen Menschen un­serer Zeit zu sprechen weiß, und ihnenetwas zu sagen hat, beweist die Tatsa-

ehe, daß die Stadt München ihn wür­dig hielt, den Dichterpreisfür das Jahr1935 zu empfangen {...[,«In den Akten findet sich keine direkteReaktion Brittings auf die Preisverga­be. Es existiert lediglich ein Schreibenaus dem Jahr 1937, in dem er sehrknapp auf die Anfrage des Kulturamtesnach einem Foto antwortet, das zusam­men mit den anderen Preisträgern inder Monacensia-Abteilung der Stadt­bibliothek angebracht werden soll:»Sehr geehrter Herr Reinhard, gerneschicke ich ihnen die gewünschte Pho­tographie. Mit Heil Hitler! Ihr sehr er­gebener Georg Britting. «Georg Britting dürfte von allenDichterpreisträgern der Zwanziger undDreißiger Jahre derjenige sein, der mitseinen Werken auch heute noch diemeisten Leser anspricht. Nur die poli­tisch notwendige WürdigungZöberleins hat die Dichter­preisverleihung an ihn 1933 verhin­dert. 1935 bot sie dann die Möglich­keit, das literarische Niveau des Prei­ses wieder etwas zu festigen , so daßman fast behaupten kann, der Preishabe eher durch die Verleihung anBritting gewonnen als Britting durchdie Verleihung des Preises.

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