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B Regelungen fur deterministische Storungen 4. Deterministische Regelungen Unter deterministisehen (oder determinierten) RegeZungen seien Rege- lungen verstanden, die flir deterministische auBere Storungen oder de- terministische Anfangswertstorungen entworfen sind. Deterministische Storungen oder Anfangswerte. sind, im Unterschied zu stochastischen Storungen oder Anfangswerten, analytisch exakt beschreibbare Signale oder ZustandsgroBen. Die am haufigsten auftretenden Regelungen lassen sich nach Fahrungs- regeZungen und EndwertregeZungen unterscheiden. Zu ihrer Erlauterung sei ein ProzeB mit einer Stellgr6Be u(k), einer RegelgroBe y(k), den ZustandsgroBen und den StorgroBen v(k) betrachtet, vgl. Bild 4.1. Bei Flihrungsregelungen solI die RegelgroBe y(k) einer FlihrungsgroBe w(k) moglichst gut folgen, so daB die Regelabweichung e(k) = w(k)-y(k) moglichst klein bleibt, e(k) O. Wenn die FlihrungsgroBe veranderlich ist, ist eine FoZge- oder NaahZaufregeZung zu entwerfen ("servo pro- blem" oder "tracking problem") und wenn, als Sonderfall, die Flihrungs- groBe konstant ist, eine FestwertregeZung ("regulator problem") Bei EndwertregeZungen solI ein bestimmter Endzustand des Pro- zesses zu einer vorgegebenen oder freien Endzeit N erreicht und ge- halten werden. Sowohl bei Flihrungs- als auch Endwertregelungen muB der EinfluB von Anfangswerten oder Storungen v(k) des Prozesses moglichst weit- gehend kompensiert werden. Die Aufgabe der Regelung schlieBt ferner bei instabilen Prozessen ein, daB durch die Rlickflihrung stabile Ge- samtsysteme gebildet werden. Diese Aufgaben lassen sich im allgemeinen durch die Verwendung von Reglern losen, die den ProzeBausgang y(k) bzw. die ProzeBzustands- graBen auf den ProzeBeingang u(k) zurlickflihren. Die Wirkung dieser Rlickflihrungen laBt sich dabei oft durch zusatzliche Steue- rungen verbessern. R. Isermann, Digitale Regelsysteme © Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 1977

Digitale Regelsysteme || Deterministische Regelungen

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Page 1: Digitale Regelsysteme || Deterministische Regelungen

B Regelungen fur deterministische Storungen

4. Deterministische Regelungen

Unter deterministisehen (oder determinierten) RegeZungen seien Rege­

lungen verstanden, die flir deterministische auBere Storungen oder de­

terministische Anfangswertstorungen entworfen sind. Deterministische

Storungen oder Anfangswerte. sind, im Unterschied zu stochastischen

Storungen oder Anfangswerten, analytisch exakt beschreibbare Signale

oder ZustandsgroBen.

Die am haufigsten auftretenden Regelungen lassen sich nach Fahrungs­

regeZungen und EndwertregeZungen unterscheiden. Zu ihrer Erlauterung

sei ein ProzeB mit einer Stellgr6Be u(k), einer RegelgroBe y(k), den

ZustandsgroBen ~(k) und den StorgroBen v(k) betrachtet, vgl. Bild 4.1.

Bei Flihrungsregelungen solI die RegelgroBe y(k) einer FlihrungsgroBe

w(k) moglichst gut folgen, so daB die Regelabweichung e(k) = w(k)-y(k)

moglichst klein bleibt, e(k) ~ O. Wenn die FlihrungsgroBe veranderlich

ist, ist eine FoZge- oder NaahZaufregeZung zu entwerfen ("servo pro­

blem" oder "tracking problem") und wenn, als Sonderfall, die Flihrungs­

groBe konstant ist, eine FestwertregeZung ("regulator problem") •

Bei EndwertregeZungen solI ein bestimmter Endzustand ~(N) des Pro­

zesses zu einer vorgegebenen oder freien Endzeit N erreicht und ge­

halten werden.

Sowohl bei Flihrungs- als auch Endwertregelungen muB der EinfluB von

Anfangswerten ~(O) oder Storungen v(k) des Prozesses moglichst weit­

gehend kompensiert werden. Die Aufgabe der Regelung schlieBt ferner

bei instabilen Prozessen ein, daB durch die Rlickflihrung stabile Ge­

samtsysteme gebildet werden.

Diese Aufgaben lassen sich im allgemeinen durch die Verwendung von

Reglern losen, die den ProzeBausgang y(k) bzw. die ProzeBzustands­

graBen ~(k) auf den ProzeBeingang u(k) zurlickflihren. Die Wirkung

dieser Rlickflihrungen laBt sich dabei oft durch zusatzliche Steue­

rungen verbessern.

R. Isermann, Digitale Regelsysteme© Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 1977

Page 2: Digitale Regelsysteme || Deterministische Regelungen

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Page 3: Digitale Regelsysteme || Deterministische Regelungen

4. Deterministische Regelungen

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Rege I algorithmus Steueralgorithmus

Bild 4.2 Zum Entwurf von Regel- und Steueralgorithmen

43

In Bild 4.1 sind einige Anordnungen von Regelungen in Blockschalt­

bildern flir den Fall einer geregelten bzw. gesteuerten Ausgangsgros­

se y dargestellt. Darin wird mit GR der RegIer bzw. Regelalgorithmus

und mit Gs das Steuerglied bzw. der Steueralgorithmus bezeichnet.

Bild 4.1a zeigt den einschleifigen Regelkreis. Ist die StorgroBe v

meBbar, dann empfiehlt sich eine StorgroBenaufschaltung, Bild 4.1b,

die meist mit einem Regelkreis zur Ausregelung der mit dieser Steue­

rung nicht kompensierten Storeinwirkungen kombiniert wird. Wenn sich

auf dem SignalfluBweg von der StellgroBe zur RegelgroBe zusatzliche

MeBgroBen zur Rlickflihrung anbieten, lassen sich HilfsregelgroBenauf­

schaltungen oder, wie in Bild 4.1c gezeigt, Kaskaden-Regelungen mit

Haupt- und Hilfsregler vorsehen. Eine ZustandsgroBen-Rlickflihrung zur

Stabilisierung eines Prozesses ist in Bild 4.1d dargestellt.

Der Entwurf von Regelungen lauft im allgemeinen nach Bild 4.2 abo Je

nach Entwurfsverfahren und Anwendungsfall bilden genaue oder grobe

mathematische ModeZZe des Prozesses und der einwirkenden SignaZe

(StorgroBen, FlihrungsgroBen, Anfangswerte) die Grundlage des Ent­

wurfs. tiber die Gewinnung der ProzeBmodelle wurde kurz in Abschnitt

3.3 berichtet. Modelle der Signale konnen in vielen Fallen nur grob

geschatzt werden. Oft nimmt man der Einfachheit halber sprungformige

Page 4: Digitale Regelsysteme || Deterministische Regelungen

44 4. Deterministische Regelungen

Storsignale an, obwohl sie im praktischen Betrieb nur selten auf­

treten. Mit modernen ProzeBrechnern wird es jedoch auch moglich

sein, genaue Modelle von determinierten und stochastischen Signa­

len ohne groBen Aufwand zu bilden.

In diesem Band wird der Entwurf linearer Regelungen ftir linearisier­

bare zeitinvariante Prozesse mit abgetasteten Signalen betrachtet.

Eine schematische Aufstellung der wichtigsten Regelungen und ihre

Entwurfsprinzipien ist in Bild 4.3 dargestellt.

Man unterscheidet zunachst zwei Hauptgruppen: Parameteroptimierte

Regelungen und strukturoptimale Regelungen. Bei den parameteropti­

mierten RegeZungen wird die Reglerstruktur, d. h. die Form und Ord­

nung der Reglergleichung, fest vorgegeben und es werden die noch

freien Reglerparameter an den zu regelnden ProzeB, die Regelstrecke,

nach einem Optimierungskriterium oder nach Einstellregeln angepaBt.

StrukturoptimaZ werden Regler genannt, wenn sowohl die Reglerstruk­

tur als auch die Reglerparameter an die Struktur und die Parameter

der Regelstreckengleichung optimal angepaBt werden.

Untergruppen der beiden Hauptgruppen sind bei den parameteroptimier­

ten Regelungen Regler verschiedener, meist niederer Ordnung, und

bei den strukturoptimalen Regelungen Kompensations- und Zustands­

Regler. Zum Entwurf werden meist EinsteZZregeZn. RegeZgUtekriterien

und die PoZfestZegung verwendet. In Bild 4.3 sind ferner die wich­

tigsten Reglerbezeichnungen angegeben und die Moglichkeiten des Ent­

wurfs ftir deterministische oder stochastische StorsignaZe.

Eine zentrale Rolle beim Reglerentwurf spielt die ftir den Entwurf

zugrunde gelegte Beschreibung der RegeZgUte. Bei den Kompensations­

regelungen wird der zeitliche Verlauf der RegelgroBe direkt·vorge­

schrieben, und zwar entweder vollstandig oder ab einer bestimrnten

Einstellzeit. Relativ geringe Aussagen tiber den zeitlichen Verlauf

der RegelgroBe werden bei der Festlegung von Polen gemacht. Denn

die Pole legen einzelne Eigenbewegungen des Regelkreises fest. Deren

Zusamrnenwirken, die entstehenden Nullstellen und das Verhalten bei

auBeren Storungen gehen in den Entwurf nicht direkt ein.

Eine umfassende Bewertung des Regelkreisverhaltens und einen ge­

zielteren Reglerentwurf erhalt man erst nach Einftihrung von

Regelgtitekriterien. In frtiheren Jahren hatte man ftir Regelungen mit

kontinuierlichen Signalen besonders Integralkriterien verwendet, bei

denen eine lineare oder quadratische Regelflache oder Betragsregel-

Page 5: Digitale Regelsysteme || Deterministische Regelungen

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Page 6: Digitale Regelsysteme || Deterministische Regelungen

46 4. Deterministische Regelungen

flachen, die mit der Zeit verschieden gewichtet werden konnten, ge­

bildet wurde. Fur diskrete Signale lauten diese Regelgutekriterien

00

I1 L e(k) "lineare Regelflache" k=O 00

e 2 (k) I2 L "quadratische Regelflache" k=O 00

I3 L i e (k) i "Betrags-Regelflache" k=O 00

I4 L kie(k) i "zeitgewichtete Betrags-Regelflache" k=O

Da I1 bei Vorzeichenumkehr von e(k) ausscheidet, ist I2 allgemeiner

verwendbar. I2 fuhrt jedoch auf stark oszillierendes Verhalten. Ge­

dampftere Verlaufe der RegelgroBe erhalt man mit I3 bzw. I 4 .

Zur analytischen Behandlung des Reglerentwurfs sind quadratische

Kriterien zu bevorzugen, da sie sich am besten in das mathematische

Konzept einfugen, denn die zur Extremwertsuche einmalige Ableitung

ergibt Beziehungen, die linear in e(k) sind. Zusatzliche Freiheits­

grade und Moglichkeiten zur gezielten Beeinflussung der Dampfung des

Regelkreisverhaltens entstehen durch additives Einfuhren der quadra­

tischen StellgroBenabweichung mit einem Gewichtsfaktor r. Somit er­

halt man ein allgemeineres quadratisches Regelgutekriterium

L e 2 (k) + r u 2 (k) , k=O

dem fur Zustandsregelungen die Form

00

L ~T(k) g ~(k) + r u 2 (k) k=O

(4-1)

(4-2)

entspricht. Diese quadratischen Kriterien sind sowohl fur determinier­

te als auch stochastische Signale geeignet. Sie sollen in diesem Band

bevorzugt verwendet werden.

Unabhangig von der Wahl des Regelgutekriteriums konnen jedoch die An­

forderungen an das statische Verhalten der Regelkreise und damit be­

stimmte Anforderungen an die RegIer angegeben werden.

Fur bleibende Einwirkungen der FuhrungsgroBe w(k), der StorgroBen n(k),

v(k) und ur(k) , Bild 4.1a, darf sich im allg. keine bleibende Regelab-

Page 7: Digitale Regelsysteme || Deterministische Regelungen

4. Deterministische Regelungen 47

wei chung ausbilden, d.h. lim elk) o und somit nach dem Endwertsatz

der z-Transformation

lim(z-1) e(z) = 0 z-+1

k-+oo

wobei fur den Regelkreis gilt

Gp(z) e (z) [w(z) -n (z) ] - uv(z) •

1+GR (z)Gp (z) 1+GR (z)Gp (z)

Hieraus folgen fur eine z.B. sprungformige Anderung 1 (z) 1. w(k) 1(k) undn(k) = 1(k)

-+ lim GR(z)Gp(z) z-+1

(Storung am ProzeBeingang)

a)

Gp(z)z lim z-+1 1+GR ( z) Gp ( z )

lim Gp(z) + 00

z-+1

-+ lim GR (z) 00

z-+1

-+ lim GR(z)Gp(z) z-+1

b) lim Gp(z) = z-+1

-+ lim GR (z) z-+1

o

00

In allen Fallen fuhrt demnach

lim GR (z) z-+1

= 00

(4-3)

z/ (z-1)

(4-4 )

zu verschwindender Regelabweichung. Dies wird durch einen Reglerpol

bei z = 1 erreicht

_ Q (z) GR(z) - pI (z) (z-1) (4-5)

also durch integrales Verhalten des Reglers. Ein Pol des Prozesses

bei z = 1 fuhrt bei proportional wirkendem RegIer zwar bei w(k) und

n(k) = 1 (k) auf verschwindende Regelabweichung, nicht aber fur

uv(k) = 1 (k).

Ahnliche Forderungen lassen sich fur verschwindende Regelabweichungen

bei z.B. linear oder quadratisch ansteigender FuhrungsgroBe machen.

Der RegIer muB dann einen doppelten bzw. dreifachen Pol bei z = 1 er­

hal ten, z. B. [2. 1 9 J.