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Seite 1 von 4 Frau Berghaus, Sie haben mit Ihrer Studie die digitale Reife der Schweizer Unter- nehmen erfasst. Was ist für Sie die wichtigste Erkenntnis? Es gibt heute kaum mehr ein Schweizer Unternehmen, das sich nicht in irgendeiner Form mit der Digitalisierung auseinander- setzt. Das gilt auch für jene, für die der Begriff selber noch ein Fremdwort ist. Im freien Antwortteil hat jemand bezeichnenderweise geschrieben, dass sie sich zwar nicht be- wusst in einer digitale Transformation befänden, bei ihnen aber viele der Aktivitäten im Einzelnen bereits Realität seien. Werten Sie ein solch pragmatisches Vorgehen eher positiv oder ist es proble- matisch? Zum einen ist es sicher sehr positiv, dass die Unternehmen quasi automatisch Digita- lisierungsprojekte starten, wenn ihr Markt- umfeld dies verlangt. Andererseits besteht aber die Gefahr, dass die Aktivitäten Stückwerk bleiben und dass das Unternehmen so keine Synergien erzielen kann. Kommt dazu, dass es in der Praxis schwierig ist, die ein- zelnen Aktivitäten im Nachhinein zu konsoli- dieren. Für mich ist die Tatsache, dass viele Unternehmen die Digitalisierung noch nicht als überlegte, koordinierte Strategie und als bewusste Transformation angehen, sondern vor allem Einzelprojekte umsetzen, darum eher eine der Schwächen, welche die Studie aufgedeckt hat. Der Digital Transformation Report 2015 * macht die digitale Reife von Schweizer Unternehmen in allen Bereichen und auf den verschiedenen Ebenen sichtbar. Die Studienautorin Sabine Berghaus von der Universität St. Gallen (HSG) hat klare Stärken aber auch eindeutige Schwachstellen der Schweizer Wirtschaft in der digitalen Transformation gefunden. Welche das sind und was Sie daraus lernen können, erfahren Sie im Interview. Interview: Daniel Meierhans Die Digitalisierung ist      vielfach noch Stückwerk Digitale Transformation «Es gibt heute kaum mehr ein Schweizer Unternehmen, das sich nicht in irgendeiner Form mit der Digitalisierung auseinandersetzt.» August 2015 * Details zur Studie und einen Link zum Digital Transformation Report 2015 finden Sie unter: www.sdti.ch

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Frau Berghaus, Sie haben mit Ihrer Studie die digitale Reife der Schweizer Unter­nehmen erfasst. Was ist für Sie die wichtigste Erkenntnis?Es gibt heute kaum mehr ein Schweizer Unternehmen, das sich nicht in irgendeiner Form mit der Digitalisierung auseinander-setzt. Das gilt auch für jene, für die der Begriff selber noch ein Fremdwort ist. Im freien Antwortteil hat jemand bezeichnenderweise geschrieben, dass sie sich zwar nicht be- wusst in einer digitale Transformation befänden, bei ihnen aber viele der Aktivitäten im Einzelnen bereits Realität seien.

Werten Sie ein solch pragmatisches Vorgehen eher positiv oder ist es proble­matisch?Zum einen ist es sicher sehr positiv, dass die Unternehmen quasi automatisch Digita- li sierungsprojekte starten, wenn ihr Markt-umfeld dies verlangt. Andererseits besteht aber die Gefahr, dass die Aktivitäten Stückwerk bleiben und dass das Unternehmen so keine Synergien erzielen kann. Kommt dazu, dass es in der Praxis schwierig ist, die ein-zelnen Aktivitäten im Nachhinein zu konsoli-dieren. Für mich ist die Tatsache, dass viele Unternehmen die Digitalisierung noch nicht als überlegte, koordinierte Strategie und als bewusste Transformation angehen, sondern vor allem Einzelprojekte umsetzen, darum eher eine der Schwächen, welche die Studie aufgedeckt hat.

Der Digital Transformation Report 2015 * macht die digitale Reife von Schweizer Unternehmen in allen Bereichen und auf den verschiedenen Ebenen sichtbar. Die Studienautorin Sabine Berghaus von der Universität St. Gallen (HSG) hat klare Stärken aber auch eindeutige Schwachstellen der Schweizer Wirtschaft in der digitalen Transformation gefunden. Welche das sind und was Sie daraus lernen können, erfahren Sie im Interview.

Interview: Daniel Meierhans

Die Digitalisierung ist       vielfach noch Stückwerk

Digitale Transformation

«Es gibt heute kaum mehr ein Schweizer Unternehmen, das sich nicht in irgendeiner Form mit der Digitalisierung auseinandersetzt.»

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* Details zur Studie und einen Link zum Digital Transformation Report 2015 finden Sie unter: www.sdti.ch

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Sind Ihnen noch andere Schwachpunkte aufgefallen?Viele tun sich mit dem Management der Transformation noch schwer. Sie haben noch kaum Key Performance Indicators (KPIs) definiert, die sie messen und damit den Prozess steuern können. Das hängt eng mit der vorher beschriebenen Häufigkeit von Einzelprojekten zusammen. Ein zweites Feld, das für viele eine Herausforderung darstellt, ist die durchgängige Prozessdigitalisierung.

Damit beschäftigen sich die Firmen aber doch schon sehr lange?Das stimmt, aber nach wie vor sind Medien-brüche Alltag. Das Verkaufspersonal arbeitet zwar zum Beispiel bereits mit Tablets oder eine Kunden-App bietet eine mobile Erfassung von Anfragen. Anschliessend können die Daten aber nicht automatisch in die Backend-systeme übernommen werden. Häufig stehen dabei Legacy-Systeme im Weg. Die IT muss hier einen grossen Spagat aushalten. Zum einen erwarten die Kunden innovative E-Services. Zum anderen müssen die Ver-antwortlichen genau überlegen, was in den Backendsystemen mit vertretbarem Aufwand wie angepasst werden kann. Die digitale

Transformation ist aber heute sicher ein Treiber für die Erneuerung der Systemland-schaft. Sie ermöglicht Innovationen und Effizienzgewinne, dank denen sich Investi-tionen in die Infrastruktur rechnen.

Was war die Motivation zum Digital Transformation Report? Es gibt doch schon viele Untersuchungen, die dieses Thema adressieren.Tatsächlich wurden schon zahlreichen Studien in diesem Umfeld durchgeführt. Die meisten beschränken sich aber auf das Checkbuch-artige Abfragen einzelner Anwendungen wie «Ist ein Webshop vorhanden?» oder «Können Kunden mit dem Unternehmen interaktiv kommunizieren?». Wir sind der Meinung, dass die Digitalisierung eine grundlegende Trans - formation bedeutet, die alle Ebenen und Bereiche eines Unternehmens betrifft. Unser Modell verfolgt darum einen ganzheitlichen Ansatz und schliesst zusätzlich interne Fakto- ren wie die Kultur, die Organisation oder das Transformationsmanagement mit ein. Wir stützen uns dabei auf die für derartige Prozesse etablierte St. Galler Business Engineering Landkarte ab.

Was ist denn der Vorteil dieses Ansatzes konkret?Unternehmen können das Modell als Werk-zeug benutzen, um die eigene Transformation zu reflektieren. Sie sehen in welchen Berei-chen sie innerhalb ihrer Branche bereits weit vorne sind und in welchen allenfalls Hand-lungsbedarf besteht oder wo zusätzliches Potenzial vorhanden wäre. Das Ziel ist allerdings nicht, dass jede Firma in jedem Bereich die höchste Reifestufe erreichen muss. Welche Prioritäten gesetzt werden, ist sehr individuell. Wenn mein Markt von Startups attackiert wird, sind andere Bereiche entscheidend, als wenn ich meine Effizienz steigern will oder wenn mein Ziel das Erschliessen neuer Märkte ist.

Sie haben eingangs mögliche Synergien er­ wähnt. Was muss ich mir darunter vorstellen?Es gibt beispielsweise Unternehmen, die sehr viel in das kundenfreundliche Design ihrer Frontends investieren. Die internen Systeme sind demgegenüber aber wenig nutzer-freundlich. Wenn ich als Unternehmen das

Die Studienautorin Sabine BerghausGemeinsam mit Prof. Dr. Andrea Back (Direktorin Institut für Wirtschaftsinformatik, Universität St. Gallen) und Bramwell Kaltenrieder (Managing Partner Crosswalk AG) ist sie Co-Autorin des Digital Transformation Reports 2015. Sie studierte Internationales Informationsmanage-ment an der Universität Hildesheim und war danach mehrere Jahre als User Experience Beraterin und Senior Information Architect tätig. Seit Dezember 2013 arbeitet sie am Competence Center Mobile Business des Instituts für Wirtschaftsinformatik der HSG. Ihren Tätigkeitsschwerpunkt bilden Projekte, die den Einfluss von mobilen und digitalen Innovationen auf Unterneh-men untersuchen.

«Die digitale Transformation ermöglicht Innovationen und Effizienzgewinne, dank denen sich Investitionen in die Infra­struktur rechnen.»

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Usability-Knowhow aus dem Frontend-Design auch in die Business-Applikationen ein -fliessen lassen kann, lassen sich interne Abläufe genauso beschleunigen und Fehler minimieren wie im Kundenkontakt.

Welches sind die Bereiche, in denen die meis­ten Schweizer Firmen schon weit sind?Fast alle nutzen heute moderne Collaboration-Technologien und auch für die Mitarbeitenden sind digitale Technologien inzwischen eine Selbstverständlichkeit. Wenn beispielsweise Busfahrer heute ein Tablet oder ein Smart-phone bekommen, freuen sie sich darüber, dass sie endlich auch in die ICT-Infrastruktur ihres Unternehmens eingebunden sind. Vor wenigen Jahren war das noch anders. Da waren noch grosse Vorbehalte gegenüber neuen Informations- und Kommunikations-technologien vorhanden. Diese aufgeschlos-sene Haltung der Schweizer ist auch ein Vorteil, wenn es darum geht neue Digitalisie-rungspotenziale zu identifizieren. Ich bin der Überzeugung, dass künftig jeder Mitarbei-tende sein eigener Chief Digital Officer sein wird.

Diese Hoffnung steht aber in einem gewissen Widerspruch zu Ihrer Forderung nach einer zentralen Strategie?Momentan ja, aber mittel- und langfristig nicht. Die Transformation ist ein Prozess, der immer weiter geht. Wenn die Digitalisierung einmal ein integraler Bestandteil der Ge-schäftsstrategie ist, werden die Aktivitäten wieder föderaler werden und zurück in die Abteilungen gehen. Jeder Einzelne wird dann die Möglichkeiten in seinem persönlichen Arbeitsumfeld ausloten und umsetzen. Für die meisten Unternehmen geht der Weg jetzt aber erst einmal über eine Zentralisierungs-Phase.

Gibt es auch Resultate, die Fragen aufwerfen?Zu diesen gehört sicher die Diskrepanz in der Eigeneinschätzung des obersten Manage-ments und der Mitarbeitenden in den Projekten. Die Führungskräfte schätzen die digitale Reife ihres Unternehmens auffällig höher ein als ihre Mitarbeitenden. Das könnte einerseits damit zusammenhängen, dass sie weiter weg von den konkreten Umsetzun-gen sind und dadurch die Probleme nicht sehen. Es könnte aber andererseits auch daher rühren, dass sie ein viel grösseres Bild haben und die einzelnen Aktivtäten im Kontext eines strategischen Zielbilds sehen.

In welchen Branchen identifiziert Ihre Untersuchung den grössten Handlungs­bedarf?Die traditionelle Industrie ist heute noch sehr zurückhaltend. Sie wird sich in den nächsten Jahren stark bewegen müssen. Das Internet of Things, Big Data oder der 3D-Druck werden grundlegende Veränderungen auslösen. Um am Ball zu bleiben, müssen die Firmen liebgewordene Vorgehensweisen und Techno-logien über Bord werfen. Dies verlangt Risiko-bereitschaft. Ein Studienteilnehmer hat es treffend auf den Punkt gebracht: «Wie kann ich ein Game-Changing-Market-Player werden, wenn ich kein Risiko eingehe?»

Müssen die Unternehmen demnach selber Technologie­Pioniere werden oder ist es nicht besser abzuwarten und erst als Follower auf einen Trend aufzuspringen?Das lässt sich nicht generell beantworten, sondern hängt von der individuellen Strategie ab. Risikobereitschaft braucht es aber in beiden Fällen und vor allem auch eine grosse Agilität. Um das Moment eines Trends optimal ausnützen zu können, muss ein Unternehmen die Technologie bereits gut kennen. Es muss also laufend alle neuen Technologien evaluie-ren und praktische Erfahrungen sammeln.

So bewältigen Sie die digitale Transformation erfolgreich

1.   Verbinden Sie die einzelnen An strengungen und Projekte der ver schiedenen Abteilungen zu einem koordinierten Transformationsprozess und machen Sie die Digitalisierung zu einem integralen Bestandteil Ihrer Geschäftsstrategie.

2.   Richten Sie Transformations management ein. Bestimmen Sie KPIs, die Sie messen können und vergleichen Sie sich mit Ihren Mitbewerbern.

3.   Stellen Sie sicher, dass die digitale Transformation über den Support des Top­Managements verfügt. Stellen Sie Budgets und Ressourcen zur Verfügung.

4.   Nutzen Sie das Knowhow Ihrer Mit arbeitenden und schaffen Sie eine Innovationskultur im Unternehmen.

5.   Verschaffen Sie sich agile Strukturen, um neue Technologien schnell aus zuprobieren zu können. Aus Fehlern wird man klug!

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