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EIN GESPRÄCH MIT JOCHEN SCHWEIZER DIGITALISIERUNG BEDEUTET FÜR MICH Jochen Schweizer – würde man im Duden nach dem Wort „Erlebnis“ suchen, würde man sein Bild neben dem Eintrag finden. Der gebürtige Ettlinger hat sich ein Impe- rium in der Freizeitbranche aufgebaut, das seines Gleichen sucht. Doch hin- ter Jochen Schweizer steckt mehr. Der gelernte Logistiker machte sich bereits in den 1980er Jahren einen Namen als Stuntman und stellte in der Zeit mehrere Weltrekorde auf, beispielsweise 1997 für den Sprung aus einem Helikopter mit dem längs- ten Bungeeseil und der höchsten Falldi- stanz von 1.050 Metern. von Julia Ptock Für mich hat jeder APPLAUS verdient, der etwas ERNSTHAFT, FORTSCHRITT UND DISRUPTION. © Jochen Schweizer Holding GmbH/ Nicolas Mercier 24

DIGITALISIERUNG BEDEUTET FÜR MICH FORTSCHRITT UND …Stationär oder online? Keine klare Präferenz. Für schnelle Einkäufe nutze ich ger-ne das bequeme Online-Shopping per Maus-Klick

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EIN GESPRÄCH MIT JOCHEN SCHWEIZER

DIGITALISIERUNG BEDEUTET FÜR MICH

Jochen Schweizer – würde man im Duden nach dem Wort „Erlebnis“ suchen, würde man sein Bild neben dem Eintrag finden. Der gebürtige Ettlinger hat sich ein Impe-rium in der Freizeitbranche aufgebaut, das seines Gleichen sucht. Doch hin-ter Jochen Schweizer steckt mehr. Der gelernte Logistiker machte sich bereits in den 1980er Jahren einen Namen als Stuntman und stellte in der Zeit mehrere Weltrekorde auf, beispielsweise 1997 für den Sprung aus einem Helikopter mit dem längs-ten Bungeeseil und der höchsten Falldi-stanz von 1.050 Metern.

von Julia Ptock

Für mich hat jeder APPLAUSverdient, der etwas

ERNSTHAFT,

FORTSCHRITT UND DISRUPTION.

© Jochen Schweizer Holding GmbH/ Nicolas Mercier

24

Page 2: DIGITALISIERUNG BEDEUTET FÜR MICH FORTSCHRITT UND …Stationär oder online? Keine klare Präferenz. Für schnelle Einkäufe nutze ich ger-ne das bequeme Online-Shopping per Maus-Klick

EIN GESPRÄCH MIT JOCHEN SCHWEIZER

Das 1985 gegründete Unternehmen, die Event- und Werbe-agentur Kajak Sports Productions war der Grundstein für die später entstandene Jochen Schweizer Unternehmensgrup-pe. Die Digitalsparte des Unternehmens wurde im Juni 2017 an ProSiebenSat.1 Media verkauft. Durch seinen Auftritt in der Vox-Gründer-Show „Die Höhle der Löwen“ trug Jochen Schweizer dazu bei, die StartUp-Szene in Deutschland nach-haltig zu verändern und sich selbst als Investor einen Namen zu machen.

Als Keynote-Speaker auf der ersten Händlerbund Fachmesse Net&Work

nimmt der 60-jährige Unternehmer seine Zuhörer mit auf eine fesselnde Reise durch sein bewegtes Leben und zeigt auf, wie man aus Rückschlägen gestärkt wieder hervortritt und zum Unternehmer seines eigenen Lebens wird. Im Vorfeld der Messe stand er uns

Rede und Antwort und verriet uns, wie Digitalisierung in seinem eigenen Unternehmen gelebt wird, was für ihn absolute Gründer No-Goes sind und ob jeder ein Gründer sein kann.

DER GRÜNDER

Als erfahrener Unternehmer und Gründer: Welchen Rat- schlag würden Sie angehenden Gründern mit auf den Weg geben? Eignen Sie sich möglichst früh eine resiliente Haltung an. Das heißt, stehen Sie immer einmal mehr auf, als Sie hingefallen sind. Ich kenne keinen erfolgreichen Unternehmer, der nicht auch durch schwere Zeiten gegangen wäre. Was einen guten Gründer auszeichnet, ist die Fähigkeit Krisen zu bewältigen und sie sogar als Chance zur Weiterentwicklung zu nutzen.

In welche Ideen würden Sie nicht investieren, warum? Ich investiere im Allgemeinen nur in StartUps und Ideen, de-nen ich über das finanzielle Investment hinaus auch in der Beratung einen Mehrwert bieten kann. Nehmen wir zum Bei-spiel Hip Trips, ein Investment aus der ersten Staffel DHDL.

Das Unternehmen hat sich in den vergangenen Jahren, als Teil meiner Unternehmensgruppe, zu einem meiner profitabels-ten Investments entwickelt. Neben der finanziellen Investition konnten sie von Schlüsselstellen innerhalb meiner Organisati-on profitieren, wie beispielsweise PR oder dem Kontakt zu un-seren Erlebnisanbietern. Die Umsatzzahlen haben sich mehr als verhundertfacht und die Mitarbeiterzahl ist mittlerweile auf 12 Mitarbeiter gestiegen.

Was sind Gründer No-Gos?Überheblichkeit und Faulheit. Nur wer bereit ist, härter zu ar-beiten als der Rest, früher aufzustehen und länger wach zu bleiben wird Erfolg haben.

Was ist der häufigste Fehler beim Gründen?Aufgeben. Viele Gründer geben schon nach dem ersten Rück-schlag in der Unternehmensgründung auf und kämpfen nicht für ihre Ideen. Dabei liegt genau im Scheitern die Chance. Für mich hat jeder Applaus verdient, der etwas ernsthaft, aufrich-tig und mit dem nötigen Einsatz versucht hat. Rückschläge gehören dazu. Ich kenne keinen Unternehmer, der mit seinem ersten Unternehmen sofort erfolgreich war. Auch ich habe mit meiner ersten Firma kein Geld verdient. Egal was man an-packt, in den seltensten Fällen geht es immer nur nach vorne. Entscheidend ist, wie man mit den Schwierigkeiten, die sich auf dem Weg unweigerlich ergeben werden, umgeht. Stolper-steine, Hindernisse und missglückte Aktionen sind immer eine Entwicklungschance. Die gemachten Fehler müssen analy-siert und daraus gelernt werden. So können Hindernisse nach und nach überwunden werden. Und mit jedem weiteren Ver-such klappt es etwas besser.

Wie hat sich Ihrer Meinung nach die Gründerszene seit Ihrer ersten Unternehmensgründung verändert?Die StartUp-Szene in Deutschland hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Mittlerweile fließt mehr Geld in die-sem Bereich und es gibt mehr staatliche Förderung im Markt. Zudem gibt es in der deutschsprachigen Gesellschaft mehr Akzeptanz gegenüber Unternehmensgründern, sogar zuneh-mendes Interesse. Man kann mittlerweile schon fast von ei-nem Trend sprechen, dass immer mehr StartUps gegründet werden, wozu auch Formate wie DHDL positiv beigetragen haben.

Als Sie Ihr Unternehmen gegründet haben – Woher hatten Sie das Startkapital?Ich hatte keins.

Erinnern Sie sich daran, wie Sie die erste Million geknackt haben?Ich kann mich zumindest daran erinnern, als wir zum ersten Mal 1 Million Euro Umsatz gemacht haben. Das war spekta-kulär. Wir haben 2004 das Erlebnisportal online gestellt und mit 180.000 Euro Umsatz angefangen. Ein Jahr später haben wir auf einen Schlag 3,6 Millionen Euro Umsatz gemacht, ein gewaltiger Sprung.Arenaeingang Außen © Jan Schmiedel für Jochen Schweizer

Für mich hat jeder APPLAUSverdient, der etwas

ERNSTHAFT,

AUFRICHTIG und mit dem nötigen

EINSATZ ver-sucht hat.

25#NetAndWork

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DER DIGITALE

Herr Schweizer, Digitalisierung ist in der Wirtschaft ge-rade das große Thema. Was bedeutet für Sie Digitali-sierung?Digitalisierung bedeutet für mich Fortschritt und Disruption. Es hat sich mehrfach gezeigt, dass etablierte Geschäftsmo-delle durch die Digitalisierung schnell an Relevanz verlieren und sich innovative und disruptive digitale Geschäftsmodelle durchsetzen. Jede Branche muss sich der Herausforderung der Digitalisierung stellen.

Wie schätzen Sie den Grad der Digitalisierung in der Frei-zeitbranche ein?Kaum eine Branche war bisher so wenig digitalisiert wie die Freizeitbranche. Die Reisebranche und Hotellerie arbeitet schon heute fast nur noch digital. Freizeit- und Erlebnisanbie-ter hinken da deutlich hinterher und verschenken viel Potenzi-al. Kunden wollen immer häufiger spontan und mobil buchen. Wenn das nicht durch eine automatisierte Angebots- und Buchungsverwaltung gelöst ist, dann kann es schnell zu Dop-pelbuchungen oder unerwünschten Wartezeiten für den Kun-den kommen, oder eben zu keinem Kauf. Die Digitalisierung kann das lösen. Durch die Implementation von Regiondo Pro bei unseren Erlebnisanbietern und als Standard-Buchungs-system in der Jochen Schweizer Arena, vereinfachen wir den Buchungsprozess für Kunden und Anbieter enorm und haben einen wichtigen Meilenstein in der Digitalisierung der Freizeit-branche gesetzt.

Wie wird Digitalisierung in Ihrem eigenen Unternehmen gelebt und umgesetzt?Bei der Entwicklung meiner Unternehmensgruppe habe ich seither auf zwei Standbeine gesetzt: erstens die Digitalisie-rung der Freizeitbranche und zweitens die Projektentwick-lung. Letzteres spiegelt sich vor allem im Bau der Jochen Schweizer Arena in Taufkirchen bei München wieder. Die Er-lebnisdestination setzt mit ihrem Angebot an Indoor-Surfen, Windkanalfliegen und großem Outdoor-Angebot Maßstäbe in der Urbanisierung und Demokratisierung von Erlebnissen. Die Digitalisierung habe ich vor allem über meine Beteiligung am

Online-Ticket-Anbieter Regiondo vorangetrieben. Diese habe ich jedoch mit vier weiteren Firmen im Juni dieses Jahres an die ProSiebenSat.1 Media SE veräußert.

Wie kam die Idee, die Jochen Schweizer Erlebnisse auch stationär anzubieten?Damals war es mein Ziel, Menschen besondere Erlebnisse zu ermöglichen. Ich hatte ein Ziel und einen ungefähren Plan, wie ich dort hinkomme. Mit unserem Online-Portal habe ich den ersten Schritt gemacht. Es war aber immer mein Plan, auch den stationären Handel zu nutzen. Ich bin bis heute davon überzeugt, dass ein Multichannel-Ansatz die erfolg-reichste Mischung mit folgenden Zutaten ist: Online-Handel und –Marketing; Handelspartner mit großer Vertriebsfläche; eigene Ladengeschäfte mit hoher Beratungsqualität; ein ei-genes Call Center. Seit Eröffnung der Jochen Schweizer Arena weiß ich aber auch, dass eine Marke ein Zuhause benötigt, in dem alle Markenversprechen für den Kunden anfass- und erlebbar werden.

Sie selbst sind Gründer eines erfolgreichen Unternehmens und konnten die Digitalsparte Ihres Unternehmens an Pro-SiebenSat.1 Media verkaufen. Wieso haben Sie sich für ProSiebenSat.1 entschieden?So einen Deal verhandelt man nicht nebenher. Unsere Aus-schreibung hatte mehrere dreistellige Gebote für meine Di-gitalsparte und drei StartUps ergeben. Ich musste in langen Verhandlungen abwägen, mit wem ich den Deal mache. Letzt-lich hat ProSiebenSat.1 den Zuschlag bekommen, obwohl es rein finanziell betrachtet nicht das höchste Gebot war. Für die Firma, die Marke Jochen Schweizer, die Mitarbeiter und auch für mich persönlich war es aber das beste Paket. Denn ProSiebenSat.1 ist für uns mehr als ein Finanzinvestor, das Unternehmen ist ein strategischer Partner, der unserem Di-gitalgeschäft mit all seinen Ressourcen zu weiterem stetigem Wachstum verhilft.

Was wollen Sie mit dem Erlös tun?Ich werde den Erlös aus der Transaktion in die verbleibenden Unternehmen meiner Unternehmensgruppe reinvestieren. So strebe ich beispielsweise die Erweiterung der Jochen Schwei-zer Arena in ein Lifestyle-Resort für high-end Firmenveranstal-tungen an. Hierfür sind bereits ein Hotel und eine Kongresshal-le in der Planung.

Mit unserem ONLINE-PORTAL habe ich damals den ERSTEN SCHRITT gemacht. Es war aber auch immer MEIN PLAN, den STATIONÄREN HANDEL zu nutzen.

Bodyflying © picture alliance Tobias Hase dpa

EIN GESPRÄCH MIT JOCHEN SCHWEIZER26 #NetAndWork

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EIN GESPRÄCH MIT JOCHEN SCHWEIZER

DER LÖWE

Durch Ihre Investment-Tätigkeiten in der Gründer-Show „Die Höhle der Löwen“ haben Sie viele junge Gründer ken-nen gelernt. Was zeichnet für Sie einen guten Gründer oder eine gute Gründerin aus? Kann jeder Gründer sein?Nein, meiner Meinung nach kann nicht jeder Gründer sein. Denn ein guter Gründer muss bestimmte Führungseigenschaf-ten vorweisen, die nicht jeder hat. Insbesondere die nötige Energie, um die Extrameile zu gehen. Dazu Empathie und die Fähigkeit, andere zu begeistern und ein Team zusammenzuhal-ten. Er benötigt die Fähigkeit, Partner für strategische Allianzen zu gewinnen und ist idealerweise offen für Beratung.

Sie haben während Ihrer Zeit bei „Die Höhle der Löwen“ in einige StartUps investiert. Haben Sie ein Lieblings-Start-Up? Und wenn ja, warum?Die frooggies-Gründer machen mir sehr große Freude, weil sie ein gutes Produkt in hoher Qualität entwickeln. Alleine vom Jochen Schweizer Protein Power Shake wurden bisher 250.000 Päckchen verkauft. Demnächst kommt der Jochen Schweizer Super Fruit Riegel auf den Markt, den ich gemeinsam mit dem Küchenchef der Jochen Schweizer Arena entwickelt habe. Er besteht ausschließlich aus sogenannten Superfruits wie bei-spielsweise Aroniabeeren, Cranberries, Acai oder Goji. Ich per-sönlich ernähre mich schon seit Jahrzehnten von diesen Su-perfrüchten.

Wir bedanken uns ganz herzlich für das Gespräch.

DREI FRAGEN ZUM E-COMMERCE

Stationär oder online?Keine klare Präferenz. Für schnelle Einkäufe nutze ich ger-ne das bequeme Online-Shopping per Maus-Klick. Aber ich gehe auch gerne durch die Geschäfte und lasse mich von den Angeboten im Laden und der kompetenten, individuel-len Beratung inspirieren.

Die letzten drei Artikel, die Sie online gekauft haben…?Eine Motorradjacke, ein Neoprenanzug zum Surfen auf der stehenden Welle in der Jochen Schweizer Arena und ein elekt-ronisches Schnorchelsystem für meinen Urlaub in Indonesien.

Nicht online einkaufen würden Sie…?...Frischwaren wie Fleisch oder Fisch. Ich lege großen Wert auf die Herkunft und Qualität meiner Lebensmittel. Außer-dem verzichte ich auf processed food.

Jochen Schweizer stellte mehrere Weltrekorde auf, unter anderem 1997 für den Sprung aus einem Helikopter mit dem längsten Bungee-Seil und der höchsten Falldistanz von 1.050 Metern.

Jochen Schweizer © Jochen Schweizer Holding GmbH

Geb. 23. Juni 1957 in Ettlingen (Baden-Württemberg)

1985: Gründung der Event- und Werbeagentur Kajak Sports Productions, aus der später die Jochen Schwei-zer Unternehmensgruppe entstand.

1989: Eröffnung der ersten stationären Bungee-Sprung- Anlage in Deutschland in Oberschleißheim. Damit ist sie die älteste Anlage, die immer noch in Betrieb ist.

2004: Start des Verkaufs von Erlebnisgutscheinen über das Internet.

2015 bot Jochen Schweizer insgesamt 1.900 verschie-dene „Erlebnisse“ an und ist bis heute Marktführer für Erlebnisgutscheine in Deutschland.

2014-2016: Jochen Schweizer tritt als Investor in der Vox-Gründer Show „Die Höhle der Löwen“ auf.

2017: Veräußerung der Digitalsparte der Unterneh-mensgruppe „Jochen Schweizer GmbH“ an ProSieben-Sat.1 Media.

März 2017: In Taufkirchen bei München eröffnet die Jochen Schweizer Arena.

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