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Teodoro D. Cocca Armin LauerWolfgang J. Reittinger (Hg.)

Digitalisierungim Private Banking

Digitalisierung-im-Private-Banking.book Seite III Donnerstag, 18. April 2019 8:24 08

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Besuchen Sie uns im Internet: http://www.frankfurt-school-verlag.de

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen

Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbe-

sondere für Vervielfältigungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen

Systemen.

ISBN (print): 978-3-95647-114-8

ISBN (pdf): 978-3-95647-115-5

ISBN (epub): 978-3-95647-116-2

ISBN (mobi): 978-3-95647-117-9

1. Auflage 2019 © Frankfurt School Verlag / efiport GmbH, Adickesallee 32-34, 60322 Frankfurt am Main

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VII

Inhaltsverzeichnis

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VInhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIIHerausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IXAutorenverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI

Digitalisierung im Private Banking und Wealth Management – Chancen und Herausforderungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1Teodoro D. Cocca

Digitalisierungsstatus und Ansätze digitaler Zukunftsgestaltung im Private Banking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45Daniel Pehle

Kundenperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

Nutzungsverhalten von digitalen Produkten durch vermögende Kunden – Eine Analyse auf Basis empirischer Daten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69Teodoro D. Cocca

Vermögensverwaltung in der Ära von digitalen und sich verändernden Kundenanforderungen – Trends und Perspektiven. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95Frederic Brunier

Geschäftsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

Regulatorische Anforderungen an die Digitalisierungsstrategien und die digitalen Geschäftsmodelle im Wealth Management. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107Norman J. Karrer/Andreas Borg

Digitalisierung im traditionellen Private Banking – Ein Bericht aus dem Maschinenraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129Christoph Hartgens

Das digitale Angebot einer spezialisierten Privatbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157Stephan Isenberg

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Inhaltsverzeichnis

VIII

Das hybride Geschäftsmodell eines globalen Players im internationalen Cross-Border-Geschäft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175Gianpiero Galasso/Manuel Zolghadar

Ein Start-up als digitaler Private-Banking-Anbieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195Oliver Vins

Robo Advisors demokratisieren das Anlagegeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219Adriano B. Lucatelli

Wealth Management im Wandel – Anlageberatung für den Homo Digitalis . . . . 233Sandra Daub

Interaktive Artificial-Intelligence-Anwendungen im Private Banking und Wealth Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257Jochen Papenbrock/Heinz-Werner Rapp

Die Digitalisierung der Schnittstelle Berater/Kunde im Private Banking . . . . . . . 287Harald Meinl

Organisation und Implementierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307

Organisatorische Umsetzung einer Digitalisierungsstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . 309Daniel Diemers

People Value – ein Ansatz zur Organisationsentwicklung von Privatbanken im digitalen Zeitalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337Oliver Fiechter

Kompetenzanforderungen an Kundenberater im digitalen Private Banking. . . . . 363Stefanie Auge-Dickhut/Bernhard Koye/Yannick Uldry

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Kompetenzanforderungen an Kundenberater im digitalen Private Banking

Stefanie Auge-Dickhut/Bernhard Koye/Yannick Uldry

1 Banken auf dem Weg zu digitalen Ökosystemen1.1 Digitalisierung – alter Wein in neuen Schläuchen?1.2 Informationstechnologie als Katalysator1.3 Bedeutung der Digitalisierung für die Finanzbranche und das Private Banking1.4 Reaktionsoptionen für Banken

2 Relevante Kompetenzen der Kundenberater im Private Banking im digitalen Zeitalter

2.1 Der Begriff „Kompetenz“2.2 Anforderungen an Kompetenzen für die digitale Private-Banking-Beratung

2.2.1 Leitplanken2.2.2 Kompetenzen für Private-Banking-Berater im digitalen Zeitalter2.2.3 Gewichtung von Fachkompetenz und weiterführenden Kompetenzen2.2.4 DRP-Modell© zur Befähigung der Mitarbeitenden

3 Fazit

Literatur

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1 Banken auf dem Weg zu digitalen Ökosystemen

1.1 Digitalisierung – alter Wein in neuen Schläuchen?

Seit dem World Economic Forum 2018 ist die Digitalisierung definitiv in den Köpfenaller Menschen angekommen – rechtzeitig in dem Jahr, ab dem die Generation Y die ab-solute Bevölkerungsmehrheit stellt. In der Schweiz ist im Kanton Zug das Krypto-Valleyauf der Basis der Blockchain-Technologie entstanden – Segen oder Fluch für den Finanz-platz Schweiz? Alibaba erreicht den 40-fachen Umsatz von Amazon – dies ist das klarsteBeispiel für die Geschäftsmodelllogik im digitalen Zeitalter – the winner takes a lot. WirdAlipay den Schritt tun, den man schon länger von Google oder Amazon erwartet hat?

Spannende Zeiten für die Finanzbranche, die sich auch 2018 im permanenten Spagat zwi-schen evolutiver Entwicklung und disruptiver Bedrohung bewegt:

• Wie werden sich die Möglichkeiten im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) in denkommenden zwei bis drei Jahren auf die Kundenschnittstelle auswirken?

• Welche technologischen Entwicklungen sind darüber hinaus zu erwarten?

• Wie sollen und können die Banken auf die Entwicklungen in Richtung der digitalenÖkosysteme reagieren?

• Wie können die vorliegenden Kundendaten in diesem Zusammenhang genutzt werden?

• Wie kann die Umgestaltung der Geschäftsmodelle von innen heraus gelingen?

• Was bedeuten diese Entwicklungen für die notwendigen Kompetenzen der Mitarbei-tenden?

1.2 Informationstechnologie als Katalysator

Seit den 1990er Jahren erlebt unsere Gesellschaft den Transformationsprozess von derIndustrie- zur Informationsgesellschaft. Die Entwicklungen der Informations- undKommunikationstechnologie (IuK) haben in den letzten Jahren einen Wandel von Wirt-schaft und Gesellschaft ausgelöst, der als Informationsrevolution in aller Munde war.

Das Internet ist durch die Einführung des World Wide Web zum Inbegriff der Informa-tionsgesellschaft geworden. Die Informationslandschaft, die Verhaltensweisen der Men-schen sowie die Art und Weise des Aufbaus von Geschäftsbeziehungen erhalten durchdie rasche Verbreitung der Netzwerktechniken neue Strukturen.

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Vor dem Hintergrund der stets zunehmenden Möglichkeiten der IuK ergeben sich stän-dig neue Anwendungsgebiete. Die Auswirkungen des Wandels werden in allen Indus-triezweigen spürbar. Während für materielle/physische Produkte auch im Informa-tionszeitalter die Notwendigkeit zur effektiven Auslieferung erhalten bleibt, wird fürinformationsbasierte Produkte eine komplett elektronische Abwicklung der Wertschöp-fungskette möglich; v.a. Anbieter von Dienstleistungen sowie informationsverarbeitendeBranchen standen zu Anfang des Informationszeitalters vor neuen Herausforderungen.1

1.3 Bedeutung der Digitalisierung für die Finanzbranche und das Private Banking

Die Finanzbranche ist prädestiniert für die Auslösung fundamentaler Veränderungs- undTransformationsprozesse, die zu einem Strukturwandel führen. Sie beschäftigt sich maß-geblich mit der Aufbereitung, Analyse und Interpretation von Informationen und nimmteine Intermediärsfunktion zwischen Finanzmärkten und Kunden ein.

Da Informationen der wichtigste Rohstoff der Finanzbranche sind, stellt das allgemeinzugängliche Internet die Wertschöpfungskette dieser Branche unmittelbar infrage. Dieneue, vernetzte Form des Wissensmanagements führt zum Kollaps von Zeit und Distanzund zur Grundsatzfrage nach dem Sinn der bisherigen Intermediärsfunktion im Finanz-bereich.

Eine der größten Herausforderungen ist der Dekonstruktionsprozess, in dem sich jederAnbieter auf die Dienstleistungen konzentriert, in denen er komparative Wettbewerbs-vorteile hat. Dank der neuen Technologien können auch branchenfremde Anbieter ein-zelne Teile der Wertschöpfungskette offerieren und in Konkurrenz zu den traditionellenDienstleistern treten.

Für das Private Banking als bedeutendem Teil der Finanzbranche ist eine genaue Prüfungder Konsequenzen dieser Veränderungsprozesse unerlässlich. Hauptvorteil des PrivateBanking war traditionell der Informationsvorsprung gegenüber den Kunden.2

Im Bankensektor werden drei Technologiewellen der Digitalisierung unterschieden:

• Die erste Welle befasste sich in den 1970er Jahren mit der Einführung von Geldauto-maten und der Verbreitung von Online-Banking ab 1990. Dies führte erstmals zurTrennung von Bankgeschäften und Filialöffnungszeiten.

1 Vgl. Koye, 2005, S. 2 ff.2 Vgl. Koye, 2005, S. 2 ff.

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Kompetenzanforderungen an Kundenberater im digitalen Private Banking

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• In die zweite Welle gehören die digitalen Hybriden ab 2009. Dabei handelt es sich umreine Internetbanken, die im Hintergrund auf Back-End-Systeme oder Banklizenzenanderer Finanzinstitute zurückgreifen.

• Die dritte Welle erfüllt die Bedürfnisse der Digital Natives. Dieser nach 1980 geborenePersonenkreis ist im Zeitalter der digitalen Technologien aufgewachsen und stellt sichdas gewünschte Angebot nach seinen Wünschen individuell zusammen.

Informations- und Kommunikationstechnologien gehören zunehmend zum Alltag derMenschen. Finanzinformationen sind für alle Marktteilnehmer im digitalen Zeitalter zu-nehmend schneller und kostengünstiger verfügbar. Bisherige Dienstleistungen und Mar-gen werden stetig hinterfragt – ein irreversibler Prozess. Die technologischen Entwick-lungen ermöglichen zudem innovativen Wettbewerbern vermehrt, einzelne Teile oderdie gesamte Wertschöpfungskette der Banken zu konkurrenzieren.

So ermöglichen Plattformanbieter z.B. zunehmend die Vernetzung von Kapitalgebernund -nachfragern. Privatpersonen und mittelständische Unternehmen können z.B. überCrowdfunding-Plattformen – wie z.B. Capilendo, PrestaCap oder Swisspeers – Kapitalvon verschiedenen Investoren aufnehmen. App-basierte Anbieter wie z.B. Moven stre-ben darüber hinaus die Kontrolle der Kundenschnittstelle an.

Aber auch klassische Banken beginnen, sich sukzessive auf primäre und subsidiäre Kern-kompetenzen zu fokussieren – indem sie z.B. neben der Kundenschnittstelle auch zu An-bietern von Kernbankensystemen werden, wie dies die Hypothekarbank Lenzburg inder Schweiz aktuell zeigt.

Dieser Trend führt derzeit auch im Bankensektor zu einem starken Umbruch der gesam-ten Distributionsstrukturen. Die traditionellen Bankfilialen stehen immer stärker im Fo-kus, wenn es um Kosteneinsparungen und Neuanpassungen der Bankdienstleistungen andie sich stets verändernden Kundenanforderungen geht. Heutzutage gibt es im Banken-sektor von der Internetbank mit einem ausschließlich digitalen Geschäftsmodell ohneeine einzelne Filiale bis hin zum traditionellen Filialnetz sämtliche Alternativen auf demMarkt.

Diese digitale Evolution gekoppelt mit dem anhaltend hohen Regulierungsdruck, derTiefzinspolitik und dem zunehmenden Wettbewerb durch Fintechs und anderweitigenPlattformen verändert das Geschäftsumfeld rasant. Verbunden mit den erhöhten Anfor-derungen der Digitalisierung, welche immer mehr den Alltag der Bankmitarbeitendenbestimmen, stellt die Digitalisierung die Bankenbranche vor massive Herausforderun-gen. Mit dem steigenden Zeitbedarf für digitale Themen wird es für die Banken zuneh-mend schwieriger, die notwendigen Kompetenzen für deren Bearbeitung bei ihren Mit-arbeitenden aufzubauen.

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1.4 Reaktionsoptionen für Banken

Wie können Banken darauf reagieren? Und gibt es eine Logik digitaler Geschäftsmodelle,die sich Banken zu nutze machen können? Zu Beginn des digitalen Zeitalters hatte dieEarly-Follower-Strategie noch funktioniert. Man konnte abwarten, bis eine technologi-sche Innovation, wie das z.B. das E-Banking oder das mobile Banking, seine Kinder-krankheiten abgelegt hatte und diese dann dem Kunden anbieten. Neue IT-Möglichkei-ten haben sich somit den Weg vom Back-Office zur Kundenschnittstelle gebahnt.

Neben den neuen Vertriebswegen im Retail-Banking, die mittlerweile im Omni-Channeling münden, ist dies z.B. auch im Bereich des Wertpapierhandels zu beobachten,der mittlerweile direkt zum Endkunden verlagert wurde, wenn dieser dies möchte. Preiseund damit Eintrittsbarrieren sind drastisch gesunken.

Sukzessive wird daher die Fähigkeit zur technologischen und strategischen Vernetzungmit weiteren Anbietern entlang der Wertschöpfungskette eine entscheidende Kern-kompetenz. Es entstehen neue digitale Finanzökosysteme, die an alle beteiligten Playerspezifische Anforderungen an deren Netzwerkfähigkeit stellen. Nur wer diese Zeichenstrategisch und strukturell richtig interpretiert, wird in den Finanzsystemen des nächstenJahrzehnts noch seinen Platz finden.

Betrachtet man andere Branchen, bei denen die Digitalisierung bereits deutlich weiterfortgeschritten ist, so zeigen sich Beispiele für erfolgreiche digitale Geschäftsmodelle.Dabei ist eine Art Superstar-Effekt zu beobachten: Nur zwei bis drei Anbieter realisierenmaximal das Dominant Design wie z.B. bei den Suchmaschinen Google, im Internet-handel Amazon oder bei den Reiseanbietern Opodo oder Ebookers.

Gerade für Banken ist noch nicht klar, für welches Preis-Leistungsverhältnis zukünftigdurch den Kunden gezahlt werden wird. Die kritische Haltung der Kunden wird vermut-lich weiter zunehmen, damit wird der Margendruck wohl auch zukünftig weiterhin hochsein. Wer dies nicht rechtzeitig erkennt, läuft Gefahr, aus dem Markt gedrängt zu werden.

Agiles Denken in Versionen kann ein Schritt in die richtige Richtung sein, um sich auf dieReise zum angemessenen Design zu machen. Das Verständnis der Veränderung der Kun-denbedürfnisse ist die zentrale Kompetenz, um die bestehenden Erfolgspositionen vonBanken in die Zukunft zu transportieren. Die aktuell vielzitierte reine Industrialisierungder Geschäftsmodelle ist daher nur die Voraussetzung für die echte Digitalisierung derGeschäftsmodelle auf allen Ebenen.3

3 Auge/Koye, 2017.

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Kompetenzanforderungen an Kundenberater im digitalen Private Banking

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Abbildung 1: Vom Ist-Zustand zum Zielbild

Quelle: in Anlehnung an Auge-Dickhut/Koye, 2015

Kernerfolgsfaktor ist demnach die enge Ausrichtung an den Kundenbedürfnissen dereinzelnen Kundengruppen und die Gewährleistung der strategischen, strukturellen undkulturellen Balance zwischen Erhalt und Erneuerung. Die Entwicklung eines tragfähigenLeistungsangebots mit verzahntem Kanal- und Datenmanagement liegt in der Verant-wortung jedes einzelnen Anbieters.

Konsequente Differenzierung wird in den kommenden Jahren möglich – kundenzen-trierte Prozesse und Dienstleistungen sind ebenso eine Voraussetzung zur erfolgreicheninhaltlichen, strukturellen und kulturellen Transformation wie adäquate Steuerungs-mechanismen und entsprechende Ressourcen-Allokationen.

Inhaltlich betrachtet darf der Fokus zukünftig nicht auf den Produktverkauf gerichtetsein, sondern auf das „Andocken“ der Produkte an die konkrete Lebenssituation desKunden. Strukturell gilt es, ein verzahnteres und flexibleres Geschäftsmodell zu ent-wickeln, das die Firmengrenzen durchlässiger macht und eine End-to-End-Analyse und-Betreuung des Kunden ermöglicht.

Zielbild

Ist-Zustand

Kunde

VertriebProduk�onSteuerung

Umwelt

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Dabei ist jeder Bereich der bisherigen Geschäftsmodelle aufgefordert, seinen Mehrwertan der sich digitalisierenden Wertschöpfungskette effektiv zu erbringen. Kulturell gilt esfür die Finanzdienstleister, eine Vertrauenskultur nicht nur zu propagieren, sondern aucheffektiv zu implementieren – eng verzahnt mit einer neu zu gestaltenden Incentivierungs-und Steuerungslogik.

Die Unternehmenskultur muss auf kollektiver und individueller Ebene netzwerkfähigwerden – und die Individuen müssen hier die Fach- und Sozialkompetenzen entspre-chend entwickeln und adaptieren. Eine Herausforderung für die Banken liegt darüberhinaus darin, wie die (hoffentlich verzahnte) Umgestaltung von Strategie, Struktur undKultur kommuniziert wird.

2 Relevante Kompetenzen der Kundenberater im Private Banking im digitalen Zeitalter

2.1 Der Begriff „Kompetenz“

„Kompetenz wird im Sinne von Handlungsfähigkeit verstanden, die es einem Indivi-duum ermöglicht, bestimmte Aufgaben in bestimmten Situationen zu bewältigen.“4 ImWeiteren hat der Begriff Kompetenz seinen Ursprung in der Organisation des Wissensund Könnens einer Person und fokussiert auf ein Ziel. Sie fördert die Person beim Wegzur Problemlösung, um ein Ziel zu erreichen.5

Die Kompetenzen von Menschen im Arbeitsprozess können in Fach-, Methoden, Sozial-und Personalkompetenz aufgeteilt werden. Dabei werden interdisziplinäre Handlungs-kompetenzen an Bedeutung gewinnen und in Zukunft immer wichtiger.6

Interdisziplinarität ist das zentrale Element für den modernen Arbeitsalltag mit steigen-der Komplexität. Mitarbeitende sollen sich vernetzen und die Zusammenhänge verstehenund dementsprechend handeln und zwar bereichs- und fachübergreifend. Das Personal,welches sich gegen diese Transformation des Zusammenarbeitens sträubt, kommt mit derzunehmenden Komplexität nicht zurecht und verliert das Verständnis für die Aufgabenund die jeweiligen Bereiche.7

4 Pielorz, 2009, S. 51.5 Vgl. North/Reinhart/Sieber-Suter, 2013.6 Vgl. Brandstädter/Sonntag, 2014.7 Vgl. Petzold, 2011.

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Kompetenzanforderungen an Kundenberater im digitalen Private Banking

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Abbildung 2: Umfang der Fach-, Methoden, Sozial- und Personalkompetenz

Quelle: in Anlehnung an Brandstädter/Sonntag, 2014

2.2 Anforderungen an Kompetenzen für die digitale Private-Banking-Beratung

2.2.1 Leitplanken

Die Digitalisierung als disruptiver Faktor führt also zur Erosion der bestehenden Ge-schäftsmodelle. Aus der Veränderungsnotwendigkeit der bestehenden Geschäftsmodelleverändern sich die Anforderungen an die Kundenberatenden resp. Mitarbeitenden –diese Anforderungen müssen in den Mitarbeiterkompetenzen reflektiert werden.

Roland Boekhout8 vergleicht die Entwicklungen und Möglichkeiten im Rahmen derDigitalisierung mit der Landgewinnung durch Eindeichung in Holland. Dabei nennt erdrei Aspekte, in welchen sich die beiden Prozesse gleichen:

1. Es wird zwar nichts entdeckt, was nicht bereits vorhanden war, aber es werden völligneue Gestaltungsräume geschaffen;

8 Vgl. Boekhout, 2015, S. 115.

Fachkompetenz

Berufsspezifische Fer�gkeiten,

Fachkenntnisse und Wissensstrukturen

Methodenkompetenz

Situa�ons-und fachübergreifende, flexibel einsetzbare

kogni�ve Fähigkeiten und Exper�sen

Sozialkompetenz

Fähigkeit, in Teams gruppenorien�ertes

unterstützendes Verhalten zu zeigen

Personalkompetenz

Persönlichkeits-bezogene

Disposi�on, zeigt sich in Einstellungen, Werthaltungen,

Mo�ven

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2. unterschiedliche innovative Techniken werden genutzt und miteinander vernetzt;

3. „Die geschaffenen Gestaltungsspielräume bieten für die weitere Ausgestaltung und Nut-zung Entwicklungsperspektiven, an welche die Pioniere […] noch nicht dachten.“9

Das Bewusstsein für die grundlegende Natur von Veränderungsprozessen ist eineGrundvoraussetzung, um den Wandel zu verstehen und strategisch notwendige Anpas-sungen ex ante einleiten zu können. Abwarten scheint keine Lösung – und die Entwick-lung der Kompetenzen der Mitarbeitenden der Banken ist der notwendige Kernerfolgs-faktor der Umgestaltung, da die notwendige Veränderung der Geschäftsmodelle durchdie Mitarbeitenden strategisch, strukturell und auch kulturell gestaltet wird.

2.2.2 Kompetenzen für Private-Banking-Berater im digitalen Zeitalter

In einer unveröffentlichten empirischen Master-Arbeit konnten die in Abbildung 3 dar-gestellten Kompetenzdimensionen für Bankmitarbeitende zusammenfassend empirischgestützt bestätigt werden.

Abbildung 3: Kompetenzdimensionen und -anforderungen für Berater im digitalen Private Banking

Quelle: Uldry, 2017

9 Boekhout, 2015, S. 115.

Zusammenarbeit mit Partnern

(Banking und non-Banking) beeinflusst die

Kundenschni�stelle.

Pla�ormen / Crowdfunding, Allfinanz

Problemlöser/in

bei komplexen Fragestellungen

Übersetzung und Reduk�on von

Komplexität

Vertrauen au�auen,

persönliche Kontakte

pflegen von Mensch zu

Mensch

Co-Beratungenmit Fach-

expert/innen

Triage-Funk�on

Geschä�smodelleRollen und Aufgaben

Omnichannel-Ansatz und hybride Modelle

(digital & face-to-face)

Einfache Anliegen digital lösen, komplexe Anliegen face-to-face

Manager der Kunden-

schni�stelle

Automa�sierung

Preiswert, schnell, ohne Medienbrüche, einfach

Kann zu Outsourcing und Stellenabbau

führen

Robo Advising in Kombina�on mit pers.

Beratung

• Sozialkompetenz (Kundenorien�erung, Kommunika�onskompetenz – auch digital)• Fachkompetenz (s teigende Fachkompetenz in Breite und Tiefe)

• Medienkompetenz/digi ta le Kompetenz (Arbeit mit Analyse-Tools, Offenheit für neue Medien, technische Affinität)• Vernetztes Denken (Koordina�onsfähigkeit, fach- und branchenübergreifendes Wissen)

• Flexibilität/Veränderungsbereitscha� (für sich wandelnde Aufgaben, Verfügbarkeit und Arbeitszeitmodelle)

Kompetenzen

Tool-Unterstützung

für individuelle Kunden-lösungen

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Kompetenzanforderungen an Kundenberater im digitalen Private Banking

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Folgende Kompetenzen erwiesen sich dabei als zentral, um den digitalen Anforderungenund Konsequenzen im Private Banking gerecht zu werden:

• Fachkompetenz: solides Bankfachwissen bleibt die Basis;

• Sozial- und Selbstkompetenz: Empathie, Kommunikationsfähigkeit im Umgang mitverschiedenen Menschentypen, Teamfähigkeit, Selbstreflexion, Offenheit und Lösungs-orientierung, Belastbarkeit und Selbststeuerung, Lernorientierung;

• Medienkompetenz: Kenntnis der neuen Technologien;

• vernetztes Denken: strukturiertes Denken in Gesamtzusammenhängen, Analyse-fähigkeit unter Einbezug aller relevanten Informationen und Blickwinkel;

• Flexibilität: zeitliche, fachliche und empathische Bereitschaft zur Veränderung.

In Bezug auf die Bankkundenberatenden sehen fast alle interviewten Entscheidungs-träger die persönliche Verbindung zu den Kundinnen und Kunden und die Rolle alsManager der Kundenschnittstelle als Kernaspekte der Private-Banking-Beratung imdigitalen Zeitalter. Da sich aber die Anliegen, mit welchen die Kundinnen und Kundenauf die Kundenberatenden zugehen, wandeln werden, wird sich auch ihre Rolle verän-dern.

Dabei sieht die Mehrzahl der Expertinnen und Experten die Kundenberatenden als An-sprechperson, wenn die Kundinnen und Kunden selbst nicht weiterkommen. Grund-sätzlich werde es einen technischen Support geben, aber falls Self-Services und automati-sierte, digital verfügbare Prozesse keine Antworten liefern oder nicht die notwendigeKomplexität abbilden können, brauchen die Kundinnen und Kunden auch zukünftigeine konkrete Ansprechperson. Die Kundenberatenden werden somit zu Problemlöse-rinnen und Problemlösern.

In der Tendenz werden Kundenberatende gemäß allen Interviewten zukünftig oft nur insSpiel kommen, wenn Kundinnen und Kunden nicht genau wissen, was sie wollen, oderihre Fragestellungen komplexe Zusammenhänge beinhalten.

Dabei sehen die Interviewten einen klaren Preisvorteil in den digitalen Kanälen – für dieKundinnen und Kunden, aber auch für die Banken selbst. Dieser Preisvorteil wird aberauch als Grund genannt, warum Fintech-Unternehmen zu einer ernst zu nehmendenKonkurrenz werden. Daher müssten Banken zwingend in digitale Kanäle investieren.

Trotz des Ausbaus der digitalen Kanäle sind alle interviewten Expertinnen und Expertender Ansicht, dass sich ein hybrides Modell in Bezug auf die Kundenkontaktpunkte alsUnique Selling Proposition (USP) der zukünftigen Banken durchsetzen wird. Der phy-sische Kontakt wird voraussichtlich abnehmen, die digitalen Kanäle werden die persön-

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liche Kundenberatung aber nicht vollends ersetzen können – insbesondere wenn es umkomplexe Anliegen von Kundinnen und Kunden geht, in denen eine qualitativ hochwer-tige Beratung erforderlich ist.

Im sich schnell verändernden Umfeld des digitalen Zeitalters werden zudem Mitarbei-tende bevorzugt, die Verantwortung übernehmen und über eine hohe Veränderungs-bereitschaft verfügen.10 Eine Studie von Hays/PAC zeigt, dass praktisch alle Banken, ausdenen Führungskräfte befragt wurden, inhouse oder zusammen mit externen Bildungs-instituten bereits Maßnahmen treffen, um die gewünschten Kompetenzen bei den aktu-ellen Mitarbeitenden zu fördern. Die Autoren der genannten Studie weisen aber daraufhin, dass sich „die steigenden Anforderungen in puncto Agilität und Kundenzentrierung[…] nicht über starre Abläufe lösen [lassen]“, sondern idealerweise im Rahmen von Pro-jektarbeit trainiert werden.11

In Bezug auf die Bedeutung des Fachwissens zeigen die empirischen Ergebnisse derStudie von Uldry deutlich, dass die Expertinnen und Experten von einer Bedeutungs-zunahme ausgehen.12 Diese Zunahme betrifft die Breite wie auch die Tiefe des Fach-wissens, welches die Kundenberatenden allerdings nicht mehr jederzeit selbst abdeckenmüssen, sondern über die Zusammenarbeit mit Fachexpertinnen und -experten sowiemittels Analyse-Tools verfügbar haben.

Zukünftige Kundenberatende werden sicherstellen müssen, dass ihre Beratung den Kun-dinnen und Kunden einen fachlich-qualitativen Mehrwert bietet. Mit dieser Erkenntniskann das Dilemma zwischen der Abnahme der Bedeutung von Fachwissen aufgrund derverkürzten Halbwertzeit von Wissen an sich13 und der Zunahme des höheren Vorwissensvon Kundinnen und Kunden14 aufgelöst werden.

Die Hälfte der befragten Expertinnen und Experten hält vernetztes Denken für einewichtige Fähigkeit der zukünftigen Kundenberatenden. Dabei werden zwei Facettenbeleuchtet. Einerseits geht es um vernetztes Denken im Rahmen des Umgangs mit denunterschiedlichen Kanälen, auf denen die Kundinnen und Kunden mit der Bank in Kon-takt treten. Dabei wird vernetztes Denken im Sinn der Koordinationsfähigkeit der Kun-denanfragen zu den richtigen Ansprechpartnerinnen und -partnern und dem anschlie-ßenden Transfer der Abklärung an die Kundinnen und Kunden verstanden.

10 Vgl. Hays/PAC, 2016.11 Hays/PAC, 2016, S. 14.12 Vgl. Uldry, 2017.13 Vgl. Dewe/Sander, 1996, S. 130.14 Vgl. Auge-Dickhut et al., 2014, S. 90.

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Kompetenzanforderungen an Kundenberater im digitalen Private Banking

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Für sämtliche interviewten Expertinnen und Experten ist klar, dass die Hauptaufgabevon Banken in Zukunft in der Beratung von komplexen Finanzthemen liegen wird unddaher das Niveau und die Bedeutung der Fachkompetenz von Kundenberatenden zuneh-men werden. Die Gründe dafür liegen – wie bereits mehrfach erwähnt – in der Auto-matisierung von einfachen Routinegeschäften und der dadurch steigenden Komplexitätin den effektiven Kundenanfragen.

Viele der befragten Expertinnen und Experten sehen in den langjährigen Kundenbezie-hungen der Banken für die Zukunft einen wichtigen Differenzierungsfaktor, um sichgegen Newcomer auf dem Markt durchzusetzen: Die Bank der Zukunft zeichne sichdurch eine Mischung von Vertrauen, Sicherheit, Produktdienstleistung und Erfahrungaus. Das Vertrauen wird dabei oft an der persönlichen Beziehung von Mensch zu Menschbzw. Kundinnen und Kunden zu den Kundenberatenden festgemacht.

Die interviewten Expertinnen und Experten sind sich einig: Um die persönliche Kunden-schnittstelle betreuen zu können und das Vertrauen der Kundinnen und Kunden zu ge-winnen und zu erhalten, werden die zukünftigen Kundenberatenden eine hohe Sozial-kompetenz mitbringen müssen. Dabei steht Kundenorientierung an erster Stelle. DieKundenberatenden müssen zuhören, sollen die Kundenbedürfnisse – vielleicht sogarbesser als die Kundinnen und Kunden selbst – erkennen können und diese jederzeit indem Mittelpunkt stellen.15

2.2.3 Gewichtung von Fachkompetenz und weiterführenden Kompetenzen

Wenn Kundinnen und Kunden sich bereits vor ihrem ersten Kontakt mit Kundenbera-tenden online über Produkte und Anlagemöglichkeiten informieren, dann schwindet derWissensvorsprung der Kundenberatenden.16 Dies bedeutet, dass die Erwartungen an dieFachkompetenz der Kundenberatenden steigen, damit ihre Beratungsdienstleistung fürKundinnen und Kunden einen effektiven Mehrwert bieten kann.17

In einer sich immer schneller verändernden Welt, in der die Fakten von heute morgen be-reits wieder überholt sind, d.h. die „Halbwertzeit des Wissens“ stetig abnimmt, verliertFachwissen als solches aber gleichzeitig seine Vorrangstellung für die Arbeitsmarktfähig-keit von Personen (Employability).18

15 Vgl. Uldry, 2017.16 Vgl. Auge-Dickhut et al., 2014, S. 90.17 Swisscom, 2015, S. 26.18 Vgl. Lerch, 2016; vgl. Porath, 2010.

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Gemäß Jane Porath ist das Fehlen von nicht-fachlichen Schlüsselkompetenzen wie „Ab-straktions-, moralisch-ethische, methodische, gestalterische und soziale Kompetenzen,Selbstwahrnehmung und Problemlösungs- und Entscheidungsfähigkeit“19 bei Bewer-benden ein Grund dafür, warum Lehrstellen in deutschen Unternehmen trotz genügendvorliegender Bewerbungen unbesetzt bleiben.

Demgegenüber ist eine zunehmende Bedeutung der überfachlichen Kompetenzen wieSozialkompetenz oder Medienkompetenz zu beobachten: So kommen Lothar Abicht,Horst Bärwald und Reinhard Greim zu dem Schluss, dass sich die veränderten „Anfor-derungen [im Finanzbereich] insbesondere auf allgemeine, berufsfeldübergreifende fach-liche Grundkompetenzen beziehen, aber auch auf überfachliche Kompetenzen, die zu-meist den sogenannten Softskills zuzuordnen sind.“20

Eine explorative Studie der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ) zeigt in Bezug aufkaufmännische Berufsbilder, dass zukünftig Personen mit einer kaufmännischen Aus-bildung vermehrt „in einer koordinierenden Schnittstellenfunktion, verbunden mit einerklaren Kundenorientierung agieren. Ausserdem sollten Bedienungskompetenzen fürdigitale Tools stärker beachtet werden.“21

Als Grund für diese Entwicklung sehen Sybille Sachs, Claude Meier und VanessaMcSorley die Automatisierung von Routinetätigkeiten in kaufmännischen Berufen. Sieverweisen daher auf die zwingende Notwendigkeit, bereits während der Ausbildung insämtlichen kaufmännischen Berufsbildern stärker in überfachliche Kompetenzen zu in-vestieren.22

2.2.4 DRP-Modell© zur Befähigung der Mitarbeitenden

André Rauschert und Stephan Preuss haben gemeinsam das Digitale Befähigungsmodellentwickelt, welches aus einer „Analyse von über 50 Projekten die Stellschrauben für denDigitalen Wandel deutscher Unternehmen“ ableitet.23 Demnach bezieht sich die digitaleWandlungsfähigkeit auf die fünf Aspekte Führung, Fundamente, Team, Umfeld undAgilität und eine darauf gerichtete Retrospektive.

Die Führung hat die Aufgabe, Klarheit über die notwendigen Veränderungen zu schaf-fen. Die Fundamente sollen die Arbeitsfähigkeit sicherstellen. Das Team ist in den Digi-

19 Porath, 2010, S. 263.20 isw, 2002, S. 31.21 Sachs et al., 2016, S. 3.22 Sachs et al., 2016.23 Rauschert/Preuss, 2015.

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Kompetenzanforderungen an Kundenberater im digitalen Private Banking

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talisierungsprozess zu integrieren und zu befähigen. Dazu ist ein Umfeld zu schaffen,welches den Austausch untereinander fördert. Die Agilität stellt dabei die Kundinnenund Kunden ins Zentrum.

Abbildung 4: DRP-Modell©

Quelle: Rauschert/Preuss, 2015

Ausgehend von dem DRP-Modell kann der digitale Reifegrad von Unternehmen analy-siert werden.

Es können die Stärken eines Unternehmens und der dementsprechende Handlungs-bedarf ermittelt werden. Damit die Umsetzung der Digitalisierung in einer Unterneh-mung als gelungen bezeichnet werden kann, ist es wichtig, dass die Mitarbeitenden in denGestaltungsprozess der Digitalisierung einer Unternehmung miteinbezogen werden.Dabei ist es wesentlich, dass die Geschäftsleitung eine klare Vorstellung der effektiven

DRPTM TeamMitarbeiter befähigen und integrierenAgilität

Iterative Umsetzung sicherstellen

Retrospektive

FührungKlarheit über Veränderungen verschaffen

UmfeldLernenden-austauschermöglichen

12

3

45

FundamenteArbeitsfähigkeit herstellen

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Umsetzung hat. Außerdem ist es ratsam, bereits vorhandenes Wissen in der Unterneh-mensorganisation rasch für alle verfügbar zu machen.

3 Fazit

Was bedeuten die obigen Entwicklungen für die Kompetenzen der Bankmitarbeitenden?Im Netzwerkzeitalter ist durch die hohe Verzahnung eine deutlich eigenständigere Ar-beitsweise gefordert – die heute z.B. unter dem Stichwort Holocracy beschrieben wird.Aufgrund flacherer Hierarchien und oftmals hohem Zeitdruck wird es immer notwendi-ger, zum einen selbständig und eigenverantwortlich zu arbeiten und zum anderen die ar-gumentative Verzahnung mit Partnern im Wertschöpfungsprozess proaktiv zu gestalten.

Eine Entwicklung hin zur „Kultur des besseren Arguments“ und der faktenbasiertenEntscheidungsfindung unter Berücksichtigung aller relevanten Faktoren erfordert vomIndividuum die Fähigkeit, andere Sichtweisen und Argumente rein im Sinne der Sacheund der besseren Entscheidung zu betrachten.

Abbildung 5: Neue Rahmenbedingungen in der digitalen Arbeitswelt

Quelle: in Anlehnung an Koye, 2005

Industriezeitalter Digitales Zeitalter

Hierarchie Vernetzung

Hierarchiestufen

Mitarbeiterstellung

Vernetzung

Arbeitsabläufe

Einfluss und Macht

Mitwirkungsumfang

Organisatorische Ausrichtung

Wich�gstes Ziel

Viele

Austauschbar, gehorsam, angepasst

Gering

Streng geregelt, starre Zuständigkeiten

Abhängig von Hierarchieebenen

Gering

Betriebswirtscha�lich

Output-Maximierung

Wenige

Engagiert, loyal, informiert, selbständig

Hoch

Flexibel, ad hoc, Projektorganisa�on

auf Zeit

Abhängig von Wissen und Können

Groß

Eigeninteresse, Betrieb und

Gemeinscha�

Effek�ver Kundenmehrwert und

kri�sche Masse

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Die zukünftigen Rollen und Aufgaben von Beratern im Private Banking liegen im Mana-gen der Kundenschnittstelle, im Aufbau von Vertrauen, im Lösen von komplexen Prob-lemen, in der Sichtung und Priorisierung von Kundenanliegen, in der Zusammenarbeitmit Fachspezialistinnen und Fachspezialisten im Rahmen von Co-Beratungsgesprächenund in der „Zusammenarbeit“ und Anwendung von neuen Tools. Daraus abgeleitet wer-den Sozial-, Fach- und Medienkompetenzen an Bedeutung gewinnen, ebenso wie ver-netztes Denken und zeitliche sowie fachliche und empathische Flexibilität.24

Der Erfolg agiler Teams entscheidet sich genau an dieser Schnittstelle – nur wenn Ver-trauen und multilaterale Argumentenprüfung Hand in Hand gehen, werden wirklichzielführende Lösungen entstehen. Engagierte, loyale, selbständige und gut informierteMenschen werden sich in Zukunft in solchen Kulturen, in denen sie eigenverantwortlichund verzahnt wirken können, deutlich bevorzugt einbringen. Einfluss wird in solchenSystemen zunehmend durch Know-how und effektiven Mehrwert entstehen.

Die Nutzenoptimierung des Gesamtsystems bleibt weiterhin das Hauptziel unternehme-rischer Aktivitäten, aber aufgrund der großen Transparenz im digitalen Zeitalter gelingtdies nur, wenn effektiver Mehrwert so geschaffen wird, dass die Kunden diesen auch zuentschädigen bereit sind – und gleiches gilt auf der Ebene der persönlichen fachlichen undsozialen Kompetenzen auch für die Mitarbeitenden.

Literatur

Auge-Dickhut, S./Koye, B., 2017, Der strategische Imperativ, in: Die Bank (08/2017),S. 70-73.

Auge-Dickhut, S./Koye, B./Liebetrau, A., 2014, Client Value Generation – Das ZürcherModell der kundenzentrierten Bankenarchitektur, Wiesbaden.

Boekhout, R., 2015, Smart Banking: Als Bank erfolgreich im digitalen Neuland navigie-ren, in: Becker, T./Knop, C. (Hg.), Digitales Neuland – Warum Deutschlands Managerjetzt Revolutionäre werden, Wiesbaden, S. 113-125.

Dewe, B./Sander, S., 1996, Medienkompetenz und Erwachsenenbildung, in: Rein, A. von(Hg.), Medienkompetenz als Schlüsselbegriff, Heilbrunn, S. 123-142.

24 Vgl. Uldry, 2017.

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Hays/Pierre Audoin Consultants (PAC), 2016, Banken im digitalen Wandel – Neue The-men, Kompetenzen und Strukturen, verfügbar unter https://www.hays.de/documents/10192/118775/hays-studie-branchenreport-banken-2016.pdf/5c5b5373-1cf6-41ee-93f7-4d75803b32ea, Zugriff am 05.02.2017.

Institut für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung Halle-Leipzig e.V. (isw) (Hg.),2002, Finanzdienstleistungen im Umbruch – Konsequenten für Qualifikationsentwick-lung von Bankangestellten. Branchenbericht zum Projekt Trendqualifikationen als Basiszur Früherkennung von Qualifikationsentwicklungen, Halle.

Koye, B., 2005, Private Banking im Informationszeitalter, Bern.

Lerch, S., 2016, Selbstkompetenzen – Eine erziehungswissenschaftliche Grundlage,Wiesbaden.

Porath, J., 2010, Die Halbwertzeit des Wissens und ihre Implikationen für zeitgemäßeArbeits- und Berufsorientierung, in: Behrends, S./Bloemen, A./Mokwinski, B./Schröder,W. (Hg.), Wissen und Wissensmanagement – Chancen in der Wirtschaftskrise, Olden-burg, S. 263-280.

Sachs, S./Meier, C./McSorley, V., 2016, Digitalisierung und die Zukunft kaufmännischerBerufsbilder – eine explorative Studie, verfügbar unter https://fh-hwz.ch/content/uploads/2016/11/Digitalisierung-und-die-Zukunft-betriebswirtschaftlicher-Berufsbilder_Schlussbericht.pdf, Zugriff am 01.04.2017.

Swisscom, 2015, Digitales Anlegen – Momentaufnahme 2015 und Ausblick 2020,Worblaufen.

Uldry, Y., 2017, Rollen & Kompetenzen von Bankkundenberatenden im digitalen Zeit-alter, Masterarbeit an der Kalaidos Fachhochschule, Zürich, unveröffentlicht.

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