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Oliver von Colson, Technische Dokumentation von Colson, Schwerte DIN EN 1247 (12/2010) – Gießereimaschinen Sicherheitsanforderungen für Pfannen, … Woher kommen die Forderungen der DIN EN 1247? Seit dem 29. Dezember 2009 ist die neue Maschinenrichtlinie 2006/42/EG ver- bindlich anzuwenden. Darin werden von allen Herstellern der europäischen Ge- meinschaft sowie von den in die EG importierenden Herstellern das Einhalten detaillierter Sicherheitsmaßnahmen bei der Konstruktion, Fertigung und Instruk- tion ihrer Maschinen gefordert. Um die Sicherheits- und Gesundheitsanforde- rungen in allen Tätigkeitsbereichen erfüllen zu können, geht der Gesetzgeber von einem sehr hohen Schutzziel für das tätig werdende Personal an den Ma- schinen aus. Wie bereits bei der „alten“ Maschinenrichtlinie regelt auch die Maschinenrichtli- nie 2006/42/EG nicht, wie die einzelnen Sicherheitsanforderungen im Detail zu erfüllen sind. Gleichwohl sind allgemeine Sicherheitsziele definiert, die der Her- steller einer Maschine realisieren muss. Auf welche Art und Weise diese Sicher- heitsziele erreicht werden, bleibt im Prinzip jedem selbst überlassen. Der kon- struktive und fertigungstechnische Werdegang einer Maschine muss allerdings in Form einer technischen Dokumentation für mindestens 10 Jahre nachprüfbar festgehalten werden. Zur maßgeblichen Unterstützung der Hersteller sind insbesondere in den letzten Jahren internationale und nationale Regelwerke auf Grundlage der inhaltlichen Bestimmungen der verschiedenen EG-Richtlinien entstanden. Diese Regelwerke können den Herstellern als Normengrundlage dienen. Die Normen zur Sicherheit von Maschinen werden dazu in 3 hierarchische Kate- gorien (Typ A-, B- oder C-Norm) unterteilt: Typ A-Normen (Sicherheitsgrundnorm) Diese Normen behandeln Grundbegrie, Gestaltungsleitsätze und allgemeine Aspekte, die für alle Maschinen verbindlich sind. Beispiel: DIN EN ISO 12100-1 – Sicherheit von Maschinen, Allgemeine Gestal- tungsleitsätze, Risikobeurteilung und Risikominderung Typ B-Normen (Sicherheitsgruppennormen) Diese Normen behandeln einen Sicherheitsaspekt (z. B. Sicherheitsabstände) oder eine Art von sicherheitsbedingten Einrichtungen (z. B. Verriegelungsein- richtung), die für eine ganze Reihe von Maschinen verwendet werden können. Beispiel: DIN EN ISO 13857 – Sicherheit von Maschinen, Sicherheitsabstände gegen das Erreichen von Gefährdungsbereichen mit den oberen und unteren Gliedmaßen Typ C-Normen (Maschinensicherheitsnormen) Diese Normen behandeln detaillierte Sicherheitsanforderungen für eine be- stimmte Maschine und haben auf Grund ihrer Spezifizierung Vorrang vor den A- und B-Normen. Beispiel: DIN EN 1247 – Gießereimaschinen, Sicherheitsanforderungen für Pfannen, Gießeinrichtungen, Schleudergießmaschinen, … Die Anwendung einer C-Norm ist gesetzlich nicht bindend, allerdings muss ein Maschinenhersteller nachvollziehbar dokumentieren, dass er die in der C-Norm

DIN EN 1247 (12/2010) - foundry-service.de · Oliver von Colson, Technische Dokumentation von Colson, Schwerte DIN EN 1247 (12/2010) – Gießereimaschinen Sicherheitsanforderungen

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Oliver von Colson, Technische Dokumentation von Colson, Schwerte

DIN EN 1247 (12/2010) – GießereimaschinenSicherheitsanforderungen für Pfannen, …Woher kommen die Forderungen der DIN EN 1247?Seit dem 29. Dezember 2009 ist die neue Maschinenrichtlinie 2006/42/EG ver-bindlich anzuwenden. Darin werden von allen Herstellern der europäischen Ge-meinschaft sowie von den in die EG importierenden Herstellern das Einhalten detaillierter Sicherheitsmaßnahmen bei der Konstruktion, Fertigung und Instruk-tion ihrer Maschinen gefordert. Um die Sicherheits- und Gesundheitsanforde-rungen in allen Tätigkeitsbereichen erfüllen zu können, geht der Gesetzgeber von einem sehr hohen Schutzziel für das tätig werdende Personal an den Ma-schinen aus. Wie bereits bei der „alten“ Maschinenrichtlinie regelt auch die Maschinenrichtli-nie 2006/42/EG nicht, wie die einzelnen Sicherheitsanforderungen im Detail zu erfüllen sind. Gleichwohl sind allgemeine Sicherheitsziele definiert, die der Her-steller einer Maschine realisieren muss. Auf welche Art und Weise diese Sicher-heitsziele erreicht werden, bleibt im Prinzip jedem selbst überlassen. Der kon-struktive und fertigungstechnische Werdegang einer Maschine muss allerdings in Form einer technischen Dokumentation für mindestens 10 Jahre nachprüfbar festgehalten werden. Zur maßgeblichen Unterstützung der Hersteller sind insbesondere in den letzten Jahren internationale und nationale Regelwerke auf Grundlage der inhaltlichen Bestimmungen der verschiedenen EG-Richtlinien entstanden. Diese Regelwerke können den Herstellern als Normengrundlage dienen.Die Normen zur Sicherheit von Maschinen werden dazu in 3 hierarchische Kate-gorien (Typ A-, B- oder C-Norm) unterteilt: Typ A-Normen (Sicherheitsgrundnorm)

Diese Normen behandeln Grundbegriffe, Gestaltungsleitsätze und allgemeine Aspekte, die für alle Maschinen verbindlich sind.Beispiel: DIN EN ISO 12100-1 – Sicherheit von Maschinen, Allgemeine Gestal-tungsleitsätze, Risikobeurteilung und Risikominderung

Typ B-Normen (Sicherheitsgruppennormen)Diese Normen behandeln einen Sicherheitsaspekt (z. B. Sicherheitsabstände) oder eine Art von sicherheitsbedingten Einrichtungen (z. B. Verriegelungsein-richtung), die für eine ganze Reihe von Maschinen verwendet werden können.Beispiel: DIN EN ISO 13857 – Sicherheit von Maschinen, Sicherheitsabstände gegen das Erreichen von Gefährdungsbereichen mit den oberen und unteren Gliedmaßen

Typ C-Normen (Maschinensicherheitsnormen)Diese Normen behandeln detaillierte Sicherheitsanforderungen für eine be-stimmte Maschine und haben auf Grund ihrer Spezifizierung Vorrang vor den A- und B-Normen.Beispiel: DIN EN 1247 – Gießereimaschinen, Sicherheitsanforderungen für Pfannen, Gießeinrichtungen, Schleudergießmaschinen, …

Die Anwendung einer C-Norm ist gesetzlich nicht bindend, allerdings muss ein Maschinenhersteller nachvollziehbar dokumentieren, dass er die in der C-Norm

sowie der Maschinenrichtlinie geforderten Schutzziele in vollem Umfang erreicht hat. Daher ist es empfehlenswerte die harmonisierten europäischen Normen an-zuwenden.Nur harmonisierte europäische Normen bewirken bei ihrer Anwendung die Ver-mutung der Konformität mit den grundlegenden Anforderungen von EG-Richtli-nien. Die Anwendung des Vermutungsprinzips auf eine bestimmte Maschine setzt voraus, dass dafür eine Norm existiert, die hinreichend konkret ist (Typ C-Norm). Die alleinige Anwendung von Normen des Typs A und B rechtfertigen ei-ne solche Vermutung nicht. Sind für bestimmte Maschinen keine Typ C-Normen vorhanden (dies ist häufig der Fall) oder werden Gefährdungen in einer vorhan-denen Produktnorm nicht behandelt, so können die Beschaffenheitsanforderun-gen nach den zur Verfügung stehenden Normen des Typs A und B realisiert wer-den, ggf. sind zusätzliche Maßnahmen erforderlich.

Was bedeutet die DIN EN 1247 für die Herstellung und den Betrieb von Pfannen?Die aktuelle Fassung der DIN EN 1247, Ausgabe 12/2010 ersetzt in vollem Um-fang die Ausgabe 10/2004 und beinhaltet deutliche Änderungen sowie Ergän-zungen. In den nachfolgenden Ausführungen werden ausschließlich Änderungen sowie Ergänzungen bezogen auf Pfannen betrachtet. Alle anderen Maschinenty-pen, die ebenfalls in der DIN EN 1247 behandelt werden, werden hier nicht wei-ter betrachtet.Unverändert geblieben ist der Anwen-dungsbereich der Norm, in dem die ver-schiedenen Maschinen und Einrichtun-gen, die direkt oder indirekt für die Her-stellung von Gussteilen eingesetzt wer-den, bestimmt sind. Darüberhinaus wer-den im Anwendungsbereich die einzel-nen Sicherheitsanforderungen (z. B. Schutz gegen Berührung heißer Teile) festgelegt.Wesentliche Änderungen sowie Ergän-zungen finden sich in den zahlreichen Tabellen, die signifikante Gefährdungen, Gefährdungssituationen, Sicherheitsfor-derungen und/oder -maßnahmen zu den einzelnen Maschinen auflisten.Für Pfannen ergeben sich daraus fol-gende neue Forderungen: Die korrekte Schwerpunktlage einer

Pfanne ist für die Sicherheit des Bedi-enpersonals und die Bedienbarkeit beim Kippen ganz elementar.Aus diesen Gründen müssen Stahl-gießpfannen mit Hilfshubkippantrieb so ausgeführt sein, dass der Schwer-punkt der Pfanne in jeder Betriebsphase – entleert oder befüllt – stets unter-halb der Tragzapfenachse liegen muss. Eine nachträgliche Veränderung der Pfanne durch Erhöhung des Kessels oder durch dünnwandigere Feuerfestaus-kleidungen verändert die Schwerpunktlage maßgeblich und ist deshalb nicht zulässig.Für hand-, druckluft- und elektrogetriebene Pfannen gilt, dass die Schwer-

punktlage konstruktiv so ausgelegt werden muss, dass das vorhandene Bremsmoment des Antriebs in jeder Betriebsphase nicht überlastet wird.

Der überwiegende Teil der Pfannen ist mit Getrieben ausgestattet. Mit Hilfe eines Handrads, Druckluft- oder Elektromotors wird der Kessel durch die Un-tersetzung des Getriebes gekippt. Aus Sicherheitsgründen müssen die Getrie-be mit einer Bremsfeder ausgerüstet sein, die die Bedingung einer dynamische Selbsthemmung gewährleistet. Dies ist erfüllt, wenn der Antrieb sofort oder nach kurzer Zeit stehen bleibt, auch wenn an der Abtriebsseite noch ein Drehmoment wirkt.Für Pfannen mit Getriebe wird nun in der DIN EN 1247 eine regelmäßige Ü-berprüfung des Abtriebs- und Bremsmoments gefordert, um die dynamische Selbsthemmung sicherzustellen.

Übliche bisherige Praxis war, das Gehänge bei entleerter Pfanne langsam herunter zu lassen. Hielt sich das Gehän-ge im schräg stehenden Zu-stand wurde das Bremsmo-ment für in Ordnung befun-den, bewegte sich das Ge-hänge von alleine weiter bis zum Bodenkontakt, musste es ausgetauscht werden. Hierbei ging man irrtümli-cherweise davon aus, dass das schräg stehenden Ge-hänge ein ähnliches Brems-moment erfordert, wie eine

befüllten Pfanne während des Betriebs.Zukünftig muss das Getriebe mindestens alle 2 Jahre demontiert, Abtriebs- sowie Bremsmoment auf einem Prüfstand gemessen und die resultierenden Daten dokumentiert werden.

Eine besondere Gefahrensituation ergibt sich durch das Herunterfallen einer angehobenen Pfanne. Dies kann insbesondere durch Verschleiß, Bruch und Ausreißen von Bauteilen verursacht werden. Um dies zu vermeiden, muss je-der Hersteller einen statischen Festigkeitsnachweis erbringen, in dem mit ei-nem Sicherheitsbeiwert von 2 gerechnet werden muss.Darüber hinaus müssen die an den Kesselseiten konzentrisch in den Tragring eingesetzten Tragzapfen mit diesen verschweißt und der Kesselinnenwand verbunden sein. Kesselwand und Pfannenboden werden mit einer durchgehenden Schweißnaht miteinander verbunden. Dabei müssen die Pfannenböden als flacher Boden oder als Ronde, ggf. mit Verstärkungsrippen, ausgeführt werden.

Der Transport von Pfannen mit Hilfe von Staplern führte immer wieder zu schweren Unfällen. Ursächlich waren hier meist mangelnde Sicherungen der Pfanne mit dem Stapler, so dass die Pfanne beim plötzlichen Bremsvorgang unkontrolliert von den Staplergabeln rutschen konnte. Hierzu müssen zu-künftig mechanische Verriegelungen zwischen Pfanne und Gabelstapler vor-gesehen werden. Wie diese aussehen müssen, ist in der Norm nicht weiter ge-regelt und daher dem Hersteller/Betreiber überlassen.

Fazit der DIN EN 1247 für PfannenGrundsätzlich betrachtet stellt die neue DIN EN 1247 eine Weiterführung des Si-cherheitskonzepts für Maschinen der europäischen Gemeinschaft dar. Erfahrun-gen der verschiedenen nationalen Behörden und Produkthersteller haben dazu

geführt, dass verbesserte Sicherheitsanforderungen sowie -maßnahmen für die Herstellung und den Betrieb von Pfannen erarbeitet und veröffentlicht worden sind.Mit Hilfe dieser erweiterten Typ C-Norm sind sowohl Hersteller als auch Betrei-ber aufgefordert, dem tätig werdenden Personal an und mit den Pfannen ein Höchstmaß an Sicherheit anzubieten.Da internationale Richtlinien und Normen nach EG-Recht auch immer eine natio-nale Umsetzung mit sich bringen, wird gegenwärtig an der Überarbeitung der berufsgenossenschaftlichen Informationsschrift (BGI) 601 – Prüfung von Pfannen – gearbeitet. Dies berichtete Herr Eßbach von der fusionierten BG Holz u. Metall Düsseldorf (ehemals MMBG). Auch wird in diesem Zusammenhang auf die be-rufsgenossenschaftliche Regel (BGR) 500 Kap. 2.21 Gießereien verwiesen.

Fotos von der Foundry Service GmbH, Hemer• Krangießpfanne-0,5 t• Getriebeprüfstand