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Schmerz 2012 · 26:587–599 DOI 10.1007/s00482-012-1247-0 Online publiziert: 28. September 2012 © Deutsche Schmerzgesellschaft e.V.   Published by Springer-Verlag -   all rights reserved 2012 C. Klein · S. Stiel · J. Bükki · C. Ostgathe Palliativmedizinische Abteilung, Universitätsklinikum Erlangen  Medikamentöse Therapie der  gastrointestinalen Obstruktion  bei schwerkranken und  sterbenden Patienten Eine systematische Literaturübersicht Der Begriff „gastrointestinale Obstruk- tion“ (GIO) umschreibt unterschiedli- che Formen von Passagebehinderungen des Magen-Darm-Trakts. Hierzu gehö- ren partielle (Subileus) oder komplette Verschlüsse des Darmlumens (mecha- nischer Ileus). Pathophysiologisch muss hiervon der paralytische Ileus abgegrenzt werden, der auf einer Störung der Darm- peristaltik beruht [1, 2]. Die GIO im Rah- men von Tumorerkrankungen bezeich- net ein heterogenes klinisches Syndrom, das oft durch primär oder sekundär in- traperitoneal wachsende Neubildungen bedingt ist. Die Inzidenz der GIO im Rahmen fort- geschrittener Tumorerkrankungen liegt insgesamt bei 3–6% [3]. Bei einzelnen Tu- morentitäten tritt sie deutlich häufiger auf [4]. Die Prävalenz bei Ovarialkarzinomen beträgt 20–50% [5], bei kolorektalen Tu- moren 7–29% [6]. Die Symptomatik und deren Dynamik sind abhängig vom Schweregrad und der Höhe der Obstruktion. Eine GIO am Ma- genausgang (Duodenum) ist typischer- weise mit Erbrechen großer Mengen un- verdauter Speisen und leichten bis mitt- leren Schmerzen bei eher nicht gebläh- tem Abdomen assoziiert [7]. Die GIO des Dünndarms führt oftmals zu Schmerzen kolikartigen Charakters im Oberbauch. Aufgrund des größeren Reservoirs tritt Erbrechen nicht so häufig auf wie bei ho- her Obstruktion, das Abdomen ist jedoch häufiger gebläht. Findet sich die GIO im Dickdarm, so beklagen Patienten oft Schmerzen paraumbilikal und im Unter- bauch, oft weisen sie ein stark aufgetrie- benes Abdomen auf. Miserere tritt hier als Spätsymptom auf. Weitere mögliche be- lastende Symptome bei GIO sind Mund- trockenheit, Übelkeit, paradoxe Diarrhö, Obstipation, Singultus, Anorexie und De- hydration [8]. Sind kausale therapeutische Maßnah- men, z. B. eine operative Umgehung der Obstruktion [9, 10], zur Wiederherstel- lung der Darmpassage ausgeschlossen, so stehen medikamentöse Maßnahmen im Vordergrund. Hierbei gilt es, zwei grund- sätzlich verschiedene Ansätze abzuwä- gen. Ist das Therapieziel eine Wiederher- stellung der Passage, finden neben proki- netischen Pharmaka und Laxanzien auch Kortikosteroide zur Ödemreduktion Ver- wendung. Ist eine medikamentöse Wie- derherstellung der Darmpassage ausge- schlossen, werden neben Analgetika und Antiemetika insbesondere Pharmaka ein- gesetzt, die eine Verminderung der intra- luminalen Sekretion zum Ziel haben [3, 11, 12]. Bei primär nicht stillbarer Übel- keit und Erbrechen kann durch die Anla- ge einer nasogastralen Sonde oder durch die perkutane Gastrostomie eine Entlas- tung herbeigeführt werden. Diese Maß- nahme kann sowohl bei dem Versuch der Wiederherstellung der Magen-Darm-Pas- sage als auch bei rein symptomorientier- ten Behandlungen hilfreich und sinnvoll sein [13]. Insbesondere im Hinblick auf den ster- benden Patienten sind invasive, operative Maßnahmen in aller Regel nicht mehr angezeigt, in den Vordergrund rückt die bestmögliche medikamentöse Linderung der belastenden Symptome. Die poten- zielle Wiederherstellung der Darmpassa- ge wird sich in der Finalphase nur in sehr wenigen ausgewählten Fällen ohne zu- sätzliche Symptomlast für den Patienten erreichen lassen [14]. Die hier vorliegende Arbeit analy- siert systematisch die existierende Evi- denz spezifischer medikamentöser The- rapien bei GIO bei Patienten mit onko- logischen und nichtonkologischen Er- krankungen mit Fokus auf die letzten Ta- ge des Lebens. Material und Methoden Zwischen April und August 2011 wurde eine systematische Literatursuche in den Datenbanken PubMed/MEDLINE und Embase für die Jahre 1966 bis 2011 durch- geführt, um relevante Studien zu identi- fizieren. Die angewendete Suchstrategie war exemplarisch von der Arzneimittel- kommission der deutschen Ärzteschaft vorgegeben und wurde auf die konkrete Fragestellung abgestimmt (. Tab. 1). Ein Abgleich mit möglichen Medi- cal-Subject-Headings(MeSH)-Begrif- fen erfolgte anhand der MeSH-Daten- bank. Zur Festlegung relevanter Sympto- me und Medikamente für die Literatur- Schwerpunkt Zusatzmaterial online Dieser Beitrag enthält zusätzlich eine   englische Fassung.  Dieses Supplemental finden Sie unter:  dx.doi.org/10.1007/s00482-012-1247-0 587 Der Schmerz 5 · 2012|

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Schmerz 2012 · 26:587–599DOI 10.1007/s00482-012-1247-0Online publiziert: 28. September 2012© Deutsche Schmerzgesellschaft e.V.  Published by Springer-Verlag -  all rights reserved 2012

C. Klein · S. Stiel · J. Bükki · C. OstgathePalliativmedizinische Abteilung, Universitätsklinikum Erlangen 

Medikamentöse Therapie der gastrointestinalen Obstruktion bei schwerkranken und sterbenden Patienten

Eine systematische Literaturübersicht

Der Begriff „gastrointestinale Obstruk-tion“ (GIO) umschreibt unterschiedli-che Formen von Passagebehinderungen des Magen-Darm-Trakts. Hierzu gehö-ren partielle (Subileus) oder komplette Verschlüsse des Darmlumens (mecha-nischer Ileus). Pathophysiologisch muss hiervon der paralytische Ileus abgegrenzt werden, der auf einer Störung der Darm-peristaltik beruht [1, 2]. Die GIO im Rah-men von Tumorerkrankungen bezeich-net ein heterogenes klinisches Syndrom, das oft durch primär oder sekundär in-traperitoneal wachsende Neubildungen bedingt ist.

Die Inzidenz der GIO im Rahmen fort-geschrittener Tumorerkrankungen liegt insgesamt bei 3–6% [3]. Bei einzelnen Tu-morentitäten tritt sie deutlich häufiger auf [4]. Die Prävalenz bei Ovarialkarzinomen beträgt 20–50% [5], bei kolorektalen Tu-moren 7–29% [6].

Die Symptomatik und deren Dynamik sind abhängig vom Schweregrad und der Höhe der Obstruktion. Eine GIO am Ma-genausgang (Duodenum) ist typischer-weise mit Erbrechen großer Mengen un-verdauter Speisen und leichten bis mitt-leren Schmerzen bei eher nicht gebläh-tem Abdomen assoziiert [7]. Die GIO des Dünndarms führt oftmals zu Schmerzen kolikartigen Charakters im Oberbauch. Aufgrund des größeren Reservoirs tritt Erbrechen nicht so häufig auf wie bei ho-her Obstruktion, das Abdomen ist jedoch häufiger gebläht. Findet sich die GIO

im Dickdarm, so beklagen Patienten oft Schmerzen paraumbilikal und im Unter-bauch, oft weisen sie ein stark aufgetrie-benes Abdomen auf. Miserere tritt hier als Spätsymptom auf. Weitere mögliche be-lastende Symptome bei GIO sind Mund-trockenheit, Übelkeit, paradoxe Diarrhö, Obstipation, Singultus, Anorexie und De-hydration [8].

Sind kausale therapeutische Maßnah-men, z. B. eine operative Umgehung der Obstruktion [9, 10], zur Wiederherstel-lung der Darmpassage ausgeschlossen, so stehen medikamentöse Maßnahmen im Vordergrund. Hierbei gilt es, zwei grund-sätzlich verschiedene Ansätze abzuwä-gen. Ist das Therapieziel eine Wiederher-stellung der Passage, finden neben proki-netischen Pharmaka und Laxanzien auch Kortikosteroide zur Ödemreduktion Ver-wendung. Ist eine medikamentöse Wie-derherstellung der Darmpassage ausge-schlossen, werden neben Analgetika und Antiemetika insbesondere Pharmaka ein-gesetzt, die eine Verminderung der intra-luminalen Sekretion zum Ziel haben [3, 11, 12]. Bei primär nicht stillbarer Übel-keit und Erbrechen kann durch die Anla-ge einer nasogastralen Sonde oder durch die perkutane Gastrostomie eine Entlas-tung herbeigeführt werden. Diese Maß-nahme kann sowohl bei dem Versuch der Wiederherstellung der Magen-Darm-Pas-sage als auch bei rein symptomorientier-ten Behandlungen hilfreich und sinnvoll sein [13].

Insbesondere im Hinblick auf den ster-benden Patienten sind invasive, operative Maßnahmen in aller Regel nicht mehr angezeigt, in den Vordergrund rückt die bestmögliche medikamentöse Linderung der belastenden Symptome. Die poten-zielle Wiederherstellung der Darmpassa-ge wird sich in der Finalphase nur in sehr wenigen ausgewählten Fällen ohne zu-sätzliche Symptomlast für den Patienten erreichen lassen [14].

Die hier vorliegende Arbeit analy-siert systematisch die existierende Evi-denz spezifischer medikamentöser The-rapien bei GIO bei Patienten mit onko-logischen und nichtonkologischen Er-krankungen mit Fokus auf die letzten Ta-ge des Lebens.

Material und Methoden

Zwischen April und August 2011 wurde eine systematische Literatursuche in den Datenbanken PubMed/MEDLINE und Embase für die Jahre 1966 bis 2011 durch-geführt, um relevante Studien zu identi-fizieren. Die angewendete Suchstrategie war exemplarisch von der Arzneimittel-kommission der deutschen Ärzteschaft vorgegeben und wurde auf die konkrete Fragestellung abgestimmt (. Tab. 1).

Ein Abgleich mit möglichen Medi-cal-Subject-Headings(MeSH)-Begrif-fen erfolgte anhand der MeSH-Daten-bank. Zur Festlegung relevanter Sympto-me und Medikamente für die Literatur-

Schwerpunkt

Zusatzmaterial online

Dieser Beitrag enthält zusätzlich eine  englische Fassung. Dieses Supplemental finden Sie unter: dx.doi.org/10.1007/s00482-012-1247-0

587Der Schmerz 5 · 2012  | 

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suche wurde eine sinnvolle Eingrenzung in der Arbeitsgruppe vorgenommen, zu-dem wurden führende Lehrbücher, z. B. das Oxford Textbook of Palliative Medici-ne, auf relevante Passagen hin überprüft [14, 15, 16].

Alle in der systematischen Literatur-suche erfassten Publikationen wurden anhand von Titel und Zusammenfas-sung auf Relevanz in Bezug auf die Fra-gestellung überprüft. Bei Unsicherheiten erfolgte die Beurteilung anhand des Ge-samttexts. In weiteren Auswahlschritten wurden alle inhaltlich und methodisch relevanten Publikationen ausgewählt und für die hier vorliegende Auswertung ver-wendet. Die Literatursuche und Beurtei-lung erfolgte durch SS und CK unabhän-gig voneinander. Bei Uneinigkeit bezüg-lich der Relevanz einzelner Arbeiten er-folgte eine Klärung im Diskurs anhand der Volltexte. Eine detaillierte Darstellung der einheitlichen Vorgaben zum methodi-schen Vorgehen findet sich bei Radbruch et al. [17].

Ergebnisse

Ein- und Ausschluss von Publikationen

In der systematischen Suche anhand der vordefinierten Suchterme in PubMed/MEDLINE und Embase konnten ins-gesamt 5431 Publikationen identifiziert werden. Diese enthielten 502 Duplika-te. Aufgrund der weit gefassten Suchstra-tegie enthielt diese erste Auswahl viele Publikationen zu verwandten, aber hier nicht relevanten Themen, beispielswei-se zur Therapie von Übelkeit und Erbre-chen bei Chemotherapie. Sieben Veröf-fentlichungen mussten von der Auswer-tung ausgeschlossen werden, da sie ent-weder nicht verfügbar und auch über die Erstautoren nicht zu beziehen oder in an-deren Fremdsprachen als Englisch oder Französisch verfasst waren. Nach einer entsprechenden ersten inhaltlichen Aus-wahl wurden 90 Publikationen berück-sichtigt (. Abb. 1). Diese wurden einge-hend inhaltlich und methodisch unter-

sucht. Hierdurch konnten 21 für die Fra-gestellung relevante Originalarbeiten identifiziert werden (. Tab. 2).

Die Erweiterung der fortschreiten-den und lebensbegrenzenden Erkran-kungen um AIDS/HIV, multiple Sklero-se, amyotrophe Lateralsklerose und Herz- bzw. Lungenerkrankungen erbrachte kei-ne zusätzlichen Funde im Sinne der For-schungsfrage.

Insgesamt 30 Reviewartikel befassen sich mit dem Thema GIO und verweisen ebenfalls auf die hier identifizierten Ori-ginalarbeiten.

Kortikosteroide

Für die Verwendung von Kortikosteroi-den in der Behandlung der GIO finden sich zwei methodisch hochwertige syste-matische Arbeiten und zwei weitere klini-sche Studien.

Hardy et al. [18] führten eine doppel-blinde, placebokontrollierte Crossover-Studie an 35 Patienten durch, in der sie einer Interventionsgruppe A für 5 Tage

Tab. 1  Suchstrategie in PubMed/MEDLINE

Nr. Suchterm

#1 Search palliative OR hospice OR terminal care OR terminally ill OR End of life care

#2 Search cancer OR neoplasm OR tumour OR oncol* OR carcinoma* OR malignan*

#3 Search „Multiple Sclerosis“[MeSH] OR „Multiple Sclerosis, Chronic Progressive“[MeSH] OR „Multiple Sclerosis“[MeSH] OR „Multiple Sclerosis“ [title/abstract] OR „Amyotrophic Lateral Sclerosis“[MeSH] OR „Amyotrophic Lateral Sclerosis“[title/abstract]

#4 Search „Acquired Immunodeficiency Syndrome“[MeSH] OR „AIDS-Related Complex“[MeSH] OR „HIV“[MeSH] OR „HIV Wasting Syndrome“[MeSH] OR „HIV*“[title/abstract] OR „AIDS*“[title/abstract]

#5 Search („Lung Diseases“[MeSH] OR „Heart Diseases“[MeSH] OR „Pulmonary Heart Disease“[MeSH]) AND („progressive*“[title/abstract] OR „end-stage*“[title/abstract] OR „endstage*“[title/abstract])

#6 Search clinical trial [pt] OR clinical trials [mh] OR („clinical trial“ [tw]) OR ((singl* [tw] OR doubl* [tw] OR tripl* [tw]) AND (mask* [tw] OR blind* [tw])) OR (placebos [mh] OR placebo* [tw] OR random* [tw] OR research design [mh:noexp] OR follow-up studies [mh] OR prospective studies [mh] OR control* [tw] OR prospectiv* [tw] OR volunteer* [tw]) NOT (animals [mh] NOT humans [mh])

#7 Search (#1 OR #2 OR #3 OR #4 OR #5) AND #6

#8 Search „vomiting“[MeSH] OR „vomiting“[title/abstract] OR „nausea“[title/abstract] OR „nausea“[MeSH] OR „anorexia“[MeSH] OR „anorexia“[title/abstract] OR „hiccup“[MeSH] OR „hiccup“[title/abstract] OR „obstipation“[MeSH] OR „obstipation“[title/abstract] OR „constipation“[MeSH] OR 

„constipation“[title/abstract] OR „colic“[MeSH] OR „colic“[title/abstract] OR „diarrhoea“[MeSH] OR „diarrhoea“[title/abstract] OR „flatulence“[MeSH] OR „flatulence“[title/abstract] OR „meteorism“[MeSH] OR „meteorism“[title/abstract] OR „bowel obstruction“[MeSH] OR „bowel obstruction“[title/abstract] OR „stenosis“[MeSH] OR „stenosis“[title/abstract]

#9 Search #7 AND #8

#10 Search „anticholinergic“[MeSH] OR „steroids“[MeSH] OR „antisecretory“[MeSH] OR „hormone“[MeSH] OR „octreotide“[MeSH] OR „Dexamethasone“[MeSH] OR „scopolamine“[MeSH] OR „hyoscine butylbromide“[MeSH] OR „hyoscine hydrobromide“[MeSH] OR „Atropine“[MeSH] OR „prednisolone“[MeSH] OR „Glycopyrrolate“[MeSH] OR „lanreotide“[MeSH] OR „vapreotide“[MeSH] OR „somatostatin“[MeSH]

#11 Search „anticholinergic“[title/abstract] OR „steroids“[title/abstract] OR „antisecretory“[title/abstract] OR „hormone“[title/abstract] OR „octreotide“[title/abstract] OR „Dexamethasone“[title/abstract] OR „scopolamine“[title/abstract] OR „hyoscine butylbromide“[title/abstract] OR „hyoscine hydrobromide“[title/abstract] OR „Atropine“[title/abstract] OR „prednisolone“[title/abstract] OR „Glycopyrrolate“[title/abstract] OR „lanreotide“ [title/abstract] OR „vapreotide“[title/abstract] OR „somatostatin“[title/abstract]

#12 Search #10 OR #11

#13 Search #9 AND #12

588 |  Der Schmerz 5 · 2012

Schwerpunkt

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alle 6 h 4 mg Dexamethason i.v. und einer Kontrollgruppe B Placebo verab-reichten. Diese beiden Regime wurden getauscht, sofern nach 5 Tagen Interven-tion keine Besserung der Symptomatik auftrat. Es wurde deutlich, dass in einem

ersten Durchgang bei 15 von 22 Patienten eine Auflösung der Obstruktion erreicht werden konnte, davon wurden 10 in der Interventionsgruppe mit Dexamethason behandelt, 5 waren in der Placebogrup-pe. Nach Crossover der Durchgänge re-

agierten 6 von 13 Patienten mit einer Bes-serung der GIO; davon jeweils 3 aus der Placebo- und Interventionsgruppe. Ins-gesamt konnte also ein Therapieerfolg in Bezug auf die GIO bei 13 Patienten (62%) mit Dexamethason und 8 (38%) mit Pla-

Zusammenfassung · Abstract

Schmerz 2012 · 26:587–599   DOI 10.1007/s00482-012-1247-0© Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. Published by Springer-Verlag - all rights reserved 2012

C. Klein · S. Stiel · J. Bükki · C. Ostgathe

Medikamentöse Therapie der gastrointestinalen Obstruktion bei schwerkranken und sterbenden Patienten. Eine systematische Literaturübersicht

ZusammenfassungHintergrund.  Die gastrointestinale Obstruk-tion (GIO) findet sich mit einer Inzidenz von 3–6% bei fortgeschrittenen Tumorerkrankun-gen. Mit einem gehäuften Auftreten ist bei Patienten mit kolorektalen und gynäkologi-schen Tumorerkrankungen zu rechnen. Be-lastende Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung und Abdominalschmerzen tre-ten zunächst nur intermittierend in Erschei-nung und nehmen dann im Verlauf an In-tensität und Häufigkeit zu. Neben chirurgi-schen und endoskopischen Therapieoptio-nen sind insbesondere in der Finalphase spe-zifische symptomorientierte medikamentö-se Behandlungsstrategien für die Palliativme-dizin von Interesse. Die Evidenz pharmako-logischer Behandlungsverfahren der GIO bei lebensbegrenzenden Erkrankungen wird in dieser Studie mit besonderem Fokus auf die Sterbephase aufgearbeitet.Material und Methoden.  In den Datenban-ken PubMed/MEDLINE und Embase wur-

de eine systematische Literatursuche für den Zeitraum von 1966 bis 2011 durchgeführt. Al-le erfassten Publikationen wurden nach in-haltlich-methodischer Relevanz für die Be-antwortung der Forschungsfrage beurteilt und weiter überprüft.Ergebnisse.  Aus 5431 Suchergebnissen wurden insgesamt 90 Publikationen im De-tail analysiert; davon wurden 69 aus metho-dischen oder inhaltlichen Gründen ausge-schlossen. In der Analyse konnten 21 Publika-tionen berücksichtigt werden. Die insgesamt wenigen systematischen Studien mit oft nur geringen Fallzahlen weisen auf positive Effek-te von Somatostatinanaloga bzw. Anticho-linergika bei der Symptomkontrolle der GIO einer Tumorerkrankung hin. Hinsichtlich des Einsatzes von Kortikosteroiden sind die Er-gebnisse nicht eindeutig. Unerwünschte Arz-neimittelwirkungen werden selten berichtet.Schlussfolgerungen.  In der Zusammen-schau der Ergebnisse zeigen sich Hinweise 

auf die Wirksamkeit der sekretionshemmen-den Substanzen Octreotid und Butylscopola-min. Diese Hinweise genügen bisher jedoch nicht, um klar eine bestimmte medikamen-töse Therapie der GIO zu empfehlen. Die Au-toren raten aufgrund der vorliegenden Daten und angesichts seltener Nebenwirkungen zur Anwendung des Somatostatinanalogons Oc-treotid in erster Linie. Als Zweitlinientherapie ist die Behandlung mit dem Anticholinergi-kum Butylscopolamin zu sehen. Im Vergleich dieser Substanzgruppen sind die höheren Kosten der Somatostatinanaloga jedoch zu berücksichtigen. Die Wirksamkeit von Kortiko-steroiden im Hinblick auf die Symptomkont-rolle in der Finalphase kann auf Basis der vor-liegenden Daten nicht eingeschätzt werden.

SchlüsselwörterGastrointestinale Obstruktion ·  Palliativversorgung · Somatostatinanaloga · Anticholinergika · Kortikosteroide

Pharmacological treatment of malignant bowel obstruction in severely ill and dying patients. A systematic literature review

AbstractBackground.  Malignant bowel obstruction (MBO) occurs in 3–6% of patients suffering from advanced cancer. The incidence of MBO is highest in patients with gynaecological and colorectal malignancies. Typical symptoms in-clude nausea, vomiting, abdominal pain and constipation. Initially, these symptoms may be isolated and sporadic, becoming more and more intense later on. The suggested treat-ment includes surgical, interventional and pharmacological strategies depending on the symptom pattern and the performance status of the patient. This study investigates the cur-rent evidence of pharmacological treatment for MBO during the last days of life.Materials and methods.  A systematic lit-erature search of the electronic databases PubMed/Medline and Embase from 1966–2011 was conducted. All retrieved publica-tions were screened for relevance with regard 

to content and methodology on the basis of title and abstract. The full text was obtained for all relevant articles and for those articles where classification was unsure.Results.  The systematic literature search identified 5,431 papers. After screening, 90 publications were analyzed in detail. A to-tal of 69 publications were excluded due to content or methodology. Finally, 21 manu-scripts were considered for review. Only a few studies used high quality methodology and they all had rather small sample sizes. In sum-mary, they show weak positive signs of effi-cacy for the use of somatostatin analogues or anticholinergics in the pharmacological treat-ment of MBO.Conclusion.  These results do not lead to a clear evidence base for the pharmaco-logical treatment of MBO in the last days of life. As adverse events were infrequent 

and clinical studies suggest efficient symp-tom relief, the authors recommend the use of octreotide as the first line medi-cation. Butylscopolamine may be an al-ternative, where octreotide is not avail-able. Higher costs for octreotide compared with butylscopolamine have to be consid-ered. Available data do not allow assessing the effect of corticosteroids on symptoms caused by MBO when given during the last days of life. The English full text version of this article will be available in SpringerLink as of November 2012 (under "Supplemental").

KeywordsMalignant bowel obstruction · Palliative care · Somatostatin analogues · Anticholinergics · Corticosteroids

589Der Schmerz 5 · 2012  | 

Page 4: DOI 10.1007/s00482-012-1247-0 Medikamentöse …pctgoe/DATA/Gunnar/PALLIATIV/Langeoog_2015... · dizin von Interesse. Die Evidenz pharmako- logischer ... Pharmacological treatment

cebo erreicht werden [18]. Keine Aussage wird zum Einfluss der Studienmedikation auf die Symptomlast, z. B. Schmerz, Übel-keit und Erbrechen, unabhängig von der Auflösung der Obstruktion getroffen.

Laval et al. [19] konnten in einer ran-domisierten, doppelblinden, placebo-kontrollierten Multicenterstudie 52 Tu-morpatienten mit inoperabler GIO in 3 Gruppen einschließen: A. 15 Patienten erhielten Placebo; B. 19 Patienten 40 mg Methylprednisolon täglich für 3 Tage und C. 18 Patienten 240 mg Methylpred-nisolon täglich für 3 Tage. Die Ergebnis-se zeigen, dass zwar häufiger eine Wie-derherstellung der Darmpassage in den Interventionsgruppen erreicht wurde, dieser Unterschied aber nicht statistisch signifikant gegenüber Placebo war. Ein-zig die Subgruppe der Patienten, die bis-her nicht mit einer Magensonde zur Ent-lastung behandelt waren, profitierte sig-nifikant von der Behandlung mit Me-thylprednisolon [19]. Da die Symptom-linderung mit der Wiederherstellung der Darmpassage gleichgesetzt wurde, ist keine unabhängige Aussage zur Lin-

derung der belastenden Beschwerden bei GIO möglich.

In einer weiteren prospektiven Studie mit 80 GIO-Episoden bei Patienten mit unheilbarer Peritonealkarzinose nutzten Laval et al. [20] ein 3-stufiges kombinier-tes Behandlungsschema: 1. zunächst mit einem Kortikosteroid, Antiemetika, An-ticholinergika und Analgetika für 5 Ta-ge; 2. danach, falls Erbrechen persistier-te, mit Somatostatinanaloga (Octreotid) für 3 Tage und 3. bei weiter fortbeste-henden Symptomen mit einer perkuta-nen endoskopischen Gastrostomie zum Zwecke des Ablaufs. In Therapiestufe 1 erfuhren 25 von 80 Patienten eine Auflö-sung der GIO, bei weiteren 25 Patienten wurde eine akzeptable Symptomkontrol-le ohne Auflösung der GIO erzielt. Insge-samt 25 Patienten wurden in der Thera-piestufe 2 mit Octreotid behandelt, 11 von ihnen mit angemessener Symptomkont-rolle; darunter 4 mit Auflösung der GIO. Von den verbleibenden 14 Patienten ohne Behandlungserfolg erhielten 10 eine ablei-tende Gastrostomie [20, 21].

Eine weitere prospektive klinische Stu-die von Philip et al. [22] an 13 gynäkolo-gischen Tumorpatientinnen, die an einer GIO litten, beschreibt den Einsatz von Dexamethason 8 mg s.c. oder i.v. täglich für mindestens 3 Behandlungstage. Mit einem anhaltenden Behandlungserfolg von im Median 31 Tagen und in 7 von 9 Fällen bis zum Tod erreichten 69% der Studienteilnehmerinnen Linderung der Intensitäten von Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen sowie eine Verbesserung der oralen Nahrungs- und Flüssigkeits-aufnahme [22].

Somatostatinanaloga und Anticholinergika

Es wurden drei systematische Arbeiten zum Einsatz von sekretionshemmenden Substanzen wie Somatostatinanaloga und Anticholinergika identifiziert. Mercadante et al. [23] untersuchten in einem randomi-sierten, kontrollierten Design den Einsatz von Octreotid 0,3 mg/Tag im Vergleich mit Butylscopolamin („hyoscine butylbro-mide“) 60 mg/Tag s.c. an jeweils 9 Patien-ten mit inoperabler GIO. Erhoben wur-den jeweils Erbrechen, Übelkeit, Benom-menheit und Schmerzen anhand einer Li-kert-Skala (0–3) jeweils vor Behandlungs-beginn sowie 24, 48 und 72 h danach. Zu-sätzlich wurde die tägliche i.v.- oder s.c.-Flüssigkeitszufuhr dokumentiert. Octreo-tid reduzierte die Episoden von Erbre-chen und die Intensität der Übelkeit nach 24 und 48 h signifikant besser und rascher als Butylscopolamin, nach 72 h waren die Unterschiede deutlich geringer. Postu-liert wurde hier ein rascheres Anschlagen der Wirkung von Octreotid im Vergleich zu Butylscopolamin. Im Vergleich zu den Ausgangswerten ließ sich eine signifikan-te Reduktion von Erbrechen durch Butyl-scopolamin nach 72 h finden. Es konn-ten keine signifikanten Veränderungen in Bezug auf Mundtrockenheit, Schläfrig-keit und kolikartige Schmerzen zwischen den Therapieformen und im Vergleich zu den Ausgangswerten gezeigt werden. Ins-gesamt kommen die Autoren zu dem Er-gebnis, dass die Episoden des Erbrechens und die Intensität der Übelkeit durch das Somato statinanalogon Octreotid im Ver-gleich zum Anticholinergikum Butylsco-polamin zu allen Messzeitpunkten nach

Anzahl der Suchergebnissen=5431

Nach Ausschluss der Duplikaten=4929

Detailanalysen=90

MEDLINE® (1966–2011)n=1878

EMBASE® (1966–2011)n=3553

Anzahl der Duplikaten=502

Inhaltlich irrelevantn=4832

Nicht verfügbarn=3

Fremdsprachen=4

Methodisch irrelevantn=55

Inhaltlich irrelevantn=14

Berücksichtigte Publikationenn=21

Abb. 1 9 Flowchart des Ein- und Aus-schlusses von Publi-kationen im Review-prozess

590 |  Der Schmerz 5 · 2012

Schwerpunkt

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Behandlungsbeginn signifikant besser be-herrscht wurden. Zusätzlich wurde be-schrieben, dass weniger Flüssigkeitszufuhr interessanterweise bei beiden Substanzen mit stärkerer Übelkeit korrelierte [23].

Eine zweite prospektive, randomisier-te klinische Studie an 17 Tumorpatienten mit inoperabler GIO von Ripamonti et al. [24] verglich in einem ähnlichen Studien-design erneut die Wirksamkeit der phar-makologischen Behandlung mit Octreo-tid 0,3 mg/Tag vs. Butylscopolamin („sco-polamine butylbromide“) 60 mg/Tag für jeweils 3 Tage als kontinuierliche s.c.-In-fusion. Die Intensitäten von Schmerz, Übelkeit, Mundtrockenheit, Durst, Luft-not, Blähungen und Schläfrigkeit wurden auf einer verbalen Rating-Skala vor The-rapiebeginn und in der täglichen Wieder-holung über 3 Tage erfasst. Informationen bezüglich der gastrointestinalen Sekre-tionsmenge über eine Magensonde sowie bezüglich der Volumina der oralen und parenteralen Flüssigkeitsaufnahme wur-den zusätzlich als Messwerte des Behand-lungserfolgs registriert. Butylscopolamin scheint in der Lage zu sein, die gastroin-testinale Sekretionsmenge zu reduzieren und damit die Symptomlast zu senken. Dargestellt wird insbesondere die Reduk-tion von kolikartigen bzw. Dauerschmer-zen. Auch Octreotid ist geeignet, die gast-rointestinale Sekretion an Tag 2 (p=0,016) und Tag 3 (p=0,020) signifikant zu redu-zieren. Es ergab sich keine Veränderung der Symptomintensitäten bei Durst und Mundtrockenheit, weder für Octreotid noch für Butylscopolamin. Im Vergleich von Octreotid mit Butylscopolamin ergab sich nach Sicht der Autoren ein Hinweis auf eine höhere Effektivität von Octreotid. Auch hier lässt sich feststellen, dass Pa-tienten mit geringerer parenteraler Flüs-sigkeitszufuhr unter signifikant stärkerer Übelkeit an allen Messtagen (t0: p=0,002; t1: p=0,001; t2: p=0,003; t3: p=0,001) und stärkerer Schläfrigkeit an Tag 3 (p<0,05) litten [24].

Die Arbeitsgruppe von Mystakidou et al. [25] verglich in einer randomisier-ten, doppelblinden, kontrollierten Studie 2 Regime zur medikamentösen Behand-lung der inoperablen GIO bei Tumorpa-tienten in einem fortgeschrittenen Er-krankungsstadium. In Gruppe A erhielten 34 Patienten Chlorpromazin 15–25 mg/

Tag s.c. plus Butylscopolamin („hyosci-ne butylbromide“) 60–80 mg/Tag s.c., in Gruppe B erhielten die Patienten Chlor-promazin 15–25 mg/Tag s.c. plus Octreo-tid 0,6–0,8 mg/Tag. Die Ergebnisse zei-gen, dass Gruppe A eine signifikant nied-rigere prozentuale Abnahme der Episo-den des Erbrechens (p=0,007) und der Übelkeit (p=0,003) zwischen Tag 1 und Tag 3 erreichte. Zudem erreichte in Grup-pe A ein signifikant niedrigerer prozen-tualer Anteil an Patienten eine Symptom-verbesserung der Fatigue und Anorexie zwischen Tag 1 und Tag 3, Tag 1 und Tag 6 sowie zwischen Tag 1 und einen Tag vor dem Versterben (p<0,05). Eine vollstän-dige Symptomkontrolle des Erbrechens durch Butylscopolamin und Chlorpro-mazin in Gruppe A ergab sich bei 64,7%, demgegenüber durch Octreotid und Chlorpromazin in Gruppe B bei 91,2% der Studienpatienten. Insgesamt 12 Pa-tienten aus Gruppe A und 3 aus Grup-pe B wurden an Tag 6 der Studienteilnah-me wegen keiner/geringer Symptomkon-trolle des Erbrechens ausgeschlossen und anderweitig behandelt [25].

Weitere 14 prospektive klinische Stu-dien oder retrospektive Datenauswertun-gen ohne systematische Methodik wur-den zwischen 1993 und 2011 publiziert. Hier wurden unterschiedliche Behand-lungsregime mit Octreotid 0,3–0,6 mg/Tag bei Tumorpatienten mit inoperabler GIO bzw. persistierendem Erbrechen bei chronischer intestinaler Obstruktion be-obachtet. Als Messgrößen wurden in den meisten Untersuchungen die Häufigkeit und Intensität von Erbrechen und Übel-keitsepisoden sowie das Abflussvolumen von Magensonden erfasst. Im Überblick über diese Studien finden sich Hinweise auf eine Verbesserung von Übelkeit und Erbrechen, ein reduziertes Sekretions-volumen und eine gesteigerte Lebens-qualität durch Octreotid. In einigen die-ser prospektiven Studien kam es thera-pieunabhängig zur spontanen Linderung der Problematik. Unerwünschte Neben-wirkungen wie Übelkeit und Agitation durch die Therapie mit Octreotid wur-den nur in einer klinischen Studie bei we-nigen Patienten in geringer Intensität be-richtet [26].

Beispielhaft sei hier die Arbeit von Ventafridda et al. [27] vorgestellt. In einer

prospektiven klinischen Studie zur Symp-tomkontrolle der GIO erhielten 22 Patien-ten mit fortgeschrittener Tumorerkran-kung in häuslicher oder stationärer Um-gebung Morphin, Butylscopolamin („sco-polamin butylbromid“) und Haloperidol. Erfasst wurden die Anzahl der Episoden von Erbrechen, die Intensität von Schmer-zen auf einer 5-stufigen verbalen Rating-Skala, multipliziert mit der Stundenzahl des Schmerzleidens, sowie jeweils auf einer 4-stufigen Likert-Skala Mundtro-ckenheit, Schläfrigkeit und Durstgefühl. Diese Werte wurden zu 3 Zeitpunkten er-hoben: vor Therapiebeginn (t0); 2 Tage danach (t2) und 2 Tage vor dem Tod (t−2). Die Untersuchung ergab eine signifikan-te Reduktion der Schmerzen (p<0,001) bis t2 und t−2 (p<0,05) und eine vollständige Symptomkontrolle des Erbrechens bei al-len bis auf 3 Patienten. Diese 3 Patienten litten unter einer hohen abdominellen Obstruktion und wurden zur Symptom-linderung mit einer nasogastralen Son-de versorgt. Festgestellt wurde insgesamt eine zunehmende Mundtrockenheit über alle Messzeitpunkte hinweg (p<0,05), die durch orale Flüssigkeits- oder Eisgabe be-herrschbar wurde, sowie zunehmende Schläfrigkeit zwischen t0 und t−2 (p<0,001; [27]).

Serotoninantagonisten

Tuca et al. [28] behandelten im Rahmen einer prospektiven, multizentrischen Studie 24 Patienten mit inoperabler GIO bei fortgeschrittener Tumorerkrankung mit 3 mg Granisetron i.v. und 8 mg De-xamethason täglich und evaluierten auf einer numerischen Rating-Skala Intensi-täten von Übelkeit, Schmerz, Schwäche und Anorexie/Kachexie jeweils bei Erst-visite und in 24-stündigen Follow-up-Beobachtungsintervallen bis zur letzten Visite an Tag 4 der Behandlung. Die Er-gebnisse der klinischen Beobachtung er-gaben signifikante Abnahmen der Inten-sität von Übelkeit (p<0,001), der Anzahl der Episoden des Erbrechens (p<0,001) und abdomineller Schmerzen (p<0,001) zwischen der ersten und letzten Visite. Eine ausreichende Symptomkontrolle von Übelkeit und Erbrechen wurde bei insgesamt 86,9% der Patienten erreicht [28].

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Tab. 2  Übersicht zu inhaltlich und methodisch relevanten Arbeiten im Reviewprozess

Erst-autor, Jahr

Stu-dien-design

Patienten-zahl

Setting Outcome-Assessment Zentrale Ergebnisse Nebeneffekte Bewer-tung

Sekretionshemmende Substanzen – systematisch

Merca-dante et al. [23], 2000a

Rando-misiert, kont-rolliert

18 Tumor-patienten, inoperable GIO

A. Octreotid 0,3 mg/Tag (n=9);B. Butylscopola-min 60 mg/Tag s.c. (n=9)

Episoden von Erbrechen, Übelkeit, Schläfrigkeit, kontinuierliche und ko-likartige Schmerzen auf Likert-Skala von 0–3, je-weils vor Behandlungsbe-ginn, 24 h, 48 h und 72 h danach; tägliche i.v. oder s.c.-Flüssigkeitszufuhr

Signifikante und rasche Reduktion der Episoden von Erbrechen und der Intensität von Übelkeit durch Octreotid im Vergleich zu Butylsco-polamin zu allen Zeitpunkten;keine Veränderungen der Mund-trockenheit, Schläfrigkeit und kolik-artiger Schmerzen

Geringere Flüs-sigkeitszufuhr korrelierte mit mehr Übelkeit bei beiden Substanzen

↑↑ Oc-treotid, ↑ Butyl-scopola-min

Mysta-kidou et al. [25], 2002a

Ran-domi-sierte, dop-pel-blinde, kont-rollier-te kli-nische Studie

68 konseku-tive Tumor-patienten in fortgeschrit-tenen, metas-tasierten Stadien mit inoperabler GIO

A. Chlorpromazin 15–25 mg/Tag s.c. + Butylscopo-lamin 60–80 mg/Tag s.c. (n=34);B. Chlorpromazin 15–25 mg/Tag s.c. + Octreotid 0,6–0,8 mg/Tag (n=34)

Tagebucherfassung von Übelkeit, Erbrechen, Schmerzintensität, Fati-gue und Anorexie durch Einschätzungen von je einem Familienangehö-rigen und einem  Palliati-ve-care-Teammitglied zu folgenden Zeitpunkten:t1: Baseline; t2: 3. Tag; t3: 6. Tag und t4: 1 Tag vor dem Tod

Signifikant höhere prozentuale Abnahme der Episoden des Erbre-chens (p=0,007) und der Übelkeit (p=0,003) zwischen t1 und t2 in Gruppe B vs. Gruppe A;signifikant höherer prozentualer Anteil an Patienten mit einer Symp-tomverbesserung der Fatigue und Anorexie zwischen t1 und t2, t1 und t3 sowie t1 und t4 (p<0,05) in Grup-pe B vs. Gruppe A;vollständige Symptomkontrolle des Erbrechens durch Butylscopolamin in Gruppe A bei 64,7%; bei 91,2% durch Octreotid in Gruppe B;

„Dropout“ von 12 Patienten aus Gruppe A und 3 aus Gruppe B bei t3 wegen keiner/geringer Symptom-kontrolle des Erbrechens

Octreotid könnte an-algetische Wirksamkeit besitzen, da die durch-schnittliche Dosierung der Analgetika in Gruppe B et-was niedriger war

↑ Octreo-tid,  ↔ Butyl-scopola-min

Ripa-monti et al. [24], 2000a

Pros-pek-tive, rando-misier-te kli-nische Studie

17 Tumor-patienten mit inoperabler GIO und Ma-gensonde zur Entlastung

A. Octreotid 0,3 mg/Tag;B. Butylscopola-min 60 mg/Tag für 3 Tage als kontinuierliche s.c.-Infusion

Klinische Daten, Überle-ben, Zeit seit Erstdiagno-se und Auftreten der GIO;Intensität von Schmerz, Übelkeit, Mundtrocken-heit, Durst, Luftnot, Blä-hungen, Schläfrigkeit auf einer VRS vor Therapie-beginn, tägliche Wieder-holung für 3 Tage;täglich Information über GI-Sekretion über Magensonde, orale und parenterale Flüssigkeits-aufnahme, analgetische Therapie

Octreotid reduzierte signifikant die GI-Sekretion an Tag 2 (p=0,016) und Tag 3 (p=0,020);keine Veränderung der Symptom-intensitäten von Durst und Mund-trockenheit

Patienten mit geringerer par-enteraler Flüs-sigkeitszufuhr litten unter signifikant stärkerer Übel-keit an allen Messtagen (t0: p=0,002; t1: p=0,001; t2: p=0,003; t3: p=0,001) und Schläfrig-keit an Tag 3 (p<0,05)

↑↑ Oc-treotid, ↑ Butyl-scopo-lamin; parente-rale Flüs-sigkeit >500 ml/Tag

Sekretionshemmende Substanzen – unsystematisch

Cam-pag-nutta et al. [30], 1996

Pro-spektiv

34 gynäko-logische Patientinnen mit metasta-sierter Tumor-erkrankung und GIO; chirurgisch und chemo-therapeutisch vorbehandelt

21 Patientinnen randomisiert:A. 15-Fr-Katheter;B. 20-Fr-Katheter;danach 13 Pa-tientinnen mit 20-Fr-Katheter; ergänzend medikamentös Octreotid

Symptomkontrolle, Grad der Linderung

2 Patientinnen mit Octreotid 0,6 mg s.c. in 3 Injektionen über 7 Tage erreichten vollständige Sym-ptomkontrolle;2 Patientinnen mit persistierender Übelkeit nach Intervention;Octreotid i.v. 0,6 mg/24 h über 6 und 8 Tage erreichten Symptom-linderung bis zum Tod

  ↑ Octreo-tid

592 |  Der Schmerz 5 · 2012

Schwerpunkt

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Tab. 2  Übersicht zu inhaltlich und methodisch relevanten Arbeiten im Reviewprozess (Fortsetzung)

Erst-autor, Jahr

Stu-dien-design

Patienten-zahl

Setting Outcome-Assessment Zentrale Ergebnisse Nebeneffekte Bewer-tung

Hisana-ga et al. [31], 2010

Pro-spektiv, multi-zent-risch

46 Tumor-patienten, inoperable GIO

Behandlung mit Octreotid 0,3 mg/Tag

MD Anderson Symptom Inventory, Anzahl der Episoden von Übelkeit/Erbrechen

Episoden von Übelkeit/Erbrechen und abdominalen Schmerzen reduzierten sich während 4 Tagen Behandlung nicht signifikant;Verbesserung der Symptomscores in der MD Anderson Symptom Inventory;gesteigerte Lebensqualität

Keine ↑ Octreo-tid

Khoo et al. [32], 1994

Pha-se I/II

24 Tumor-patienten mit anhaltendem Erbrechen bei GIO

s.c.-Infusion von Octreotid: mediane Initial-dosis: 0,3 mg, Spannweite: 0,1–0,6 mg/Tag; für Median von 9,4 Tagen, Spann-weite: 1–38 Tage

Häufigkeit des Erbre-chens; Abflussvolumen aus Magensonde; Symp-tomkontrolle

Bei 18/24 Patienten (75%) wurde das Erbrechen kontrolliert oder das Abflussvolumen aus der Magen-sonde vermindert;2 Patienten mit partieller Symptom-kontrolle

  ↑ Octreo-tid

Laval et al. [20], 2006a;Arvieux et al. [21], 2005a

Pro-spektiv

80 Episoden der GIO bei Patienten mit unheilbarer Peritoneal-karzinose

Stufenschema:1. Behandlung mit Kortikoste-roid, Antiemetika, Anticholinergika und Analgetika für 5 Tage;2. Somatostatin-analoga, falls Erbrechen persis-tierte, für 3 Tage;3. PEG-Anlage

  Linderung der GIO-Symptomatik durch medikamentöse Therapie in 29 Fällen;spontane Besserung in weiteren 32 Fällen;10 Fälle erfuhren Erleichterung durch PEG-Anlage;Symptomkontrolle ohne Magen-sonde in 90% der Fälle;8 Fälle mit refraktärem Erbrechen;58 Episoden der GIO innerhalb von <10 Tagen beherrscht

  ↔

Mangili et al. [34], 1996

Klini-sche Studie

13 Patientin-nen mit Ova-rialkarzinom, inoperable GIO

Octreotid 0,3–0,6 mg, s.c.-Bolus oder i.v.-Infusion

WHO Emesis Scale Octreotid beherrschte Erbrechen in allen Fällen;vollständige Symptomkontrolle in 3,07 Tagen (Spannweite: 1–6 Tage);bei 8 Patienten mit Magensonde Abflussvolumen von 2000 auf <100 ml/Tag reduziert

Keine ↑ Octreo-tid

Mangili et al. [33], 2005

Retro-spek-tive Daten-ana-lyse

47 Patientin-nen mit Ova-rialkarzinom und GIO

20 Patienten mit medikamentöser Octreotidthera-pie, durchschnitt-lich 0,48 mg/Tag, s.c.-Bolusgaben oder kontinuier-lich

Multivariate Analyse von Mortalität, Morbidität; Funktionsstatus; Symp-tombelastung (4-stufige Likert-Skala für Übelkeit, Schmerz)

Operative Maßnahmen und medi-kamentöse Therapie mit Octreotid erbrachten Symptomlinderung im Finalstadium

  ↑ Octreo-tid

Massa-cesi u. Galeaz-zi [35], 2006

Klini-sche Pilot-studie

Patienten mit inoperabler GIO

  Effektivität von Octreotid LAR® (20 mg), gemessen an der Reduzierung der GI-Symptomatik und am Sekretionsvolumen über Magensonde

Tägliche oder kontinuierliche In-fusion von Octreotid linderte die GI-Symptomatik;bei 8 Patienten mit Magensonde reduzierte Octreotid das Sekre-tionsvolumen vom ersten Tag an;bei 4 Patienten ohne Magensonde reduzierte Octreotid anhaltend die Zahl der Episoden von Erbrechen und schwerer Übelkeit

  ↑ Octreo-tid

593Der Schmerz 5 · 2012  | 

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Tab. 2  Übersicht zu inhaltlich und methodisch relevanten Arbeiten im Reviewprozess (Fortsetzung)

Erst-autor, Jahr

Stu-dien-design

Patienten-zahl

Setting Outcome-Assessment Zentrale Ergebnisse Nebeneffekte Bewer-tung

Matulo-nis et al. [36], 2005

Klini-sche Pilot-studie

15 Patientin-nen mit Ova-rialkarzinom und GIO oder chronischer intermittie-render Obst-ruktion

Sandostatin LAR® i.m. als monat-liches Depot; nach Testung mit Octreotid s.c.

Sandostatin LAR®: Sicher-heit und Nutzen; Sym-ptomänderung klinisch (Ansprechen, geringes Ansprechen, keine Ände-rung, Progression)

3 Patienten mit wesentlicher Re-duktion der GIO-Symptomatik;2 mit leichtem Ansprechen auf Therapie;4 ohne Wirkung;4 mit fortschreitender Sympto-matik;3 Patienten mit Therapiefortset-zung über 9 Monate

Keine Anti-tumoreffekte schienen mög-lich

↔ Oc-treotid (Sando- statin LAR®)

Merca-dante et al. [39], 1993

Klini-sche Studie

14 Patienten mit intestina-ler Obstruk-tion

Octreotid s.c.   Bei 12 Patienten gute Symptom-kontrolle des Erbrechens

Keine ↑ Octreo-tid

Merca-dante et al. [38], 1997

Klini-sche Studie

2 Patienten mit chro-nischer intestinaler Obstruktion

Medikamentöse Behandlung mit Octreotid

  Ausreichende intestinale Symptom-kontrolle;adäquate Passagebildung;kein Wiederauftreten der Be-schwerden

  ↑ Octreo-tid

Merca-dante et al. [37], 2004

Klini-sche Studie

15 Tumor-patienten mit inoperabler GIO

Medikamentöse Kombination mit Metoclopramid, Octreotid, Dexa-methason und initialem Amido-trizoesäurebolus

  Bei 14 Patienten Passage innerhalb von 1–5 Tagen erreicht;keine GIO-Symptomatik bis zum Tod bei Therapiefortsetzung

  ↔ Oc-treotid; Steroide; Antieme-tika; Be-deutung für Oc-treotid unklar

Porzio et al. [40], 2011

Klini-sche Studie

11 Tumor-patienten mit GIO

Medikamentöse Kombinations-therapie mit Octreotid, Me-toclopramid, Morphin und Dexamethason

  Rasche Kontrolle der GI-Sympto-matik;Wiederkehr der Darmbewegungen innerhalb von 1–5 Tagen

  ↑ Oc-treotid; Steroide; Antieme-tika; An-algetika

Shima et al. [26], 2008

Klini-sche Studie

25 japanische Patienten mit therapiere-fraktärer GIO, >2 Episoden Erbrechen/Tag oder Therapie mit Magensonde

Octreotid 0,3 mg/Tag s.c., als kon-tinuierliche Infu-sion über 6 Tage; Fortsetzung der Therapie bei Re-spondern

Wirkung und Sicherheit von Octreotid 0,3 mg/Tag; klinische Wirkung; Symptomverbesserung bei Übelkeit und Erbre-chen in der subjektiven Einschätzung

44,0% reagieren auf Therapie und erreichen Symptomverbesserung von Übelkeit und Erbrechen

Übelkeit, Agi-tation

↑ Octreo-tid

Ventaf-ridda et al. [27], 1990

Pros-pek-tive Studie

22 Patienten mit fortge-schrittener Tumor-erkrankung und sympto-matischer, inoperabler GIO im sta-tionären oder ambulanten Setting

Medikation: Mor-phinhydrochlorid 0,5 mg/kg initial, Butylscopolamin 1 mg/kg initial und Haloperidol 0,05 mg/kg initial in kontinuierli-cher s.c.-Infusion; nur bei vorhan-denem i.v.-Zu-gang wurde dieser zur Appli-kation genutzt

Tägliche Messung der Anzahl an Episoden von Erbrechen, Intensität von Schmerz auf 5-stufiger VRS multipliziert mit Stundenzahl des Leidens; Mundtrockenheit, Schläf-rigkeit, Durstgefühl auf 4-stufiger Likert-Skala jeweils:A. vor Therapiebeginn (t0);B. 2 Tage danach (t2) undC. 2 Tage vor dem Tod (t−2)

Signifikante Reduktion der Schmerzen (p<0,001) bis t2 und t−2 (p<0,05);vollständige Symptomkontrolle des Erbrechens bei allen bis auf 3 Patienten mit einer hohen ab-dominellen Obstruktion, die eine Magensonde gelegt bekamen;zunehmende Mundtrockenheit über alle Messzeitpunkte hinweg (p<0,05), die durch orale Flüssig-keits- oder Eisgabe beherrschbar war;zunehmende Schläfrigkeit zwi-schen t0 und t−2 (p<0,001)

Mundtrocken-heit, Schläfrig-keit

↑ Butyl-scopola-min

594 |  Der Schmerz 5 · 2012

Schwerpunkt

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Tab. 2  Übersicht zu inhaltlich und methodisch relevanten Arbeiten im Reviewprozess (Fortsetzung)

Erst-autor, Jahr

Stu-dien-design

Patienten-zahl

Setting Outcome-Assessment Zentrale Ergebnisse Nebeneffekte Bewer-tung

Kortikosteroide – systematischHardy et al. [18], 1998

Cross-over-Studie, dop-pel-blind, place-bokon-trolliert

35 Patienten stratifiziert je nachdem, ob sie eine spezi-fische Antitu-mortherapie während der 28 Studienta-ge bekamen oder nicht

A. Dexamethason i.v.;B. Placebo, Cross-over der 2 Arme, falls nach 5 Tagen keine Besserung eintrat;alle: Flüssigkeit i.v., Analgetika, Antiemetika, Laxanzien rektal bzw. oral, wenn möglich

Beurteilung der Passage an Tag 5, kein Hinweis auf Symptomlast darüber hinaus

Trial 1: 15/22 Patienten reagierten mit Auflösung der Obstruktion nach 5 Tagen, davon 10 mit Dexametha-son vs. 5 mit Placebo;Trial 2: 6/13 Patienten (je 3 mit De-xamethason vs. Placebo) reagierten;in Kombination: 21/35 Patienten reagierten (13 mit Dexamethason, 8 mit Placebo)

  ↓ Dexa-metha-son

Laval et al. [19], 2000

Mul-tizen-trisch, rando-misiert, dop-pel-blind

58 Tumorpa-tienten mit in-operabler GIO, die keine spe-zifische Anti-tumortherapie während der 28 Studientage bekamen

A. Placebo für 3 Tage;B. Methylpredni-solon 240 mg/Tag für 3 Tage;C. Methylpredni-solon 40 mg/Tag für 3 Tage

Tägliche Symptomer-fassung; Erfassung des Therapieerfolgs (unscharf definiert) an Tag 4

52/58 Patienten auswertbar;von 40 Patienten ohne Magenson-de erfuhren 68% in der Interven-tionsgruppe vs. 33% in der Placebo-gruppe Linderung (p=0,047);bei 12 Patienten mit Magensonde Erleichterung für 60% vs. 33% (p=0,080)

  ↔ Dexa-methason mit Ma-gensonde, ↑ Dexa-methason ohne Magen-sonde

Kortikosteroide – unsystematischLaval et al. [20], 2006a;Arvieux et al. [21], 2005a

Pro-spektiv

80 Episoden der GIO bei Patienten mit unheilbarer Peritonealkar-zinose

1. Behandlung für 5 Tage mit Kortikosteroid, Antiemetika, Anti-cholinergika und Analgetika;2. Somatostatin-analoga, falls Erbrechen persis-tierte, für 3 Tage;3. PEG-Anlage

  Linderung der Symptomatik in 29 Fällen durch medikamentöse Therapie;spontane Besserung in 32 Fällen;10 Fälle erfahren Erleichterung durch PEG;Symptomkontrolle ohne Magen-sonde in 90% der Fälle;8 Fälle mit refraktärem Erbrechen;58 Episoden der GIO in <10 Tagen beherrscht

  ↔

Philip et al. [22], 1999a

Pros-pektive klini-sche Studie

13 gynäkolo-gische Tumor-patientinnen

Dexamethason 8 mg/Tag s.c. oder i.v. für mindestens 3 Tage

Symptomintensitäten (visuelle Analogskala), Überlebenszeit

9 Patientinnen (69%) ereichten eine Linderung von Schmerz, Übelkeit und Erbrechen und eine Verbesse-rung der oralen Aufnahme;anhaltender Effekt für Median von 31 Tagen;bei 7/9 bis zum Tod;Überlebenszeit: 9–140 Tage

  ↑ Dexa-metha-son

SonstigeTuca et al. [28], 2009

Offene, klini-sche, pros-pektive, multi-zent-rische Phase-II-Stu-die

Antiemeti-scher Effekt von Grani-setron bei 24 Patienten mit inoperab-ler intestinaler Obstruktion bei fortge-schrittener Krebserkran-kung

Granisetron (3 mg) i.v. täglich und Dexametha-son (8 mg); naso-gastrale Sonde nicht zugelassen; Haloperidol >5 mg/Tag als Krisenmedikation zugelassen

NRS zur Evaluation von Übelkeit, Schmerz, Schwäche und Anorexie/Kachexie bei Erstvisite, je 24 h Follow-up-Be-obachtungen bis zur letzten Visite an Tag 4 der Behandlung; ein Behand-lungsmisserfolg gegeben bei Übelkeit auf NRS >4, Erbrechen >2-mal/Tag und Krisenmedikation mit Haloperidol >5 mg/Tag

23/24 Patienten waren auswertbar;zwischen Erst- und letzter Visite signifikante Abnahme der Intensi-tät von Übelkeit (p<0,001), der Anzahl der Episoden des Erbre-chens (p<0,001) und abdominaler Schmerzen (p<0,001);die Symptomkontrolle von Übelkeit und Erbrechen wurde bei 86,9% der Patienten erreicht;statistisch nichtsignifikanter Trend hin zu höherer Wirksamkeit bei niedrigen und multiplen Lokalisationen der GIO

↔ Grani-setron 

a Mehrfachnennung in unterschiedlichen Substanzklassen. GI Gastrointestinal; GIO gastrointestinale Obstruktion; LAR „long-acting release“; NRS numerische Rating-Skala; PEG perkutane endoskopische Gastrostomie; VRS visuelle Rating-Skala.

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Diskussion

Unterschiedliche Formen und Ausprä-gungen der GIO als Passagestörungen des Magen-Darm-Trakts treten vorwiegend bei Patienten mit kolorektalen und gy-näkologischen Tumorerkrankungen auf. Angesichts des oftmals weit fortgeschrit-tenen Krankheitsstadiums und einer be-grenzten Lebenszeitprognose beim Auf-treten der GIO sind Behandler vor gro-ße Herausforderungen in der symptoma-tischen Behandlung dieser Patienten ge-stellt, insbesondere am Lebensende. Für den klinischen Alltag stellt sich daher die zentrale Frage, inwiefern die aktuelle wis-senschaftliche Evidenz nach hochwerti-gem methodischem Standard eine Emp-fehlung für die pharmakologische Be-handlung der GIO erlaubt.

Die in dieser Analyse ausgewerteten Studien befassen sich mit 4 Substanzklas-sen zur Behandlung der GIO. Trotz oder vielleicht auch wegen des weit verbreiteten Einsatzes von Kortikosteroiden in der Pal-liativmedizin gibt es nur wenige Informa-tionen über die Effektivität dieser Subs-tanzen zur Behandlung der Symptom-last bei GIO. Die Aussagen der vorliegen-den Studien müssen differenziert betrach-tet werden. Weder die Einschlusskriterien der jeweiligen Studienpatienten noch die Definition eines Therapieerfolgs sind ver-gleichbar. Hardy et al. [18] und Laval et al. [19] finden keine statistisch signifikante Linderung der Symptomlast durch Korti-kosteroide. Einzig Patienten, die bis zum Studieneinschluss keine Magensonde er-halten hatten, profitierten in der Studie von Laval et al. [19] signifikant im Sinne einer Auflösung der Obstruktion und da-mit einer Symptomlinderung. Als mögli-che Erklärung wäre hier eine häufigere in-komplette Obstruktion zu vermuten, oh-ne dass dies explizit aus der Publikation hervorgeht. Patienten mit Magensonde hingegen erfahren nach den dort darge-stellten Zahlen mit Methylprednisolon in identischer Häufigkeit eine „Kontrolle“ der GIO wie mit Placebo. Es wird noch-mals deutlich, wie intensiv die Wechsel-wirkungen verschiedenster Maßnahmen sind. Vor diesem Hintergrund sind auch die Ergebnisse der Untersuchung von Phi-lip et al. [22] nicht klar zu deuten, da kei-ne Aussage zum Vorhandensein oder zum

Einsatz einer Magensonde getroffen wur-de. Zudem wurden die Diagnosekrite-rien der GIO nicht definiert und die Eva-luation des Therapieansprechens erfolg-te nicht nach validierten Kriterien. Zu beachten ist die klinisch zu vermutende Zeit bis zum Wirkbeginn von Kortikoste-roiden, wenn sie mit dem Ziel einer Auf-lösung der GIO gegeben werden. Diese kann sich durchaus im Bereich mehrerer Tage bewegen, was in der Interpretation der Crossover-Studie von Hardy et al. [18] berücksichtigt werden muss. Mit einer Behandlungsdauer von 5 Tagen pro Arm und dem Verzicht auf eine Auswaschpha-se ist eine Beeinflussung des (nachfolgen-den) Placeboarms nicht auszuschließen.

Ungeachtet der geringen Anzahl an Originalarbeiten zum Einsatz von Kor-tikosteroiden bei tumorbedingter Obst-ruktion finden sich zahlreiche Reviews. Zu erwähnen ist insbesondere das Coch-rane-Review von Feuer et al. [29]. Nach eingehender Würdigung der vorliegen-den Daten kommen die Autoren zu dem Schluss, dass es eine Tendenz zur Wieder-herstellung einer Passage durch die Ap-plikation von Kortikosteroiden gibt. Al-lerdings wird auch immer wieder auf die hohe Rate spontaner Passagewiederhers-tellungen verwiesen, die bei 33–60% liegt. Daten zur Beeinflussung der Symptomlast unabhängig von der Passagewiederher-stellung lassen sich nicht finden, genauso wenig wie eine Fokussierung auf die letz-ten Tage des Lebens.

In Bezug auf die vorliegende Frage-stellung kann man sicherlich postulie-ren, dass eine Substanz mit stark verzö-gerter Wirkung zumindest nicht allein und nicht in erster Linie zur Symptom-kontrolle in der Finalphase indiziert ist. Abzugrenzen ist nochmals die Beeinflus-sung der Symptome einer GIO unabhän-gig von der Wiederherstellung der Pas-sage. Hierzu gibt es bisher keine robus-ten Daten. Der Nutzen des Einsatzes von Kortikosteroiden in der Behandlung der GIO in der Finalphase kann anhand der vorliegenden Daten somit nicht definitiv beurteilt werden.

Zu den beiden Substanzklassen der antisekretorisch wirkenden Pharmaka gibt es 3 direkt vergleichende systemati-sche Studien. Die präsentierten Daten le-gen den Schluss nahe, dass sowohl Butyl-

scopolamin als auch Octreotid geeignet sind, die Symptome einer GIO günstig zu beeinflussen. Interessant ist im Vergleich dieser beiden Substanzklassen der zeitli-che Verlauf der Wirkung. Butylscopola-min scheint erst innerhalb von 3 Tagen die volle Wirkung zu entfalten, wohingegen sich mit Octreotid bereits ab dem ersten Tag eine deutliche Linderung erreichen lässt. Die Studie von Mystakidou et al. [25] hat vor dem Hintergrund des allge-mein schwierigen Forschungsumfelds einen hochwertigen Ansatz und eine er-staunlich hohe Patientenzahl. Allerdings ist die Diagnosestellung der GIO nicht gänzlich transparent. Die statistische Be-wertung der im Verlauf der Studie wegen fehlender Wirksamkeit ausgeschlossenen Patienten – sicherlich ein auf ethischen Notwendigkeiten beruhendes Vorgehen – ist aus dem Text nicht klar zu erfassen. Neben diesen 3 Publikationen wurde die Wirkung von Somatostatinanaloga auf die Symptome einer GIO in 14 weiteren un-systematischen Arbeiten untersucht. Al-le zeigen eine im Rahmen der methodi-schen Limitationen mehr oder weniger stark ausgeprägte positive Wirkung von Octreotid bei der GIO. Die Ansprechrate auf Octreotid, die uneinheitlich definiert ist (Wiederherstellung der Passage oder Symptomkontrolle), wird in der zur Ver-fügung stehenden Literatur insgesamt mit 44–75% angegeben [20, 26, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40]. Die für Anticho-linergika angegebenen Ansprechraten lie-gen bei 38–71% [18, 29].

Für Butylscopolamin findet sich eine weitere nichtkontrollierte Studie, in der die Medikamentenkombination von Mor-phin, Butylscopolamin und Haloperidol zur Behandlung der Symptome einer GIO eingesetzt wurde. Die Symptomkontrolle gelang mit dieser Kombination in vielen Fällen, wobei Übelkeit und Erbrechen bei Patienten mit einer hohen Obstruktion nicht ohne eine nasogastrale Entlastungs-sonde zu beherrschen waren. Eine diffe-renzierte Aussage zum Effekt von Butyl-scopolamin lässt sich hieraus nicht gene-rieren, wobei ein positiver Einfluss durch das anticholinerge Wirkmuster vermu-tet werden kann. In diesem Sinne ergibt sich ein Hinweis auf eine mögliche positi-ve Wirkung von Butylscopolamin auf die Symptomlast bei GIO.

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Schwerpunkt

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Wenige Berichte betreffen Octreotid-Retard-Mikrokapseln (Sandostatin LAR®) als länger wirksame Alternative zu Oc-treotid [35, 36]. In Bezug auf die Final-phase ist hier aufgrund der langen Zeit bis zum Wirkbeginn, die mit Octreotidgaben überbrückt werden muss, keine Relevanz zu sehen. Das Gleiche gilt für Lanreotid als weiterer Wirkstoff aus der Gruppe der Somatostatinanaloga.

Nach Ende der Erhebungsphase für diese Untersuchung sind 2012 zwei wei-tere Studien zur Wirkung von Octreo-tid bei GIO veröffentlicht worden. Bei-de prägt ein multizentrischer Ansatz, um den schon bekannten Schwierigkeiten zur Rekrutierung einer ausreichenden Patien-tenzahl zu begegnen. Laval et al. [41] ha-ben im Rahmen einer Phase-II-Studie die Wirkung und Sicherheit von Octreo-tid untersucht. Die Effektivität wurde an Tag 14 beurteilt, somit ergibt sich keine di-rekte Aussage zur Wirkung in den letzten Lebenstagen. Die Autoren sehen Hinweise dafür, dass Octreotid insbesondere bei Pa-tienten in gutem Allgemeinzustand eine Schlüsselrolle in der Behandlung der GIO zukommen könnte.

Currow et al. [42] stellten vorläufige Ergebnisse einer randomisierten, kon-trollierten Untersuchung zur Wirkung von Octreotid innerhalb von 72 h vor und hielten fest, dass Octreotid nicht geeignet war, die Symptomlast bei GIO innerhalb von 72 h zu senken. Die bisher verfügba-ren Informationen zu dieser Arbeit rei-chen jedoch nicht für eine abschließende Bewertung aus.

Eine weitere Publikation befasst sich mit dem 5-HT3-Antagonisten Granise-tron zur Behandlung von Übelkeit und Erbrechen bei GIO. Im Studienprotokoll wird jedoch eine Medikation mit Dexa-methason für alle Patienten festgeschrie-ben, sodass die antiemetische Wirkung von Granisetron allein hier nicht klar ab-zugrenzen ist. In diesem Sinn sind kont-rollierte, vergleichende Studien zur Wir-kung verschiedener antiemetisch wirksa-mer Substanzen bei GIO zu fordern. Ins-gesamt findet sich diese Problematik in zahlreichen klinischen Studien, in denen mehrere Maßnahmen gleichzeitig erfol-gen und den Effekt der einzelnen Inter-vention verschleiern.

Trotz der sehr breit angelegten Such-kriterien wurden in der hier vorliegenden Auswertung einer systematischen Litera-tursuche für die Behandlung einer GIO nur wenige Studien mit Aussagen zur Sym-ptomkontrolle in der Finalphase gefunden.

Die insgesamt wenigen inhaltlich re-levanten Studien sind überwiegend pro-spektive klinische Studien zur Beobach-tung des Behandlungserfolgs und der Symptomkontrolle unter Anwendung einer pharmakologischen Therapie bei GIO. Diese Studien verzichten auf ein randomisiertes, placebokontrolliertes Stu-diendesign und erreichen folglich nicht die höchste methodische Güte im Sinne evidenzbasierter Forschung. Die gerin-ge Anzahl randomisierter, kontrollierter Studien zeigt die Schwierigkeiten, im pal-liativmedizinischen Bereich eine ausrei-chende Zahl an Patienten mit vergleichba-rer Symptomatik zu rekrutieren. Selbst bei multizentrischen Ansätzen ist hier nicht immer ein Erfolg garantiert [18].

Die Entwicklung einer klaren Evidenz und der daraus resultierenden eindeuti-gen Therapieempfehlungen anhand in-haltlich relevanter und methodisch hoch-

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wertiger Kriterien gestaltet sich durch ei-nige Grenzen der aktuellen Forschungs-lage schwierig.

In den aktuellen Publikationen zum Thema werden nur sehr geringe Fallzah-len berichtet, sodass die Studienergeb-nisse meist nur als Hinweise und Trends, nicht aber als überlegene, signifikante Ef-fekte verstanden werden können.

Der oftmals nichtrandomisierte, von Kontrollgruppen begleitete Einsatz phar-makologischer Therapien bei der GIO er-laubt darüber hinaus keinen Vergleich zwischen Therapieformen und auch kei-ne Abgrenzung zu spontanen Reaktio-nen bzw. Placeboeffekten. Nur selten sind Wirkeintritt, Wirkdauer und auftreten-de unerwünschte Arzneimittelwirkungen klar zu erkennen und zuzuordnen.

Eine zusammenfassende Schlussfolge-rung aus allen Studienergebnissen wird auch dadurch erschwert, dass sehr unter-schiedliche Parameter und Instrumente für die Messung des Behandlungserfolgs und der Symptomlinderung verwendet wur-den. Die Messung dieser Bewertungskrite-rien hat je nach Studie zu sehr unterschied-lichen Zeitpunkten im Behandlungsverlauf stattgefunden. Außerdem wurden neben medikamentösen Therapien auch weitere ergänzende und ineinander übergehende Maßnahmen wie entlastende Magenson-den oder die Zufuhr von Ernährung und Flüssigkeit eingeleitet, die den unmittelba-ren Effekt einer reinen medikamentösen Therapieform beeinflusst haben können.

Ein weiteres Cochrane-Review zum Thema GIO vergleicht die Effektivität und Sicherheit der operativen Herangehens-weise mit der medikamentösen Behand-lung beim metastasierten Ovarialkarzi-nom [43]. Auch hier werden wieder die Schwierigkeiten des Forschungsumfelds sichtbar. Von primär 183 Literaturstellen wurde letztlich eine einzige nichtrandomi-sierte Arbeit in die Auswertung einbezo-gen [33]. Als Fazit vermerken die Autoren, dass es eine schwache Evidenz bezüglich eines verlängerten Überlebens durch die operative Behandlung gäbe. Aufgrund des Studiendesigns, nach dem Patientinnen aufgrund klinischer Parameter den Be-handlungsarmen „Operation“ bzw. „me-dikamentöse Therapie“ zugeordnet wur-den, sind jedoch weitere Einflussgrößen denkbar. Es ist insgesamt sehr fraglich, in-

wiefern auf dieser Datenbasis verlässliche Aussagen im Sinne der evidenzbasierten Medizin getroffen werden können.

Für alle 3 Medikamentengruppen wer-den seltene und wenig belastende Neben-wirkungen beschrieben. Es liegt aller-dings keine durchweg überzeugende Evi-denz für die Anwendung dieser Präparate vor, da auch in beachtlicher Zahl spontane Besserungen und Placeboeffekte berich-tet werden. Für die Substanz Glycopyrro-lat als weiteren Wirkstoff aus der Grup-pe der Anticholinergika gibt es neben we-nigen Berichten und theoretischen Über-legungen keine robusten Daten [44, 45].

Die vorliegende Untersuchung be-schränkt sich ausschließlich auf spezifi-sche Substanzen zur Therapie der GIO in der Finalphase. Selbstverständlich sollten parallel zu der spezifischen Behandlung auch Substanzen zur reinen symptomlin-dernden Behandlung, z. B. von Schmerzen, eingesetzt werden. Die erweiternde Frage, welche nichtmedikamentösen Maßnah-men (z. B. Flüssigkeits- und Ernährungs-therapie) geeignet sind, die Symptomlast in den letzten Lebenstagen zu verringern, war nicht Gegenstand dieser Untersuchung.

Bei nichtonkologischen Krankheits-bildern scheint die GIO kein relevantes Problem darzustellen. Die Erweiterung der Suchanfrage ergab keine für die For-schungsfrage relevanten Publikationen. Hinzuweisen ist auf die Verwendung von Octreotid im Zusammenhang mit AIDS, hier jedoch, um die HIV-assoziierte Diar-rhö zu behandeln [46].

Fazit für die Praxis

In der Zusammenschau der Ergebnis-se kommen die Autoren zu folgender schwach positiven Empfehlung für die pharmakologische Therapie der GIO bei weit fortgeschrittenen Tumorpatienten: Die GIO kann mit Octreotid 0,3–0,6 mg/Tag s.c. bis zum Tod als erste Wahl der medikamentösen Behandlung therapiert werden. Octreotid scheint sich ohne we-sentliche Nebenwirkungen mit einer gu-ten Ansprechrate lindernd auf Erbre-chen auszuwirken. Mit einer mittelmäßi-gen Ansprechrate ist bezüglich der Sym-ptome Übelkeit und Schmerzen zu rech-nen. Bei der Therapieplanung sollte der 

hohe Kostenfaktor von Octreotid beach-tet werden.

Erst in zweiter Linie scheint sich die Anwendung des Anticholinergikums Bu-tylscopolamin zur Reduktion der Sekre-tionsmenge anzubieten, da dieses Me-dikament zwar preiswerter ist, aber zeit-lich verzögert und mit geringerer Potenz zu wirken scheint und daher weniger für eine kurzfristige Behandlung in der Fi-nalphase geeignet ist.

Die Wirkung von Kortikosteroiden muss differenziert betrachtet werden. Patienten mit noch nicht ganz ausge-prägtem Passagestopp profitieren von Kortikosteroiden [29, 47]; für das Vollbild der GIO gibt es keinen klaren Hinweis auf einen Nutzen im Hinblick auf die Linde-rung der Symptomlast.

Korrespondenzadresse

Dr. C. KleinPalliativmedizinische Abteilung,  Universitätsklinikum ErlangenKrankenhausstr. 12, 91054 [email protected]

Interessenkonflikt.  Der korrespondierende Autor gibt für sich und seine Koautoren an, dass kein Interes-senkonflikt besteht.

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Fritze, J., Mehrhoff, F. Die Ärztliche BegutachtungRechtsfragen, Funktionsprüfungen, BeurteilungenHeidelberg: Springer 2012, 8. Aufl, 901 S., 90 Abb., (ISBN 978-3-642-21080-8),  179.95 EUR

In nunmehr 8. Aufla-

ge liegt 2012 der von 

E. Fritze begründete 

und von J. Fritze/F. 

Mehrhoff fortgeführte 

Kommentar „Die 

ärztliche Begutach-

tung“ vor. An dem 

900-seitigen Werk haben über 80 Autoren 

und Experten aus den unterschiedlichsten 

medizinischen Disziplinen und dem Ver-

sicherungswesen mitgewirkt.

Als Ziel des Buches wird von den Heraus-

gebern die Erfassung „nahezu aller Gebiete 

der Medizin“ im Kontext der Begutachtung 

neben der Darstellung einschlägiger 

rechtlicher und gesetzlicher Grundlagen 

angeführt. Das Buch ist in 37 Kapitel und 

ein Stichwortverzeichnis gegliedert. Es be-

sticht durch eine umfassende Darstellung 

von den Rechtsgrundlagen bis hin zur 

Beschreibung der Begutachtung einzelner 

Organsysteme und Erkrankungen mit ent-

sprechenden Praxishinweisen. Die einzel-

nen Beiträge liefern einen schnellen und 

ansprechenden Überblick über die jeweili-

gen Fachgebiete. Für komplexe Begutach-

tungsfälle erlauben sie dem Gutachter auch 

Einblicke über den Tellerrand des eigenen 

Fachgebiets hinaus. 

Fazit: Das Buch empfiehlt sich für den erst-

malig mit der Begutachtung betrauten As-

sistenzarzt, um sich eine erste Orientierung 

über die medizinischen und rechtlichen 

Aspekte der Begutachtung zu verschaffen. 

Ebenfalls ist der Kommentar als umfassen-

des Nachschlagewerk auch für den erfah-

renen Gutachter geeignet. Zu bemängeln 

sind teilweise Redundanzen, rechtliche Un-

genauigkeiten sowie in Abhängigkeit von 

den jeweiligen Autoren teilweise veraltete 

und sehr kurze Quellenverzeichnisse.

Markus Parzeller, Frankfurt

Buchbesprechungen

599Der Schmerz 5 · 2012  |