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Diplomat In Drei Streifen

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Book Pitch about the life and experiences of Burkhard Pape as a football coach around the world

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ISBN x-xxxx-xxxx-xAlle Rechte beim Autor© 2008 Burkhard Pape, cyberculture lanzaroteHerstellung und Verlag: Verlag xxx

Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigungdes Autors reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert,verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Layout und Umschlag: Diogenes von der Töss, cyberculture lanzaroteFotos: Pape; cyberculture lanzarote

Wir danken dem DFB, adidas und der GTZ für ihre Unterstützung

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Diplomatin Drei Streifen

Burkhard Pape und adidas:40 Jahre Fussball-Entwicklungshilfe

Verlag

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Vier Jahrzehnte lang hat Burkhard Pape den deutschen Fussball im Ausland erfolgreich repräsentiert. Viel hat sich geändert seit er mit seiner Art der „Entwicklungshilfe“ damals begann. Auch sportlich sind die Kontinente enger zusammengerückt. Die Afrika-Meisterschaften sind heute fester Bestandteil mitteleuropäischer live-Sportprogramme im Fernsehen und im Internet. In diesem Buch schildert ein Insider, wie alles begann, wie es im Laufe der Jahre weiterging und wie ein echtes deutsches Exportprodukt im Ausland erfolgreich eingeführt wurde. Burkhard Pape konnte dabei auf die Unterstützung von Freunden, Firmen und Helfern zählen, auch wenn oft die Mittel für eine noch konkretere Hilfe fehlten, weil der Sport unter den Politikern nicht den Stellenwert geniesst, den er vielleicht erhalten sollte. Hier waren es vor allem der Deutsche Fussballbund und adidas, auf deren Unterstützung der Trainer zählen konnte. Und so wanderten begehrte deutsche National-Trikots nicht selten in die Hände von jungen Talenten aus den sogenannten „Entwicklungsländern“ und trugen zur Motivation vieler ambitionierter Jugendlicher bei. Schon seit Beginn deustcher Entwicklungshilfe kleideten sich die Nationalspieler dieser Länder stolz in drei Streifen, die zum Symbol für Sportsgeist, deutsche Qualität und herausragende Leistungen geworden sind.

Und während die deutsche Fussball Nationalmannschaft im Laufe der Zeit in so manchen internationalen Turnieren Schwäche zeigte, gewinnt Pape mit „seinen“ Teams aus zwei Kontinenten dutzende von Wettkämpfen, pflegt mit seiner Arbeit das gute Image des deutschen Fussballs und sorgt für ein positives Image der Deutschen insgesamt.

Während ein Franz Beckenbauer im Rampenlicht zuerst mit genialen Pässen die Stürmer bediente und danach im internationalen Fussball auch als Funktionär die Fäden zog, arbeitet Burkhard Pape, von der Öffentlichkeit viel weniger beachtet im Ausland erfolgreich daran, deutsche Ideen und Qualität in viele andere Länder zu tragen.

Während in Deutschland Rassismus und Gewalt gegen Ausländer immer wieder für Schlagzeilen sorgten, bis vor allem mit der Fussball-WM 2006 auch diese unschönen Geschehnisse zu einem guten Teil relativiert wurden, passt sich ein deutscher Fussballtrainer an unbekannte Kulturen an und sorgt für eine Völkerverständigung direkt am Menschen, von der die meisten im Ausland tätigen Diplomaten nur träumen können.

Der Sport entfacht Leidenschaft, setzt Emotionen frei und ist – fairness und Sportsgeist vorausgesetzt – eine

Ein Reisebericht mit Herz und Ball

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der Förderung würdige Variante des menschlichen Bedürfnisses, sich mit anderen zu messen. Ein Diplomat hinter seinem Schreibtisch kann nicht so viele Sympathien gewinnen wie der Trainer auf dem Platz. Pape war während der Arbeit in den Ländern, in denen er eingesetzt wurde, bekannt und beliebt wie hierzulande Rumenigge, Vogts, Beckenbauer und Klinsmann. In Deutschland wurde von seiner sympathischen Arbeit kaum Notiz genommen, eine Lücke, die das vorliegende Buch schliessen möchte.

Deutschland hat nicht erst mit der „WM der Herzen“ gezeigt, dass das Trauma und die Schande, die Hitler dem Volk nach dem 2. Weltkrieg hinterlassen hatte, endgültig der Vergangenheit angehören sollten. Dass die Deutschen ein gastfreundliches, multikulturelles Volk sind und andere

Kulturen aufmerksam beobachten und integrieren möchten. Pape, zusammen mit adidas, dem DFB und weiteren Förderern, hat dies als grosser Sympathieträger in Afrika und Asien vorgezeigt und einen wichtigen Beitrag zur Re-Integration der Deutschen in die internationale Familie geleistet.

Die sprichwörtlichen „deutschen Tugenden“, die vor allem der Fussball-Nationalmannschaft immer wieder bescheinigt werden, wenn sie ein verloren geglaubtes Spiel noch aus dem Feuer reisst, hat Pape erfolgreich international weitergegeben, vor allem auch in Ländern, in denen keine „deutsche Ordnung“ herrscht, in denen Länderspiele nicht 2 Jahre vorher geplant sind, in denen man statt auf Medizinbälle zum Training auf Kokosnüsse zurückgreifen musste und in denen die Beschwörung von Geistern

Die „Sportspende“ aus Deutschland wird in Sri Lanka...

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vor dem Spiel auch heute noch zum Alltag gehört. Der Mensch Burkhard Pape hat sich daran angepasst und dennoch jene „ordentlichen“ Tugenden trainieren lassen. Der Erfolg hat ihm Recht gegeben und an seinen ehemaligen Wirkungsstätten hat er bleibende Eindrücke hinterlassen und ist dort auch heute noch bekannt wie in Deutschland ein Gerd Müller.

Der Sport kann Barrieren auflösen, wo die Politik scheitern muss. Sport ist eine Sprache, die die ganze Welt spricht, der Sportler wird zum Kinde, indem es ihm nur um grundsätzliche Werte von Sieg oder Niederlage, Einsatzbereitschaft und Emotionsfülle geht. Es wird gejubelt und geweint, Gegner umarmen sich und werden ausserhalb des „Kampfplatzes“ zu Freunden.

Papes blonde und hellhäutige Kinder sind auf viele internationale Schulen gegangen. In einer mehrfarbigen Fussballmannschaft spielte die Nationalität für sie nie eine Rolle, sondern nur, ob einer ein besserer Tormann oder Stürmer war.

Dieses Buch blickt auf spannende Jahre im Ausland zurück, kann sowohl als Abenteuer-Bericht gelesen werden, als auch als Grundlage für eine erfolgreiche Strategie globaler Integration innerhalb und ausserhalb des Fussballplatzes. Ein Erfolg, der dank jahrzehntelanger guter Zusammenarbeit mit adidas, weiteren Förderern und mit seinen Weggefährten aus Sport und Politik, erst zustande kommen konnte.

... genauso wie in Thailand begeistert empfangen

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Endlich bin ich dazu gekommen, einmal aufzuschreiben, wie „exotisch“ eigent-lich mein Leben gewesen ist.

Nach Kindheit und Jugend in Magdeburg, wo ich als knapp 13-Jähriger das Kriegsende und vorher die Bombenangriffe erlebt hatte, kam es in der DDR-Zeit noch ganz normal zu einer breit gefächerten sportlichen Lauf-bahn. Zuerst war es die Leichtatlethik mit Meister-schaften im Zehnkampf, danach war es der Fußball in Spitzenmannschaften in der DDR und nach meiner Flucht ab 1953 auch in der Bundesrepublik. Das Exotische begann 12 Jahre später. Seitdem hat es mein Leben bestimmt, und ich meine, dass ich insge-samt sehr viel erlebt habe. Wenn ich heute davon erzähle, dann pas-siert es mir oft, dass jemand sagt: „In die-sen Ländern, da war ich auch schon!“ Es sind oft Menschen, die dort für 14 Tage ihren Urlaub verbrachten und die dann von diesem Land erzählen wollen.Sehen wir uns jetzt das Wort „exotisch“ ein-mal genauer an! Wenn man sich überlegt, dass ich 36 Jahre im Ausland unterwegs war, hat mich in dieser Zeit trotzdem der Begriff „Ausländer“ gekennzeichnet. Es ist aber zu akzeptieren, dass ich mich selbst in manchem dieser Länder schon nicht mehr als Ausländer empfand. Dazu passt auch, dass wir heute hier bei uns von den Proble-men mit der Immigration sprechen, wenn von den Menschen die Rede ist, die zu uns nach Deutschland gekommen sind. Meine Situation war anders, dass ich nämlich als Repräsentant 36 Jahre lang Ausländer war und davon je zur Hälfte 18 Jahre in Afrika und 18 Jahre in Asien. In der gesamten Zeit habe ich deshalb aber nie das erlebt, was sich hier bei uns mit den Immigranten leider so tut.

Man meint, wir könnten sehr stolz sein! Man bewundert den deutschen Fußball, man be-wundert den deutschen Fußballbund. Man

kennt Rummenige, Beckenbauer, die Ver-eine Bayern, Borussia Mönchengladbach, HSV – obwohl man diesen Vereinsnamen nur ganz schlecht aussprechen konnte. Zuerst wusste ich nicht, welcher Verein mit einem für die Afrikaner völlig unaussprech-lichen Namen gemeint sein konnte. Aber da man mich dann immer: fragte: „Burkhard, kennst Du den Verein mit vielen jungen Spielern, die immer so einen tollen Angriffs-fußball spielen? Als ich dann den Namen „Mönchen-Gladbach“ aussprach, wurde mit leuchtenden Gesichtern genickt. Aber den Namen dieses Vereins selbst auszuspre-chen, das sollte einfach nicht klappen!

Wie fing das alles mit diesen 36 Jahren fas-zinierender Arbeit im Ausland an? Vorher war ich einige Jahre Verbandssportlehrer beim Badischen Fußballverband auf der Sportschule Karlsruhe-Schöneck. Das war eine sehr schöne, einprägsame Zeit. Ob-wohl ich dort der jüngste Verbandssport-lehrer gewesen bin, war ich sicher nicht der Schlechteste. Dort habe ich viel gelernt. Nicht nur, soweit es um Pädagogik ging, son-dern noch mehr konnte ich den Umgang mit den Funktionären lernen. Das war eine Fra-ge, die sich immer wieder auch im Ausland stellte: Wie komme ich mit den Offiziellen, mit den Funktionären zurecht? Das war weit problematischer in Afrika oder Asien,

Treffen der Verbandssportlehrer 1961 auf der Sportschule Schöneck. Mit dabei: Helmut Schön, Sepp Herberger, Burkhard Pape

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als schon in Deutschland. Aber ich hatte in meiner Heimat gelernt, wie auch mit schwie-rigen Leuten umzugehen war. Viel geholfen hat mir ausserdem, dass ich bei Sepp Her-berger, dem damaligen Bundestrainer, ei-nen „Stein im Brett“ hatte. Er war mit der Nationalmannschaft mehrfach bei mir in Karlsruhe auf der Sportschule, und der gute Kontakt zu ihm war sehr hilfreich für mich.Eines Tage sagte er dort zu mir: „Burkhard, horche se mol! Se müsse was ins Ausland gehe! Se sin a guate Sportlährer un könne was!” Bei meinem bald darauf folgenden Entschluß, dem Ruf ins Ausland zu folgen, haben diese Worte von Sepp Herberger stark mitgewirkt. Den Reiz, so etwas zu tun, gab es vor-her schon immer. Während mei-ner DDR-Zeit bis 1953 hatte ich schon immer von Reisen geträumt, was in der DDR oft ein Wunsch bleiben mußte. Im Westen wurde das zu meinem Glück richtigge-hend zum Hobby! Die Reisen ins Ausland waren meine Chance, viel für die eigene Horizonterweite-rung zu tun. Ich habe sehr deutlich den Unterschied erlebt, ob man lediglich für 2 bis 3 Wochen eine oberflächliche Erfahrung als Tourist im Aus-land machen konnte oder ob man mehrere Jahre dort zwar ein Ausländer blieb, aber oft den Eindruck haben konnte, fast zum Ein-heimischen geworden zu sein.Dazu kam es aber erst 1965. Bis dahin war

ich Verbandssportlehrer in Karlsruhe, lernte viel, hatte aber stets die Worte von Sepp Herberger in Erinnerung und wußte, dass ich irgendwann einem solchen Ruf ins Aus-land folgen würde.Es war also 1965, als der DFB laufend An-fragen erhielt und zwar besonders aus Afri-ka: „Wir wollen einen deutschen Trainer für unsere Nationalmannschaft haben“. Zuerst konnte der DFB nur antworten: „Dafür ha-ben wir keine Trainer. Wir haben zwar Sepp Herberger und seinen Assistenten Helmut Schön, aber sonst niemanden dafür.“Nachdem die Rufe nach einem deutschen

Trainer immer lauter wurden, kam man aber doch zu der Er-kenntnis, dass die Entw ick lungsh i l fe auch zum Vorteil von Deutschland viel-leicht doch ebenfalls mit einem Fußball-trainer wirkungsvoll zu ergänzen war. Der DFB sprach mit dem Auswärtigen Amt, die Idee fiel dort auf fruchtbaren Boden mit der klaren Fest-stellung: „Warum sollten wir das nicht auch einmal versu-chen“! Es wurde bei diesen Gesprächen aber auch deutlich, dass es nicht nur um das Training einer Na-tionalmannschaft ge-

hen würde, sondern auch um die Ausbildung von Trainern, die jene Lücke füllen müssten, die nach dem Weggang des deutschen Trai-ners entstehen könnte. Zu dieser „Hilfe zur Selbsthilfe“ ist es dann auch gekommen! Es war Sepp Herberger, der meinen Namen da-mals ins weitere Spiel brachte. Er wies auf mich als standfesten Verbandssportlehrer

Sepp Herberger und Helmut Schön

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hin, der sicher für eine solche Aufgabe qua-lifiziert sei, weil er erfolgreich Mannschaften trainieren würde, mit der Amateurauswahl auch schon zu Spielen in anderen Ländern wie z.B. der USA gewesen sei. Er könne auch Trainer ausbilden, was er laufend tun wür-de, weshalb er eine solche Aufgabe sicher mit grossem Einsatz und Aussicht auf Erfolg angehen könne. Und dieser Kandidat sei bereit, eine derartige Aufgabe zu überneh-men. Sepp Herberger war eine anerkannte Auto-rität! Und mit seiner Fürsprache ging plötz-lich auch alles Ruck-Zuck. Wir trafen uns in Bonn, wo damals das Auswärtige Amt residierte, das Innenministerium wurde mit hinzugezogen und man kam mit dem DFB-Beauftragten Passlack ganz schnell zu den nötigen Regelungen. Für mich war jedenfalls klar: Wenn die Regierung dahinter steht, dann kann ich mich darauf einlassen, dann passen die Bedingungen. „Ob jetzt Afrika, Alaska oder Asien – ich bin bereit, das zu machen!“, das war meine Einstellung. Und ich wußte auch, dass mir niemand vom DFB und von den Regierungsbeamten sagen konnte, was genau mich dort erwartet und wie ich damit umzugehen hätte.Zuerst hieß es noch in Bonn, ich könne da-von ausgehen, dass der erste Versuch sechs Monate im Kongo sein würde. Man fragte mich zum wiederholten Male, ob ich das tun würde, und ich antwortete erneut: „Ich bin zu allem bereit, selbst wenn Ihr mich jetzt in die Antarktis oder wohin auch immer sen-den würdet“!Es war somit alles klar. Die Ausreise war für Anfang Februar 1966 eingeplant. Ich muss-te auf der Sportschule Ende des Jahres und im Januar vorher noch einige Prüfungen abnehmen. Plötzlich kam aber im Dezem-ber der Anruf: „Würden Sie denn auch nach Sierra Leone gehen?“ Zuerst musste ich fragen: „Wo ist das denn? Das hört sich so nach Südamerika an.“ Die Antwort vom Aus-wärtigen Amt war: „Wir mussten auch erst einmal nachschauen“.

Das ist ebenfalls in West-Afrika und nicht weit vom Kongo entfernt. Wir haben hier gerade den Sportminister von diesem Land zu Besuch und der hat uns gesagt, dass er nicht eher aus Deutschland weggehen würde, wenn er nicht einen deutschen Trai-ner mitnehmen könnte.“ Für mich klangen diese mit einem solchen Nachdruck ausge-sprochenen Worte recht überzeugend, und ich fragte natürlich, ob ich mich mit diesem Minister beim DFB treffen könnte, um ihn kennen zu lernen. Nach dem O.K. fuhr ich also nach Frankfurt. Auffallend an diesem Minister war, dass er sich als Mann mit kräf-tiger Leibesfülle herausstellte, weshalb es in meiner direkten Art sofort meine erste Aktion gewesen ist, ihn über seinen Bauch zu streicheln und zu sagen: „Wenn ich also nach Sierra Leone komme, dann bist Du ei-ner meiner ersten Patienten! Denn so geht das nicht als Sportminister!“ Das berühmte afrikanische Lachen ertönte daraufhin durch die Hallen des deutschen Fußball-bundes und dieser Mann aus Sierra Leone und ich waren uns gleich näher gekommen. Das hat mir später in seinem Land sehr ge-holfen, nämlich meine Art, recht burschikos mit allen meinen Gesprächspartnern ohne Rücksicht auf ihre gesellschaftliche Stel-lung umzugehen.Dazu kam auch noch, dass ich Hennes Weil-weiler – der auf der Sporthochschule in Köln auch mein Lehrer gewesen war – dort in Köln besuchte, wo sich auch zwei Fußballer aus Sierra Leone in der Trainer-Ausbildung befanden. Beide waren zwar noch nicht so weit, dass sie ihr Diplom bekommen konn-ten, aber ich sollte sie auf Wunsch von Hennes Weisweiler gleich mit in ihr Land zu-rücknehmen und sie dort weiter ausbilden. Den Grund dafür war, dass nämlich beide nur sehr schlechtes Englisch sprachen und dem theoretischen Unterricht nicht beson-ders gut folgen konnten. Ich bin jedenfalls später in ihrem Land mit den Beiden sehr gut zurecht gekommen und habe sie zu gu-ten Sportlehrern ausbilden können.

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Es gab dann noch ein Gespräch im Auswär-tigen Amt mit dem späteren Bundeskanzler und damaligen Außenminister Willy Brandt. Wir sprachen auch über die Verbindungen zu meinem Elternhaus in Magdeburg. Mein Vater war früher Bundesjugendführer im Deutschen Reichsbanner gewesen, was Willy Brandt bekannt war. Nachdem er mich dazu befragt hatte, sagte er noch: „Herr Pape, wir wissen gar nicht, was Sie da ei-gentlich alles in Afrika machen sollen?“ Ich konnte nur sagen: „Ja, Herr Außenminister, das weiß ich eigentlich auch nicht. Das kann mir nämlich niemand genau sagen!“ Willy Brandt meinte daraufhin: „Machen Sie dort bloß keinen Mist!“ Ich behaupte heute, nachdem 36 Jahre im Ausland daraus geworden sind, dass ich wohl kaum „Mist“ gemacht habe. Auch aus diesem Anfang in Sierra Leone, für den ur-sprünglich insgesamt 6 Monate eingeplant waren, wurden dann nach mehreren Verlän-gerungen zwei Jahre.Später kam nach dieser Anfangszeit in meinem ersten afrikanischen Land mit

Uganda die nächste große Herausforderung auf mich zu. Die erste Station war für mich als Vorbereitung für die weiteren Stationen mehr als lehrreich und das zu einer Zeit im Jahr 1966, als es bei uns in Deutschland sehr wenig Wissen über Afrika gab.

Afrika vor 33 JahrenBurkhard Pape berichtet im Jahre 1975 in der Fachzeitschrift „Der Fussballtrainer“ (siehe Bild S. 14) über seine Erlebnisse vor Ort. Der vorliegende Artikel und das dort präsentierte Afrikabild muten sicherlich ein wenig überholt an, beweisen daher um so deutlicher, welche Veränderungen, auch dank der Sportentwicklungshilfe, in vier Jahrzehnten vor sich gegangen sind... :

Sport und Politik

Im Leben der Afrikaner spielt der Sport eine besondere Rolle. Man verspricht sich vom Sport, in einigen Bereichen auch mit Recht, eine Chance der Anerkennung, die auf ande-

Trainingseinheit unter freiem Himmel: Burkhard Pape und konzentrierte Zuhörer

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ren Gebieten noch nicht so schnell zu erwar-ten ist. Man hat eine Möglichkeit gefunden, sich den Bewohnern anderer Länder, Konti-nente, auch den Völkern anderer Hautfarbe als ebenbürtig oder gar überlegen zu erwei-sen. Dies ist ein Faktor, der den Sport zu einem politischen Hilfsmittel werden lässt, aber leider der kontinuierlichen Entwick-lung im Wege steht. In Afrika ist der Sport ein Politikum ersten Ranges. Allerdings aber auch eines voller Widersprüche. Wirtschaft-liche Schwierigkeiten sind nur eins jener Probleme, die eine gute Sportorganisation erschweren. An Geld mangelt es immer. Ein Teil der jungen afrikanischen Staaten sieht im Sport ein Mittel, um das Prestige des eigenen Landes zu stärken. Es gibt aber auch massgebliche Persönlichkeiten ande-rer Staaten, die der Meinung sind, dass eine gemeinsame afrikanische Sportbewegung ein echtes Mittel sei, um zu einer grossen politischen Gemeinschaft zu kommen. Die Folgen solcher Politik haben wir leider schon erleben müssen, als der afrikanische Sport groβen Druck ausübte auf die Olympischen Spiele in München in der Frage der Teilnah-me von Rhodesien.

Ein weiteres Problem der Beziehung von Sport und Politik ist, daβ in den meisten Ländern der Sport, oder besser seine Orga-nisation, politisch abhängig ist und durch Staatsstreiche und Revolutionen immer wie-der zurückgeworfen werden kann.

All diese Dinge, politisches Denken, Über-bewerten des Prestiges, politische Abhän-gigkeit, hindern die kontinuierliche Ent-wicklung und die organische Aufbauarbeit, die notwendig wäre, um den Anschluβ an andere Länder zu erreichen. Es ist nicht damit getan, bei der Teilnahme an grossen sportlichen Ereignissen immer wieder zu erklären: Wir sind gekommen, um zu ler-nen. Die Jahre zwischen grossen Sporter-eignissen müssen genutzt werden, um den Aufbau zu fördern. Dabei darf aber nicht

ständig das Gespenst „Prestige“ im Nacken stehen. Schulsport, Jugendarbeit, Lehrer- und Übungsleiterausbildung sind Dinge, die Zeit und Geld kosten, aber eben erst nach Jahren Erfolge bringen. Wenn sich diese Einstellung nicht ändert, wird der afrika-nische Fußball weiterhin nur als exotischer Farbtupfer auf internationalem Parkett er-scheinen, wie beispielsweise Zaire bei der letzten Weltmeisterschaft 74. Zaire hat mich nicht enttäuscht, da ich nicht mehr erwartet hatte. Die Publikumslieblinge gingen zwar kämpfend unter, verstanden auch durch einige Kabinettstückchen das Publikum zu begeistern. Was aber fehlte, waren Routine, Stellungsspiel, taktische Marschregeln, von Spielerpersönlichkeiten ganz zu schweigen. Wieder einmal gab es keine Chance für den Schwarzen Erdteil.

Der Hemmschuh des Prestigedenkens

Da ich nun selbst seit Jahren in Afrika tätig bin — in der Zwischenzeit mit vielen anderen Kollegen —, weiβ ich, daβ das Prestigeden-ken für uns ein sehr groβer Hemmschuh ist. Ich habe in West- und Ostafrika einige Revo-lutionen erlebt. Die Arbeit mit der National-mannschaft ging danach immer sehr schnell weiter. Andere Pläne wurden erst mal zu den Akten gelegt, da sie ja vom Vorgänger wa-ren. Ob in West- oder Ostafrika, ich konnte immer nur den Weg gehen, der für uns zu Hause kaum verständlich erscheint: Erst Spitzensport, dann kommt die Breite. Lei-der wird dann aber die Breite auch wieder sehr schnell vergessen, wenn die Spitze auf einmal für afrikanische Verhältnisse sehr er-folgreich ist.

All dies macht es auch verständlich, dass man hier bei unserer Arbeit gezwungen ist, sehr schnell zu improvisieren. Ich glaube kaum, dass ein Fussballehrer in Deutsch-land so vielseitig sein muss, wie es hier die Verhältnisse von uns verlangen. Man hat dort doch für viele Dinge „seine“ Leute. Es

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gibt eine Art von Arbeitsaufteilung. Hier, im Ausland, müssen wir alles in einer Person verkörpern, einmal, weil es notwendig ist, zum anderen setzt man es bei uns voraus. Es wird einfach erwartet.

Es begann in Sierra Leone

Zwei Jahre Westafrika, zwei Jahre Sierra Leone, das war mein erster Einsatz in Afri-ka. Es waren schwere, aber auch schöne Jahre. Von der Mentalität und „Arbeitswut“ der Afrikaner hatte ich noch keine Vorstel-lung. Mit der Nationalmannschaft zu ge-winnen, setzte man voraus, da man ja jetzt einen deutschen Trainer hatte. Aber hier war echte Pionierarbeit notwendig: Spieler im Lande zu finden; den Spielbetrieb so zu

organisieren, dass wirkliche Vergleiche mit anderen auch möglich waren. Kaum vor-handenes oder schlechtes Sportmaterial setzte weitere Improvisationskunst voraus. Zum Krafttraining mussten dann auch mal

Steine oder Kokosnüsse aushel-fen, Palmen am Strand oder Ba-nanenstauden wurden als Sla-lomstangen zweckentfremdet. Persönliche Schwierigkeiten, unabhängig von den Menschen, kamen dazu: Sprachbarrieren, Wohnungsfrage, eigener Trans-port, an wen kann man sich auch mal mit einer fachlichen Frage wenden, wen um Rat fragen, sich eindenken in die Mentalität des Afrikaners. Alles Dinge, die sehr belasten können. Mit der Zeit lernt man aber auch diese Hürden zu meistern. Leicht ist es sicherlich keinem von uns gefal-len. Man muβte eben „seinen“ Weg finden. Von den Afrikanern akzeptiert werden, heisst nicht nur, auf fachlichem Gebiet Vor-bild zu sein, das ist vielmehr eine unbedingte Voraussetzung. Das psychologische Problem bei solch einem Einsatz dürfte für viele das gröβte Hindernis sein: Die Gewalttätigkeiten und die Arroganz der früheren Kolo-nialherren haben tiefe Wunden

hinterlassen. An uns liegt es, zu bewei-sen, dass wir wirklich helfen wollen. Als erstes muss man dem Afrikaner klarma-chen, dass ein Klassenunterschied, be-dingt durch die Hautfarbe, für uns nicht besteht, und zwar nicht nur durch nette Reden, sondern durch Taten. So zu leben, wie der Afrikaner, ist dabei nicht notwen-dig. Unserem Können, unserer Zivilisation, unseren Lebensgewohnheiten konnten wir gerecht werden und dennoch das feste Vertrauen der Leute gewinnen. Kleine Din-ge helfen dabei, diesen Weg leichter zu be-

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schreiten: Transport der nass geschwitzten Spieler, auch einmal im eigenen Auto, eine EInladung der Mannschaft zum Kaffee ins eigene Heim Bis zu höchsten Stellen muss man versuchen, auch auf sozialem Gebiet eine Verbesserung der Spieler und ihrer Familien zu erreichen. Dienstlich und auch privat habe ich sehr viele Reisen (überwiegend Safaris) in das tiefste Innere des afrikanischen Urwalds unternommen. Entweder waren es Reisen zu den Ge-burtsorten der Spieler, Besuche bei ihren Angehörigen, oder Fahrten zu Lehrgängen, „nup country“, oder Safaris, die wir einfach unternahmen, um noch ,,echtes“ Afrika zu erleben, ein Afrika, wie wir es uns in un-serer Jugend erträumt hatten. Die Kon-takte werden geknüpft in dem Milieu, aus dem die Spieler kommen. Vieles wurde für mich leichter verständlich. Auch der groβe Zauberer „Ju-Ju“, der auch heute noch im Leben des Afrikaners eine bedeutende Rolle spielt. Der Europäer sollte sich nicht einbilden, über diesen Dingen zu stehen! Aberglaube, kultische Gemeinden, Feti-schismus, der Glaube an das Horoskop der Tageszeitung usw., all diese Dinge haben auch heute noch (oder heute wieder) einen Platz in unserer Gesellschaft. Mir gelang es, das Vertrauen meiner Spieler so weit zu gewinnen, daβ man mir sogar erlaubte, vor einem Länderspiel gegen Guinea als Euro-päer dabeizubleiben, als zwei Stunden vor Spielbeginn der groβe „Ju-Ju“-Mann kam, um seine kultisch-heilige Handlung vorzu-nehmen. Ich war tief beeindruckt, einmal durch das Erlebnis, aber auch von dem hohen Vertrauensbeweis. Man wollte mir zeigen, ich sei einer von ihnen.

Von West nach 0st

Trotz gröβter Anstrengung der Afrikaner, mich weiter im Lande zu behalten, hiess es für die Familie packen und es ging quer durch den Kontinent nach Ostafrika. Die Staatszeitung schrieb dann: „Offen ge-

sagt, man sollte Pape zu diesem Zeitpunkt nicht gehen lassen. Wir haben erst jetzt die Früchte seiner Arbeit zu sehen bekommen. Wenn wir Pape gehen lassen, wird Ugan-da sofort bereit sein, sich ihn zu schnap-pen. Zur Zeit können wir es uns aber nicht leisten, den Standard im Fuβball wieder sinken zu lassen. Noch haben wir keinen Nachfolger. Ein weiteres Jahr unter Pape würde für uns viele Probleme lösen“.

Nun aber, ich ging. Im Gepäck viele Erfah-rungen auf fachlichem Gebiet, Erfahrungen in der Behandlung der Menschen, aber im Gepäck auch Geschenke der Afrikaner und Filme und Farbdias von einem Land, das wir natürlich viel gründlicher kennen gelernt haben als ein Tourist in wenigen Wochen.In Lagos ein uns schon vertrautes Bild: Sol-daten mit Maschinenpistolen. Da sie nicht auf uns gerichtet waren, was schliesslich auch schon mal der Fall war, störte es uns nicht. Weiter ging es ´gen Osten.

Daβ die klimatische Umstellung von West nach Ost keine Probleme brachte, war für meine Arbeit ein erster wesentlicher Faktor. Eine Umstellung betraf den Sport selbst. Organisatorisch war in Uganda alles leich-ter als in Sierra Leone. Seit Jahren gab es ein „National Council of Sports“, Träger al-ler Sportarten, herrliche Rasenflächen, wo-bei selbstverständlich das gute Klima eine wesentliche Rolle spielte, eine Sporthalle für 2500 Zuschauer, einen geregelten Spielbetrieb in den Regionen, aber leider auch nur wenige ausgebildete Trainer. Da ein Afrikaner als Nationaltrainer fungierte, war meine erste Hauptaufgabe die Orga-nisation des Spielbetriebs und die Ausbil-dung von Trainern und Übungsleitern. Ich war darüber nicht böse, enthob es mich doch des Problems, immer nur ans Siegen denken zu müssen, was man ja von einem deutschen Trainer erwartet. Die pädago-gische Aufgabe mit Lehrern, Übungslei-

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tern und Trainern hatte auch ihre Reize und - freie Wochenenden standen in Aussicht! Die ersten Lehrgänge wurden durchgeführt, die Technical Colleges boten sich dabei mit ihren Sportanlagen an. Nach den erfolg-reichen Lehrgängen sah man nun auch, daβ dadurch eine Möglichkeit gegeben war, den Sport im Landesinneren zu fördern, denn auch in Afrika ist ein Talent weder an einen Ort noch an eine Zeit gebunden. Nur muβ es eben gefunden werden!

Schwarz-weiβe Kooperation

Nach kurzer Zeit bat man mich dann aber, auch das Training und die Arbeit mit der Nationalmannschaft zu übernehmen. Da meine Bedingung, daβ mir der Afrikaner als Assistent zur Verfügung steht, angenommen wurde, kam es zu einer guten afrikanisch-deutschen Zusammenarbeit.Nach zwei Jahren hatte ich eine Jugendna-tionalmannschaft ins Leben gerufen. Somit bekam mein Assistent eine selbständige Aufgabe, bei der ich nur noch beratend zur Seite stand. Ein anderer Afrikaner, der vor-malige Spielführer der Nationalmannschaft, wurde mein Assistent und brachte es bis zu einer Ausbildung in Köln als Fuβballehrer. Eine Nationalliga wurde eingeführt, um die Leistungsstärke zu verbessern. Sie spielte über das ganze Land, und trotz Geburtswe-hen und „afrikanischen“ Schwierigkeiten wurde sie von Jahr zu Jahr erfolgreicher. Die jährliche Teilnahme am Ostafrikaturnier war für Uganda immer ein groβes Ziel. Daβ dabei nicht nur sportliche Belange, sondern auch politische eine Rolle spielten, war klar. Wer ist der ,,Gröβte“ im Land? Uganda, Kenia, Tansania oder Sansibar? Nun, die ,,Gröβten“ wurden wir. In meiner sechsjäh-rigen Tätigkeit konnte Uganda viermal den Pokal gewinnen, einmal wurden wir Zweiter, und einmal wurde er nicht ausgetragen, da Krieg im Lande war. Zweimal gewannen wir den Pokal mit den Junioren. für Ostafrika durchaus ein stolzer Rekord, der mir nicht

nur dienstlich, sondern auch privat Türen zu den höchsten Stellen öffnete. Was dies bedeutete, weiß nur derjenige, der längere Zeit im Ausland tätig war und die Probleme kennt, die auf allen Gebieten auftauchen und auch vom Arbeitgeber in Bonn kaum behoben werden können.

Durch gute Kontakte konnte man fast Un-mögliches, dienstlich und privat, möglich machen.

Erfolge im Afrika-Pokal

Da die Spiele innerhalb Ostafrikas einer In-zucht glichen, überzeugte ich den Verband von der Notwendigkeit, am Afrikapokal der Nationen und der Landesmeister teilzuneh-men. Bedingt durch die Auslosung kommt es dabei zu Vergleichen mit anderen Ländern und auch Teilen Afrikas. Mit der Teilnahme an diesem Turnier wurde mir immer automa-tisch auch das Training des Landesmeisters übertragen - eine sehr erfolgreiche Tätigkeit in Verbindung mit der Nationalmannschaft. Zuerst kamen wir mit dem Vereinsmeister bis ins Semifinale, zwei Jahre später bis ins Endspiel. Der zweite Versuch mit der Nati-onalmannschaft im Afrikapokal führte uns nach großartigen Siegen in der Qualifikati-

on - erstmals für Uganda - bis ins Endturnier nach Kairo. Eine Deutschlandreise meiner Truppe bildete einen weiteren Höhepunkt. Das Länderspiel gegen die Amateure des DFB in Bamberg ging nur knapp 1:2 verlo-

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ren. Eine Revolution im Land - Idi Amin Dada kam an die Macht - änderte nichts an mei-ner Arbeit. Unter guter Bewachung und bei ,,Kriegsverhältnissen“ ging alles ordentlich weiter.

Als erstmals eine Ostafrika-Auswahl aufge-stellt wurde, mit Spielern aus allen vier Län-dern, wurde mir die Ehre zuteil, als Trainer dieser Auswahl berufen zu werden. Im Zuge der Afrikanisierung war es für mich als Eu-ropäer eine groβe Anerkennung von Seiten der Afrikaner. So kam ich nach fast sechs-jähriger Arbeit in Uganda, neben der Ausbil-dung von Trainern und Übungsleitern, auch zu einem nicht schlechten Rekord, nämlich 52 Siege, 18 Unentschieden und nur 13 Niederlagen.

Es war eine lange, nicht immer leichte, aber doch schöne und erfolgreiche Zeit in Uganda. Die Tage der Unruhen sind heute vergessen, wo man bewaffnet ins Kino oder zu einer Party fuhr, wo Überfälle an der Ta-gesordnung waren, wo man nachts oft mit dem Gewehr durchs Haus schlich, weil man annahm, dass mit Pangas (Buschmessern) bewaffnete Banden ins Haus einzudringen versuchten. Die Stunden der Angst sind nicht zu zählen, die meine Frau allein mit Sohn im Haus verbrachte, da meine Tätig-keit mich oft ins Ausland oder auβerhalb Kampalas führte. Dass auch meine Frau mit Waffen umzugehen weiss, war dabei nur ein kleiner Trost. Passiert ist allerdings nie etwas. Die Angst war jedoch berechtigt, da selbstverständlich in allen Zeitungen meine Abwesenheit nachzulesen war.

Nach fast sechs Jahren wurden von Seiten der Uganda-Regierung alle Anstrengungen gemacht, mich auch weiterhin im Lande zu behalten. Präsident Idi Amin, ehemals selbst Sportler. zu dem ich auch gute freundschaft-liche Beziehungen hatte setzte sich selbst dafür ein. Aber nach solch langer Zeit war

eigentlich alles erreicht, was den Leistungs-stand der Nationalmannschaft betraf. für den weiteren Unterbau fehlten die notwen-

digen Gelder. Großartige Abschiedspartys machten uns das Abschiednehmen noch schwerer, lieβen wir doch viele Freunde in Ostafrika zurück.

Von der Nilquelle bis zur Mündung

Von der Quelle des Nils verschlug es uns ca. 600 km nördlich an die Mündung des Nils, dem Lebensspender Ägyptens. Ein neues Einsatzland, ein neuer Wohnort, Kairo, un-sere neue Heimat. Neue Probleme, neue Bekannte, neues Einleben, neues Herantas-ten an die schon vorhandenen Institutionen, eigene Gedanken. Aber dies sind unsere Probleme, mit denen wir leben, wir können auch nicht erwarten, daβ zu Hause dafür im-mer volles Verständnis aufgebracht wird.

Ägypten nimmt mit Sicherheit eine Sonder-stellung ein unter den Ländern am Mittel-meer. Ägypten, das Land der Pyramiden, eine faszinierende, auch heute noch geheimnis-volle Welt am Nil. Tempel, Gräber, Riesen-bildwerke haben schon Römer und Griechen im Altertum in ihren Bann gezogen. Ein Dich-ter sagte einmal: ,,Der Ägyptische Boden ist Gold, der Nil ist ein Wunder, die Ägyptischen Frauen sind wie himmlische Huris, und

zu Gast bei Idi Amin

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Kairo ist die Stadt der Städte! „ Welch ein Glück. dass der Beruf mich dorthin brach-te, wo Jahr für Jahr Tausende von Touristen ihre Träume von ,,Tausendundeiner Nacht“ verwirklicht sehen wollen. Nur, mit Traumen ist es bei mir nicht getan. An den Pyramiden fahre ich täglich vorbei. In Ägypten gibt es aber groβe Probleme, was nach Revolution und zwei Kriegen gar nicht verwunderlich ist. Heute spricht man hier von einem ,,Wirt-schaftswunder“. Dies bezieht sich aber wohl darauf, dass es doch immer irgendwie wei-tergeht. für westliche Besucher hat dieses Wunder nämlich wenig Wunderbares an

sich, sondern eher etwas Verwir-rendes, Gegensätzliches. Eine un-beschreibliche Bürokratie und eine geplante Volkswirtschaft, nach so-zialistischem Vorbild gelenkt, führt dazu, daβ Konsumgüter heute noch sehr knapp sind. Menschenschlan-gen vor den Staatsläden sind an der Tagesordnung, das Wort Luxus findet man nur bei sehr wenigen, der „Bakschisch“, das „Öl zwischen-menschlicher Beziehungen“, hilft doch immer wieder weiter.

Malesh

Seit der Revolution 1952 regieren erstmals Ägypter über Ägypten. In den über 20 Jahren völliger Selb-ständigkeit haben Kriege und po-litische Ereignisse aller Art tiefe Einschnitte in den Ablauf der Wirt-schaft und auch im Sport gebracht. Stillstand heiβt Rückgang, nicht nur für den Sport. 30 Mill. Menschen le-ben heute in Ägypten, davon etwa 7 Millionen in Kairo. Fast 2 Millionen wurden nach dem ersten Krieg aus den Städten Suez, Ismailia und Port Said evakuiert. Mit der Eröffnung des Suezkanals werden diese Leute wieder zurückgehen. Ob das spür-

bar wird, ist fraglich, da täglich 3000 neue Ägypter das Licht der Welt erblicken. Ein Pro-blem, welches sicherlich nicht kleiner wird, denn vor zehn Jahren waren es ,,nur“ 1000. Die Kriege haben auch in Kairo groβe Nar-ben hinterlassen, die Stadt ist abgenutzt, der Schmutz dringt aus allen Winkeln, der Zustand der meisten Strassen ist seit Jah-ren unverändert, der Verkehr hat aber be-ängstigend zugenommen. Überfüllte Busse, uralte Autos auf den Straβen, die oftmals kaum mit den notwendigen Lichtern ausge-rüstet sind, der Verkehrsfluβ, die Art zu fa-hren, sich durchzusetzen, ist unvorstellbar. Der Besucher, vom Flughafen abgeholt, at-

Gespannt verfolgt Pape die Künste seiner ägyptischen Jungs

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met erlöst auf, wenn er das Haus erreicht hat. Er braucht Tage, um nicht immer wie-der als Beifahrer zu erschrecken. Um dies zu begreifen, muβ man eben die ,“Malesh“-Einstellung der Ägypter kennen (Malesh ist ein Wort, das ,,Vergebung“ und ,,macht nichts“ bedeuten kann), sich nämlich hin und wieder rücksichtslos und auch manch-mal mit nicht ganz korrekten Mitteln durchs Leben zu boxen. Dies ist aber nur eine Seite, mit deren Schwierigkeiten sich nur der Orts-ansässige auseinanderzusetzen hat. Dem Touristen eröffnet sich eine andere Welt. Herrliche ägyptische Restaurants in der Stadt und am Nil, wo sich dann bei unter-gehender Sonne die Feluken-Boote auf dem trägen Wasser treiben lassen oder gar ge-gen den Strom segeln. Die 7-Millionen-Stadt ist voller Dokumente vorchristlicher Vergan-genheit, voll der Stätten islamischer Kunst. Bei wechselnder Beleuchtung ist es immer wieder ein bedrückend-faszinierender An-blick, über die riesigen Gebiete der Mame-lukkengrabmäler zu blicken, ein enormes Gräberfeld mitten in der Stadt, dazwischen viele herrliche Moscheen. über allem dann die Zitadelle mit der groβen Mohamed-Ali-Moschee. Das ägyptische Museum und die Pyramiden von Gizeh und Sakkara sprechen für sich selbst. Der Blick von der Sahara-City auf die Pyramiden, den Nil, im Hintergrund Kairo, dann wieder Wüste, dürfte auch für einen Touristen, der sich nicht so genau in der Geschichte des alten Ägyptens aus-kennt, unvergesslich bleiben. Der nächt-liche Lichtzauber um Sphinx und Pyramiden versetzt den Besucher in die fünftausend Jahre alte Kultur der Pharaonen. Fahrten nach Luxor, Kharnak, Assuan bilden weitere Möglichkeiten, um Ägypten als Reiseland zu entdecken.

Gross sind nun die Pläne der Ägypter für den weiteren Ausbau des Landes. Der Suezka-nal mit seinen Millionen-Dollar-Einnahmen im Jahr spielt dabei die gröβte Rolle. Noch ist er Sperrgebiet, noch liegt Suez in Trüm-

mern. In Ismailia und Port Said regen sich erste Lebenszeichen, die Bevölkerung kehrt zurück. Der Aufbauminister Osman Ahmed Osman (auch Präsident eines Sportklubs, der schon in Bremen spielte) hat grosse Pläne. Man setzt groβe Hoffnungen auf die Deutschen, wohl beeindruckt von unserer Aufbauleistung nach dem Kriege. Wirt-schaftsdelegationen geben sich in Kairo die Türklinke in die Hand, sind Dauergäste in den Hotels. Warten wir ab, was kommt. Die wichtigste Voraussetzung für das Gelingen dürfte wohl sein, daβ im Nahen Osten kein neuer Krieg ausbricht, der mit Sicherheit nicht nur Tage dauern würde.

Standort des Sports in Ägypten

Stillstand heiβt Rückgang. Wo steht nun der Sport in Ägypten? Die Vergangenheit hat gezeigt, dass bei dem 35-Millionen-Volk ein sehr grosses Potential für den Sport vorhanden ist. Die Ägypter haben von allen afrikanischen Staaten schon die gröβten Fortschritte gemacht. Medaillen und inter-nationale Siege sprechen heute noch da-von. Die deutsche Nationalmannschaft hat hier in Kairo 1958 1:2 verloren, mit Spielern wie Rahn, Tilkowski, Schnellinger, Morlock, Schäfer. Nationalmannschaften aus aller Welt waren hier schon zu Gast. Real Madrid in seiner gröβten Zeit spielte zur Eröffnung des 100 000 Mann fassenden Nasser-Sta-dions.

Ein organisiertes Vereinsleben, mit Kluban-lagen für alle Arten von Sport, dürfte für Afri-ka (und nicht nur dort) als vorbildlich gelten. Der Gezira-Sporting-Club z. B. gilt als einer der gröβten Klubs in der Welt. Er hat über 30 000 Mitglieder, die ca. 20 verschiedene Sportarten betreiben können. Die Klubs haben eigene Stadien und eine Anhänger-schaft, die sich fast schon familiär vererbt. Mitglied in solch einem Klub zu sein, zählt schon etwas.

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Der Fuβball ist auch hier Sportart Nr. 1. Das Problem der Aufstellung einer Na-tionalmannschaft liegt hier nicht wie in Schwarzafrika im Stammesdenken, son-dern in der Rivalität der Vereine. Bei be-sonderen Punktspielen kommen oft 100 000 Zuschauer. Da das eigene Stadion nicht ausreicht, weicht man in das grosse Nasser-Stadion aus. Ein Freundschafts-spiel der Eintracht Frankfurt im letzten Sommer brachte auch hier gegen eine Vereinsmannschaft etwa 60 000 Leute auf die Beine. Aber wie sieht es mit der heutigen Leistungsstärke im ägyptischen Sport aus? Die Vergangenheit ist Geschich-te - eine Hypothek, die belasten kann. Zwei Kriege haben den Sport und nicht nur den Fuβball - um Jahre zurückgeworfen. 1948 wurde eine Nationalliga gegründet, aber nur neunzehnmal konnte sie bis zum Ende durchgespielt werden. Immer wieder kam es zu Unterbrechungen. Wir wissen alle, daβ gerade in den letzten zehn Jahren die Entwicklung im Leistungssport so sprung-haft gestiegen ist, daβ den Anschluβ zu ver-lieren fast einer Katastrophe gleichkommt. Beispiele auf vielen Gebieten des Sports in vielen Ländern gibt es dafür genug.

Mich reizte diese Aufgabe. In Spielen mit Uganda gegen Ägypten konnte ich sehen, welche Kräfte dort zu fördern sind, die auch auf internationalem Leistungsge-bieten mitreden könnten, aber auch, daβ durch die schon vorhandenen Vereine eine gute Breitenarbeit möglich ist.

Mit der neuen Mannschaft gegen die alte

Meine Ankunft in Kairo fiel fast zusammen mit dem Endturnier um den Afrika-Pokal der Nationen. Ägypten war als Ausrich-ter qualifiziert. Mit Uganda hatte ich - im Rahmen meiner letzten Tätigkeit - dieses Turnier nach Siegen über Algerien erreicht. Mein erstes Länderspiel in Kairo hiess, so wollte es die Gruppeneinteilung, Ägypten -

Uganda! Die Zeit war zu kurz, um wenige Wochen vor Turnierbeginn noch entschei-denden Einfluβ - vom Training abgesehen - auf die Mannschaft auszuüben. Seit Mo-naten gab es kriegsbedingt keinen Spiel-verkehr, kein geregeltes Training, es fehl-te einfach an Wettkampfpraxis. Da auch das härteste Training keinen Wettkampf ersetzt, wurden Testspiele in der Vorberei-tungszeit ausgetragen, erst A gegen B. was ja auch selten einen echten Einblick gibt, dann Spiele gegen Dukla Prag als Trai-ningspartner. Leider kam es dabei zu den bekannten Zwischenfällen im Zamalek-Stadion. Nach solch einer langen Fussball-pause war die Begeisterung noch grösser als erwartet. Das Stadion wurde gestürmt. Zu einem Spiel kam es nicht, aber zu einer Katastrophe. über 40 Tote wurden dann später gezählt.

Dies war psychologisch auch nicht gerade der beste Weg der Vorbereitung, aber es musste weitergehen. Persönliche Schwie-rigkeiten traten auch mal wieder auf. Transportschwierigkeiten, Wohnungssuche usw., Dinge, die gerade in solch einer Zeit die Arbeit nicht gerade erleichtern. Doch Improvisieren, sich den Gegebenheiten anpassen, auch wenn es nicht in den vor-gefertigten Plan paβt, sind eben Dinge, die man können muβ, die ich mir auch in den knapp 10 Jahren Afrika gut angeeig-net habe. Sehr viel kollegiale Unterstüt-zung erhielt ich von Dettmar Cramer, der in seiner Eigenschaft als Trainer der FIFA im gleichen Zeitraum hier Trainerlehrgän-ge abhielt. Die Pokalspiele selbst hatten kein sehr hohes Niveau, gemessen am in-ternationalen Standard. Trotz mangelnder Kondition und mit wenig Wettkampfpraxis konnten wir gegen Uganda, Zambia, Elfen-beinküste und Kongo-Brazzaville gewin-nen. Gegen Zaire verloren wir dann trotz einer 2:0-Fuhrung noch 3:2. Zaire wurde dann auch Afrikapokalsieger und vertrat ja bekanntlich den afrikanischen Erdteil bei

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der WM 74 in Deutschland.

Da die konditionellen Mängel gerade bei der ägyptischen Mannschaft deutlich sichtbar wurden — Wadenkrämpfe, Er-schöpfung, Tempoverlust usw. - , tauchte die Frage auf, ob der momentane Lei-stungsstand überhaupt ausreicht für den Leistungssport. Eine Untersuchung ergab dann interessante Resultate. Bei den Spit-zenkräften des ägyptischen Sports wurde ein Lungenvolumen von ca. 4 Litern festge-stellt. Da 5,56 Liter heute für die Belastung im Leistungssport verlangt werden, war es kein Wunder, dass die Spieler den Bela-stungen von Wettkampf und Training nicht gewachsen waren. Drei Freundschafts-spiele gegen die Eintracht Frankfurt vor der WM zeigten noch einmal, daβ die spiele-rischen Mittel durchaus genügen, um auch Profimannschaften vor echte Probleme zu stellen. Aber leider eben noch nicht für 90 Minuten. Nach der WM, die auch hier mit Spannung verfolgt wurde, begann dann erstmals nach langer Zeit wieder eine Punktspielrunde. In den vergangenen 26 Jahren konnte Kairo den Titel der ,,National Club“12mal gewinnen, Zamalek 4mal und Mehalla, das jetzt im Endspiel um den Afri-kapokal der Vereinsmeister stand, Ismailia und Arsenal je einmal. Daβ nach den zwei Kriegen die Punktspieleinnahmen für die Vereine sehr wichtig sind, durfte wohl je-dem klar sein, denn nach solch langer Zeit sieht es auch für den Verband nicht gerade rosig aus.

Viermal gelbe Karte = 15 Tage Sperre

Einige Schiedsrichterlehrgänge konnte ich schon durchführen, wobei das Niveau als sehr gut bezeichnet werden kann. Dabei wäre besonders zu erwähnen, daβ man hier vom Verband aus die Regelung ein-führte, daβ die vierte gelbe Karte automa-tisch zu einer Sperre von 15 Tagen führt, egal, ob in dieser Zeit zwei, drei, oder gar

vier Punktspiele ausgetragen werden. Über die Zahl der erhaltenen gelben Karten wer-den die Vereine jedes Mal informiert. Ein ägyptischer Schiedsrichter war auch Leiter bei der WM 74 im Spiel Deutschland gegen Australien.Auch mit der Trainerausbildung konnte ich beginnen. Der ägyptische Verband ist in 5 Zonen aufgeteilt: Kairo, Alexandria, Delta, Kanal und Oberägypten. Die Zonen verfügen über eine eigene Verwaltung und haben ihren Regionalfuβball und die Spielrunden der Jugendlichen unter sich. Der Hauptverband, mit Sitz in Kairo, leitet die Nationalliga, die mit 18 Mannschaften über das ganze Land spielt. Da die Lei-stungsstärke nicht so groβ ist wie die Zahl der Vereine, kommt es leider immer wie-der zu sehr niveaulosen Spielen. Der echte Spitzenspieler braucht sehr oft nur die hal-be Kraft, um zu gewinnen. Es fehlt der ste-tige Leistungsdruck, das Abverlangen einer ständigen Höchstleistung, die dann ja erst zur Beständigkeit führt. (Im Vergleich dazu: unsere Bundesliga heute und die Oberliga damals).

Guter Nachwuchs

Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung, wenn auch langsam, ist nun auch im Sport wieder geregeltes Leben eingekehrt. Die Liga läuft, zusätzlich haben wir jetzt in den einzelnen Zonen Sichtungsspiele gemacht, um bei den Jugendlichen unter 18 Jahren die Talente herauszupicken. Um den lau-fenden Spielbetrieb nicht zu unterbrechen, flog ich mit einer Nachwuchsmannschaft nach Damaskus. Es war ein Turnier (Kune-tra-Pokal) mit 11 arabischen Staaten, die direkt oder durch finanzielle Unterstützung am Krieg gegen Israel teilgenommen hat-ten. Mit drei Siegen und zwei Niederlagen brachte die Truppe weit mehr als erwartet. Es gab uns weiteres Vertrauen, daβ wir bei dem Nachwuchs auf dem richtigen Wege sind.

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Bezahlte Amateure

Der hiesige Fußball ist auf Amateurbasis aufgebaut. Durch den Verein kann der Spie-ler aber doch „einiges“ Geld machen. Ein guter Spieler kann durchaus auf 600-800 DM im Monat kommen. Es gibt dabei eine Staffelung nach Tabellenplatz, Zuschauer-zahl, Wichtigkeit des Spieles usw. Von den Einnahmen gehen 10 % an den Verband ab, 5 % an die Zone. Die Eintrittspreise lie-gen zwischen 1 DM und 10 DM. All diese Beträge sagen für deutsche Verhältnisse nichts aus. Wenn man aber bedenkt, daβ

ein junger Verkehrspolizist knapp 100 DM im Monat verdient, ein Arzt am Sportinstitut es auf knapp 500 DM bringt, dann lohnt es sich schon, in Ägypten bei einem Spitzen-klub Fußball zu spielen, um zusätzlich diese Einnahmen zu haben. Leider führt dies aber auch dazu, daβ die Vereine kein allzu groβes lnteresse an der Nationalmannschaft zei-gen, da der Verband nicht in der Lage ist, groβe Gelder zu zahlen. Bei richtigem Spiel-betrieb und einem oberen Tabellenplatz sind die Vereine finanziell in einer weit besseren Lage als der Verband. Im Gegensatz zum anderen Teil Afrikas, wo die Schwierigkeit im Stammesbewuβtsein lag, würde es hier

meine Aufgabe sein. eine gute Verbindung, ein besseres Verständnis zwischen Vereinen und Verband herzustellen. Mein Angebot, auch die Vereine zu unterstützen, wurde nach einigem Zögern überraschend schnell angenommen. Der Zamalek-Klub, der bisher einen Trainer aus der CSSR hatte und sehr viele Spieler an die Nationalmannschaft abstellt, bat um meine Hilfe, auch Arsenal. Gern bin ich diesem Wunsch, nach Abspra-che mit dem Verband, nachgekommen, lag doch hier die groβe Chance, endlich einmal die Rivalität Verein - Verband zu beseitigen. Ich als Nationaltrainer, sprich Verband, hel-

fe euch, dem Verein, ihr müsst aber auch mir, sprich Verband helfen. wenn Spieler für die Na-tionalmannschaft ge-braucht werden. Durch diesen Einsatz kam es dann auch zu einer gu-ten Zusammenarbeit mit den Trainern, die ich ja auch für meine Ver-bandsarbeit brauchte, deren Arbeit letztlich entscheidend war für die Verbreitung meiner Me-thoden.

Gute Trainer werden in Ägypten immer willkommen sein. Als Deut-scher machte ich den Anfang. Mit meiner Hilfe konnte dieser Sport wieder aus der Versenkung auftauchen, dorthin gelangen, wo er schon einmal war, dann aber weiterge-führt werden bis zum Erreichen eines Stan-dards, der es uns erlaubte, auf der internati-onalen Bühne des Fuβballs mitzureden. Der Weg wird nicht leicht sein. Es wird Zeit brau-chen und natürlich auch Geld. Durch die langen Jahre in Afrika hat man aber eine Art ,,brutales Durchhaltevermögen“ entwickelt, ohne das es einfach keinen Erfolg geben kann. Die Zukunft lag vor uns und ,,inshalla“ würden wir auch erfolgreich sein.

Hoher Besuch: Berti Vogts, Günter Netzer u.A. in Ägypten

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Sonne, Sand, Siege und SportEine sportliche und politische, lebensnahe Geschichte

Haben diese vier „S“, so frage ich mich heute, mehr als alles andere mein Leben bestimmt? Es gab noch weitere lebens-werte Dinge auf meinem Weg, aber trotz-dem sind Sport und Sonne untrennbar mit meinem Leben verbunden, Sand (im Ge-triebe so mancher Maschinerie) hat sicher so manches mal die Siege verhindert, nach denen ein Sportler so sehr sich sehnt wie ein Wanderer in der Wüste nach dem leben-spendenden Wasser.

Zu Anfang möchte ich gleich mit meiner er-sten großen Herausforderung in dem mir bis dahin völlig unbekannten afrikanischen Kon-tinent, nämlich mit dem westafrikanischen Land Sierra Leone beginnen, wo diese vier „S“ mein Leben viele Monate bestimmen sollten.

Für mich war dort alles richtiggehend neu und mit nichts zu vergleichen, was ich bis dahin erlebt hatte. Ich musste mich heran-tasten an viele ungewohnte Dinge. Als ich in Sierra Leone ankam, begleiteten mich Schritt für Schritt die hohen Erwartungen dieses Landes in den schon lange erwar-teten zukünftigen Trainer der noch nicht vorhandenen Fußball-Nationalmannschaft. Aber zuerst war ich aus meiner Sicht nur der „Ausländer“. Aber ich war doch ein be-sonderer Ausländer, was ich bei jeder Be-gegnung mit Einheimischen spüren konn-te. Ich war jemand, von dem man sich viel erhofft hatte - das habe ich später auch in anderen Ländern immer wieder erlebt und gespürt: „Jetzt bist Du endlich da, Du deut-scher Germane“. Und man stellte sich ei-

nen deutschen Trainer auch in etwa genau so vor, wie ich damals aussah: blond und von großer, kräftiger Statur. Einem solchen Wunschbild habe ich perfekt entsprochen! So stellte man sich für das eigene Land den passenden Fußballtrainer vor. Die mir entgegengebrachten Wünsche konnte ich tagtäglich spüren in einem zwar nicht mit Worten ausgesprochenen, aber trotzdem deutlichen Denken: „So, jetzt bist Du da und jetzt gewinnen wir mit Dir die Länderspiele gegen unsere Riva-len, gegen die Länder in der Nachbarschaft! So war es dann auch im weiteren Verlauf meiner Zeit in Sierra Leone! Und nicht nur dort. Zuerst begann es aber mit den unmög-lichsten Dingen.

Über die Platzverhältnisse wollen wir gar nicht einmal reden. Es gab nämlich auch keine vernünftigen Bälle; Medizinbälle wa-ren völlig unbekannt. Große Kokosnüsse

Not macht erfinderisch: Bänke statt Medizinbälle

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waren der einzig mögliche Ersatz. Es wurde Sand hinein gefüllt, damit wir überhaupt Gymnastik machen konnten. Als ich dann an hoch offizieller Stelle quengelte, dass wir nur einen einzigen Fußball hatten, wurde ich beim Premierminister Sir Albert Margai persönlich vorstellig, der lange Jahre für die Sierra Leone Peoples Party im Amt gewesen ist (von 1958 bis 1967) und der während dieser Zeit, kurz bevor ich kam, der erste Premierminister nach der Selbständigkeit des Landes geworden war. Vorher war ich aber auch noch in der deutschen Botschaft, um dort unseren Botschafter zu sprechen - mit dem ich im weiteren Verlauf meiner Tä-tigkeit einen sehr guten Kontakt hatte. Als ich ihm sagte, dass ich jetzt zum Premiermi-nister gehen würde, um dort wegen der Bäl-le anzufragen, da meinte der Botschafter: „So können Sie doch nicht hingehen, so wie Sie aussehen, nämlich im Sporthemd und kurzer Hose!“Ich machte mir nichts aus diesem Ein-wand und meine Antwort entsprach mei-ner Einstellung: „Wenn ich jetzt im Anzug mit Schlips komme, dann erkennt der mich überhaupt nicht! Genauso war‘s auch. Sir Al-bert Margai nahm die Sache sofort gut auf, hatte aber doch den Einwand: „Ihr braucht doch beim Spiel nur einen einzigen Fuß-ball“. Da hatte er nicht unrecht für‘s Spiel selbst; aber natürlich konnte ich ihm klar-machen, was alles da noch zusätzlich so dranhängt mit Ersatzbällen, den Mitteln für das Training usw. Danach wurde die Sache auch sofort ohne Verzögerung klar gemacht, und wir hatten von nun an mehrere Fußbälle und was sonst noch alles dazu gehört.Es kam kurz darauf ein erstes, für Sierra Le-one sehr bedeutendes Spiel gegen das ein kleines bißchen größere direkte Nachbar-land Liberia zustande. Auch politisch was das mit langer Tradition schon immer so ein ziemliches „Hick-Hack“ zwischen beiden Ländern. Dieses Spiel gewannen wir knapp aber verdient mit 1:0, und bereits nach Ende der ersten Halbzeit wurden wir in der Kabi-

ne bereits vom Premierminister erwartet. In einer kurzen Rede wurden wir aufgefordert, diese Führung zu verteidigen und möglichst noch auszubauen. Zugleich versprach er eine Erhöhung der Siegesprämie für jeden Spieler auf 5 oder 8 Mark (genau weiß ich das nicht mehr). Wir konnten das 1:0 halten und ganz Sierra Leone feierte uns für die-sen historischen Sieg über den Nachbarn. Zur Beruhigung der wutschnaubenden Libe-rianer wurde dann aber schon für drei Tage später ein neues Spiel ausgemacht. Es war dann ein passender Erfolg für die Diploma-tie, dass dieses Spiel mit Unentschieden ausging. In der Gesamtabrechnung waren auf jeden Fall wir erfolgreich. Das brachte mit sich, dass mein Ansehen weiter beträchtlich ge-wachsen war. Die Liberianer waren jeden-falls - das wurde mir berichtet - ausgespro-chen neidisch auf den deutschen Trainer im Nachbarland, und es gab auch gleich den scherzhaft ausgesprochenen, aber doch

Ballgefühl auch ausserhalb des Fussballplatzes

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ernstgemeinten Versuch eines Funktionärs von Liberia, mich abzuwerben sowie mich am besten gleich in das Nachbarland mit-zunehmen.Nach guten Anfängen in Karlsruhe war ich schon in Deutschland ein begeisterter Ten-nisspieler geworden. In der Zwischenzeit hatte sich das nach ebenfalls in Sierra Leone herumgesprochen, was dazu führte, dass ich mit dem mir inzwischen sehr gewogenen Premier Margai schon bald Tennis spielte. Er ließ sogar in seinem eigenen Wohnbereich Tennisplätze anlegen. Wir spielten dort lau-fend miteinander Tennis und hatten auch dadurch einen sehr stabilen, richtig guten Kontakt. Sport verbindet – das ist mir im Laufe meiner Tätigkeiten wieder und wieder aufgefallen – dort wo die reine Diplomatie versagt, haben sich verschwitzte Sports-männer oft mehr zu sagen.Gleich zu Anfang, nach wenigen Wochen in Sierra Leone, trainierten wir als Vorberei-tung auf das schon geschilderte Spiel gegen Liberia. Nachdem das Training vorbei war und wir alle ziemlich staubig, dreckig und verschwitzt waren, ging die ganze Mann-schaft zum Duschen. Und ich ging natürlich mit - was für mich vom Sport in Deutschland her selbstverständlich war, ohne mir dabei irgend etwas zu denken. Der deutsche Bot-schafter rief mich einige Tage später an und fragte, ob ich denn schon gesehen hätte, was die lokalen Zeitungen schreiben würden. Ich musste ihm sagen: „Nein, was ist denn los?“ Daraufhin hörte ich von ihm, dass in der Zei-tung stand, wie sehr die Spieler mehr als überrascht waren und dem Reporter gesagt hatten: „Der Trainer ist mit uns zusammen zum Duschen gegangen!“ Dass dies dort so großartig ankam, hatte ich nicht erwartet! Dass ich nämlich als Weißer, als Europäer mit den schwarzen Spielern zusammen auf Augenhöhe stand, brachte mir ungeahnte Sympathien ein. Und das war etwas, was ich vielleicht nur gefühlsmäßig gemacht hatte, und was mir aber - wenn es zu ähnlichen Ge-meinsamkeiten kam - auch in den nächsten

35 Jahren immer wieder geholfen hat, mich in die Lage der Leute zu versetzen, die ich trainierte, die ich brauchte oder mit denen ich auch zusammen lebte. Es ging darum, nicht nur als Ausländer anerkannt zu wer-den, sondern als Mensch, der sich für die-jenigen interessiert, die dort leben und mit ihnen auf gleicher Stufe stehen wollte. Und der sich nicht nur dafür interessiert, dass sie dort leben, sondern wie sie leben und was sie erleben.Denn immerhin waren meine Spieler, die aus dem Urwald kamen, auch Menschen, mit de-nen ich auskommen wollte. Es gab deshalb auch Tage, an denen ich bei den Spielern und deren Familien im Dorf wohnte - unter nicht immer ganz leichten Bedingungen - aber das wurde von den Leuten anerkannt. „Mensch, der interessiert sich doch für uns, der steht nicht nur da oben drüber!“

Es war jedenfalls kein Wunder, dass so aus den ursprünglich für Sierra Leone vorgese-henen 6 Monaten, als ich eigentlich wegge-hen sollte, eine große Staatsaffäre wurde. Die deutsche Botschaft wurde eingeschaltet und auch das Auswärtige Amt in Bonn. Alles wurde getan, damit ich in diesem Land blei-ben sollte. Natürlich ging diese Forderung auch an den DFB mit dem Ergebnis, dass mein Aufenthalt gleich auf ein volles Jahr verlängert wurde. Später kam nach ähn-lichen Forderungen an die gleichen deut-schen Stellen noch mal ein weiteres Jahr dazu.

Vorher hatte ich nach dem ersten Jahr in diesem Land Urlaub in Deutschland ge-macht und heiratete in Münster in Westfa-len meine mir schon etwas länger bekannte Freundin Bärbel, die auch Sportlehrerin war. Wir kamen dann gemeinsam nach Sierra Leone zurück, hatten dort inzwischen ein schönes Haus, nämlich ein altes Kolonial-haus gefunden, das auf Stelzen mit hartem Holz erbaut war. Bilder ließen sich übrigens in diesem Haus erst aufhängen, nachdem

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man in dem harten Holz unter erheblichen Schwierigkeiten Löcher gebohrt hatte. Das harte Holz hatte mit den Termiten zu tun, die sich wegen der Härte nicht einnisten sollten, damit das Haus stehenbleiben und nicht zu-sammenbrechen konnte. Das waren alles neue Erfahrungen, die ich bis dahin noch nicht gemacht hatte, weil ich mich damit im vorherigen Junggesellenleben überhaupt nicht in Berührung gekommen war.

Meine Frau arbeitete inzwischen auch an den Schulen, führte dort sogar schon sehr früh so etwas Ähnliches wie das Bundes-sportfest bzw. die Bundesjugendspiele ein. Das kam großartig an und wir waren beide als leitende Akteure voll akzeptiert. Man konnte auch mit Hilfe Bärbels vieles machen, was im Sport weiterhalf und Fortschritte brach-te. Die zusätzlichen Aktivitäten von Bärbel machten sie sehr schnell genau wie mich weiter populär und sie trugen alle zur Fuß-ball- sowie Sportbegeisterung mit bei.

Jetzt möchte ich aber noch auf den Anfang meiner Zeit dort in Freetown, der Haupt-stadt von Sierra Leone zurückkommen. Als ich dort nämlich ankam, erfuhr ich schon relativ bald, dass der zuständige Sportmini-ster überall voll Stolz erzählen würde: „Ich war es, der den Burkhard von Deutschland in Frankfurt beim dortigen Fußballbund für unser Land gekapert und nach hierher ge-holt habe. Von diesem Sportminister wurde ich wenig später ebenfalls allen anderen Kabinettmitgliedern vorgestellt, was mir und danach auch Bärbel viel Unterstützung durch alle diese Amtspersonen gebracht hat. Als wir übrigens nach unserer Heirat in Deutschland gemeinsam dort ankamen, wurde sogar eine Parlamentssitzung unter-brochen mit der Ankündigung: „Soeben ist unser deutscher Trainer wieder gelandet!“

Nun aber zu der Überraschung in diesem afrikanischen Land. Was in solchen Län-dern nämlich auch passiert, ist manchmal

nicht ganz so einfach zu überstehen. In den folgenden Jahren gab es das hier in Sierra Leone wie später ebenfalls in anderen Län-dern, wobei ich dann mit den gewonnenen Erfahrungen aber bessere Reaktionen zei-gen konnte. In Sierra Leone war es für uns beide jedenfalls etwas, was wir nicht er-wartet hatten. Es kriselte zu dieser Zeit im etwas weiter entfernten Ghana im dortigen Ein-Parteien-System. Unser Premierminister Albert Margai hatte hier das gleiche System auch einzuführen versucht. Die Opposition war sehr dagegen. Von Regierungsseite ver-suchte man nun, mich in solchen Fragen einzuspannen. Aber ich wußte stets, dass ich mich aus diesen politischen Angelegen-heiten rauszuhalten hatte. In allen meinen Einsätzen habe ich stets eine solche Haltung eingenommen und bin gut damit gefahren, dass ich immer gesagt habe: „Ich bin Sport-ler, neutral und unpolitisch. Ich kümmere mich deshalb auch nicht um die Politik in Deutschland und genau so wenig um Eure Politik oder um die der Nachbarländer. Ich verkaufe stattdessen nur Fußball“. Auf die-ser Basis konnte ich mich mit der Opposition wie mit der Regierung immer gut verstehen, weil ich genau wußte: Wenn etwas passiert, dann kann es nur von der Opposition, der Polizei oder der Armee kommen. Deshalb habe ich in den meisten der Länder, in de-nen ich war, auch die Mannschaften der Po-lizei wie der Armee mit trainiert, denn es war mir klar, dass wenn einmal eine Revolution kommen sollte, dass ich auch dort Helfer haben würde. In solche politischen Ausei-nandersetzungen wollten nämlich weder meine Frau noch ich als frisch gebackener Ehemann verwickelt werden.

Und so war‘s dann auch mit dem Nicht-ver-wickelt-werden. Kurz nach der gerade be-gonnenen Regenzeit hatte ich noch mit der Mannschaft der Armee trainiert. Nach dem Training saßen wir in Freetown im Offiziers-kasino zusammen, als der Colonel Johnson zu mir auf einmal sagte: „Coach, morgen trai-

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nieren wir nicht.“ Ich habe ihm als Germane natürlich sofort geantwortet: „Moment mal, hier wir trotz des Regens trainiert!“ Nach einer Pause sagte er wieder: „Du, morgen trainieren wir nicht!“ Ich bin dann sofort auf die Palme gegangen und habe geantwor-tet: „Horch mal her, Ihr seid hier geboren, ich komme hierher, der Regen ist warm und nicht wie der Schnee- und Eisregen bei uns in Deutschland, und da wird hier doch wei-tergemacht!“ Aber ich hatte nach dieser mehrfachen Wiederholung des Hinweises, dass morgen nicht trainiert würde, schon das Gefühl, irgendetwas dürfte nicht stim-men. Und dann sagte er mir, so dass es an-dere nicht hören konnten: „Morgen ist ‚ne Revolution! Aber Coach, Du brauchst keine Angst zu haben. Wir schicken Dir morgen oben auf den Berg, wo Dein Haus steht, zwei Soldaten, die bewaffnet sind. Dir passiert jedenfalls nichts. Aber wenn Du jetzt nach Hause fährst, dann sag Deiner Frau, sie soll noch schnell etwas zu essen und trinken einkaufen, denn man weiß nicht, wie lange so etwas dauert.“

Ich bin dann gleich zu Bärbel, die meinte aber nur, dass ich spinnen würde oder dass man beim Training einen Scherz mit mir gemacht habe. Als ich ihr dann aber die Geschichte genauer erzählte, sind wir sofort doch noch tüchtig einkaufen gegangen. Zugleich hielt ich es für meine Pflicht, den Botschafter, zu dem ich genau wie in den anderen Ländern später zu den deutschen Botschaften einen guten Kontakt hatte, über die bevorstehen-de Revolution zu unterrichten. Ich rief ihn an und sagte ihm: „Herr Botschafter, Sie sollten sich darauf einstellen, dass heute Nacht eine Revolution kommt.“ Er meinte darauf-hin allerdings: „Ach, Herr Pape, Sie hören ja nicht nur Gras wachsen, Sie hören ja eine ganze Wiese wachsen! Wenn so etwas läuft, dann würden wir das bestimmt als Erste wissen!“

Auch in späteren Zeiten ist das manchmal

so ähnlich passiert, dass ich schon etwas wußte, was auf der deutschen Botschaft nicht bekannt war. Der Kanzler der deut-schen Botschaft in Freetown, den ich dann auch noch ansprach, es war ein Herr Süß aus Darmstadt, reagierte aber als Mann mit langjähriger Erfahrung ganz anders. „Komm, Burkhard, zu uns ins Haus, ich bin bewaffnet, wir können uns 14 Tage halten.“ Ich erzählte ihm gleich, dass ich das sicher nicht brauchen würde wegen der mir ver-sprochenen Wachposten. Und als es dun-kel wurde, waren diese Posten tatsächlich da. Allerdings hatten sie Karabiner, die ich schon mal im Museum gesehen hatte und die wahrscheinlich noch aus dem ersten Weltkrieg stammten.

Nachts rappelte es jedenfalls in Freetown kräftig. Es gab allerhand Tote, aber zwei Tage später war der Spuk vorbei und alles wieder in Ordnung. Mich rief dann aber der Botschafter an und bat mich, in die Bot-schaft zu kommen. Er sagte: „Ich muss Sie unbedingt sprechen.“ Als ich bei ihm war, meinte er, es könne mit der Revolution doch noch weiter gehen, und es ginge ihm darum, dass man meine Frau und mich sofort aus-fliegen sollte über Dakar nach Deutschland. Ich fragte ihn gleich: „Was ist denn dafür der Grund?“ Seine Antwort war: „Stellen Sie sich mal vor. Sie haben doch mit dem vorherigen Premierminister Tennis gespielt und hatten zu seinem Kabinett sehr gute Verbindungen, was Ihnen jetzt, wenn die Opposition ans Ruder kommt, angekreidet werden kann!“ Ich meinte dazu aber nur: „Kennen Sie denn schon den dann vielleicht möglichen neuen Premierminister?“ Er verneinte das, aber ich konnte ihm sagen, dass ich ihn bereits ken-nen würde. Und dieser Mann dürfte mich genauso akzeptieren, weil er wisse, dass ich mich immer klar aus der Politik raushalten würde. Ebenfalls möchte dieser Mann je-denfalls auch, dass wir Länderspiele gewin-nen. Und dann sagte ich ihm noch: „Mich akzeptiert man hier überall, weil ich inzwi-

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schen schon nicht mehr als Ausländer emp-funden werde. Man weiß hier, dass mich die Kultur des Landes interessiert und zwar mit all ihren Hintergründen, dem hier normalen Familienleben, wie und wo die Menschen wohnen und alle diese Dinge, womit manch ein Ausländer schon mal Schwierigkeiten hat und nach wenigen Jahren das Land ver-läßt. Das sind nämlich im Gegensatz zu mir Leute, die wenig von den Bewohnern wissen bzw. wissen wollen und nur an das hier zu verdienende Geld denken.“

Meine Zeit dort in Sierra Leone war jeden-falls weiter erfolgreich und die Arbeit machte Bärbel und mir viel Spaß.

Aber nach über zwei Jahren insgesamt teilte man mir mit, dass ich jetzt mit einer Verset-zung zu rechnen hätte. Bei meinen Freun-

den dort gab es viel Trauer, aber man ließ es sich nicht nehmen, mich ganz großartig zu verabschieden. Mit ihren Tänzen trat nur für uns eine Tanzgruppe auf mit dem Namen „Heart Beat of Africa.“ Mein Bruder war ge-rade zu Besuch bei uns, und er nahm an der Abschiedsparty mit teil. Als ich ihn eingela-den habe und er dort alles auf Tonband auf-nahm und einen Videofilm drehte, mussten wir allerdings versichern, dass die Darbie-tungen dort von meinem Bruder nicht kom-merziell ausgewertet würden. Ich habe das alles damals auch auf Tonband aufgenom-men und freue mich über den Film davon. Das Ganze damals war für uns ein wunder-barer Abschied. Was mir deshalb so nah und plastisch in Erinnerung ist, weil es meine er-ste Station im Ausland war, der dann aber noch viele weitere Stationen folgen sollten.

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Drei Jahrzehnte in Afrika und Asien : 1966 - 1996Einige kurze Einblicke in eine aufregende Tätigkeit voller Überraschungen

Sierra Leone, Westafrika: Dichter Urwald bis hinter das Haus. Schlangen im Garten oder gar in den Zimmern. Von Palmen umsäumte Traumstrände. Diamanten- und Edelstein-vorkommen. Aber nur 46 Meilen asphal-tierte Straßen. Ein Schwarz-Afrika, wie man es sich in der Jugend erträumt.Ostafrika: Das sind Uganda, Kenia, Tansania und Sansibar. Ostafrika steht für Buschsa-vannen mit den größten Tierreservaten der Welt, aber auch für den höchsten Berg Afri-kas, den schneebedeckten Kilimanscharo. Und auch der Victoria See, der zweitgrößte See der Welt, befindet sich in Ostafrika. Vor Tansania, im Indischen Ozean, liegt Sansi-bar, reich an Gewürznelken und Ausgangs-ort vieler Afrika-Expeditionen; die exotische Insel, die in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts gegen die in britischem Besitz befindliche Insel Helgoland in der Nordsee eingetauscht wurde.

Ägypten, das Land der Pharaonen, der Sphinx und der Pyramiden. Ein Land mit gewaltigen Wüsten, ein Land aus Sand und Salzseen, ein Land mit einem Jahrhundertbauwerk, dem Suezkanal, der das Mittelmeer mit dem Indischen Ozean verbindet, aber auch ein Land mit modernen Großstädten.

Sri Lanka, das ehemalige Ceylon, die Perle des Indischen Ozeans: Unvorstellbar schöne Strände und Tauchparadiese, die bis zu den Malediven reichen. Plantagen mit Tee, Ka-kao, Kautschuk und Kokospalmen, die zum Teil auf 2.000 Meter Höhe liegen.

Indonesien, mit ca. 180 Millionen Einwoh-nern eines der bevölkerungsstärksten Län-der der Welt, bestehend aus über 13.000 Inseln mit weltweit den meisten Vulkanen, von denen noch sehr viele aktiv sind. Be-

kannt sind vor allem die indonesischen Inseln Java, Sumatra, Borneo, das heutige Kalimantan, und vor allem Bali - die Insel der Götter.

Thailand. Allein der Name erweckt die verschiedensten Erwartungen: Exotische Tempelbauten und Paläste, mandeläugige Schönheiten mit langem seidigen Haar, Ele-fanten, tiefer Dschungel, Palmen und son-nige Strände am Golf von Thailand. Bang-kok - weltbekannte Großstadt, die fasziniert, aber auch eine Zumutung sein kann, im Widerspruch zwischen asiatischer Tradition und westlicher Neuzeit.

Westafrika, Ostafrika, Ägypten, Sri Lanka, Indonesien und Thailand - nicht um einen Reisebericht für die Tourismusindustrie handelt es sich im Nachfolgenden, sondern um die Beschreibung meiner Einsatz- und Arbeitsplätze als Fußballehrer in den letzten 30 Jahren, aber auch um die Wahlheimat meiner Familie mit den Geburtsländern un-serer Kinder.

Ob ich nun nach so vielen Jahren in diesen Ländern ein „Afrika- und Asienkenner“ ge-worden bin, lasse ich dahin gestellt. Dabei bin ich sicher, daß wir Europäer die Menta-lität der Afrikaner und der Asiaten kaum bis zur letzten Konsequenz verstehen werden, ganz gleich, wie lange wir uns in Afrika oder Asien aufhalten. Da ich aber als Fußballtrainer in erster Li-nie nur mit Einheimischen, die selten aus der jeweiligen Oberschicht stammten, zu tun hatte, war es mir doch möglich, die Pro-bleme, Sorgen und familiären Hintergründe der Menschen kennenzulernen. Mit der Zeit entwickelte sich ein Vertrauensverhältnis und Verständnis auf beiden Seiten - die Ba-sis um überhaupt erfolgreich arbeiten zu können. So wird Verständnis und Interesse an uns fremden Mentalitäten und Kulturen „eingetauscht“ gegen das Vertrauen der Bewohner des Landes gegenüber einem

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„Fremden“.

Doch vor weiteren Ausführungen über mei-ne doch sehr lange, schöne, aber auch nicht immer ungefährliche Tätigkeit an so vielen unterschiedlichen Orten der Erde, zunächst einmal ein paar Angaben zu meiner Person: 1932 in Magdeburg geboren, waren die Jah-re des Krieges und der Nachkriegszeit sehr einprägsam. Schon immer sportbegeistert, war ich in Magdeburg ein aktiver und erfolg-reicher Fußballspieler geworden, der bis zur höchsten Klasse spielte. Aber auch Hand-ball spielte ich damals in der Stadtauswahl. In der Leichtathletik wurde ich in der dama-ligen DDR Jugendmeister im Fünfkampf und zwei Jahre später Juniorenmeister im Zehn-kampf. Schon früh war die DDR-Sportförde-rung optimal.

Zwar wurde man als großes Talent im Mehr-kampf umhätschelt, aber die Bespitzelung und das ganze System mit den widrigen Umständen waren widerlich. Meine Eltern und mein Bruder hatten die DDR schon früh verlassen bzw. haben, wie man in Magde-burg sagt, „rüber gemacht“. Dann kam der Volksaufstand am 17. Juni 1953: Schwerbe-waffnete Stasileute mit Schäferhund verhaf-teten mich wegen Spionageverdachts.

Keiner der sonst so hilfsbereiten Sport-funktionäre machte auch nur einen Finger krumm, um mir zu helfen. Niemand wußte, wo ich mich befand. GottseiDank konnte mein damaliger Trainer G. Gläser, der mich auch später oft unterstützte, die Mannschaft davon abhalten, in Spielstreik zu treten, da mir dies mehr geschadet denn genützt hät-te. 10 Tage lebte ich in einer Einzelzelle mit weiteren sieben Häftlingen im Zuchthaus. Doch über Umwege und mit Hilfe des Sports wurde ich auf freien Fuß gesetzt.

Nach dieser Erfahrung hielt mich nichts mehr in der sozialistischen Volks-DDR - in der größten „Berg-Republik“ mit den mei-

sten „Engpässen“. Über Berlin floh ich zu ei-ner Zeit in den Westen, zu der es die „men-schenfreundliche“ Mauer noch nicht gab.

Für Hannover 96, den VFR Neumünster und den FSV Frankfurt spielte ich dann als Ver-tragsspieler in der Oberliga, der damaligen höchsten Spielklasse (Bundesliga wurde erst 1962 eingeführt). Der Leichtathletik widmete ich nur noch wenig Zeit, da ich mein Ziel verfolgte, an der Sporthochschule Köln das Examen als Fußballtrainer unter Hennes Weisweiler zu machen. Dafür benö-tigte ich allerdings Geld. Als „der schnellste Rechtsaußen der Oberliga“ konnte ich mir in den Jahren, in denen ich aktiv Fußball spielte, ein finanzielles Polster schaffen, so daß ich anschließend, im Jahr 1959, in Köln mein Examen erfolgreich ablegen konnte.

Danach war ich sieben Jahre lang als einer der jüngsten Verbandssportlehrer an der herrlichen Sportschule Schöneck in Karls-ruhe Durlach auf dem Turmberg tätig. Eine wichtige und lehrreiche Zeit, die mir, wie ich später feststellen sollte, viel gab, um an meinen exotischen Einsatzorten erfolgreich arbeiten zu können.

In sehr guter Erinnerung blieb mir die Rei-se der Badischen Amateurauswahl im Jahr 1962 in die USA. Es war das erste Mal nach dem Krieg, daß eine Auswahl eine solche Reise antrat. In den drei Wochen Aufenthalt wurden viele Spiele durchgeführt und nach Verletzung zweier Spieler zog auch ich mei-ne Fußballschuhe an, um die Auswahl auf-zufüllen. Wenn ich damals gewußt hätte, an welchen Orten ich lehren und Fußball spie-len würde....

An der Sportschule Schöneck lernte ich auch meine spätere Frau und Mutter unserer Kin-der kennen, aber dazu später mehr.Zwei wesentliche Dinge (oder Weisheiten) gab ich in den Jahren an der Sportschule Schöneck den Menschen mit auf den Weg:

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- begeistert muß man sein, um begeistern zu können,- überzeugt muß man sein, um überzeugen zu können.

Damals war mir allerdings nicht bewußt, daß diese Philosophie in meinem weiteren Berufs- und Lebensweg ein große Rolle spie-len würde. Heute, nach 30 Jahren an so un-terschiedlichen Plätzen der Welt, blicke ich auf so viel Ungereimtheiten in dieser Zeit zurück und weiß, daß diese zwei Lehrsätze notwendig waren und sind, um in meiner exotischen, turbulenten, schönen, interes-santen und gefährlichen Tätigkeit Erfolg zu haben.

Nennen wir diese Tätigkeit „sportliche Ent-wicklungshilfe“. Für diese Form der Entwick-lungshilfe ist der Kulturhaushalt des Aus-wärtigen Amtes in Bonn zuständig, der DFB steht als fachlicher Berater zur Seite. Die GAWI, die heutige GTZ, ist für die Durchfüh-rung der sportlichen Entwicklungshilfe ver-antwortlich. Sepp Herberger, Herbert Wid-mayer und viele andere bestärkten mich, mein fachliches Können auch im Ausland unter Beweise zu stellen. So habe ich dann das Angebot aus Bonn angenommen und bin nach Absprache mit dem DFB (Detmar Cramer war damals mein Freund und Bera-ter) nach Westafrika gegangen.

Geplant war zunächst einmal ein Einsatz von nur 6 Monaten, als Versuch dieser Art sportlicher Entwicklungshilfe. Aber schon in Sierra Leone wurde aus diesen 6 Monaten zwei Jahre. Heute sind es nun, ohne Unter-brechung, 30 Jahre. Ich glaube, daß man sagen kann, daß das AA, die GTZ und ich in-zwischen aus dem Versuchsstadium heraus sind. In Bonn und beim DFB in Frankfurt ergab sich eine gute Gelegenheit, meinen künf-tigen Arbeitgeber zu treffen, den Generaldi-rektor für Sport aus Freetown/Sierra Leone. Das Ergebnis der Gespräche entsprach

meine Vorstellungen: Freies Arbeiten nach meine Entscheidungen, dabei eine Natio-nalmannschaft aufzubauen, im Lande auf Talentsuche zu gehen und nationale Trainer auszubilden. Allerdings konnte ich mir natür-lich nicht vorstellen, was mich de facto er-wartete. Daß das Organisieren von Spielen, das Massieren der Spieler, die Behandlung von Verletzungen selbstverständlich erwar-tete wurde, überraschte mich kaum, Aber daß das Tanzen, Singen und Klavierspielen zur Selbstverständlichkeit wurden, hätte ich zu diesem Zeitpunkt in Deutschland noch nicht gedacht.

Aber wie stellte man sich im Jahr 1966 in Westafrika einen deutschen Trainer vor? Was erwartete man von ihm? Ich sollte es bald erfahren:

Abflug ab Hannover am 01.02.1966 nach Frankfurt, das Abenteuer Afrika beginnt. Von Frankfurt weiter nach Dakar (Senegal) mit Zwischenpause, um eine kleiner Ma-schine zu bekommen, die mich weiter nach Gambia brachte. Nicht so wie heute, mit LTU oder Neckermann in wenigen Stunden mit komfortablen Abfertigungshallen, nein, der Flughafen war noch aus alten Zeiten und bestand nur aus einigen Baracken. Getankt wurde noch von Hand aus Fässern! Weiter gehts nach Sierra Leone, Freetown. Der Hin-flug war schon interessant, aber das, was nun auf mich einstürmte war neu und fast unvorstellbar. So, wie man sich Afrika als kleiner Junge vorstellt: Die Affen, die auf dem Wege vom Flughafen zur Stadt zu sehen wa-ren, waren nicht meinetwegen dort, sondern sie sausten dort täglich durch die Gegend. Sie gehörten dort so selbstverständlich hin, wie später zu meinem Hotel und als „Haus-tiere“ unserem Garten am Haus.Im Parlament, das gerade tagte, wurde eine Unterbrechung eingelegt und man gab be-kannt, daß der deutschen Fußballtrainer eingetroffen war. Dies schien ein wichtiges Ereignis zu sein. Ich erfuhr auch bald warum:

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Ein erstes Länderspiel gegen den Erzfeind Liberia war geplant, frei nach dem Motto „Nun haben wir einen deutschen Trainer, nun gewinnen wir auch automatisch“.

Am nächsten Tag begleitete mich „mein“ Di-rector General für Sport zu allen Ministern, um mich vorzustellen, denn schließliche hatter er es ja geschafft, mich nach Afri-ka zu holen. Die Minster waren zufriedne, denn ich entsprach voll den Vorstellungen der Afrikaner: groß, blond, kräftig und mit lauter Stimme, so daß ich beim Training keine Pfeife benötige, scheut weder Sonne oder Hitze noch die Regenmassen in der Regenzeit. Selbst das schwüle Wetter war für den „Germanen“ kein Grund, das Trai-ning abzusagen.

Eine Verhaltensweise, die von mir we-der bewußt noch mit bestimmter Absicht durchgeführt wurde, brachte mir gleich zu Beginn meiner Arbeit in Westafrika großen Kredit ein: Als die Spieler nach dem ersten Training zu den Duschen gingen, konnten es die Spieler nicht fassen, daß ich mich ihnen selbstverständlich anschloß und mit ihnen duschte. Im Jahre 1966 hatte man so ein Verhalten von einem Weißen nicht erwartet. Dies und die Tatsache, daß ich beim Duschen meine wasserdichte Arm-banduhr am Handgelenk behalten konn-te, machte anschließend die Runde in der Stadt und in den Dörfern des Landes, was ich allerdings erst später erfuhr. Jedenfalls entstand durch das Duschen das Gefühl, daß ich zu ihnen und daß sie zu mir ge-hörten.In Sierra Leone kam auch immer wieder zu „Einsätzen“, die nun wirklich nicht zu mei-ner Trainertätigkeit gehörten. So begleite-te ich zusammen mit Krankenschwestern einen verletzten Matrosen nach London, der sich nach einem Freundschaftsspiel gegen „meine“ Mannschaft beim Baden den Halswirbel gebrochen hatte. Nach einem notwendigen Kehlkopfschnitt char-

terten wir ein Sportflugzeug und hielten den Mann notdürftig am Leben.

Der damalige Präsident von Sierra Leone, der erste nach Entlassung des Landes in die Selbständigkeit, Sir Albert Margai, kümmerte sich ebenfalls um den Fußball. Erst als es mir gelang ihn davon zu über-zeugen, daß zum Spiel ein Ball durchaus ausreicht, aber zum Training mehrere Bälle notwendig sind, wurde veranlaßt, eine ent-sprechende Anzahl Bälle zur Verfügung zu stellen. Fußball als Chefsache. Auch hatte Margai das größte Interesse daran, daß ich sein Tennisspiel verbesserte, ein Ersu-chen, dem ich gerne entsprach. Überhaupt hat mir die Sportart Tennis viel geholfen, Verbindungen aufzubauen und Kontakte zu festigen.

Aber zurück zum Länderspiel gegen Liberia. Nach kaum ausreichender Vorbereitung - notwendige Medizinbälle wurden durch mit Sand gefüllte Kokosnüsse ersetzt - war es soweit: das Länderspiel gegen Liberia stand vor der Tür, eine Mannschaft, gegen die noch nie gewonnen worden war. Das Haus war ausverkauft, denn man hatte ja den Germanen als Trainer. Zur großen Überraschung stand es in der Halbzeit, nach gutem Spiel für uns, immer noch 0 : 0. Da kam der Präsident persönlich in die Kabine und versprach eine Prämie für den Sieg. Und wir gewannen 1 : 0! Der Jubel war groß. Ich war der Größte. Schnell wur-de nach diesem Sieg noch ein Spiel für in zwei Tagen vereinbart, um die Einnahmen zu verdoppeln. Und wieder gewannen wir. Nur waren aus diesen zwei Spielen kaum Einnahmen vorhanden. Sie hatten wohl „Wege“ gefunden, die sie bislang immer gegangen waren. Eine Erkenntnis, die mich seit 30 Jahren, egal wo ich mich befinde, immer begleitet hat.

Dann aber kam für mich der erste große „Hammer“: Zwei Männer waren zum Tode

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durch den Strang verurteilt worden, da sie aus kultischen Motiven Menschen ge-schlachtet hatten. Einige Wochen vorher hatte der Präsident noch, nachdem alle Radios ausgeschaltet waren, in einer Stadt im Landesinnern gesagt „It is not nice to eat your neighbours“ (es ist nicht gut, seine Nachbarn zu essen). Doch diesmal sollte erstmals eine öffentliche Hinrichtung statt-finden und das, wie nicht anders erwartet, im Fußballstadium. Freudestrahlend über-brachte man mir die Nachricht, daß ich als Zeuge dabei sein sollte. Man bedenke, dies geschah in den Jahren 1966/67. Obwohl ich schon von der Sonne gebräunt war, wurde ich blaß. Ich fragte die Deutsche Botschaft um Rat. Erst einmal ratlos und geschockt überlegte man: Die Idee aus-zufliegen könnte mißverstanden werden, krank werden wäre ein Alternative. Dann wurde diese Hinrichtung aber nach vielen Protesten aus aller Welt zum Glück nicht öffentlich durchgeführt, sondern unter strengen Sicherheitsmaßnahmen im Ge-fängnis, wo ich nicht „gebraucht“ wurde.

Hatte ich bislang nur am Rande mitbe-kommen, wie wichtig der Medizinmann in Afrika ist, sollte ich dies nun bald selbst erfahren. Der Medizinmann macht „Ju Ju“, d.h. er zaubert und verzaubert. Bei dem Rückspiel in Monrovia, Liberia, erlebte ich erstmals die Angst sowohl meiner Spieler als auch der liberianischen Spieler: Kein Spieler und auch kein Offizieller hatten in dem Hotel, in dem wir abgestiegen waren, etwas gegessen oder getrunken. Auf mei-ne Frage hin, warum denn nicht, erhielt ich die Antwort, daß die Gefahr bestünde, daß alles verzaubert sei. Au weiha. Somit wurde schnell ein Auto gemietet und in unterschiedlichen Geschäften Essen und Trinken eingekauft, das auf den Zimmern gemampft wurde. „Das fängt ja gut an“, dachte ich mir. Am nächsten Tag fand das Rückspiel statt, wieder im ausverkauften Stadion, das so

voll war, daß wir nicht ins Stadion fahren konnten. Also haben wir den Bus an der Stadionmauer geparkt, sind auf die Küh-lerhaube und auf das Dach geklettert und mit einem Sprung ins Stadion gehechtet. Jeder Sprung eines Spielers wurde mit Ju-bel begrüßt. Tosender Beifall entbrannte, als ich, ein Weißer; ebenso auf der Bildflä-che erschien.

Bei diesem Spiel erfolgte zum ersten Mal eine live Übertragung im Radio nach Sierra Leone. Der Reporter saß mit seinem Mi-krofon auf dem Dach des Rot-Kreuz-Fahr-zeugs, um einen besseren Überblick zu haben. Als sich einer unserer Spieler nach einem Tor am Torpfosten verletzte und der Rot-Kreuz-Wagen losbrauste, flog der Re-porter in hohem Bogen vom Dach. Sicher-lich wurde die Übertragung unterbrochen.Mit dieser Aktion kam aber Stimmung im Stadium auf. Als ich mich umsah, stellte ich fest, daß ich der einzige Weiße war. Mutig hielt ich die Stellung auf der Trainerbank. Nach der Halbzeit wurde es immer dunk-ler. Flutlicht gab es damals noch nicht. Liberia schoß ein Tor: 1 : 1. Es war inzwi-schen so dunkel, daß man die Schwarzen nicht mehr sehen konnte. Bei einem Frei-stoß nahm mein Spielführer den Ball in die Hand und versuchte dem Schiedsrichter klar zu machen, daß man wegen der Dun-kelheit nicht mehr spielen könne. Dies war seine letzte Handlung, denn dann brach ein Tumult aus. Ich suchte sofort Schutz im Bus. Nachdem sich die Spieler ausgetobt hatten, suchte auch meine Mannschaft Schutz im Bus, der versuchte, Land zu ge-winnen. Steine flogen gegen den Bus und er wurde von den Liberianern ziemlich de-moliert, während wir auf dem Busboden lagen. Ich als Neuling dachte, daß nun sämtliche politischen Beziehungen ab-gebrochen würden, aber weit gefehlt. Wir duschten, gingen zum Festbankett und al-les war vergessen. Wir tanzten, etwas das die Afrikaner wirklich können, und alles

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war wieder in Butter.Innerhalb weniger Stunden erlebte ich auf diese Art die Schwankung zwischen „To-desangst“ und größter Freude. Ob wir Euro-päer solche Vorkommnisse zu dramatisch sehen? Jedenfalls war auch der Deutschen Welle dieses Länderspiel mit all seinen Be-gleiterscheinungen eine Reportage wert.

Nun war schon bald mein erstes Jahr in Afrika vergangen, das ich staunend und hin- und hergerissen von all den neuen Eindrücken erlebte.

Dann folgte ein wichtiger Schritt in meinem Leben - oder auch ein wichtiges Tonband, das meinen, unseren Lebensweg be-stimmte.Leider gibt es sehr viele Beispiele für Ent-wicklungshelfer, die für viele Jahre allein im Ausland tätig waren und durch Heim-weh, Alkohol und sexuelle Exzesse in kur-zer Zeit zum Wrack wurden. Dies hatte ich nicht vor. Ich wollte eigentlich eine ganz „normale“ Familie gründen, aber wie?Noch vor meinem Umzug nach Sierra Le-one hatte man sich ach Abschluß eines Ausbildungslehrganges an der Sportschu-le Schöneck zum Feiern bei mir auf Schö-neck getroffen. Und da begegnete SIE mir: eine intelligente, sehr hübsche, blonde Westfälin. Sie war selbst Sportlehrerin und bildete Schülerinnen an der Sportschule Steinbach, nicht weit von Karlsruhe, aus. Wir lernten uns nur kurz kennen, denn lei-der ging dann aber alles sehr schnell mit meinem Einsatz in Sierra Leone, der ein kaum abzusehender Schritt in eine damals noch unbekannte Zukunft war. Schon nach kurzer Zeit in Sierra Leone sagte ich mir, daß es ein Fehler gewesen war, SIE nicht direkt gefragt zu haben, ob sie mich heira-ten und nach Afrika begleiten würde, aber .... Chance verpaßt. Da ich meine Erlebnisse in Sierra Leone auf Tonband sprach und nach Hause schickte, dachte ich mir irgendwann, daß

ein Heiratsantrag auf Tonband - direkt aus dem afrikanischen Busch - auch eine nicht gerade alltägliche Angelegenheit sei. Gedacht, getan. Ich schickte den Heirats-antrag auf Band per Kurier nach Deutsch-land und wurde erhört. Ich flog sofort nach Deutschland, bekam den Segen der Eltern, es wurde geheiratet, kurz geflittert und schon ging es zu zweit zurück nach Sierra Leone.

Als Sportlehrerin in Afrika, blond und hübsch, war sie bald so beliebt und be-kannt wie ich als Trainer. Bärbel unter-richtete die Frauen, während ich mich um die Kicker kümmerte. Sie führte eine Art Bundesjugendspiele an den Schulen ein und durch sie wurde der Sportunterricht für die Schüler zu einem bisher nicht ge-kannten Erlebnis. Welche Anstrengungen Bärbel dabei auf sich nahm, kann kaum beschrieben werden, aber sie hatte Erfolg.

Der Spaß an der Arbeit und an den gemein-samen Hobbies, wie Tennis spielen oder das Landesinnere auch unter schwierigen Umständen zu erkunden, waren immer wieder Dinge, die uns in der Welt voller Un-gereimtheiten und auch Ängsten zusam-menbrachten. Gemeinsam verjagten wir abends mit einer Schrotflinte die Affen, die um unser dicht am Urwald liegenden Haus herumtobten, beruhigten den Hausboy, der aufschrie, weil sich unter dem Bügelbrett eine Schlange bewegte und staunten über die Wolken, die in der Regenzeit auf der einen Seite ins Haus kamen und auf der anderen Seite das Haus wieder verließen. Wir krabbelten nachts unter unser großes Moskitonetz um morgens festzustellen, daß die Schuhe, die wir aus Versehen nicht in den Schrank mit der starken Glühbirne zum Trocknen gestellt hatten, voller Schim-mel waren.

Einmal bekamen wir einen großen Schreck, als ich nachts beim Umkleiden, nachdem

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wir von einer Party zurückgekommen wa-ren, im Spiegel sah, wie eine schwarze Hand nach unserem Radio griff. Ich, split-ternackt, konnte es kaum fassen, sagte nichts, sondern schnappte mir nur einen großen Stock und jagte nackt hinter dem Afrikaner her, der nach unten auf die Stra-ße sauste. Ich hatte ihn fast erreicht, da machte er einen Satz in den Urwald und ich stand nackt davor. Der Fahrer eines gerade vorbeifahrenden Autos hat wohl auch im Scheinwerferlicht gedacht, daß er träumt: Steht da mitten in der Nacht ein weißer nackter Mann mit einem Prügel auf der Straße! Schnell bin ich zurück ins Haus gelaufen, habe die Tür verrammelt und Mü-ckennetz zugezogen und habe mit Bärbel einen neuen aufregenden Tag erwartet.

Ein anderes Mal waren meine guten Ver-bindungen zur Armee und Polizei von gro-ßer Hilfe. Insbesondere in Schwarzafrika kommen Leistungssportler nämlich über-wiegend aus diesen Institutionen. Und aus diesen Quellen erfährt man so manches ... Nach einem Training bei der Armee wurde mir bei einem Drink danach mitgeteilt, daß das Training am nächsten Tag ausfallen würde. Da ich zu der Zeit noch unwissend war, bezog ich dies auf die Regenzeit und wollte das Training doch durchführen. Bis man mir klar machte, daß in der folgenden Nacht eine Revolution stattfinden, mir und meiner Frau aber nichts passieren würde. Nur einkaufen gehen sollten wir zur Sicher-heit noch! Zu Hause angekommen, ging Bärbel direkt los, um noch notwendige Dinge einzukaufen. Doch was war in solch einer Situation notwendig?

Auf jeden Fall hielt ich es für notwendig, unseren Botschafter über meine Erkennt-nisse zu informieren. Dieser fragte er-staunt, wieso ich von der Revolution wüßte, wenn die Botschaft nicht informiert sei? Kein Kommentar meinerseits. Der Kanz-ler der Botschaft, ein alter Afrikakämpfer,

glaubte mir sofort und lud uns zu sich in die Residenz ein. Ein Woche könnten wir uns dort gut „halten“. Dies war aber dann nicht notwendig, da wir von den Mannen der Armee beschützt wurden. In der Nacht war „Stimmung in der Bauernschänke“ und morgens hatten wir eine neue Regierung.

Der Botschafter meinte nun, man müßte mich wegen meiner sehr guten Bezie-hungen zu dem nun in Haft sitzenden, ehemaligen Präsidenten ausfliegen. Als ich fragte, ob man denn in der Botschaft den neuen Präsidenten kennen würde, und dies mit nein beantwortet wurde, konnte ich beruhigend erklären, daß ich den neu-en Präsidenten schon kennen würde und er mir aufgrund meiner Trainertätigkeit recht zugetan sei. So laufen die Uhren in solchen Ländern manchmal anders. Und als Trainer öffnet man Türen, von denen andere nicht einmal die Klinke kennen.

Eine nette Episode erlebte ich mit „Ju Ju“, dem Zauberer. Ich hatte eine sehr große Schienbeinverletzung, eine große Schraub-stollenwunde, die nicht heilen wollte. Alles wurde versucht, aber immer wieder brach die Narbe auf - eine nicht gerade ungefähr-liche Verletzung bei den nicht sauberen Böden. Sollte ich nach Deutschland fliegen und mich dort behandeln lassen? Nein, zunächst wollte ich noch etwas auspro-bieren: mit einem Deutschen, der schon lange im Land lebte und auch die Sprache beherrschte, fuhr ich eines Tages zu einem Medizinmann in den Urwald. Mir war zwar etwas mulmig, aber neugierig war ich auch. Der Medizinmann machte Feuer, mischte Blätter, Kräuter und alles mögliche in einem Topf zu einem Brei zusammen, der auf mein Schienbein aufgetragen wurde. Anschließend wurde ich notdürftig verbun-den. Schon wenige Tage später stellte sich Erfolg ein! Die Wunde verheilte vollkom-men und dies bis heute. Hoch lebe der Ju Ju im afrikanischen Busch.

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Eine ähnliche Situation erlebte ich später auch in Asien. Geschehnisse, die ich gerne mit Medizinern zu Hause diskutiere.

Der Bedeutung des Sports und vor allem des Fußballs wurde ich mir so richtig be-wußt, als wir ein Länderspiel in Ibadan, Ni-geria, machten, während der Biafra Krieg in vollem Gange war. Ich wunderte mich, wieso die Regierung unter diesen Um-ständen Geld und Zeit für ein Länderspiel hatte. Auf einem Festbankett erklärte mir dann ein Minister diesbezüglich, daß die Welt eher an einem guten Abschneiden der Nationalmannschaft bei einer großen internationalen Veranstaltung, bei Olym-pischen Spielen oder einer Weltmeister-schaft interessiert sei, als an einem Krieg. Die Regierung wollte also durch das Län-derspiel politische Vorteile erzielen und in-ternationales Interesse wecken!

Nach zwei Jahren Westafrika standen un-sere letzten zwei Länderspiel bevor. Noch immer wurde ich nach der Spielbespre-chung mit der Mannschaft kurz fortge-schickt, so daß der Ju Ju Mann, der Zau-berer, die notwendigen Verzauberungen an der Mannschaft vornehmen konnte. Nach ca. einer halben Stunde erschienen die Spieler meist völlig gelöst, entspannt und guten Mutes. Trotzdem verloren wir das Hinspiel in Guinea. Das Rückspiel in Freetown gewannen wir dann. Bei diesem letzten Länderspiel durfte ich - als größter Vertrauensbeweis der Mannschaft aber auch des Ju Ju Mannes - bei den kultisch-heiligen Handlungen anwesend sein. Ich war tief beeindruckt und gerührt, daß ich tatsächlich „einer der ihren“ geworden war.

Während der zwei Jahre in Westafrika haben meine Frau und ich viele Safa-ris unternommen, zu Geburtsorten der Spieler oder zu Länderspielen. Immer wieder war spürbar, welche Wunden die

früheren Kolonialherren im Land hinter-lassen haben. Um so freundlicher und offener reagierten die Menschen, da wir keine Klassen¬unterschiede machte, ver-schwitzte Spieler im eigenen Auto mitnah-men oder zum Kaffee bei uns zu Hause einluden. Aber auch der Kontakt zu den höchsten Regierungsstellen war - wie über-all - unerläßlich, wenn die Arbeit als Fuß-balltrainer dauerhaft Früchte tragen sollte.Zwei Jahre Westafrika bedeuteten neben den enormen Erfahrungen und Bereiche-rungen - kultureller, menschlicher und fachlicher Art - auch echte Pionierarbeit und Improvisation in Reinkultur. Oft war meine Frau die einzige Ansprechpartnerin in fachlichen Fragen - wie gut daß sie auch Sportlehrerin ist.

Trotz aller Anstrengungen, mich in Westafri-ka zu halten, hieß es für die Familie, zu pa-cken, um nach Ostafrika zu ziehen. Selbst die Zeitungen schrieben, daß das Land bzw. die Mannschaft ohne „Paep“, wie ich in Schwarzafrika genannt wurde, den Stan-dard nicht halten könne und es besser sei, mich ein weiteres Jahr zu engagieren.

Echt afrikanisch war auch die Reise von West nach Ostafrika, nach Uganda, unserer neuen Heimat: Bei der Zwischenlandung in Lagos bot sich uns wieder ein gewohntes Bild: Soldaten mit Maschinenpistolen, die allerdings diesmal nicht gegen uns gerich-tet waren.

In Uganda waren die Anfangsvorausset-zungen professioneller, als in Sierra Le-one: es gab eine oberste Sportbehörde, eine große Sporthalle für 2.500 Zuschau-er, herrliche Rasenflächen und vor allem einen geregelten Spielbetrieb in den Re-gionen. Sogar einen Nationaltrainer hatte man etabliert. Allerdings gab es damals nur wenige ausgebildete Trainer in Ugan-da, so daß ich mich zunächst um die Trai-nerausbildung kümmerte. Wir veranstal-

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teten viele Lehrgänge, bei denen wir die Fußballtalente entdeckten.

Nach kurzer Zeit bat man mich, auch die Nationalmannschaft zu übernehmen. Der ehemalige Nationaltrainer wurde mein Assistent und so entstand eine sehr gute afrikanische-deutsche Zusammenarbeit. Als wir auch eine Jugendnationalmann-schaft aufgebaut hatten, übernahm mein Assistent deren Training und der ehema-lige Spielführer der Nationalmannschaft wurde mein Assistent. Er ging später sogar zur Fußballtrainer-Ausbildung nach Köln! Die Einführung einer Nationalliga förderte die Spielerfolge deutlich.

Eine große Hilfe bei meiner Arbeit war auch in Uganda die Armee, die zusammen mit der Polizei auch in Uganda fast alle Spit-zensportler stellt. Idi Amin, der damalige Oberbefehlshaber der Armee und selbst aktiver Sportler, hatte ein offenes Ohr für alle meine Wünsche, die den Sport be-trafen. Jedes Länderspiel wurde von Idi Amin live im Stadion miterlebt, er stellte die Quartiere für die Mannschaft und auch notwendige Lastwagen für Transporte zur Verfügung.

Mit Sicherheit war ich für ihn auch der „echte“ Deutsche, der ihm sogar sagen konnte, daß er einige Pfunde zu viel auf den Rippen hatte. Willig lies er sich sogar ein Fitness-Programm verordnen und suchte um Rat in sportlichen Fragen. Idi Amin gab aber damals auch manch wertvollen Hinweis, wie ich die Afrikaner behandeln sollte, so daß sich eine Art „Freundschaft“ entwickelte, als es noch nicht abzusehen war, welche unschöne Rolle er in seinem Land noch spielen sollte.Die jährliche Teilnahme an dem Ostafrika-turnier war für Uganda schon immer ein großes Ziel gewesen. Dabei hatte natürlich neben den sportlichen Interessen auch po-litische Interessen eine große Bedeutung.

Wer, bzw. welches Land ist das größte in Ostafrika? Nun, beim Fußball wurden wir die Größten. In meiner sechsjährigen Tä-tigkeit in Uganda gewannen wir viermal den Pokal, einmal wurden wir Zweiter und einmal wurden die Spiele aus Kriegsgrün-den nicht ausgetragen. Zweimal gewannen wir auch den Pokal mit den Junioren, ein stolzer Rekord!

Selbstverständlich war das Training den Landesverhältnissen angepaßt. Da die Turnierspiele in der heißesten Trockenzeit stattfanden, wurde das Training ebenso in der heißen Zeit durchgeführt, Meine Spieler und ich schwitzen, aber die Mann-schaft dachte sich, daß der „Germane“ schon wisse, was er tut. In der Tat wirkten die anderen Mannschaften während des Turniers in der glühenden Sonne eher wie ausgequetschte Zitronen.

Nach unserem ersten Sieg in Tansania schickte uns der damalige Präsident Dr. Obote eine Militärmaschine, die uns abhol-te. In Kampala war dann unser der Empfang eines Königs würdig. Voller Begeisterung feierte das Volk unseren Erfolg. Es kam so-gar zu so skurilen Situationen, daß mir ein Stammeshäuptling seine Tochter schen-ken wollte. Aber was würden meine Frau und meine Schwiegereltern dazu sagen? Statt dessen nahmen meine Frau und ich dankbar das Angebot Dr. Obotes an, unser erstes erspartes Auto, eine Mercedes, zoll-frei einzuführen. „ES HAT SICH GELOHNT“ hieß es überschwenglich in den Zeitungen Ugandas, dabei spielten sie auf das harte Training an. „Durch unseren Trainer „Paep“ gelangten wir plötzlich in die Sonne eines bis dahin nie erlebten Triumphes über un-sere erhabenen Nachbarn“...Auch meine Frau wurde wieder schnell be-ruflich erfolgreich, da sie an einer privaten Sportschule neben Kinderschwimmen und Hausfrauengymnastik auch Handballtrai-ning gab.

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Nach unserem zweiten Sieg im Ostafri-kapokal stand ein weiteres, bedeutungs-volles Ereignis bevor: Eine Reise nach Deutschland im Jahr 1970! Schon länger hatte in Uganda der Wunsch bestanden, einmal nach Europa zu reisen. Ich unter-stützte dieses Anliegen, da es an der Zeit war, außer-afrikanische Erfahrungen zu machen und somit der fußballerischen „Inzucht“ mit immer denselben Gegnern entgegen zu wirken. Da die Deutsche Fußballnational¬mannschaft anläßlich der Olympischen Spiele 1972 in München auch einen Vertreter Schwarzafrikas erwartete, war der DFB ebenfalls an einem Leistungs-vergleich interessiert. Daher übernahm der DFB alle notwendigen Vorbereitungen in Deutschland. Noch nie hatte vorher eine schwarzafrikanische Fußballnational-mannschaft in Deutschland gespielt!

Flugkosten, Kosten für die Kleidung der Spieler und die Kosten für die Vorbereitung in Uganda sollten von ugandischer Seite übernommen werden. Im März / April 1970 war alles klar: Ein dreiwöchiger Aufenthalt in Deutschland mit sechs Spielen war ab-gesprochene Sache. Die Vorbereitungen in Uganda liefen auf Hochtouren und die Zeitungen berichteten begeistert von den Orten, in denen wir spielen sollten.

Um die Kosten zu decken, schrieb ich, nein, schrieb meine Frau ca. 30 Briefe an Firmen, die wir um Spenden für die Flug-tickets und um Kleidungsgeld baten. Alle Firmen gaben ohne Zögern ihre Zusage. Aber dann kam der 1. Mai und Dr. Obote verstaatlichte unerwartet am Tag der Arbeit alle Unternehmen. Aus mit den Spenden! Absage der Reise, obwohl in Deutschland schon alles vorbereitet war. Wie Schade.Die Niedergeschlagenheit der Afrikaner und deren geheim gehegte Hoffnung, daß der Pape bzw. die Papes das schon irgend-wie machen würden, stachelten meine Frau und mich an. „Wir benötigen diese Reise

für die mögliche Weiterentwicklung beider Mannschaften“ und so mobilisierten wir alle verfügbaren Kräfte. Durch die Unter-stützung unseres Botschafters, Herrn Eick, wurde uns ein Zuschuß aus Bundesmitteln bewilligt. Wir führten Verhandlungen mit Fluggesellschaften, feilschten mit Schnei-dern und organisierten Geschenke, die billig aber/und typisch afrikanisch sein sollten. Es wurden Fußballspiele (National-spieler gegen Trainer) organisierten, deren Einnahmen für die Reise verwendet wer-den sollten.

Der Aufruf zu privaten Spenden brachte die riesige Überraschung: Auf einem von der Armee organisierten Festbankett stand selbst der einfachste Afrikaner mit nied-rigem Lohn auf und spendete zwischen 50 Pfennige und 10 DM. Jeder Spieler gab von seinem Taschengeld 50 DM in die Kasse. Unser Botschafter, Ehrengast des Ban-ketts, mischte sich tanzend unters Volk und begeisterte die Afrikaner zu weiteren Spenden. Mit diesem Geld, durch das Ent-gegenkommen der Fluggesellschaften und durch den Bundeszuschuß war unsere Reise dann doch gesichert. Als Gastge-schenke verfügten wir über Zebra- und An-tilopenfelle, Masken und Schlangenhäute, die bei der Überreichung in Deutschland großen Anklang fanden.

Endlich unterwegs, war eine Riesenstim-mung an Bord der Maschine. Noch nie war schließlich ein Ugander in Europa gewe-sen. So wie es mir 1966 in Sierra Leone ergangen war, so war es nun für meine Mannschaft: Alles war neu. Ankunft am Flughafen Frankfurt, dort Empfang durch den DFB, die Autobahnfahrt nach Nürn-berg zur Einkleidung durch adidas. Meine Spieler hatten strahlende Augen bei der Einkleidung! Mit einem herrlichen Zebrafell bedankten wir uns bei Frau Käthe Dassler (adidas).

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Das erste Spiel, wie immer sehr wichtig bei Reisen ins Ausland, war gegen den dama-ligen Länderpokalsieger Bayern München geplant. Hatten meine Spieler durch ihr fröhliches und diszipliniertes Auftreten viele Sympathien gewonnen und für ihr Land geworben, erreichten sie durch ihre hervorragende Spielweise und durch den Sieg gegen Bayern noch viel mehr. (Damals, 1979 wußte kaum jemand in Deutschland, wo Uganda überhaupt liegt und ob ein Afri-kaner nicht „abfärbt“) Den Spielern, den Begleitern und mir fiel ein Stein vom Her-zen und auch die Resonanz der deutschen Presse war überaus positiv. Überall wollte man die „schwarzen Perlen“, wie die Spie-ler zärtlich genannt wurden, beim Training erleben.

Nach einem sehr guten Spiel gegen den damals starken Gegner Bayern Hof mit einem Ergebnis von 1 : 1, wartete man nun mit Spannung auf die Bewährungspro-be gegen die deutsche Amateurnational-mannschaft, die durch sieben Mitglieder der Bundesliga verstärkt wurde. Auch Ulli Hoeness aus München war mit dabei und Jupp Derwall, ein guter Freund von mir, war der Trainer.

Bamberg war unser nächster Spielort. Die beiden Nationalhymnen wurden gespie-lt, der Botschafter Ugandas begrüßte die Mannschaften und schon erfolgte der An-stoß zum Länderspiel Uganda : Deutsch-land. Bis zur 88. Minute verlief das Spiel sehr ausgeglichen, aber da fiel das 2:1 gegen Uganda. So ein Pech. Bei einem ab-schließenden Fest lobte man die Leistung der Afrikaner und ihre Spielweise, war aber auf deutscher Seite auch froh über einen Leistungsvergleich im Hinblick auf die Olympischen Spiele 1972. Dem klaren Sieg mit 3:0 gegen eine Süd-Baden-Auswahl wurde noch mehr Bedeutung beigemes-sen, da der damalige Entwicklungshilfe-Mi-nister, Herr Eppler, Ehrengast war und die

Spieler auf dem Feld persönlich begrüßte. Als Überraschung wurde jedem Spieler ein Trainingsanzug überreicht.Der DFB verabschiedete uns mit dem Wunsch eines Wiedersehens im Jahr 1972. Aber daraus wurde leider nichts, da wir die Qualifikation beim Elf-Meter-Schießen im Sudan nicht schafften.Das Reiseprogramm wurde durch Fahrten zum Titisee, zum Feldberg, durch den Be-such der Opel-Werke und Besichtigung der Hutschenreuther Porzellanfabrik abgerun-det. Von München aus ging es dann, mit 59 statt 25 Gepäckstücken bewaffnet, zu-rück nach „Hause“, wo wir stürmisch gefei-ert und empfangen wurden.

Auch in Uganda wurden wir Zeuge einer Re-volution: „Mein“ General wurde Präsident des Landes, obwohl er dies zunächst nicht wollte. Nichts änderte sich an meiner Ar-beit, bis auf die Bewachung und die Kriegs-verhältnisse. Allerdings wurde die Bezie-hung zwischen Idi Amin und mir intensiver, da er, nun Präsident, mich aufforderte, mit allen Problemen direkt zu ihm zu kommen, er sei immer für mich da. Unter diesen Umständen war es nicht verwunderlich, daß ich bald der bekannteste Mann der in Uganda lebenden Ausländer war. Leider wurden mir wegen meiner guten Kontakt zu Idi Amin auch Vorwürfe gemacht, aber die Menschen in Deutschland hatten gut reden. Sie waren in Sicherheit, ich arbei-tete und lebte mit meiner Frau und später meinem Sohn in Uganda! Eine Zeitung in Deutschland berichtete sogar, daß der beste Freund von Idi Amin der deutsche Modellathlet B. Pape sei. Dabei wurde Amin bei einem Staatsbesuch in Deutsch-land vom Bundespräsidenten empfangen, Minister Willy Brand schüttelte ihm die Hand und der Bürgermeister von Hamburg machte mit ihm eine Hafenrundfahrt.Als in Kampala unser Sohn Timo geboren wurde, tat Idi Amin Dada so, als wäre er der Vater. Er meinte zu mir, daß wir Papes

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die Afrikaner und ihre Mentalität sehr gut verstehen würden, aber Timo wäre ein rich-tiger Halb-Ugander, da er in Uganda gebo-ren wurde. Darauf war Amin mächtig stolz.

Timo lebte in seinen ersten Lebensjahren in Uganda. Seine Spielkameraden waren Afrikaner, mit denen er sich prächtig ver-stand. Herbst und Winter kannte Timo nicht, aber Büffel, Antilopen, Nilpferde und Löwen in freier Wildbahn gehörten zu sei-ner gewohnten Umgebung. Ein Wort wie „Zoo“ war ihm kein Begriff.

Auch in Uganda sagten wir uns, daß die Hauptstadt nicht wie das Land selbst sei und so machten wir viele Safaris in das Lan-desinnere. Aber auch quer durch Ostafrika nach Kenia, Tansania und Sansibar gingen unsere Reisen, wo wir unserem Hobby, der Großwildjagd frönten. Man mag heute bei dem Wort Großwildjagd erschrecken, aber damals war die Jagd voll lizensiert und nach deutschen Jagdgesetzen kontrolliert.

Auch in diesem Zusammenhang erlebten wir interessante Episoden wie z.B. daß man nach mir im ganzen Busch suchen ließ, da Idi Amin und der Präsident eines anderen Landes spontan vereinbart hat-ten, in einem Länderspiel zu klären, wes-sen Mannschaft die bessere sei. Es war al-lerdings Spielpause und sowohl die Spieler als auch meine Familie und ich machten Urlaub, sprich, wir gingen auf Safari. Über Radio lies man uns ausrufen und fand uns schließlich im Busch, so daß zwei Tage später das Spiel stattfinden konnte.

Auf Safaris im Busch weit entfernt jeglicher Zivilisation fragten wir oft die Einwohner nach dem Weg. Dabei interessierten sich die Dorfbewohner öfter für meine blonde Frau Bärbel und wollten sie mir sogar ab-kaufen - nichts ungewöhnliches für eine afrikanische Frau oder ein Mädchen. Über 100 Rinder bot man mir, dann wurde es mir

allerdings etwas mulmig, da ich es fälsch-licherweise als Spaß aufgefaßt hatte. Ab-rupt brachen die Geschäftsbeziehungen ab und fuhren weiter. Vermutlich wären auch die Schwiegereltern nicht einver-standen gewesen, und wie hätten die 100 Rinder nach Münster transportiert werden sollen....?

Eines der letzten Länderspiele war das gegen die brasilianische Mannschaft, die sich auf die Weltmeisterschaft 1974 vor-bereitete. Für uns war es selbstverständ-lich, daß wir alles taten, um vor vollem Haus bzw. Stadion zu bestehen. In diesem Zusammenhang kam der General und Präsident mal wieder auf eine tolle und auch gute Idee: Quasi als Vorspiel zu dem Länderspiel sollte am selben Tag ein Fuß-ballspiel Regierungs¬mannschaft, damals Government of Action genannt, gegen das Diplomatische Corps Ugandas stattfinden.

Idi Amin wollte selbst als Mittelstürmer spielen; von der Deutschen Botschaft wur-den der Herr Botschafter und der Leiter der Kulturabteilung aufgestellt. Das Gan-ze wurde ein riesiges Spektakel. In einem offenen LKW wurde die Regierungsmann-schaft ins Stadion gefahren. Während des Spiels verletzte sich Idi Amin und wurde auf meinen Rat hin aus dem Spiel ge-nommen. Da er sich aber den Spaß nicht nehmen lassen wollte, humpelte er in der 2. Halbzeit als Schiedsrichter übers Feld. Er war so Feuer und Flamme, daß er das Ende der Halbzeit übersah. So mußte ich ihn vom Spielfeld holen und ihn auf die Zeit aufmerksam machen, da das Haupt-spiel auch noch stattfinden sollte. „Paep, ok“, sagte er und schon war das Abpfeifen seine nächste Amtshandlung. Da wir mit 1 : 1 gegen Brasilien das Spielfeld verlie-ßen, war Idi Amin sehr zufrieden. Wieder einmal hatte ein Gegner gedacht, die „Schwarzen“ mal so eben zu putzen und nebenbei auf Safari gehen zu können.

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Nach über sechs Jahren harter Arbeit wur-de es wieder Zeit, die Koffer zu packen und diesmal Uganda den Rücken zu keh-ren. Die ugandische Regierung hatte alles erdenkliche versucht, uns im Lande zu hal-ten, aber nach so langer Zeit war eigentlich alles erreicht, um den Leistungsstand der Nationalmannschaft zu optimieren. Es gab inzwischen genügend ausgebildete Trainer im Land und für weitere Maßnahmen fehl-ten die Gelder.

Die Zeit in Uganda war nicht immer leicht gewesen. Die Tage der Unruhen sind unge-zählt, an denen wir bewaffnet ins Kino gin-gen oder zu einer Party fuhren, an denen Überfälle auf Weiße an der Tagesordnung waren, an denen man nachts mit Gewehr im Haus umher schlich, da man vermutete, daß mit Buschmesser bewaffnete Banden versuchten, in das Haus einzudringen. Die Stunden der Angst sind nicht zu vergessen, die meine Frau alleine mit unserem Sohn im Haus verbrachte, da meine Tätigkeit oft mit Reisen ins Landesinnere und auch ins Ausland verbunden war. Die Angst war nicht unberechtigt, da in den Zeitungen immer berichtet wurde, wann ich mich wo aufhielt. Die Tatsache, daß meine Frau mit Waffen umzugehen vermag, war ange-

sichts der Kriegsverhältnisse im Land für mich nur ein schwacher Trost.

Oft konnte ich der Deutschen Botschaft oder Geschäftsleu-ten durch meine guten Bezie-hungen zu Idi Amin helfen, in dem ich als Türöffner fungier-te. Dies hat man mir und mei-ner Frau oft vorgeworfen. Und in der Tat hat Idi Amin, der an-fangs im Volk sehr beliebt war, viele Fehler gemacht und bru-tal gewütet. Aber wir mußten unter diesen Umständen im

Land leben und arbeiten. Kei-ner hat mich aufgefordert, das Projekt zu verlassen oder hat das Projekt eingestellt. Und offene Opposition hätte weder mei-ner Familie noch dem AA etwas gebracht, wenn ich standrechtlich erschossen wor-den wäre. Meine Aufgabe bestand darin Fußball „ zu verkaufen“ und dies habe ich erfolgreich getan. Daß meine Frau öfter ängstlich auf mich wartete, ob ich lebend von einem Besuch bei Idi Amin zurückkam, wissen nur die wenigsten Menschen.

Trotzdem verließen wir Ostafrika auch mit einem weinenden Auge, denn natürlich blieben viele liebe Freunde zurück und viele schöne Erlebnisse sind für immer mit Ostafrika verbunden.

Die nächste Station in unserer „Karriere“ hieß Ägypten, das Land der Pyramiden und der Königs-Gräber. Das Tal der Könige, das Mausoleum des Aga Khan und nicht zu vergessen der Abu-Simbel-Tempel gehö-ren zu Ägyptens Attraktionen. Ein Land, in das jährlich Tausende von Touristen reisen oder von einer Reise träumen. Aber nur mit träumen war es in unserem Falle natürlich nicht getan. Ein neues Einsatzland, ein neuer Wohnort, neue Bekannte, neues Ein-leben und Herantasten an die schon vor-

Ein General auf Abwegen: Idi Amin als Schiedsrichter

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handenen Institutionen. In diesen Punkten waren wir inzwischen Profis geworden.

Im sportlichen Bereich gab es in Ägypten nach den Jahren des Krieges eine Menge zu tun. Aber es gab schon damals eine gute Grundlage im Bereich des Breitensports, mit vielen Sportvereinen und den notwen-digen Sportanlagen. Es herrschte sogar schon wieder ein geregelter Fußball-Spiel-betrieb, bei dem allerdings noch keine Län-derspiele durchgeführt wurden. Durch feh-lende internationale Kontakte begann im Jahr 1974 alles neu. Schon in demselben Jahr trugen wir in Kairo den Afrikapokal der Nationen aus, so daß die Begeisterung bei Spielern, sich auch im Turnier zu qualifizie-ren, leicht geweckt werden konnte.

Bei einem Spiel der Nationalmannschaft gegen Dukla Prag kam es aber leider auch zu weniger schönen Ereignissen: Obwohl das Stadion bereits ausverkauft und voll besetzt war, drängten sich immer noch unglaubliche Maßen hinein, drückten die Menschen an Pfeiler und Wände und selbst die Flucht der Zuschauer auf das Spielfeld half in dieser Situation nur wenig. Das Spiel wurde daher nicht angestoßen. Wir flüchteten in die Kabinen und später wurde in den Zeitungen von viele Toten be-richtet. Zu dieser Zeit war Dettmar Cramer bei mir zu Besuch, unsere Familien jedoch in Deutschland. Da wir wußten, daß ein solches Desaster weltweit Schlagzeilen machen würde, versuchten wir, in Deutsch-land ein Lebenszeichen zu hinterlassen, was uns schließlich auch gelang.Das gesamte Turnier wurde schließ-lich mit „älteren“ Spielern mit geringer Wettkampf¬erfahrung ausgetragen, mit denen wir uns sogar den dritten Platz er-spielten.

Die Einsicht in die Notwendigkeit der Trai-nerausbildung war damals in Ägypten schon vorhanden, aber es fehlte neben

den notwendigen Mitteln vor allem an der Nachwuchsarbeit. Die Wende brachte ein Turnier in Syrien mit sich, als ich mit einer Nachwuchsmannschaft antrat, um den üb-rigen Spielbetrieb nicht zu unterbrechen. Wir schnitten in Damaskus gut ab und so wurde grünes Licht für den gezielten Nach-wuchsaufbau gegeben. Weihnachten 1974 wurde in Tunesien der Palästinenser Po-kal ausgetragen, der eine große politische Bedeutung hatte. Wir gewannen das Tur-nier mit einer verjüngten Mannschaft und konnten so die Sinnhaftigkeit der Nach-wuchsförderung unter Beweis stellen.

Ein Höhepunkt meiner Arbeit in Ägypten waren zwei Trainingsreisen nach Deutsch-land, die von der Bevölkerung mit groß-em Interessen verfolgt wurden. Bei den Freundschaftsspielen erzielten wir gute Ergebnisse, so daß die Reisen auch als die Vorbereitung auf die ersten Weltmei-sterschaft der Junioren ein voller Erfolg waren.

Bis in das Endspiel der Qualifikationsrun-den für diese WM spielten wir uns vor. Doch dann wurde leider ein berechtigter Protest gegen die Mannschaft der Elfenbeinküste, die Spieler im Alter von über 20 Jahren aufgestellt hatte, nicht berücksichtigt und wir verloren. Nach all‘ der Arbeit und Mühe war ich war stinksauer.

Bei einem anderen Turnier brachte ich die Mannschaft von Zamalek ins Pokalend-spiel. Das Nasser Stadion drohte aus allen Nähten zu platzen. Über 120.000 Men-schen drängten sich auf den Rängen. Daß wir das Spiel gewannen, brachte die Menge dazu, mich als Erfolgstrainer zu feiern und mir den Sportdress zum Leibe zu reißen: man wollte ein kleines Souvenir mitneh-men. Selbst meiner Sportschuhe wurde ich entledigt und zieren heute vielleicht einen Trophäenschrank. Nur mit Mühe und Not konnte ich meine Hose anbehalten, die ich

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für den anschließenden Festumzug durch die Stadt doch benötigte!

In Ägypten vergrößerte sich unsere Familie: Unser Sohn Thorsten wurde geboren, der mit seinem Bruder Timo an all‘ meinen/unseren Einsatzorten - natürlich unter der Obhut der Eltern, bzw. der Mutter - dabei war.

Wie auch in Afrika waren wir bemüht, die Geschichte und Eigenarten Ägyptens durch Reisen zu ergründen und so die Menschen besser zu verstehen. Dabei begegnete uns immer wieder der Ausdruck „MALESH“. Malesh hat eine mächtige Bedeutung und kann schon fast als eine Lebenseinstel-lung bezeichnet werden. Malesh bedeutet vor allem „Vergebung“, das landläufig mit „macht nichts“ oder „kann man eben nicht ändern“ übersetzt werden kann. Hat man einen Unfall: Malesh. Schießt man am lee-ren Tor vorbei: Malesh. Auch wenn ein naher Angehöriger stirbt: Malesh. Aber auch sich mit vielleicht nicht ganz korrekten Mitteln durchs Leben zu boxen ist Malesh. Ein wei-terer wichtiger Begriff in Ägypten ist „Bak-schisch“, das „Öl“ zwischen¬menschlicher Beziehungen. Bis man diese Lebensauffas-sungen und Verhaltensweisen verstanden und verinnerlicht hat, vergeht als Europäer doch eine gewisse Zeit!

Als es nach 13 Jahren Afrikanischer Konti-nent im Jahr 1978 wieder hieß, Abschied zu nehmen, hatten wir in Sachen Fußball einen guten internationalen Standard er-reicht. Hatte zuletzt 1958 die deutsche Na-tionalmannschaft in Kairo mit 1:2 verloren, so kamen auch nun nach ca. 20 Jahren wieder Mannschaften aus aller Welt, um Freundschaftsspiele gegen Ägypten auszu-tragen. Auch deutsche Mannschaften, wie z.B. Bayern München, Eintracht Frankfurt oder Bor. M. Gladbach haben ihre Kräfte gegen „uns“ gemessen. Die Ergebnisse dieser Freundschaftsspiele konnte sich

auch durchaus sehen lassen, wurden aber von den Verantwortlichen leider oft über-schätzt. Es war daher nicht immer leicht, zusätzliche Trainerlehrgänge etc. durchzu-setzen.

Von 1978 bis 1983 lebten meine Familie und ich in Colombo / Sri Lanka, dem ehe-maligen Ceylon. Heute eine unruhige Insel, war Sri Lanka damals ein echtes Paradies zum Genießen - und zum Arbeiten.

Große Unterstützung in meiner Arbeit er-fuhr ich durch einen Direktor des Sportmini-steriums, der in Leipzig in der DDR studiert hatte und perfekt Deutsch sprach. Trotz relativ geringer finanzieller Mittel lief die Arbeit recht gut. Zahlreiche Trainer-, Leh-rer- und Schiedsrichterseminare wurden durchgeführt und das Training der Natio-nalmannschaft zeigte erste Früchte. Auch wurden Kleinprojekte in Sachen Sportme-dizin, Sportverwaltung und Schiedsrichter-ausbildung unterstützt.

Sportlehrer, die als Counterparts ausgebil-det wurden, waren in ihren Provinzen für die Auswahlmannschaften zuständig, so daß der Nachwuchs gezielt gefördert wur-de. Insbesondere der Nachwuchsförderung wurde von Regierungsseite viel Beachtung geschenkt. Bei den Asienmeisterschaften erzielten wir die dritte Runde und hatten somit in Sri Lanka einen riesigen Erfolg.

War ich in Sachen Sportlehrerausbildung als Fußballspezialist bekannt, so wurde meine Frau in der Ausbildung in der Rhyth-mischen Gymnastik aktiv und erfolgreich. Es war sehr interessant zu beobachten, wie die Männer (!) immer mehr Gefallen an der Gymnastik fanden und sich bemühten, diese noch unbekannte Sportart zu beherr-schen. Mit einer Mädchengruppe trat mei-ne Frau im ausverkauften Stadion auf. Di-ese Gruppe war mit ihren Keulen und dem Einsatz klassischer Musik ein Höhepunkt

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der Veranstaltung, so daß der Präsident - selbst Zuschauer - meine Frau bat, diese Vorführung im Landesinnern zu wiederho-len, was sie natürlich mit Freude tat.Auf allen Gebieten des Sports wurden in Sri Lanka große Fortschritte gemacht, die dann leider durch den Krieg zu nichte ge-macht wurden.

In Sri Lanka, das sich erst kurz vor unser Übersiedlung vom Sozialismus befreit hat-te, ging es nach den Jahren der Isolation politisch und wirtschaftlich schnell bergauf. Viele Touristen reisten damals ins Land, um neben Kultur und Religion vor allem die traumhafte Landschaft mit den para-diesischen Stränden zu genießen. Auch wir entdeckten ein neues Hobby: das Tauchen. Wir hatten es natürlich besonders gut, da wir nicht nur die Tauchreviere Sri Lankas, sondern auch die Malediven direkt vor der „Haustür“ hatten. Auch für unsere Kinder waren die Jahre in Sri Lanka herrlich: in wunderschöner Natur wohnend, mit erfolg-reichen und zufriedenen Eltern, ging der Äl-tere in die erste Schulklasse während der Jüngere den Kindergarten besuchte.

Im Jahr 1983 siedelten wir nach Jakarta, Indonesien um. Indonesien, das Land der 13.000 Inseln ist an Abwechslungsreich-tum und Schönheit meiner Meinung nach kaum zu überbieten. Hier widmete ich mich überwiegend dem Auf- und Ausbau des Jugendfußballs. Es bestanden zwar schon drei Fußballschulen, aber auf mei-nen Reisen durch das Land bzw. über die Inseln stellte ich immer wieder fest, daß es wahnsinnig schwer war, geeignete Talente zu entdecken. Wo sollte auf den 13.000 In-seln nur der indonesische „Beckenbauer“ oder „Maradonna“ leben? Von den ca. 180 Millionen Einwohnern Indonesiens leben ca. 70 Prozent auf der Hauptinsel Java.

Wie in fast allen Ländern der „Dritten Welt“ wollte man in Indonesien auch zunächst

Ergebnisse meiner Arbeit, also Erfolge se-hen, bevor man bereit war zu investieren. Anders als in Deutschland wird zunächst der Spitzensport gefördert, bis auch Mittel für den Breitensport freigegeben werden. Als „Experte“ muß man in diesen Ländern daher besonders „am Ball bleiben“, um et-was langfristiges zu erreichen. GottseiDank wurden wir mit der U-18 (unter 18jährige) erstmals Asiatischer Meister beim Turnier in Indien. Dies war der Ansporn, auf die Jugend zu setzen, um vor allem dauerhaft Erfolg zu erzielen.

Auch in Jakarta entwickelten sich schnell die notwendigen Kontakte zu einfluß-reichen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens: Jahrelang spielte ich in Jakarta als einziger Ausländer im Stadion jeden Mittwoch Tennis. Als Gegner oder Partner lernte ich so z.B. den Sportminister, sei-nen Deputy, einen Staatssekretär und den Sportdirektor, dem unsere Jugendschulen unterstanden, persönlich gut kennen. Die-se Personen waren für meine Projekte sehr wichtig und so war es klug, im geeigneten Augenblick auszusetzen und ein „Schwätz-chen“ zu halten. So konnten Dinge viel leichter entschieden werden, als bei einem offiziellen Termin im Ministerium: Andere Länder, andere Sitten.

Viel Prasis am Ball: Während eines Trainer-Lehrganges in Indonesien

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Bis zu meiner Abreise im Jahr ..... gab es insgesamt neun Jugendsportschulen auf Java, Sumatra, Sulavesi, Irian-Jaya und in Kalimantan verteilt. Dort wurden auch die jeweiligen Zentralen für die Trainerausbil-dung etabliert.

Natürlich reiste ich mit meiner indone-sischen U-18 auch nach Deutschland, genau gesagt sogar zweimal. Die Reisen wurden von dem NOK, von dem leider in-zwischen verstorbenen Herrn Dobrick, ei-ner großen Stütze aller Sportexperten im Ausland, und von seinen Mitarbeitern be-stens vorbereitet. Nach schwerem Training und harten Gegnern in Deutschland waren wir nach dem Sieg in Indien gestählt, wie-der Asiatischer Meister zu werden.

Und dann erzielten wir noch den Sieg ge-gen Thailand vor 90.000 Zuschauern in Ja-karta. Die tolle Stimmung nutzend, packte ich die Gelegenheit beim, diesen Sieg nicht nur mit einem „feuchten“ Händedruck für die Spieler honorieren zu lassen, sondern dem Minister abzuringen, daß jeder Spieler nach dem Schulabschluß ein Studiensti-pendium bekam. Für die Jungs, die meist aus ärmlichen Verhältnissen kamen, hatte dies natürlich einen unschätzbaren Wert. Sie selbst hätten sich nie ein Studium lei-sten können. Zudem wurden die Stipen-dien für die jüngeren Fußballjahrgänge die richtige Motivation, sich total ins Zeug zu legen und ähnliches zu erreichen. Denn so konnte der Sport für sie zum Vehikel wer-den, ihren sozialen Status zu verbessern. Bei fünf Turnieren wurden wir zweimal Asi-atischer Meister und haben dreimal das Halbfinale erreicht. Auf unseren Reisen in andere Länder wurde ein guter Grundstein gelegt und die Notwendigkeit, noch weitere Schulen aufzubauen, eingesehen. Durch die vielen Trainerlehrgänge, die in allen Ecken und Enden des Landes abgehalten wurden, erlebte ich natürlich wieder viele Dinge, die aufgrund Vielzahl hier nicht alle

berichtet werden können.

Da die Kinder nun auch schon größer und älter waren, haben wir viel im Land unter-nommen. So sind wir z.B. mit dem Motorrad durch die Götterinsel Bali gefahren, sind auf noch brodelnde Vulkane gestiegen und haben Eingeborenenstämmen „besucht“, die zu dieser Zeit kaum Kontakt zur Außen-welt hatten. Vor allem für unsere Kinder waren dies wichtige Erfahrungen, um Ver-ständnis für eine „andere“ Welt aufzubrin-gen, in der sie später allein leben sollten. Wir sind uns sicher, daß unsere Kinder, die inzwischen in den USA studieren, von die-sem Leben stark profitierten.

Als wir dann nach Thailand, in das Land des Lächelns umzogen, blieben uns viele gute Kontakte in Indonesien erhalten.

Thailand ist wie Indonesien ein Urlaubs-land mit, reich an Dschungelgebiten und Traumstränden. Aber die Hauptstadt Bangkok in der wie nun seit gut 5 Jahren leben, ist mit den ca. 8 Mio Einwohnern und aufgrund der schlechten Verkehrspla-nung eher eine Zumutung. Z. B. beträgt die durchschnittliche Stundengeschwindigkeit zu Spitzenzeiten nur 3 bis 5 km/h. Aber schöne Frauen gibt es hier ebenso wie ei-nen über alles erhabenen König, der vom Volk verehrt und von der Politik und dem Militär im Lande geachtet wird.

Auch in Thailand wird der Sport von der Re-gierung als Erziehungsaufgabe angesehen und man bat mich daher, den Jugend- und Schulsport abzudecken. Trainerausbildung gehört natürlich ebenso dazu. Fußball ist die populärste Sportart des Landes. Die deutsche Bundesliga mit all ihren Stars ist ein fester Begriff; fast jeder Thai weiß, wer Matthäus oder Völler sind. Der Thai-Ger-man-Fussball-Fan-Club zählt über 1.000 Mitglieder. Da dies in Deutschland nicht so bekannt ist, waren unser Bundestrainer

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Berti Vogts und auch Franz Beckenbauer bei einem Besuch in Thailand sehr über-rascht, welchen Stellenwert Fußball in Thailand hat. Auch die Westfalen-Auswahl staunte, als sie zum Kings-Cup nach Thai-land kam und vor 30.000 bis 40.000 Zu-schauern spielte.

Die Jugendfußballarbeit läuft auch in Thai-land über die Schulen. Die Sportlehrer sind normalerweise begeistert, ihren Status durch eine Trainerausbildung aufzuwerten und auch die Jugendlichen erhoffen sich dauerhafte Verbesserungen ihrer Leben-sumstände. Das fehlende Vereinsgefüge macht die Arbeit allerdings nicht leicht. Und da es auch in der oberstenSpielklasse kei-nen geregelten Spielbetrieb über Monate, wie beispielsweise in Europa gibt,wird es für Thailand nicht leicht sein, internatio-nalen Anschluß zu finden. Aber trotzdem haben wir mit gut ausgebildeten Counter-parts (Trainern) und hartem Training einige Erfolge erzielt. So waren wir bislang zwei-mal Asiatischer Meister: in Malaysia gegen Korea und in Sri Lanka gegen Indonesien.

Ja, so traf man seinen alten Freunde wieder.

1991 versuchten wir uns mit der Frauen-auswahl in Japan für die erste Frauen-WM zu qualifizieren, doch beim letzten Spiel schafften wir gegen Taiwan nur ein 0:0, was nicht ausreichte. Aber die sehr gute Zusammenarbeit führte dazu, daß Frau-enfußball nun erstmals in Thailand im De-zember 1995 bei den SEA Games (South East Asien Games) auf dem Programm steht. Zur Zeit, im August 1995, werden mit der U-18 die letzten Vorbereitungen für die nächste Meisterschaft in Brunei getrof-fen.

Auch in Thailand wurden/werden viele Trai-nerseminare an exotischen Plätzen abge-halten. Dabei ist Thailand ein Land voller Überraschungen: der Norden des Landes ist mit Dschungel überzogen, der Süden Thailands weist herrliche Strände auf. Nur Bangkok bietet trotz der eindrucksvollen Paläste und Tempel keinen Grund zum Schwärmen. Durch die immer größer wer-denden Verkehrsprobleme ist diese Stadt eher eine Belastung. Jegliches außerberuf-liches Leben kommt zum Erliegen bzw. ent-steht nicht erst. Bis Ende des Jahre 1995 werden wir, d.h. meine Frau und ich, noch in Bangkok wohnen, dann aber werde ich

Hahn im Korbe: Trainer Pape und die Mädels in Thailand

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in Rente und wir nach 30 Jahren zurück nach Deutschland gehen.

Bewußt habe ich in dem in meinem Bericht aus Indonesien nichts über die kulturellen, menschlichen und klimatischen Beson-derheiten berichtet, da sich Indonesien und Thailand nicht so stark von einander unterscheiden. Allerdings ist mir die Zu-sammenarbeit in Indonesien leichter als in Thailand gefallen, sei es bei der Arbeit mit den Counterparts, mit den Offiziellen an höchster Stelle oder auch mit dem Personal. Natürlich sind insbesondere in Thailand die Sprache und die Schrift ein großes Hindernis, da nur wenig Englisch gesprochen wird. Aber das für Europaer verwirrenste und für Thais wichtigste ist es, „nicht das Gesicht zu verlieren“. Auch in Europa verliert man nur ungern sein Gesicht, d.h. man blamiert sich ungern. In Asien hat dies allerdings eine weitaus wichtigere Bedeutung, ja es handelt sich hierbei um eine echte Men-talitätsfrage. Oft wurde ich gefragt, ob es in Afrika oder Asien einfacher war, zu ar-beiten. Die Antwort heißt für uns ganz klar: In Afrika und zwar in Schwarzafrika. Schon in Ägypten, also in Nordafrika, führt der ara-bische Einfluß zu ganz anderen Verhaltens-weisen der Einheimischen und zu anderen Lebensumständen als in Schwarzafrika.

Bei einem Schwarzafrikaner weiß man ganz genau, was los ist, ob er gut oder schlecht gelaunt ist und ob man Einver-ständnis erzielen konnte oder nicht. Wenn ein Schwarzafrikaner lacht, blitzen seine weißen Zähne, da klatscht er in die Hän-de und man weiß, daß die Freude echt ist. Auch die Akzeptanz der eigenen Person ist in Afrika anders als in Asien. In Afrika einem Ausländer, der als Experte ins Land kommt, die Chance gegeben zu zeigen, was er kann. Man sagt dort, „gut, daß du da bist, wir werden das so mal probieren“ und man gibt sich Mühe, entsprechende

Leistungen zu bringen. Dies geschieht selbst dann wenn anfangs z.B. wegen der Methode eigentlich Skepsis besteht. Der Asiate sagt hingegen: „gut, daß du da bist, aber wir machen alles so wie bisher“. Dies ist mit Sicherheit auch ein Grund dafür, daß deutsche Trainer immer eher in Afrika eingesetzt wurden, als in Asien.

Für Touristen ist natürlich die asiatische Art sehr angenehm, da man immer ange-lächelt wird und erst nach einiger Zeit die drei Formen des Lächelns erkennt: das echte, herzliche Lächeln, das schamvolle Lächeln und das eisige Lächeln.

Thais werden auch nie laut oder ausfal-lend. Unarten, die in Deutschland im Um-gang z.B. mit Verkehrsrowdies üblich sind, wie Vogel zeigen oder andere Handbewe-gungen, wird man bei Thais vergeblich suchen. So ist es auch beim Fußball: kein Schrei „Mensch, gib den Ball ab“, oder „greiff an!“. Emotionale „Ausbrüche“, die beim Fußballspielen lebenswichtig sind, kommen mentalitätsbedingt nicht vor. Da

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ich aber nach Thailand zum arbeiten, also zum trainieren gekommen bin, mußten/müssen sich die Spieler gewaltig umgewöh-nen und Kompromisse eingehen. Oft weiß ich natürlich wegen des ewigen Lächelns nicht, woran ich eigentlich bin. Die einzel-nen Nuancen habe ich erst nach längerer Zeit erkannt und zu interpretieren gelernt.

Zudem ist die Hierarchie in der Thai-Gesell-schaft ein wesentliches Element. So kann es passieren, daß in Asien ein Mitarbei-ter zusagt, etwas zu tun, was er aber aus Gründen, die in der Hierarchie liegen, gar nicht ausführen darf und demnach auch nicht tut. Man darf dann nicht verärgert sein, sondern muß durch indirekte Fragen herausfinden, warum es nicht möglich war, das Angekündigte zu tun.

Fragen stellen, dies ist auch ein beson-deres Thema in Asien. Als Trainer ist es natürlich eine meiner Aufgaben, Wissen zu vermitteln und dieses Wissen abzuprüfen. Dabei habe ich bei Trainerseminaren oft selbst das Gesichter verloren, da ich unver-ständlich unterrichtete. Aber auch die Teil-nehmer verloren öfter ihr Gesicht, da sie von mir gestellte Fragen nicht richtig be-antworten konnten. Ein herrliches Beispiel für diese Situation ist die nicht unübliche Frage nach dem Weg: Frage einen Thai nach dem Weg nach X und er wird auf je-den Fall eine Antwort geben, auch wenn er den richtigen Weg nicht kennt. Es wäre ein-fach zu unhöflich, entweder keine Antwort zu geben und einzugestehen, daß er den Weg nicht weiß. Eine weitere Möglichkeit ist, daß der Angesprochene selbst wieder Leute anspricht, bei denen man auch nicht sicher ist, ob sie den Weg nun tatsächlich kennen. So kann schnell eine kleine Men-schentraube entstehen, die über den rich-tigen Weg diskutiert. Man darf dann bloß nicht die Geduld ver-lieren und einfach weggehen, denn dann verlieren alle ihr Gesicht.

Verständnis für diese uns so fremde Men-talität aufzubringen, kostet oft sehr viel Zeit und Kraft. Allerdings ist es natürlich für die Asiaten auch nicht anders. Oft war und ist die Improvisation in vertrackten Si-tuationen alles. In den Jahren in Afrika und Asien habe ich daher so eine Art „Durch-haltevermögen“ entwickelt, ohne das es keine Erfolge gegeben hätte.

Dabei wäre noch zu klären, wie sich für mich „Erfolg“ eigentlich definiert. Sicher-lich ist jeder Sieg im Spiel ein Erfolg, aber für mich persönlich gibt es auch Erfolge an-derer Art: Durch meine Tätigkeit als Trainer hatte ich immer eine gewisse Vorbildfunk-tion bei den Jugendlichen und konnte sie bei zahlreichen Gelegenheiten davon ab-halten, Dinge zu tun, die sie in irgendeiner Form in Gefahr gebracht hätten. Eine phan-tastische Chance bot sich mir hier in Thai-land, genau gesagt im Goldenen Dreieck Laos, Burma und Thailand. Das Goldene Dreieck ist eines der größte Drogenan-baugebiete der Welt. Drogen aller Art sind hier zu relativ niedrigen Preisen verfügbar - welch eine Gefahr für die Jugendlichen, insbesondere da in den Bergregionen der Golden Dreiecks Drogen traditionell z.B. gegen Hungergefühle eingenommen wer-den (Kauen der Betel-Nuß).

In Zusammenwirken mit einem anderen GTZ-Projekt, das sich im Norden Thailands seit Jahren mit dem Thema Drogenanbau und seinen Folgen beschäftigt, ergab sich die Möglichkeit, eine kleine gemeinsame Kampagne zu fahren: Drogen - nein danke. Mit unserer Schülerauswahl aus Bangkok veranstalteten wir in Mae Hong Song, an der Grenze zur Burma, einen Anti-Drogen-Sporttag. Wir wurden dabei vom dortigen Gouverneur in unseren Aktivitäten unter-stützt. Die Fußballmannschaften liefen mit adidas-Fußballhemden in schwarz-rot-gold und dem Aufdruck „Keine Macht den Dro-gen“ über das Spielfeld. Fallschirmsprin-

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ger brachten den Spielball vom Himmel, ein Prominentenspiel erfreute die Zu-schauer und ein Anti-Drogenumzug durch die Stadt war der Höhepunkt des Tages. Auch im Tennis gab es ein Länderspiel: der Gouverneur und sein Stellvertreter traten gegen zwei GTZ-Experten an. Diese Aktion fand sehr viel Anklang und wurde mit einer intensiven Berichterstattung in den Medi-en, Presse und F e r n s e h e n bedacht. Die-ser Tag war für mich ein großer persön-licher Erfolg, da wir den Jugendlichen Wege aus ei-ner Sackgas-se aufzeigen konnten - und sei es nur mit Fußbal lspie -len. Ich bin si-cher, daß man insbesondere im Goldenen Dreieck noch viel mehr mit Sport bewegen könnte, aber leider fehlen hierzu die Mittel.Neben den bisher beschriebenen Einsatz-orten führte mich mein Trainerberuf auch zu vielen Kurzzeiteinsätzen in die Welt. So war ich z.B. auf den Malediven, in Bangla-desch, in Papua-Neuguinea, auf Tuvalu in der Südsee und in Laos. Gerne erinnere ich mich auch an die kollegiale Freund-schaft unter den „alten“ Recken auf dem Gebiet der Sportentwicklungshilfe: an Bernd Trautwein in Afrika und Kairo, an B. Ziese, an Rudi Gutendorf und seine Frau Maika. Bernd Zkoll war bei uns zu Besuch in Ja-karta und Holger Obermann und K. H. Wei-gand waren bereits in Bangkok.

Nun mag man mich fragen, was denn in diesen 30 Jahren Trainerleben im Ausland die wichtigsten Ereignisse oder Momente in meinem Leben waren. Vieles gibt es da zu nennen, aber nur einiges soll hier Er-wähnung finden: der Mauerfall 1989 war für mich, als eigentlicher „Ossi“, ein sehr bedeutsames Ereignis. Grundsätzlich ist der Zusammenhalt in

unserer Fami-lie, die ja nun nicht gerade ein durchschn i t t -liches Leben an meiner Seite führt mit das Wichtigste in meinem Leben. Die Entwicklung meiner Söhne, die durch die Erfahrungen im Ausland - eigent-lich ihrer Heimat - keine Rassen- oder Fremden-feindlichkeiten entw icke l ten , sondern über diese Probleme

erst aus der Zeitung erfahren haben. Auch durch ihrer Ausbildung an internationalen Schulen, an denen sie mit ca. 50 verschie-denen Nationalitäten „aufwuchsen“, hat den Weitblick meiner Söhne gefördert. Es war und ist nicht wichtig gewesen, welche Hautfarbe die jeweiligen „Kumpels“ hat-ten, wichtig war statt dessen, ob sie gute Stürmer oder Mittelfeldspieler waren oder eine andere Sportart bevorzugten. Für sie, wie auch für meine Frau und mich ist der Mensch wichtig, nicht seine Nationalität, auch wenn man sagen kann, daß der Um-gang mit bestimmten Nationalitäten für uns Europäer leichter ist, als mit anderen Nationalitäten. Wie schon erwähnt, stu-dieren beide Söhne in den USA und gehen

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schon ihre eigenen Wege.Meine sportlichen persönlichen Erfolge, die Meisterschaften in der Leichtathletik, im Fünf- und Zehnkampf freuten mich natürlich damals auch sehr, insbesondere wo sie da-mals unter anderen Bedingungen als heute errungen wurden.

Aber auch die Meistertitel mit meinen je-weiligen Fußballmannschaften - der Ostafri-katitel, zweimal Jugend-Asien-Meister mit Indonesien und auch schon zweimal mit Thailand sind wichtige Schritte in meinem Leben gewesen. Die Ausbildung sehr vieler Trainer und Übungsleiter, denen ich eine Grundlage verschaffte und die meine Arbeit nach meinem Weggang weiterführten, sind ebenso wichtig für mich.

Ein weiterer, bedeutsamer Punkt ist, daß ich es tatsächlich geschafft habe, mein Hobby zu meinem Beruf zu machen, etwas, wovon oft abgeraten wird. Ich kann aber nur hof-fen, daß diese Zeilen die jüngere Generati-

on anhält, im Beruf darauf zu achten, daß er Spaß macht und vielleicht sogar, wie in meinem Fall, eine Art Hobby darstellt. Ich kann auch nur jedem raten, eine Zeit seines Lebens im Ausland zu verbringen und dort zu arbeiten. Ich kann dies nach nun gut 30 Jahren Auslandseinsatz jedem mit aller Ehr-lichkeit empfehlen.

Ich bin auch ein wenig stolz, daß ich in all den vielen Jahren meine Arbeitgeber, die GTZ und das AA, nicht enttäuscht habe. Leider wird nun aufgrund der Kostensitua-tion die sportliche Entwicklungshilfe stark eingeschränkt, was ich sehr bedauere. Mei-ner Erfahrung nach kann gerade mit den relativ geringen Mitteln in der sportlichen Entwicklungshilfe überproportional viel im Gastland erreicht und für das positive An-sehen Deutschlands getan werden. Manch-mal hieß es sogar, daß wir Trainer im Aus-land „die idealen Botschafter in aller Welt“ wären. Ein Funken Wahrheit ist schon wahr daran.

Jedenfalls blicke ich gerne auf die turbu-lenten und aufregenden Jahre in der Frem-de zurück, die nun eigentlich meine Heimat geworden ist. Ich danke meiner Familie, die dies alles mitgemacht hat, vor allem meiner Frau, die ja nun nicht gefragt wurde, ob sie schon wieder in ein anderes Land umziehen wollte, aber mit Optimismus und Tatkraft im-mer wieder „neu“ angefangen hat.

Mögen recht viele Menschen ein gleiches „Wagnis“ eingehen und ebenso positive Er-fahrungen machen.

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