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Diskurspartikeln im Portugiesischen Gesprächsanalytische Studien zur Abtönung und Redeorganisation in informeller und institutioneller Kommunikation Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultäten der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg i. Br. vorgelegt von Ilonka Kunow aus Murnau a. Staffelsee

Diskurspartikeln im Portugiesischen

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Page 1: Diskurspartikeln im Portugiesischen

Diskurspartikeln im Portugiesischen

Gesprächsanalytische Studien zur Abtönung undRedeorganisation in informeller und institutioneller

Kommunikation

Inaugural-Dissertationzur

Erlangung der Doktorwürdeder Philosophischen Fakultätender Albert-Ludwigs-Universität

zu Freiburg i. Br.

vorgelegtvon

Ilonka Kunow

aus Murnau a. Staffelsee

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Referent: Prof. Dr. Wolfgang RaibleKorreferent: Prof. Dr. Wolf-Dieter StempelSprecher: Prof. Dr. Konrad KüsterTag der Promotion: 14.02.1997

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Danksagung

Die vorliegende Arbeit stellt eine leicht gekürzte und überarbeitete Fassungmeiner Dissertation „Diskurspartikeln im Portugiesischen“ dar.

Die Dissertation wurde im Rahmen des von der DFG geförderten Gra-duiertenkollegs „Übergänge und Spannungsfelder zwischen Mündlichkeitund Schriftlichkeit“ an der Universität Freiburg erstellt. An dieser Stellemöchte ich dessen Leiter, Herrn Prof. Goetsch, sowie allen Teilnehmern desKollegs und ganz besonders den Mitstreitern des Linguistischen Kollo-quiums, vor allem Alexander Brock, Martin Hartung, Kathrin Meise-Kuhnund Stephan Schlickau danken – für die vielen fruchtbaren Diskussionen undAnregungen, aber auch für die offene Gesprächskultur.

Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Wolfgang Raible,der sich als Leiter des Sonderforschungsbereichs „Mündlichkeit und Schrift-lichkeit“ sofort zur Betreuung der Arbeit bereit erklärte. Ganz herzlichmöchte ich mich auch bei Herrn Prof. Wolf-Dieter Stempel aus Münchenbedanken, der mir bei der Betreuung meiner Magisterarbeit erste Impulse fürdiese Arbeit gab und dann auch freundlicherweise das Korreferat über-nommen hat.

München, den 9. September 2001

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Inhalt

EINLEITUNG 6

1 PARTIKELN ALS FORMEN DER MÜNDLICHKEIT 11

1.1 Partikeln und Diskursforschung 11

1.2 Portugiesische Partikelforschung 13

1.2.1 Partikeln in Grammatiken des Portugiesischen 131.2.2 Erste Forschungsergebnisse zu portugiesischen Partikeln 141.2.3 Empirische Arbeiten 17

1.3 Der gesprochene Code im Portugiesischen 17

2 DAS KONZEPT DER DISKURSPARTIKELN 21

2.1 Abgrenzung des Gegenstands 21

2.1.1 Semantische vs. pragmatische Partikeln 212.1.2 Funktionen und Typen von Diskurspartikeln 24

2.1.2.1 Modalpartikeln: Konversations- und Argumentationssteuerung 242.1.2.2 Gliederungssignale 272.1.2.3 Modale und gliedernde Partikeln im Vergleich 292.1.2.4 Nachziehfragen 302.1.2.5 Rückmeldungssignale 332.1.2.6 Überbrückungs- und Korrektursignale 34

2.2 Die Markertheorie – eine Alternative zum Partikelkonzept? 35

2.2.1 Marker als sprachliche Mittel der Diskursorganisation 352.2.2 Modalpartikeln und Marker – Ähnlichkeit der Probleme 362.2.3 Beispiel: não als Korrekturmarker 382.2.4 Diskurspartikeln oder Marker? 402.2.5 Definition der Diskurspartikeln 40

2.3 Problematische Aspekte der Partikelanalyse 42

2.3.1 Redundanz der Markierung 432.3.2 Polyfunktionalität 432.3.3 Eindeutigkeit des Partikeltyps 442.3.4 Erweiterung des Formenspektrums 45

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2.3.5 Partikelhäufung und Involviertheit 462.3.6 Schlußfolgerungen 46

3 METHODISCHE ORIENTIERUNG UND KORPUS 48

3.1 Zur Analyse des Gesprächs 48

3.1.1 Methodenwahl 483.1.2 Die ethnomethodologische Konversationsanalyse 503.1.3 Verfahren des Sprecherwechselsystems 523.1.4 Ordnungsebenen in der Interaktionskonstitution 533.1.5 Fokussierung 543.1.6 Fokuswechsel und Lokalisierung 55

3.2 Untersuchungsdesign 57

3.2.1 Präzisierung der Fragestellung 573.2.2 Klärung der Analyseeinheit 593.2.3 Kriterienkatalog 60

3.3 Beschreibung des Korpus 63

3.3.1 Das Português Fundamental – beschränkte Nutzbarkeit 633.3.2 Institutionelle Diskurse aus Fernsehen und Radio 663.3.3 Konversationen im informellen Rahmen 693.3.4 Transkriptionskonventionen 70

4 DIE DISKURSPARTIKELN IM ÜBERBLICK 73

4.1 Diskurspartikeln in einer mündlichen Erzählung 73

4.1.1 Konversationelles Erzählen 734.1.2 Fallbeispiel 1: „Tudo entupido“ 744.1.3 Wechsel der Rahmung 79

4.1.3.1 Hörersignale in der Abwahl 794.1.3.2 Agora – ein wichtiges Eröffnungssignal 804.1.3.3 Die Phase der Orientierung 824.1.3.4 Gliederung der Komplikation 834.1.3.5 Zwischenergebnis: Funktionen von „e“ 864.1.3.6 Weitere Signale in der Komplikation 874.1.3.7 Auflösung 93

4.1.4 Fallbeispiel 2: „Seres pequeninos“ 984.1.4.1 Belegerzählung 984.1.4.2 Der Prozeß einer gemeinsamen Lösungssuche 103

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4.1.4.3 Verwendete Partikeln und ihre Funktionen – Sprecherrolle 1044.1.4.4 Höreraktivitäten 109

4.1.5 Erste Ergebnisse 114

5 EIN VIELSEITIGES RELEVANZSIGNAL: DIE PARTIKEL OLHA (OLHE) 120

5.1 „Abschwächung“ als inhärentes Merkmal? 120

5.2 Zum Funktionsspektrum von olhe/olha 124

5.2.1 Emphasesignal und Diskurspartikel als Varianten 1245.2.2 Die expressive Variante 127

5.2.2.1 Methodische Vorbemerkung zu den Einzelanalysen 1275.2.2.2 Analysen 1285.2.2.3 Zusammenfassung 133

5.2.3 Die Diskurspartikel als (Turn-)Eröffnungssignal 1345.2.3.1 Relevanzsetzung 1345.2.3.2 Olhe im Sprecherwechselsystem 1385.2.3.2.1Gesprächsbereitschaft 1405.2.3.2.2Reaktive Initiierung 1415.2.3.2.3Olhe als Unterbrechungssignal 1425.2.3.2.4Argumentationsstrategien 1435.2.3.2.5Einleitung einer Fremdkorrektur 1445.2.3.3 Zusammenfassung 146

5.2.4 Fokusverschiebungen 1475.2.4.1 Wechsel des Sprechhandlungstyps 1475.2.4.2 Umadressierung 1495.2.4.3 Eröffnung einer Nebensequenz 1505.2.4.4 Zusammenfassung 151

5.2.5 Olha als Eröffnungssignal einer argumentativen Zurückweisung 1525.2.6 Exkurs: Pg. olha/olhe und dt. doch im Vergleich 1575.2.7 Gebrauchsregeln 159

5.2.7.1 Sprecherwechselsystem, Gliederungsfunktion, Hörerbezug 1605.2.7.2 Themenorganisation 1615.2.7.3 Sprechhandlung und Lokalisierung 1625.2.7.4 Argumentationssteuerung 1635.2.7.5 Abtönung und Indikatorfunktionen 1635.2.7.6 Übersicht und Dependenz der Funktionen 165

5.3 Turn-einleitendes olha/olhe in Repliken als Variante 167

5.3.1 Zur Struktur von Nachbarschaftspaaren 1675.3.2 Analysen 1695.3.3 Kooperationsindizierung durch Annahme des Fokusangebots 180

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7

5.4 Weitere Verwendungsweisen von olha/olhe 182

5.4.1 Die Diskurspartikel in Rückmeldungen 1835.4.2 Olha/olhe als Überbrückungs-, Korrektur- und

Unterbrechungssignal 1855.4.3 Olha als Schlußsignal 187

5.5 Die Partikelkombination olhe que 189

5.6 Allgemeine Schlußfolgerungen 192

6 EXEMPLARISCHE PARTIKELANALYSEN UNTER SPEZIFISCHENFRAGESTELLUNGEN 194

6.1 Argumentationssteuerung durch Diskurspartikeln 194

6.1.1 Prozessierung von Argumentationsschritten 1946.1.1.1 Zurückweisung eines Vorwurfs 1966.1.1.2 Strategische Abschwächung bei gleichzeitiger

Positionsfestschreibung 1976.1.1.3 Die Suche nach einem gemeinsamen Standpunkt 1986.1.1.4 Zusammenfassung 199

6.1.2 Die Funktion von Partikelkombinationen 200

6.2 Diskurspartikeln und Interaktionstyp 205

6.2.1 Partikeln in einer politischen Diskussion 2056.2.2 Desculpe in institutionellen Interaktionen: Höflichkeitsmarker und

Funktionsverschiebungen 2086.2.2.1 Abmilderung, Entschuldigung, Reparatur 2086.2.2.2 Ankündigung einer Störung und Einspruch 2106.2.2.3 Desculpe in Reaktionen auf partnerseitige Störungsversuche 2126.2.2.4 Zusammenfassung: Zum Funktionssprektrum von desculpe 215

6.2.3 Stilistische Markierung durch Partikeln 217

6.3 Modalpartikel oder Eröffnungssignal? Zur Problematik von e 221

6.4 Makro- und Mikroübergänge: Die Partikel agora 225

6.4.1 Signal eines geordneten Fokuswechsels und Markierung vonAnkündigungen 225

6.4.2 Argumentationssteuernde Funktionen von agora 228

6.5 Zusammenfassung der Ergebnisse 233

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7 FAZIT 235

7.1 Ergebnisse und offene Fragen 235

7.1.1 Zum Spektrum der portugiesischen Partikeln 2357.1.2 Segmentfähigkeit 2377.1.3 Partikeln und Suprasegmentalia 2387.1.4 Partikeln und sequentielle Muster 2407.1.5 Offene Fragen 241

7.2 Partikeln, „Nähesprachlichkeit“ und Kontext 241

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Einleitung

Die vorliegende Arbeit bettet sich ein in eine Reihe von Untersuchungen, diedas natürliche Gespräch zum Gegenstand haben. Dabei geht es im wesent-lichen um folgende Fragen:

– Wie laufen Gespräche organisatorisch ab?– Wie sequenzieren und prozessieren Gesprächsteilnehmer ihren „Text“

und ihre Beiträge?– Wie machen sie sich klar, worüber sie gerade (wirklich) sprechen und wie

sie darüber sprechen?– Wie manifestieren die Beteiligten z. B. Konsens oder Dissens?– Wie beziehen sie sich auf den übergeordneten Zusammenhang?– Wie verdeutlichen die Sprecher ihre Einstellungen?– Wie verweisen sie auf gemeinsame Wissensbestände?

Geht man davon aus, die Teilnehmer einer Interaktion würden explizitdarüber sprechen, um was es gerade geht, was danach kommt, welcher alsnächster das Wort erhalten soll, ob Einigkeit oder Dissens in bezug auf denGegenstand herrscht oder nicht, usw., würde es sich um den Bereich handeln,dem man in der linguistischen Pragmatik als Metakommunikationbezeichnet.1

Einen spezifischen Fall dieser Verständigung über die laufende Kommu-nikation stellt der Metadiskurs dar. Darunter sind die sprachlichen Elementezu verstehen, „die dazu dienen, die Organisation des Diskurses zu verdeut-lichen“.2 Während Metakommunikation also auch Kommentare über dieRede einschließt, ist der Metadiskurs auf die explizite Diskursstrukturierungbegrenzt. Geleistet wird diese Sprachfunktion von metakommunikativenAusdrücken, die Diskurseinheiten verbinden, strukturelle Übergänge markie-ren, Sprecherhaltungen ausdrücken und Bezüge zwischen konversationellenNachbarschaftspaaren aufzeigen3, kurzum: polyfunktional zur Organisationvon Gesprächen und damit zum Verständnis zwischen den Partnernbeitragen.

Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich nun nicht mit expliziterMetakommunikation, sondern ist den sprachlichen Phänomenen auf der Spur,die auf dieser Sprachebene implizit funktionieren. Gemeint sind Wörter wieAbtönungspartikeln, etwa das deutsche doch, aber auch Gliederungssignalewie das französische alors. Vor allem die Abtönungspartikeln werfen 1 Vgl. Tittula (1993: 37ff.) und Meyer-Hermann (1978). Watzlawick/Beavin/Jackson

(1990: 55) fassen unter Metakommunikation den Beziehungsaspekt der Sprache.2 Tiittula (1993: 84).3 Vgl. Schiffrin (1987: 13).

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bekanntermaßen Beschreibungsprobleme auf, da sie von den Sprechernüberaus multifunktional eingesetzt werden und ihre Bedeutung häufig vageist. Sie tragen primär auf den Diskurs und die Sprechsituation bezogeneFunktionen, sind insofern den metakommunikativen Ausdrücken nichtunähnlich. Solche Wörter, die besonders häufig in spontaner, informeller undsymmetrischer Interaktion vorkommen, sollen hier „Diskurspartikeln“genannt werden.4

Es wird der Versuch unternommen, die wichtigsten Diskurspartikeln desPortugiesischen zu erfassen und ihre Funktionen im Gespräch mit einer adä-quaten Methode zu beschreiben. Ziel ist – unter Berücksichtigung ersterErgebnisse der portugiesischen Linguistik –, diese Formen zu systemati-sieren5 und damit auch einen Beitrag zur Diskursforschung zu leisten. Dennin diesem Forschungsbereich liegen gerade für das Portugiesische nur wenigeUntersuchungen vor.6

4 Koch/Oesterreicher (1985: 27) weisen Partikeln dem Bereich der ‘Sprache der Nähe’.5 Bei Schmidt-Radefeldt (1989) und Franco (1991) bilden die Modalpartikeln des Deutschen

den Ausgangspunkt für einen Vergleich der ‘Partikelsysteme’ beider Sprachen.6 Im Bereich des Französischen ist die Gesprochene-Sprache-Forschung wesentlich weiter

vorangetrieben. Die defizitäre Lage der Lusitanistik zeigt sich etwa darin, daß kaumkonversationsanalytische Untersuchungen vorliegen, und ein adäquates Korpusgesprochener Sprache in natürlichen Situationen noch aussteht, s.a. Scotti-Rosin (1984:259). Für das gesprochene Brasilianisch besteht größeres Interesse, vgl. z. B. Teixara deCastilho/Preti (1986): A linguagem falada culta na cidade de São Paulo. Materiais e o seuEstudo. Vol. I: Elocuções formais. Vol. II (1987): Diálogos entre dois informantes. SãoPaulo.

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1 Partikeln als Formen der Mündlichkeit

1.1 Partikeln und Diskursforschung

Die Erforschung der Partikeln nahm ihren Anfang im Zuge der „kommuni-kativ-pragmatischen Wende“7 Ende der sechziger Jahre, und seit der lingui-stischen Aufwertung der ehemaligen „Füllwörter“8 durch WEYDT (1969) hatsie sich zu einem hochkomplexen Zweig v. a. in der Germanistischen Lin-guistik entwickelt.9

Verschafft man sich einen Überblick über die Forschungslage10, entstehtder Eindruck, daß trotz der primären Verwendung von Partikeln in münd-licher Kommunikation sich ihre linguistische Beschreibung überwiegend aufschrift- und normzentrierte Methoden konzentriert. Wenn auch eine Vielzahlvon Partikelarbeiten eine pragmatische Orientierung aufweisen, dürften diemeisten im Rahmen eines „additiv-pragmatischen Ansatzes“ entstanden sein:Einzelne Partikelwortklassen werden differenziert, syntaktische Musteraufgedeckt oder übergreifende Bedeutungen herausgearbeitet.11 IhrenSchwerpunkt hat die Partikelforschung also nicht innerhalb der „umfassend-pragmatischen Linguistik“ gefunden.12 Der Grund dafür liegt auf der Hand:

7 Nach Helbig (1990: 16). Der Beginn der Partikelforschung muß mit zwei wichtigen

Entwicklungen der Linguistik in Zusammenhang gebracht werden: mit der Hinwendungzur gesprochenen Sprache als Untersuchungsgegenstand einerseits und der Aufgabe einervom Verwendungsbereich abgekoppelten Betrachtung von Sprache andererseits.

8 Zu den in der Forschungsliteratur ständig wiederholten, heute exotisch anmutendenBezeichnungen für Partikeln in normativen Grammatiken vgl. Hentschel (1986: 1).

9 Krivonosov: Die modalen Partikeln in der deutschen Gegenwartssprache (1963) wurdeerst 1977 publiziert. Das Hauptgewicht der Partikelforschung lag für lange Zeit im ger-manistischen Bereich; der 4. Internationale Kongreß über Sprachpartikeln 1987 (Weydt,ed., 1989) setzte den Akzent auf die Untersuchung der Partikeln verschiedener Sprachen.

10 S. Weydt (ed.) (1977; 1979; 1981; 1983; 1989); vgl. a. Weydt/Ehlers (1987). EinenForschungsstand gibt Wolski (1986: 327ff).

11 Z. B. Weydt (1969), Gornik-Gerhardt (1981), Bublitz (1978), Hentschel (1986), Heinrichs(1981) u. a.m. Zur Klassifizierung Hentschel/Weydt (1989) und Helbig (1990); zur Syntaxs. z. B. Abraham (1988): „Vorbemerkungen zur Modalpartikelsyntax im Deutschen.“ In:Ling. Berichte, 118; 443-465. Die Diskussion um die Bedeutungseinheit wurde zuletzt dis-kutiert in Meibauer (1994): Modaler Kontrast und konzeptuelle Verschiebung. Tübingen.

12 Also der Diskursforschung in engeren Sinn; nach der Einteilung pragmatischer Theoriennach Becker-Mrotzek (1992), vgl. Schlickau (1995: 13ff.). „Additiv-pragmatisch“ bedeu-tet, daß Syntax oder Semantik gleichberechtigt neben der Pragmatik stehen. Hingegenspielt in der „umfassend-pragmatischen Linguistik“, zu der die Gesprächsanalyse zählt(vgl. Kap. 3.1.2), der Handlungscharakter der Sprache die entscheidende Rolle.

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Wortarten sind üblicherweise Gegenstand der systematischenSprachbeschreibung.

Vor diesem Hintergrund kristallisieren sich unterschiedliche Forschungs-anliegen heraus. Die eher dem Sprachsystem verpflichteten Ansätze versu-chen, der einzelnen Partikel eine semantische Bedeutung zugrundezulegen,welche gültig für alle Verwendungsweisen ist („Bedeutungsminimalis-mus“)13. Eher diskursorientierte Ansätze hingegen tendieren zur Unterteilungin verschiedene Funktionsvarianten.14 Ein weiterer Punkt, der die Partikel-forschung spaltet, betrifft die Materialbasis: Die Prämisse pragmatischerUntersuchungen, auf authentisches Material zurückzugreifen, wird von dersprachsystemorientierten Linguistik vernachlässigt oder sogar explizit abge-lehnt15; Analysegrundlage bilden hier zumeist konstruierte, isolierte Beispiel-sätze. Daß eine Beschreibung mit pragmatischen Methoden nicht nur erfolg-versprechend ist, sondern auch gewinnbringende Erkenntnisse gerade für dieGesprächsforschung liefern kann, konnten einige Arbeiten aus der germani-stischen Partikelforschung jedoch zeigen (etwa BURKHARDTS Untersuchungzu Modalpartikeln in Eröffnungssequenzen natürlicher Dialoge16).

Richtungsweisend für einen pragmatischen Ansatz in der deutschen Mo-dalpartikelforschung ist die Arbeit von FRANCK (1980, s. a. Kap. 2.1.2.1). Beider Suche nach Beschreibungskriterien stößt sie auf den konversationellenZugcharakter, die sequentielle Positionierung der Modalpartikeläußerungsowie auf die illokutionsmodifizierende bzw. argumentationssteuernde Funk-tion. Damit erschließt sie Kategorien, die besonders relevant für die Diskurs-forschung sind.17 Einer anderen Gruppe, den Gliederungspartikeln (vgl. Kap.2.1.2.2), widmet WILLKOP (1988) erstmals eine umfassende konversations-analytische Untersuchung; Im Vordergrund steht die empirische Erforschungder redeorganisierenden und argumentationssteuernden Funktionen vonFormen wie dt. also, nun, na.

In der Pragmatik werden Partikeln unter dem Aspekt ihrer Funktionalitätinnerhalb der Redeorganisation behandelt, z. B. unter dem Begriff des „Indi-kators“, etwa GÜLICH/KOTSCHI (1983) „Partikeln als Paraphraseindika- 13 Z. B. Wolski (1989).14 Hentschel/Weydt (1989: 4) verweisen in diesem Zusammenhang auf das sog. „Partikel-

paradoxon“: „Die Beschreibung einzelner Varianten verstellt dem Benutzer das Verständ-nis dafür, wie diese Varianten zusammenhängen; die Beschreibung der übergreifendenBedeutung hingegen bleibt zu allgemein, um den Einzelfall zu erklären, und ist oft zuumständlich, um die Einzelfälle plausibel werden zu lassen.“

15 Z. B. bei Wolski (1986: 353).16 Burkhardt (1984). Weitere Aufsätze sind z. B. im Sammelband Weydt (1983) zu finden.

Burkhardt (1982) schlägt ähnlich wie Henne (1978) mit den ‘Gesprächswörtern’ eineNeueinteilung der Partikeln nach kommunikativen Funktionen vor.

17 Franck stützt sich in ihrer Arbeit, in der Sprechaktkategorien einen relativ zentralen Platzeinnehmen, leider kaum auf authentisches Sprachmaterial.

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toren“. MEYER-HERMANN (1983) führt unter dem Aspekt der kommuni-kativen Intensivierung bzw. Abschwächung neben anderen Funktionsträgernauch Partikeln an. Vor allem innerhalb der Gliederungssignale bzw. derVerknüpfungs- und Verzögerungssignale spielen Partikeln eine tragendeRolle.18 SCHIFFRIN (1987) untersucht „discourse markers“ wie engl. well,and, but, oh.19 Im Bereich der französischen Gesprächsforschung postuliertHÖLKER (1990; vgl. Kap.2.2), Partikeln als Marker zu behandeln.20

1.2 Portugiesische Partikelforschung

1.2.1 Partikeln in Grammatiken des Portugiesischen

Die eher stiefmütterliche Behandlung mündlicher Formen in der portugie-sischen Sprachwissenschaft spiegelt sich nicht nur in Wörterbüchern, sondernauch in den üblichen Grammatiken wider. Der Begriff „partícula“ wird nurbei CUESTA/DA LUZ verwendet, die den „partículas de realce“ (cá, lá, poissim, pois é, pois, não, pois não und então, agora, mas, sabe?, olhe!, olha!sowie é que, isto é que u. a.m.) einen kurzen Abschnitt widmen.21

Die „Nova Gramática“ kennt keine Partikeln, zählt hingegen „palávrasdenotativas“ mit verschiedenen Funktionen auf, wobei „tais palavras nãodevem ser incluídas entre os advérbios. Não modificam o verbo, nem oadjectivo, nem outro advérbio.“22 Den Formen é que, só, cá und lá wird hiereine verstärkende Funktion zugesprochen, até, mesmo, também, só, apenasund salvo entsprechen den Gradpartikeln; ferner finden sich korrigierendeAusdrücke wie aliás und ou melhor und zuletzt die „palavras denotativas desituação“ in satzeinleitender Position wie afinal, agora, então, u. a.m.

In der Grammatik von MATEUS E.A. fallen die transphrastischen Sprach-mittel aus dem Konzept heraus; selbst in den Kapiteln zu Textgrammatik undSprechakttheorie finden hier außer dem Konnektor e Partikeln keine Erwäh-nung.23

18 Vgl. Quasthoff (1979; 1980); Christl (1991). Vgl. a. Kap. 2.1.2.2 und Kap. 4.19 In der englischsprachigen Literatur sind Begriffe wie ‘discourse particles’, ‘discourse

signals’ oder ‘discourse markers’ üblich, vgl. z. B. House/Kasper (1981).20 Trigo (1993) greift das Markerkonzept (nach Ducrot) auf, um pg. bem zu beschreiben.21 Cuesta/da Luz (1971: 556f.).22 Cintra/Cunha (51988: 549). Als Beispielsatz für mas etwa wird angegeben: Desculpe-

me…mas sente-se mal?23 Mateus u. a. (1989: 138). In der Grammatik, die modular vorgeht, steht die Beschreibung

des Satzes aus semantischer und syntaktischer Perspektive im Mittelpunkt, wobei Depen-

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1.2.2 Erste Forschungsergebnisse zu portugiesischen Partikeln

Frühe Einsichten in Hinblick auf die Verwendung typischer Formen derMündlichkeit zeigt 1930 MANUEL SAID ALI. Unter dem Terminus der„expressões de situação“ beschreibt er eine Reihe von Formen, die alsGliederungssignale oder Modalpartikeln etc. zu bezeichnen wären.24

Ausgehend von bestimmten Situationen stellt SCHEMANN (1982) deut-schen Sätzen mit Modalpartikeln mögliche Äquivalente im Portugiesischenund Französischen gegenüber. Kontrastiert werden die Modalpartikeln dt.aber und doch mit fr. mais und pg. mas sowie weiteren funktionalen Äquiva-lenten. Schemann weist auf portugiesische Partikeln und Nachziehfragen wiemas, afinal, por acaso, já, pois não als Äquivalente deutscher Modalpartikelnhin. Der entscheidende Unterschied zwischen den romanischen Sprachen unddem Deutschen liege dabei auf der Ebene der Syntax:

Das Deutsche bezieht die Angabe der Sprecherhaltung durch Partikel in den Satz mit ein,die beiden romanischen Sprachen bevorzugen Strukturen, in denen besonders dieRelation Sprecher – Hörer vom dem Satzinhalt syntaktisch abgehoben wird.25

FRANCO (1991) vergleicht deutsche und portugiesische Modalpartikelnunter syntaktischen und pragmatischen Aspekten. Die Gemeinsamkeit derbeiden Sprachen bestehe darin, daß die Modalpartikeln unbetont undintonatorisch in den Satz integriert seien. Die syntaktische UntersuchungFrancos bleibt auf die Ebene der Sprachnorm beschränkt und geht nicht überdie Satzgrenze hinaus. Dadurch werden makrosyntaktische Funktionen nichtin Betracht gezogen. Die Analysen basieren auch hier fast ausschließlich aufkonstruierten Äußerungen mit möglichen Situationsbeschreibungen. ImPortugiesischen bestimmt Franco die Formen acaso, afinal, bem, cá, e, é que,então, já, lá, mas, não, se calhar, sempre und também als Modalpartikeln.Wie die nachstehende Tabelle zeigt, unterliegen sie syntaktischen Positions-restriktionen; die meisten Formen stehen im Vorfeld des Satzes. Weil dieVerbphrasen im Portugiesischen auch ohne Personalpronomen ausgedrücktwerden können, ist es daher möglich, daß die portugiesischen Modalpartikelnan erster Stelle im Satz erscheinen, was bei den deutschen Formen i.d.R.ausgeschlossen ist.

denz-, Kasus- und Transformationsgrammatik zur Anwendung kommen. Der Syntaxab-schnitt, der auf der Transformationsgrammatik (u. a. X-bar-Theorie) basiert, nimmt dabeiden weitaus größten Raum ein. Die Autorinnen betonen jedoch, daß Sprache auchpragmatisch erklärt werden muß (9).

24 Franco (1991: 83) urteilt: „… este estudo de Said Ali é desde sempre, nã linguísticaportuguesa, o mais completo e preciso e também aquele que mais rigorosamente e quecom surpreendente actualidade capta a função pragmática das ‘expressões desituação’…“.

25 Schemann (1982: 15). Vgl. dt. Du kommst aber spät… vs. Vens tarde, não vens?! (5).

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Tabelle 1: Syntaktische Distribution der portugiesischen Modalpartikelnnach Franco26

Satztyp Im Vorfeld Im NachfeldImperativsatz mas cá; lá

Deklarativsatz afinal; bem; cá, lá, se calhar;sempre

afinal

Exklamativsatz bem; afinal; é que; já; mas;não; se calhar; sempre;

também

cá; lá;

Entscheidungsfrage acaso; afinal; então; e; não;mas; sempre; se calhar

afinal; então

Ergänzungsfrage afinal; então; e; é que; mas;também

afinal; então

Franco hat die Äquivalente der portugiesischen und deutschen Modal-partikeln aus beiden Perspektiven einander gegenübergestellt und ist zu demErgebnis gekommen,

− que o português, como o alemão, faz também uso de Pms [partículas modais];− que cada uma dela desempenha não apenas uma função determinada, mas funções

comunicativas específicas que é possível caracterizar e descrever com base emprincípios teóricos de natureza essencialmente pragmalinguística;

− e que, além disso, se podem estabelecer determinadas equivalências funcionais, pelomenos aproximadas, entre as PMps [partículas modais portugueses] e as PMas[partículas modais alemãs].27

SCHMIDT-RADEFELDT (1994) differenziert die Partikeln des Portugiesi-schen unter dem Vorbehalt möglicher Funktionsüberschneidungen in insge-samt fünf Typen aus. Da er sie von ihren Funktionen ausgehend bestimmt,findet er auch weitaus mehr Formen als Franco. Die Kategorie der Modalpar-tikeln ist bei ihm um agora, mal und pois erweitert.28 Eine ähnliche Gruppe,weil auch sie die Sprechereinstellungen verdeutlichen, bilden die interaktio-nalen Partikeln und Ausdrücke. Dabei legt er folgende Definition zugrunde:

Interaktion läßt sich per definitionem im Bereich des sprachlichen Vorkommens ansolchen Ausdrücken festmachen, mit Hilfe derer ein Sprecher auf einen anderen inter-

26 Franco (1991: 171).27 Franco (1991: 328).28 Ihre Funktion bestehe darin, „eine subjektive Stellungnahme des Sprechers gegenüber

dem Äußerungsinhalt auszudrücken, d. h. eine situierende oder emotionale Perspektiveetwa um das Wissen, die Kenntnis oder Meinung hinsichtlich bestimmter Umstände oderSachverhalte hinzuzufügen.“ Schmidt-Radefeldt (1994: 200).

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agiert bzw. zu interagieren versucht, d. h. Einfluß auf die Denk- und Handlungsabsichtendes anderen aktiv und intentional nimmt, bzw. zu nehmen versucht….29

Der Appell an ein geteiltes Wissen etwa kann eine „interaktionale Funk-tion im Diskurs erfüllen“, z. B. wird die deutsche Modalpartikel doch alsimpliziter Appell an eine gemeinsame Wissensbasis eingesetzt. Eine solcheFunktion wird im Portugiesischen durch interaktionale Partikeln ausgedrückt(etwa mit como sabe); interaktionale Partikeln sind „expliziter, meist hörer-orientiert (…) und appellieren somit sehr viel direkter…“.30 Sie hätten jedochauch eine illokutionäre Funktion:

(1) Quanto é que achas que custa isto?(2) Se estás com pressa, proponho-te que lhe telefones.

In (1) kennzeichne achas que die Frage als Meinungsfrage, in (2) würdeder Vorschlag mit proponho-te verdeutlicht und verstärkt werden. Zu deninteraktionalen Partikeln zählen nach Schmidt-Radefeldt vor allem Verbal-ausdrücke wie olhe, achas que?, vê lá, não calculas, como sabe, não seesqueça de que. Analog könnten Verben wie pensar, julgar, crer, quererdizer, ser de opinão, parece-me que auftreten.31

Als dritte Gruppe bestimmt er argumentative Partikeln, z. B. a propósito,aliás, por isso, portanto, também mit bestimmten argumentativen Konnex-bzw. Markierungsfunktionen. Auch hier bliebe ein Bezug zu den Modal-partikeln erhalten; allerdings seien sie auch den Konjunktionen nicht unähn-lich als explizite Ausdrücke der Verkettung von Argumenten. Der Typ derTextgliederungspartikeln ließe sich je nach medialer und/oder konzep-tioneller Distribution weiter ausdifferenzieren in topographische Partikelnwie agora, antes, depois, lá dentro, dai und die Gliederungssignale dergesprochenen Sprache wie pois, ora, bem, pá, anh etc. Eine letzte Gruppebilden die Gradpartikeln wie apenas, até, mesmo.

Prinzipiell stehen die Partikeln nach Schmidt-Radefeldt also mit den je-weiligen Textsorten in Korrelation und überschneiden sich in ihren Funk-tionsbereichen. Das Problem einer Definition innerhalb dieser sehr weitenTypologisierung bleibt hier unbeantwortet. Metakommunikative Syntagmenwie não se esqueçã de que werden von Partikeln wie olhe nicht getrennt.

29 Schmidt-Radefeldt (1989: 257). ‘Interaktion’ ist m. E. weniger restriktiv zu verstehen,

umfaßt der Begriff doch gemeinsames sprachliches Handeln ganz allgemein. Der Begriffder ‘Intentionalität’ scheint hier problematisch oder zumindest mißverständich. Auch einAlltagsgespräch ohne den Hintergrund einer bewußten ‘Beeinflussung’ desGesprächspartners stellt eine Interaktion dar.

30 Schmidt-Radefeldt (1994: 201).31 Schmidt-Radefeldt nennt eine Reihe von Formen nicht, wie etwa repare/repara (que) und

percebe/percebes, die in dem hier zugrundeliegenden Korpus häufig erscheinen.

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17

1.2.3 Empirische Arbeiten

SCOTTI-ROSIN (1983) untersucht Transkripte gesprochener Sprache auf dieVerwendung von Gliederungssignale (vgl. Kap. 2.1.2.2) und stellt unter-schiedliche Frequenzen im „spontanen“ (Alltagsgespräche) und „nicht-spontanen“ (Fernseh- und Radiosendungen) Gespräch fest: Häufig verwendetwerden nach seinen Beobachtungen das Überbrückungsphänomen ah und dasEröffnungssignal pois in den Radiotexten. Gleich verteilt ist portanto. DieEröffnungssignale bem/bom nach Thema- oder Sprecherwechsel haben„retardierende Funktion“.32 Resümierend seien die weniger frequenten Eröff-nungssignale ora und ora bem. Schlußsignale treten in den Radiotexten kaumauf, als Verzögerungssignal vamos lá. Im spontanen Dialog erscheinen nebenden erwähnten die Eröffnungssignale repare (repara) und mas repare, sowieolhe (olha) bzw. ouça, auch verstärkt durch cá oder lá. Als Schlußsignalefinden sich enfim, não é, não sowie das häufig verwendete pá, das auchinnerhalb eines Gesprächsbeitrags nach kurzen Sätzen bzw. Äußerungenauftritt und (nicht mehr) geschlechtsspezifisch oder sozial markiert ist:

Daher ist die Voraussetzung für die Verwendung der Partikel pá und ihrer Variantenheute wohl vor allem im Grad der Vertrautheit zwischen den Dialogpartnern anzuneh-men, während demgegenüber andere Kriterien wie Alter, soziale Herkunft undGeschlecht an Bedeutung verloren haben.33

MEYER-HERMANN (1983) schließlich stößt bei den von ihm untersuchtenFormen der „Abschwächung“ auch auf einige Partikeln wie assim, (um)pouco, não sei, não é und sei lá, die als Schlußsignal eingesetzt werden.34

1.3 Der gesprochene Code im Portugiesischen

Gerade im Bereich der Diskursforschung stellt sich die portugiesische Lin-guistik als besonders defizitär dar. Diese Defizite sind Resultat der weit ver-breiteten Vorstellung, daß das „português falado“ dem „português escrito“gegenüber kein eigenständiges System bilde, wie Scotti-Rosin angibt. Dabeiweist er auf Eigenheiten des Gesprochenen, v. a. im Bereich der Lexik, hin.Allerdings bestünde keine solche Differenz wie zwischen dem „code parlé“und dem „code ecrit“ des Französischen.35

32 Scotti-Rosin (1983: 15). Zu pois und portanto s. u., S. 111 und S. 107.33 Scotti-Rosin (1983: 18) bezieht sich auf E. A. Wilhelm: „T’ás bom pá? Pá – tentativa de

ensaio linguístico“, in: Rev. da Fac. de Letras de Lisboa, IV, 1976/1977, 221-246.34 Meyer Hermann (1983: 35).35 Scotti-Rosin (1994b: 136). Die Bestandsaufnahme ging von der Darstellung des

mündlichen Sprachgebrauchs des europäischen Portugiesisch in Wörterbüchern aus.

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18

Zur Ansicht, daß die Codes mehr oder weniger übereinstimmen, geselltsich eine anscheinend ebenso verbreitete Abwertung des Gesprochenen.BACELAR beobachtet zwar ein steigendes Interesse an der gesprochenenSprache, aber:

… não se tem desenvolvido contudo de forma sistemática uma análise gramatical sobrecorpus de oralidade, com métodos renovados, precisamente, pela introdução de novosdados.36

Die Ursachen für die Ungleichbehandlung der gesprochenen gegenüber dergeschriebenen Sprache gehen dabei sicher tiefer als in Scotti-Rosins Erklä-rungsversuch: Das fehlende Interesse an der Erfassung des mündlichenSprachgebrauchs – und das gilt vielleicht nicht nur für den Bereich der lusita-nistischen Linguistik – resultiert aus einem immer noch weit verbreitetenschriftzentrierten und von der Schriftnorm dominierten Sprachbewußtsein.37

Anzeichen dafür sind, wie FIEHLER in einem anderen Zusammenhangtreffend feststellt, nicht nur die an der Schriftlichkeit orientierten Beschrei-bungskategorien, sondern auch die Tatsache, daß das Verhältnis der gespro-chenen gegenüber der geschriebenen Sprache meist vom Standpunkt derletzteren aus erfragt wird.38 Diese Situation ist indes nicht so einfachumzukehren, denn die Beschreibung der gesprochenen Sprache kann nur aufder Folie schriftsprachlicher Kategorien erfolgen, solange für die Mündlich-keit kein entsprechend vollständiges Instrumentarium zur Verfügung steht.

Dieses Dilemma führt auch in der vorliegenden Arbeit zu Schwierig-keiten: „Partikel“ ist eine Kategorie aus einem „relativ festen Satz vonAnalyse- und Beschreibungskategorien, die für die Analyse geschriebenerTexte entwickelt“39 wurde, stammt also aus der Beschreibungssprache einerschriftzentrierten Sprachvorstellung, in der von Wörtern als segmentierbaren, 36 Bacelar (1989: 108f.).37 Fiehler (1994: 176f.). Fiehler thematisiert das Verhältnis von gesprochener und

geschriebener Sprache „dezidiert und explizit vom Standpunkt der gesprochenen Spracheaus“; problematisch sind z. B. die Analysekategorien, die funktional der geschriebenenSprache angepaßt sind. – Scotti-Rosin bemerkt zum Sprachbewußtsein: „Für Portugal undden dortigen Sprachgebrauch gilt […], daß die gesprochene Sprache des Landes imallgemeinen gegenüber einer allerdings fiktiven präskriptiven Norm der Schriftsprachenicht als minderwertig oder auch sozial niederrangig eingeschätzt wird. Sie ist keinuntergeordnetes Sprachregister, und ihre Gleichwertigkeit gegenüber dem ‘portuguêsescrito’ wird nicht in Frage gestellt, eine positive Einschätzung, die vermutlich auch inihrer relativen Nähe zur Schriftsprache begründet ist.“ (1994b: 136).

38 Vgl. a. Fiehler (1994: 176). Dies zeigt sich auch im linguistischen Sprachgebrauch:Bacelar (1989: 108) verweist auf die „convicção muito generalizada de que o oral, sendoessencialmente irregular, se configura como um objecto de estudo deficiente, no planogramatical.“ Ähnlich Scotti-Rosin, der festhält, „…daß im gesprochenen Portugiesisch[…] weniger tiefgreifende Abweichungen von der Schriftsprache als in den anderenromanischen Sprachen zu beobachten sind…“ (1994b: 137, Hervorh. I.K.).

39 Fiehler (1994: 175).

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selbständigen Einheiten ausgegangen wird. Wenn man nun jedoch vommündlichen Sprachgebrauch und vom mündlichen Medium ausgeht, sind –von ihrer akustischen Gestalt im Fluß des Gesprochenen aus rezipiert –gerade Partikeln keineswegs so einfach segmentierbar. Unbetontheit, eineenge Verbindung mit den sie umgebenden Elementen, die Möglichkeit derPartikelkombination sowie die verschliffe Aussprache gehören vielmehr zuihren Kennzeichen.40

Folgenden Überblick über Spezifika der „linguagem falada“, welcheteilweise aus dem Vergleich mit der geschriebenen Sprache heraus konstatiertwerden, gibt Schmidt-Radefeldt, allerdings punktuell und unter Rückgriff aufArbeiten, die meist nur auf schriftsprachliche Korpora gestützt sind.41. Aufden medialen Bereich, also den phonetischen Code, geht er allerdings nichtein. Dabei zeigt sich, ähnlich wie für das Französische, auch im Portugie-sischen eine enorme Distanz zwischen phonetischen und (ortho-)graphischemCode:42

1. Gebrauch des Präsens für zukünftige und gewohnheitsmäßige Hand-lungen, Gebrauch des narrativen Präsens in Erzählungen für vergangeneEreignisse und Handlungen.43

2. Anstelle des „condicional“ Verwendung des „imperfeito do indicativo“,v. a. im Zusammenhang mit Höflichkeitsstrategien (z. B. „ou que eugostava de dizer a este ouvinte …“).

3. Verwendung des Personalpronomens vor Verben in der 1. Person unddamit Doppelmarkierung der Sprecherreferenz (z. B. „é verdade, eu ‘touzangada com ele e já /– eu acho que já acabei…“).

4. Wiederholungen quantifizierender Ausdrücke (z. B. „mas não se ouvianinguém, mesmo ninguém ninguém ninguém ninguém ninguém…“, „eramontes e montes de lodo negro negro negro“ etc.).

5. Verwendung von an die Aufmerksamkeit des Zuhörers appellierendenAusdrücken (ó pá, eh pá, oiça, ouve), „Heckenausdrücke“ („hedges“),44

40 Es wird sich also zeigen müssen, ob ‘Partikel’ – als kurzes, unbetontes Wort definiert,

oder in einer funktionalen Definition als ‘Diskurspartikel’ – tatsächlich eine angemesseneKategorie für den mündlichen Sprachgebrauch ist.

41 Schmidt-Radefeldt (1984) verweist etwa auf Heinz Kröll: „Contribuições para o estudo dalinguagem falada em português“, in RPF XVIII, 1980, 71-101. Auf authentischesMaterial greifen nur Meyer-Hermann (1983) und Sotti-Rosin (1983) zurück.

42 Unbetonte Auslautvokale werden wie unbetonte Vokale im Inlaut extrem abgeschwächt(Mateus e.a., 1989: 350). Im Gespräch hat das ‘aclarar a voz’ (Trigo, 1989: 149), dielangsamere/deutlichere Aussprache, pragmatische Funktionen, die über die Absicherungdes Verstehens hinausreichen, z. B. zur Emphase oder Hervorhebung relevanterInformationen. Ebenso ist schnelleres, leiseres und damit ‘undeutlicheres’ Sprechenfunktional, wenn es z. B. Expansionen in einer Erzählung markiert.

43 Vgl. Beispiel 1. Die übrigen Belege stammen aus dem hier zugrundeliegenden Korpus.

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„Ausdrücke der Bestätigung oder Verstärkung einer Aussage“ (gemeintsind v. a. Rückmeldungen wie pois claro oder Formen wieevidentemente), Ausdrücke des „Modifizierens“ (digamos), der Emphase(é que), metakommunikative Ausdrücke (isto quer dizer),Gliederungsmittel (initial wie então, redeeinleitend wie ora, abschließendwie pois und redeübergebend wie não é?), Überbrückungs- undHäsitationsphänomene (de maneira que, Dehnungen) etc.45

Die Erfassung der „Eigenheiten“ der gesprochenen Sprache auf der Kon-trastfolie der geschriebenen Sprache und die damit verbundene Frage nachder Eigenständigkeit eines Systems der gesprochenen Sprache kann nachFiehler nicht erstes Ziel der Gesprächsforschung sein, „…viel wichtigerscheint […] statt dessen, die unterschiedlichen Domänen und Funktionenmöglichst genau zu beschreiben. Dies würde zur Klärung der Relationbeitragen.“46

44 Heckenausdrücke, deren konventionalisierte Bedeutung Vagheit vermittelt wie eu penso

que (vgl. Meyer-Hermann, 1983: 37ff.), werden über ihre Funktion im Text bestimmt.45 Schmidt-Radefeldt (1984: 252f.) nennt weiter den spezifischen Gebrauch des Konjunktivs

und der zusammengesetzten Tempora, die Verwendung von a gente oder se + Verb-Konstruktion anstelle von nós, den Gebrauch von Verbalperiphrasen wie começar a +Verb u. a. Diese Merkmale sind, wie 4. und 5., typisch für das Portugiesische.

46 Fiehler (1994: 178).

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2 Das Konzept der Diskurspartikeln

2.1 Abgrenzung des Gegenstands

2.1.1 Semantische vs. pragmatische Partikeln

Der Terminus „Partikel“1 bezeichnet in der traditionellen Grammatik v. a. desLateinischen und Griechischen unflektierbare „kleine Wörter“; der Begriff istjedoch nicht unumstritten und wird in typologisch nicht-verwandten Spra-chen auch anderweitig gebraucht. Eine für alle Sprachen gültige Definitionexistiert ebenso wenig wie eine allgemein akzeptierte Definition für eineEinzelsprache.2 Zudem wird meist davon ausgegangen, daß innerhalb einergroßen Restgruppe von Funktionswortarten – je nach Wortartentheorie –zwischen mehreren „Partikelwortarten“3 zu differenzieren ist. So lassen sichPartikeln etwa innerhalb der Adverbien, der Präpositionen, der Konjunk-tionen (Konjunktoren, Subjunktoren), der Satzteilkonjunktionen, der Kon-junktional- bzw. Pronominaladverbien, der Modalwörter, der Modal- bzw.Abtönungspartikeln, der Gradpartikeln (Intensifikatoren, Rangierpartikeln),der Antwort- und Negationspartikeln oder der Interjektionen finden.4

Es stellt sich damit die Frage, ob Partikeln als formale, morphologisch zubestimmende Wortklasse oder als funktionale Gruppe zu bestimmen sind.Während für das Deutsche zumeist davon ausgegangen wird, daß die Unflek-tierbarkeit Definitionskriterium ist5, kann diese morphologische Eigenschaftuniversalsprachlich kaum als zuverlässiges Merkmal gelten. Andere Spra-chen verfügen über weitaus mehr (oder ausschließlich) unflektierbare Wort-arten und gelten trotzdem nicht als partikelreich – und innerhalb der romani-schen Sprachen etwa finden sich Verbformen, die den Partikeln funktionalsehr ähnlich sind; man denke nur an fr. tiens oder pg. olha zu Beginn einerÄußerung.6 Begreift man Partikeln als funktionales Konzept, kann man sichalso nicht auf das Kriterium der Flektierbarkeit stützen. Vielmehr sindsemantische bzw. pragmatische Kriterien von entscheidender Bedeutung fürBestimmung und Unterteilung der Partikeln. 1 Von lat. particula „unveränderliches (Rede-) Teilchen“, vgl. Bußmann (1990: 561).2 Hölker (1990: 77).3 Eine neuere Einteilung der Partikeln findet sich in Hentschel/Weydt (1989).4 Vgl. Hentschel/Weydt (1989: 4). Unterschiedliche Einteilungen vertreten etwa der Duden

(41984, Nr. 581, 109) und Helbig (1990: 19ff.).5 Vgl. Helbig (1990: 20). Die Unbetonbarkeit gilt als Definitionskriterium nur für bestimmte

Partikelarten, etwa die Modalpartikeln.6 Hentschel/Weydt (1989: 5), zum Portugiesischen vgl. Schmidt-Radefeldt (1994).

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In der Forschungsliteratur hat sich die Einsicht durchgesetzt, daß es sichbei den deutschen Abtönungs- oder Modalpartikeln um sprachliche Formenhandelt, die sich in ihrer Bedeutung nicht auf den Satzinhalt beziehen:

Unter Abtönungspartikeln versteht man eine Gruppe von Partikeln, wie denn, doch undmal in Kontexten wie: Wie heißt du denn?, Das ist doch unerhört!, Na hör mal!.Abtönungspartikeln funktionieren nicht innerhalb der wörtlichen Ebene des Satzes, indem sie stehen, sondern sie kommentieren ihn als Gesamtäußerung von einer Metaebeneaus und verankern ihn so im Redekontext. Sie sind in der mündlichen Rede, also in derface-to-face-Interaktion, besonders häufig. Bestimmte Sätze der mündlichenKommunikation (etwa: Wie spät ist es eigentlich?) werden regelmäßig mit Partikelngeäußert.7

HÖLKER (1990) trifft aufgrund der satzbezogenen bzw. nicht-satzbezo-genen Funktionsweise die Unterscheidung zwischen semantischen und prag-matischen Partikeln.8 Man betrachte folgende Sätze bzw. Äußerungen:

(1) Ich habe sogar an deine Schuhe gedacht.(2) Só quem viveu na vivência das coisas é que entende.(3) A primeira meia hora do Fórum foi bastante informativa.(4) Wahrscheinlich mag er keine Erdbeeren.(5) é o mesmo medo que eu ando a sentir quando tenho que saltar de qualquer coisa, até

de uma cadeira, talvez por causa de ter torcido o pé.(6) Da hast du dich eben getäuscht.(7) Mas a que tipo de público é que se dirige?(8) Afinal ela confessou, confessou que acabou com ele!(9) é muito importante ir a Espanha para compreender Portugal, sabes, muito

importante!(10) Na, wie geht’s?(11) Bem, acontece que a arte, que fazer história, para já aqui há uma coisa que temos

que clarificar, a história não é uma matemática.(12) Ah, isso é qualquer coisa pá, já viste!(13) Então, eu ‘tou zangada com ele há um mês, olha.9

Zu den semantischen Partikeln gehören die Grad- oder Fokuspartikeln,die einen bestimmten Satzteil fokussieren oder intensivieren, wie dt. sogarbzw. pg. só, bastante und até in (1) bis (3) und (5). Andere semantische Par-tikeln wie die Satzadverbien (Modalwörter), die zu den Partikeln im weite-sten Sinn gerechnet werden, beziehen sich auf die Prädikation und veränderndie Wahrheitsbedingungen der Satzbedeutung, wie dt. wahrscheinlich in (4)und pg. talvez in (5). Im Gegensatz dazu beziehen sich pragmatische

7 Hentschel/Weydt (1989): Wortartenprobleme bei Partikeln" in: Sprechen mit Partikeln8 Semantische oder Satzpartikeln sind ‘wahrheitssemantisch’ und verfügen über

Satzwertigkeit, z. B. als Antwort auf eine Entscheidungsfrage.9 Die portugiesischen Beispiele stammen aus dem dieser Arbeit zugrundeliegenden Korpus

(vgl. Kap. 3.3) und sind mittels schriftsprachlicher Interpunktion und unter Verzicht aufPausendarstellung leicht adaptiert. Die Formen in (7) und (8) werden bei Franco (1991)als Modalpartikeln geführt.

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Partikeln auf Kategorien, die nicht im Satz oder innerhalb syntagmatischerEinheiten eines Äußerungssegments auszumachen sind. Zudem fällt beipragmatischen Partikeln eine Bedeutungsbestimmung schwer, sie erscheinensemantisch leer, tragen aber trotzdem, wenn auch vage, zum Verständniseiner Äußerung bei. Dies gilt nicht nur für die Modalpartikeln, wie z. B. dt.eben, pg. mas, é que, afinal und sabes in (6) bis (9), sondern auch für dieAusdrücke, die aus dem Syntagma herausfallen und intonatorisch abgesetztsein können, wie die Formen in (10) bis (13). Die o. a. Definition vonHentschel/Weydt kann also auch für solche Partikelformen, die die Redegliedern (vgl. Kap. 2.1.2.2), gelten.

Diese Unterscheidung zwischen semantischen und pragmatischenPartikeln gibt den ersten Anhalt für den Gegenstandsbereich der Arbeit. DieTerminologie wird jedoch aus zwei Gründen nicht übernommen: Erstensgelten in Ansätzen der Gesprächsforschung Partikeln an sich als pragmatisch,zweitens können manche dieser Formen sowohl pragmatisch als auchsemantisch interpretiert werden.10 Der Besonderheit dieser Formen sollvielmehr mit dem Begriff der „Diskurspartikel“ Rechnung getragen werden.Besonders auffällig ist nämlich, daß die hier als pragmatisch angeführtenPartikeln ohne einen dazugehörenden Kontext kaum zu beschreiben sind;andererseits evozieren sie aber auch in den jeweiligen Äußerungen bestimmteInteraktions- bzw. Kontextbedingungen.

Prgamatische Partikeln sind demnach das, was KOCH/OESTERREICHER11

unter anderem in die Gesprächswörter fassen. Darunter verstehen sie„universale Merkmale der Nähesprache im textuell pragmatischen Bereich“,die „ausschließlich auf Instanzen und Faktoren der Kommunikationverweisen“ oder auch selbst eine „Instanz der Kommunikation“ sind.KOCH/OESTERREICHER schlagen für die Gesprächswörter folgende Einteilungvor:

– Gliederungssignale, darunter fallen Anfangs- und Schlußsignale sowieAnfangssignale in erzählenden Diskursen,

– Turn-Taking-Signale, die der Übergabe, Übernahme und Aufrechterhal-tung des Turns dienen,

– Kontaktsignale, einerseits von Sprecherseite (Sprechersignale), anderer-seits von Hörerseite (Hörersignale),

– Überbrückungssignale bzw. Pausenfüller (hesitation phenomena),– Korrektursignale, die entweder der Selbst- oder Fremdkorrektur dienen

und „Ungenauigkeitssignale“ sind,– Abtönungsphänomene (u. a. Modalpartikeln),– Interjektionen.

10 Diesen Hinweis verdanke ich Stephan Schlickau; vgl. auch Hölker (1990: 79f.).11 Koch/Oesterreicher (1990:51 ff.).

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Hiermit wären wir bei einem sehr weiten Spektrum von Funktionen undFunktionsträgern, aus denen in der vorliegenden Arbeit nur ein Teil für dasPortugiesische behandelt werden kann.

2.1.2 Funktionen und Typen von Diskurspartikeln

2.1.2.1 Modalpartikeln: Konversations- und Argumentationssteuerung

Modal- oder auch Abtönungspartikeln sind in den romanischen Sprachenweitaus weniger zahlreich und auch frequent als etwa im Deutschen. Esbesteht die allgemeine Auffassung, dass in der Romania weniger Partikel alsvielmehr andere „Abtönungsverfahren“ eingesetzt werden (wie etwaSCHEMANN12 gezeigt hat). Wo im Deutschen eine Modalpartikel verwendetwird, gebraucht also auch das Portugiesische nicht unbedingt eine Partikel.Dennoch gibt es auch im Portugiesischen einige Formen, die alsModalpartikeln gelten können.

Die Polyfunktionalität von Modalpartikeln braucht an dieser Stelle wohlnicht mehr erörtert werden. Franck13 hat neben anderen Funktionen die derKonversationssteuerung (Konversationskonnex14) und der Argumenta-tionssteuerung besonders plausibel herausgestellt. Die Konnexfunktion kannnach der Art der Relation zwischen Sprechakten bzw. konversationellenZügen näher definiert werden, als Rückwärtskonnex oder Vorwärtskonnex.Reaktive Züge sind per se immer rückwärts konnektiert, initiative Zügeimmer vorwärts konnektiert, richten sich auf das Kommende und legenBedingungen für die Folgehandlung fest. Bestimmte Modalpartikeln könnennun die ausgeführte Handlung als Reaktion auf die vorangegangenePartneräußerung markieren. Andere typisieren oder spezifizieren dieHandlung in bezug auf die konversationell erwartbare Folgehandlungen desGesprächspartners, bilden ein bestimmtes Fortsetzungsraster. Dabei könnensie z. B. eine bestimmte Tendenz bzw. Erwartungshaltung zum Ausdruckbringen, wie dt. etwa in den sogenannten „Tendenzfragen“. Es können auchbeide Funktionen gleichzeitig vorliegen.

Damit verdeutlichen Modalpartikeln nicht nur, um was es gerade geht,also den aktuellen Gesprächsstand, sondern auch die Bedingungen, die mitder jeweiligen Handlung etabliert werden, die konditionellen Relevanzen.15

12 Schemann (1982).13 Franck (1980: 31).14 Modalpartikeln fungieren „konnektierend zwischen Sprechakten oder Zügen“; Franck

(1980: 65).15 Franck spricht in diesem Zusammenhang von den Obligationen (1980: 57), die

Äußerungen erfüllen oder etablieren, vgl. auch Wunderlich (1976: 93). Ich verzichtejedoch auf diesen Begriff und verwende stattdessen ‘konversationelle Bedingungen’ oder

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Modalpartikeln fungieren also u. a. als Kohärenzmarker und verdeutlichenden Stand der konversationellen Verpflichtungen. Dies soll an einigenBeispielen gezeigt werden.

Im ersten Beispiel mit der dt. Modalpartikel doch zeigt sich, wie über dieQualifizierung der vorangegangenen Äußerung eine Reaktion markiert wird,wie also der Rückwärtskonnex zu verstehen ist:

(1) A: Linda wird immer schlechter in Mathe. B: Sie hatte das letzte Mal doch eine Drei!16

Die Partikel doch vereindeutigt, daß der Sprecher auf die Behauptung vonA reagiert und bestimmte Aspekte dieses Vorgängerzugs als nicht-gültigeinstuft bzw. zurückweist. Möglicherweise widerspricht B der Kritik, die vonA an Linda geübt wird oder weist bestimmte Voraussetzungen zurück, etwa,daß A von „Drei“ als schlechter Note ausgeht oder daß A von der falschenletzten Note ausgeht etc.17 Die Zurückweisung einer Hörerposition kann alseine mögliche Gebrauchsregel von doch betrachtet werden. Der jeweilszurückgewiesene Aspekt bleibt dabei implizit, doch löst damit eine konver-sationelle Implikatur aus, die vom jeweiligen Kontext abhängig ist. DieKohärenz kann zwar auch ohne Partikel, z. B. über die sequentielle Abfolge,erschlossen werden; wichtig ist in diesem Zusammenhang jedoch, daß dochden Zug von B eindeutig als Reaktion markiert. Damit werden bestimmteandere Inferenzen ausgeschlossen.

Im folgenden Beispiel geht es um die pg. Partikelkombination mas é que,die in einer Zurückweisung steht. Der Sprecherwechsel spielt sich in einerDiskussion im Radio ab, steht also in einem argumentativen Kontext:18

(2) AF: e temos outro dia que temos filmes H: ah não não, mas é que os filmes passavam normalmente à uma e meia da manhã.

Zu Beginn der Reaktion von H auf die Äußerung von AF, also in derEröffnungsposition des Gesprächsbeitrags, passieren in bezug auf die

‘konditionelle Relevanz’. Schegloff (1972: 363) definiert die konditionelle Relevanzfolgendermaßen: „By conditional relevance of one item on another we mean: given thefirst, the second is expectable; upon its occurrence it can be seen to be a second item tothe first; upon its nonoccurrence it can be seen to be officially absent – all this providedby the occurrence of the first item.“ Vgl. auch Kallmeyer (1977: 55). Die konditionelleRelevanz erhält besondere Bedeutung in Nachbarschaftspaaren, s. Kap. 5.3.1.

16 Beispiel aus Franck (1980: 178).17 Hier zeigt sich, wie vieldeutig eine isolierte Äußerungssequenz ‘analysiert’ werden kann.

Zumindest besteht bei B ein gewisser Aushandlungsbedarf über dieBedeutungszuschreibung der Äußerung von A, also eine Positionskorrektur.

18 Beispiel aus dem Radiokorpus (siehe S. 73), Fórum TSF, ‘Televisão Privada’; filmes istnicht Haupttonträger. – Es geht um den Streit zwischen einem Rundfunkhörer (H) unddem Vertreter eines Privaten Fernsehsenders (AF), der vor der Äußerung behauptet hat,das Programm von TSF sei vielfältig und hebe sich von dem anderer Stationen ab. DerInhalt der Äußerung dient als Beleg innerhalb der geführten Argumentation.

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Kontexteinbettung verschiedene Dinge: H meldet ihren Turn an mit ah(womöglich unterbricht sie sogar den Beitrag von AF) und weist den Zug desPartners mit não não zurück, wodurch sie vorgreifend verdeutlicht, daß siedie Hörerposition nicht übernimmt; allerdings ist noch nicht klar, was genausie bestreitet. Mit der Partikelkombination mas é que qualifiziert sie dieÄußerung als Gegenargument, die sich auf Aspekte der unmittelbarvorangegangenen Äußerung bezieht, womit sich die argumentationssteuerndeFunktion zeigt.19

Die Partikelkombination funktioniert hier also ähnlich wie dt. ja oderdoch in einer zurückweisenden Behauptung. Die „Abtönung“, die in mas éque liegt, ist dahingehend zu verstehen, daß der Gesprächspartner AF einenoffensichtlichen Widerspruch zwischen seiner und der Sprecherposition zuerkennen hat und sich der Sprecherposition anschließen soll. Die Evidenz, dieder Behauptung unterliegt, wird durch é que indiziert sowie durch dieTatsache, daß in der Äußerung auf gemeinsames Wissen verwiesen wird.Auch hier liegen die Aspekte, die im Gegenzug als nicht-gültig erklärtwerden, nicht auf propositionaler Ebene, sondern bleiben implizit: Hbestreitet, daß Filme, die erst nachts ausgestrahlt werden, ein Argument fürdie Vielfalt des Senders sein könnten. Die Form mas gibt zusätzlich zureinleitenden Verneinung einen Hinweis darauf, daß mit dem Zug an denVorgänger angeknüpft wird und ein Widerspruch begründet wird; damit wirddie Äußerung des Partners als ungültiges Argument qualifiziert. Einekonversationelle Bedingung also, die Gültigkeit der Vorgängeräußerung alsArgument, wird zurückgewiesen, und dem Gegenüber der Punktgewinnstreitig gemacht.

In Beispiel (3) leitet die pg. Modalpartikel então nach einer längerenGesprächspause eine Frage-Antwort-Sequenz ein:

(3) A: então qual é o teu problema? B: nada nenhum.

Man könnte hier vermuten, daß ähnlich wie mit dem dt. denn dieSprechhandlung Frage durch então abgetönt wird in Richtung „freundlich“o.ä. Die Frage erscheint in diesem Kontext tatsächlich wohlwollend und läßtder Angesprochenen B einen größeren Spielraum – was sich darin zeigt, daßdie Hörerin nicht präferiert antwortet, sondern ausweicht. Ob hier allerdingsdie Partikel então diese Abtönung allein bewirkt, ist schwer zu entscheiden;

19 Die Formen mas und é que sind intonatorisch völlig eingebunden. In der Äußerung wird

durch mas das, was durch não não vorstrukturiert wurde, vollzogen. Die Form é quescheint nicht nur eine syntaktisch-hervorhebende Funktion zu haben, und wenn, dannunterliegt diese einer entsprechenden ‘kommunikativen’ Funktion. Die Analyse wärewahrscheinlich kaum nachzuvollziehen, wenn nur die beiden Äußerungen isoliert zurVerfügung stünden.

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die Intonation spielt hier vielleicht eine viel größere Rolle.20 Die Kategorieder „Abtönung“ ist also sehr schwer zu fassen.

Was nun eindeutiger gezeigt werden kann, ist die Konnexfunktion. Dasdt. denn hat initiativen Charakter. Ebenso wird mit então auch an etwasVorangegangenes angeknüpft; somit signalisiert então, daß es einen Anlaßgibt, unter Umständen auch einen außersprachlichen, der die Handlungmotiviert hat.21 Im konkreten Fall reagiert die Sprecherin A mit ihrerÄußerung tatsächlich auf die niedergeschlagene Stimmung von B, die einigeSequenzen vorher bereits Thema des Gesprächs war, und knüpft somit andieses Thema wieder an – der Gesprächsfaden wird wieder aufgenommen.Insofern ist die Partikel nicht nur nach vorne gerichtet – die initiativeFunktion liegt ja auch bereits in der Sprechhandlung selbst – sondern auchanknüpfend. Damit trägt sie zur Kohärenzbildung in der Konversation nacheiner Nebensequenz oder Abschweifung oder auch nach einer längerenSchweigephase bei.

Diese Kontexteinbettung oder sequenzierende Funktion durch Partikeln istkategorial eindeutiger zu erfassen als eine mögliche Abtönung im Sinne einersemantisch inhärenten Funktion.22 In dieser Arbeit soll daher primärbeschrieben werden, wie Partikeln an den vorausgegangenen Kontextanknüpfen und wie sie das Folgende „einsteuern“.

2.1.2.2 Gliederungssignale

GÜLICH (1970) hat eine Reihe von Elementen des gesprochenen Französischuntersucht, die sie über ihre Distribution im Text bestimmt als Mittel, dieentweder Äußerungen einleiten oder abschließen.23 Diese „Gliederungs-signale sind dadurch gekennzeichnet, daß ihre lexikalische Bedeutung starkreduziert ist“; sie sind Ausdruck der kognitiven Planung und des Kommuni-kationsprozesses sowie der Formulierungsarbeit und dienen dem Hörer alsOrientierungshilfe.24

20 Erst viel später im Verlauf des Gesprächs gibt B. zu, daß sie doch ein Problem hat, und

die besorgte Frage der A also durchaus berechtigt war.21 Franck nennt kein Beispiel für eine Modalpartikel mit ‘reinem’ Vorwärtskonnex; die

meisten Partikeln, die in initiativen Handlungen vorkommen, wie etwa denn in Fragen,seien auch „mittelbar rückwärtskonnektiert“ (1980: 222).

22 Im empirischen Teil kann jedoch gezeigt werden, daß sich die Teilnehmer über denGebrauch bestimmter Partikeln, die für einen spezifischen ‘Interaktionsstil’ stehen, auchbestimmte Modalitäten des Gesprächs wie etwa Kooperativität, verdeutlichen.

23 Im Französischen sind dies u. a. alors, et, mais, puis, oh/ah, eh bien, tu sais/vous savez,tiens, n’est-ce pas und hein.

24 Gülich (1970: 297). Einen Forschungsüberblick gibt Christl (1992: 484ff.). Innerhalb derGliederungssignale kann man die ‘Gliederungspartikeln’ ausgrenzen, „jene lexikalischrelevanten Gliederungssignale … mit denen Sprecher ihre Gesprächsschritte gliedern und

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Die zwei Klassen, Eröffnungs- und Schlußsignale25, sind eher formal alsinhaltlich zu verstehen und von einer initiierenden vs. terminierendenFunktion, etwa im Sinne des Vorwärts- oder Rückwärtskonnex, zu unter-scheiden, d. h. daß die jeweiligen Funktionen von Schluß- bzw. Eröffnungs-signalen unabhängig von ihrer makrosyntaktischen Stellung bzw. ihremBezugssegment bestimmt werden.26 Dafür werden sie in bezug auf die Text-bzw. Interaktionstypen, in denen sie verwendet werden, differenziert (etwadie Signale der Erzählfolge in mündlichen Erzählungen, vgl. S. 117).Gliederungssignale, die aus unterschiedlichen Wortklassen stammen können,treten häufig in Kombinationen auf und hängen eng mit anderentextgliedernden Faktoren wie Pausen und Intonation zusammen.27 Ähnlichwerden die Gliederungssignale bei KOCH/OESTERREICHER gesehen, nämlichals „charakteristische Verfahren zur Markierung des Aufbaus mündlicherDiskurse“.28

Pausen, beabsichtigte und unbeabsichtigte, werden von GÜLICH nicht denGliederungssignalen zugeordnet, sondern sind eigene Kategorien, diegliedernde oder überbrückende Funktionen haben. Dabei haben allerdings diestimmhaften Pausen Ähnlichkeit zu den überbrückenden Eröffnungssignalen.Zwischen Gliederungssignalen, Pausen und Intonation der Äußerung bestehtein enger funktionaler Zusammenhang.

Was für metakommunikative „Gliederungssätze“ per se gilt, trifft auchfür Gliederungssignale zu: Sie sind aufgrund ihrer Stellung im Gegensatz zuden in das Syntagma eingebundenen Modalpartikeln segmentfähig. Dies hatzur Konsequenz, daß die Einheiten nicht nur syntaktisch, sondern auchprosodisch bzw. intonatorisch unabhängiger sind. Es stellt sich die Frage, obdiese segmentbildenden Signale auch funktional eigenständige Diskurs-einheiten im Sinn von eigenen Sprechakten bilden. Dabei wäre etwa an dt.he, naja u. a.m. zu denken. Bestimmte gliedernde Einheiten wiederum sindsyntaktisch eingebunden (vgl. pg. deixe-me só dizer que, olhe que).Grundsätzlich ist empirisch festzustellen, ob zwischen segmentfähigen einer-seits und eng an das Segment gebundenen Varianten andererseits funktionaleUnterschiede bestehen.

zugleich Kontakt, Aufmerksamkeit und Zustimmung erheischen.“ (Henne 1978: 45), vgl.a. Henne/Rehbock (1982: 183). Nach Willkop (1988: 36ff) sind Gliederungspartikeln eineklar abgrenzbare Gruppe ausschließlich unflektierbarer Wörter, die an denentsprechenden ‘slots’ sitzen, aber neben einer redeorganisierenden auch andereFunktionen tragen. – Zu Gliederungssignalen in Erzählungen vgl. Kap. 4.

25 Manche Gliederungssignale erscheinen sowohl als Eröffnungs- als auch als Schlußsignal,z. B. fr. tu sais. Ähnlich verhält es sich mit pg. sabes/sabe, das sowohl vor als auch nachseinem Bezugssyntagma bzw. -segment erscheinen kann (s. Kap. 2.1.2.2).

26 Es werden in dieses Kapitel bereits Beobachtungen aus den eigenen Analysen einfließen.27 Zur Gliederungsfunktion von Pausen vgl. Meise (1996).28 Koch/Oesterreicher (1990:51).

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Dieses Problem berührt auch die Abgrenzung der Gliederungssignale zuanderen Formen in syntaktisch unabhängiger Stellung, die nun nicht primäreinen gliedernden Bezug zum Kontext aufweisen: die Interjektionen imklassischen Wortartensinn. Interjektionen erfüllen keine rein konnektierendeAufgabe mehr, sondern sind eigenständige Diskurseinheiten mit spezifischensemantischen Funktionen. Tatsächlich haben auch die üblicherweise alsInterjektionen bezeichneten Formen jedoch häufig auch eine gliederndeFunktion, wie sich im Portugiesischen etwa für betontes, expressives pg. olhafeststellen läßt.29 WILLKOP hat in ihrer Arbeit zu deutschen Diskursformendie Interjektionen z. B. der Gruppe der Gliederungssignale zugeordnet.30

2.1.2.3 Modale und gliedernde Partikeln im Vergleich

Was für Gliederungssignale per definitionem gilt, gehört auch zum Funk-tionsspektrum der Modalpartikeln. Sie verdeutlichen den konversationellenZug, signalisieren bestimmte Ablaufmuster im Gespräch. So kann z. B. dieModalpartikel eigentlich Hinweis auf eine Nebensequenz sein. Damit dienensie dem „lokalen Management des Sprecherwechselsystems“.31 Andererseitskönnen gliedernde Partikeln die markierte Äußerung bzw. den Sprechaktauch „abtönen“. Trotz unterschiedlicher Funktionsweise und Distribution imText haben also beide durchaus ähnliche gesprächsbezogene Funktionen.

Eine zentrale Gemeinsamkeit besteht darin, daß beide die Äußerung imKontext einbetten bzw. die Äußerungsbedeutung kontextuell vereindeu-tigen.32 Sie sind somit außerordentlich wichtige Sprachmittel für die Herstel-lung von Kohärenz. Beide funktionieren implizit, sind als Gliederungssignalbzw. Modalpartikel nicht mit der jeweiligen adverbialen Bedeutung (inanderer Stellung) zu verwechseln. Ferner sind beide höchst ökonomischeSprachmittel.

Der Unterschied scheint sich zunächst auf die illokutionäre Funktion zubeziehen. Modalpartikeln haben, wie oben deutlich wurde, zweifellos einezweidirektionale Funktionsweise: einerseits die Heranziehung bestimmterkontextueller Kategorien, die zur Interpretation der Äußerung notwendig

29 Vgl. Beispiel 3 und folgende; S. 128ff.30 Willkop (1988: 59).31 Franck in Anlehnung an die Ergebnisse der amerikanischen Konversationsanalyse (1980:

251).32 Hentschel (1986: 31) führt im Zusammenhang mit der kontextuellen Funktion von

Modalpartikeln den Begriff der „(meta-) kommunikativen Deixis“ ein. Darunter verstehtsie den ‘situativen Verweis’, der als vierte Dimension neben die drei Zeigarten nachBühler (1934), der demonstratio ad oculos, der Anapher und der ‘Deixis am Phantasma’,tritt. Im Deutschen stehe diesem Modus eine eigene lexikalische Kategorie zurVerfügung, die Abtönungspartikeln, welche „auf den verbalen Ausdruck deskommunikativen Verweises spezialisiert“ seien (54).

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werden, etwa das gemeinsames Wissen von Sprecher und Hörer; andererseitsauch die Modellierung eines neuen Kontextes, in welchem die Bedingungen,unter denen die Äußerung gültig ist, verdeutlicht werden. Diese interaktiveSteuerung beinhaltet vor allem die Spezifizierung der Aktivität oder diesprecherperspektivische Erwartung in Hinblick auf das Hörerverhalten.33

Modalpartikeln rufen damit pragmatische Präsuppositionen auf den Plan,haben eine interaktionsstrategische Funktion. Mit den Gliederungssignalenwird hingegen weniger eine interaktive Erwartung gegenüber dem Hörer ma-nifestiert, als vielmehr der Redefluß im Hinblick auf die Gesprächsinhaltestrukturiert und damit die jeweilige Äußerung als spezifischer Teil des Dis-kurses markiert. Bei näherer Betrachtung wird jedoch deutlich, daß Glie-derungssignale nicht bloß textuelle Einheiten verbinden. Sie verdeutlichenprimär die Orientierung bzw. Aufmerksamkeitsausrichtung im Gespräch alseinem interaktiven Prozeß. Mittels gliedernder bzw. strukturierender Aus-drücke wird sowohl Kontext zum Verständnis der Äußerung herangezogenals auch Verständigungshilfe für den Gesprächspartner geleistet.

Ein wesentliches Unterscheidungskriterium zwischen Gliederungssignalenund Modalpartikeln ist jedoch die Reflexion der Textproduktion selbst: Man-che Gliederungssignale können als Indikatoren für bestimmte Verfahren derFormulierungsarbeit im Gespräch erscheinen; dabei sind sie strukturelleReflexe sowohl bei der Versprachlichung als auch bei der Bearbeitung vonÄußerungen.34 Dies zeigt sich etwa, wenn Gliederungssignale Störungen imVersprachlichungsprozeß indizieren bzw. oberflächenstrukturell deren Gren-zen aufzeigen, wie es etwa der Fall ist bei einem pg. quer dizer oder prontovor einem Reformulierungsausdruck (vgl. Beispiel auf S. 43). Hier bestehenalso fließende Grenzen zu Überbrückungssignalen oder Verzögerungsphäno-menen. Modalpartikeln hingegen erscheinen höchstens als Konstituentenkomplexerer Bearbeitungsstrukturen, z. B. mal in dt. sagen wir mal vor einerPräzisierung. Hier ist die Funktion von mal nur in Hinblick auf die Gesamt-gestalt der jeweiligen, meist routinisierten, Formulierung zu sehen. Schließ-lich sind Modalpartikeln in der Regel in das Syntagma integriert. Sieerscheinen damit im Vollzug eines Sprechaktes und sind Teil einer„erfolgreich“ formulierten Äußerung.

2.1.2.4 Nachziehfragen

Ganz typische Gliederungssignale im Portugiesischen sind die Nachziehfra-gen. Diese Formen sind für diese Sprache noch kaum untersucht, obwohl sie

33 Vgl. nochmals das Beispiel (3) in Kapitel 2.1.1.34 Zur Formulierungsarbeit im Gespräch s. Gülich (1994). Typische Indizien des Prozesses

der Versprachlichung sind Abbrüche, gefüllte Pausen, Neuansätze, Pausen, Dehnungen,Wiederholungen, Konstruktionswechsel. (91).

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Aufschluß darüber geben können, was in einem Gespräch gerade passiert.Aus diesem Grund sollen sie auch in dieser Arbeit berücksichtigt werden.

Natürlich sind tags wie não é verdade kaum als Diskurspartikeln zubezeichnen; aber zumindest Formen wie heim, sabes oder percebes, und wohlauch não é, das sehr verschliffen realisiert werden kann, lassen sich in dasKonzept integrieren (vgl. hierzu im einzelnen Kap. 2.2.5). Nachziehfragenkann man auch unter die Signale des Turn-Taking35 fassen, da mit ihrer Hilfeder Turn an den Gesprächspartner übergeben werden kann.

PINILLA bestimmt die Funktionen der tags oder, wie er sie bezeichnet,„apêndices modalizadores“ folgendermaßen:

O falante utiliza-os quando quer ratificar alguma coisa acerca da qual tem certasprevisões. Mais do que contribuir ao conteúdo informativo do enunciado – pelo que seriapossível prescindir deles sem que a informação do enunciado-base mudasse, se alterasseou diminuísse –, estes elementos orientam o esforço interpretativo do ouvinte, eviden-ciam as relações interactivas dos falantes e regulam as trocas conversacionais, atenuandoem forma de falsa pergunta os enunciados assertivos em que aparecem para pedirconfirmação, afastando portanto os perigos duma asserção categórica.36

Als phatische oder appellative tags nennt er hã, então sowie heim, dasauch bekräftigende Funktion haben kann. Mit der Sprechereinstellung desZweifels an der Evidenz der Äußerung bringt er den Gebrauch der Verb-Nachziehfragen wie percebe/percebes oder sabe/sabes in Verbindung.37 Einestarke Erwartung des Sprechers in Hinblick auf eine positive Antwort prä-supponiert etwa não achas. Die Verbalperiphrase está/estás a ver nach einerErklärung indiziert, daß der Sprecher sich versichert, daß der Hörer dasGesagte verstanden hat. Als charakteristischste Nachziehfragen des Portugie-sischen bestimmt er „aqueles que se caracterizam por modalizar assertos pormeio da repetição mecânica do verbo modificado no número e na pessoa,conforme ao propósito comunicativo“, z. B.:

(4) B: são bonitinhos, não são? A: são muito bonitos.38

Zum zweiten sind die tags mit einer festen Form dazu zu rechnen, wienão é verdade, não é, não foi, não sowie não é + Vokativ, wie in:

(5) pois é, a vida no mar é uma vida triste, mas ao mesmo tempo é uma vida animada,porque no verãozinho até gozam! não é, amiga?

35 Koch/Oesterreicher (1990): Gesprochene Sprache in der Romania. Französisch,

Spanisch, Italienisch, Tübingen, S. 55.36 Pinilla (1993: 443f.).37 Pinilla (1993: 445): „.…quando o falante pensa que não é óbvio que o ouvinte esteja de

acordo com alguma coisa ou informado de alguma coisa.“38 Pinilla (1993: 446).

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Unterschiede lägen in dem Grad der Ungewißheit, mit dem der Sprecherden propositionalen Gehalt einführt: Die Nachziehfragen não é verdade undnão würden ähnlich wie die Verben der Perzeption eine größere Erwartungenin der Bitte um Bestätigung indizieren als die Verbwiederholungen. In ne-gativ assertierenden Äußerungen stößt PINILLA auf die Formen pois não, nãoé, não, não é verdade. Zum Schluß erwähnt er noch sim, das in Dankes-formeln wie „Obrigado, sim?“ oder am Telefon in „Está, sim?“ verwendetwird. Alle genannten Nachziehfragen könnten in Assertivsätzen erscheinen,allerdings ließen sich in der gesprochenen Sprache Übergänge in bezug aufdie Norm feststellen. In folgenden irregulären Fällen hätte die Bedeutung desGegensatzes zwischen Basisäußerung und Nachziehfrage keine Relevanzmehr:

(6) A: põem só vinagre, é?(7) E: mas foi um senhor que disse isso, foi?(8) A: mas (…) muita idade, pois não? 39

In (6) und (7) könnten größere Zweifel des Sprechers eine Rolle spielen,in (8) wäre die Regelverletzung durch die Verzögerung im Diskurs bedingt.

Zwei Punkte sind an dieser Darstellung zu überdenken: Trotz der Ein-sicht, daß die tags die Hörerinterpretation steuern und die interaktiven Rela-tionen zwischen den Sprechern verdeutlichen, beschreibt PINILLA die Nach-ziehfragen als Mittel, die eine Assertion in eine Bestätigungsfrage mit mehroder weniger starker Tendenz „umwandeln“.40 Hier wird die Problematikdeutlich, den Nachziehfragen eine illokutionsverändernde Wirkung zuzu-schreiben; Äußerungen mit tags leiten weder zwangsweise ein Frage-Antwort-Muster ein, noch bringen sie immer eine Tendenz in die Äußerungein – sie können auch ganz stereotyp geäußert werden. Auch erfordern sienicht immer eine Reaktion des Hörers, wie viele Beispiel mit não é alsSchlußsignal zeigen werden. Zum zweiten sind – vom Standpunkt einer Syn-tax der gesprochenen Sprache aus – die von PINILLA als „casos irregulares“bezeichneten Fälle nicht normwidrig, zumal die Frage nach der Regularitätder Verwendung von tags im Sinn einer schriftsprachlichen Norm wieder aufdie bereits besprochene Problematik der Beschreibung der Mündlichkeitverweist.

Die obigen Beispiele zeigen, daß tags nicht mehr semantisch interpretiertwerden können, sondern Funktionen im Turn-Taking haben. Sie erscheinenquasi grammatikalisiert auf der Ebene der Gesprächssyntax, oft nur noch als„leere“ Signale der Reziprozität: Beim Gebrauch von tags steht der inter-aktionale Verständigungsprozeß im Mittelpunkt, etwa die Absicherung, daßdas Gesagte zur Grundlage der momentanen Interaktion gemacht werden

39 Pinilla (1993:449).40 Pinilla (1993: 447).

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kann. Ihre Funktionen reichen von der Absicherung der gemeinsamenGesprächsbasis bis zur reinen Manifestation der Hörerrolle.41

Nun gibt es im Portugiesischen noch eine weitere, ganz typische Partikel,die weder zu den Gliederungssignalen noch zu den Modalpartikeln im eigent-lichen Sinne gehört: die Form pois. Sie erscheint häufig als ein redebe-gleitendes Signal, das der Hörer äußert, und gehört damit zu den Rück-meldungssignalen, auf die nun zuletzt noch eingegangen wird.

2.1.2.5 Rückmeldungssignale

Daß ein Gespräch eine gemeinsame Handlung der Beteiligten darstellt, mani-festiert sich nicht nur in dem, was der Sprecher sagt, sondern auch in denAktivitäten des Hörers. So kann dieser signalisieren, daß er verstanden hat,was der Sprecher meint, kann die Gemeinsamkeiten betonen oder sein Ein-verständnis zum Gesagten signalisieren, wie im Deutschen z. B. mit genau.Rückmeldungen sichern also nicht nur das Verstehen, sondern auch diegemeinsame Gesprächsbasis der Interaktionspartner ab. Die redebegleitendenRückmeldungen werden häufig durch Partikelformen repräsentiert.

KOCH/OESTERREICHER ordnen die Hörersignale wie etwa fr. hm, oui,d’accord, oder it. ecco, certo, sp. vale zusammen mit den Sprechersignalen(z. B. fr. hein, écoute, dis donc, ital. eh, vero, sai, sp. no, verdad, mira) zuden „Kontaktsignalen“. Kontaktsignale – und dazu gehören vor allem auchparasprachliche und nichtsprachliche Mittel wie Blickkontakt – dienen dazu,die Verbindung zwischen Sprecher und Hörer herzustellen, den Dialogaufrechterhalten und Rückkoppelung zu geben.42

In dieser Arbeit soll dennoch der Begriff Rückmeldungssignale fürbestimmte Zuhöreraktivitäten beibehalten werden, in Anlehnung an DUNCAN/FISKE, die von „back channel behaviour“ sprechen.43 Unter Rückmeldungs-signalen sind demnach alle sprachlichen und nonverbalen Kurzbeiträge desHörers zu verstehen, die redebegleitend auftreten und dem SprecherAufmerksamkeit, Zuhörbereitschaft, Zustimmung und Einverständnissignalisieren, ohne daß ein eigener Redebeitrag beansprucht wird.

Zu den am häufigsten verwendeten lexikalischen Rückmeldungssignalenim Portugiesischen zählt sicherlich pois, das auch in Kombinationen wie poisé oder in der Doppelung pois pois auftritt. Darüber hinaus treten die Asser-tion exacto sowie auch sim, das ebenfalls gedoppelt werden kann, und eineReihe von Kombinationen einzelner Signale auf. Daneben existieren komple-

41 Wie noch zu zeigen sein wird, sind gerade in monologischen Gesprächspassagen wie dem

konversationellen Erzählen und in Erklärungen tags durchaus häufig mit dieserAbsicherungsfunktion zu finden, vgl. Beispiel 1, Seite

42 Koch/Oesterreicher: (1990: 57 ff.)43 Duncan/Fiske (1977: 201f.).

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xere Formeln wie é verdade, é assim und andere mehr.44 Als Signale, die einekomplexere Rückmeldung eröffnen treten Partikeln wie olha oder ai auf,z. B. in ai que bom oder olha vês. Darüber hinaus sind Partikelkombinationenwie das sicher ungewöhnlichere Beispiel olhe pronto ainda bem beobachtet.45

Übereinzelsprachlich sind abgesehen vom gestischen Bereich natürlich auchnicht-lexematische Rückmeldungssignale wie hm, mhm oder ah etc. in derportugiesischen Mündlichkeit zu beobachten.46

Die vom Hörer geäußerten Signale, die ganz eindeutig darauf zielen, dasRederecht während eines laufenden Turns zu erkämpfen wie pg. olhe oderdesculpe, rechne ich nicht zu den Rückmeldungssignalen, auch wenn derVersuch, den Turn zu erlangen, scheitert. Insofern muß man zwischen Rück-meldungs- und Unterbrechungssignalen unterscheiden, die beide unter dieHörersignale zu fassen sind. Hier ist jedoch mit fließenden Übergängen zurechnen.

Als Grenzfälle zwischen Hörer- und Sprecheraktivitäten können solcheSignale gelten, die der expliziten Zustimmung dienen und gleichzeitig eineWertung beinhalten, wie dies bei pg. exactamente häufiger der Fall ist. Hierstellt sich die Frage, inwieweit solche Höreraktivitäten als eigene konver-sationelle Züge zu bewerten sind. Auch hier dürften die Grenzen nicht soeindeutig zu ziehen sein. Insgesamt ist also auch bei den Rückmeldungen voneinem mehrfunktionalen Spektrum bis zur völligen „semantischen Leere“auszugehen – so wie auch das Schweigen des Hörers eine Vielzahl vonFunktionen haben kann.

2.1.2.6 Überbrückungs- und Korrektursignale

Weiter unterscheiden könnte man in Anlehnung an KOCH/OESTERREICHERdie Signale, welche die Verteilung der Gesprächsrollen (Turn-Taking) bzw.den Sprecherwechsel aktuell steuern. Zu denken wäre an Formen wie it. diga.

Daneben stellen die Überbrückungssignale („hesitation phenomena“) undKorrektursignale Träger weiterer Funktionsbereiche im Diskurs dar. Beidesind vor allem Ausdruck der Formulierungsarbeit, also sprecherseitigeSignale. An ihnen wird der Prozeßcharakter der Mündlichkeit besondersdeutlich. Die Überbrückungssignale dienen der Aufrechterhaltung des Turns,sind „Pausenfüller“; hierbei will der Sprecher Zeit gewinnen, seine weitereÄußerung zu planen. Dies kann durch ein einfaches hm oder auch eineDehnung oder extreme Verlangsamung der Sprechgeschwindigkeit 44 Zum Gebrauch der Rückmeldungen vgl. das zweite Fallbeispiel (Kap. 4.1.4).45 Diese Rückmeldung stammt aus einer Radiodiskussion.46 Problematisch ist die Transkriptionsweise bei solchen nonverbalen sprachlichen Rück-

meldungen oder Verzögerungsphänomenen; im folgenden wird die Schreibweise mit h(ah, ehm) o.ä. verwendet, um Verwechslungen mit pg. Präpositionen bzw. Artikeln zuvermeiden.

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angedeutet werden. Es gibt jedoch auch typische Partikeln, die alsÜberbrückungssignal auftreten.

Korrektursignale markieren Eigen- oder Fremdkorrekturen; sie könnenaber auch Präzisierungen einsteuern und dienen damit vor allem derVerständigung. Auch hier ist ein Spektrum von Lauten (em) bis zumetakommunikativen Äußerungen zu erwarten.

An dieser Stelle zeigt sich, daß eine Präzisierung des Gegenstands„Diskurspartikeln“ notwendig wird. Die Problematik zeigt sich darin, eine„Klasse“ von Wörtern für einen Funktionsbereich zu bestimmen, der jascheinbar durch eine Reihe von Ausdrucksmitteln abgedeckt werden kann.

2.2 Die Markertheorie – eine Alternative zumPartikelkonzept?

2.2.1 Marker als sprachliche Mittel der Diskursorganisation

Bei der Suche nach einem integrativen, gesprächsanalytischen Konzept fürdie Beschreibung der o. g. Funktionsgruppen stößt man auf die Theorie derMarker.47 Unter „Marker“ ist ein sprachliches Ausdrucksmittel zu verstehen,das sich auf eine Äußerung bzw. einen Äußerungsteil bezieht und, ohneselbst zum propositionalen Gehalt des Markierten beizutragen, pragmatischeFunktionen signalisiert oder indiziert. HÖLKER definiert Marker als

…einen formal einfachen oder komplexen Ausdruck, der sich (bei einem bestimmtenVorkommen) zumindest mit einem Teil seiner Bedeutung auf die Situation bezieht, inder gesprochen wird…48

Es handelt sich um „sprachliche Einheiten, die nicht dazu verwendetwerden, Sachverhalte zu beschreiben, sondern dazu, sprachliche Handlungenauszuführen“; damit gehören Marker zum performativen Ausdrucksbereich.49

Als Marker gelten Gliederungssignale und funktionsähnliche Redemittelwie fr. oui mais/non mais, aber auch komplexe explizite bzw. performativeAusdrücke (wie fr. c’est-à-dire que) oder sprechaktanzeigende Ausdrücke(etwa fr. je te demande si). Da auch Überbrückungsphänomene, Schluß- oder 47 Hölker (1985, 1988, 1990, 1991), zurückgehend auf Gülich (1970) und Roulet (1980):

„Stratégies d’interaction, modes d’implication et marqueurs illocutoires“, in Cahiers deLinguistique Française 1, 80-103.

48 Hölker (1991: 27); hierbei ist die Dichotomie von Situation, in der gesprochen wird vs.Situation, über die gesprochen wird, entscheidend.

49 Hölker (1990: 81). Nach Meyer-Hermann (1991: 53) bezieht sich ein Marker „auf diekommunikative Situation […], die durch den Sprechakt konstituiert wird, in dem ersteht“; die Trennung, die zwischen der Situation, in der gesprochen wird, gegenüber derSituation, über die gesprochen wird, sei dabei nicht ganz unproblematisch.

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Korrektursignale, Verbtempus, syntaktischer Modus und Intonationskurvensowie Pausen pragmatische Markierungsfunktionen haben, ergibt sich einesehr heterogene Gruppe. Daher besteht die Notwendigkeit, Marker weiterauszudifferenzieren. Dies kann nach funktionalen oder formalen Kriteriengeschehen50 oder auch nach Textsorten: So kann man von argumentativen,narrativen, monologischen oder dialogischen Markern sprechen. Ein Markerhat demnach etwa argumentative Funktion, „…wenn er dazu dient, eineBeziehung zwischen Äußerungen in Texten zu kennzeichnen, in denen dieAbsicht zu überzeugen oder zu überreden eine Rolle spielt.“51 Schließlich isteine Differenzierung in Hinblick auf Mündlichkeit und Schriftlichkeitmöglich, denn es gibt einige Formen, die überwiegend dem mündlichen,andere, die überwiegend dem schriftlichen Sprachgebrauch vorbehalten sind.

Hier von Interesse sind v. a. die diskursorganisierenden Marker, die alsUntergruppe der kotextuellen „auf der globalen und lokalen Ebene Rela-tionen zwischen Äußerungen, Äußerungsteilen und Äußerungssequenzen“markieren.52 Nach der Art des Kotextbezugs haben sie entweder enumerative,additive, resümierende, terminierende, reformulierende oder korrigierendeFunktionen. Das Konzept der Marker weist also Überschneidungen mitGÜLICHS (1970) Bestimmung von Gliederungssignalen auf, ist allerdingswesentlich weiter gefaßt, was die Funktionsbereiche betrifft.

2.2.2 Modalpartikeln und Marker – Ähnlichkeit der Probleme

Wenn man von derart vielfältigen Markierungsfunktionen ausgeht, müßtenauch Modalpartikeln Marker sein, da sie, wie gezeigt, den Gesprächsstandoder z. B. den illokutionären Charakter der Äußerung, in der sie stehen,verdeutlichen bzw. anzeigen. Nach dem Konzept HÖLKERS ist jedoch einweiteres Merkmal der Marker, daß sie „nur schwach oder gar nicht in dieStruktur von Sätzen integriert sind, daß sie mehr oder weniger peripher

50 In einer formalen Klassifikation unterscheidet Hölker (1990, 1991) zwischen prosodi-

schen Einheiten, syntaktischen Eigenschaften (z. B. Imperativsatz), morphologisch einfa-chen (fr. donc) vs. morphologisch komplexen (fr. finalement) und syntaktisch einfachen(fr. donc) vs. syntaktisch komplexen Ausdrücken (fr. c’est-à-dire). Funktional kann manzwischen expressiven (fr. tant pis), appellativen (fr. voyons), phatischen (fr. allez) undmetasprachlichen (fr. à propos) Markern trennen. Letztere wiederum können kontextuelleoder kotextuelle Aspekte von Äußerungen markieren (je dois t’/vous avertir que vs. jete/vous réponds que) oder danach differenziert werden, ob sie formbezogen (en d’autrestermes), propositionsbezogen (peut-être) oder illokutionsbezogen sind.

51 Hölker (1985: 327).52 Hölker (1990: 83).

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sind.“53 Dieses formale Kriterium scheint dem funktionalen Konzept zuwidersprechen; HÖLKER verweist z. B. selbst darauf, daß der fr. Marker quoiin manchen Fällen ähnlich funktioniert wie eine deutsche Modalpartikel(eben, immerhin etc.), bei quoi sei nur keine modale Bedeutungskomponenteerkennbar.54 Hier läßt sich jedoch einwenden, daß auch den meisten Modal-partikeln per se keine modale Bedeutung zugrunde liegt, sondern daß dieseerst durch die Kontext- und die Kotextbezüge, welche die Partikel herstellt,erkennbar wird. Umgekehrt läßt sich argumentieren, daß etwa ein reaktivesdoch die Äußerung als argumentativen Gegenzug „markiert“.

Ein wichtiges Kriterium, das nun eine ganze Reihe der o. g. Untergruppenwieder ausschließt, liegt in der spezifischen Funktionsweise der Marker:

Als weitere mögliche Charakterisierung des Terminus Marker ist die zu nennen, wonacheine sprachliche Einheit nicht wegen bestimmter Bezugsfaktoren oder wegen ihrerVerwendungsweise als Marker gilt, sondern aufgrund der Art des Bezugs, aufgrund ihrerFunktionsweise. In diesem Sinn ist ein Marker eine sprachliche Einheit, die das, woraufsie sich bezieht, nicht explizit nennt, sondern nur andeutet. Um zu bestimmen, wasangedeutet wird, ist es notwendig, Wissen über den Kotext (sprachliche Umgebung)oder den Kontext (nicht-sprachliche Umgebung) der Einheit in Betracht zu nehmen.55

Demnach fallen explizite performative Wendungen und metakommuni-kative Ausdrücke aus dem Konzept heraus, also Marker, die aufgrund ihrersemantischen Funktionen markieren und die deshalb einigermaßen unproble-matisch sind.

Zur Bestimmung der impliziten Marker bietet HÖLKER das „Konzept derTransparenz“ an. Es besagt, daß der Transparenzgrad relativ zum Markiertenfestgestellt werden kann, wobei Transparenz als ein Kontinuum aufzufassenist, in dem graduelle Differenzierungen möglich sind. Die Deutlichkeit desMarkers korreliert dabei mit der Deutlichkeit der Funktion in bezug aufseinen Skopus – wobei gerade der Skopus von Markern m. E. nicht immer soeindeutig festzulegen ist. Hochgradig transparent wäre etwa ein Korrektur-marker wie fr. plus précisément. Er markiert mittels seiner wörtlichen Bedeu-tung. Lediglich einen mittleren Transparenzgrad besitze ein Korrekturmarkerdes Typs fr. (à) savoir in einem Kontext, in dem er den vorausgegangenenAusdruck formal korrigiert („Retusche“); dieser Ausdruck ließe den Bezugzwischen seiner wörtlichen Bedeutung und der Markerbedeutung nicht mehrerkennen, letztere sei seine konventionelle Bedeutung. Der Transparenzgradist besonders niedrig, wenn die Markierungsbedeutung rein kotextabhängig

53 „Wenn ein Ausdruck peripher ist, weist er zumindest folgende Eigenschaften auf: er kann

nicht Teil eines eingebetteten Satzes und nicht rhematisch sein.“ Hölker (1988: 9).54 Hölker (1991: 43f.).55 Hölker (1990: 81f.).

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ist; als Beispiel hierfür führt HÖLKER ein non in einem Fall von Selbst-korrektur an (s. u.).56

Vom Transparenzgrad des Markers solle nach MEYER-HERMANN jedochnicht abhängig gemacht werden, wie eindeutig seine Funktion ist; die Deut-lichkeit kann nur vom Standpunkt des Adressaten aus analysiert werden. Fürden Gesprächspartner hängt die Eindeutigkeit eines Markers nämlich nichtdavon ab, ob der entsprechende Ausdruck in einer wörtlichen, konventionellnicht-wörtlichen oder nicht-konventionellen, nicht-wörtlichen Bedeutungauftritt.57 Dieser Kritik ist vom Standpunkt der Gesprächsanalyse durchauszuzustimmen.

2.2.3 Beispiel: não als Korrekturmarker

Zur kritischen Illustration, wie der niedrige Transparenzgrad zu verstehen sei,sollen einem Beispiel HÖLKERS zwei äquivalente Fälle aus dem Korpusdieser Arbeit gegenübergestellt werden. Es geht um ein inhaltskorrigierendesnon/não:

(1) (Patient muß Buchstaben identifizieren) P: „…p, r. Non, c’est un o … o, p, t.“58

(2) M.: ele vendeu o carro ao melhor amigo, ao melhor amigo não, a um conhecido dopai, se calhar (…)

(3) H5: eu noto uma coisa nas televisões todas, eu sei que da TV 1, portanto da RTP 1,da dois, da dois não, porque a dois é mais para o desporto […]

Der Transparenzgrad von non sei niedrig, da es „nicht zur Grundbe-deutung“ von non gehöre, Inhaltskorrekturen zu markieren (ob dabei vor odernach dem Bezugssyntagma, wie in den analogen Beispielen (2) und (3) fürdas Portugiesische, dürfte in dieser Diskussion keine Rolle spielen). Relativzu seiner kotextuellen Bedeutung „Inhaltskorrektur“ weise die Negationspar-tikel daher einen niedrigen Grad an Transparenz auf; sie markiere mit ihrerGrundbedeutung „lediglich eine Bedingung für Inhaltskorrekturen, nämlichdie Bedingung, daß es einen Ausdruck gibt, der inhaltlich inkorrekt undinsofern korrekturbedürftig ist“.59 Eigentlich ist die Funktion, die non hierleistet, jedoch völlig deutlich: der Beginn einer Korrektur, die durch das c’estun o zu Ende geführt wird. Zur Deutlichkeit trägt auch die Struktur derKorrektur bei. Ähnlich verhält es sich in den portugiesischen Beispielen (2)und (3): Auch wenn das zu Korrigierende nicht wiederholt wird wie in demfranzösischen Beispiel, ist die Funktion der Negationspartikel „transparent“.

56 Inwiefern die Transparenzgrade den ersten drei Kommunikationsmodi nach Grice

entsprechen, legt Hölker in (1991: 29/39) dar.57 Meyer-Hermann (1991: 53).58 Hölker (1991: 29). Für die anderen Transparenzgrade gibt Hölker kein Beispiel an.59 Hölker (1991: 29).

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Das zu Korrigierende wird nochmals wiederholt und mit não markiert;danach wird der zweite Teil der Korrektur durchgeführt.

Betrachten wir an einem weiteren Beispiel, wie eine implizite bzw. nicht-transparente Markerfunktion zu verstehen ist. Der Ausschnitt stammt auseiner Radiodiskussion, in der não weder einen (wahrheitssemantisch) negie-renden, inhaltlich zurückweisenden noch anderweitig inhaltlich korrigieren-den Beitrag einleitet:

(4) M: ó NP, o 28 septembro é de facto . uma data importante, . . no calendário darevolução. . . na hirarquia das importâncias, (4 s. Pause)

G: (technisch nur leise verständlich): é evidente que é uma data importante. e(lauter) na altura/

M: na/ não, é evidente que é uma data importante disse, não é, G: sim sim, é evidente que é uma data importante, e: e: na altura representou

dizemos uma espécie de fim do braço do ferro permanente […]

Die Funktionsbeschreibung von não stellt sich hier wesentlich problema-tischer dar als in den Beispielen (1)–(3). Sie kann nur aus der Gesamt-situation bzw. der längeren Sequenz und zudem kaum unabhängig von derKlärung der Schlußmarkierungen disse und não é erschlossen werden:

Der Studiogast G reagiert zunächst nicht auf die Äußerung des ModeratorsM. Nach einer Pause von vier Sekunden ist er zu Beginn seiner Antwort nursehr leise zu hören, da er zu weit vom Mikrophon entfernt sitzt. Daherschaltet sich der Moderator ein, unterbricht G mit não, wiederholt dessenÄußerung für die Hörer der Sendung und rückversichert sich, daß er richtigwiederholt hat. Hier liegt also eine Art Fremdkorrektur vor, die durch nãoeingeleitet wird, und die sich nicht auf den Inhalt, sondern die Performanzbezieht und etwa impliziert: „Das war zu leise“ oder „So geht das nicht.“Insofern liegt hier in der Tat eine implizite, kontextabhängige Funktion undein niedriger Transparenzgrad vor. Die Schlußmarkierung mit disse não éspezifiziert dann diese Unterbrechung als Wiederholung in der Funktion einerVerstehensabsicherung. Não markiert hier den Turn zunächst als vagenWiderspruch. Es ist zu diskutieren, inwieweit man von „Markierung“ spre-chen will, denn es wird eigentlich ein starkes Gesprächssignal gesetzt: DiePartikel não fungiert v. a. auch als wirksames Unterbrechungssignal und esstellt sich die Frage, ob das Markerkonzept in diesem Fall nicht zu kurzgreift. Während in (1)–(3) die „Bedeutung“ des non/não als Korrekturmarkerdurch die regelhafte konversationelle Verwendung konventionalisiert ist undder Marker damit „funktional transparent“ erscheint, ist in (4) die Bedeutungbzw. F u n k t i o n des não nicht durchsichtig. Die Frage nach der Funk-tionsweise betrifft m. E. nicht nur das Problem, wie im Zusammenspiel mitdem Kontext und dem allgemeinen und spezifischen Wissen über denKontext von einer wörtlichen auf eine andere oder zusätzliche Bedeutung derMarker geschlossen werden kann (bzw. in welchem Maße dabei die wörtliche

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Bedeutung eine Rolle spielt), sondern auch, welchen interaktionalen Regelnder Gebrauch des Markers folgt.

2.2.4 Diskurspartikeln oder Marker?

Das Konzept der Transparenz kann hier nicht weiter vertieft werden.60 Beider Entscheidung, ob anstelle des Partikelbegriffs der des Markers über-nommen werden soll, drängen sich jedoch eine Reihe von kritischen Punktenauf, die für die Beibehaltung eines Partikelkonzepts sprechen.

Klassen und Funktionen der Marker sind so breit gefächert, daß dasErklärungspotential verloren zu gehen droht. Als Alternative zu„pragmatischen Partikeln“ könnte das Konzept dann allerdings betrachtetwerden, wenn die Implizitheit als Merkmal entscheidend wird. Ausgehendvon diesem Kriterium und den Funktionen dürfte man dann aber auf Formenstoßen, die bestimmte Markierungsfunktionen tragen, jedoch nicht an denentsprechenden slots für Marker stehen. Absolute Deckungsgleichheit mitpragmatischen Partikeln entsteht also nur, wenn auch die Modalpartikeln zuden Markern gerechnet werden. Nach dem Kriterium der „Peripherie“ wärensie ausgeschlossen, aber aufgrund z. B. ihrer illokutionären Funktion undwegen ihrer Implizitheit müßten sie den Markern zugerechnet werden.

Während im Markerkonzept v. a. die Bedeutungsproblematik im Vorder-grund steht, ist in der vorliegenden Arbeit von Interesse, wie die Funktion derSignale, Marker oder Partikeln im Sprecherwechselsystem zum Tragenkommt; dieser Aspekt findet in der Markertheorie m. E. zu wenig Beachtung.Wenn HÖLKER schließlich feststellt, daß es „ein schwieriges Problem derPartikelforschung“ sei, „wie man zu gesicherten Funktionsbeschreibungenvon Markern kommt,“ dann scheint es doch eher um eine alternative Begriff-lichkeit für pragmatische Partikeln zu gehen.61 Letztlich geht es um diegleichen Probleme wie bei der Partikelbeschreibung – die Frage nach derPolyfunktionalität und wie diese zu behandeln ist, die Frage nach der Art derBedeutung und schließlich die Klärung der impliziten Funktionsweise.

2.2.5 Definition der Diskurspartikeln

Folgende Definition versucht nun, alle Partikelformen, die zu den Diskurs-partikeln zu rechnen sind, zusammenzufassen:

Unter Diskurspartikeln sind kurze, polyfunktionale Ausdrücke zu verstehen, die kontex-tuelle und interaktionale Funktionen tragen und daher typischerweise in mündlicher

60 Vgl. hierzu Christl (1991: 494ff., insb. 497) und Meyer-Hermann (1991).61 Hölker (1990: 85).

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Kommunikation vorkommen. Sie dienen der Gesprächsorganisation und Konversations-steuerung, sind Hinweise für den Hörer, wie er die Äußerung zu verstehen undeinzuordnen hat. Dabei funktionieren sie implizit und sind insofern von komplexeren,expliziten metasprachlichen Markern zu unterscheiden.

Die Definition verzichtet auf eine Bestimmung makrosyntaktischerEigenschaften und auf morphologische bzw. wortartentheoretische Abgren-zungskriterien. Ein wichtiges Merkmal hingegen stellt die implizite Funk-tionsweise von Diskurspartikeln dar, die sie als Ausdrucksmittel für einkonstitutives Merkmal der gesprochenen Sprache auszeichnet: die Vagheit.Dadurch heben sie sich von expliziten metakommunikativen Ausdrückenab.62 Das Kriterium der Implizitheit soll die Partikeln überdies von logisch-semantischen Konnektoren (Konjunktionen) unterscheiden, aber auch vonden Modalwörtern, deren Funktion über die semantische Bedeutung abgelei-tet werden kann. Auch wenn die Einzelformen polyfunktional und kontext-sensitiv sind, gibt es eine übergreifende Bedeutungsstruktur, aus der ihreimplizite, konventionalisierte Bedeutung abgeleitet werden kann; inwieweitin jeder Verwendung die Grundbedeutung noch Relevanz hat, ist jedoch um-stritten.63

Diskurspartikeln bilden erstens eine formale Kategorie, da sie als Einzel-lexeme oder kurze feststehende Wendungen, die ein prosodisches Wort bil-den, bestimmt werden, aber z. B. mit metakommunikativen und explizitperformativen Ausdrücken oder Suprasegmentalia Funktionen teilen. Siebilden zweitens eine funktionale Gruppe, da sie interaktionale Kategorienund kontextuelle Informationen bzw. Relationen in einer impliziten, vagenund besonders sprachökonomischen Weise ausdrücken.64 Diese Funktion istwichtig für die ökonomischen Prozessierung der gemeinsamen Handlungen,zur Aufrechterhaltung der Verbindung zum Gesprächspartner und zur Ver-deutlichung des Aktivitätsfokus.65 Die Eigenschaft der impliziten Kontext-verdeutlichung ist schließlich für die „an Ort und Stelle“ wirkende Organi-sation des Sprecherwechsels wichtig. Partikeln können über ihre Funktion,implizite kurze Verweise auf den relevanten Kon- und Kotext sowie den

62 Allerdings ist nochmals auf das Problem der ‘Transparenz’ zu verweisen: Auch explizite

bzw. semantische Marker oder Gliederungssignale, z. B. pg. eu penso que, sind nichtmehr ‘wörtlich’ zu verstehen; andererseits kann die Funktion von Partikeln vomAdressaten aus gesehen auch völlig eindeutig sein.

63 Auf Probleme der lexematischen Bedeutungszuweisung verweist Kirstein (1983: 222f.).64 ‘Sprachökonomisch’ ist hier nicht zu verstehen als Ableitung des von Hymes (1979: 42)

geprägten Begriffs ‘speech economy’ (Sprechökonomie), der sich auf dieInteraktionsnormen einer Gesellschaft bezieht; ‘sprachökonomisch’ soll bedeuten, daßviele (pragmatische) Funktionen in besonders kompakter und impliziter Formtransportiert werden. Ähnlich wohl auch Koch/Oesterreicher (1985: 22), die von der„durch Abtönungspartikeln ermöglichten Ökonomie in pragmatischer Hinsicht“ sprechen.

65 Was darunter genau zu verstehen ist, wird im nächsten Abschnitt ersichtlich.

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übergeordneten Kommunikationszusammenhang herzustellen, die markierteÄußerung im Gesamtkontext „verankern“ bzw. den relevanten Kontextheranziehen.66 Es ist davon auszugehen, daß Partikeln auch Träger redun-danter Informationen sein können, insbesondere, wenn interaktive Funktio-nen wie Emphase oder Steigerung der Involviertheit in den Vordergrundtreten. Partikeln sollten im Zusammenhang mit anderen Sprachmitteln unter-sucht werden; v. a. Intonation und Pausen sind dabei zu berücksichtigen.

Wenn man wie SCHMIDT-RADEFELDT (1994) von den Funktionen derModalpartikeln ausgeht, stößt man im Portugiesischen neben anderen Aus-drucksmitteln, die im Bereich der Morphosyntax liegen, einmal auf die Glie-derungssignale, zum zweiten auf eine Reihe von Formen, die nach syntakti-schen Kriterien nicht zu den Modalpartikeln gerechnet würden, aber ebenfallskurz, nicht wörtlich, z. T. nicht betont sind und „abtönende“ Funktionen tra-gen: die interaktionalen Partikeln. Vom Standpunkt des Sprachsystems aussind die „partikeldurchlässigen Wortklassen“ im Portugiesischen also nichtnur Adverbien und Konjunktionen, sondern auch Verben und Deiktika.Interjektionen rechne ich zunächst nicht zu den Diskurspartikeln. Abgesehenvon ihrer diskursiven Selbständigkeit können sie als ikonische Sprachzeichenaufgefaßt werden, deren primäre Funktion im Ausdruck von Empfindungenliegt. Allerdings ist hier mit Übergängen zu rechnen.67

2.3 Problematische Aspekte der Partikelanalyse

Anknüpfend an das vorgestellte Konzept sollen nun einige problematischeAspekte der Partikelanalyse an einem Textausschnitt exemplarisch dargestelltwerden: die Bestimmung einer Partikel, die Beschränkung der Partikeln aufdie Wortgrenze, die Probleme einer eindeutigen Zuordnung zu einemPartikeltyp und schließlich Probleme ihrer Funktionsbestimmung.

Der Transkriptausschnitt zeigt den Beginn eines Beitrags innerhalb einerargumentativen Sequenz. Die Sprecherin H1 beteiligt sich als erste Anruferinan einem Rundfunk-Talk mit dem Diskussionsthema „Privates Fernsehen“;es sind bereits einige Sprecherwechsel vorangegangen.68

66 Auf die Bedeutung dieser Funktion werde ich in Kap. 7.1 wieder zu sprechen kommen.67 Allerdings gehe ich davon aus, daß Formen wie dt. na, hey etc. in bestimmten Positionen

Gliederungs- und Abtönungsfunktionen tragen und damit auch zu den Diskurspartikeln zurechnen sind. Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Kap. 5.2.1.

68 Weitere Teilnehmer der Radiodiskussion ‘Televisão Privada’ sind der Moderator und einVertreter eines Privatsenders, die beide als primäre Adressaten der Äußerung geltenkönnen. Als weiteren Adressatenkreis schließt diese öffentliche Kommunikationssituationdie Rundfunkhörer ein. – Die als Partikeln infrage kommenden Formen sind kursivhervorgehoben. Zur Notation s. Kap. 3.3.4.

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H1 (nach einem Sprecherwechsel): não: mas é, é porque no fundo, quer dizer nósqueremos ver um programa, e se queremos ver uma coisa de que pronto, de que: eh secalhar não é a maioria, mas t/ nós também temos os nossos direitos, não é, . eportanto, também não não podemos ver às três da manhã, ah, e às três e meia, àsquatro, quer dizer este país trabalha , . . e portanto aí: acabou, ou ou ou realmente segrava um programa, eh o que não podemos estar sempre a gravar programas ou entãonão se vê televisão […]

2.3.1 Redundanz der Markierung

Zu Beginn erscheint não als Antwortpartikel, die den argumentativen Cha-rakter (Einspruch) des Diskussionsbeitrags verdeutlicht. Die genaue Funktionist hier jedoch nicht festzustellen, solange man nicht das Vorausgegangeneprüfen kann. Der folgende argumentative Konnektor mas verdeutlicht denWiderspruch zum vorigen Beitrag und greift damit auch die redundante Infor-mation des não, „es gibt einen Einspruch zu melden“, nochmals auf, kleidetdiesen aber sozusagen in den Beginn eines Syntagmas. Da dieses Syntagmaaber abgebrochen wird, erhält mas nur eine Signalfunktion.

Der Ausdruck (e) portanto (Z. 4, Beginn) signalisiert nach dem Abschlußdes Einschubs durch não é den Beginn eines neuen argumentativen Schrittsbzw. die Wiederaufnahme des Gesprächsfadens. Die Äußerung wird mit derModalpartikel também als „zurückweisender Vorwurf“ abgetönt. Tambémentspricht häufig dem dt. doch und ist in vergleichbaren Kontexten überausproduktiv. Die Partikel hat außerdem die Funktion anzuzeigen, daß ein weite-res Argument folgt. Diese Funktion bespricht FRANCO (1989) nicht, siescheint jedoch häufig bei der Verwendung in längeren argumentativenBeiträgen vorzuliegen. Inwiefern portanto und também sich hier ergänzen, istäußert schwierig zu beurteilen; beide tragen wohl zur argumentativen Steue-rung bei. Eine Redundanz der Markierung kann wiederum eine emphatischeWirkung zur Folge haben.

Vom ersten unterscheidet sich das zweite portanto: hier wird, konsekutivverknüpfend, eine logische Schlußfolgerung und Kernaussage eingeleitet, diespäter mit a televisão acabou para nós reformuliert wird; dadurch erhält dieÄußerung eine Evidenzmarkierung.

2.3.2 Polyfunktionalität

Die erste Verwendung von quer dizer erscheint wie ein Füller für dieverzögerte Versprachlichung bzw. ist Ausdruck einer Formulierungsschwie-rigkeit und damit Überbrückungssignal, wobei hier nicht entschieden werdenkann, ob die Sprecherin H1 nach der richtigen Konstruktion oder nach denpassenden Worten gesucht hat. Jedenfalls ruft quer dizer ähnlich wie dieWiederholung des hervorhebenden é zu Beginn der Zeile eine Verzögerung

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des „Textflusses“ hervor. Die semantische Funktion geht zwar nicht völligverloren, aber quer dizer ist primär metakommunikativ gliedernd.

Die erneuten Planungs- oder Formulierungsschwierigkeiten der Sprecherinwerden sichtbar an der Partikel pronto, die vor einer Reformulierung(Wiederholung von de que) steht; pronto dient einmal der Zeitgewinnung,andererseits nimmt es vielleicht auch schon eine Einschränkung bzw. teil-weise Korrektur vorweg; es folgt nämlich nach der Reformulierung auch einAbbruch der Konstruktion, eine kurze Verzögerung mit eh und ein syntak-tischer Neubeginn. Am zweiten Vorkommen von quer dizer lassen sich nochandere Funktionen zeigen: es leitet ein Resümee ein, das sowohl die vorigeBehauptung „auf den Punkt bringt“ als auch den Abschluß des argumen-tativen Gedankens anzeigt.

2.3.3 Eindeutigkeit des Partikeltyps

Mit der Modalpartikel se calhar wird eine kurze Expansion „abgetönt“ inRichtung Abschwächung oder Einschränkung. Von FRANCO wird se calharmit der dt. Modalpartikel wohl verglichen.69 Nach MEYER-HERMANN (1983)kann man es zu den hedges rechnen. Es drückt keine epistemische Modali-sierung aus, denn nicht der Sachverhalt wird als „vermutet“ ausgewiesen: DieSprecherin weiß, daß sie in ihrer Kritik an der Programmgestaltung nicht fürdie Mehrheit der Zuschauer spricht; hingegen geht die Vermutung in dieRichtung, ob die Äußerung des Willens der Minderheit ein Argument für dieÄnderung der Programmgestaltung sein kann. Se calhar bezieht sich somitauf eine Implikatur, die mit einer möglichen Einschränkung durch den Hörerzusammenhängt. Mit dem dann folgenden Argument (mas nós também…)wird diese Einschränkung dann zurückgewiesen. In dieser Stellung isttambém ambig, es kann, entsprechend dem zurückweisenden doch, alsModalpartikeln oder als Gradpartikel interpretiert werden. Vielleicht drücktdie Form também ein „auch“ auf impliziter Ebene aus: Sie löst nicht nur dieImplikatur aus, daß die Referenzgruppe nós auch zu den Zuschauern zurechnen ist, sondern daß eine gerechte Behandlung aller auch zu den Auf-gaben des Fernsehens gehört. Sie steht in einer weitgehend stereotypenÄußerungsform und erscheint schon deswegen ihrer wörtlichen Bedeutungenthoben.70

Das Signal não é ähnelt als formal nicht zerlegbare Nachziehfrage mitgesprächsorganisierender und abtönender Funktion einer steuernden Modal-partikel. Hier hat es Gliederungsfunktion insofern, als es zusammen mit einer 69 Franco (1991: 356f.). Die Äußerung wäre im Deutschen etwa mit „wir sind vielleicht

nicht gerade die Mehrheit“ wiederzugeben.70 Der argumentative Zug wäre etwa mit „Wir haben doch schließlich auch unsere Rechte!“

zu übersetzen.

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entsprechenden Intonationskurve das Ende des Einschubs markiert. EineTurn-Übergabe ist damit jedoch nicht beabsichtigt, und auch eine expliziteZustimmung wird nicht erwartet. Die Hörerorientierung von não é geht in dieRichtung, die Behauptung (mit ihren Implikaturen) als allgemein bekannt zuunterstellen, eventuelle, antizipierte Zweifel aus dem Weg zu räumen.Insofern wirkt es mit se calhar zusammen. Dabei wird nicht die Gültigkeitder Proposition in Zweifel gezogen, zumal es sich hier nicht um einen objek-tiv feststellbaren Sachverhalt, sondern um eine als allgemein gültige Normdargestellte Position (Stereotyp) handelt. Viel eher könnte die SprecherinZweifel daran haben, daß ihr Argument vom Gegenüber akzeptiert wird.Dem Hörer wird durch den tendenziösen Ton nahegelegt, daß er sich derPosition nicht verschließen kann. Durch não é wird also interaktiv dieGültigkeit der Aussage als Argument abgesichert.

In der letzten Zeile erscheint então. Então wird bei FRANCO alsModalpartikel in Fragen geführt. Es ist aber auch als Gliederungssignal sehrproduktiv, und zwar sowohl in sehr eng an das Syntagma gebundener alsauch in isolierter Form. Von seinen Funktionen dürfte es sich um die beiFRANCO beschriebene Modalpartikel handeln, da mit então die durch oueingeleitete Alternative sprecherperspektivisch ganz eindeutig gewertet wird,etwa im Sinn von dann eben (nicht). Die so als unvermeidliche und unerfreu-liche Konsequenz dargestellte Notwendigkeit, auf Fernsehen verzichten zumüssen, impliziert eine Schuldzuweisung an den Adressaten der Äußerungals Verantwortlichen für das Programm; die Sprecherin erhebt also einenVorwurf.

Gerade im Fall von então wird deutlich, daß es weniger darum gehenkann, nach der Partikelart zu fragen, als vielmehr zu zeigen, welche verschie-denen Gebrauchsweisen möglich sind und welche Funktionen im Einzelfallgenau vorliegen.

2.3.4 Erweiterung des Formenspektrums

In der zweiten Zeile verwendet die Sprecherin e als Verknüpfungsmittelfür eine weiterführende Erklärung (Expansion), die sie aber nicht fortführt.Die nun folgende Expansion erfolgt nach einer Segmentierung mit eh; auchdieses Signal ist als gliederndes Element zu deuten. Es finden sich weiter dasah, das ebenfalls wie eine kurze Pause den Formulierungsfluß segmentiert.Wie kann schließlich noch die Form aí gedeutet werden? Sie hat hiersicherlich keine wörtliche, wohl aber eine metakommunikative, deiktischeFunktion: Sie verweist auf Gesagtes, hier vielleicht auf die Gesamtheit dervorher angeführten Argumente. Daß gerade deiktische Formen auch alsDiskurspartikel fungieren können, scheint plausibel, wenn manFormulierungen betrachtet wie etwa dt. da hört’s auf.

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2.3.5 Partikelhäufung und Involviertheit

Insgesamt läßt sich im untersuchten Gesprächsausschnitt einmal an derIntonation, aber auch an der gehäuften Partikelverwendung eine „emotionalinvolvierte Tonart“ oder Emphase feststellen. Die Formulierungs-schwierigkeiten, das stereotype Argument („nós também temos os nossosdireitos“), die rekursive Struktur in der Aufzählung der Uhrzeiten, die in aíacabou gipfelnde Verabsolutierung und die Expressivität – alle dieseMerkmale weisen darauf hin, daß die Sprecherin emotional beteiligt ist undum die Anerkennung ihrer Meinung kämpfen muß. Unter dem Aspekt, daßsich die Anruferin mit ihren Klagen an einen Direktor des Fernsehens wendetund sich nicht scheut, in der öffentlichen Kommunikationssituation desHörergesprächs ihre Meinung, noch dazu kaum höflich abgeschwächt, zuäußern, kann erstens der gesamte Beitrag auch als Face-Bedrohung gesehenwerden. Zweitens äußert sich die Sprecherin so nachdrücklich, weil ihrePosition bisher kaum anerkannt worden ist. Insofern enthält der Beitrag alsosehr viel Redundantes, wenn die Sprecherin auch versucht, ihre Position mitneuen Argumenten zu untermauern. All dies läßt sich natürlich nur aus derKenntnis der vorausgehenden, kompletten Interaktion erschließen. Derkompetitive Charakter in dieser Gesprächsphase zeigt sich jedoch auch in deranschließenden Reaktion des Gesprächspartners.

2.3.6 Schlußfolgerungen

Zunächst ist für eine empirische Funktionsbeschreibung die Abgrenzungbzw. Zuordnung einer Partikel zu einer Untergruppe nur eine nachrangigeAufgabe, wobei aber Signale der Gesprächsgliederung, die am Rande vonSyntagmen erscheinen, am leichtesten zu bestimmen sind. Ein wichtigesProblem betrifft die Feststellung, wann eine Partikel tatsächlich implizit ist,und welche Funktionen sie dann genau hat. In diesem Zusammenhang ist oftschwer festzustellen, inwieweit Partikeln auch redundante kontextuelle Infor-mationen tragen, da sie mit anderen Mitteln, vor allem mit der Intonation,aber auch mit Pausen und Suprasegmentalia zusammenwirken. Was Diskurs-partikeln also Neues zur Definition der Gesprächssituation beitragen, ist mitSicherheit am schwersten zu bestimmen. Erst eine genaue Analyse über denVerlauf des Gesprächs kann darüber Aufschluß geben („Was war vorher, undwelche Bedingungen gelten jetzt für die Teilnehmer?“) Daher ist, so wenigeinleuchtend das für die Bestimmung solcher kleiner Formen erscheinenmag, eine umfassende, kontextuelle Analyse des Gesprächs hilfreich: Erstweitere Kenntnisse über die gesamte Kommunikation machen m. E. dieAusdeutungen möglich, die auch für die Teilnehmer relevant sind.

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Aus diesen Gründen scheint für die Erforschung von Gesprächen undihrer Phänomene die einzig fruchtbare Perspektive diejenige zu sein, die dieKohärenzerschließung aus der Sicht der Interaktanten nachzuvollziehenversucht. Welche Methode dafür geeignet ist, soll im folgenden Kapitelherausgearbeitet werden.

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3 Methodische Orientierung und Korpus

3.1 Zur Analyse des Gesprächs

3.1.1 Methodenwahl

Es scheint zweckmäßig, Diskurspartikeln mit einem Analyseinventar zu be-schreiben, das sich aus der Eigenart genau desjenigen Mediums ergibt, inwelchem diese Formen überwiegend erscheinen: dem Gespräch. Als metho-dische Richtung bietet sich daher die Gesprächsanalyse an.1 In Anbetrachtihrer verschiedenen theoretischen Ausprägungen ist zu überlegen, welcherAnsatz dabei dem Untersuchungsgegenstand im höchstmöglichen Maßegerecht wird. Daneben ist auch das zur Verfügung stehende Material zuberücksichtigen, das aus einem heterogenen Korpus gesprochener Alltags-kommunikation einerseits und institutioneller Kommunikation andererseitsbesteht (s. Kap. 3.3).

Man kann von drei Grundrichtungen in der Gesprächsanalyse ausgehen.Die Konversationsanalyse, die in den sechziger Jahren in Amerika alsconversational analysis2 (CA) ihren Anfang nahm, beschäftigt sich mit derKonstitution und Organisation natürlicher Gespräche. Zum ihrem Untersu-chungsbereich gehört in erster Linie das Sequenzierungssystem, das denSprecherwechsel und die Redeverteilung steuert, ferner Gesprächseröff-nungen und Abschlüsse, Reparaturen und andere Phänomene der Gesprächs-konstitution. In ihrer Theorie der verbalen Interaktion setzen auch KALL-MEYER/SCHÜTZE bei der Analyse der formalen Strukturen der Interaktion an,d. h. „bei den Aktivitäten der Beteiligten, die zur Konstitution von Interaktionunabdingbar sind und mit denen sie letztlich interaktionslogisch begründeteAnforderungen bewältigen.“3

1 Vgl. Henne/Rehbock (1982) oder Schank/Schwitalla (1980: 318). Auf grundlegende

Probleme additiv-pragmatischer Ansätze wie etwa der discourse analysis im anglo-amerikanischen Raum verweist Levinson (1990: 285ff.) Er schätzt die discourse analysisein als „…eine Serie von Versuchen, die in der Linguistik so erfolgreichen Technikenüber die Satzgrenze hinweg auszudehnen […] Daraus folgt, daß es für die Diskursanalysekeine Probleme gibt, die sich nicht auch dem Satzanalytiker stellen.“ (287). DieKonversationsanalyse hingegen vermag „zumindest gegenwärtig die meisten wichtigenEinblicke in die Eigenheiten des Gesprächs zu bieten.“ (293)

2 Die englische Bezeichnung variiert zwischen „conversational analysis“ (Gumperz, 1982:3) und „conversation analysis“ (Schiffrin, 1994: 232).

3 Kallmeyer (1978: 195). Vgl. auch Kallmeyer/Schütze (1976), Kallmeyer (1985: 84). Dasin der Einleitung genannte Anliegen, möglicherweise bestimmte Abhängigkeiten

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Die Ethnographie der Rede geht ähnlich wie die CA ethnologisch vor,weicht in der Empirie jedoch erheblich von dieser ab. Sie untersucht dasVerhalten abgegrenzter Kommunikationsgemeinschaften und bezieht in brei-tem Maß außersprachliche Daten, insbesondere den soziokulturellen Kontextim Sinne sozialer Rollen und Normen, aber auch individuelle Sprecher-merkmale, in die Analyse ein.4 Das Wissen „über die soziale Situation derSprecher und über ihre sozialen und normativen Orientierungen“ und dieAnnahme, daß die Beteiligten „in der Durchführung eines Gesprächs […]soziale Strukturen untereinander“ und ihre soziale Umgebung abbilden, ste-hen hier im Zentrum. Dabei ist „in den gesellschaftlichen und biographischenGegebenheiten nach Gründen (zu) suchen, warum die Interaktanten ihrekommunikativen Ereignisse gerade so gestalten, wie sie es tun.“5

Die Diskursanalyse nach EHLICH/REHBEIN bevorzugt Sprache in Institu-tionen. Ausgehend von der Prämisse, daß jegliches Handeln intentional ist,besteht „das Ziel diskursanalytischer Arbeiten […] in der funktionalen undstrukturellen Analyse sprachlicher Handlungen“. Zentrale Kategorie bildetdas „Muster“, gesellschaftliche Strukturen, „die der Bearbeitung von gesell-schaftlich rekurrenten Konstellationen dienen.“ Die Rekonstruktion derMuster erfolgt aufgrund einer Korpus- und einer Institutionsanalyse.6

Sinnvollerweise ist die Methode vorzuziehen, die am besten in der Lageist, ein linguistisches Phänomen der Mikroebene zu erklären. Unter der An-nahme, dass Phänomene auf der Mikroebene der Sprache weniger durchZusammenhänge zwischen Interaktionstyp und Institution oder denGegebenheiten des soziokulturellen Hintergrundes erklärbar werden, bietetsich die linguistisch ausgerichtete Konversationsanalyse an. Es wird sichzeigen, dass die CA für die Erklärung von Partikeln tatsächlich besondersbrauchbar ist. Denn sie macht den Kontext nicht so sehr am setting fest alsvielmehr an dem, was gesagt wird. Die Kontextbezogenheit der Sprache zeigtsich demnach in der Indexikalität von Äußerungen bzw. Äußerungsseg-menten. Die CA stellt somit ein geeignetes Instrumentarium bereit, um solcheProzesse und Strukturen natürlicher Gespräche zu klären, an welchen Parti-

zwischen Partikelgebrauch und Textsorte aufzudecken, steht dieser Methodenwahl m. E.nicht entgegen.

4 Vgl. Schwitalla (1986: 248). Die Ethnographie der Rede geht zurück auf Dell Hymes(1968): „The ethnography of speaking“, in: Fishman (ed.): Readings in the sociology oflanguage, 99-138.

5 Schwitalla (1986: 249).6 Schlickau (1995: 20); vgl. z. B. Ehlich/Rehbein (1986): Muster und Institution:

Untersuchungen zur schulischen Kommunikation. Tübingen: Narr. Zur Methodik derDiskursanalyse vgl. Ehlich (1986): „Funktional-pragmatische Kommunikationsanalyse –Ziele und Verfahren“, in: Hartung, Wolfdietrich (ed.): Untersuchungen zurKommunikation – Ergebnisse und Perspektiven, Berlin, 15-40.

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keln in besonderem Maße Anteil haben: der indirekten Bezugnahme aufkonversationelle Voraussetzungen, Prämissen, Hintergründe etc.

3.1.2 Die ethnomethodologische Konversationsanalyse

Die Konversationsanalyse amerikanischer Prägung geht auf einen Zweig derSoziologie zurück, der unter dem Begriff der Ethnomethodologie von GAR-FINKEL entwickelt wurde.7 Die Ethnomethodologie beschäftigt sich mit demWissen, das Mitglieder einer Gesellschaft über ihre Alltagspraxis besitzen.Alltagswissen und -handeln sind dabei eng miteinander verknüpft undwechselseitig konstitutiv: Soziales Handeln produziert und reproduziert die(Alltags-) Wissensbestände in dem Sinn, daß die Teilnehmer auf Grundlageder gleichen Techniken und Regeln alltägliches Handeln sowohl inter-pretieren als auch praktizieren.8

Gespräche werden von der CA als eine wesentliche soziale Organisations-form angesehen. Dabei geht es v. a. darum, aufzudecken, welche Aktivitätenvon den Beteiligten in einem Gespräch durchgeführt werden. Die Beschrei-bung und Erklärung sprachlicher Phänomene liegt ursprünglich nicht imErkenntnisinteresse der CA; dies wird jedoch von der linguistisch orientiertenKonversationsanalyse herausgebildet.9 Doch auch in der CA werden „…dieRelevanz konversationsanalytischer Beschreibung sprachlicher Phänomeneund damit auch die Anschlußstellen für linguistische Analysen in vielenArbeiten deutlich, besonders in Schegloffs Konzept einer Gesprächs-syntax.“10 Für die sprachlichen Aktivitäten bedeutet die o. g. Prämisse, daßdie Teilnehmer in der Interaktion nach Regelhaftigkeit suchen und auf derFolie ihres eigenen Verstehens Regeln ableiten, auf Basis derer sie wiederum– intersubjektiv und antizipierend – späteres Handeln realisieren.11

Das Typische der CA liegt in einem gegenüber anderen Diskursansätzenabweichenden methodischen Vorgehen: Die CA befaßt sich unter Vermei-

7 Garfinkel (1967): Studies in ethnomethodology. Englewood Cliffs, N.J.: Prentice-Hall. Zu

den wichtigsten Vertretern der CA zählen Sacks, Jefferson und Schegloff, z. B. (1974).Vgl. auch Bergmann (1981). Die obige Darstellung greift auch auf Levinson (1990:285ff.) und Schiffrin (1994: 232ff.) zurück.

8 Die CA unterscheidet sich von anderen Zweigen der Soziologie darin, daß sie nicht diesoziale Ordnung als solche untersucht, sondern danach fragt, in welcher Weise dieMitglieder einer Gesellschaft über gemeinsames Wissen der Alltagspraxis verfügen:„What ethnomethodology is thus concerned with is: ‘a member’s knowledge of hisordinary affairs, of his own organized enterprises, where that knowledge ist treated by usas part of the same setting that it also makes orderable.’“ Schiffrin (1994: 233).

9 Kallmeyer/Schütze (1976), vgl. Tiittula (1993: 190f.).10 Gülich (1985: 124f.).11 Schiffrin (1994: 234).

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dung theoretischer Vorurteile streng empirisch mit den Produktionsvor-gängen und Verstehensprozeduren mündlicher Kommunikation.12

Materialbasis bilden bevorzugt symmetrische, institutionsfreie undspontane Alltagskonversationen. In einer induktiven Vorgehensweise, bei dermöglichst viele Gespräche nach gleichen Phänomenen bzw. Mustern oderSchemata abgesucht werden, versucht der Analytiker, sich den Interpreta-tionsverfahren und der Typisierungen der Interaktanten anzunähern. Dabeisoll eine extensive Betrachtung der Transkripte intuitive Urteile möglichstausschließen.13 Sowohl gegenüber voreiligen Idealisierungen als auch lingui-stischen Kategorisierungen ist die CA mißtrauisch; es geht vor allem darum,im Detail am Transkript aufzuzeigen, was in einem Gespräch passiert. In derAnalyse wird daher auch, methodisch angelehnt an die objektive Herme-neutik, kein Element des Forschungsobjekts a priori als zufällig betrachtet.

Idealisierungen in der Konversationsanalyse sind erstens, daß die Inter-aktionsteilnehmer über dasselbe Relevanzsystem verfügen und damit dieInhalte der Kommunikation gleich interpretieren; zweitens die Annahmeeiner Reziprozität der Perspektiven, was heißt, daß die Teilnehmer in derLage sind, gegenseitige Erwartungen und Annahmen vorwegzunehmen. Diesermöglicht das Phänomen des „recipient design“: Der Sprecher gestaltetseine Äußerung nicht nur auf der Basis dessen, was als gemeinsamesRegelwissen vorausgesetzt werden kann, sondern in einem ganz speziellenZuschnitt auf den Partner.14 Die CA geht schließlich davon aus, daß dieSprache als allgemeines Symbolsystem subjektive und individuelle Bedeu-tungen erfolgreich vermitteln kann; der Hörer muß das „Mitgemeinte“ imZusammenhang erkennen.15 Bedingungen und Verlauf des Gesprächs müssenjedoch von den Teilnehmern immer wieder neu ausgehandelt werden. Für dieerfolgreiche Abwicklung von Gesprächen sind daher andauernde Verstän-digungsprozeduren notwendig. Da die reziproken Annahmen über die Per-spektive des Partners idealisierend sind, ist eine Verständigung über dasGemeinte nur annähernd möglich.16

12 In dem Bestreben, Vorhandenes zu systematisieren und zu beschreiben, vermeidet also die

CA im Gegensatz zur discourse analysis der Textgrammatiker eine theoretischeRegelvorgabe und erfragt nicht die Akzeptabilität von Einzeläußerungen. Vgl. Levinson(1990: 285f.); s.a. Schlickau (1995: 10f.).

13 Auch die eigene Methodik, das „Verstehen des Verstehens“, wird reflektiert; vgl. hierzuFranck (1989). Diese streng empirische Vorgehensweise muß zwangsweise mit jederErkenntnis, auf die sich der Analytiker stützt, aufgeweicht werden.

14 Sacks/Schegloff/Jefferson (1974: 727), s.a. Kallmeyer (1985: 83).15 Schlickau (1995: 11).16 Schank/Schwitalla (1980: 320).

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3.1.3 Verfahren des Sprecherwechselsystems

SACKS/SCHEGLOFF/JEFFERSON (1974) gehen davon aus, daß natürliche Ge-spräche durch ein System organisiert werden („organization of turn-taking“),welches auf der einen Seite so kontextunabhängig ist, daß es den Mechanis-mus eines jeden Gesprächs zu erklären imstande ist, und doch so kontext-sensitiv, in allen möglichen settings zu funktionieren.17 Dieser Mechanismusist als eine Menge von Regeln mit geordneten Optionen aufzufassen, welchevon einem Redebeitrag (Turn) zum nächsten wirken.18 Die Teilnehmer derInteraktion organisieren das wechselseitige Sprechen also „an Ort undStelle“, daher wird dieses System als local management system bezeichnet.19

Insbesondere der prozessuale Charakter mündlicher Kommunikation rücktdamit in den Vordergrund.

Die Sprecher verfügen über bestimmte Techniken für die Auswahl desnächsten Sprechers, z. B. Frage, Angebot, Bitte und Adressatenterminus,Vergewisserungsfrage und Anredemerkmal sowie über Hörens- und Ver-stehenskontrollen; dazu zählen nun z. B. die Nachziehfragen („exit devices“bzw. „post-completers“) und Eröffnungssignale („turn-entry devices“ oder„pre-starts“, wie engl. well, but, and, so).20 Damit wird deutlich, daß Parti-keln also auch für die Organisation des Sprecherwechsels wichtige Funk-tionen erfüllen.

Alternative Ansätze, die aus einer psychologischen Richtung stammen,gehen sogar davon aus, daß Sprecherwechsel primär durch Signale und nichtdurch Regeln der Gelegenheitszuordnung gesteuert wird, was z. B. dieFunktion von turn-eröffnenden Partikeln grundlegend betreffen würde. Durchentsprechende Signale (gestische und mimische, Blickkontakt, supraseg-mentale Zeichen bzw. deren Kombination) zeige der momentane Sprecher,wann er die Sprecherrolle abgeben will, und die Hörer können ebenso durchSignale um die Sprecherrolle bieten. LEVINSON sieht in der Signaltheoriejedoch keine Alternative zum Sprecherwechselsystem, denn die dort beo-bachteten Eigenschaften wie die Vermeidung allzu langer Überlappungen,die Auswahl des nächsten Sprechers usw. könnten durch das signalbasierteSystem nicht erklärt werden. Arbeiten über Telefongespräche hätten gezeigt,daß weder verstärkt Signale eingesetzt werden, noch, daß mehr Lücken oderÜberlappungen entstehen.21

17 Sacks/Schegloff/Jefferson (1974: 698f.).18 Die Basisregeln des Sprecherwechselsystems sind dargestellt in Sacks/Schegloff/

Jefferson (1974: 704) oder Levinson 1990: 297.19 Sacks/Schegloff/Jefferson (1974: 702ff.), vgl. auch Franck (1980: 48).20 Sacks/Schegloff/Jefferson (1974: 719).21 Kendon hat z. B. festgestellt, daß während des Sprechens der Blickkontakt abgebrochen

und meist gegen Ende des Beitrags wieder aufgenommen wird. (Levinson, 1990: 300f.).

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Neben der lokalen „turn-by-turn-Organisation“ werden von der Konver-sationsanalyse aber auch die übergreifende Struktur des Gesprächs sowie diethematische Organisation im weitesten Sinn untersucht.22 Unter letzteremwird hier nicht nur die Abhandlung des inhaltlichen Gesprächsthemas inSatz- bzw. Äußerungsfolgen verstanden, sondern ganz allgemeine Orientie-rungen, nach denen sich die Teilnehmer richten, von KALLMEYER als „Foki“bezeichnet (s. u.). Es geht dabei etwa um die Fragen, wie die Teilnehmer imGespräch die Themen im weiteren Sinn aushandeln, entwickeln und abhan-deln oder wie sie einzelne Äußerungen und Sequenzen in den übergeordnetenGesprächszusammenhang einbetten23 – also die Metaebene, von der bei denDefinitionen der Partikeln so häufig die Rede ist.24

3.1.4 Ordnungsebenen in der Interaktionskonstitution

Zur Unterscheidung verschiedener Ordnungskriterien bietet es sich an, mitKALLMEYER zwischen den Ebenen der Interaktionskonstitution zu unterschei-den: Gesprächsorganisation, gemeinsames Handeln und die Art der Sachver-haltsdarstellung wären zuerst zu nennen.25 Diese einzelnen Konstitutions-aspekte werden teilweise als „manifeste makrostrukturelle Rahmen reali-siert“26; sie können als „Schema“ bezeichnet werden, wenn sie eine gewisseGeschlossenheit aufweisen. Ein Schema der Gesprächsorganisation ist z. B.das Sprecherwechselsystem. Unterscheidbar vom „natürlichen“ Sprecher-wechselsystem sind solche Systeme, die innerhalb eines institutionellen Rah-men festgelegt sind wie etwa ein durch einen Moderator gesteuerter Aus-wahlmodus mit asymmetrischer Verteilung des Rederechts.27 Abgeschlos-

22 Tiittula (1993: 193). Hinzu treten noch eine Reihe spezieller Organisationsphänomene

wie etwa die Durchführung von Reparaturen oder Korrekturen, die Etablierung vonNebensequenzen etc.

23 Kallmeyer/Schütze (1976; 1977). Auf die Zusammenhänge zwischen Makrorahmen undMikrostrukturen geht auch Kallmeyer (1978; 1985) ein.

24 Man erinnere sich an die Definition von Hentschel/Weydt (1989: 14).25 Weitere Ebenen sind die der sozialen Identitäten und Beziehungen (Rollen), der

Reziprozitätsherstellung (Formen der Kooperation wie ‘aufrichtig sein’ oder‘vortäuschen’) und der Interaktionsmodalität (Spaß, Ernst, institutionelleVerfahrensinteraktion, alltagsweltliches Handeln, Exaltiertheit), vgl. Kallmeyer (1978:556). Auf der Ebene der Interaktionsmodalität werden „nur solche Schemata regelrechteingeführt, die von der Modalität des alltagsweltlichen Handelns abweichen.“ (1977: 57).Die verschiedenen Aspekte „werden bei ihrer Bearbeitung in komplexer Weisemiteinander kombiniert“. (1985: 85).

26 Kallmeyer (1985: 85).27 Vgl. hierzu etwa die Interaktion Debate, s. Kap. 3.3.2 oder die Analysen in Kap. 6.2.2.4.

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sene Interaktionen wie z. B. ein Beratungsgespräch stellen ein Handlungs-schema dar:28

Unter einem Handlungsschema wird ein kulturell verbreiteter und von den Gesellschafts-mitgliedern gewußter Vorstellungszusammenhang verstanden, der Angaben über konsti-tutive Bestandteile der komplexen Handlung enthält („was dazu gehört“), Angaben überdie logische Struktur der Handlungsentwicklung („was dann kommt“) und Angaben überunerläßliche Beteiligungsvoraussetzungen der Beteiligten („was man dazu braucht“).29

Unter Sachverhaltsschema, zu dessen Bestandteilen auch die Themen-organisation gehört, hat man sich hingegen den Modus der Darstellung vor-zustellen, wie „erzählen“, „berichten“ oder „argumentieren“.30

Von Relevanz für die Entwicklung eines Beschreibungsansatzes fürDiskurspartikeln ist, daß der übergeordnete Gesprächszusammenhang bzw.der jeweilige Interaktionsrahmen immer den relevanten Hintergrund fürBedeutungszuschreibungen und Einzelaktivitäten bildet.31 Das bedeutet, daßneben den Mikrostrukturen auch Makrostrukturen für den Prozeß derKohärenzbildung entscheidend sind. Es ist davon auszugehen, daß dieTeilnehmer einer Interaktion einen Wechsel der Rahmung oder des Schemas(einer beliebigen Ebene) ebenso markieren wie Übergänge auf der Mikro-ebene, etwa die Themenabhandlung, und zwar insbesondere dann, wenn essich um eine Störung des normalen Verlaufsmusters handelt.

3.1.5 Fokussierung

Um sich gegenseitig zu verdeutlichen, um was es gerade geht, müssen nachKALLMEYER die Gesprächsteilnehmer untereinander aushandeln und sichwechselseitig aufzeigen, auf welche Aktivitäten, Rahmungen, etc. sie ihreAufmerksamkeit zu richten haben (Fokussierung).32 Solche Orientierungs-vorgänge beziehen sich nicht nur auf den Fokuswechsel, d. h. das Heraus-lösen und die Vorbereitung von Aktivitäten, sondern auch auf die Bestäti-gung und Konstanthaltung des Fokus. Dabei sind Fokusvorgänge auf allenEbenen der Interaktion festzustellen und auch im Bereich der Mikrostruktur 28 Die dem Handlungsschema zugrundeliegende Vorstellung weist Parallelen zum

Musterbegriff oder zum Script-Konzept auf; unter letzterem werden komplexeWissensmuster über Handlungszusammenhänge und Verhalten in kommunikativenSituationen verstanden. Vgl. z. B. Schank/Abelson, zit. in Nothdurft (1986: 93ff.).

29 Nothdurft/Spranz-Fógasy zitiert nach Gülich (1985: 126). Es ist noch darauf hinzuweisen,daß verschiedenen Schemata auch parallel laufen können, etwa ein außersprachliches wie‘Abendessen’ und ein sprachliches wie ‘eine Diskussion führen’.

30 Nach Kallmeyer (1977: 56).31 Vgl. hierzu auch die Grundannahmen der Theorie, Kallmeyer (1985: 84f.).32 Kallmeyer (1978: 194ff). Der Begriff ist somit nicht zu verwechseln ‘comment’ oder

‘Rhema’. In den Analysen wird ‘Fokus’ immer im Verständnis Kallmeyers verwendet.

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vorzufinden. Inwieweit sie markiert werden bzw. nur implizit bleiben, hängtvon verschiedenen Bedingungen ab, etwa vom Typ des Ordnungsschematas,von der Erwartbarkeit einer Handlung etc.33

Metasprachliche Elemente oder „Anwendungsstrukturen“ sind naturgemäßfür Fokussierungen von besonderer Bedeutung, da sie „Manifestationen vonOrientierungsvorgängen sind, d. h. eine Änderung der Aufmerksamkeitsrich-tung zum Ausdruck bringen.“34 An mikrostrukturellen Orientierungsvorgän-gen dürften hingegen insbesondere Diskurspartikeln Anteil haben. InnerhalbKALLMEYERS Konzept der „Lokalisierung“ läßt sich diese Fokussierungs-funktion von Partikeln präzisieren.

3.1.6 Fokuswechsel und Lokalisierung

Fokuswechsel beinhalten konstitutiv zwei Komponenten, nämlich Abwendenvom bisher gültigen und Zuwenden zu einem neuen Fokus. Dieses„Grundmuster“ beinhaltet „eine strukturelle Sicherung der Kontext-sensitivität.“35 Im Zuwenden werden zwei Aufgaben bewältigt; die anvisierteHandlung wird spezifiziert und der eingeführte Fokus in einen bestimmtenZusammenhang gestellt. Letzteres bezeichnet KALLMEYER als „Lokalisie-rung“. Der Begriff bezieht sich auf die Einordnung der von den Sprechernangestrebten Tätigkeit in den Kontext und betrifft damit den Prozeß derKohärenzherstellung zwischen einzelnen Äußerungen oder Sprechhand-lungen. Durch die Lokalisierung werden also die Bezüge der markiertenÄußerung zu bestehenden Erwartungen bzw. den konditionellen Relevanzenhergestellt. Auch wenn die Metapher „Lokalisierung“ Räumlichkeit evoziertund somit für den linearen Gesprächsprozeß vielleicht nicht ideal erscheint,soll der Begriff hier übernommen werden.

Wenn ein Fokus abgewählt wird, beinhaltet die Lokalisierung nachKALLMEYER eine Rückstufung (Abwenden), wenn ein neuer Fokus angewähltwird, eine Hochstufung (Zuwenden). Fokuswechsel und Lokalisierungenkönnen unterschiedliche markiert werden: durch Anreden, metakommuni-kative Thematisierungen, Partikeln (z. B. dt. eigentlich, also, pg. pronto,bom, mas), Adverbien und suprasegmentale Zeichen wie Steigerung vs.Senkung der Lautstärke etc. KALLMEYER weist auch darauf hin, daß inLokalisierungen die Partnergerichtetheit eine Rolle spielt: So sind Aufmerk-samkeitsappelle z. B. hochstufend (vgl. etwa pg. olha lá), während Bezüge,die auf das geteilte Relevanzsystem zielen, dann eine Rückstufung bewirken,

33 Übergänge zwischen Sachverhaltsschemata werden z. B. eher strikt markiert (Tiittula

1993: 199); auch Störungen können zur Markierung führen (Kallmeyer, 1978: 202f.).34 Tiittula (1993: 197).35 Kallmeyer (1978: 223), dort auch zum Begriff der Lokalisierung.

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wenn das gemeinsame Wissen abgesichert wird bzw. die gemeinsame Basisunterstellt wird, wie z. B. in dt. na klar, ja (als Modalpartikel) oder pg. pois é,com certeza, ‘tá bem. Auch in metakommunikativen Thematisierungen (dt.Schluß damit, pg. eu posso explicar) werden Bezüge zu den Inhalten bzw.zum Stand der konditionellen Relevanzen deutlich.

Bei der Markierung von Einzeläußerungen unterscheidet KALLMEYER vierAusbaustufen, wobei die ersten zwei hier von besonderem Interesse sind.Dazu einige Beispiele:36

− Als syntaktisch integrierte Anwendungsmanifestationen geltenModalpartikeln wie dt. eigentlich in wie komm ich jetzt eigentlich zuFuß am schnellsten zum Oberntor.

− Syntaktisch nicht integriert, aber suprasegmental mit der Äußerungverschmolzen sind z. B. die Gliederungssignale wie dt. ja in ja wennich die einzige sein sollte, oder pg. olha in olha porque ele telefonavatodo o dia.

− Durch Pausen und suprasegmentale Markierungen von der Äußerungdeutlich getrennte Anwendungsmanifestationen werden ebenfalls oftdurch Gliederungssignale oder Kombinationen realisiert wie in dt. ehmnur’ jetzt hab ich ne andere noch eine Frage, oder pg. mas olha, o/ oque era bom é que de facto…

− Anwendungsmanifestationen können schließlich komplex strukturiertsein als ganze Sätze bzw. Satzgefüge, etwa die Ankündigung pg. bomaquilo que eu gostava de dizer a esta ouvinte à ouvinte L. F .é é desdejá o s/ o seguinte…

Je mehr diese Manifestationen ausgebaut sind, umso mehr Elemente derFokussierung enthalten sie. Für die letzte Stufe gilt, daß sie sowohlKomponenten des Abwendens als auch des Zuwendens enthält; in solchenmetakommunikativen Fokuswechseln ist die doppelte Struktur des Ab- undZuwendens naturgemäß besonders gut erkennbar. Diese Doppelstruktur kannaber auch innerhalb einer Äußerung durch den Gebrauch von bestimmtenKombinationen von Diskurspartikeln deutlich werden: Im Portugiesischenlassen sich einleitende Partikelkombinationen wie z. B. bom–mas alsrückstufend-hochstufend oder olha–mas als hochstufend-rückstufendausmachen. Diese Signalisierung von partiellen Fokussierungen auf derMikroebene ist ein deutlicher Ausdruck für die Prozeßhaftigkeit des Ge-sprächs: Jede Äußerung im Gesprächsfluß folgt auf etwas Vorangegangenesund führt gleichzeitig das Gespräch fort, wodurch neue Bedingungengeschaffen werden.

36 Kallmeyer (1978: 226), von dort stammen auch die deutschen Beispiele. Zu den

portugiesischen Formen vgl. Beispiel 12, S. 152 und Beispiel 9, S. 147. Die letzteÄußerung stammt aus einem Hörergespräch des Radiokorpus.

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KALLMEYER verweist darauf, daß die Lokalisierung „Kontextbezüge zurvorgreifenden Verdeutlichung der anvisierten Aktivitäten“ benutzt.37 Es wirdzu zeigen sein, daß bestimmte Formen einerseits die Funktion haben, denjeweiligen thematischen Fokus weiterzuführen, andererseits aber einenÜbergang zu einer anderen Aktivität markieren.

3.2 Untersuchungsdesign

3.2.1 Präzisierung der Fragestellung

Bei der Untersuchung der Diskurspartikeln ist erstens festzustellen, wanneine Form überhaupt also solche gelten kann, ob sie also im betreffendenKontext zur Anwendungsstruktur i. S. KALLMEYERS gehört. Dafür sollen ver-schiedene Vorkommen der untersuchten Formen nach makrosyntaktischerStellung und möglicherweise nach Intonation untersucht werden, auch um zusehen, ob es verschiedene Varianten gibt. Der funktionalen Analyse wird eineOberflächenanalyse vorangestellt, in welcher Pausen und Prosodie berück-sichtigt werden. Als zweites ist zu klären, welche Funktionen die Diskurs-partikel in bezug auf die Konstitution der jeweiligen Interaktion erfüllt, d. h.,was sie zur Kontexteinbettung und zur Kontextdefinition beiträgt.

Dafür muß jedoch erst einmal die Diskurseinheit, auf die sich die Partikelbezieht, bestimmt werden. Erst dann kann geklärt werden, inwiefern diePartikel zur Diskursgliederung beiträgt, sowohl bei der Themenorganisationals auch bei der Gesprächsorganisation im Sprecherwechselsystem. Steht diePartikel an einem Ort, an dem Sprecherwechsel stattfindet, kann sie z. B. mitder Regel der Sprecherauswahl oder der Redeübernahme zusammenhängen.Eine Stelle, an dem die den Sprecherwechsel steuernden Regeln zum Zugkommen, bezeichnen Sacks u. a. (1974) als ‘transition-relevance place’,abgekürzt TRP. An einem TRP kann, aber muß kein Sprecherwechsel statt-finden. Darüber hinaus ist zu untersuchen, inwiefern die Partikel einen Hörer-bezug aufweist bzw. spezifisch der Verständnissicherung dient. In bezug aufdie Handlungskonstitution ist der Stand der konditionellen Relevanzen zu be-stimmen und die Frage nach der Lokalisierungsfunktion (Hoch- bzw. Rück-stufung) zu klären. Dabei spielt der Bezug zur vorangegangenen Äußerungeine Rolle, es kann aber auch notwendig sein, das Nachfolgende in die Ana-lyse mit einzubeziehen. Denn für eine Untersuchung der kontextuellenEinbettung ist nicht nur von den bestehenden anaphorischen konditionellenRelevanzen auszugehen, sondern auch von den kataphorischen Relevanz-

37 Kallmeyer (1978: 224).

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setzungen.38 In diesem Zusammenhang stellt sich die methodisch wichtigeFrage, ob ein analytisches Vorgehen nicht vor allem von der Rezipientenseiteund dementsprechend vom Nachfolgezug ausgehen muß. Hinterlässt der Ge-brauch einer Partikel Spuren in der Reaktion des Gesprächspartners? Einenicht uninteressante Frage, da ja Partikeln eigentlich vage und implizit sind.

Wie oben bereits gesagt, können neben der Mikrostruktur der Interaktionauch die makrostrukturellen Organisationsebenen, also größere Zusammen-hänge der Kommunikation, von Bedeutung für Partikelfunktionen sein, wieetwa die Rahmung des Gesprächs bzw. das Schema.39 Globalere Kategorienwerden vor allem dann wichtig, wenn eine Abhängigkeit zwischen Inter-aktions- oder Texttypen auf der einen und Partikelverwendung und -frequenzauf der anderen Seite nachzuweisen ist. Auch weiterreichende Strategien derSprecher oder bestimmte interaktionale Prozesse (etwa das Aufschaukelneines Streits in einer Diskussion) sowie die Interaktionsmodalität, etwa eineSteigerung der (emotionalen) Anteilnahme oder Abschwächungsstrategienspielen eine Rolle. Es stellt sich die Frage, für welche weiteren konversa-tionellen Kategorien Partikeln Indikatoren sind, ob sie etwa auch eine expres-sive Konnotation haben (Abtönung). In diesem Zusammenhang ist demGebrauch von Partikelkombinationen bzw. der gehäuften Verwendung Be-achtung zu schenken. Zur Klärung der Abtönungsfunktion kann es auchnotwendig werden, die momentan ausgedrückten Einstellungen der Sprecher,ihre interaktiven Ziele, die Interaktionsmodalität und die Rollen und Bezie-hungen, mögliche Gesichtsbedrohungen oder -schonungen usw. zu berück-sichtigen, auch wenn sie im Gespräch bereits weiter zurückliegen.

Der letzte Schritt schließlich ist der Vergleich der verschiedenen Verwen-dungen. Welchen Gebrauchsbedingungen unterliegt die Partikel, und lassensich daraus bestimmte Varianten ableiten? Gibt es kontextabhängige und kon-textunabhängige Funktionen? Kontextunabhängige, konstante Gebrauchsre-geln wären Hinweise auf eine Grundbedeutung bzw. eine übergreifendeBedeutungsstruktur. Schließlich soll festgestellt werden, ob bestimmte Parti-kelformen interaktionssortenspezifisch verwendet werden. Die Analysenumfassen also eine Oberflächenanalyse, die Bestimmung der Lokalisierungs-funktion bzw. die Analyse der gültigen Relevanzen, sowie globalereGebrauchsbedingungen der Partikeln.

38 D. h. jede Äußerung ist nicht nur Reflex des Kontextes, sondern schafft auch Kontext,

indem sie Neues ins Gespräch einbringt und die Bedingungen für den weiteren Verlaufder Interaktion bestimmt.

39 Besonders in Alltagsgesprächen läßt sich jedoch nicht immer ein geschlossenesHandlungsschema aufzeigen oder das entsprechende Sachverhaltsschema eindeutigidentifizieren. Daher ist in den späteren Analysen auch allgemeiner vom (übergeordneten)Gesprächszusammenhang die Rede.

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3.2.2 Klärung der Analyseeinheit

Zuerst stellt sich die Frage, welche Bezugsgröße gewählt werden soll. DerTranskriptausschnitt, der für die Analyse relevant ist, umfaßt von Ausnahmenabgesehen die nähere Umgebung der Partikeläußerung. Wieviel Kontextangegeben wird, hängt vom jeweiligen Gesprächsstand ab. In der Regelwerden mehrere Vorgänger- und ein bis zwei Nachfolgeäußerungen dar-gestellt. Allerdings ist die Bestimmung, was alles zu einer Äußerung gehört,nicht unproblematisch. Bei FRANCK (1980)bildet der konversationelle Zughierfür eine wichtige Kategorie:

Als Zug wird ein Sprechakt (oder eine Reihe von Sprechakten) im konversationellenKontext bezeichnet, der einen vollständigen konversationellen Beitrag formt. Ein Zug istein Sprechakt unter seinem konversationellen Aspekt. Die nähere Bestimmung als Zugordnet die Äußerung so in den konversationellen Kontext ein, daß deutlich wird, welcheRolle sie innerhalb übergreifender konversationeller Muster spielen [sic], ob sie einbestimmtes Muster (z. B. Frage-Antwort-Sequenz) initiieren, fortführen oder abbrechen[…].“40

Stehen bei FRANCK konstruierte Modalpartikel-Äußerungen im Zentrumder Analysen, die vollständige Sätze bilden, zeigt sich in der Empirie, daßeine solche Äußerung in natürlicher, spontaner Konversation jedoch kaumvorkommt – ebenso wie auch der isolierte Sprechakt eine abstrakte Einheitdarstellt. Von einem „Zug“ werde ich daher in den Fällen sprechen, in denendiese Einheit unproblematisch festgestellt werden kann. Häufig werde ichjedoch auch „Äußerung“ als neutralen Begriff verwenden, um die kommuni-kative Einheit zu benennen, der die Partikel zuzuordnen ist. Das Problem derBezugsgröße hängt eng mit der „Markierung“ zusammen – oft spreche ichvon der „Markierung“ einer bestimmten Einheit als „Antwort“, als „Argu-ment“ etc. Nicht immer kann man jedoch eindeutig feststellen, auf welcheDiskurseinheit sich die Partikel genau bezieht und wie weit ihr Bedeutungs-potential reicht. Das Problem, wie lange eine Partikel relevant für das Fol-gende ist, betrifft v. a. die vorstrukturierenden Diskurspartikeln. Es ist anzu-nehmen, daß die Indizierung eines bestimmten strukturellen Abschnitts durchein Signal solange relevant ist, bis dieser durch einen neuen Einschnitt dergleichen Organisationsebene aufgehoben wird. Allerdings muß der neueEinschnitt nicht durch eine Partikel markiert sein.

Als weitere Diskurseinheit werde ich zudem häufig das „Segment“heranziehen. Darunter ist eine intonatorisch isolierte, syntagmatische Einheitzu verstehen. Ein Syntagma muß nicht zwangsläufig einen vollständigen Satzim grammatischen Sinn repräsentieren und kann auch aus nur einem Elementbestehen, etwa einem abgesetzten Gliederungssignal. Die Segmentgrenzenwerden also durch Pausen bzw. kurzes Absetzen und/oder durch Intonations-

40 Franck (1980: 50f.).

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kurven gekennzeichnet sowie durch Gliederungssignale. Segmentierungengrößerer Einheiten, etwa eines Zuges, werden durch verschiedene Mittelhergestellt: durch Zäsuren wie Pausen, suprasegmentale Mittel (Intonations-verlauf, Stimmsenkung, Akzentuierungen), Gliederungssignale und Funk-tionswörter sowie metakommunikative Hinweise.41 Bestimmte Ausdrückesind also sowohl segmentfähig als auch selbst segmentierend.

3.2.3 Kriterienkatalog

Der unten angeführte Kriterienkatalog soll die Beschreibung der Diskurs-partikeln unterstützen. Ziel ist es, möglichst umfassend die Aspekte derGesprächskonstitution zu erfassen, die für die Partikelfunktionen relevantsein können. Da kategoriale Vorannahmen einer ethnomethodologischenMethode im strengen Sinn entgegenstehen, muß der Kriterienkatalog variabelsein. Er soll als Leitfaden durch die Analysen führen, dabei aber derPolyfunktionalität der untersuchten Formen gerecht werden. Das authentischeMaterial soll trotz bestehender Vorannahmen „für sich sprechen“ können undeine weitere Entwicklung der Problemstellung ermöglichen. Im Verlauf derAnalysen sollen, wenn entsprechender Erklärungsbedarf entsteht, auch bishernoch nicht erörterte Probleme behandelt werden können.

Angesichts der Komplexität von Organisationsprozessen in der Interaktionwürde der Katalog allerdings sehr umfassend geraten, wollte man in ihmbereits alle möglichen Einzelfunktionen (etwa bei der Relevanzeinstufung)abdecken.42 Ein allzu starres und begrenzteres Raster hingegen steht der Ver-mutung entgegen, daß Partikeln polyfunktional und vage sind. Mit der Bün-delung von möglichen Gebrauchsbedingungen auf den verschiedenen Ebenender Interaktion wurde ein Mittelweg eingeschlagen; teilweise werden dabeischon konkrete Funktionen, wie sie sich z. B. aus der Systematik derGesprächsorganisation ergeben, erfaßt (Bereich A). In anderen Bereichenwerden bestimmte Funktionsweisen der Partikel angesprochen (z. B. dieIndikatorfunktionen in Bereich D). Im Einzelfall können jedoch noch weitereFunktionen relevant sein, die hier noch nicht genannt wurden, etwa dieVerwendung einer Partikel als Hinweis auf einen phatischen Rahmen odereine expressive Funktion. Da die Ebenen der Interaktionskonstitution ana-

41 Kallmeyer (1985: 102).42 Daher bezeichne ich ihn als Kriterien-, nicht als Kategorienkatalog.

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lytisch getrennt werden, aber in den Partikelfunktionen zusammenfließen,bedingen bzw. implizieren sich manche der aufgeführten Kriterien.43

A. Gesprächsorganisation: Funktionen im Sprecherwechselsystem

1. Vorkommen an regulärer Stelle, Rederollensignalea) Turn-Eröffnung nach Selbstwahl

i. nach Sprecherwechsel: Eröffnungssignalii. ohne erfolgten Sprecherwechsel: Fortsetzungssignal

b) Turn-Eröffnung nach Auswahl: Übernahmesignal (Signal derGesprächsbereitschaft)

c) Turn-Abschluß ohne Sprecherauswahl: Schlußsignald) Turn-Abschluß mit Sprecherauswahl

i. Nachziehfrage → Übergang zum Schlußsignalii. Übergabesignal

2. Vorkommen an nicht-regulärer Stelle (Störungssignale)a) Turn-Erhaltung: Absicherungssignal/ Fortsetzungssignalb) Fortsetzungssignal nach Reparaturc) Überbrückungssignale, Verzögerungssignale

3. Hörersignalea) Rückmeldungssignal

i. auf eine Nachziehfrageii. redebegleitendiii. mit Bewertung → Übergang zu Sprecheraktivität

b) Turn-Beanspruchung: Unterbrechungssignal

B. Sachverhaltsdarstellung – Themenorganisation

1. Signale in Erzählungena) Eröffnung eines Erzählschritts, Signal der Erzählfolgeb) Eröffnung der wörtlichen Redec) Verstehensabsicherungen (Kontaktsignal)d) Themenbeendigung, Schlußsignale

2. Themenentwicklung – Fokussierungsvorgänge in Dialogena) Themenweiterführungb) (partieller) Themenwechselc) Themenabschlußd) Abschweifung

3. Signale in Argumentationsdiskursena) Markierung eines neuen Argumentsb) Markierung einer Expansion

43 Vgl. auch das „Schema möglicher Bedingungen für den Gebrauch von Modalpartikeln“

bei Franck (1980, 169f.). – Der Katalog repräsentiert insofern einen Zwischenstand, alsich ihn erst nach einigen Analysen erstellt habe.

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c) Markierung einer Begründungd) Markierung einer Zurückweisung

C. Handlungskonstitution

1. Bestimmung der konditionellen Relevanzena) Erfüllung konditioneller Relevanzen: reaktiver Zug

i. Übernahme, präferierter Zug: Antwortii. Übernahme, nicht-präferierter Zug: z. B.

Ausweichenb) Etablierung konditioneller Relevanzen: initiativer Zug

i. Frageii. Bitte etc.

c) Suspendierung/Aufschub konditioneller Relevanzen:Eröffnung einer Nebensequenz

2. Rolle der Diskurspartikeln: Lokalisierunga) Rückwärtskonnex der Partikel

i. Verweis auf gemeinsames Wissen(1) hochstufend: Appell an gemeinsames Wissen(2) rückstufend: Absicherung der Gesprächsbasis,

Evidenzsignalii. Verdeutlichung von Implikaturen oder

Präsuppositionen des Vorgängerzugs(1) hochstufend: Situationsaushandlung(2) rückstufend: Verstehensabsicherung

b) Vorwärtskonnex der Partikeli. Vorgreifende Verdeutlichung der Aktivitätii. Tendenzmarkierungiii. Relevanzmarkierung

c) Rückwärts- und Vorwärtskonnex (Kohärenzmarkierung)d) Sonstige Lokalisierungsfunktion

3. Handlungsschema, Gesprächszusammenhang: Verdeutlichungmakrostruktureller Fokussierungsvorgänge

a) Hochstufung/Zuwendung zu einem neuen Schemab) Rückstufung/Abwendung, Schließung eines Schemasc) Abschweifung, zeitweise Suspendierung eines Schemasd) Verdeutlichung der Abarbeitung der Kernstrukture) Verdeutlichung der Eröffnungs- oder Schlußphase

i. Ankündigungii. Terminierungssignal

D. Indikatorfunktionen („Abtönung“)

1. Sprecherstrategiena) Emphase oder Expressivitätb) Höflichkeitc) Gesichtsbedrohungd) Kooperationssignalisierunge) Nähe-Distanzgrad der Sprecher u. a. m.

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2. Interaktionsmodalität, makrostrukturelle Prozessea) Interaktionstyp (kooperativ, kompetitiv, exaltiert etc.)b) Interaktionale Prozesse wie „sich versteigen“ o.ä.

E. Sonstige Gebrauchsbedingungen bzw. Auffälligkeiten

1. Stereotypie, sprachliche Routine2. Ideolektaler Gebrauch

F. Vergleich der Verwendungen

1. Makrosyntaktische Stellung2. Oberflächenstrukturelle Varianten (Prosodie, Pausen)3. Funktionale Varianten4. Grundbedeutung

3.3 Beschreibung des Korpus

3.3.1 Das Português Fundamental – beschränkte Nutzbarkeit

Die portugiesische Linguistik bemüht sich seit längerem um die Bereit-stellung und Auswertung von Texten gesprochener Sprache. Korpora natür-licher Gespräche oder institutioneller Interaktion liegen für das europäischePortugiesisch jedoch nur vereinzelt vor.44 Das umfangreichste Projekt stelltdas Português Fundamental (PF)45 dar mit dem Ziel, einen Grundwortschatzund eine Grammatik mit Hilfe einer quantitativen Analyse des mündlichenSprachgebrauchs zu erstellen. Dazu wurden zwischen 1971 und 1974 in Por-tugal und auf der Insel Madeira und den Azoren 1.800 Interviews aufge-zeichnet und auf elektronischen Datenträgern erfaßt, repräsentative zehnProzent davon vollständig transkribiert und veröffentlicht.46 Das PF hattekein soziolinguistisches Anliegen: 44 Z. B. Trigo (1989). Das Português Fundamental beinhaltet Interviews, die sich nur

beschränkt für gesprächsanalytische Arbeiten eignen, (s. u.). Bacelar (1989: 109) nenntnoch das Projekt des Atlas Linguístico-Etnográfico de Portugal e da Galiza. Eine demKorpus „Texte gesprochener deutscher Standardsprache“ (z. B. Fuchs/Schank 1975)vergleichbare Sammlung mit verschiedenen Interaktionstypen gibt es nicht.

45 Português Fundamental. Vol.II: Métodos e Documentos .Tomo I: Inquêrito de Frequên-cia. (1987). Português Fundamental. Vol. I: Vocabulário, erschien 1984, die Gramática istin Vorbereitung.

46 Durch Mitarbeiter des Wissenschaftsinstituts INIC und CLUL; s. Português Fundamental2/I, (1987: 4). Das Gesamtkorpus des PF beinhaltet Aufnahmen mit einen quantitativenQuerschnitt der Bevölkerung durch alle Regionen; die größeren Städte sind mit 50 % derAufnahmen repräsentiert (Lissabon 400, Porto und Coimbra je 150). Die Interviewswurden immer mit lokal gebürtigen oder länger ansässigen Informanten durchgeführt

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A propósito de representatividade, convém esclarecer que a realização das entrevistasnão teve como objectivo estabelecer correlações entre língua e contexto social, domesmo modo que não presidiu à recolha dos dados a intenção de construir uma tipologiade situações de produção dos enunciados ou de caracterizar conteúdos temáticossusceptíveis de provocar o discurso »espontâneo«.47

Die editierten Texte sind für Arbeiten innerhalb der Gesprächsforschung,vor allem für eine Konversationsanalyse, nur beschränkt nutzbar.48 Spon-taneität und Natürlichkeit der Konversation der aufgezeichneten Interviewsspielten keine Rolle, sondern es ging darum, eine möglichst breite Auswahlvon Themen mit verschiedenen Informantengruppen zu erhalten, um dieLexik zu repräsentieren.49

Ein Interview ist eine besondere Kommunikationsform mit dem Ziel,Daten für einen bestimmten Zweck zu gewinnen. Die Bedingungen, unterdenen es produziert wird, sind mit denen eines natürlichen spontan produ-zierten Alltagsgesprächs nicht vergleichbar. Die Konversationsanalyse jedochbeschäftigt sich überwiegend mit Alltagsgesprächen, in denen die Kommuni-kationspartner gemeinsam die Gesprächsbasis aushandeln und freier Spre-cherwechsel stattfindet. Ein Interview hingegen ist primär sachorientiert,thematisch zielgerichtet. Die Situierung des Interviews wird vorher bestimmt,Ort und Zeit sind geplant; das Gespräch hat einen offiziellen Charakter, fälltfür den Interviewten aus dem Alltagsrahmen heraus. Dem Interview geht eine

unter Berücksichtigung alle Altersstufen ab 14 Jahren (mit einem Schwergewicht auf den20-30-Jährigen), aller Bildungsniveaus (sieben Stufen vom Analphabetismus bis zuruniversitären Ausbildung) und einer breiten Anzahl von Berufen, vgl. PortuguêsFundamental 2/I, (1987: 4-24). Die Auswahl der Interviews findet sich im Inquérito deFrequência, Português Fundamental 2/I (1987: 79ff.).

47 Português Fundamental 2/I, (1987: 33).48 Das Gesamtkorpus ist für Arbeiten zur gesprochenen Sprache auch deshalb unbrauchbar,

weil erstens aus jedem Interview nur Ausschnitte aus den Beiträgen der Informantentranskribiert und gespeichert wurden, wobei die Ausschnitte auf 500 Wörter begrenztwurden und nicht mehr als zwei Themen umfassen durften, und zweitens sind die Datennicht öffentlich zugänglich. Für lexematische oder morphosyntaktische Untersuchungenkönnen allerdings Subkorpora erstellt werden. Dazu führt das CLUL z. B. Lexemabfragendurch, die durch weitere Kriterien (Region, Alter, Bildungsniveau) eingegrenzt werdenkönnen. Der Kontext, der zum Vorkommen eines abgefragten Lexems mitgeliefert wird,ist jedoch lediglich der Satz, in dem das Lexem steht, in Ausnahmefällen ein um ein, zweiÄußerungen erweiterter Kontext. Das Tonmaterial der nicht-editierten Inquéritos –insgesamt ca. 500 Stunden – wird im CLUL auf Cassetten gelagert und kann dortabgehört werden, leider jedoch ohne nähere Angaben zur entsprechenden Aufnahme undohne Zugang zu den Transkritptionen.

49 Die Themen der Interviews beziehen sich auf Privat- und Berufsleben der Informanten,auf sozialen und familiären Alltag, Kultur, Freizeit und Umwelt. Aufgrund der politischenVerhältnisse während der Diktatur unter Salazar waren bestimmte Themen (Politik,Gewerkschaft, Zensur u. a.m.) tabuisiert. Zumindest das Korpus der veröffentlichtenInterviews läßt ein Übergewicht der beruflichen Themen erkennen.

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längere kognitive Planungsphase voraus, die in der aktuellen Situation – etwadurch vorbereitete Fragen und Notizen – unmittelbar umgesetzt werden kann.Weiterhin bestimmend für den kommunikativen Ablauf eines Interviews sinddie ungleichen sozialen Identitäten der Beteiligten. Der Interviewer hat ten-denziell gegenüber dem Befragten eine stärkere Position: das Recht, Fragenzu stellen, er lenkt auch das Gespräch maßgeblich. Dies hat Auswirkungenauf die Kontur der Gesprächssteuerung. Zwar müssen die Informantenprinzipiell kooperieren, damit das Interview zustandekommt, aber häufigherrscht zwischen den Interaktanten eine distanzierte Beziehung.

In den Interviews des PF wurde angestrebt, eine möglichst „natürliche“Gesprächssituation herzustellen. Dies sollte durch die Wahl eines vertrautenOrtes verbunden mit einer natürlichen Themeneinbettung erreicht werden so-wie durch die Vermeidung des typischen „tom de ‘inquérito’ ou ‘questio-nário’“.50 Im Fall, daß sich Interviewer und Informanten nicht kannten, konn-ten dritte vertraute Personen am Gespräch teilnehmen. Trotzdem kann manvon der (unbewußten) Orientierung an einer formellen, asymmetrischen Ge-sprächssituation der Gesprächspartner ausgehen. Die einseitige Gesprächs-steuerung etwa ist in den meisten Texten erkennbar.51 Die asymmetrischenBeteiligungsrollen ziehen bestimmte Gesprächsregeln und Verhaltensmusternach sich (Höflichkeit, Unterwürfigkeit, Schüchternheit). Das soziale Gefällezwischen den Interviewführern (Akademiker) und z. B. einem Landbauernoder Fischer ist stark – zumal im vorrevolutionären Portugal.

Eine weitere Einschränkung der Verwertbarkeit des PF ergibt sich durchdie Verschriftung der Aufnahmen. Die Transkriptionstexte verwischen denEindruck der Mündlichkeit: Um die „Texte“ lesbarer zu gestalten, wurden siestark bereinigt; auf die Wiedergabe von gefüllten und ungefüllten Pausen,Korrekturen, Verzögerungen, Abbrüchen etc. wurde weitgehend verzichtet.Verzögerungen wie eh, Rückmeldungen wie mhm/hum oder nachziehendeVerständnisfragen wie heim sind im Transkript kaum zu finden. Auch Wort-wiederholungen wurden offensichtlich entfernt. Es fehlen ferner Angaben zuSuprasegmentalia, etwa zu gedehnter, lauter oder leiserer Aussprache oderzur Akzentsetzung. Die Intonationsverläufe bzw. segmentalen, phonolo-gischen Einheiten werden durch eine schriftsprachliche Interpunktion rekon-struiert. Gleichzeitiges Sprechen wird nicht graphisch dargestellt. Diese line-are Abfolge unterschiedlicher Sprecherbeiträge erlaubt kaum Rückschlüsse

50 Português Fundamental 2/I (1987: 13). Problematisch ist aber, daß konkrete Angaben

über die Gesprächssituation fehlen, falls nicht durch das Gesprochene selbstrekonstruierbar. Es bleibt z. B. ungeklärt, ob bereits Aufnahmen gemacht wurden, wievertraut der Befragte mit der Aufnahmesituation ist, ob der transkribierte AusschnittBeginn, Mitte oder Ende des Gesprächs darstellt etc. In manchen Fällen wurden auchverdeckte Aufnahmen mit nachträglicher Autorisierung durchgeführt.

51 Ausnahme die Aufnahme der drei Freundinnen, PF Nr.1024.

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auf den Ablauf der Sprecherwechsel; so lassen sich weder Rückmeldungen,Redeüberlappungen, Gesprächspausen oder Verzögerungen erkennen.

3.3.2 Institutionelle Diskurse aus Fernsehen und Radio

Mit der Debate Televisivo liegt ein Text institutioneller Kommunikationvor.52 Es handelt sich um die Transkription einer Fernsehdebatte zwischenden Kandidaten Mario Soares und Freitas do Amaral vor dem zweiten undletzten Durchgang der Präsidentschaftswahlen 1986 (Stichwahl), in welchersie ihre politischen Positionen für den Fernsehzuschauer nochmalsverdeutlichen sollen. Das Rededuell wird von zwei bekanntenFernsehjournalisten, Margarida Amarante und Miguel Sousa Tavares,moderiert. Zu Beginn der Sendung erläutert Margarida Amarante den Ablauffolgendermaßen:53

M: […] boa noite senhor professor Freitas do Amaral – boa noite doutor Mário Soares – –ora bem este será o único debate da segunda volta e as regras do zo… do jogo sãosimples e foram previamente acordadas com ambos os candidatos – – o debate terá aduração de 90 minutos com um intervalo de 5 – e no final cada um dos candidatos terádireito a 3 minutos para uma declaração final – – é nosso desejo que o debate seja tãoesclarecedor quanto / o / exige a importância do qu’ está em jogo – – que as diferençasentre o discurso o projecto e o pensamento de cada candidato – sejam claramenteenunciadas – para que em sua casa o telespectador se possa sentir mais esclarecido – nofinal destes 90 minutos […]

Diese Interaktion stellt einen spezifischer Diskussionstyp dar, in dem esden teilnehmenden Kandidaten vor allem um Imagearbeit, Punktegewinneund eine möglichst effektive Ausnutzung des Rederechts geht; dieModeratoren hingegen haben Spielregen wie die Verteilung des Rederechtszu überwachen. Insofern kann das Material interessante Ausschnitte fürsteuernde und argumentative Partikeln bereitstellen. Die Transkribierungdieser Interaktion weist wesentlich mehr Spuren der Mündlichkeit auf als dieTexte des PF (Korrekturen, Abbrüche, Vokalverschleifungen).

Während in der Fernsehdebatte vor allem der Partikelgebrauch in einerdistanzgeprägten Streitsituation behandelt werden kann, soll mit denRadiosendungen ein breites Spektrum von argumentativen Interaktionsmu-stern abgedeckt werden. Das Radiokorpus besteht aus Aufnahmen mehrerer

52 Es handelt sich um das Korpus der unveröffentlichten Tese de Mestrado von Helena

Maria Veiga Pinto Trigo (1989): Mas e outros marcadores argumentativos. Lissabon:Faculdade de Letras. Die Benutzung erfolgt mit freundlicher Erlaubnis von Helena Trigo;die Videocassette ist leider nicht mehr verfügbar. Im folgenden wird der Text Debategenannt.

53 Trigo (1989:141f.)

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Sendungen aus der Reihe „Fórum“ des überregionalen Privatsenders TSF.54

Es handelt sich um eine informative Talksendung zu einem aktuellen Thema,das zum Teil sehr kurzfristig anberaumt werden kann.55 Sie findet jedenWerktag am Vormittag kurz vor halb elf Uhr nach den Nachrichten undeinem längeren Werbeblock statt und dauert eine Stunde. Die Sendung bietetfür Rundfunkhörer die Möglichkeit der direkten Beteiligung per Anruf.56 Diefolgende Einleitungsmoderation der Sendung „Televisão Privada“ verdeut-licht den Ablauf:A: dois anos depois do aparecimento da televisão privada a TSF abre o fórum de hoje à

discussão dos ganhos e prejuízos dos portugueses em dois anos de zapping entre RTPum, RTP dois, SICe TVI, . fórum TSF, edição D.B.57

M: em dia de aniversário da televisão privada, no caso o aniversário da SIC, a TVI nasceuuns meses mais tarde, quisemos discutir a televisão, a privada e a pública. . fazer nofundo o ponto da situação dois anos depois da abertura da televisão aos privados. ..discutir televisão seria colocar por exemplo frente a frente responsáveis e críticos quetêm nos últimos meses trocado palavras azedas com os críticos sublinhando asperversidades das grelhas televisívas e os responsáveis considerando os críticosincompetentes, elitistas ou desatentos. .. no entanto temos aqui só um director detelevisão, de televisão privada da SIC, E.R. .. a televisão pública não respondeu àchamada […] ao telefone vão estar seguramente os ouvintes com a opinião sobre atelevisão portuguesa, dois anos depois do aparecimento dos canais privados, telefonesabertos aos ouvintes 3622977 de Lisboa, 5502340 ou 5502348 do Porto, e 32236 ou32246 de Coimbra. ficamos à espera dos ouvintes com a opinião sobre a televisão, eentretanto há falta eh de críticos no estúdio ehm relembro uma, mm uma peça de J.L.assinalada hoje na manhã informativa da tsf que pode ser eventualmente um lançamentopara a discussão deste tema. J.L. perante o aniversário,o segundo aniversário doaparecimento da televisão privada.58

Hintergrundinformationen zum Thema werden vom Moderator zu Beginnder Sendung angesprochen oder wie hier durch die Einspielung eines Kom-mentars aktualisiert. Die Studiogäste werden als Experten für das jeweilige

54 TSF bietet für einen kommerziellen Sender überdurchschnittlich viel Wortbeiträge, ist

jedoch auch durch extensive Werbeblöcke geprägt. Im Fórum werden keine Werbungenzwischengeschaltet, nach Ende folgt jedoch ein langer Werbeblock.

55 So fand beispielsweise einen Tag nach dem kollektiven Selbstmord vonSektenmitgliedern in der Schweiz, am 7. Oktober 1994, eine Sendung über Sekten statt.

56 Zu verschiedenen Möglichkeiten von Hörerbeteiligung vgl. Schlickau (1996).57 RTP1, RTP 2, SIC, TVI: portugiesische Fernsehsender.58 A. = Ansager, M. = Moderator (weitere Namen abgekürzt). Unterstrichen: lautere,

deutlichere Aussprache, betont; […] = Auslassungen. Die Wiedergabe dieserEinleitungsmoderation ist insofern hier nützlich, da sehr viele Beispiele aus dieserSendung analysiert werden und somit ein entsprechender Hintergrund über dieSendestruktur gegeben werden kann. In dieser Sendung kommen überdurchschnittlichviele Hörer zu Wort.

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Thema ausgewiesen.59 Die Anzahl der Studiogäste variiert zwischen einerund drei Personen. Seltener werden Experten über Telefon eingeschaltet oderinterviewt. Das Profil und die Struktur der Sendung ist also zum einen ge-prägt von moderierten Expertengesprächen und Diskussionen im Studio, zumanderen durch telefonische Hörergespräche, d. h. die grundsätzliche Möglich-keit für Rundfunkempfänger zur Mitwirkung. Im Lauf der Sendung weist derModerator wiederholt auf diese Beteiligungsmöglichkeit hin. Wird dieHörerbeteiligungsphase eröffnet, meist in der zweiten Hälfte der Sendezeit,fordert der Moderator die Zuhörer nochmals explizit auf, unter bestimmtenTelefonnummern anzurufen.60 Die Anrufer können zum Thema Stellungbeziehen und Fragen an die Experten richten. Sie können dabei potentiell mitallen Anwesenden im Studio ins Gespräch kommen. Es geht nicht immer umden Austausch kontroverser Meinungen, wie z. B. beim Thema „Privatfern-sehen“. Zum Thema „28. September 1974“ wurden die Hörer aufgefordert,zu schildern, wie sie mit diesem politischen Ereignis in Berührung gekom-men sind. Von der Anzahl der Gäste im Studio hängt ab, wie viele Hörer zuWort kommen. Folgt nur ein Studiogast der Einladung, bleibt meist mehrZeit für Anrufe von außen. Die Redezeit der anrufenden Rundfunkteilnehmerist nicht von vornherein begrenzt und kann sich auch über mehrere Minutenerstrecken. Allerdings kann es vorkommen, besonders wenn die Sendezeitihrem Ende zugeht, daß der Moderator den Anrufer auffordert, sich kurz zuhalten, oder ihn unterbricht und mit dem Hinweis auf wartende Anruferverabschiedet.

Insgesamt scheint im Fórum für den Kommunikationstyp Hörergesprächeine weitgehend freie Themenentwicklung (im Rahmen des übergeordnetenThemas) möglich zu sein und den teilnehmenden Hörern relativ viel Redezeitzur Verfügung zu stehen; zuletzt hält sich der Moderator sowohl thematischals auch gesprächsorganisierend weitgehend zurück, indem er z. B. dieSteuerung in den Hörergesprächen auch passagenweise den jeweiligenGesprächspartnern überläßt. Die Intensität der Steuerung hängt jedoch auchvom jeweiligen Moderator ab.61 Trotz dieser relativen Redefreiheit herrscht 59 Z. B. wurde zu einer Diskussion über Organtransplantation eine darauf spezialisierte

Juristin eingeladen, zum Thema Sekten ein Psychologe und ein Pfarrer. Für die Sendungüber die „Partida Socialista“ erschien ein Parteifunktionär, zum Thema „Ost-Timor“ einVertreter der Befreiungsorganisation.

60 Schlickau (1995), der Formen der Hörerbeteiligung im kommerziellen Rundfunk und ihreFunktion zur Herstellung sozialer Nähe untersucht, identifiziert dagegen charakteristischeModerationsphasen im Vorfeld von und bei der Aufforderung zur Hörerbeteiligung sowieim dialogischen Ablauf der Beteiligungsgespräche, die v. a. durch dieMehrfachadressierung bedingt sind (1995: 64ff, 129ff, 150ff.).Vgl. auch Schlickau(1996).

61 Aber auch von anderen Faktoren wie Thema, politische Brisanz, Teilnehmerzahl etc. sindStruktur und Gesprächssteuerung abhängig. So mischt sich der Moderator der Sendung‘Televisão Privada’ nur einmal selbst inhaltlich ein, stellt kaum Fragen, läßt sowohl

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natürlich insgesamt eine institutionell gesteuerte und demnach vorwiegendasymmetrische Kommunikationssituation vor, von der auch die Studiogästeeher profitieren. Sie haben aufgrund ihrer Expertenrolle wesentlich mehr Pro-filierungsmöglichkeiten als die Hörer. Der Moderator unterbricht oderbeendigt Anrufe, schaltet sich zwischen laufende Gespräche, greift durchFragetechniken steuernd ein, etc. Weitere Hinweise darauf, inwieweit dieSendung als nähe- oder distanzsprachlich einzustufen ist, lassen sich wohlnur durch tiefergehende Makroanalysen feststellen.

3.3.3 Konversationen im informellen Rahmen

Das informelle Korpus beinhaltet Gespräche, die teils unter teilnehmenderBeobachtung aufgenommen wurden.62 Andere Aufnahmen wurden von denInformantinnen in ihrer natürlichen Umgebung selbständig durchgeführt. Ausallen Aufnahmen, wenn auch in unterschiedlicher Quantität, wurden reprä-sentative Ausschnitte für die Transkription ausgewählt, deren Länge variiert.Die Auswahl wurde bestimmt durch Verständlichkeit, technische Qualität,thematische Abgrenzbarkeit und Kontextbereitstellung im Text. Bei denunbeobachteten Gesprächen wurden nur diejenigen Passagen verwendet, indenen die Gesprächsteilnehmer eindeutig zu identifizieren waren.

Ein Gespräch unter teilnehmender Beobachtung ist eine längere Unter-haltung zwischen einem Arzt und einer befreundeten Witwe über das Thema„übersinnliche Kräfte“ („Erzählabend“). Nach einem Abendessen berichtenund erzählen die Gesprächspartner sich wechselseitig von diesbezüglichenErlebnissen und Erfahrungen. Diese Konversation unterliegt den Bedin-gungen einer nähesprachlichen Kommunikation i. S. v. KOCH/OESTER-REICHER (1985), da die Beteiligten eine freundschaftliche Beziehung pflegen.Das Gespräch ist in vertrauter Umgebung situiert, zeitlich und thematischunbegrenzt. Es kann als besonders spontan und symmetrisch gelten. Einezweite Aufnahme im privaten Rahmen fand in einer portugiesischen Familiestatt („Tischgespräch“). Hier wurden sowohl Erzählpassagen als auch dialo-gische Sequenzen ausgewertet. Die Kommunikationssituation erlaubt voneiner spontanen, symmetrischen und vertrauten Konversation zu sprechen.

ausgedehnte Diskussionen zwischen Studiogast und Hörern als auch die unablässigeEigenwerbung des Vertreters des Privatfernsehens zu. Der Moderator der Sendung überden 28. September 1974 hingegen muß schon allein deswegen stärker lenken, weil mehrStudiogäste anwesend sind. Er stellt selbst Fragen an die Anrufer und weiß die Sendunggeschickter für Eigenwerbung zu nutzen.

62 Teilnehmende Beobachtung findet statt, wenn eine Aufnahme nicht nur in der natürlichenUmgebung der Interaktanten durchgeführt wird, sondern der Beobachter bzw. dieBeobachterin auch Teil des natürlichen Handlungsfelds ist.

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Das dritte Gespräch, zwischen Mitarbeiterinnen eines Fakultätsinstituts(„Unigespräch“), entspricht einer semi-informellen Interaktion, da esinszeniert war und nicht ganz unter den Idealbedingungen einer natürlichenKonversation ablief; dennoch ist es als relativ freies Gespräch zu bewerten.Die Themen betreffen Bedingungen des Studiums und die Arbeit an derUniversität. Der inszenierten Realisierung dieser Aufnahme wurde durch einesparsame Verwendung entsprechend Rechnung getragen.

Ein unbeobachtetes Gespräch ist das zwischen drei Bewohnerinnen einerWohngemeinschaft; darin unterhalten sich Freundinnen über Beziehungen,Urlaub und über gemeinsame Bekannte („Gespräch unter Freundinnen“).Auch hier findet das Gespräch in vertrauter Umgebung statt, dieAufnahmesituation scheint zu Beginn des Gesprächs stärker im Bewußtseinder Beteiligten zu sein, später nähert sich die Konversation idealenBedingungen einer freien, natürlichen und ungesteuerten Unterhaltung.63

Es wurden insgesamt solche Passagen ausgewählt, in denen dieAufnahmesituation nicht zu sehr die Natürlichkeit des Gesprächs beeinflußte,in denen die Teilnehmer also die Aufnahmesituation vergessen hatten.64

3.3.4 Transkriptionskonventionen

Innerhalb des eigenen Korpus sollte das Gesprochene so authentisch, wie esin einer Verschriftung nur möglich ist, dargestellt werden, also auch dienonverbalen Laute, Verzögerungen, Korrekturen, Pausen und Abbrücheabbilden. Auch die Wiedergabe von Intonationsverläufen und phonetischenEinheiten schien notwendig, um die Segmentierung im flüchtigen Mediumverdeutlichen zu können. Außerdem sollte die Möglichkeit bestehen, einenKommentar für sprachliche oder nichtsprachliche Auffälligkeiten unmittelbaram Transkript anbringen zu können. Das Notationssystem sollte dazumöglichst genau den chronologischen Ablauf der Interaktion abbildenkönnen, und dabei idealerweise übersichtlich und lesefreundlich bleiben. Diemit Flächen operierende Transkriptionsweise „HIAT“ nach EHLICH/REHBEIN,die in konversationsanalytischen Arbeiten üblicherweise nicht verwendetwird, schien dafür am geeignetsten, da sie ein flüssiges „Textlesen“ ebensowie eine genauere Rekonstruktion der chronologischen Abfolge ermöglicht.65

63 Alle verwendeten Transkriptausschnitte wurden von einer Muttersprachlerin überprüft.

Danach immer noch zweifelhafte Passagen wurden in Klammern gesetzt.64 Allerdings ist mit FRANCK (1985: 22f.) darauf hinzuweisen, daß Gespräche auch dann

noch natürlich sind, wenn die Teilnehmer die Aufnahme registrieren und darauf reagieren;dann ist jedoch mit einer entsprechenden Anpassung an die spezifische Situation zurechnen.

65 HIAT: Halbinterpretative Arbeitstranskriptionen, s. Ehlich/Rehbein (1976) und (1979).Dieses Notationssystem wird v. a. in diskursanalytischen Arbeiten eingesetzt. Der

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Die Notation erfolgt in Flächen, die am rechten Rand numeriert sind undalle Sprecher, die momentan aktiv beteiligt sind, mit Kürzeln am linken Randführen. Über jeder Zeile ist eine Kommentarzeile für Intonation und Modu-lationen angelegt. Durchnumerierte Klammern im Äußerungstext verweisenauf Kommentierungen in den Zeilen zwischen der Flächen, die eineausführlichere Beschreibung benötigen bzw. länger anhaltende Phänomenebeschreiben. Die weitere Notation stellt sich wie folgt dar.

Pausen und Abbruch (im Text)

. sehr kurzes Absetzen[2 s.] lange Pause (mehrere Sekunden). . kurze Pause… längere Pausefal/ Abbruch

Intonation

über dem Text: im Text:/ steigende Intonation bem. abfallend\ fallende Intonation bem, segmentierend, leicht abfallend– schwebende Intonation\/ fallend-steigende Intonation/\ steigend-fallende Intonation

Modulation, Sprechgeschwindigkeit, Tonhöhe

über dem Text: im Text:>---- leiser werdend olha betont, deutlicher<---- lauter werdend olha emphatisch betont. . . . Staccato (ein Punkt/Silbe) mas/ma:s gedehnt< < < langsameres Sprechen> > > schnelleres Sprechen↑ Anstieg der Tonhöhe (Stimmlage)↓ Abfall der Tonhöhe (nach ↑)

Verständnislücken, besondere Hinweise

( ) Nichtverständliches(aceitado) Konjektur*[…]* Kürzung1[ ]1 Hinweise auf Besonderheiten

Transkriptionskonventionen der Fernsehdebatte

Nachteil der ansonsten sehr übersichtlichen Notation liegt im großen Platzbedarf für dieFlächendarstellung.

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: Dehnung‘ Auslassung eines Phonems oder einer Lautgruppex… abgebrochenes Wort(x, x) orthographische Alternativen/x, x/ Hör-Alternativen– kurze Pause innerhalb des Diskurses eines Sprechers– – mittlere Pause– – – lange Pausexxx/[xx Überlappen von Äußerungenxxx/[xxX unverständliches WortXXX unverständliche Äußerung/ / mehr oder weniger lange Unterbrechung /// x // Lachen, Schreien, etc.// // deutlicheres Sprechen

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4 Die Diskurspartikeln im Überblick

4.1 Diskurspartikeln in einer mündlichen Erzählung

4.1.1 Konversationelles Erzählen

Der Rahmen des ersten längeren Gesprächsauschnittes stellt das lockereErzählen im informellen Gespräch dar. Eine Erzählung besitzt den Vorteil,daß sie ein relativ geschlossenes Schema aufweist, in dem die Relevanzstruk-tur leicht aufgezeigt werden kann. Stegreiferzählungen gelten damit alsPrototyp der Sachverhaltsdarstellung.1

In der Gesprächsforschung wird Erzählen in Alltagssituationen2 unterdem Aspekt typischer Strukturen und interaktiver Funktionen3 untersucht. Inkonversationellen Erzählungen stellt der Sprecher eine selbsterlebte Wirk-lichkeit als Geschichte dar. Kriterien sind eine zurückliegende, singuläreEreignisfolge, zeitliche und lokale Identifizierbarkeit, Betroffenheit desErzählers, z. B. als Opfer, und ein gewisses Maß an Ungewöhnlichkeit.4Konversationelle Erzählungen basieren prinzipiell auf der Übereinkunft derTeilnehmer, daß die Ereignisse der Wahrheit entsprechen, worauf schon deralltagssprachliche Gebrauch des Verbs erzählen schließen läßt.5 Die referen-tiellen Sinnbezirke sind, anders als beim Erzählen einer fiktiven Geschichte,theoretisch überprüfbar. Die „wiedergefundene Wirklichkeit“ ist dabei jedochnur eine Rekonstruktion der realen Ereignisse aus einer spezifischenPerspektive: Die Auswahl der Inhalte, Erläuterungen und auch Bewertungen

1 Kallmeyer/Schütze (1977: 171); „eine Erzählung zum Besten geben“ gehöre hingegen zu

den vollausgebauten Handlungsschemata „im Sinne alltagsweltlichen Handelns“ (1976:16). Rath (1981: 268f.) faßt phatisches Erzählen als eigenes Handlungsschema auf,gekennzeichnet durch die Funktionalität, den Rahmenwechsel und die Abarbeitung eineskomplexen, kommunikativen (Themen-) Komplexes. Ähnlich Quasthoff (1979: 40).

2 Zur Rolle von Erzählen im Gespräch vgl. Quasthoff (1981: 288).3 Vgl. z. B. Gülich (1980: 373ff.), Rath (1981: 269ff.). Erzählungen können der Unter-

haltung, dem Erfahrungsaustausch, der Selbstdarstellung oder der Argumentation dienen.Doch wie für alle kommunikativen Prozesse gilt, daß sich verschiedene Funktionen über-lagern; vgl. Quasthoff (1980: 146).

4 Quasthoff (1981: 289). Zu ergänzen wäre, daß auch Erzählungen „aus zweiter Hand“ imAlltagsgespräch vorkommen; die ‘Ungewöhnlichkeit’ hingegen wird nicht von allenDiskursforschern als notwendig gesehen.

5 Vgl. Formulierungen wie „Erzählen Sie doch mal, wie das war!“ etc. Als „echte“ Fiktionwerden im Alltag Anekdoten, Witze oder die sogenannten „Mythen des Alltags“ erzählt.

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hängen von den Intentionen des Sprechers und/oder der Beteiligten ab.6Daher gibt es fließende Übergänge zur Fiktionalität: Übertreibungen, Selbst-stilisierungen, eine für den Sprecher günstige Verkürzung der Ereignisse fin-den nicht selten Eingang in die Alltagserzählung7; das Dargebotene brauchtdabei „im Grunde nicht viel mehr als dem Wahrscheinlichkeitskriterium zuentsprechen.“8 Ein entscheidendes Indiz für eine gelungene Erzählung ist alsodurchaus in der dramatischen Gestaltung und der Spannung zu suchen, mitder ein Erzähler sein Gegenüber unterhält und fesselt.

Erzählungen im Alltag folgen sowohl den Prinzipien einer Face-to-face-Interaktion, als auch bestimmten narrativen Anforderungen. Inwieweit nunDiskurspartikeln verwendet werden, und welche Funktionen sie jeweilshaben, soll an den folgenden Fallbeispielen gezeigt werden.

4.1.2 Fallbeispiel 1: „Tudo entupido“

Der Transkriptausschnitt stammt aus der Aufzeichnung des Gesprächs „über-sinnliche Kräfte“.9 Beide Gesprächspartner, Senhor Pereira und die WitweRosa, „Tia“, erzählen darin nacheinander von Erlebnissen, in denen siesolche Kräfte erfahren zu haben glauben. Tias Geschichte „Tudo entupido“schließt sich an die Erzählung und Kommentierung einer von Pereiraerzählten Geschichte an. Der vorliegende Ausschnitt beginnt mit derSchlußphase der gemeinsamen Evaluierung, also vor dem Wechsel zurmonologischen Erzählung, und endet mit der Auflösung der geschildertenEreigniskomplikation, an die sich wieder ein längerer Beitrag von Pereiraanschließt.10

In der Analyse wird nach GÜLICHS (1976) Strukturphasen Orientierung,Komplikation und Auflösung vorgegangen. In der Orientierung werden Per-sonen eingeführt und Hintergrundinformationen geliefert; die Komplikationumfaßt die dramatische Zuspitzung der Ereignisse, die dann im dritten Teil

6 Vgl. Rehbein (1980: 66f.) und die dortigen Typen „Glücksgeschichte/Siegesgeschichte“,

„Erzählung merkwürdiger Begebenheiten“ oder „Leidensgeschichte“.7 Stempel (1983: 341f.) sieht in den „Verfahren der Fiktiverung“, die „auf subjektiver Wahr-

heit“ gründen, eher die Regel als die Ausnahme. Vgl. hierzu auch Stempel (1980).8 Stempel (1983: 344).9 Im folgenden ‘Erzählabend’ genannt. Die Teilnehmer Senhor Pereira, 43-jähriger Jungge-

selle, Arzt in einem „Centro de Saúde“, und die 60-jährige Witwe Rosa, die im selbenHaus wohnt und Senhor Pereira im Haushalt behilflich ist, sind gut miteinander bekannt(Namen verändert); das Gespräch fand nach einem gemeinsamen Abendessen in derWohnung Pereiras statt. Die Witwe Rosa redet Senhor Pereira mit tu aber häufig mitseinem Nachnamen an, z. B. „ó Pereira“. Sie selbst wird von ihm Tia genannt.

10 Es wurde also ein Ausschnitt gewählt, der als abgeschlossene Geschichte gelten kann –auch wenn die Sprecherin später noch einige Male auf die Ereignisse zurückkommt.

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zur Auflösung gelangen. Womöglich schon vor der Abarbeitung der Ge-schichte, im Regelfall jedoch danach, können Evaluierungen erfolgen.

Beispiel 1: Informelle Interaktion, Erzählabend (Tia, Pereira)„Tudo entupido!“

P: por isso é que às vezes quando a gente está à adormecer às vezes vem a ideia, é quando1

P:

T:

>----------a gente consegue descomplicar, . principalmente na minha cabeça.

exactamente,2

T: ( pois é) é isso. [1,5 s] agora passou-se ehm um caso, eh: . mais ou menos3

T: – \ \isso como os papéis que tu hoje não sabias, . . agora no Alentejo, . comigo, [2s]

4

T: > > > > >eeh . na casa daquele meu sobrinho, . . . tu foste lá (dos cavalos), . . a mi’ irmã . .

5

T: \ > > >/ > > > >mora por cima da vivenda, o meu sobrinho é/ a vivenda (não é) / (a casa que )

6

T:> > > > > > > > >aquilo é enorme, não e bem mas é uma vivenda. . . e: o meu sobrinho fez a parte

7

T: / \ > > > / <---de cima aproveitou o sotão, . como tu tens alí não é, . aproveitou o sotão todo e é aí

8

T: <------ <------------- \ >----que a mi’ irmã vive, . a mãe dele ou seja / a mãe dele. . . . apanhou quer dizer

9

T:<-------------- –a parte toda da vivenda é a casa da mãe. [3 s.] e eu fui lá passar um dia com ela,

10

T: – < < < < < < < \ \ > > >[2s] e cheguei lá =eh e vejo, . . o lava-louça . . stava . entupido. [2s] negro negro

11

T: >------------ \ <-------alí como eh eh aquela coisinha do tacho, a (painha) do tacho, [1,5] saía lodo negro,

12

T:>------- ↑ < < < < < /\ ↓e eu digo assim, ó Maria . . mas tens isto tudo entupido, . . . e ela pois tenho

13

T: – –e já há muito tempo. [1,5] e a minh’ irmã, uma outra, tinha lá ido dormir e disse-me

14

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T: >--------assim quando lá chegar abaixo, [1,5] olha lá . a Maria tem as coisas os canos todos

15

T: \ <---- – \ <-------- – > > >entupidos, . . o bidet . não corre a água, . . o lava-louça . também não dev/ se pode

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T:> > <--------- ↑ > > > > > >pôr para a água de que tá todo entupido, [3,5] e ela /. e eu disse, então mas tu tens

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T: > > > > > > > > ↓ >----------isto entupido porquê, . . ah isso ficou mal feito e tal ecetera eh . desculpe mas então,

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T: \ < < < <------- . . . . . . . . . .isso ficou mal feito. . vou para a casa de banho,. e conseguí arranjar …a torneira.

19

T: / > > > > >[2,5]estava / era o filtrozinho da torneira não é . que estava entupido, . . desenrosquei e

20

T:

B:

<--------------------tás a ver e lavei aquilo, e digo, ó Maria anda cá, . . já / 1 esta já tá, . é a primeira, .

(( lachen ))21

1 lachend und lauter

T: \/ / –esta é a primeira. 1 . . agora vou . . para o lava-louça não é o lava-louça / ela tirou

22

T: > > > > > /\ . . . .um balde talvez não acredites mas tirou um balde d’ água negra negra como aquilo

23

T: >--- <------------- – ↑ < < < < <. . . era só lodo, . . e diz ela assim olha, . tu não mexas aqui porque tu não consegues.

24

T:

B:

< < < < < < <[2,5s] e digo eu assim . vamos experimentar. [3 s.] olha Pereira, tirei . os canos todos, (leises lachen )

25

T:

P:

> > > > > > > > > >porque aquilo tem um cano . onde faz o o o cotovelo como é que se chama isso . onde

pois é ( é assim)26

T:

P:

/ >----------------- /vai ao sifão eu tirei aquilo tudo cá para fora .. e: de/ desentupí tudo . era <----- o sifão o sifão

27

T:

P:

<--------------- ↑ > > > > > >-------------------- \montes e montes de lodo negro negro negro . e um cheiro, uma coisa horrível. [2s]

pois28

Page 77: Diskurspartikeln im Portugiesischen

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T:< < < < / > > > > > >e eu .tiro aquilo desenrosquei aquilo tudo não é . tirei o cano, aquilo vinha/ aquele

29

T:> > > >------------------- ↑ <---------cano, e depois ia ligar ao outro, tirei aquilo tudo . . e é que eu deitava água, ó Pereira

30

T:> > < < < <------------------------- –há coisas giras, eu deitava água . . . sem aquilo, aquilo / sem o cano, ligado .. engolia

31

T:

P:

\ > > > > > > \ <----------------- > > > >bem. . . . vê lá se tu percebes isto,. . mas com o cano . não engolia, . . . então mas se

mhm32

T: – ↓ / >------eu tinha o cano já / eu desentupi o cano . lavei-o muito bem lavado não é, . até na

33

T: > > > > > >---------------banheira da casa / na casa de banho na banheira, . lavei aquilo tudo porque aquilo

34

T: – \ < < < ↑<--------------estava tudo obstruído ‘tava tudo . pront’ . tava mesmo entupido. . e eu . se eu tinha

35

T:< < < < < . . . . . . . . . . . . .este cano, isto tudo, . já . sem nada [2,5s] porquê é que aquele, quando eu punha/ se

36

T: /eu deitava água e aquilo era / eu tinha que ir ligar vinha dalí e ligava aqui não era

37

T:

P:

/\ > > > > > > > > > > > > >à parede, . porque tem/ depois vai para baixo não é verdade, . . tás a ver o que é,

mhm38

T:

P:

\ <-----/ – > > > – o que vai ao sifão. eu . aquí deitava água aquí . . .. ou se for assim . .>--- >---------vejo vejo vejo.

39

T: \ >-------engolia . . e eu ligava-lo o tubo, . não engolia. … 2� mas que raio que é que se está

402 �sehr leise, geflüstert

T:>--------- <------ >-----a passar, 2 . . pedia . pedia . ajuda ao meu marido, e este 3 �( ) ó Pereira, isto é

413 � unverständlich geflüstert

T: <---------------autêntico, ó César tu tens que me ajudar aquí, [2 s] 4 �isto é tal e qual (assim) (lacht)

42

Page 78: Diskurspartikeln im Portugiesischen

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4 �lachend F. 43: 5 �lachend ausatmend 6 � singender Tonfall

T:

P:

>------ olha, . é verdadeeu faço isso às vezes com o pai 5� hee . às vezes quando eu ( ) ó pai 6�(dá-me

43

T:

P:

eu fiz isso com o meu marido ( )aquí) uma ajuda que eu não consigo e ( )

44

T:

P:

> > > >---------------------ó César dá (me) aquí uma ajudinha . . . porque está ( a fazer-me perder) a cabeça . .

(lacht leise)45

T:<----------------------------pois eu . deitando-o aquí . engolia, . . e vinha o tubo . . ligava o tubo . não engolia

46

T:

P:

/ \ > > > > > > > > > > >e porquê . se tudo tava desligado, . tava limpo, . . pois já tava pronto tava limpo

(deslig/) porquê47

T:<---------------------------/ >----- <---------------------------porquê é que não engolia. . eu 7�( ) mas não pode ser. . . então, . disse para a

487 � geflüstert

T: minh’irmã, ferve-me aí um bocadò de água, [2s] ferve aí água que eu quero u/uma/49

T: > > > > > > –um bocado portanto uma (cafeteira) de água a ferver, com sabão ( de )… quero

50

T:

P:

– > > > > > > <---------veres isto, . é qualquer coisa ma:s mas está a fazer-me espécie, . porquê é que se eu

pois51

T: deitava água alí corria, e ligava-o não corria, . há qualquer coisa que não stava52

T: \ < < < < < < >--------- <---------bem não é verdade . . . e então . pedia (ao César) o meu marido. . vou ligar o tubo

53

T:

P:

B:

<----- \/até não é 8 �xx . . sem água quente . . . que correu.

(lacht leise) às vezes (é que) a gente não

(lacht leise)54

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8 � klatscht einmal in die Hände

T:

P:

>--------- <----------- – não compreendo isso sim, . não sei não sei, … e depois ( ) pronto /compreende mas ( )

55

T:

P:

↑ /\e depois tirei outra vez, mas já corria ( ) \ <------- pronto. . eu penso ás vezes ah (éxiste ) tal

56

T:

P:

exacto

energia . como a gente . muitas vezes não acredita nas coisas, até porque57

P:\ ↑ <-----não tem estas experiências no fundo . . . pronto=quem não acredita a pessoa não

58

Dauer: 5:35 Minuten

4.1.3 Wechsel der Rahmung

4.1.3.1 Hörersignale in der Abwahl

Bevor eine Erzählung inhaltlich abgearbeitet wird, kommt es zum Wechselder Rahmung, denn eine Erzählung stellt aufgrund ihrer monologischenPrägung im Alltagsdialog „ein fremdes Element dar, dessen Einbringung inden Dialog scheinbar dessen Spielregeln verletzt, insofern es dem Erzählerexpansives Rederecht gibt und ihm ein momentanes interaktionellesÜbergewicht verleiht.“11 Um den Beginn und den Abschluß findet daherjeweils eine Umorientierung in der Gesprächsorganisation statt: die Ver-schiebungen des Rederechts zum erzählenden, „primären“ Sprecher bzw. dieRückkehr zum ursprünglichen Verhältnis der Interaktanten. Zudem erfolgtmit einem Themenwechsel auch die Etablierung eines neuen Schemas, dieAbwahl des bisherigen und die Zuwendung zu einem neuen Fokus. Für denSprecher bedeutet dies, daß er seine Erzählung ankündigen oder sogarlegitimieren muß, um die Akzeptanz abzusichern und Kohärenz zwischenaktueller Sprechsituation und übergeordneter Handlung auf der einen Seiteund der Geschichte auf der anderen Seite herzustellen.

Betrachten wir zunächst, was der hier zu untersuchenden Erzählungvorausging: Pereira hatte mehrere kleine Geschichten hintereinander erzählt,

11 Rath (1981: 266).

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zuletzt ein erst kurz zurückliegendes Erlebnis.12 Es ist also schon eine über-geordnete Rahmung aufgebaut, in der eine weitere Erzählung durchauserwartbar ist. Wie wird nun hier der abgehandelte Fokus abgewählt und einneuer eingeführt: In F. 1/2 äußert Pereira eine Art resümierende Bewertung,im Zuge derer er durch die Selbstbildmodellierung (principalmente na minhacabeça) wieder zur aktuellen Gesprächssituation zurückkehrt. Hier tritt alsoein Wechsel des Rahmens ein – das Schema Erzählen wird abgewählt. Jetztbildet nicht mehr die erzählte, sondern die aktuelle Situation das Bezugs-system für referentielle, deiktische und pragmatische Einheiten. Die Entwick-lung des Gesprächs ist wieder offen.

Zunächst signalisiert die Sprecherin Tia Zustimmung und Einverständniszu dieser Evaluierung durch die zwei assertierenden Rückmeldungen (F. 2/3):

T: exactamente, […] (pois é) é isso.

Damit sichert sie die gemeinsame Gesprächsbasis ab. Exactamente, pois é,und é isso sind sehr produktive Rückmeldungen, Hörerreaktionen mit asser-tierender Funktion. Die rückmeldende Kommentierung setzt gleichzeitig einSchlußsignal von Hörerseite aus und bestätigt somit die Fokusabwahl. DieÜbernahme der Evaluation der Erzählung durch die Hörerin ist also eineAktivität, die (mit) zur Abwahl dieser Aktivität führt; der Abschluß der vori-gen Rahmung ist vollzogen (Fläche 3).

4.1.3.2 Agora – ein wichtiges Eröffnungssignal

Die danach eintretende Gesprächspause von ca. 1,5 Sekunden nutzt dieSprecherin Tia, um den Turn zu behalten und einen neuen Rahmen zu eröff-nen. In ihrem nächsten Zug (F. 3f.) äußert sie eine stereotype Wendung bzw.Ankündigung13, die eine Geschichte eröffnet; Singularität (um caso) undVergangenheit werden dabei bereits vorweggenommen:

T: agora passou-se eh:m um caso, eh: . mais ou menos isso como os papéis que tu hojenão sabias,

Die Ankündigung unserer Geschichte beinhaltet zwei Teilakte: DieÄußerung agora passou-se um caso… markiert den Beginn der Erzählhand-lung und skizziert das Schema vor. Mit dem zweiten Teil, dem Vergleichmais ou menos… (F. 3/4) legitimiert die Sprecherin ihre Erzählung. In deraktuellen Situation wird der übergeordnete Handlungsrahmen zwar bereits

12 In dieser Erzählung ging es ebenfalls um eine ‘Hilfe von oben’, als der Sprecher ein

wichtiges Dokument verzweifelt gesucht hat.13 Ankündigungen markieren als „textlinguistische Kohärenzmarker“ Einschnitte im Dialog

wie den Beginn einer Erzählung, vgl. Rath (1981: 266). Sog. „Aufmacher“ wie „Mich hatauch schon mal ein Polizist laufen lassen“ nehmen die Geschichte bereits in ihrem Kernvorweg; vgl. Quasthoff (1979: 50f.).

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durch unterhaltendes Erzählen bestimmt; die Gesprächsteilnehmer sindjedoch nicht einfach so ins Erzählen geraten, sondern haben dabei auchWissensbestände und Erfahrungen ausgetauscht. Dazu gehört auch dieBekräftigung einer gemeinsamen Überzeugung – der Glaube an die Existenzmetaphysischer Kräfte.14 Diese Position, die ein Ausdruck des Selbstbild-nisses der Interaktionspartner, aber auch der Beziehung zwischen ihnen ist,wurde bereits im Laufe des Gesprächs entwickelt und auch in der vorange-gangenen Erzählung bestätigt. Um nun den erforderlichen Zusammenhang zudieser übergeordneten Gesprächssituation herzustellen bzw. die Relevanz zuverdeutlichen, um die Erzählung also als angemessen, kohärent und passendauszuweisen, genügt die komparative Anknüpfung an die vorausgegangeneErzählung, die der Vergleich mais ou menos isso como… leistet. Mit ihremimpliziten Versprechen, eine ähnliche Begebenheit zu erzählen, stellt dieSprecherin Kontinuität und Kohärenz sicher. Die Ähnlichkeit zur Geschichtedes Gesprächspartners liegt nicht, wie sich später zeigen wird, auf der Ebeneder Erzählpropositionen, wie es der Vergleich bei wörtlicher Interpretationnahezulegen scheint, sondern in der Ähnlichkeit der individuellen Erfahrungund Bewertung der Ereignisse. Damit steht die Erzählung in einemübergeordneten Handlungsschema „Demonstration geteilter Erfahrungen“.15

Der erste Teil der Ankündigung (agora passou se um caso…) steuertlokal die längere Beanspruchung des Rederechts, um Unterbrechungen bzw.den Verlust des Rederechts zu verhüten; er signalisiert, wer primärer Sprecherist und wem die Rederolle nach Unterbrechungen wieder zufällt. Zudemsichert dieser Teil der Ankündigung die Aufmerksamkeit des Hörers.16 Derzweite Teil ist eine Legitimation im übergeordneten Zusammenhang.

Die Ankündigung wird von der Form agora eingeleitet.17 QUASTHOFF, dieAnkündigungen bzw. meta-narrative Sätze zu den makrostrukturellen Gliede-rungssignalen rechnet, hat darauf hingewiesen, daß solche Äußerungen selbstoft durch Partikeln indiziert werden. Dabei sind die Abtönungspartikeln„nicht selbst als Gliederungssignale“ zu verstehen, sondern indizieren „denSignalcharakter von Gliederungssignalen“.18 Diese Duplizierung der Ankün-digung mag mit der Komplexität des Fokuswechsels zusammenhängen.

Agora trägt also hier nicht die wörtliche, adverbiale Bedeutung, sondernbezieht sich auf die Kommunikationssituation. Es signalisiert ein neuesThema; durch die initiative Markierung lenkt es die Aufmerksamkeit undErwartungshaltung der Interaktionspartner auf einen längeren Beitrag. Überdie Grundbedeutung der Partikel kann eine Art „kommunikative jetzt- 14 S. Fallbeispiel 2.15 Gülich (1980: 351).16 Vgl. auch Sacks (1971: 309f.).17 Zu agora erfolgen weiter Analysen in Kap. 6.4, S. 225.18 Quasthoff (1979: 47).

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Komponente“ angenommen werden: Da die Erzählung auf eine vorange-gangene des Gesprächspartners folgt, könnte agora implizieren, daß jetzt dieSprecherin an der Reihe ist, eine Begebenheit zu erzählen oder, was nochplausibler erscheint, daß ihre Erzählung jetzt beginnt.

Diese Konnotation schwingt auch im zweiten Vorkommen der Partikelmit: agora no Alentejo comigo (F. 4). Die Partikel agora wird in dieserErzählung wiederholt als initiatives Gliederungssignal verwendet, das mitgrößeren Übergängen bzw. Themenwechseln zusammenhängt undgleichzeitig die Aufmerksamkeit des Hörers steuert und das Rederecht fürlängere Zeit absichert.

Nun kommt die Sprecherin zu einer ersten Ortsangabe und weist sich alsProtagonistin aus (F. 4):

T: agora no Alentejo, comigo.

Erneut leistet agora eine Vorstrukturierung und Fokussierung. Mit diesemSignal kündigt Tia den „eigentlichen“ Beginn der Erzählung an, zumindesterwartbar ist nun der Wechsel zur Orientierung;: agora könnte den Wechselzur Binnenhandlung anzeigen. Für die Partikelverwendung gilt abermals, wasoben gesagt wurde: Es liegt nicht die wörtliche Bedeutung des Zeitadverbsvor, sondern ein interaktionsstrategisches Signal, das den Beginn eines neuen,größeren Strukturkomplexes, hier den Wechsel zur Binnenhandlung,vorwegnimmt. Agora zählt damit zu den einleitenden Gliederungspartikeln,die (auch) „globaler“ vorstrukturieren. Es ist Ausdruck der kognitivenPlanung und bietet eine Verstehensanweisung für den Hörer.

4.1.3.3 Die Phase der Orientierung

Tatsächlich beginnt nun die Orientierung, die sich bis F. 10 Mitte erstreckt.Bis zu diesem Zeitpunkt wird der Vorstellungsraum weiter ausdifferenziert.Dabei wendet sich die Sprecherin an den Hörer mit der Äußerung tu foste lá(F. 5), um das individuell-geteilte Wissen zu aktivieren. Zur weiterenErinnerung schildert Tia in einer etwas weitschweifigen Beschreibung dieörtlichen Verhältnisse. Hier also wird das Erlebnis räumlich situiert, nebenbeiwerden an der Handlung unmittelbar teilnehmende sowie unbeteiligte Perso-nen eingeführt (ihre Schwester und deren Sohn). Auffällig ist, wie dieSprecherin in F. 6/7 die Sprechgeschwindigkeit bei gleichzeitiger Senkungder Lautstärke steigert – ein Phänomen, das tendenziell bei der Wiedergabeweniger relevanter Informationen auftritt. Auch diese Suprasegmentaliaspielen haben also gesprächsorganisatorische Funktionen. Die Sprecherinwechselt nochmals die Binnenebene und verweist auf die Wohnung vonPereira (F. 8: como tu tens ali, gemeint ist Pereiras Ausbau des Dachstuhls),um über die Referenz auf Bekanntes eine Vorstellung von der geschildertenSituation zu ermöglichen.

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Der Konnektor e erscheint innerhalb der orientierenden Expansionen(F. 7/8) jeweils als Einleitung einer für den Handlungsstrang (relativ) wich-tigen Information. In F. 7 liegt es in gedehnter Artikulation vor, könnte indieser Variante also auch Überbrückungsfunktion haben. Beide Vorkommensind mit einem Subjektwechsel verbunden; der durch e markierte Sprechaktscheint für die Erzählung relevanter als der vorangegangene; er bezieht sichjeweils auf konkrete Handlungen der Binnenhandlung, kommt also nichtsolchen Expansionen vor, die nur Bewertungen oder Kommentare enthalten.

Als an den Hörer gerichtetes Signal erscheint in dieser Phase der Orien-tierung die Nachziehfrage não é. In F. 6 ist sie durch die steigende Intonationals solche auszumachen (a vivenda não é?), dann erfolgt allerdings einAbbruch. In F. 8 schließt sie sich an den Hinweis auf Pereiras Wohnung an:como tu tens ali não é.19 Wie PINILLA (1993) herausgestellt hat, ist dieSprechererwartung einer Zustimmung durch den Hörer sehr stark. In vielenFällen geht der Sprecher m. E. sogar davon aus, daß es eigentlich keinenEinspruch gegen seine Äußerung geben dürfte, wie hier in F. 8: Was solltePereira auch (inhaltlich) dagegen sagen können, daß sein Dachboden aus-gebaut ist. Die Partikel steht vielmehr im Zusammenhang mit einem Appellan g e m e i n s a m e s W i s s e n , das relevant für die Kommunikationgeworden ist. Gleichzeitig hat es durch seine Position gliedernde Funktion,die hier auch abschließend ist: não é beendet den kurzzeitigen Wechsel derPerspektive bzw. die kurzfristige Orientierung auf die aktuelle Sprech-situation. Não é kann als hörergerichtetes, situationsbezogenes und rück-stufendes Kooperationssignal, das auf gemeinsames Wissen verweist,gedeutet werden.

In F. 9 erscheint der feststehende Begriff quer dizer. Er bildet einphonetisches Wort, was dafür spricht, ihn wie eine Partikel zu behandeln.Quer dizer dient der Signalisierung einer Selbstkorrektur bzw. der Über-brückung nach dem Abbruch einer Konstruktion und ist damit Spur derFormulierungsarbeit. Der folgende Zug, a parte toda da vivenda é a casa damãe bringt die Orientierung zum Schluß. Ob quer dizer damit automatischauch zurückstufend ist, wäre zu überprüfen.

4.1.3.4 Gliederung der Komplikation

In der Komplikationsphase des Beitrags erscheinen eine Reihe von gliedern-den und gesprächssteuernden Signalen, die im folgenden angesprochen wer-den. Im ganzen Abschnitt ist auffällig, daß wenig logische Konnektoren ver-

19 Scotti-Rosin (1983: 17) hat das Schlußsignal não é v. a. in den spontanen Dialogen

festgestellt; es tritt auch nach seinen Beobachtungen nicht nur in echten Fragesätzen,sondern auch in rhetorischen Fragen und in Aussagesätzen sowie turnintern auf. Vgl.auch hierzu nochmals die Besprechung von Pinilla (1993), Kap. 1.2.

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wendet werden, als Element der Verknüpfung jedoch e besonders häufigerscheint. Auf e möchte ich als erstes genauer eingehen. Nach einer langenPause von 3 Sekunden kommt die Sprecherin in F. 10ff. zu den relevantenEreignissen und damit zur Komplikation; mit der Darstellung einer erstenHandlungssequenz leitet sie die eigentliche Geschichte ein:20

T: [3 s.] e eu fui lá passar um dia com ela, [2s] e cheguei lá =eh e vejo, . . o lava-louça . .stava . entupido. [2s]

Das erste Vorkommen des Konnektors e nach der Pause unterscheidetsich funktional von den zwei folgenden, die auf die zeitliche Abfolge vonTeilhandlungen innerhalb der Binnenhandlung bezogen sind. In der erst-genannten Verwendung liegt weder ein temporal-sequentielles e vor, das aufdie chronologische Reihung von zeitlich aufeinanderfolgenden Ereignissenbezogen wäre, noch eine logisch-inhaltliche Anknüpfung zur unmittelbarvorangegangenen Aktivität, wenn auch Referenzobjekte der vorigenÄußerung in der e-Äußerung durch das deiktische lá aufgegriffen werden.Die Partikel markiert vielmehr einen Zug, mit welchem die Sprecherin zumrelevanten Handlungsstrang der Binnenebene übergeht und damit an dieEbene anknüpft, die mit agora no Alentejo comigo eröffnet wurde. DieSprechpause davor spielt für die Gliederung natürlich ebenfalls eine wichtigeRolle. Mit e wir häufig nach Einschüben an den unterbrochenen Erzählstrangangeknüpft21, meist, wie in F. 10, verbunden mit Subjektwechsel. In F. 14(ähnlich auch in F. 17) knüpft der Konnektor ebenfalls nach einer kurzenAbschweifung an den weiteren Verlauf der Handlung an. Auch hier geht eine

20 Die ‘Geschichte’ stellt sich in Kürze wie folgt dar: Die Protagonistin entdeckt in der Woh-

nung ihrer Schwester Maria, daß die Geschirrspülmaschine nicht gebrauchsfähig ist, dader Abfluß verstopft ist. Darüber und über den Zustand weiterer sanitärer Einrichtungen,hat sich bereits eine weitere Schwester beschwert. Maria indes scheint sich schon an denZustand gewöhnt zu haben und kümmert sich nicht weiter um die Reparatur. (Dies wird indrei szenisch wiedergegebenen Dialogwechseln wiedergegeben.) Als erstes richtet Tiaden Wasserhahn im Bad. Als sie sich daran macht, die Geschirrspülmaschine zu reparie-ren, prophezeit ihr die Schwester, daß ihr dies nicht gelingen wird. Nachdem sie alleRohre ausgebaut hat und alles gründlich gereinigt hat, muß Tia feststellen, daß das Wasserdann nicht abfließt, wenn die Rohre montiert sind, ansonsten aber schon. Hier scheint esnicht mit rechten Dingen zuzugehen. Schließlich ruft die Protagonistin ihren verstorbenenMann um Hilfe an. (Hier schaltet sich der Hörer ein, und erzählt, daß er manchmal seinenverstorbenen Vater um Hilfe bittet, wenn er ein unlösbares Problem vor sich hat. Danngreift die Erzählerin nochmals zurück und faßt die Komplikation unter dem Aspekt derUnbegreiflichkeit zusammen.) Als Tia nach vergeblichen Reinigungsaktionen ihreSchwester schließlich schon um kochend heißes Wasser gebeten hat, fließt das Wasser,nach der ‘Anrufung’ ihres Mannes, auf einmal ab.

21 Hier lassen sich Parallelen zu sp. y und fr. et aufweisen. Christl (1991: 105) hat für dasErzählsignal y gezeigt, daß es meist mit Subjektwechsel einhergeht und die Erzählung inkleinere Abschnitte gliedert; durch seinen reihenden Charakter trägt es zur Aufrecht-erhaltung des Erzählflusses bei.

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längere Pause voraus. Die Konjunktion e + Pause ist ein (Erzähl-)Signal desWiederanknüpfens und stuft die folgende Sprechhandlung in bezug auf ihrenRelevanzgrad hoch.

In F. 10/11 hat e eher rein reihende Funktion (e eu fui lá… e cheguei lá…e vejo). Auffällig ist der Tempuswechsel, der hier trotz der engen Reihungstattfindet; die letzte dargestellte Handlung, in der die Sprecherin Präsensverwendet, ist die komplikationsrelevanteste. Fast alle Segmente in diesemAbschnitt der Komplikation werden, wenn sie nicht Teil der wörtlichen Redesind, mit e eingeleitet.

Dafür erscheinen wenig andere reihende Konnektoren wie etwa pois,depois, então (s. u.). Hingegen wird e regelmäßig auch als Eröffnungssignalder Redeeinleitung verwendet. Die Redewiedergabe erfolgt in der für konver-sationelles Erzählen typischen Form der direkten, szenisch vorgeführtenRede. Der nachahmenden Intonation, welche die einzelnen dargestelltenBeiträge einmal von den Redeeinleitungen und zum zweiten untereinanderabhebt, kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu. Während dieRedeeinleitungen jeweils mit e initiiert werden, leitet die Sprecherin diereferierten Gesprächsbeiträge selbst in Form eines Minidialogs mit anderenSignalen, vornehmlich Modalpartikeln ein. Dadurch wird der szenischeCharakter noch unterstrichen.

Betrachten wir die erste Darstellung eines Dialogs in F. 13 unter Berück-sichtigung der Intonation:

T:>------- ↑ < < < < < /\ ↓e eu digo assim, ó Maria . . mas tens isto tudo entupido, . . . e ela pois tenho

13

Durch den Konnektor e wird die Sprechaktivität auf der Binnenebenemarkiert bzw. die Redeeinleitung selbst eingeleitet und dadurch derSprecherwechsel verdeutlicht, mit assim bei leicht fallender Intonation wirdsie ausgeleitet. Mit der Darstellung einer Ansprache (ó Maria), die lautausgesprochen wird, beginnt die referierte Äußerung, auch hier sinkt der Tonleicht ab. Die weitere fiktive Rede erfolgt in extrem hohe Tonlage beiverlangsamtem Sprechtempo und mit einer singenden Modulation; dieIntonation ist steigend-fallend. Die Äußerung wird mit der Modalpartikel mas„abgetönt“. Das nächste Segment, e ela, wieder in normaler Tonlageartikuliert, manifestiert die Rückkehr von der Redewiedergabe zur Darstel-lung des Ereignisstroms und verweist darauf, wer als nächstes auf derBinnenebene sprechen wird. Geht man davon aus, daß in den Redewieder-gaben nur für die Komplikation relevante Handlungen wiedergegeben wer-den, so läßt sich auch hier belegen, daß e Äußerungen einleitet, die für denErzählinhalt besonders relevante Diskursschritte darstellen. Entscheidend fürden Gebrauch von e ist also, daß ein Sprecherwechsel innerhalb der Ge-schichte dargestellt wird und die Ebenen Fiktion–Darstellung getrenntwerden, daß aber zwei Handlungen, die der gleichen Erzählebene angehören

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und zeitlich aufeinander folgen, aneinandergereiht werden.22 In F. 17 fälltauf, daß der Konnektor in die Korrektur miteingebaut wird:

Die Verkürzung der Redeeinleitung auf ein Eröffnungssignal und die Pro-form (e ela etc.) tritt übrigens bei der szenischen Wiedergabe von Dialogensehr häufig auf; einerseits könnte dies damit erklärt werden, daß dieVorskizzierung des Dialogs bereits mit der ersten Redeeinleitung ausreichenddeutlich gemacht wurde, und nun nur noch der Hinweis: „Wer spricht?“ undder Sprecherwechsel manifestiert werden muß. Zum zweiten rücken dadurchjedoch auch die Dialogbeiträge selbst näher zusammen, was der Dramatik zuGute kommt. Nicht einmal die einleitende Konjunktion ist obligat, da dasPronomen auch als einziges Element die Redeeinleitung erscheint.23

4.1.3.5 Zwischenergebnis: Funktionen von „e“

Der Konnektor e verknüpft Handlungen der gleichen Raum-Zeit-Dimensionoder signalisiert die gleiche Relevanzebene. Konnexionen mit e signalisieren,dass der Erzählfluß aufrechterhalten wird. Somit unterstützt e die kognitiveVerarbeitung des Erzählmusters. Neben der konnektierenden Funktion (an-oder verknüpfend) ist e aufmerksamkeitssteuernd. Als Eröffnungssignal vonRedeeinleitungen ist e sehr produktiv, erscheint aber nicht in der direktenRede selbst.

Nach längeren Pausen –in der Tat scheint die Kombination mit Schweige-phasen für die Funktionsdifferenzierung eine Rolle zu spielen – leitet es häu-fig Diskursabschnitte ein, die eine Rückkehr zur Binnenhandlung bedeuten.Dabei könnte es auch der Funktion dienen, das Rederecht weiter zu beanspru-chen, und sichert dadurch die Fortsetzung der Rede. Durch seine häufige Ver-wendung, auch nach langen Pausen, trägt es zum Fortschreiten der (Erzähl-)Handlung bei. Damit signalisiert es die Aufrechterhaltung des Fokus („esgeht weiter“).

Außerdem hat e einen reihenden, kontinuativen Aspekt innerhalb derBinnenhandlung, wenn es kürzere Diskursschritte segmentiert. Zeitlich auf-einanderfolgende Aktivitäten im Ereignisstrom der Geschichte werden somitchronologisiert. Als sehr universeller produktiver Verknüpfer muß e jedochals relativ „leer“ gelten. Im Einzelfall ist zu entscheiden, ob e die Relevanzder Information für die Erzählung signalisiert oder nur reihenden oderüberbrückenden Charakter hat.

22 Sehr häufig habe ich in der Jugendsprache im Deutschen die szenische Dialogdarstellung

nach dem Muster „Und ich so… und er so…“ beobachtet.23 Vgl. auch Beispiel 12 (s. u.), wo in der letzten Redewiedergabe nur noch durch ein ele

angezeigt wird, wer spricht.

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4.1.3.6 Weitere Signale in der Komplikation

Es wurde bereits auf die Signale, die zu Beginn der wörtlichen Rede stehen,hingewiesen, vgl. etwa ó + Namensanrede in F. 13. Dort bringt auch mas, dasdem Ausdruck der nicht-erfüllten Erwartung dient, im Zusammenspiel mitder steigend-fallenden Intonation eine erstaunte Sprecherhaltung zumAusdruck. Viele andere Modalpartikeln und Gliederungssignale werden inder szenischen Redewiedergabe verwendet, so in F. 18 eine Häufung vonSignalen:

T:. ah isso ficou mal feito e tal ecetera eh . desculpe mas então, isso ficou mal feito.

oder in F. 15/16 eine typische Kombination mit olha:T: olha lá . a Maria tem as coisas os canos todos entupidos,

Die Verwendung dieser Formen macht die szenische Rede lebendig undindiziert eine emotionale Ausdeutung der jeweils dargestellten Situation bzw.typisiert entsprechende Haltungen der Protagonisten.

In F. 20/21 erscheinen zwei Nachziehfragen:T: vou para a casa de banho e consegui . arranjar . . a torneira. [2 s] estava/ era ofiltrozinho da torneira não é . que estava entupido, . . desenrosquei e tás a ver e laveiaquilo e digo

Der Tag não é dient hier der Evidenzmarkierung: Daß der Filter dieUrsache für die Verstopfung war, wird hier zwar zum ersten Mal erwähnt,erscheint aber nicht besonders überraschend; d. h., die Sprecherin geht davonaus, daß es dem Hörer sofort einleuchtet, daß es sich um den Filter handelnmußte. Ebenfalls wichtig für den Gebrauch von não é ist die Art des Sprech-akts: Mit der Erklärung hat die Sprecherin die Perspektive zur aktuellenSprechsituation gewechselt; diese Rückkehr zum Hörer und die damit zusam-menhängende Absicherung des Verständnisses manifestiert sich in der hörer-bezogenen Nachziehfrage. Dabei wird auch gleichzeitig ein rückstufendesSignal gesetzt, denn danach wechselt die Sprecherin wieder zur Schilderungihrer Handlungen, die für sie relevanter zu sein scheinen als die Darstellungder Ursache der Verstopfung.

Die Nachziehfrage estás a ver – zumindest deutet mein Korpus darauf hin– ist wesentlich seltener als não é (weiter unten nochmals in F. 38: ‘tás a vero que é.). An dieser Stelle beschreibt die Sprecherin komplikationsauflösendeAktivitäten auf der Erzählebene, das Signal ‘tás a ver segmentiert dabei zweiEinzelaktivitäten. Die Nachziehfrage steht also hier mit einer Fokusfort-setzung in Verbindung; damit ist sie v. a. auch ein Signal, das die Aufmerk-samkeit des Hörers einfordert und das Verstehen absichert. Thematisch spielteine Rolle, daß die Reparaturen, die die Protagonistin an den Geräten ausge-führt hat, solche sind, die man normalerweise eben durchführt, wenn ein Lei-tungsrohr verstopft sind, die also erwartbar sind. Die Nachziehfragen hängenmit der Evokation bestimmter Wissensmuster zusammen (s. u.).

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Nun kommt die Erzählerin in F. 21/22 zu einem zweiten Teil ihrerErzählung. Fokusabwahl und -anwahl manifestiert sie folgendermaßen:

T: esta já tá, . é a primeira, . esta é a primeira.. . agora vou . . para o lava-louça não é olava-louça /

Die Abwahl está é a primeira steht in einer interessanten Doppelfunktion,denn die Sprecherin gibt damit nicht nur eine Rede auf der Ebene derBinnenhandlung wieder, sondern unterstreicht, daß eine Teilauflösung desgeschilderten Problems erfolgt ist und weist somit den vorangegangenen Teilals ersten Abschnitt ihrer Erzählung aus. Mit a primeira, zumal durch dieWiederholung, liegt also eine Art Schlußmarker vor, der zurückstufend wirkt.Gleichzeitig wird die Orientierung auf einen weiteren Themenkomplexvorweggenommen, denn a primeira präsupponiert, daß uma segunda erfolgt,zumal ja auch noch nicht alle Komplikationen aufgelöst sind. Die Verwen-dung der Partikel agora markiert auf ähnliche Weise wie in der Orientierungdie Hinwendung zu diesem neuen (Teil-)Fokus, zum Beginn des zweitengrößeren Erzählabschnitts. Innerhalb der Binnenhandlung wird ein zweiterTeil der Komplikation eingeleitet. Auch hier wird also einem größeren Kom-plex auf der Sachverhaltsebene vorgegriffen bzw. der Fokus auf einen neuenThemenabschnitt gelenkt. Mit não é knüpft die Sprecherin an bereits Be-sprochenes an: die Geschirrspülmaschine ist auch verstopft, worauf sievorher (F. 11) bereits hingewiesen hatte, damit wird der Gesamtfokus derErzählung aufrechterhalten. Die Partikel não é scheint häufiger zu indizieren,daß das Gesagte offensichtlich, bekannt oder evident ist. Die appellativeFunktion der Nachziehfrage hängt hier mit einer Erinnerung an bereits Ge-sagtes zusammen.

Dieser zweite Teil der Erzählung ist in der ersten Hälfte inhaltlich durchmehrere erklärende Expansionen24 geprägt, was insbesondere für die Anwen-dungsmanifestation auf der Ebene der Gesprächssteuerung Konsequenzenhat: Die Sprecherin muß verstärkt Verstehen absichern, da ein komplizierterSachverhalt zu erläutern ist. Dies schlägt sich sprachlich vor allem im Ge-brauch von weiteren Nachziehfragen nieder. Auffällig ist die Häufigkeit vonnão é in den erklärenden oder beschreibenden Passagen; hingegen erscheintes hier in dieser Erzählung nicht in bewertenden Sequenzen. Bei der Be-schreibung der Zustände, welche die Komplikation ausgelöst haben, erscheintes besonders wichtig, das Verständnis über die Inhalte abzusichern oder demHörer die Möglichkeit zu geben, wegen Unstimmigkeiten oder Inkongru-enzen einzugreifen zu können. Die Funktion der Partikel ist wohl weniger,mögliche Zweifel – wie in echten Tendenzfragen mögliche Zweifel amZutreffen der Aussage – auszuschließen, denn in der Erzählung weiß die

24 Expansionen sind nicht-narrative Sequenzen wie Erklärungen oder Kommentare (vgl.

Quasthoff 1980: 91) auf der Ebene der Verständnissicherung. Zuhörerbezogene Hinweisedienen der Herstellung eines „gemeinsamen Vorstellungsraumes“ (Rehbein, 1980: 85).

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Sprecherin ja, wovon sie spricht. Nicht so der Hörer: Ihm muß die Geschichteplausibel gemacht werden. Não é ist daher eine Art Plausibilitätssignal. DerSprecher zeigt mit não é jedoch auch noch an, daß Möglichkeiten zurBedeutungsaushandlung gegeben sind. D. h., der Hörer hat nach não é dieMöglichkeit, eine Rückmeldung zu geben oder einzugreifen, zumindest wennnão é als Schlußsignal verwendet wird. Bei besonders häufigem Gebrauchkann sich die verständnisabsichernde Funktion auch abnützen; dann ist não énur noch ein (stereotyper) Marker für Reziprozität, der entlastende Funktionhat. Der Hörer kann genauso stereotyp sein Zuhören mit einer Rückmeldungnach não é anzeigen, somit die von Sprecherseite manifestierte Aushand-lungsbereitschaft durch eine Zustimmung honorieren. Jedenfalls dürfte não émit einer entsprechenden assertierenden Rückmeldung ein metakommuni-katives Nachbarschaftspaar bilden.

Neben não é (F. 29 und 33) erscheinen não era (F. 37), não é verdade(F. 38) und tás a ver o que é (F. 38). Auch hier steht die Intention imVordergrund, die geschilderten Aktivitäten plausibel darzustellen, vielleicht,um die unglaubwürdigen Geschehnisse der Komplikation glaubwürdig zumachen. Die Protagonistin hat getan, was man „normalerweise“ macht, hatalle Möglichkeiten ausgeschöpft: Sie hat das Rohr gesäubert (desenrosqueiaquilo tudo não é, F. 29), gut gewaschen (lavei-o muito bem lavado não é,F. 33), bevor sie Wasser durchließ, wurde es ordnungsgemäß angebracht(ligava aqui não era, F. 37). Auch hier liegen also jeweils erklärende Einzel-aktivitäten vor. Die tags in F. 20 und F. 29 stehen in Zügen, die in Relationzum vorigen Zug jeweils einen Sprung zwischen unterschiedlichen Zeitper-spektiven aufweisen, was mit dem Wechsel zwischen verschiedenen Einzel-aktivitäten bzw. Perspektiven zusammenhängt: In F. 20 wechselt die Spre-cherin von der Darstellung einer Aktivität auf der Binnenebene im Ereignis-kontinuum (consegui arranjar…) zu einer Erklärung für den Partner (era ofiltrozinho não é), in F. 29 von der Darstellung einer Aktivität im Ereignis-strom (eu tiro aquilo) zu einem Rückgriff (desenrosquei aquilo tudo não é).

Zwischendurch richtet die Erzählerin mehrmals ihre Äußerungen explizitan den Hörer, entweder mit einer direkten Namensansprache wie olhaPereira (F. 25) oder ó Pereira (F. 41), oder in Ansprachen wie vê lá se tupercebes isto (F. 32) und talvez não acredites (F. 23). Diese Ansprachen, diejeweils mit einer Partikel eingeleitet werden, haben durch ihre Positioneinerseits und durch ihre Expressivität andererseits aufmerksamkeits-steuernde und gliedernde Funktionen. Sie unterstützen diskursive Einschnitteinnerhalb der Erzählung und markieren u. U. Relevanzhochstufungen. Sogeht die Sprecherin nach olha Pereira in F. 25 dazu über, diejenigen Ereig-nisse bzw. Handlungen darzustellen, die zur Auflösung des geschildertenProblems führen. Der aufmerksamkeitssteuernde Charakter von olha in Ver-bindung mit der namentlichen Ansprache wirkt gleichzeitig spannungs-

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erhöhend. Auf die Funktionen dieses vielseitigen Signals soll in einemeigenen Kapitel noch ausführlich eingegangen werden.

Die Ansprache ó Pereira leitet jeweils eine evaluierende Äußerung ein(F. 30, 41). Bei ó + Anrede handelt es sich um ein Kontakt- undEröffnungssignal mit verschiedenen Funktionen: Es rekurriert nicht nurexplizit auf den Hörer, sondern markiert auch Brüche in der Geschichte unddient der emotionalen Ausdeutung der Situation. So beginnt in F. 30 nachdem bisherigen normalen Verlauf des zweiten Teils der Geschichte, sich eineüberraschende Wendung abzuzeichnen: Trotz der Reinigung des Rohrs läuftdas Wasser bei seiner Montage nicht ab, ohne Rohr jedoch schon. Dieseunerwartete Wendung kommentiert Tia mit ó Pereira há coisas giras; die andie reale Sprechsituation gebundene Ansprache lokalisiert die folgendeÄußerung als evaluierende Expansion. Die modale Funktion ergibt sich ausder Expressivität des interjektionalen Musters, aber auch aus der Stellunginnerhalb der Sequenzierung. Daß ó + Ansprache auch mit einer Relevanz-hochstufung zusammenhängt, wird durch die sich steigernde Lautstärke inder folgenden Äußerung unterstützt.

Mit den personaldeiktisch markierten Parenthesen wie vê lá se tupercebes isto (F. 32) oder talvez não acredites (F. 23), die turn-internerscheinen, kommentiert die Sprecherin die geschilderten Ereignisse; damitwechselt sie von der Ebene der Binnenhandlung ebenfalls kurzzeitig zuraktuellen Situation und der Ausdeutung des Erzählten. Perspektivisch wirddabei eine mögliche Einstellung des Hörers antizipiert bzw. Überein-stimmung bei der emotionalen Ausdeutung der Situation angestrebt. In derInteraktion gehören also auch die (emotionalen) Regeln und Bewertungs-maßstäbe zum gemeinsamen Relevanzsystem, das wechselseitig aufgezeigtund abgesichert werden muß. Es hängt allerdings vom Kontext ab, ob nachsolchen hörergerichteten Einwürfen tatsächlich für den Gesprächspartner dieMöglichkeit besteht, sich einzuschalten. Zumindest ist eine Appellfunktionlatent, wenn auch die Funktion der Bewertung vielleicht im Vordergrundsteht. In den genannten Beispielen etwa wird speziell die Außergewöhnlich-keit des Dargestellten hervorgehoben. Solche Bewertungsexpansionen dienenv. a. der emotionalen Typisierung der Situation unter gleichzeitigerEinbeziehung des Hörers. Je nach Ko- und Kontext müssen ihre Funktionenjedoch genauer untersucht werden. Möglich ist hier z. B. auch, daß dieSprecherin selbst die emotionale Kommentierung übernimmt, weil der Hörernicht entsprechend reagiert.

Festzuhalten ist, daß es sich sowohl bei den Nachziehfragen als auch beiden anderen genannten, explizit hörergerichteten Steuerungsmitteln nicht umrein erzähltypische Signale handelt. Außerdem tritt die wörtliche Funktion,also etwa die Aufforderung zur expliziten Bestätigung, hinter einer redeor-ganisierenden Funktion zurück. Beide Arten von Anwendungsstrukturen kön-nen z. B. auch in argumentativen Kontexten die lokale Gesprächsorganisation

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unterstützen, die Absicherung der gemeinsamen Gesprächsbasis manife-stieren sowie bestimmte Sprecherabsichten oder Einstellungen verdeutlichen.Für das Sachverhaltsschema „Erzählen“ sind jedoch die interjektionalenPartikeln in der Darstellung der szenischen Redewiedergabe konstitutiv,ebenso wie initiative Gliederungssignale und Modalpartikeln, die, unterstütztvon einer nachahmenden Intonation, zur unmittelbaren Wirkung derDialogrepräsentation beisteuern.

Die Formen olha und ó verwendet die Sprecherin auch als Eröffnungs-signale innerhalb der direkten Redewiedergabe (F. 13, 21, 42). Dort erfüllensie ebenfalls modale Funktion – sie verleihen der verkürzten und typisie-renden Darstellung der erlebten Dialoge einen situationsechten Charakter unddamit Authentizität; gleichzeitig signalisieren sie den Beginn des Beitragsjeweils eines der an der fiktiven Interaktion beteiligten Agenten (s.o.).Andere Kombinationen wie olha lá (F. 15), das hier sehr verschliffen reali-siert wird, oder das Gliederungssignal ah (F. 18) sowie Modalpartikeln, auchin Kombinationen (então mas, F. 17) oder olha ohne Anrede (F. 24) werdenentsprechend in der direkten Redewiedergabe verwendet.

In F. 32 erscheint die Modalpartikelkombination então mas als Einleitungeines Fragezugs, der die Expansion abbricht; diese wird erst wieder in F. 35thematisch, aber oberflächenstrukturell verändert, aufgenommen. Die Frage,nicht ausformuliert, greift die Zuspitzung der Komplikation wieder auf, nunjedoch unter dem Aspekt einer emotionalen Ausdeutung. Die beiden Parti-keln in dieser Kombination sind vergleichbar mit der deutschen Modalpar-tikel aber doch in erstaunten Fragen. Die Partikel então knüpft an gemein-sames Wissen bzw. zuvor Besprochenes an; mas impliziert konventionelleinen Widerspruch, hier interpretierbar z. B. als Widerspruch zwischen einemallgemeinen Erfahrungswert, der auf das Relevanzsystem der Sprecherin (undihres Partners) basiert, und der davon abweichenden Erfahrung, die nungemacht wird. Die Modalpartikeln unterstützen hier die Typisierung derSituation im Hinblick auf Emotionen. Ein zweites Mal erscheint die Modal-partikel mas in der exklamativen Äußerung in F. 40/41. In diesem Zugzentriert sich nach den vorher nach Erklärung suchenden Fragen die Bewer-tung der Kernkomplikation der Erzählung und es wird der Erkenntnis vorge-griffen, daß es sich bei den Vorgängen – nach dem Ausschalten aller logi-schen Erklärungen – um ein ganz seltsames Phänomen handeln muß.25 DiePartikel dient auch hier, als Teil des Phraseologismus mas que raio, demAusdruck der Einstellungen, indem die emotionale Situation, in der sich dieSprecherin damals befunden hat, verdeutlicht wird. Mittels dieser stark affek-tiven Wendung mas que raio verdeutlicht die Sprecherin ihre Kapitulationvor dem Problem. Wenn eine solche emphatische, ideomatische Wendung

25 In etwa interpretiertbar als „Ja wenn ich aber doch das Rohr gründlich gereinigt habe,

warum fließt dann immer noch kein Wasser durch?“

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typisch für diese Stelle der Erzählung ist, kann sich der Hörer bereits daraufeinrichten, daß die Auflösung naht.

Als Schlußsignal einer ausführlichen Erklärung (F. 33–35) erscheint diePartikel pronto:

T: até na banheira da casa / na casa de banho na banheira, . lavei aquilo tudo porqueaquilo estava tudo obstruído ‘tava tudo . pront’ . tava mesmo entupido

Pronto, im allgemeinen als Überbrückungs-, Korrektur- oder resümie-rendes Schlußsignal verwendet, dient als Hinweis darauf, daß der Sprechersofort die unmittelbar vorausgegangene Handlung abschließen, abkürzenoder auf den Punkt bringen möchte, um thematisch wieder an eine relevan-tere Ebene anzuknüpfen; pronto ist damit ein Signal der Relevanz-Rück-stufung. So steht die Partikel in F. 35 im Zusammenhang mit einer Abschwei-fung in der Schilderung der Reinigungsprozedur, in einer Begründung, dieredundant ist: porque estava tudo obstruído ist als Faktum hier schon längstbekannt; die Sprecherin setzt zur Ausweitung dieser Expansion an mit tavatudo, unterbricht dann jedoch, zögert kurz, fährt mit pronto und abermaligemkurzem Zögern fort und schließt mit tava mesmo entupido die Expansion ab.Pronto ist hier Verzögerungsphänomen und in eine retardierende Pausen-struktur eingebunden. Mit pronto wird aber wohl auch schon vorwegge-nommen, daß eine Zusammenfassung oder Abkürzung der begonnenenExpansion erfolgt und der momentane Fokusaspekt abgewählt wird.

In der Komplikation sei zuletzt nochmals auf einige Nachziehfragen, undzwar unter dem Aspekt des Fortsetzungsrasters, eingegangen (F. 37ff.):

T: /se eu deitava água e aquilo era/ eu tinha que ir ligar vinha dalí e ligava aqui não era

37

T:

P:

/\ > > > > > > > > > > > > >à parede, . porque tem/ depois vai para baixo não é verdade, . . tás a ver o que é,

mhm38

T:

P:

\ <-----/ – > > > – o que vai ao sifão. eu . aquí deitava água aquí . . .. ou se for assim . .>--- >---------vejo vejo vejo.

39Die Nachziehfragen não era und não é verdade sind, wie wir oben

gesehen haben, nicht immer wörtlich zu interpretieren, verlangen nichtzwangsweise eine Antwort im Sinn einer inhaltlichen Zustimmung; die wirdoft vorausgesetzt. Allerdings will die Sprecherin das Verstehen abgesicherthaben. Auch hier wieder stehen die tags in Verbindung mit sachbezogenen,erklärenden, beschreibenden Äußerungen. Nao é schließt sich an eine Hand-lung auf der Binnenebene, não é verdade an eine Schilderung der technischen

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Beschaffenheit der Spülmaschine an. Es gilt, was oben bereits gesagt wurde:Nicht der Sachverhalt steht zur Disposition, sondern die Versicherung, daßdas Gesagte zum gemeinsamen Relevanzsystem gehört und plausibel,evident, glaubwürdig etc. erscheint. Die Schilderung der technischen Seitescheint der Sprecherin insgesamt ziemlich wichtig zu sein; dadurch läßt siedurchblicken, daß sie den Mechanismus des Gerätes erkannt hat und sich mitdem Problem auseinandergesetzt hat. Dies steigert ihre Glaubwürdigkeit auchals Erzählerin. Ihre ausführliche Schilderung unterliegt also bestimmtenStrategien: Glaubwürdigkeit zu erzeugen, damit ihr auch trotz der Nicht-Plausibilität der Komplikation geglaubt wird. Die Betonung der Verkompli-zierung des Sachverhaltes soll vielleicht auch eine spannungssteigerndeWirkung erzeugen. Einerseits ist also die Absicherung der Inhalte durch dieNachziehfragen, aber auch durch die echte hörergerichtete Verständnisfragetás a ver…in Zusammenhang mit dieser Glaubwürdigkeitsstrategie zu sehen.

Andererseits scheint auch eine weitere Funktion vorzuliegen: Auffällig istdie Häufung der Nachziehfragen, die in ihrer Struktur immer expansiverwerden. Dies mag daran liegen, daß der Hörer keine Rückmeldungen gibt.Erst auf die letzte Frage in F. 38 reagiert Pereira mit einer Rückmeldung,mhm vejo … vejo vejo. Im ersten Teil hatte Tias Gesprächspartner Pereirakaum Rückmeldungen gegeben oder eigene Aktivitäten in Gang gesetzt, wasim Vergleich zu den anderen Erzählungen durchaus auffällig ist. Nicht einmaldie langen Pausen im Redefluß der Erzählerin (F. 10, 11, 12, 14, 15, 17, 20)hat Pereira genutzt, um sich zu äußern. Im zweiten Teil unterstützt Pereira inF. 25/26 die Sprecherin bei einer Wortfindung; dann reagiert er, in den Passa-gen, in denen Tia den Sachverhalt erklären muß, verstärkt mit Rückmelde-signalen wie pois é (F. 26), pois (F. 28), mhm (F. 31), und hier mit derWiederholung des Prädikats; damit zeigt er, daß er dem Gespräch folgt. Mankann also davon ausgehen, daß manche Nachziehfragen tatsächlich auch einFortsetzungsraster eröffnen, in denen eine rückmeldende Bestätigung derpräferierte Antwortzug ist. (Auf Rückmeldungen speziell geht dieUntersuchung des zweiten Fallbeispiels noch genauer ein, ab S. 98)

4.1.3.7 Auflösung

Der letzte Teil der Erzählung, die Auflösung der Komplikation, beginnt sichschon in F. 41 abzuzeichnen.26 In F. 39/40 hatte die Sprecherin nochmals dieKernkomplikation wiederholt, die sie mit mas que raio affektiv bewertete.Der Ereignisschritt, der zur Auflösung führen soll, ist die Bitte um Hilfe vonihrem verstorbenen Mann. Diese Bitte schildert die Sprecherin zuerst in lei-

26 Es hatte im ersten Teil bereits eine Teilauflösung gegeben, die allerdings nichts mit dem

‘Knackpunkt’ der Erzählung, der Hilfe durch übernatürliche Kräfte, zu tun hatte.

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sem Tonfall (F. 41, pedia, pedia27). Vor der wörtlichen Wiedergabe versichertsie dem Hörer die Authentizität des Geschehens, wobei sie ihn direkt an-spricht (ó Pereira). Hier untermauert sie ihre Glaubwürdigkeit also explizit.Es scheint sich immer mehr herauszukristallisieren, daß die hörergerichtetenSteuerungssignale mit interaktionalen Kategorien wie „gemeinsamesWissen“, „Plausibilität“, „Evidenz“ bzw. mit entsprechenden Glaubwürdig-keitsstrategien in Verbindung stehen.

In der Auflösungsphase werden – abgesehen von den Gliederungs-signalen pois und então – nur wenig Diskurspartikeln verwendet; zweimalnoch erscheinen tags (F. 53 u. 54), und die direkten Reden weisen Modal-partikeln auf. In der Darstellung der Aufforderungshandlung, die an ihreSchwester gerichtet ist, verwendet Tia die für solche Sprechakte typischeModalpartikel ai, die etwa dem dt. doch mal entspricht. Der Sprechakt, mitdem die Auflösung sich vollzieht, wird von einer auffälligen nonverbalenGeste begleitet, dem Händeklatschen.

Noch vor der Auflösung jedoch läßt sich die Erzählerin unterbrechen; esfolgt ein kurzer Sprecherwechsel, eine Nebensequenz (F. 42/43): Pereiraübernimmt auf das Lachen der Gesprächspartnerin hin den Turn, und berich-tet, daß er sich in ähnlichen Situationen genauso verhält; hier wird wieder dieGemeinsamkeit der Erfahrung demonstriert. Dies kommentiert Tia mit derRückmeldung olha é verdade (F. 43), das sie sehr schnell ausspricht. Pereirabedient sich der szenischen Redewiedergabe eines Minidialogs, in der sichdie Kernkomplikation seines Beitrags zum Erfahrungsaustausch spiegelt.

Da ihre Erzählung noch nicht aufgelöst wurde, beendet Tia die Neben-sequenz, indem sie wieder eingreift und den Faden ihrer Geschichte erneutaufnimmt (F. 44). Zunächst wiederholt sie in Variation die Bitte; dann knüpftsie erstmals mit dem Konnektor pois an den Erzählstrang an (F. 46-48):

T: pois eu . deitando-o aquí . engolia, . . e vinha o tubo . . ligava o tubo . não engolia eporquê . se tudo tava desligado, . tava limpo, . . pois já tava pronto tava limpo, porquê éque não engolia. . eu ( ) mas não pode ser.. . então, . disse para a irmã

Die Form pois ist hier also nicht temporal, denn die Sprecherin fährt nichtim chronologischen Ablauf des Ereigniskontinuums fort, sondern greift noch-mals zurück und variiert die Darstellung der Komplikation. Das zweite, turn-interne pois liegt anders, allerdings ganz ähnlich zu dem o.g. pronto: Nacheiner Expansion, in der wieder Redundantes erzählt wird, leitet pois eine Artresümierende, abkürzende Äußerung ein.28 Problematisiert wird nun von derSprecherin nochmals, daß sich der Zustand des Geräts mit Alltagswissennicht erklären läßt, was auch noch in der aktuellen Situation als ungelöstesProblem erscheint. (Der Hörer gibt in F. 47 seinerseits Rückmeldungen bzw.

27 An dieser dramatisch entscheidenden Stelle flüstert die Sprecherin leider, so daß eventuell

ein wichtiger vorskizzierender Hinweis zur Auflösung untergeht.28 Scotti-Rosin weist auf die hohe Frequenz von pois hin, vgl. die Besprechung auf S. 111.

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Kommentare, die diese Überlegungen aufgreifen.) Mit eu ( ) mas não podeser stellt die Sprecherin ein Selbstgespräch dar; hier verwendet sie erstmalsweder Eröffnungssignal noch Prädikat in der Redeeinleitung, sondernlediglich das Personalpronomen. Die dargestellte Äußerung wird wieder mitder Modalpartikel mas eingeleitet, die hier in etwa dem dt. doch entspricht.Dann erfolgt ein neuer Einschnitt und mit então, das einen neuen Handlungs-schritt innerhalb der Ereignisfolge einleitet und typisches Erzählsignal ist,kehrt sie wieder zur relevanteren Ebene der Binnenereignisse zurück.

Solche Eröffnungssignale hat bereits GÜLICH (1970) untersucht und imFranzösischen Formen wie (et) puis, (et) alors, (et) puis alors ausgemacht.Die portugiesischen Formen (e) pois und então scheinen auf den ersten Blickähnliche Funktionen zu haben. Auch sie können, anders als in ihrer „wörtli-chen“ Bedeutung, von der zeitlichen Abfolge der erzählten Ereignisse losge-löst erscheinen. Dann haben sie „nur Eröffnungsfunktion und stellen eineVerbindung zwischen den einzelnen Mitteilungen her.“29 Als „Signale derSprechfolge“ untergliedern sie den Erzähltext in kleinere Einheiten:

Die Handlung schreitet also nicht von Satz zu Satz, sondern von Eröffnungssignal zuEröffnungssignal oder von Erzähleinheit zu Erzähleinheit fort […]Eröffnungssignale (untergliedern) den Text in der Weise in Erzähleinheiten, daß siejeweils den Beginn einer neuen Information, die für den Fortgang der Handlung relevantist, signalisieren. Gerade weil sie diese Signalfunktion haben, sind sie geeignet, denErzählfluß herzustellen, und aus demselben Grunde fehlen sie auch in nicht unmittelbarzu dem erzählten Ereignis gehörenden Einschüben.30

QUASTHOFF bezeichnet diese Signale (dt. und da, und dann) als Ver-knüpfungssignale.31 Sie nehmen als Marker der Vertextung eine Zwischen-stellung ein zwischen den durch die Struktur der verbalen Planung bedingtenVerzögerungsphänomenen und den interaktiven Gliederungssignalen:

Ein Konnektor, der die zeitliche Aufeinanderfolge ausdrückt, bietet sich in Erzählungenzur Erfüllung dieser Funktion besonders an; hier geht es schließlich in der Hauptsacheum die sprachliche Repräsentation aufeinanderfolgender Ereignisse. Konnektoren derzeitlichen Aufeinanderfolge können also als die in Erzählungen unmarkierte Form vonVertextungsmitteln angesehen werden, deren Einsatz mithin ein Minimum an verbalerPlanung erfordert.32

In der Komplikation fehlten diese Mittel fast ganz; die Verwendung derErzählsignale in der Komplikation, die durch die szenische Vorführung ge-prägt ist, wäre sogar kontraproduktiv. In unserer Erzählung erschien e dortüberaus häufig. Die Komplikation war jedoch in unserem Beispiel auchdurch viele Erklärungen geprägt, was z. B. die Vielzahl der tags bedingt hat;

29 Gülich (1970: 34).30 Gülich (1970: 54f.).31 Quasthoff (1979: 39ff.; 1980: 209ff.). Vgl. auch Kallmeyer (1977: 177).32 Quasthoff (1979: 47).

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es wird daher immer auf den Einzelfall ankommen, welche Signale vermehrtverwendet werden.33 Auch muß im Einzelfall geprüft werden, welche Funk-tionen die Signale erfüllen. Die Rückkehr zu einer relevanteren Ebene unddamit auch eine Hochstufung kann ebenso enthalten sein wie ein temporalerAspekt.

Betrachten wir noch das então in F. 53:T: há qualquer coisa que não stava bem não é verdade . . . e então . pedia (ao César) omeu marido

Hier hat das Signal keine auf die Sukzessivität der einzelnen, dargestell-ten Akte bezogene Funktion, sondern signalisiert zusammen mit dem e, daßdie Sprecherin von einer Expansion wieder zur Binnenhandlung zurückkehrt.Auch hier liegt also eine anknüpfende Funktion vor. Mit den Signalen edepois in F. 55/56 wird hingegen auch eine temporal-sukzessive Abfolge vonEreignissen indiziert:

T: não sei não sei, … e depois ( ) pronto e depois tirei outra vez, mas já corria

Damit kehrt die Sprecherin nochmals zur Binnenhandlung zurück, schiebteinen weiteren „Erzählschritt“ hinterher, um darzustellen, daß sie sich ihresErfolges auch versichert hat. Die beiden Partikeln zeigen bei einem Fokus-wechsel von der aktuellen zur besprochenen Situation auch den temporalenAspekt der fortschreitenden Ereignisse.

Pronto wird in dieser Äußerung als Überbrückung einer Formulierungs-schwierigkeit verwendet. Ähnlich ist auch portanto in F. 50 überbrückend;dort hat die Sprecherin offensichtlich Schwierigkeiten mit der Planung oderder Formulierung:

T: ferve aí água que eu quero u/uma/ um bocado portanto uma (cafeteira) de água aferver

Die Darstellung der Geschichte endet in F. 54: Das Wasser fließt wieder,die Komplikation ist aufgelöst. Allerdings ist das Schema noch nicht beendet.Zunächst schaltet sich Pereira ein, um die Erzählung zu kommentieren(F. 54f.). Die Erzählerin signalisiert Übereinstimmung mittels einer wörtli-chen Wiederholung der Äußerung, an die sie die assertierende Form simanschließt. Auf eine (technisch nicht verständliche) Frage Pereiras kann siekeine Antwort geben (não sei). Nun schiebt die Sprecherin mit e depois noch

33 Quasthoff (1979) unterscheidet zwischen Verknüpfungs- und Gliederungssignalen. Die

Verknüpfungssignale seien den gefüllten Pausen funktional ähnlich, indem sie die Auf-rechterhaltung des Rederechts signalisieren; allerdings sind sie aufgrund ihrer minimalensemantischen Bedeutung nicht so beliebig einsetzbar. Demnach wäre auch e ein Ver-knüpfungssignal. Quasthoff betrachtet auch die Eröffnungs- und Schlußsignale in Formvon komplexen Sätzen als makrostrukturelle Gliederungssignale, z. B. Erzählankündi-gungen bzw. evaluative Universalisierungen oder bestimmte Stereotype (wie „Sowasvergißt man nicht.“). (52)

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den oben besprochenen letzten Schritt der Binnenhandlung nach, der dieProblembeseitigung auch sicher stellen sollte (F. 55, s.o.).

Das vom Gesprächspartner geäußerte pronto (F. 56) unmittelbar nach demSprecherwechsel ist Signal zur Turn-Übernahme und dient der Vorbereitungdes Abschlusses der monologischen Erzählung von Hörerseite aus. Daraufläßt auch die fallende Intonation und die darauffolgende kurze Pause schlie-ßen. Das sich anschließende, eröffnende eu penso (56) lenkt die Aufmerk-samkeit auf eine längere Erklärung bzw. Kommentierung, die schon in einanderes Schema überleitet. Die Grenzen sind jedoch fließend, denn einerseitshat die Einschätzung etwas mit der Geschichte der Tia zu tun, andererseitstreibt sie das Gespräch voran und gibt ihm eine neue Richtung. Anschließendgeht Pereira nämlich dazu über, die Ereignisse aus seiner Sicht zu deuten undkommt darüber auf seine Einstellungen zu sprechen.

In Pereiras Turn finden wir ein überbrückendes ah sowie, nach derRückmeldung, até, das abgesehen von einer adverbialen (im Sinne vonmesmo) und einer präpositionalen Funktion als Gradpartikel fungiert.34 Hierhat até eine der deutschen Modalpartikel auch entsprechende Funktion; in derVerbindung mit porque tritt neben die Funktion „Hinzufügung eines weiterenArguments“ auch eine Art Evidenzmarkierung hinzu (eben auch). DemKommentar stimmt Tia mit der assertierenden Rückmeldung exacto (F. 57)zu. In F. 58 kommt nochmals pronto vor, es leitet nach einer kurzen Pauseeine Expansion des Kommentars ein. Die Form wird dabei sehr verschliffen,das folgende Segment ist eng daran gebunden. Pronto ist insofern interessant,als es einesteils der Manifestation der Abwahl bzw. Beendigung eines Fokusdient, aber auch in eröffnender Position vorkommt, Korrekturen oderFormulierungsschwierigkeiten markiert und als Signal des Sprecherwechselsverwendet wird.

Hier soll nun die Untersuchung der Erzählung abbrechen, da es imweiteren Verlauf des Gesprächs zu häufigeren Turnwechseln kommt und dieSprecherin nur noch Redundantes aus ihrer Erzählung aufgreift. Spätererzählt Pereira seinerseits ein Erlebnis, das die bereits angedeutete, geteilteErfahrung belegt.

Bevor ein weiteres Fallbeispiel untersucht wird, sei zum Schluß noch aufeine Partikel hingewiesen, die bisher noch nicht behandelt wurde, obwohl siein der gesamten Erzählung siebenmal erscheint (in F. 1, 26, 30, 36, 40, 48und 51). Es handelt sich um é que, ein Signal, das überwiegend inFragesätzen vorkommt und damit dem fr. est-ce que in Fragesätzen sehrähnlich ist. In diesen Fällen kann man von einem reinen Fragemarker aus-gehen und damit von einer Grammatikalisierung sprechen.35

34 DLP: „até, prep.,indicativa de limite; adv. também, mesmo; sem excepção; ainda […].“35 Von einer Grammatikalisierung spricht man, wenn sich freie Lexeme und Syntagmen zu

spezifischen morphosyntaktischen Strukturen verfestigen und eine stabile Verbindungzwischen einer oder mehreren Bedeutungen und morphosyntaktischen Einheiten entsteht

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Allerdings wird pg. é que, was für fr. est-ce que grundsätzlich nichtmöglich ist, auch in Assertionssätzen verwendet, und zwar durchaus häufig.Einerseits ist es in expressiven Ausrufen36 festzustellen, andererseits auch inassertierenden Behauptungen, wie z. B. in F. 30: e é que eu deitava água(F. 30). Dabei ist es als Emphasesignal, als Mittel zur Hervorhebung bzw. zurkommunikativen Gliederung in bezug auf Thema–Rhema zu deuten. Es stelltsich daher die Frage, ob é que, generell oder auch nur in Assertivsätzen, alsDiskurspartikel zu behandeln ist. Zumindest kann festgehalten werden, daßes keine semantische Funktion hat. In welcher Hinsicht es zurGesprächsgliederung beiträgt oder sogar abtönend ist, müßte im einzelnenuntersucht werden. In den meisten Äußerungen, in denen es nicht derHervorhebung eines Satzteiles dient, steht es wohl im Zusammenhang mitdem Bezug auf gemeinsames Wissen. Bei SCOTTI-ROSIN wird é que übrigensebenso wenig erwähnt wie bei SCHMIDT-RADEFELDT, während FRANCO essowohl in Fragesätzen als auch in Exklamativsätzen als Modalpartikelbehandelt. In Fragesätzen entspräche es dabei dem dt. denn.37

4.1.4 Fallbeispiel 2: „Seres pequeninos“

4.1.4.1 Belegerzählung

Das zweite Fallbeispiel folgt auf eine Erzählung der Tia, in der es zu keinerAuflösung gekommen war; vielmehr blieb Erklärungsbedarf für ein seltsamesErlebnis zurück.38 Die Präsentation und Aushandlung von Erklärungsmög-lichkeiten für derlei Vorkommnisse läuft hinaus auf die Lösung „übersinn-liche Kräfte in Form bestimmter Wesen oder Energien“.

Pereira greift für seine Darstellung in freier Assoziation auf unterschied-liche Quellen zurück, die er entweder nur vage (a história fala) oder genauerbenennt (Märchen, Bibel), ein andermal auch als Alltagserfahrung ausweist.So bringt er einerseits fiktionale Elemente, andererseits fremde und eigeneErfahrungen sowie auch nicht spezifisch belegtes Wissen in den gemeinsa-men Zusammenhang „übernatürliche Erscheinungen“. Die mit diesen Inhal-ten verknüpften (Nach-) Erzählungen und Schilderungen sind Beweise oder

und damit neue grammatische Paradigmen geschaffen werden. E que hat im Prozess derGrammatikalisierung den Status eines „Fragemorphems“ angenommen und wird quasi„regulär“ in Fragen eingesetzt.

36 Vgl. emphatische Bewertungen wie: …essa é que é esperta, essa é que é esperta!(Informelle Interaktion, Tischgespräch).

37 Franco (1991: 319ff.).38 Tia: „eh não sei porquê sentí [2s] medo ir atravessar a rua, aquela rua, … não pensei em carros,

ah, não não pensei nos carros, mas pensei, quer dizer, sentí medo não sei porquê, … e isto é quefoi estranho.“ Diese Selbstbeobachtung hatte die Erzählerin wiederholt dargestellt.

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Belege, die der Darlegung von Pereiras Lösungsangebot dienen, aber auchverschiedene epistemische Einstellungen explizit oder implizit herausstellen:Glaube vs. Nicht-Glaube an übernatürliche Kräfte, Bereitschaft vs. Nicht-Bereitschaft, sie wahrzunehmen und Sensibilität/Nicht-Sensibilität, sie zuspüren. Gleichzeitig manifestiert der Sprecher damit auch seine (metaphysi-sche) Einstellung, was sich in den Anspielungen auf biblische Geschichtenzeigt.

Im untersuchten Gesprächsausschnitt handelt es sich um eine überwie-gend monologische Passage, in der Pereira Primärsprecher ist, und die nurdurch kurze Beiträge unterbrochen bzw. durch Höreraktivitäten wie Rück-meldungen und Kommentare geprägt ist. Auch, wenn ein Sprecherwechselmöglich wird, hält meist Pereira das Gespräch in Gang. Ein Ende seiner Dar-stellung ist erst durch die Auflösung seiner Primärsprecherrolle bzw. durchdie Übernahme eines expansiveren Rederechts von seiten seiner Gesprächs-partnerin erreicht.

Die verwendeten Sachverhaltsschemata wechseln in loser Aneinander-reihung zwischen „erklären“, „beschreiben“, „argumentieren“, „bewerten“,und „erzählen“ bzw. „nacherzählen“, wobei die Übergänge nicht immer ein-deutig sind.39 Es erscheinen einige typischen Sequenzmuster, etwa szenischeRedewiedergabe mit nachahmender Intonation bzw. Erzählsequenzen mitMinidialogen; hier ist es oft erst die Markierung der szenischen Redewieder-gabe selbst, die das Schema eröffnet.40 Aufgrund des assoziativen Gesprächs-zusammenhangs ist es schwierig, sequentielle Muster wie in einer abge-schlossenen Erzählung auszumachen, und auch die Bearbeitung einzelnerThemen erfolgt nicht auf so stringente Weise wie in Beispiel 1 (S. 75 ff.).

In der Analyse werden zunächst die Aktivitäten des Primärsprechers unddann das Rückmeldeverhalten der Interaktionspartnerin untersucht.

Beispiel 2: Informelle Interaktion, Erzählabend (Tia, Pereira)41

P:

T:

> > > hmhm, .. há coisas .. que a gente não a gente >--------------- /\olhar par’ àtras não se apercebe, talvez

1

P \ <-----não se apercebe até porque não não não conhece. … e se nos disserem também

2 39 In dieser Gesprächspassagen wird m. E. deutlich, daß verschiedene Schemata der Sach-

verhaltsdarstellung auch ineinanderfließen können.40 Das Einfließenlassen von Erzählelementen steht mit dem insgesamt unterhaltenden

Charakter des Gesprächs in Zusammenhang, und Pereiras kurze Erzählungen sind es, dieTia ihrerseits zur darauf folgenden Erzählung anregen (Beispiel 1).

41 Die Form olha in F. 4 wird in Beispiel 5, S. 132 besprochen, ai olha in F. 23 wird inBeispiel 3, S. 128 und olha in F. 42 auf S. 130 untersucht.

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P: – < < < < <porque a gente não acredita porque . normalmente a gente acredita .. naquilo que

3

P:

T:

\ – – \ > > > \ /vê, ora , .. a gente vê árvores, vê rochas, agora . dizemos assim. . . olha, . há

claro4

P:

T:

ali um ser que não se vê, mas que stá por trás daquela àrvore.

mas tu n/ não podes ( )5

P:

T:

/\ > > > > pois ... 1[e eu digo assim mas] eu não o vejo. [4s] mas /\acreditar, … não o stás a ver,

61[extrem verschliffen

P:> > > > > < < < < < <------- ↓2(as pessoas dizerem-me), ehm a explicação porque é que ás vezes, na/ nas florestas, a/

72[ kaum verständlich, möglicherweise auch: estou a dizer

P: . . . .até à noite, uma pessoa . sente medo, é porque, .. 3[eles stão mais libertos esses seres], eh,

83[ leicht singender Tonfall

P: são os seres que o jesús cristo . . dominava, .. quando dizem que ele 4[p’r e’plo] ia na9

4 [por exemplo, extrem verschliffen

P:

T:

\ \ /\ >-------- > > > > >barca. á tempestade. .. ele acalmou . os elementos. .. ora,5[ainda te hei-de emprestar

exacto10

P:

T:

B:

– <---- < < < <um livro onde/onde eh]5 …há elementos do ar , da água , da terra e do fogo. portanto,

pois

6[da água da terra e do fogo]11

5[sehr leise und schnell ausgesprochen, 6[zögerlich miteinstimmend, leise

P:

T:

\ /\ ↑ > > > >os/a gente, é elementos, é energia . pois tá bem, chamem-lhe o que quiserem, seja

claro12

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101

P: \ <---------energia ou se/, mas realmente uma pessoa consegue dominar como lá o Moisés

13

P:

T:

separou as águas para eles passarem e o cristo acalmou ( ) as tempestades,

e:xactamente eh:/ pois para eles14

P:

T:

até, a história fala de d’ uns gnomos que são uns . uns seres, .

poderem passar.15

P: pequeninos na/ nas florestas, … e estes contam que havia mais nas florestas da16

P:

T:

↑Inglaterra eeh e ( ) eh eh sim,como lobo / / e iss’ é esse tipo lobishomens não é, (pois chamada)

17

P:

T:

/\mas, eh seres pequeninos o que: . mm: ajudavam a tratar os animais e: e às plantas

mhm18

P: > > > > >portanto percebiam daquilo, eram como se fossem pessoas mas em ponto pequenino.

19

P:

T:

– e que ex/ existem para ajudar ... olha para ajudar/ tu/ eh: por exemplo a história

mhm.20

P:

T:

de mh . . da Branca de neve e dos sete anões, os sete anões seriam . . seriam estes

es/ exactamente . . pois21

P:

T:

– \anõezinhos (que) esses seres 7[ ] quer dizer . muitas vezes crianças, quando dizem

pois pois pois a:hm sim sim . . que é que/22

7[ schnieft

P: \ai olha . . vejo lí qualquer coisa os pais (então) és parvo, . . até . como as crianças

23

P:

T:

têm às vezes a sensibilidade ainda não vieram . adulterar, vêm/

é isso pois ( ) ainda não vêm/ ainda24

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P:

T:

sim mas depois a pessoa portanto que diz que não vê/ que não há

não foi apanhada25

P: ↑ > > > > > >que não há que, eles pronto às tantas deixam mesmo de ver porque, . têm uma

26

P:

T:

↓percepção, . não é não é ver com os olhos, (já) realmente eles vêm é com

não eeh pois o/. com27

P:

T:

> > > > > sei lá 8[( quer dizer ) a gente só tem estes] dois olhos para

o pensamento ou a mente deles que vai apanhar, . . pois28

8[ sehr schnell, leise und undeutlich

P:

T:

\ ver. ( ) considera-se que temos um terceiro olho, a dizer tal terceira visão

exactamente29

P:

T:

–que a gente vê:, . que no fundo a gente chama o quê a intuição . e quando

exactamente30

P: \ <------ >--- > > > > >a gente diz, aquela pessoa e tal, . . a gente tá a ver, . é como se estivesse a ver o

31

P: /\bilhete de identidade. … a gente/ não é com estes olhos, porque se a gente os

32

P:

T:

>-------\fechar até pode sentir, a vibração . da pessoa. [ 2 ] e e pronto, e e esses seres . hm

sentir sim sim sim33

P: / > > > > >>---------------estão mais libertos de noite, . até porque portanto não/ as pessoas não andam

34

P: ↑ <-------por alí, . . eh e e que a pessoa poderia poderia ver ou: /. . e portanto, poderiam

35

P: assustar a pessoa, a pessoa tem uma sensação de estar e ser visto ou há cá uma coisa36

P:

T:

\/a mexer, pois, ou ou mexida, … e às vezes possam ser esses

ou ou ou tocada37

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P: <------ < < < < > > > >seres quase, quase que tomam uma forma material,.. que a gente até os recebe, quando a

38

P:

T:

> > > > >-------------gente sente um arrepio ou qualquer coisa, parece que é uma coisa, .. como as pessoas

é é é isso39

P: ↑ ↓dizem, .. caíu uma coisa e não encontro . mas é impossivel, é tá aqui pronto, procuram

40

P:

T:

procuram não encontram. e depois as pessoas ... eh se a pessoa fizer u:m

pois pois pois e não encontram41

P:>----- > > > > <----- – ↑ <---- –( ) ou qualquer, ajudam a pessoa, . a pessoa vai, . e olha, [1,5] então mas

42

P:

T:

↓ >----eu já passei aqui tantas vezes e e afinal está lá e eu não o vi. pronto

(isto) eh, acontece43

Dauer: 3:36 Minuten

4.1.4.2 Der Prozeß einer gemeinsamen Lösungssuche

Der Ausschnitt beginnt mit der gemeinsamen Einordnung einer Geschichteder Gesprächspartnerin im Sinne einer Problematisierung, die zum Leitmotivdes Erzählabends wird:

P:

T:

> > > hmhm, .. há coisas .. que a gente não a gente >--------------- /\olhar par’ àtras não se apercebe, talvez

1Pereiras Äußerung markiert den Übergang von einem Erzähl- zu einem

neuen Schema, einer umfassenden Erklärung der Problematik „übersinnlicheErscheinungen“ und damit kommt er zum Thema der unerklärlichen Phäno-mene zurück.42 Nach der Erzählung der Tia setzt Pereira zu einer Bewertungan, die Prädikation bleibt unvollständig. Die gedehnte Realisierung und dasZögern weisen auf Formulierungsschwierigkeiten hin und bereiten dasEingreifen der Gesprächspartnerin vor. Tia ergänzt die Äußerung in die Stillehinein, wobei sie die Negationspartikel wiederholt und somit an das Syntag-ma direkt anknüpft.

42 Dies ergab sich aus der Komplikation ihrer vorausgehenden Erzählung.

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Das ausleitende talvez ist mehrdeutig: Entweder deutet die Sprecherindamit den Vorschlagscharakter ihrer Ergänzung an bzw. tönt ihre Äußerungdahingehend ab, daß es vielleicht diese Prädikation war, die der Sprecher imSinn hatte, womit die Form metakommunikative Funktion hätte, oder siemodalisiert die Proposition epistemisch dahingehend, daß der referierte Sach-verhalt möglich ist. Handelt es sich um einen eigenen Turn? Oder liegtvielmehr nicht nur eine expansive Rückmeldung vor, die eine Formulierungs-schwierigkeit des Partners überbrückt: Mit der Fertigstellung der Prädikationwird das Abgebrochene erst sinnbildend und damit ist dieser Zug auchsyntaktisch nicht eigenständig. Die leise Modulation im Turn deutet zudemdarauf hin, daß die Sprecherin kein längeres Rederecht beansprucht, sondernden Turn wieder abgeben möchte. Der Beitrag hat sozusagen eine unter-stützende Funktion der partnerseitigen Sprecherrolle, bringt das Gesprächoder die Erzählung voran.

Wenn man davon ausgeht, daß in diesem Beispiel die Sprecherrolle nichtwirklich an die Hörerin geht bzw. beansprucht wird (und somit kein Zugvorliegt), ist zu überlegen, ob zwischen bloßer Manifestation der Hörerrollein Rückmeldungen und selbständigen Zügen des dann zum Sprecher wer-denden Hörers nicht ein Kontinuum von Möglichkeiten der Hörerbeteiligungliegt.43

Noch einige Anmerkungen zum „Stil“ des Gesprächs: An dieser Stellewird der hohe Grad an Kooperativität, der in diesem Gespräch vorherrscht,sehr deutlich. Die Suche nach der Erklärung des Problems (übersinnlichePhänomene) wird im Verlauf der Konversation gemeinsam prozessiert, undzwar durch verschiedene Strategien. Eine davon ist das Erzählen vonGeschichten, Ereignissen und Erfahrungen. Gemäß dem sozialen Rahmen desGesprächs dienen diese Geschichten natürlich auch der Unterhaltung. DieSprecher versuchen jedoch darüber hinaus, spezifische, themenbezogeneWissensbestände einzubringen. Beide Gesprächspartner versuchen inkooperativer Weise, zu einer Aufklärung eines rational nicht einsichtigenPhänomens zu gelangen. Inwieweit die gebotenen Erklärungen unter denbeiden Sprechern bekannt sind, d. h., wieviel Redundantes hier etwa in bezugauf frühere Gespräche reproduziert wird, kann nur aus der Kenntnis derspezifischen Interaktionsgeschichte der Partner erschlossen werden.

4.1.4.3 Verwendete Partikeln und ihre Funktionen – Sprecherrolle

In Fläche 2 erlang Pereira den Turn, assertiert die vorgeschlagene Erklärungdurch wörtliche Wiederholung der Prädikation und knüpft dann mit até

43 Eine Dichotomie ‘Rückmeldung’ vs. ‘Zug’ wäre dann zugunsten einer differenzierteren

Bestimmung aufzugeben.

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porque eine weitere, begründende Erklärung für die gemeinsam etabliertePosition anknüpft.44

a gente não se apercebe até porque não não não conhece. …

Die Form até erfüllt eine argumentative Funktion wie bereits besprochen(S. 97); sie leitet ein neues Argument ein, das die bereits geäußerte Positionstützt, also rückverweist. Ähnlich, wie HELBIG für auch als Modalpartikelfeststellt, erhält die von até eingeleitete Äußerung einen erklärenden Charak-ter für das Vorangegangene; möglicherweise spielt auch hier wieder eineEvidenzmarkierung eine Rolle.45 Nach einer kürzeren Pause, in der niemanddas Rederecht übernimmt, knüpft der Sprecher mit e an seine Erklärung an; eist hier, wie bereits öfter festgestellt, Fortsetzungssignal auf der Ebene derRederechtverteilung und Verknüpfer auf der Ebene der Sachverhalts-darstellung. Im folgenden Beitrag wird das angeschlagene Thema „Grenzender Wahrnehmung“ beibehalten, also weiter expandiert, ebenso bleibt dasSachverhaltsschema „Erklärung“ konstant, was sich in der syntaktischenKonstruktion mit porque manifestiert; kurz: der Fokus wird weitergeführt.

In F. 4 knüpft der Primärsprecher mit der gliedernden Diskurspartikel oraan. SCOTTI-ROSIN hat ora in nicht-spontanen und spontanen Interaktionenuntersucht, und eine resümierende Funktion des Eröffnungssignals festge-stellt.46 Hier ist die Form deutlich markiert durch eine absinkende Intonation,danach tritt eine kurze Pause auf. Nun folgt ein detaillierter Beleg für dasvorher aufgerufene Wissensmuster; dabei werden einmal die Referenzobjektespezifischer,47 zweitens wird das Gesagte mittels einer kurzen Situations-schilderung veranschaulicht, die mit deiktischen Hinweisen verortet wird(F. 4/5). Das Signal ora hat hier keine resümierende, sondern eher expandie-rende Funktion und ist damit dem dt. also oder nun als Eröffnungssignalähnlich.48 Ora beinhaltet damit einerseits einen kontinuativen Aspekt, bildetaber auch einen deutlichen Einschnitt im Diskurs.

Nach dem mit ora eingeleiteten Segment folgt mit agora wieder einGliederungssignal, das den Beginn einer neuen Struktur markiert. Auch aufagora senkt sich die Stimme und es folgt eine sehr kurze Pause. Dann folgteine Redeeinleitung mit assim und eine szenische Redewiedergabe, die mitolha eröffnet wird. Man kann sagen, daß nach agora eine kleine Beleg-erzählung folgt. Der Sprecher wechselt also kurzzeitig das Sachverhalts- 44 Die Kombination até porque als Einleitung einer erklärenden/begründenden Expansion

kommt auch in Beispiel 1, F. 56, sowie in diesem Beispiel in F. 34 nochmals vor.45 Vgl. Helbig (1990: 88). Es scheint sich also herauszukristallisieren, daß die Verbindung

von até und porque eine ähnliche Lesart wie die dt. Modalpartikelkombination eben auchevoziert („… die Leute sehen sowas nicht, weil sie es eben auch nicht kennen.“)

46 Scotti-Rosin (1983: 15).47 Vgl. etwa naquilo que vê vs. árvores etc.48 Je nach Kontext wären vielleicht auch also, nun oder nun … ja als Äquivalente denkbar.

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schema vom Erklären zum Erzählen. Auch hier ist agora Eröffnungssignaldes neu aufgerufenen Schemas (vgl. Beispiel 1 erstes Vorkommen, S. 75). Inder Redewiedergabe wird erstmals das Referenzobjekt um ser (que não se vê)eingeführt, ein erstes konkret benanntes Phänomen, das hinter den coisas,que a gente não se apercebe aus dem Leitmotiv steckt; um diese seres wirdes sich im weiteren Gespräch noch ausführlich drehen. 49 Mit der Technik derErzählsequenz mit Redewiedergabe, der sehr deutlichen Markierung durchora und agora erscheint die Stelle innerhalb ihrer kotextuellen Umgebungexponiert; es findet auch ein relevanter Schritt in Richtung Problemlösungstatt: Der Sprecher referiert erstmals die Kräfte, die für die Phänomene ver-antwortlich sind, und erläutert sie an einem konkreten Beispiel. Definiert mandas Schema des ganzen Gesprächsabschnitts als „unterhaltsame Bearbeitungeines Problems“, so erfolgt mit dieser Aktivität eine wichtige Abarbeitungder Kernstruktur. Ora und agora haben damit global hier einen kontinuativenbzw. den Fokus aufrechterhaltenden Aspekt.

In Fläche 10 leitet ora nach einem Nebenthema wieder einen Diskurs-schritt zur Abarbeitung des Hauptschemas ein. 50 Trotz der Hochstufungerfolgt jedoch direkt anschließend ein Einschub (ainda te hei-de…), der sichprosodisch von seiner Umgebung völlig abhebt, da er leise und schnell geäu-ßert wird, er bezieht sich auf die aktuelle Sprechsituation. Ainda hat hier zwarnoch eine wörtliche Funktion, aber impliziert auch: „was ich noch schnellsagen wollte“ und markiert damit eine Expansion mit niedrigem Relevanz-grad. Nach dem Einschub fährt der Sprecher mit lauterer Stimme fort; proso-disch schließt sich die Fortsetzung an die mit ora begonnenen Struktur an.Der Sprecher lenkt nun die Orientierung wieder auf die Kernstruktur.

In F. 6 verwendet der Sprecher Pereira assim als Partikel zur Redeein-leitung und den Konnektor mas als Redebeginn. Durch dieses Nachschiebenwird die Abwahl des momentanen Fokus vorbereitet. Dann folgt eine Pausevon vier Sekunden, aber da Tia nicht das Rederecht ergreift, behält Pereiraden Turn. Nach einer langen Pause erscheint mas als Signal der Redefort-setzung; gleichzeitig kann es als Diskontinuitätssignal gedeutet werden, weilder erzählende Modus nicht mehr fortgesetzt wird; thematisch allerdingsfährt Pereira mit der Schilderung fort. Auch in F. 25 wechselt Pereira nach

49 Im Abschnitt über olha wird in Beispiel 5, S.132 die Sequenz genauer besprochen.50 Angesichts der Komplexität der Themenentwicklung ist jedoch die Bestimmung der Rele-

vanz einer thematischen Einheit als ‘Nebenthema’ nicht unproblematisch; es ist sogarmanchmal sehr schwierig, zwischen Haupt- und Nebenthemen zu unterscheiden. Dieszeigt sich etwa in der hier vorliegenden Verknüpfungsstrategie des Sprechers: Der Ver-weis auf die biblische Geschichte dient als Beleg und Erklärung für die seres; das Gleich-nis bietet dann einen Anknüpfungspunkt, die seres wiederum mit einem anderen Begriffzu erklären bzw. näher zu bestimmen, mit ‘elementos’, die dann im folgenden fokussiertwerden.

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einem Beitrag der Hörerin mit dem Diskontinuitätssignal mas den Fokus. Dasanschließende depois leitet einen weiteren Schritt der Kernstruktur ein.

Die Form portanto51 ist in der Auswertung von SCOTTI-ROSIN häufigbelegt:

Es eröffnet entweder eine Äußerung und steht am Beginn eines neuen Diskussionsbei-trags […] oder es dient der Eröffnung unter gleichzeitiger Hervorhebung des Folgenden.Daher läßt sich portanto im weitesten Sinn auch zu den Schlußsignalen rechnen, wenn esauch in dem vorliegenden Korpus in Eröffnungsfunktion häufiger belegt ist. Diese viel-seitige Verwendbarkeit erklärt daher auch die Vorliebe mancher Politiker für portanto,das in den von mir im Radio und Fernsehen verfolgten Reden im Übermaß auftritt. 52

Mit portanto im folgenden Beispiel (F. 19) schließt der Sprecher Pereiraeine Begründung an:

P: portanto percebiam daquilo, eram como se fossem pessoas mas em ponto pequenino

Portanto kann wie pois retardierend eingesetzt werden oder als Gliede-rungssignal mit resümierender Funktion vorkommen. Im folgenden Abschnitt(F. 11f.) beginnt der Primärsprecher die Fortsetzung seiner Rede nach einerRückmeldung wiederum mit portanto:

P: um livro onde/onde eh …há elementos do ar , da água , da terra e do fogo.T: poisP: portanto, os/a gente, é elementos, é energia . pois tá bem, chamem-lhe o quequiserem

Portanto hat hier keine logisch konnektierende, sondern redegliederndeund retardierende Funktion. Einerseits signalisiert portanto „es geht weiter“;andererseits wird auch ein partieller Fokuswechsel vorbereitet. Die auftre-tenden Formulierungsschwierigkeiten mögen ein Indiz sein, daß portantohier auch verzögernd eingesetzt wurde: Nach os erfolgt ein Abbruch, auchnach a gente wird die Struktur nicht fortgesetzt.

Die Formel pois ‘tá bem, auf der der Sprecher mit dem Ton nach obengeht, ist eine konventionalisierte Zustimmungsformel, hat hier aber eine ganzandere Funktion: Pois ‘tá bem tönt die Äußerung dahingehend ab, daß es aufdas Besprochene „nicht so ankommt“; in bezug auf die Relevanzeinstufunghat die Formel damit eine fokusabwählende und rückstufende Funktion;zumindest scheint die Assertion der im vorigen Zug geschilderten Zitate aufeine Fokusabwahl hinauszulaufen. Auf diese Strukturierung könnte auch dieerhöhte Sprechgeschwindigkeit hinweisen, die mit dem Segment pois…einsetzt. Insofern ist pois ‘tá bem vielleicht zu vergleichen mit dt. „na gut(…lassen wir das)“. Lokal wird also eine Expansion markiert, global auf eineFokusabwahl zugesteuert.

51 DLP: „conj. por conseguinte; logo…“.52 Scotti-Rosin (1983: 14).

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Nach einem Abbruch in F. 13 fährt der Sprecher nach kurzem Absetzenmit lauterer Stimme fort; die Äußerung leitet er mit dem Diskontinuitäts-signal mas ein, das den Abbruch und die Neuorientierung manifestiert. DieBehauptung, daß die Energie oder die Elemente von Menschen beherrschtwerden können, belegt er mit zwei Beispielen; lá ist ein temporaldeiktischerAusdruck, der auch kontextualisierende Funktion hat, weil wieder bestimm-tes Wissen aus dem gemeinsamen kulturellen Hintergrund herangezogenwird. Es tritt nun eine mittlere Pause auf, bevor Pereira mit einem neuenThema fortfährt und die Orientierung auf eine weitere Belegerzählung lenkt.

Der Fokuswechsel und die Hochstufung wird durch die eröffnende Par-tikel até geleistet. Hier weist até über die Syntagmagrenze hinaus, kündigteine größere Struktur an. Até lokalisiert den folgenden Schritt als eine Expan-sion, die den Fokus aufrechterhält; damit hat die Form auch eine anknüpfend-kontinuative Funktion. Das Erzählschema wird mit den metakommunikativenAusdrücken a historia fala und contam que (F. 16), das ähnlich wie dizemque (F. 9) funktioniert, kontextualisiert.

Der Primärsprecher ist mit seiner Schilderung noch nicht sehr weit ge-kommen, da nutzt die Hörerin eine Verzögerung (F. 17) für eine unter-brechende Frage, die mit e eingeleitet wird:

P: Inglaterra eeh eT: e iss’ é esse tipo lobishomens não é, (pois chamada)

Franco (1991) betrachtet e in bestimmten Kontexten als Modalpartikel,die eine ähnliche Funktion wie die dt. Modalpartikel denn in Fragen hat –diese Funktion liegt hier aber m.E. nicht vor. Das Verknüpfungssignal e indi-ziert aber ähnlich wie denn eine Fokusaufrechterhaltung.53.

Im gleichen Zug gebraucht die Sprecherin die Nachziehfrage não é.54

Hier ist não é also einerseits ein echtes Übergabesignal, da eine Antworterwartet wird (und auch eintritt), und zum zweiten auch „zweifelindizierend“abtönend.

In der folgenden erklärenden Expansion (F. 20) sucht der SprecherPereira nach einem passenden Beispiel, hat jedoch wieder Planungs- oderFormulierungsschwierigkeiten:

P: e que ex/ existem para ajudar ... olha para ajudar/ tu/ eh: por exemplo a história

Die Diskurspartikel olha erscheint hier quasi als aufmerksamkeits-steuerndes Fortsetzungssignal innerhalb einer Reformulierung. Auffällig ist,dass der Sprecher im Verlauf des Gesprächs und gerade um diese Passage he-rum wiederholt Formulierungsschwierigkeiten hat, dauernd abbricht undviele Gedanken nicht fortführt. Mit olha hält er den Kontakt zur Hörerin

53 Vgl. Beispiel 37, S. 222;54 Das folgende Segment ist nur unvollständig zu verstehen; die Intonation weist jedenfalls

auch dort eine Fragekurve auf.

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aufrecht und zeigt, dass es weitergeht und sie weiter zuhören soll. Hier istolha also ein Kontinuitätssignal.

Typische Überbrückungssignale sind ehm (in F. 7), das kurze (in F. 8)oder gedehnte eh (F. 11); im letzten Fall wird mit eh auch der Abbruch einesEinschubs markiert.

Ein Fortsetzungssignal mit resümierender Komponente ist e pronto(F. 33). Ganz zum Schluß, nach einer kurzen Erzählung, erfolgt ein abschlie-ßender Kommentar, acontece, der rückstufende Funktion hat. Mit prontosetzt der Primärsprecher schließlich ein Schlußsignal.

Im folgenden Ausschnitt zu Beginn des Beispiels folgt an einer übergabe-relevanten Stelle (TRP) eine Aktivität der bislang passiven Hörerin Tia(F. 5/6) – hier übernimmt sie das Rederecht und wird zur Sprecherin:

P:

T:

ali um ser que não se vê, mas que stá por trás daquela àrvore.

mas tu n/ não podes ( )5

P:

T:

/\ > > > > pois ... 1[e eu digo assim mas] eu não o vejo. [4s] mas /\acreditar, … não o stás a ver,

6

Mit dieser Äußerung „steigt“ die Sprecherin auf der Ebene der Binnen-struktur „ein“. Der Schritt kann einerseits die Funktion haben, nochmalsabzusichern, ob die Hörerin den Primärsprecher richtig verstanden hat (denner hat das Wesen schon als unsichtbar bestimmt), oder auch der Ausdeutungdienen und der Komplikation vorgreifen – wobei hier nicht ganz eindeutigist, ob Pereira zwei fiktive Sprecher zu Wort kommen läßt oder ein Selbst-gespräch referiert.55 Dabei wird die Gegensatzstruktur des Vorgängerzugsbzw. thematisch der Bruch zwischen Erfahrungswerten und allgemeinenWissensbeständen wieder aufgegriffen, wobei der Konnektor mas hiersowohl syntaktisch-semantische Funktion hat als auch die Turn-Übernahmemarkiert. Diese Beschreibung der Situation assertiert der Sprecher zunächstmit pois, dann führt er seine Erzählstruktur zu Ende.

Im folgenden kommen wir nun zu Fällen (und Grenzfällen) von Hörer-aktivitäten, die die Rederechtverteilung nicht berühren.

4.1.4.4 Höreraktivitäten

In F. 4 erfolgt mit der Äußerung claro eine erste Kurzrückmeldung der Höre-rin. Der Zug, auf den sie sich bezieht (F. 2–4 Anf.), beinhaltet den stereoty-

55 Die Stelle ist nicht nur in dieser Hinsicht etwas uneindeutig.

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pen Topos (normalmente), daß mangelnde Überzeugung oder Glauben daranliegt, daß die Menschen nur an das glauben, was sie sehen.56 Die Rück-meldung claro bestätigt die Plausibilität und/oder Berechtigung diesesWissensmusters. Die Hörerin deutet damit an, daß sie das Argument oder dieErklärung als gültig für den weiteren Verlauf der Interaktion ansieht. EineRückmeldung kann nicht nur als Absicherung der Gesprächsgrundlagegelten, sondern ist auch für die Gesprächsorganisation wichtig; damit wird(Bereitschaft zur) Abwahl unstrittiger Punkte angezeigt. Dieser Punkt dürftefür Argumentationen von noch größerer Relevanz sein.

In F. 10 liegt ein Rückmeldungssignal vor, das sehr produktiv ist, exacto.Die Form wird sehr leise ausgesprochen. Exacto und exactamente sind Hö-rersignale, die ganz generell und zunächst, wie es scheint, sehr unspezifischEinverständnis mit dem Gesagten ausdrücken, andererseits zeigen sie auchdie Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit und Zuwendung gemäß derHörerrolle an und implizieren damit, daß kein Rederecht beansprucht wird.Doch diese Funktionen scheinen für fast alle kurzen Rückmeldungen, etwaauch für pois, claro oder sim konstitutiv zu sein. Was unterscheidet also dieeinzelnen Rückmeldeformen? Es ist anzunehmen, daß hierbei der Kontexteine wesentliche Rolle spielt und die Funktionen vieldeutig sind. Schließlichkann wohl nicht davon ausgegangen werden, daß die Äußerung zustimmen-der Rückmeldungen ein tatsächliches Verstehen oder Verständnis sowie dieaufrichtige, volle Aufmerksamkeit auf seiten des Hörers widerspiegeln; siekönnen nur als (konventionalisierter) Ausdruck für die Darstellung vonVerstehen und Zuwendung gelten.

Im vorliegenden Fall von exacto ging eine Expansion voraus, in der derSprecher einen Beleg aus dem religiös-kulturellen Hintergrund herangezogenhatte (F. 9): Die seres werden durch eine Anspielung auf ein neutestamen-tarisches Gleichnis etwas unvermittelt mit elementos in Verbindung gebracht.Der Verweis auf das kulturell-religiöse Hintergrundwissen wird mit dizemque markiert. Ob die Hörerin mit exacto nun tatsächlich der Behauptung sãoos seres que o jesús cristo dominava quando ia na barca zustimmt – was diewörtliche Bedeutung nahelegt („genau so ist es“) – ist nicht eindeutigentscheidbar.57 Viel naheliegender ist, daß die Hörerin die Referenz auf denreligiös-kulturellen Hintergrund nachvollzieht, diese Wissensbasis bestätigtund damit gleichsam zu erkennen gibt, daß sie sich die Geschichte, auf dieangespielt wird, vergegenwärtigt. Die Bestätigung kann sich also auf ver-schiedene Ebenen des Diskurses beziehen; hier etwa darauf, daß die Hörerin 56 Weder aus dem vorliegenden Zusammenhang noch aus den vorausgehenden Ausschnitten

wird deutlich, ob jemand bestimmtes mit disserem gemeint ist oder hier nur eine unper-sönliche Personendeixis vorliegt.

57 Zumal die endgültige Bestimmung, inwiefern die seres mit dem Gleichnis zusammen-hängen können, vor der Rückmeldung noch gar nicht eindeutig klar ist, da á tempestadeerst danach geäußert wird.

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das Beispiel als Beleg für die Erklärung der problematisierten Phänomeneakzeptiert.

Eine auch in diesem Beispiel häufig verwendete Partikel ist pois.58

SCOTTI ROSIN hat in seinem Korpus pois als häufigstes Eröffnungssignalvorgefunden; es dient „einmal der Verzögerung und dem Nachdenken desSprechers, […] kann jedoch auch den Auftakt für einen neuen Gedankengangbilden, den es formal einleitet“, wie etwa in F. 12, wo es einen bewertendenEinschub einleitet. In der ersten Erzählung kam die Diskurspartikel auch alsEröffnungssignal vor, das thematisch nach einer Nebensequenz die Rückkehrzur Erzählung signalisiert, sowie als Einleitung eines Resümees, womit es indiesen Positionen ähnlich funktioniert wie dt. also. SCOTTI-ROSIN weistdarauf hin, daß es auch als verstärkte Bejahung oder in Kombinationen wiepois claro als Antwort verwendet werden kann:

Da pois im Portugiesischen eben nicht nur als Äußerungseröffnungssignal, sondern häu-fig auch in verschiedenen Zusammensetzungen oder Reduplikationen als Bejahungs-partikel gilt, ist es bisweilen nicht einfach zu entscheiden, ob wir es hier mit einemGliederungssignal oder mit einem Adverb mit entsprechender Funktion zu tun haben.59

Dabei würde die Häufigkeit von pois im Portugiesischen noch über derHäufigkeit des Gliederungssignals puis im Französischen liegen. SCOTTI-ROSIN gibt ferner Beispiele an, in denen pois Signal der Turn-Übernahme ist.

Das Signal pois dürfte vor allem eines der produktivsten assertierendenRückmeldungssignale im europäischen Portugiesisch und dementsprechend„leer“ bzw. vielfältig einsetzbar sein. Daher wird es auch zu Verstärkunghäufig gedoppelt (pois pois).

Mit pois wird die erfolgreiche Abhandlung bzw. die Verständigung überdas eben Gesagte von Hörerseite manifest; damit erfolgt gleichsam die Bestä-tigung, daß gültige konditionelle Relevanzen übernommen werden. DeutscheEntsprechungen sind genau, stimmt, o.ä. Pois und exacto bzw. exactamentesind insofern sehr ähnlich; daß sie jedoch in allen Kontexten gegeneinanderaustauschbar sind, ist nicht anzunehmen. Pois dürfte m. E. wesentlichproduktiver sein und in mehr Kombinationen vorkommen; außerdem kann esfast beliebig gehäuft werden, wie sich in F. 21/22 und 41 zeigt.60

In F. 12 wird die Hörerin auf eine Bewertung mit rückstufenderAnwendungsstruktur mit der assertierenden Rückmeldung claro aktiv (F. 12)– ein Signal, das Einsicht und Evidenz semantisch vermittelt. Und so muß der

58 DPL: „pois, conj. à vista disso; portanto; porque; porquanto; além disso; contudo, –

que?: como?; – sim!: loc. interj. designativa de assentimento ou dúvida àquilo queoutrem nos diz; interj. fórmula de cortesia que exprime assentimento inteiro ao que nospedem. (Do lat. post, «depois»).“

59 Scotti-Rosin (1983: 13).60 Genaue Funktionsunterschiede kann wohl nur eine größer angelegte Untersuchung

erbringen, in der eine Vielzahl von Vorkommen miteinander verglichen werden.

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Sprecher seinen Standpunkt gar nicht weiter ausführen; Pereira, der mit der(redundanten) Darstellung der Bezeichnungen noch fortfahren wollte, brichtkurzerhand ab und eröffnet einen neuen Schritt.61 An dieser Passage wirddeutlich, wie der Hörer durch rückmeldenden Aktivitäten an der Entwicklungund Behandlung der Foki und damit an der Gesprächssteuerung beteiligt ist.Die Rückmeldung kann sogar als metakommunikative Aufforderung verstan-den werden, sich nicht weiter mit etwas, das alle einsehen, aufzuhalten. Daßdiese metakommunikative Information über die semantische Bedeutung vonclaro abgeleitet werden kann, liegt nahe.

In F. 13 reagiert die Hörerin mit der Rückmeldung exactamente, diesmalallerdings nicht an einem syntagmatischen Einschnitt oder in die Stille hineingesprochen. Dafür dehnt sie die erste Silbe und setzt nach einer kurzen Pausezu einer weiteren Äußerung an, die sie abbricht, um dann mit einer weiterenRückmeldung die Partneräußerung nochmals zu assertieren; dazu bedient siesich der Partikel pois und einer variierenden Wiederholungstechnik. Einesolche wörtliche oder variierende Wiederholung von Äußerungssegmentendes Primärsprechers scheint eine Abwahl des Fokus zu unterstützen. Dieausgebaute Rückmeldung gibt übrigens dem Primärsprecher Zeit für dieweitere Planung seiner Äußerungen.

Zweimal erscheint als Rückmeldungssignal mhm (Fa. 18 und 20); beideMale in einer Pause von Pereiras Beitrag. Mhm ist aufgrund seinerlexikalischen Leere wohl ein eindeutig „hörerrollenbetonendes“ Signal. Eserfolgt oft parallel zu einem paralingualen Signal, dem Kopfnicken.

Als Pereira ein Beispiel aus einem Märchen als Erklärung anbringt, dasihm als geeignet erscheint, der Hörerin eine Vorstellung der seres zu geben,reagiert die Hörerin Tia mit einer auffälligen, langen redebegleitendenRückmeldung:

P:

T:

de mh . . da Branca de neve e dos sete anões, os sete anões seriam . . seriam estes

es/ exactamente . . pois21

P:

T:

– \anõezinhos (que) esses seres 7[ ] quer dizer . muitas vezes crianças, quando dizem

pois pois pois a:hm sim sim . . que é que/22

Die Rückmeldung beginnt mit exactamente und wird mit vierfach hinter-einander geschaltetem pois sowie mit ahm und sim sim bekräftigt. Dass dieRückmeldung so expansiv ist, wundert nicht, denn nach langen Erklärungs-versuchen, Rückfragen und Missverständnissen hat die Hörerin offensichtlichnun endlich verstanden, was der Partner meinte – denn die Geschichte vonSchneewittchen kennt auch sie. Nun haben sich die Beteiligten also über die

61 Die Äußerung chamem-lhe o que quiserem hat m. E. auch einen routinehaften Charakter.

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seres verständigt. Daraufhin wählt der Sprecher Pereira auch gleich diesenFokusaspekt mit quer dizer ab und wechselt zu einem neuen Beispiel. Auchdiesen Fokus bestätigt die Hörerin deutlich mit é isso, pois (F. 24), schaltetsich dann mit einem Kommentar ein und erhält das Rederecht.

Ihre Einschätzung des Sachverhalts wird wiederum von Pereira mit sim(F. 25) bestätigt. Sein Beitrag (não é ver com os olhos, F. 27) wird von Tiamit dem Rückmeldungssignal não bestätigt; eine verneinte Behauptung wirdalso mit einer verneinenden Rückmeldung bestätigt.

Das folgende eeh ist Fortsetzungssignal: Auch an dieser Ausdeutungmöchte sich die Hörerin beteiligen, und als Pereira mit gedehntem com seineRede verzögert, schaltet sie sich wieder ein, übernimmt mit pois das Rede-recht und bietet ihrerseits Erklärungsmöglichkeiten an. Diese kommentiertPereira mit sei lá (F. 28), einer bedingten, unbestimmteren Assertion. Seinehier unverständliche Äußerung in F. 28 wird von Tia wieder mit pois asser-tiert, die nächste Äußerung, eine Erklärung, für die Begrenzung der Wahr-nehmung, bestätigt sie mit exactamente (F. 29). Die folgende Äußerung, eineFokussierung auf die relevanteste und plausibelste Erklärung für die Mög-lichkeit der Perzeption übersinnlicher Kräfte, die Intuition, wird ebenfalls mitexactamente bestätigt (F. 30). In F. 33 assertiert die Hörerin mit derWiederholung des Verbs sentir und der Reihung sim sim sim. Dann erfolgtein Einschnitt von zwei Sekunden.

In F. 33 folgt eine assoziativ fortgeführten Schilderung, an der sich auchdie Hörerin beteiligt. In F. 37 bringt sie mit ou ou ou tocada einen eigenenVorschlag ein, und – wie häufig nach längeren Aktivitäten, die über einekurze Rückmeldung hinausgehen – nun assertiert Pereira seinerseits mit pois.Die Aufgabe, Rückmeldungen zu geben, fällt also auch bei nur kurzandauernder Hörerrolle dann dem Primärsprecher zu. So kann er wiederleichter das Rederecht erlangen: Die Rückmeldungen eröffnen nämlichgleichzeitig seinen Turn, haben also auch Fortsetzungsfunktion, vgl. etwa:

F. 6: pois … e eu digo assim mas eu nã o vejoF. 17: eh eh sim, como lobo masF. 25: sim mas depois a pessoa portantoF. 37: pois, ou ou mexida

In den seltensten Fällen, in denen der Primärsprecher Rückmeldungengibt, treten anschließend längere Pausen ein (so nur in F. 6). Dort sichert erdie Fortsetzung seiner Rede durch den Anschluß des Verknüpfers e. In F. 25fährt er ebenso mit Gliederungssignalen mas depois in seiner Rede fort; dieDehnung auf sim hat dort eine überbrückende Funktion. Bei entsprechenderProsodie kann die Rückmeldung gleichzeitig die Fortsetzung signalisieren,etwa wie in F. 37, wo die Tonhöhe auf pois ansteigt und nur eine ganz kurzeSegmentierung vor ou eintritt.

In F. 39 bestätigt die Hörerin mit é é é isso. Auch in F. 41 bestätigt Tiamit mehrfacher Wiederholung von pois den Fokus und assertiert nochmals

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mittels der Wiederholung des Verbsyntagmas. Wiederholungen bei Zuhörer-aktivitäten lassen wohl weniger auf Planungs- oder Formulierungsschwierig-keiten schließen, außer, es handelt sich um eigenständige Akte wie in F. 37.Bei echten Rückmeldungen dürften die Doppelungen oder häufigere Wieder-holungen derselben Form sowie Reihungen im Zusammenhang mit demgleichzeitigen Sprechen gesehen werden, wie hier in F. 39. Weil Pereiraweiterspricht, muss sich die Hörerin intensiver Gehör verschaffen, auch wennsie nur rückmelden will, daß sie Pereiras Fokus übernimmt. EmphatischeRückmeldungen scheinen jedoch auch charakteristisch für die phatische undkooperative Rahmung des Gesprächs zu sein. Zumindest erscheinen in deninformellen Interaktionen wesentlich mehr Häufungen, Verdoppelungen oderReihungen als etwa in den Radiodiskussionen.

An dieser ganzen Passage ist sehr gut nachzuvollziehen, wie dieGesprächspartner in sehr kooperativer Weise das Thema entwickeln, ihrenGegenstand definieren, gemeinsam zu Vorstellungen und Evaluierungen bzw.Einschätzungen über das Gesprächsthema gelangen, wobei auch die HörerinVermutungen und Einschätzungen äußert, die wiederum vom Primärsprecheraufgegriffen und je nach Einschätzung relativiert, abgelehnt oder akzeptiertwerden. Das heißt, daß auch die Hörerseite in ganz erheblichem MaßGesprächssteuerung ausüben darf. Gerade Art, Häufigkeit und Verwendungvon Hörersignalen lassen Rückschlüsse auf Interaktionsstrategien zu.

4.1.5 Erste Ergebnisse

Anhand der beiden Dialogausschnitte Fallbeispiel 1 und Fallbeispiel 2 konn-ten eine Reihe von sprachlichen Mitteln des Portugiesischen aufgezeigtwerden, die zur Gesprächsorganisation beitragen, also einen Sprecherwechselunterstützen, zur Gliederung auf thematischer Ebene und zur Lokalisierungim Sinne einer Einbettung der Äußerung in den Gesamtzusammenhang bei-tragen sowie das wechselseitige Verstehen absichern. Daneben wurden auchFormen aufgedeckt, die der Verdeutlichung bestimmter Sprechereinstel-lungen bzw. Strategien dienen. Unter den sprachlichen Mitteln konnten einer-seits einzelne Lexeme ausgemacht werden, Partikeln also wie até, agora,então, mas, olha, ora, portanto u.a.m., andererseits kürzere Syntagmen, dieein phonetisches Wort bilden und z. B. aus zwei oder drei Elementen beste-hen. Beide Formtypen zähle ich zu den Diskurspartikeln. Die Einzellexemekönnen auch in Kombinationen auftreten, wie etwa mas então oder ai olha,mas depois, die dann jeweils intonatorisch eng aneinander gebunden sind. Zuden feststehenden Syntagmen gehören não é, quer dizer, não é verdade, sei láund andere mehr. Sie weisen eine beschränkte Silbenzahl auf, können sehrverschliffen und schwachtonig realisiert werden. Für ihre Zuordnung zu denPartikeln spricht, daß sie in dieser Verwendungsweise zusammengehören undzumindest phonetisch nicht auffälliger als etwa dreisilbige Diskurspartikeln

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oder bestimmte Partikelkombinationen sind. Die Gliederungssignale ah undeh o.ä. betrachte ich als Grenzfälle zwischen Diskurspartikel und gefüllterPause (mhm), da sie einerseits zwar lautlich sind und gliedernde Funktionhaben; geht man jedoch von ihren vielfachen Distributionsmöglichkeiten imText aus, sind sie den Pausen ähnlicher. Innerhalb der Diskurspartikelnbestehen syntaktische bzw. distributionelle Unterschiede, im Hinblick darauf,ob sie segmentfähig sind und makrosyntaktische Einschnitte bilden und/oderSegmente begrenzen oder syntaktisch eingebunden sind.

Als einen zweiten Bereich der Anwendungsstrukturen im Sinne vonKALLMEYER (1978) betrachte ich komplexere Strukturen, die metakommuni-kative Informationen tragen. Sie teilen mit den Diskurspartikeln Funktionen,sind aber nicht implizit bzw. lassen noch eine semantische Bedeutung er-kennen, d. h. sie sind transparenter als Partikeln. Die komplexeren Ausdrücketreten in der Regel im Redefluß deutlicher hervor, einmal schon aufgrundihrer Länge, aber auch, weil sie eher Segmente bilden und intonatorischauffälliger markiert werden können; allerdings kann dies auch für mancheDiskurspartikeln gelten, v. a. solche, die in einleitender Position erscheinenund nicht in das Syntagma eingebettet sind, also die Eröffnungssignale wieagora oder olha. Gerade die illokutionären Einleitungssignale wie eu pensoque, eu acho etc. können jedoch auch stereotyp bzw. konventionalisiert ver-wendet werden, dabei ihre semantische Bedeutung weitgehend verlieren undausschließlich mit interaktionalen Funktionen, etwa argumentationssteuerndoder textgliedernd eingesetzt werden; auch treten sie teilweise prosodischverschliffen auf (als phonetische Einheit) und sind eventuell auch prosodischeng an das folgende Syntagma gebunden. Hier sind die kategorialen Grenzenzwischen Diskurspartikeln und komplexeren Markern also fließend.

Einen eigenen Typ bilden schließlich noch die redebegleitenden Aus-drucksmittel im Rückmeldekanal, deren Funktionsträge Lexeme wie pois,komplexere Strukturen wie é isso, Kombinationen oder Doppelungen bzw.Häufungen sein können. Diese Rückmeldungen, Ausdrücke des aktivenHörens, sind aufgrund ihres Vorkommens außerhalb des Turns des Sprechersgut abgrenzbar. Bestimmte als Rückmeldungen auftretende Formen könnendaher als spezifische Untergruppe der Diskurspartikeln betrachtet werden. Sieberühren nicht die Verteilung der Rederolle und werden daher mit gutenRecht auch als „Hörersignale“ bezeichnet. Sie können Aufmerksamkeit,Zustimmung, Erstaunen signalisieren.62

Wenn man betrachtet, auf welche Weise der Hörer aktiv werden kann,gelangt man zu einer weiteren Differenzierung. Gerade in einer Erzählung,wo ein Primärsprecher auftritt – wie auch in anderen monologisch geprägtenSachverhaltsschemata, z. B. einer Schilderung –, lassen sich die Aktivitätendes Hörers nämlich dahingehend unterscheiden,

62 Vgl. Koch/Oesterreicher (1990: 58).

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– ob sie den Vollzug der Geschichte mitkonstituieren, sich also in dienarrativen Sequenzen einfügen und somit die Erzählung voranbringen,

– ob sie die Erzählung unterbrechen und dadurch den Vollzug der Erzähl-handlung kurzzeitig außer Kraft setzen,

– ob sie redebegleitend auftreten und den Erzählfluß nicht unterbrechen.

Als unterbrechenden Aktivitäten können z. B. Nebensequenzen, die denbestehenden Rahmen außer Kraft setzen oder anderweitige Expansionengelten.63 Hier wird das Rederecht eindeutig übernommen. Bestimmte Signalekann man daher auch als Unterbrechungssignale bezeichnen. Bei redebe-gleitenden Aktivitäten wird von Hörerseite nur Aufmerksamkeit bestätigt,Verstehen signalisiert oder Einverständnis zum Gesagten vermittelt, ohne daßdie Sprecherrolle beansprucht wird – damit wäre man bei den Hörersignalen.

Interessant ist nun jedoch, dass jegliche Höreraktivität fast regelmäßig anmikrostrukturell übergaberelevanten Stellen64 vollzogen wird, nämlich immerkurz vor oder nach dem Abschluß eines Syntagmas bzw. Segments – auchwenn sie nur „Bestätigung“ ausdrücken. So ist es etwa zu Beginn der Fläche4 die absinkende Intonation und das Absetzen danach, die einen Einschnittbilden und der Gesprächspartnerin die Möglichkeit zur Rückmeldung geben,die sie dann in die Stille hinein äußert (claro). Insofern steht auch eine strikteKategorie „Hörersignale“ auf wackligen Füßen.

Abschließend nun zur Formenvielfalt. In den überwiegend erzählendenSachverhaltsdarstellungen erschienen regelmäßig die folgenden Formen:

1. Diskurspartikeln: afinal, agora, ah, ai, assim, até, depois, é que, e(auch gedehnt) eh, então, lá, mas, não é (não era), ó (+ Namens-anrede), olha, ora, pois, portanto, pronto, quer dizer, sei lá, vê lá.

2. Komplexere Ausdrücke: contam que, dizem que, eu penso que, estás aver, não é verdade, talvez não acredites, é verdade.

3. Rückmeldungssignale: claro, é isso, exacto, exactamente, mhm, não,pois, pois é, sim

In konversationellen Erzählungen spielen gliedernde Partikeln für dieVersprachlichung des Erzählplans bzw. die kognitive Steuerung der Vertex-tung eine besondere Rolle, indem sie unterschiedlich relevante Erzählein-heiten markieren, den Wechsel zwischen verschiedenen Konstitutionsebenenmanifestieren und einzelne Äußerungen im Hinblick auf den Gesamtzusam-menhang einordnen. Somit leisten sie für den Partner Verständigungshilfe,unterstützen die Verarbeitung der Informationen und verdeutlichen den Stand 63 Vgl. Quasthoff (1981: 294).64 Sacks e.a. nennen die Einschnitte einer Äußerung, in der das Rederecht vom Gesprächs-

partner übernommen werden kann, transition relevance places („übergaberelevanteStellen“), vgl. Sacks/Schegloff/Jefferson, 1974: 704 und Levinson (1990: 297).

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der Erzählung. Als das wohl produktivste Verknüpfungs- und Eröffnungssig-nal tritt, was nicht überrascht, der Konnektor e auf, der der Verknüpfung vonEreignissen auf der Ebene der Geschichte dient, dabei oft auch die Rückkehrzu einer höheren Relevanzebene signalisiert, indem er auf die Binnenhand-lung bezogene Gesprächsschritte markiert. Als weitere Verknüpfungsele-mente des Ereignisstroms waren v. a. Konnektoren wie então und pois sowiedepois und entsprechende Kombinationen mit e auszumachen, die auch nacheiner Abschweifung mit einer Rückkehr zur Binnenhandlung in Zusammen-hang stehen können.

Eine makrostrukturell weiterreichende Vorstrukturierung leistet die Par-tikel agora, die als Eröffnungssignal zu Beginn des Kernschemas bzw. grö-ßerer Erzähleinheiten verwendet wurde. Ein weiterer produktiver Konnektor,der ebenfalls auf die Gesprächsorganisation bezogene Funktionen habenkann, ist die Form mas. Wie es KALLMEYER für das Französische maisfestgestellt hat, kann mas lediglich auf die Funktion eines Diskontinuitäts-signals reduziert sein, d. h. die Orientierung auf einen neuen (Teil-) Aspektder Erzählung bzw. des Themas lenken. Turn-intern und nicht in dem Sinnerzählspezifisch wie die Signale der Erzählfolge treten v. a. Formen wieportanto, quer dizer oder pronto auf. Die letztgenannte Partikel etwa kannneben ihrer rückstufenden Funktion auch überbrückende Funktion haben oderim Zusammenhang mit Planungs- oder Formulierungsschwierigkeiten stehen.

Als wesentliche Verfahren der Verständnissicherung im Dialog könnendie hörergerichteten Signale der Aufmerksamkeitssteuerung und Verstehens-absicherung gelten, v. a. die einleitenden interjektionalen Partikeln olha, ó,ai, auch in Verbindung mit der Namensanrede oder in Kombinationen. Siehaben hochstufende Funktionen, lenken also die Aufmerksamkeit darauf, daßin der folgenden, markierten Äußerung ein relevanter Teil des Schemas abge-arbeitet wird, oder greifen Bewertungen vor und beziehen dabei gleichzeitigden Hörer mit ein.

Ebenfalls von großer Bedeutung für die Verständnissicherung, die Koope-ration und die Rekurrenz auf das gemeinsame Relevanzsystem sind dieNachziehfragen oder Schlußsignale não é oder não era, aber auch komple-xere tags wie não é verdade, die ein Hinweis darauf sein können, daß ge-meinsames Wissen aktualisiert und somit zur Grundlage des Gesprächsgemacht wird. Sie waren überaus produktiv in der ersten Erzählung, waszeigt, daß eine Erzählung im Gespräch kein monologisches Schema ist, son-dern immer hörerorientiert produziert wird. Die Nachziehfragen hängen mitder Rekurrenz auf Offensichtliches, Gewußtes oder Evidentes und/oder derRückkehr zur aktuellen Situation zusammen und erscheinen daher gehäuft inerklärenden Passagen. Besonders die expliziteren Nachziehfragen, aber auchdie wiederholte Realisierungen von tags zielen auf eine Assertierung durchden Gesprächspartner, während das produktive naõ é in manchen Fällen nurnoch bestimmte Sprechhandlungen markiert bzw. Reziprozitätssignal ist. Bei

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einer Häufung von Nachziehfragen wird die konditionelle Relevanz für eineRückmeldung oder Bestätigung immer stärker.

Die portugiesischen Modalpartikeln wie afinal, então oder mas verdeutli-chen Relevanzbeziehungen und betten die Äußerungen im Kontext ein. DieModalpartikeln können je nach Kontext auch emotive Funktion haben oderbestimmte Strategien wie Höflichkeit verdeutlichen. Sie tönen die Äußerungab, indem sie Sprechereinstellungen indizieren, können interaktionsstra-tegisch gedeutet werden und stehen, wie übrigens die interaktionalenPartikeln auch, oft im Zusammenhang mit der emotionalen Ausdeutung derSituation. Modalpartikeln lassen sich von den Gliederungssignalen insofernunterscheiden, als sie nicht isolierfähig sind. Allerdings weisen einzelneFormen Überschneidungen auf; so kann etwa então von der Äußerung durcheine Pause getrennt sein, also eher Gliederungssignal sein; oder das Eröff-nungssignal agora kann eng mit dem Syntagma verbunden sein und eher ab-tönend wirken. Ob allerdings eine zwingende Korrelation zwischen Glie-derung und Segmentfähigkeit einerseits und Abtönung und syntaktischer An-oder Einbindung andererseits besteht, kann hier noch nicht entschiedenwerden. Wenn von einzelnen Varianten ausgegangen wird, dann ergeben sichdie jeweiligen (Primär-) Funktionen wohl am ehesten durch ihre sequentielleStellung und intonatorische Differenzierungen.

Modalpartikeln, aber auch Interjektionen und (abtönende) Gliederungs-signale wie ó oder olha haben in der Redewiedergabe in konversationellenErzählungen die wichtige Funktion, durch ihren dialogischen und situations-definierenden Charakter die szenische Darstellung der fingierten Sprecherbei-träge zu unterstützen. Sie verdeutlichen typisierend bestimmte Sprecherhal-tungen auf der Binnenebene, verleihen den Redewiedergaben aber auch einenauthentizitätssteigernden Charakter. Insofern sind sie wichtige Sprachmittelfür die Aktualisierung der phatischen Rahmung.

Im zweiten Beispiel wurde besonders deutlich, wie sich auch die Hörerinmaßgeblich durch Steuerung und Mitgestaltung am Erzählvorgang beteiligenkonnte. Auf die Bedeutung der Hörerrolle hat auch SCHIFFRIN hingewiesen:

[…] discourse tasks – opening a story, reporting events, making a point, performing anaction – are accomplished not only through speaker’s manipulation of different aspectsof talk, but through a finely tuned process of hearer participation: by withholding theirown turn-incomings, displaying their appreciation and evaluation of the story at criticaljunctures, responding appropriately to the action, and in general making evident areceptive stance toward the story […], it is hearers of the story who ultimately providethe turn, realize the point, and endorse the action. In short, speakers have only partialresponsibility for the construction of narratives: speakers can propose the form, meaningand action of what they are saying, but to be established as a part of the discourse, suchproposals need hearer endorsement.65

65 Schiffrin (1987:17).

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Die Gesprächspartner kamen in kooperativer Weise zu Ergebnissen undder Manifestation geteilter Überzeugungen: Schon zu Beginn erzeugten siegemeinsam eine Schlüsselposition: há coisas que a gente não se apercebe.66

Nicht zuletzt entwickelte oder zeigte sich während des Beitrags von Pereiradie Ab- und Versicherung einer gemeinsamen Basis etwa auch darin, daß dieGesprächspartnerin Tia seinen Einstellungen zustimmte, den gemeinsamenkulturell-religiösen Hintergrund bestätigte, eigene Lösungsangebote vor-brachte, durch Fragen den Gesprächsverlauf steuerte usw. Der Wissensvor-sprung von Pereira führte keineswegs zu einer asymmetrischen Gesprächs-situation; vielmehr strebten die Gesprächspartner meist Konsens über diebehandelten Punkte an und bekräftigten gemeinsame Wertvorstellungen.

Im untersuchten Beispiel lag damit eine auf mehreren Ebenen manifestekooperative Interaktionsmodalität vor, die sich auch in den Rückmeldungenvon Hörerseite ausdrückte: Formen wie claro, exacto, exactamente, sim, éisso, pois und andere mehr, die dem Sprecher Zustimmung und Verstehensignalisieren, wurden überaus häufig verwendet. Zudem wurden Rückmel-dungssignale auch in Häufungen und produktiven Kombinationen ausge-macht. In einer kooperativen, unterhaltenden und nähesprachlichen Rahmungscheint eine solche (emphatische) Häufung von Rückmeldungssignalen eherder Regelfall als die Ausnahme zu sein. Als Rückmeldungssignale tretenauch Partikeln auf, die zur Strukturierung des Sprecherturns verwendetwerden, wie pois und pronto. Komplexere Rückmeldungsstrukturen könnenselbst durch Diskurspartikeln eröffnet werden. Andererseits können Rück-meldungssignale auch bei entsprechender Betonung, bei Verzögerung oderDehnung oder durch den direkten Anschluß weiterer Gliederungssignale zuFunktionsträgern der Turn-Übernahme werden; dies war häufig in den Fällenzu beobachten, in denen der Primärsprecher seinerseits zum Hörer wurde,rückmeldete und anschließend wieder das Rederecht beanspruchte.

66 Die einzelnen Handlungsschritte werden in der sequentiellen Analyse genauer untersucht.

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5 Ein vielseitiges Relevanzsignal:die Partikel olha (olhe)

5.1 „Abschwächung“ als inhärentes Merkmal?

Die Partikel olha bzw. olhe in der Höflichkeitsform dürfte zu den produktiv-sten Diskurspartikeln in der Alltagssprache zählen.1 Neben der imperati-vischen Verbfunktion2 lassen sich zwei Typen feststellen: Der erste Typ, wirdprosodisch markiert, weist häufig eine eigene Intonationskurve auf und istdurch Pausen von den angrenzenden Syntagmen getrennt (segmentbildendeVariante). Der zweite Typ ist nicht-segmental und damit intonatorisch eng andas folgende Syntagma gebunden; die lautliche Markierung ist nur schwach,d. h. die Form wird sehr verschliffen realisiert. Den ersten Typ könnte manals expressive Variante oder Emphasesignal, den zweiten als Diskurspartikelbezeichnen. Die Diskurspartikel taucht vor allem als Eröffnungssignal imSinne GÜLICHS (1970) auf. Ihre Funktionen sollen nach einem kurzenForschungsüberblick genauer beleuchtet werden.

SCOTTI-ROSIN zählt olhe und olha sowie ouça, intensivierbar durch cáoder lá, neben ah, pois, portanto und repare/repara zu den Gliederungssig-nalen, die die spontane Sprache kennzeichnen, allerdings wohl nicht zu denhäufigsten.3 FRANCO untersucht die Form nicht; SCHMIDT-RADEFELDT (1994)stellt olha im Rahmen eines Partikelvergleichs dem dt. mal und pg. desculpein Funktion einer „abgeschwächten interaktionale Partikel derEntschuldigung“ gegenüber. Seine Interpretation soll an dieser Stelle disku-tiert werden. Schmidt-Radefeldt untersucht folgende Beispielsätze:

(1) Ich muß mal schnell telefonieren, ich bin in 5 Minuten wieder zurück.(2) Desculpe, mas tenho de ir (ali) telefonar num instante; daqui a 5 minutos já volto.(3) Olhe, tenho de ir (ali) telefonar num instante, mas daqui a 5 minutos já cá estou

outra vez.

(Schmidt-Radefeld 1989: 260)

1 Die Aussage in bezug auf die Produktivität gilt insofern unter Vorbehalt, als sie nicht auf

quantitative Analysen zurückgeht.2 Vgl. Kap. 2.1.1, Anm. 5. Cuesta/da Luz (1971: 461) führen olha lá als „interjeição para

chamar a atenção de alguém ou pedir socorro“; die Form wird nicht aufgelistet beiCintra/Cunha (51988: 587); Mateus e.a. erwähnen Interjektionen weder als Kategorie nochunter alternativen Konzepten. bzw. funktionalen Aspekten.

3 Scotti-Rosin (1983: 17).

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In dem Entschuldigungssprechakt würde die deontische Modalität desgegebenen propositionalen Sachzwangs durch die Partikeln „im Hinblick aufeinen sprachlichen Ausdruck für Höflichkeit“ abgeschwächt.4 Da der Autorvon „abgeschwächter Partikel“, andererseits von „Abschwächung der deonti-schen Modalität“ spricht, drängt sich die Frage nach Bedeutung und linguisti-scher Konzeption von „Abschwächung“ auf. Der Terminus findet zwarhäufig im Kontext von Beschreibungen sowohl der Modalpartikeln als auchanderer linguistischer Kategorien Verwendung, das Begriffsverständnisscheint jedoch mehr oder weniger unpräzise von einer alltagssprachlichenVerwendung abgeleitet zu sein.5

Zunächst werde ich versuchen, nachzuvollziehen, wie in den o.a. Bei-spielen „Abschwächung“ zu verstehen ist.6 Es erscheint wenig plausibel, daßdie deontische Modalität, also die Notwendigkeit des „Telefonieren-Müs-sens“ abgeschwächt wird. Die Notwendigkeit, zu telefonieren, ist einfachgegeben; daß der Sprecher seinen Schritt ankündigt, läßt ihn angesichts derinteraktionellen Folgen eher als unvermeidlich erscheinen. Bezieht sich dieAbschwächung damit nicht viel mehr auf den Stellenwert der Sprechhand-lung im Gespräch und auf die konversationellen Bedingungen, die durch siegeschaffen werden? Der Sprecher beabsichtig mit der Entschuldigung einenAbbruch der laufenden Konversation; damit hätte der Zug u. a. eine meta-kommunikative Funktion und kündigt eine Unterbrechung an. Daß er aucheine höfliche Komponente hat, erscheint nicht zwingend. Da mit einer Unter-brechung eine Störung der laufenden Kommunikation vollzogen wird, mußsie vorher durch eine minimale (höfliche?) Ankündigung „repariert“ werden.

Durch die Äußerung selbst werden die nächsten Handlungs- bzw.Reaktionsmöglichkeiten des Interaktionspartners eingeschränkt, also starkekonditionelle Relevanzen etabliert und eine Erlaubnis/Billigung durch denGesprächspartner erwartet. Wie auch immer die hier ja nur virtuelle Situationim einzelnen aussehen mag, zumindest mit einer konventionell-höflichenAnkündigung muß der Sprecher sein Gegenüber über sein zukünftiges Han-deln aufklären; damit antizipiert der Sprecher in seiner Äußerung möglicheReaktionen des Hörers und berücksichtigt entsprechende soziale Normen.Diese Ankündigungsfunktion liegt offensichtlich allen drei Beispielenzugrunde.

4 Schmidt-Radefeldt (1989: 260) knüpft mit dem Beispiel an andere Beispiele für

‘stereotype Wendungen der Höflichkeit’ an. Zum Stellenwert der Beispiele vgl. ebda, 265.5 Vgl. Meyer-Hermann (1983: 22): „So oft der Begriff ‘Abschwächung’ […] zur Charak-

terisierung der Funktion sprachlicher Elemente verwendet wird, so selten findet manandererseits Definitionen dieses Begriffs. Und auch das Verfahren, von den Verwendungs-weisen des Begriffs ‘Abschwächung’ auf die zugrunde liegende […] Definition zu schlie-ßen, legt oft einen eher unreflektierten Gebrauch offen.“

6 Die Überlegungen sind unter allen Vorbehalten und Einschränkungen zu verstehen, die beikonstruierten, kontextlosen ‘Äußerungen’ gelten müssen.

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Abschwächung kann somit als Versprachlichungsstrategie verstandenwerden, durch die mögliche negative Schlußfolgerungen, die sich aus demZug ergeben (interaktive oder interpersonale Störungen), ausgeschlossenwerden. Die Abschwächung vollzieht sich also auf der Ebene des sprach-lichen Handelns, ist interpersonal bedingt und muß in der Kommunikationauch als solche von den Beteiligten interpretiert werden, z. B. durch Evalu-ierungsprozesse oder durch eine entsprechend Reaktion. Das Konzept „Ab-schwächung“ ist als interpretatives Phänomen zu verstehen, das zu denVerstehensprozeduren der Interaktanten gehört. Abschwächung auf der Ebe-ne der (deontischen) Modalität festzumachen, könnte hingegen zu dem Miß-verständnis führen, daß es sich dabei um eine referentielle Funktion handelt.

Nun stellt sich die Frage, inwiefern einzelne Sprachmittel, hier die Mo-dalpartikel dt. mal in (1) bzw. pg. desculpe in (2) und olha in (3), zu einer„abgeschwächten Lesart“ beitragen. Zum Funktionsspektrum von mal gehörterstens ein direkter Situationsbezug und zweitens die Einmaligkeit bzw.Geringfügigkeit der Bezugshandlung.7 Die Partikel impliziert, daß die ange-kündigte Unterbrechung bzw. der Sprechakt selbst situationsbedingt undunvermeidlich, aber in bezug auf die übergeordnete Kommunikationssitua-tion geringfügig ist; durch eine weitere konventionelle Implikatur, daß durchdie Störung die gemeinsame Basis bzw. die Beziehung der Interaktions-partner nicht berührt wird, wird einer möglichen Gesichtsbedrohung dieSchärfe genommen. Die Störung wird damit als interaktiv irrelevant eva-luiert. Die „abschwächende“ Wirkung von mal ergibt sich also durch ihrenkonventionellen Gebrauch. In bestimmten Kontexten kann die Partikelinteraktionsstrategisch beschwichtigend wirken.8 Ähnlich argumentiert auchBUBLITZ für Aufforderungen mit mal:

Der Gebrauch von mal löst häufig eine Milderung und Abschwächung des strikten Be-fehls aus, was als Implikatur erklärt werden kann. Zum einen ergibt sich diese Wirkungaus zugrundeliegendem nur, d. h. aus der Einschränkung, die ausgedrückt wird und dievom Hörer auf die Konsequenzen der Ausführung der Aufforderung bezogen werdenkann, im Sinne von …zu nichts anderem fordere ich dich auf, das ist nicht viel, das istalles, das braucht dich nicht zu beunruhigen usw.9

Kehren wir zurück zum Beispielsatz mit mal, so erscheint es gerade dortproblematisch, die Abschwächung nur auf die Partikel zurückzuführen. Fürdie sprachliche Markierung dürfte neben mal zumindest auch die impliziteLesart von schnell eine Rolle spielen: die Implikatur etwa, daß der Sprecher 7 Vgl. Franck (1980: 249).8 Mit „potentieller Störung“ wären auch konversationelle Abschweifungen erfaßt, z. B. wart

mal kurz… / mal kurz was anderes… / etc. Generell gilt für mal eine unmittelbareSituationsbezogenheit, die sich aus seiner Grundbedeutung ableiten läßt, und eine starkeKonventionalisierung in Höflichkeitskontexten. Insofern ist mal ein Höflichkeitsmarkeroder -indikator.

9 Bublitz (1978: 74), Hervorhebung I.K.

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verspricht, die Unterbrechung nicht zu lange auszudehnen, sich beim Telefo-nieren zu beeilen.10 Entscheidend jedoch ist die Formelhaftigkeit des Satzes.Er funktioniert ganz ähnlich wie indirekte Aufforderungen, die durch Fragenausgedrückt werden, etwa: Kannst du mir mal das Salz reichen? FRANCKnennt solche Formulierungen „semi-konventionell“:

[…] es sind nicht feste sprachliche Konventionen, die die direktive Bedeutung zuordnen,sondern generelle Konventionen der Höflichkeit bzw. der sozialen Interaktion imallgemeinen. Diese Konventionen sind Teil des gemeinsamen kulturellen Wissens allerTeilnehmer, so daß keine ganz spezifischen kontextuellen Gegebenheiten bekannt zusein brauchen, um die direktive ‘indirekte’ Lesart als die naheliegendste zu betrachten.11

Die Äußerung „Ich muß mal schnell telefonieren.“ muss als indirekterSprechakt gelten, da mittels der Ankündigung einer nicht-gesprächs-bezogenen Handlungsabsicht des Sprechers gleichzeitig eine Entschuldigungvollzogen wird. Damit eröffnet die Äußerung per se eine höfliche oder „ab-geschwächte“ Lesart. Durch diese Konventionalisierung tritt eine wörtlicheBedeutung gegenüber der ritualisierten Gesprächsfunktion zurück. Die Parti-kelkombination mal schnell könnte aufgrund ihrer konventionellen und/oderimpliziten Bedeutung als Signal oder Marker für diese Höflichkeitsstrategiegelten.12 „Abschwächungsmittel“ sind demnach als sprachliche Indikatorenfür Höflichkeitsstrategien aufzufassen.13

Nun ist zu prüfen, wie die Höflichkeit in den portugiesischen Äquiva-lenten indiziert wird. In (2), aber auch in (3) ist neben desculpe und olhe auchauf den adversativen Konnektor mas zu achten, und zwar, weil seine Verwen-dung typisch ist für Sprechhandlungen mit strategischen Entschuldigungen,was sich an Stereotypen wie dem ersten pg. Äquivalent zeigt oder z. B. inÄußerungen wie dt. „Entschuldigen Sie die Störung, aber…“.14 Der ausge-drückte Widerspruch liegt dabei nicht auf der Ebene der propositionalen Tie-fenstrukturen, sondern auf der Beziehungsebene: Der Sprecher ist sich z. B.der Gesichtsbedrohung oder der Unhöflichkeit seines Handlungszugs bewußt,muß ihn dennoch vollziehen. Mas indiziert diesen Widerspruch und wirkt da-durch in diesem Kontext interaktionsstrategisch entschuldigend oder wie dt. 10 Man denke auch an Warte mal schnell… / Kannst du mir kurz das Salz reichen… o.ä.

Dabei sind die Adverbien zum Teil auch sinnentleert und äquivalent zu mal.11 Franck (1980: 151).12 Im Ergebnis ist jedoch gleichgültig, ob die Interpretation über Schlußfolgerungen

ausgelöst wird, oder ob ein bestimmtes Interpretationsschema aufgerufen wird; der Hörermuß die Konventionalität und die damit ausgedrücke höfliche Abschwächung als solcheerkennen.

13 Eine genauere terminologische Differenzierung und die Klärung der Zusammenhängezwischen Abschwächung, Höflichkeit und Entschuldigung wäre wünschenswert, kannaber hier nicht geleistet werden.

14 Dies gilt sicher übereinzelsprachlich, z. B. für frz. mais, dt. aber, engl. but inentsprechenden Kontexten; vgl. hierzu Weydt (1983: 148).

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mal beschwichtigend.15 Ebenso wie im dt. Beispielsatz hat die pg. Äußerungwohl auch einen konventionalisierten Charakter.

Es stellt sich zuletzt die Frage, ob die gesprächsorganisierende Funktion(Vorwärtskonnex und Situationsverweis) und „abschwächende“ Struktur, diein der konventionellen Bedeutung von mal liegt, auch in olhe angelegt ist.Einen nach vorne gerichteten Konnex hat olhe häufig durch seine eröffnendeFunktion, wie später in den Einzelanalysen zu sehen sein wird, vgl. etwa (4):

(4) olha mas tens que falar com ele… não achas?(5) Não , mas olha, pois acabei por me entusiasmar por inglês e o alemão

In (5) wird durch não und mas der vorige Fokusaspekt abgewählt undolha steuert wieder nach vorne. Hier hat olhe vor allem eine partnerbezogene,aufmerksamkeitssteuernde Funktion. Es scheint zwar nicht unmöglich, daßolhe in einer entsprechenden Situation eine ähnliche Lesart wie mal in (1)auslöst. Es ist jedoch schwer zu sagen, ob die Interpretation von olhe im Bei-spiel (3) als Signal der höflichen Abschwächung ohne mas so eindeutig istund generell eine Beschwichtigung indiziert. In diesem konkreten Fall wirddie Abschwächung bzw. Beschwichtigung nicht nur durch die Partikeln olheund desculpe markiert, sondern läßt sich auch aus expliziten Teilen der Äuße-rung ableiten: durch num instante oder já, sowie durch die Illokution desVersprechens, die den hörerseitig einschränkenden konditionellen Relevan-zen der Ankündigung auch sprecherseitige Verpflichtungen gegenüberstellt.

Hier zeigt sich, daß es nicht unproblematisch ist, Abschwächung als inhä-rente Funktion einzelnen Sprachmitteln (als deren Bedeutung) zuzuschreiben.Es ist zu betonen, daß das Konzept „Abschwächung“ exakter definiertwerden müsste. Jedenfalls indiziert olhe nicht per se eine Abschwächung.

5.2 Zum Funktionsspektrum von olhe/olha

5.2.1 Emphasesignal und Diskurspartikel als Varianten

Im Hinblick auf die zwei Grundtypen von olha – relative Gebundenheit andas folgende Syntagma vs. relative Selbständigkeit, d. h. Segmentfähigkeitbzw. expressiver Gebrauch – stellt sich die Frage, ob man a priori zwischeneiner Interjektion und einer Diskurspartikel unterscheiden und in diskursivenAnalysen diese Differenzierung aufrechterhalten kann. Daher zunächst einigeAnmerkungen dazu, wie sich Interjektionen von Partikeln unterscheiden.

Traditionell werden Interjektionen dadurch bestimmt, daß sie außerhalbdes Satzzusammenhangs stehen – etwas „Dazwischengeworfenes“ repräsen-

15 Wie interaktionale Abschwächung durch bestimmte olha-mas-Diskursstrukturen prozes-

sualisiert werden kann, zeigt sich in der Analyse von Beispiel 6 (s. u.).

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tieren – und dem Ausdruck von Empfindungen bzw. Gefühlen dienen.Strukturell werden (z. B. HELBIG/BUSCHA, 1994) den Satzäquivalenten zuge-rechnet; im Unterschied zu den satzwertigen Imperativen bilden sie modaleinen Ausrufesatz. Während im schriftlichen Medium eine Markierung durchAusrufezeichen erfolgt, sind Emphasesignale im mündlichen Sprachgebrauchdurch eine stärkere „Druckbetonung“ gekennzeichnet.16 Interjektionen wer-den i.d.R. nach ihrem semantischen Gehalt klassifiziert.17 Gegenüber Parti-keln i.w.S. grenzen HENTSCHEL/WEYDT Interjektionen insofern ab, als letz-tere lexikalische oder Verb-Bedeutung (i.S.v. Wortartenbedeutung) haben;hier wäre insbesondere an die in der Comicsprache, aber auch im mündlichenSprachgebrauch verwendeten Verbinterjektionen (stöhn, kreisch etc.) zudenken. Andere Typen wie die Onomatopoetika oder die emotionalen Inter-jektionen wie aua wiederum grenzen etwas aus der außersprachlichen Wirk-lichkeit aus bzw. „geben Reales (Gefühle wie Schmerz, Ekel, Erschrecken,Freude usw.) wieder“.18

In funktionalen Ansätzen werden Interjektionen als sprachliche Mittelaufgefaßt, die dem Ausdruck von Expressivität dienen. SORNIG zählt Inter-jektionen zu den „expressiven, genauer: zu den emotiv-affektiven Rede-mitteln“; ihnen sei ein „gewisser emphatischer Aspekt“ inhärent.19 SORNIGunterstreicht, daß sich Emphase formal immer markierter Mittel bedient undemphatische Wirkung sich verbraucht; dies könnte für Fälle von Bedeutungsein, in denen olha nur noch interaktive bzw. diskursgliedernde Funktionträgt. Generell können Interjektionen auch „pragmatisch diskurs-spezifischeFunktionen [haben]: sie sind interaktive Reaktion, d. h. mehr oder minderdialogisch partnerorientiert“. Nach ihren kommunikativen Zwecken teiltSORNIG interjektionelle Muster in drei Typen ein: Zu-Rufe (z. B. Ahoi), Aus-Rufe (universale wie au, einzelsprachliche wie Hurra20) mit „eher monolo-gisch selbstdarstellender Intention“ und Reaktionslaute (z. B. autsch). In der

16 Auf diese formalen Merkmale reduziert bei Helbig/Buscha (1994: 529).17 Helbig/Buscha (1994: 529ff.) etwa unterscheiden zwischen Interjektionen mit eindeu-

tigem Gefühlsausdruck (z. B. dt. juhu), anderen mit mehrdeutigem Gefühlsausdruck,welcher erst durch den Kontext erschlossen werden kann (dt. ach, hm), und schließlichsolchen, die nicht expressiv sind, sondern Aufforderungen repräsentieren (z. B. dt. hallo).

18 Hentschel/Weydt (1989: 7).19 Sornig (1989: 524f.). Emphase kann dabei semantisch bzw. pragmatisch verschieden

fokussiert sein, entweder auf dem propositional-lokutiven Aspekt oder auf illokutiverbzw. perlokutiver Seite der Sprechhandlung; formal kann sie sich auf „allen Ebenensprachlicher Inventare auswirken“, z. B. intonatorisch oder artikulatorisch, im morpho-logisch-lexikalischen Bereich, wobei man hier an die pg. Verkleinerungsformen denkenkönnte, und über bestimmte Muster im syntaktischen Bereich.

20 Der Gegensatz universal vs. einzelsprachlich ist zumindest bei den angegebenen Beispie-len zu bezweifeln (vgl. engl. hurray); auch Schmerzensausrufe sind einzelsprachlichkonventionalisiert, vgl. pg. ai, engl. ouch.

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Diskursforschung und Textlinguistik gilt die Satzwertigkeit als ungeeigneteBeschreibungskategorie. TRABANT schlägt daher vor, anstelle von Satzwer-tigkeit von Textwertigkeit zu sprechen und die Interjektionen als „illokutio-näre Textschemata“ zu charakterisieren.21 Ihr holophrastischer Charakterwird dabei als entscheidendes strukturelles Merkmal betrachtet.22

Prinzipiell stellt sich die Frage, wie relevant die Abgrenzung einerWortart „Interjektion“ für Diskursuntersuchungen ist. Wenn man überhauptvon einer Klasse ausgehen möchte, erscheint es erstens sinnvoll, Interjek-tionen als offene Gruppe aufzufassen – nicht nur im Hinblick auf Neuschöp-fungen, sondern auch aufgrund ihrer Klassendurchlässigkeit. Neben formalenKriterien wie der auffälligen phonetischen Oberflächenstruktur sollten jedochauch interaktive Kategorien Eingang in die Beschreibung finden. Es fällt auf,daß viele interjektional verwendete Sprachmittel in bestimmten Kontextenihre emphatische Bedeutung zugunsten anderer Funktionen verlieren, wie esz. B. bei dt. na, hm oder pg. ai und der hier untersuchten Form olha der Fallist. In diese Richtung weist die Untersuchung der Form hm von EHLICH(1979), in der funktionale Differenzierungen der unterschiedlichen phonolo-gischen Realisierungen, je nach Tönen, Quantität, nach einfacher bzw.reduplizierter Form, feststellbar sind.

Der Begriff „Interjektion“ soll hier durch den Begriff „Emphasesignal“ersetzt werden, da dieser der Vorstellung eines pragmatischen Funktions-trägers näher kommt. Da im folgenden aus Platzgründen kein konversations-analytisches Konzept von „Emphase“ präsentiert werden kann, hier nureinige wichtige Punkte. Geht man von den Anforderungen einer empirischenBeschreibung von Gesprächen aus, so ist Expressivität bzw. Emphase, wobeiauch hier keine klaren Differenzierungen auszumachen sind, nicht als einsprachinhärentes Merkmal aufzufassen, das einer bestimmten sprachlichenForm als deren Bedeutung zugeschrieben werden kann, sondern ein durchverschiedene Mittel konstituierte Verstehenskategorie, die im Hinblick aufinteraktive Funktionen zu beschreiben ist. Expressivität setze ich daher gleichmit dem Ausdruck der (emotionalen) Beteiligung der Interaktanten, dennm. E. berührt die Fragestellung nach der „Beteiligung eines Sprechers“konzeptionell auch das Forschungsgebiet der linguistischen Emotionsfor-schung.23 Dabei ist herauszuheben, daß immer nur die – interaktiv relevante –Darstellung der emotionalen Beteiligung oder Anteilnahme in einem kon-kreten Kontext bzw. ihre Interpretation durch die Sprecher beobachtet, nichtjedoch die tatsächlich gehegte Emotion aufgedeckt werden kann. Lingu-istisch beschreiben läßt sich also nicht die Befindlichkeit des Sprechers,

21 Trabant (1983: 71f.).22 D. h. Interjektionen bilden eine syntagmatisch nicht zerlegbare Einheit; vgl. Sornig (1989:

524f.) und Trabant (1983: 72).23 Zur Emotionsforschung aus ethnographischer Sicht vgl. Fiehler (1986).

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sondern nur, wie eine emotionale Beteiligung zum Ausdruck gebracht wirdund wie die Interaktanten darauf reagieren. Inwiefern Partikeln zum Aus-druck, zur Konstituierung und Prozessierung von emotionaler Beteiligungbzw. zur Involviertheit tatsächlich beitragen, kann an der expressivenVariante von olhe/olha gezeigt werden.24

5.2.2 Die expressive Variante

5.2.2.1 Methodische Vorbemerkung zu den Einzelanalysen

In diesem Abschnitt untersuche ich intonatorisch und in Hinblick auf ihreSegmentfähigkeit unterschiedliche Varianten von olha anhand von Bei-spielen aus dem informellen und dem Radiokorpus.25 Eine erste Variante, dieexpressive, wird über die exklamatorische, phonologisch auffällige Reali-sierung bestimmt. Hierbei werden auch Partikelkombinationen, etwa mitanderen Interjektionen, berücksichtigt. Dann werden Vorkommen untersucht,in denen die Partikel schwach betont realisiert, enger an das folgendeSyntagma gebunden oder ganz in dessen Intonationsbogen integriert ist.

Methodisch wird dabei wie folgt vorgegangen: Die Sequenz wirdzunächst paraphrasiert und ihre Stellung im Gespräch eingeordnet; danachfolgt eine formale Beschreibung der Partikel in ihrer unmittelbaren Umge-bung (makrosyntaktische Stellung, intonatorische Merkmale, Pausen, Kom-bination mit anderen Partikeln oder Interjektionen). Anschließend werdenunter Berücksichtigung kontextueller Kategorien die Funktionen der Partikelfestgehalten, um Aussagen über Form-Funktions-Korrelate zu treffen.26

Der Bezugssprechakt bzw. konversationelle Zug, den olha einleitet, wirdhinsichtlich folgender Kriterien beschrieben: konversationelle Verpflich-tungen, Themenbezug, Kohärenzgrad zum Vorgängersprechakt,Sprechakttyp, Stellung im Sprecherwechselsystem, interaktionale Funktioneninnerhalb der Makrostruktur (z. B. ob es sich um einen Argumentationsschritthandelt) usw. Damit wird der Beitrag der Partikel zur Lokalisierung erfaßt.27

24 Daß eine Korrelation zwischen Partikelgebrauch einerseits und Emotionalisierung und

Involviertheit in das Thema andererseits besteht, darauf weist die empirische Studie vonWodak (1983:209) hin.

25 In diesem Kapitel werden nur Ausschnitte aus dem eigenen Korpus verwendet, da nur fürdieses das Tonmaterial zur Verfügung steht.

26 Da hier kein quantitativer Ansatz verfolgt wird, haben die folgenden Beispiele aus demKorpus nur bedingt repräsentativen Charakter.

27 Vgl. Kap. 3.2.3. Es sei nochmals daran erinnert, daß sich ‘Lokalisierung’ auf dieEinordnung der von den Sprechern angestrebten Tätigkeit in den Kontext bezieht, also aufden kohärenzerzeugenden Prozeß im Übergang zwischen einzelnen Äußerungen bzw.einzelnen Sprechhandlungen.

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Schließlich wird in einer umfassenderen Kontextanalyse geprüft, welcheübergeordneten, interaktionalen (Verstehens-) Kategorien in der untersuchtenGesprächsphase eine Rolle spielen, z. B. welche Strategien im Vordergrundstehen, welche Spuren auf einen hohen Grad an emotionaler Beteiligungschließen lassen, etc. Sollten sich in verschiedenen Kontexten strukturelleÄhnlichkeiten ergeben, können globalere Gebrauchsbedingungen der Partikelbestimmt und Aussagen über die Abhängigkeit zwischen Textsorte undPartikelgebrauch getroffen werden. Zum Schluß soll – da von derNachweisbarkeit bestimmter Grundfunktionen ausgegangen wird – gezeigtwerden, wie Verbbedeutung, expressive Funktion und diskursive Funktionenzusammenhängen und Funktionsverschiebungen und –überlagerungen zuerklären sind.

5.2.2.2 Analysen

In den ersten drei Analysen erscheint olha in szenischen Redewiedergabeninnerhalb konversationellen Erzählens.28 In Beispiel 3 handelt der Sprecherdas Thema „Erscheinungsformen übersinnlicher Kräfte“ (vgl. Beispiel 2,F. 22 ff.) ab und behauptet, daß Kinder für übersinnliche Erscheinungenzugänglicher sind als Erwachsene:

Beispiel 3: Informelle Interaktion, Erzählabend (Tia, Pereira)

P: <----- \ \ ↑ – > > > >quer dizer, . muitas vezes crianças, . quando dizem= ai: olha, . vejo lí qualquer

1

P: ↑ \coisa = os pais = (então) és parvo. . até, . como as crianças têm às vezes a

2

Die Form olha erscheint in einer Redewiedergabe nach der gedehntenInterjektion ai. Der Sprecher macht keine Pause nach der vorausgehendenRedeeinleitung; dizem, ai und olha sind prosodisch eng verbunden; diefallende Intonationskurve in dizem und der Wechsel in die höhere Tonlage imgedehnten ai markieren den Beginn einer neuen Einheit. Nach olha tritt einekurze Pause ein, die Intonationskurve ist schwebend. Damit bilden die beidenFormen ai olha eine eigene intonatorische Einheit, in der ai stärker, olhaschwächer betont ist. Prosodisch hebt sich die gesamte Redewiedergabedurch Anhebung der Stimme und der Lautstärke vom Vorangegangenen ab;das fiktive, sprechende Kind wird mit einer hohen Stimme imitiert; durch

28 Alle Beispiele aus dem informellen Korpus, Erzählabend, vgl. Beispiel 2, Seite 98 ff.

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allmähliches Absinken des Tons und Nachlassen der Spannung wird schonvor coisa wieder die ursprüngliche Tonhöhe erreicht.

Olha kann auf der Ebene der erzählten Handlung sowohl expressiv alsTeil eines überraschten Ausrufs, oder in seiner wörtlichen, verbalen Funktioninterpretiert werden, die fiktiven Adressaten des Ausrufs sind os pais. BeideFunktionen, die expressive und verbale Funktion („schau her!“) treffen wohlzusammen. Es scheint jedoch sinnvoll, ai und olha als expressiv-exklamativeEinheit zu behandeln; das Muster löst aufgrund entsprechender intonatorischeMarkierung ein Interpretationsschema der Überraschung bzw. Verwunderungaus. Damit bezieht sich der Informationswert der Diskurseinheit primär aufdie fiktionale Ebene: Der Sprecher stellt einen aufmerksamkeitserhei-schenden Ausruf mit entsprechender emotionaler Beteiligung dar. Auf derEbene der Binnenhandlungskonstitution bildet ai olha damit für sich einesinnbildende Einheit, die vorgreifend verdeutlicht, daß das Kind etwasUngewöhnliches mitteilen möchte.

Die Funktionen des Segments ai olha als Konstituente einer szenischenRedewiedergabe liegen p r i m ä r in der Darstellung einer bestimmten(emotionalen) Situation auf der Ebene der Binnenhandlung. Die Rede-wiedergabe als Ganzes hat darüber hinaus eine Funktion, die auf die aktuelleSituation bezogen ist: Durch sie wird einerseits der unterhaltende Rahmenrealisiert; die Redewiedergabe ist also konstitutives Textelement konver-sationellen Erzählens. Außerdem verleiht der Sprecher seiner Erzählungdurch den direkt zitierten Ausruf einen höheren Legitimitätsanspruch, mehrAuthentizität und Lebendigkeit. Insofern sind die in die szenische Redeeingebundenen Partikeln als typisch mündliche Formen mittelbar wichtigeSprachmittel für diese Zwecke des Sprechers. Allerdings stellt die szenischeRede eine stilisierte Alltagsrede dar, insofern werden auch mit der Verwen-dung von Partikeln nur noch bestimmte Muster realisiert.

Die szenischen Dialoge in dieser Schilderung stellen mittelbar zentraleAussagen des Sprechers dar: Die These, daß „Geister“ oder übersinnlicheKräfte wahrgenommen werden können, ist eine wichtige Voraussetzung fürdie Haltung und Argumentationslinie des Sprechers. Mittels der ersten szeni-schen Rede des Kindes verdeutlicht Pereira seinen Glauben an die seres; dervon ihm abgelehnten Position, einer Ignoranz gegenüber derartigen Phäno-menen, verleiht er durch eine abschätzige Widerrede der Eltern Ausdruck.Auch die Emphase des Ausrufs, durch weitere expressive Mittel wie Beto-nung und Lautstärke unterstrichen, verdeutlicht in der aktuellen Gesprächs-situation, auf welcher Seite Pereira steht. Solche fiktionalen Dialoge in einerErzählung scheinen öfter mit der Vermittlung von Einstellungen des Spre-chers zusammenzuhängen. Dabei können die typisiert dargestellten Emo-tionen der Figuren auf der Binnenebene den Hörer zu einer Anteilnahme aufemotionaler Ebene bewegen.

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Die Einbindung und wechselseitige Ausdeutung von Emotionen (bzw.von Emotionsdarstellungen) in der Interaktion faßt FIEHLER in „Regeln derGefühlskorrespondenz“:

Wenn ich in einer Situation meinen Interaktionspartner als spezifisch emotional deute(z. B. verzweifelt, wütend, fröhlich), kodifizieren diese Regeln, welche korrespondie-renden Emotionen bei mir angemessen bzw. sozial erwartbar sind.29

Es ist nun nicht nur so, daß die emotionale Deutung des Verhaltens desGesprächspartners die eigenen Emotionen (bzw. deren Ausdruck) reguliert;auch vom Partner wird erwartet, daß er die dargestellten Gefühle akzeptiert,übernimmt, nachvollzieht und Verständnis für sie aufbringt. In unseremBeispiel muß natürlich abstrahiert werden, denn es geht nur um die Dar-stellung von Emotionen auf der Ebene der Geschichte; allerdings ist dieseDarstellung, wie bereits gesagt, nicht unabhängig von der Einstellung desSprechers. Die Verwendung von emotiven Partikelkombinationen in fiktio-naler Verschachtelung kann also mittelbar ein Signal an den Hörer sein, eineemotionale Ausdeutung zu übernehmen.

Vorläufig läßt sich festhalten: Emphasesignale bzw. expressiveSprachmuster in der szenischen Redewiedergabe erfüllen mittelbar auchinteraktive, partnergerichtete Funktionen im Rahmen der übergeordnetenkommunikativen Zwecke. In diesem Beispiel steht die Expressivität deremphatischen Signalkombination für ein bestimmtes Emotionsmuster, dasder fiktiven Sprecherfigur zugewiesen wird; auf der primären Kommunika-tionsebene ist diese Funktion, unter Berücksichtigung der gesamten Dialog-wiedergabe, übertragbar auf eine Evaluierung bzw. Einstellung des erzäh-lenden Sprechers. Es besteht also Korrelation zwischen der prosodischenVariante und der emotiven/expressiven Funktion.

Beispiel 4: Informelle Interaktion, Erzählabend (Tia, Pereira)

P:>----- > > > > <----- – ↑ <---- –( ) ou qualquer, ajudam a pessoa, . a pessoa vai, . e olha, [1,5] então mas

1

P:

T:

↓ >--eu já passei aqui tantas vezes e e afinal está lá e não o vi. pronto

eh, . acontece2

Die Sequenz stellt das Ende des in Kapitel 4.1.4 besprochenen Abschnittsaus dem Erzählabend dar.30 Diesmal schildert der Sprecher eine Alltags-erfahrung, die das Walten übersinnlicher Kräfte beweisen soll. 29 Fiehler (1986: 290).30 S. Beispiel 2, S. 99ff.

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Die Form olha steht zu Beginn einer szenischen Redewiedergabe, in deres zur Auflösung der Komplikation kommt, und bildet mit e eine into-natorische Einheit, die durch eine kurze Pause vom vorangegangenen unddurch eine auffallend lange Pause vom folgenden Segment getrennt ist. Obmit e eine verkürzte Redeeinleitung vorliegt, bei der das Prädikat latent ist, istnicht entscheidbar. Vorausgegangen waren zumindest keine Dialogdar-stellungen, wodurch die szenische Rede etwas überraschend wirkt. Auch hierwird wieder eine emotionale Reaktionsäußerung dargestellt. In der direktenRede wird ein Selbstgespräch oder „lautes Denken“ wiedergegeben. Bei ewechselt der Sprecher in eine höhere Stimmlage und artikuliert deutlicher,wodurch sich die Redewiedergabe intonatorisch vom Vorausgegangenen ab-hebt.31 Olha ist betont und expressiv markiert, die Tonkurve ist schwebend.Die auffällige Intonation und Stimmführung setzt sich in der folgendenÄußerung fort und unterstützt einen Ausdruck des Erstaunens; auch diefolgende Partikelkombination então mas verdeutlicht eine überraschteSprecherhaltung.

Im vorigen Beispiel wurde dargestellt, wie Partikeln die emotionale Aus-deutung der dargestellten Situation typisieren. Ebenso wie die szenischeRepräsentation von Dialogen innerhalb von konversationellen Erzählungen inkondensierter Form erfolgt, etwa in der Gegenüberstellung zweier kurzerÄußerungen in Form eines kurzen Sprecherwechsels, können Abtönungs-mittel (Emphasesignale, Partikeln), die aufgrund ihrer konventionalisiertenVerwendung typisierend wirken, die Darstellung der jeweiligen Sprecherein-stellungen der verschiedenen handelnden Personen kondensiert wiedergeben.Partikeln haben damit nicht nur Anteil an der Formung musterhafter Dialog-schemata in der szenischen Redewiedergabe, sondern dienen auch der Erzeu-gung emotionaler Muster. Auf der Ebene der aktuellen Kommunikation führtdies zur emotionalen Lenkung des Hörers. In diesem Fall wird eine über-raschte Haltung der sprechenden Figur a pessoa dargestellt.

Bezogen auf die Gesprächsorganisation hat olha eine hochstufende, rele-vanzsetzende Funktion: Mittels des Vorwärtskonnex wird die Aufmerksam-keit auf die Auflösung der Komplikation des Mini-Plots gelenkt. Die Orien-tierung auf die Belegerzählung bleibt also konstant, jedoch wird, da vorherkeine entsprechenden Markierungen erfolgt sind, erst über die Einleitung derdirekten Rede die Auflösung der Komplikation als Teilschritt der Kern-struktur angekündigt. Zu dieser Relevanzeinstufung tritt die Funktion einer„abtönenden“ Vorstrukturierung hinzu: Das expressive prosodische Musterlenkt abermals die Orientierung auf eine emotionale Typisierung der darge-stellten Situation und fordert in der aktuellen Gesprächssituation eine ent-sprechende Anteilnahme der Hörer ein.

31 In Fläche 3 ist leider ein Teil überhaupt nicht verständlich, da der Sprecher sehr schnell

und leise spricht.

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132

Hier ist also olha Eröffnungssignal der Redewiedergabe und lokalisiertden Folgezug als relevante Teilaktivität im Erzählmuster (Kernstruktur);gleichzeitig dient es der emotionalen Typisierung der Situation.

Beispiel 5: Informelle Interaktion, Erzählabend (Tia, Pereira)

P: a gente não acredita porque normalmente a gente acredita . . naquilo que vê1

T:

P:

claro – – \ > > > \ / ora , . . a gente vê árvores, vê rochas, agora . dizemos assim. . . olha, .

2

T:

P:

mas tu n/ não

ha ali um ser que não se vê, mas que stá por trás daquela àrvore3

T:

P:

/\podes ( ) acreditar . . . não o stás a ver > > > > pois ... 1[e eu digo assim mas]eu não o vejo.

41[extrem verschliffen

In dieser Sequenz stellt Pereira die These auf, daß die meisten Menschennicht an Übernatürliches glaubten, weil sie kein Gespür dafür hätten; sieglaubten nur an das, was sichtbar sei (árvores, rochas); man könne aber über-natürliche Wesen orten (F. 3). Diese zwei verschiedenen Positionen stellt derSprecher in einer Minidialogsequenz dar (F. 2 - 4), die von der Gesprächs-partnerin Tia kommentiert wird.32

Olha steht in einer vom vorangegangenen und folgenden Segmentisolierten Position, die anschließende Pause ist nur sehr kurz. Die Form istbetont, aber intonatorisch nicht auffällig markiert; die Satzintonation istschwebend, weist deutlich nach vorne. Diese Intonation, aber auch der Kon-text legen keine expressive Lesart nahe. Aufgebaut ist der Diskursschritt je-doch wie eine szenische Redewiedergabe in konversationellen Erzählungen,wenn auch die Einleitung dizemos assim den Exempelcharakter hervorhebt.33

In der Tat befindet sich der Sprecher nicht in der Abarbeitung einerGeschichte; Tonhöhe und Stimmführung werden auch nicht wie in den obenbesprochenen Sequenzen imitierend eingesetzt. Hier wechselt der Sprecher

32 Ob hier auf der fiktionalen Ebene ein Sprecherwechsel mit zwei Rollen dargestellt wird,

ist deswegen nicht ganz eindeutig, weil Pereira die ‘nicht-glaubende’ Position personal-deiktisch als seine Rede ausweist (F. 4), zur Redeeineitung der anderen Person die erstePerson Plural verwendet.

33 Auch hier wird eher ein Monolog oder ein Gedankgang repräsentiert.

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133

also etwas unvermittelt von einem erklärenden Modus zur Redewiedergabe,die er mit agora dizemos assim einleitet.

Den Vollzug der Redewiedergabe verdeutlicht die Partikel durch ihrensituationsevozierenden Charakter. Olha ist Ausdruck eines Einschnitts oderBruchs; einmal vollzieht sich ein Perspektivwechsel (Wechsel der Agens-Rolle), zum zweiten ein Übergang von der Situation, in der gesprochen wird(agora dizemos assim), zur Situation, über die gesprochen wird.34

Die Partikel ist weniger emphatisch oder expressiv als viel mehr relevanz-setzend, sie begleitete die Einführung von etwas Neuem. (Die folgendbeschriebene Beobachtung ist für die fiktiven Figuren überraschend.) Somithat olha auf der Ebene der (Binnen-)Themenorganisation die Funktion eineseinleitenden oder initiativen Signals. Daß diese Situationsdeutung (auf derfiktionalen Ebene) auch wieder hörergerichtet ist, zeigt sich im „Echo“ derGesprächspartnerin nach der Äußerung. Die Sprecherin Tia versetzt sich indie geschilderten Geschehnisse (mas tu não podes…) und übernimmt dabeidie konditionellen Relevanzen, die Einschätzung der „Ungewöhnlichkeit“,was sie mit mas signalisiert. In dieser turn-übergreifenden olhe-mas-Strukturkann man übrigens eine hochstufend-rückstufende Relevanzmarkierung bzw.Lokalisierung im Sinne KALLMEYERS (1978) erkennen. Der Sprechermanifestiert dann seinerseits mit pois die Abwahl des Fokus, wenn er auchnachträglich einen Schritt der Kernstruktur hinterherschiebt. Dann erst erfolgteine lange Pause, die als Manifestation der Abwahl gelten kann. Auf derBinnenebene liegt also mit olha eine Hochstufung vor, in der durch olhaeingeleiteten Rede wird ein neuer thematischer Fokus aufgebaut (há ali umser), der auch für den übergeordneten Gesprächszusammenhang vonbesonderer Relevanz ist – das Sprechen über die seres wird im Verlauf desGesprächs zu einem Hauptthema expandiert.35

5.2.2.3 Zusammenfassung

In den Beispielen konnte gezeigt werden, daß olha als expressive oder„abtönende“ Partikel einer wörtlichen Rede eine situationsdefinierendeFunktion hat, die v. a. der emotionalen Ausdeutung der fiktionalen, durch dieszenische Rede dargestellten Situation dient. Auf der Ebene des Stils ist olha,auch in Kombinationen mit anderen Partikeln, dabei ein Signal, das Authen-tizität der Figurenrede inszeniert und damit die Legitimitäts- und Glaub-würdigkeitsstrategie des Sprechers unterstützt. Die emotive Funktion ist,bezogen auf die aktuelle Gesprächssituation, ein Hinweis für den Hörer,konditionelle Relevanzen in der emotionalen Ausdeutung zu übernehmen. 34 Nach der Dichotomie bei Hölker (1991: 27).35 Für längere Zeit geht es um Geschichten um die seres, das 2. Beispiel S. 99ff bildet den

Anschluß.

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134

Andererseits kann mit olha als Eröffnungssignal, v. a. wenn seine expressiveFunktion zurücktritt, eine hochstufende Relevanzsetzung erfolgen. DieseLokalisierung kann zusätzlich die vorgreifende Verdeutlichung beinhalten,daß etwas Ungewöhnliches folgt; der Geltungsanspruch, der im Folgezugetabliert wird, bezieht sich damit auch auf die Einstellungen zum Gesprächs-gegenstand bzw. zielt auf die emotionale Anteilnahme beim Hörer. Damit hatolha als Eröffnungssignal in der Redewiedergabe neben seiner expressivenauch auf die primäre Gesprächssituation bezogene Funktionen, die sich in dieFunktionalität der für Erzählungen typischen szenischen Redewiedergabeeinbetten. So kann olha jedenfalls als typisches, konstitutives Merkmalszenisch wiedergegebener Dialogmuster gelten, das Expressivität vermitteltund eine „Abtönung“ der Überraschung einbringt.

5.2.3 Die Diskurspartikel als (Turn-)Eröffnungssignal

5.2.3.1 Relevanzsetzung

Im folgenden Ausschnitt aus einem Hörergespräch der Sendung Fórum überdie portugiesische Fernsehlandschaft liegt nun eine intonatorisch unmarkierteVerwendung vor, in der die expressive Funktion zugunsten einer gesprächs-organisierenden Funktion zurücktritt.

Beispiel 6: Interaktion im Radio, Fórum TSF, ‘Televisão Privada’,Hörergespräch (Moderator, 3. Anrufer A.S., Vertreter vonSIC Aurélio Freire36)

M: passo ao ouvinte A. S., encarregado de obras públicas a telefonar de Lisboa,1

M:

H3:

/bom dia A. S. não é

bom dia ( ) Aurélio Freire, . . e bom dia também para o: par' pará2

H3: SIC porque ( ) a SIC também veio ao pelo pelo fórum, . que de facto . eu: gostava3

H3: \ <--de: dar a minha opinião. .. olh', . em primeiro lugar eu queria também eh dar os

4

H3: –parabéns à SIC de facto, a SIC veio ocupar um espaço, . que já há muito tempo

5

36 Name anonymisiert.

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135

H3: \ \devia ser preenchido, . e: de mesmo modo também à TVI. . mas, . eu quero falar era

6

M:

H3:

exactamente. /da televisão em geral que é o: o que pretende o fórum não é verdade

7

Der Abschnitt repräsentiert die Eröffnungsphase des dritten Höreranrufs.Nach der Begrüßung durch den Moderator – auf die Rückfrage nach demNamen geht der Anrufer nicht ein – eröffnet der Teilnehmer den Gruß (ersterZug) mit bom dia und richtet ihn auch an den Privatsender SIC und dessenVertreter.37 Dann kündigt er an, eine Meinung zum Thema abzugeben zuwollen: que de facto eu gostava… (zweiter Zug), womit er den übergeord-neten Handlungszusammenhang kontextualisiert. Im dritten Zug, den er mitolhe einleitet, gratuliert er jedoch zunächst dem Sender SIC (sowie denübrigen TV-Stationen), womit er auf den Anlaß der Sendung verweist. Dannschließt er mit einer Evaluierung an, die ein grundsätzliches Einverständnismit der Faktizität des Privatfernsehens vorwegnimmt (vierter Zug). SeineAbschweifung reparierend, verspricht er im fünften Zug (mas…), nun aberzum eigentlichen Thema ‘a televisão em geral’ zu sprechen, da dies das Zielder Sendung sei, was er sich vom Moderator mittels einer Nachziehfragebestätigen läßt. Die Sequenz hat demnach den Charakter eines Vorlaufs –eine Einleitung, die der Abarbeitung der Kernstruktur „Meinungsabgabe imHörergespräch“ vorgeschaltet ist.

Die Tonkurve des Segments vor olhe ist stark fallend, dann macht H338

eine kurze Pause. Olhe geht also ein deutlicher Einschnitt voraus. DiePartikel ist schwach betont, die zweite Silbe ist stärker verschliffen als in denbehandelten expressiven Verwendungen. Wenn die normale lautliche Reali-sierung [óλ∂] entspricht, so kann die Reduktion etwa als [ój] repräsentiertwerden. Der Ton ist leicht fallend, vor em setzt der Sprecher kaum merklichab. Danach steigert er die Lautstärke leicht, em trägt den Nebenton.

Die nächsten segmentierenden Einschnitte liegen bei dem Verzögerungs-signal eh in F. 4, bei de facto in F. 5, in der gleichen Fläche nach der kurzenPause und bei dem gedehnten e in F. 6. Diese Signale markieren Expansionendes Gratulationszugs, was sich auch darin zeigt, daß die Intonationskurve vormas ganz absinkt (nach preenchido sinkt der Ton zwar auch, aber das folgen-de Segment ist eindeutig eine Expansion.) Mit dem Diskontinuitätssignal masin F. 6 erfolgt ein neuer Zug mit einer metakommunikativen Ankündigung,

37 Womöglich war dem Sprecher nicht bewußt, daß Aurélio Freire als Vertreter von SIC im

Studio saß.38 Um eine Verwechslung zwischen Radiohörer und interaktiver Hörerrolle zu vermeiden,

wird im Analysetext bisweilen die Abkürzung aus dem Transkript verwendet.

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der auf die Abwahl der Eröffnungsphase zielt. Hier liegt eine ähnliche,makrosyntaktisch jedoch weiter auseinandergezogene Struktur vor wie indem Beispielsatz von SCHMIDT-RADEFELDT (S. 124): Ein olhe-Zug wird ineinem mas-Zug eingeschränkt bzw. interaktiv repariert (s. u.).

Auf der Ebene des Sprecherwechsels signalisiert der Sprecher nach einerübergaberelevanten Stelle (TRP) mit olhe, daß er fortfahren will. Die Partikelunterstützt wie ein Fortsetzungssignal die Absicherung des Rederechts. Davorher eine Ankündigung erfolgte, muß der Einschnitt vor olhe aber nichtunbedingt als harter TRP gelten, zumal das Muster der Hörergespräche hierkeine Frage des Moderators erwartbar macht. Mit olhe wird also ein neuerZug, eine neue Einzelaktivität eröffnet. Das folgende metadiskursive emprimeiro lugar gehört ebenfalls zur Anwendungsstruktur im SinneKALLMEYERS (vgl. S. 55).

In bezug auf die Relevanzstruktur läßt sich feststellen, daß der Gratula-tionszug zwar zum Diskussionsanlaß paßt, aber für die Abarbeitung desübergeordneten kommunikativen Verlaufsschemas Hörergespräch nichthochgradig relevant ist und hier von den Teilnehmern der Interaktion wohlauch nicht erwartet wird.39 Lokal, also in Relation zum unmittelbar vorausge-gangenen Zug, verletzt der Sprecher im olhe-Zug jedoch die Kohärenz-maxime, denn er erfüllt die vorausgegangene Obligation zunächst nicht, eineMeinungsäußerung gemäß dem Handlungsrahmen abzugeben. DieserObligation steht jedoch eine „Dringlichkeit“ des aktuellen Gesprächszugsgegenüber, die der Sprecher mit dem metasprachlichen Marker „em primeirolugar“ explizit macht. Überdies verfolgt er eine höfliche Strategie, die mittelsdes abschwächenden Modus im Verb queria zum Ausdruck kommt.40 Eswird also mit olhe ein Bruch markiert, der auf der Verletzung der lokalenKohärenzmaxime beruht; gleichzeitig wird die Relevanz des Zugs sprecher-perspektivisch hervorgehoben.

Diese Interpretation läßt sich durch den weiteren Verlauf des Beitragsstützen: Daß mit olhe hier eine unwichtige bzw. nicht-relevante Handlungeingeleitet wird, zeigen Spuren im weiteren Verlauf der Eröffnungssequenz.Das nächste Signal, der Konnektor mas und die mit ihm eingeleitete meta-sprachliche Sprechhandlung in F. 6/7 verdeutlichen, daß der Sprecher selbstdie Gratulation als nicht präferiert bzw. nicht notwendig innerhalb desRahmens eingeschätzt. Zur Abmilderung oder Reparatur dieser Kohärenz-verletzung benutzt er daher die höfliche Strategie. Auch wenn in der konkre-

39 Allerdings hatte bereits in einem vorangegangenen Hörergespräch ein Hörer dem Sender

gratuliert.40 Markiert wurde die Höflichkeit bereits vorher durch sprachliche Mittel wie gostava.

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ten Gesamtrahmung die Gratulation nicht als unangemessen gelten muß –entscheidend ist, daß der Sprecher ihre Notwendigkeit hervorhebt.41

Wie später noch zu zeigen sein wird, stehen mit olha/olhe eingeleiteteZüge oft mit einer Positionsfestschreibung in Zusammenhang; hier könntedie Dringlichkeit, mit der die Gratulation abgearbeitet wird, alsmetakommunikative Positionsfestschreibung (i.S.v. „ich muß noch etwasansprechen“) gedeutet werden. Daß auch die spezifische Bewertung desSenders SIC, die sich anschließt, eher eine Abschweifung bzw. nicht-präferierte Äußerung darstellt, wird im nächsten Nachbarschaftspaar42, derVersicherungsfrage und der Bestätigung durch den Moderator (F. 7) deutlich.Diese Lokalisierungsfunktion (Reichweite) von olhe wird erst vomKonnektor mas wieder aufgehoben.

Auf Handlungsebene eröffnet olhe einen initiativen Zug, denn durch dieGratulation wird zumindest ein Dank vom Angesprochenen erwartbar. Fürdie Reziprozitätskonstitution, die in Anwendungsstrukturen enthalten ist, alsodie Absicherung der gemeinsamen Wissensbasis oder Aspekte der Verständ-nissicherung ganz allgemein, besitzt olhe aufgrund seiner Personaldeixis unddes appellativen Charakters eine deutliche Hörersteuerung: Die Grundfunk-tion des Appells, der in der Partikel angelegt ist, richtet sich einerseits auf das(Ein-)Verständnis der Gesprächspartner für die momentane Abschweifung,andererseits verlangt die Gratulation auch eine Adressierung der konversa-tionellen Bedingungen. Zur Lokalisierungsfunktion tritt also zumindest einevage, vorausgreifende Verdeutlichung des Sprechhandlungstyps.

Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß die Funktion der Diskurspar-tikel olhe in diesem Kontext darin besteht, das Rederecht aufrechtzuerhalten,den Folgezug lokal als Kohärenzbruch und (globaler) als thematischeAbschweifung vorzustrukturieren (Lokalisierungsfunktion) und der Hörer-bezogenheit des Sprechakts (hörerseitige Verpflichtungen) vorzugreifen. Derkonversationelle Zug erfüllt nicht die Bedingungen des Vorgängerzugs undist auf einer möglichen Relevanzskala im übergeordneten Zusammenhangnicht wichtig, wird aus Sprecherperspektive jedoch als dringlich abgetönt.Eine Funktion von olhe liegt also in der Relevanzsignalisierung.

Zur Abschwächungsstrategie des Beitrags (z. B. queria in F. 4 vs. quero inF. 6, die Reparatur mit der mas-Äußerung) sei noch Folgendes angemerkt:Die Einstufung der Handlung als „nicht wichtig“ basiert auf einer Partner-oder Situationseinschätzung; die Abschwächung erfolgt einerseits schondurch eine Markierung im Zug (gostava), andererseits auch noch durch dieReparatur. Auch dort versichert sich der Sprecher nochmals der Partner-

41 Ob die Gratulationshandlung strategisch eingesetzt wird, kann hier nicht entschieden

werden.42 Zu Nachbarschaftspaaren vgl. Kap. 5.3.1.

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erwartung bzw. der Erfordernisse des übergeordneten Zusammenhangs.43 DieAbschwächung wird also interaktiv und prozessual konstituiert. Die Partikelnolhe – mas markieren auf der Ebene der Gesprächsgliederung die diskursiveStruktur einer nicht-präferierten oder nicht-erwarteten Handlung und ihrerinteraktionalen Reparatur, wobei olhe der Markierung der Anwahl derAktivität, mas der Markierung der Abwahl dient. Insofern bilden die Zügeolhe X – mas Y eine (Paar-)Sequenz, in der die Unangemessenheit des olhe-Zugs im mas-Zug repariert wird. Abschwächung kann also auch imZusammenhang mit Organisationsstrukturen aufgedeckt und gedeutet wer-den. Wie oben (s. S. 124) bereits deutlich wurde, kann aber Abschwächungnicht als inhärentes Merkmal eines sprachlichen Mittels gelten; methodischläßt sie sich auch nicht anhand eines einzelnen Sprechakts, sondern nur ineiner reflexiven Analyse innerhalb des prozessualen Gesprächsverlaufs, hieretwa innerhalb einer Sequenz und in Abhängigkeiten zu den bestehendenkonditionellen Relevanzen, aufdecken. Daß die Diskurspartikel olhe häufig inGesprächsphasen erscheint, in denen Abschwächungsstrategien eingesetztwerden, liegt wohl an ihrer Verwendungsregel, nicht-präferierte Sequenzen,thematische Brüche (vgl. a. Kap. 5.2.4), Brechungen von Erwartungen oderintersubjektiven Normen einzuleiten, welche eine Abschwächung notwendigmachen. Die so markierten Handlungen lassen dabei Inferenzen wiesprecherperspektivische Dringlichkeit zu und in der Konsequenz einehörergerichtete Abmilderung erwarten. Die Partikel olha hat also selbst keineinhärente Abschwächungsbedeutung.

5.2.3.2 Olhe im Sprecherwechselsystem

In der folgenden Passage aus der Sendung Fórum erscheint olhe dreimal alsDiskurspartikel (F. 2, 7, 10). Es sollen hier insbesondere seine Funktionen imRahmen des Sprecherwechselsystems behandelt werden.

Beispiel 7: Interaktion im Radio, Fórum TSF, ‘Televisão Privada’,Hörergespräch (Moderator, 8. Anrufer, 9. Anruferin F.S.,Aurélio Freire)

M:

H8:

[ tss ]1 origado R.S., técnico d'informática de lisboa,

é o último a dizer, . . bom dia.1

1[schnauft ein

43 Mit anderen Worten: Die Abschwächungsstrategie reflektiert die Sprechereinschätzung in

bezug auf die Erwartung der Interaktionspartner und damit auf den Verlauf der Sendung;gleichzeitig gibt der Sprecher damit Hinweise auf seine Interpretation der Rahmung.

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139

M:

H9:

/F.S. domestica, a ligar de lisboa, bom dia

eh, bom dia. . olh'eu só queria fazer uma2

M:

H9:

mas só está uma presente.

pergunta, . eh dirigida às quatro estações de TV, pois, . mas eh3

M:

H9:

– sim mas/ . exactamente.

> > > > > < < < <o/. o debate era para ser com os quatro estações percebi eu. 2[porque é que

42[sehr langsam und deutlich artikuliert, Intontation wird allmählich emphatischer

H9: \ \a TV, . a arma mais poderosa da comunicação social, . não aproveita para educar

5

H9: . . . . . . \o povo português . tão carenciado, . e lhes oferece palhativos para mentecaptos. . .

6

AF:

H9:

olhe eh – < < < < – /\será que é essa a TV, . que . todos . nós . eh merecemos, . e queremos]2, . façam, . .

7

AF:

H9:

– – – – – posso, posso, posso/ . permita-me, permita-me > > > > >façam uma sondagem credível, não. . deixe-me só

8

AF:

H9:

> > > > > > > > > > 3[então he he já percebi (que) tem um texto para ler> > –acabar o que eu tenho para dizer, façam uma sondagem credível

93[leicht lachend, 4[leicht lachend artikuliert und gedehnt

AF:

H9:

>-----------------------\ \ <---faça favor de ler o seu texto]3 4[hm,]4 . olhe, \ e modifiquem a programação a papel químico.

10

AF:

H9:

– \ \eh eu acho que acabou de chamar mentecaptos e:hm eh cerca de oito nove > > > > a todos nós.

11

AF:

H9:

\ –milhões de portugueses ach/ acho portanto, os portugueses / / \ eh chamei chamei não chamei, chamei que vocês fazem

12

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140

Dauer: ca. 75 sek.

Nach der Beendigung des achten Höreranrufs eröffnet der Moderator dasnächste Hörergespräch, am Apparat ist eine Hausfrau aus Lissabon.44 Nach-dem die Begrüßung abgeschlossen ist, bittet die Anruferin, eine Frage an dieFernsehstationen richten zu dürfen (erste Einleitung mit olhe), wozu esjedoch erst nach einer kurzen Zwischensequenz kommt (F. 4 - 7). Die mitemphatischer Intonation vorgetragene und tendenziös formulierte Frage,warum das Fernsehen „als mächtigstes Instrument der sozialen Kommuni-kation“ keinen Bildungsauftrag verfolge, sondern „Linderungsmittel fürSchwachsinnige“ anbiete, und ob dies vom Publikum erwünscht sei, stelltnicht nur eine deutliche Kritik an der Institution, sondern sogar eine starkeFace-Bedrohung für den im Studio anwesenden Vertreter der PrivatstationSIC dar und führt daher im weiteren Verlauf des Gesprächs auch zumKonflikt. Der SIC-Vertreter versucht deswegen auch bald, sich dazwischen-zuschalten (in F. 7 zweites Erscheinen von olhe als Unterbrechungssignal,s. u.). Die Anruferin fährt jedoch fort mit ihrem Beitrag und fordert dazu auf,eine „glaubwürdige Umfrage“ durchführen zu lassen. Diese impliziteUnterstellung der Unglaubwürdigkeit stellt einen weiteren Konfliktpunkt dar.Erneut versucht der Vertreter von SIC, das Rederecht zu erringen, diesmalmit wiederholten metakommunikativen Äußerungen (posso, permite-me),was ihm von der Gesprächspartnerin mit deutlicher Absage (não) verwehrtwird; die Anruferin verteidigt ihr Rederecht mit der Äußerung, daß sie ihrenBeitrag erst beenden wolle (F. 8). Nach diesem Kampf um das Rederechtwiederholt die Sprecherin daraufhin ihre Forderung, was der Fernsehvertreterlachend kommentiert. Durch dessen Unterstellung, sie lese einen Text ab,läßt sich die Sprecherin kurz unterbrechen, nicht jedoch aus dem Konzeptbringen, und beendet ihren Turn schließlich mit der Aufforderung, die Pro-grammgestaltung zu ändern. Nun kann der Vertreter von SIC das Rederechtübernehmen (F. 10, erneute Eröffnung mit olhe), und er beginnt mit einemgeschickten Gegenangriff, indem er der Anruferin eine ablehnende Haltunggegenüber den portugiesischen Fernsehzuschauern unterstellt (s.u.). Nun mußsich die Anruferin verteidigen; nach mehreren Anläufen, den Turn wieder zuerringen, versucht sie, diese Unterstellung zurückzuweisen.

5.2.3.2.1 Gesprächsbereitschaft

Im ersten Vorkommen (F. 2) folgt die Partikel olhe nach kurzem Absetzenauf eine intonatorisch abgrenzbare Einheit, ist auf der ersten Silbe betont undmit dem folgenden Pronomen eu eng verbunden, der Ton sinkt nicht ab. DieSprecherin hat mit dem Vollzug des zweiten Teils des Begrüßungspaars das

44 Die Namen der Anrufer werden in den Transkripten abgekürzt. Die Anrufer werden meist

mit Vornamen und Nachnamen, ohne die Verwendung von senor/senhora, angesprochen.

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Rederecht bereits regulär übernommen.45 Die Partikel dient damit imSprecherwechselsystem dem Vollzug der Redeübernahme bzw. der Anzeigevon Gesprächsbereitschaft. Damit liegt wieder ein aufmerksamkeits-steuerndes Eröffnungssignal vor.

Eröffnet wird jedoch zunächst nur ein vorstrukturierender, metakommu-nikativer Diskursschritt, eine Ankündigung: eu só queria fazer uma pergunta.Dieser relativ konventionellen Ankündigung schließt die Sprecherin dieAdressierung explizit an und bereitet somit den im Studio anwesendenVertreter von SIC auf entsprechende konversationelle Verpflichtungen vor.Der Hörerbezug der Partikel läßt sich also mit der Vorstrukturierung einesadressatenspezifischen Sprechakts (Frage) und mit der Vorbereitung voninteraktiven Verpflichtungen erklären. In bezug auf das übergeordneteDiskursschema hat die mit olhe eingeleitete Äußerung also selbst eröffnend-vorstrukturierende Funktion: Sie kündigt einen wesentlichen Schritt derAbarbeitung des kommunikativen Schemas des Hörergesprächs an. Damitverweist olhe mittelbar auf die Kernstruktur und verdeutlicht so die globalereAusrichtung. Auch aufgrund der makrosyntaktischen Stellung zwischenBegrüßungsphase und dem erstem für das Schema relevanten Diskursschrittkönnte olhe nicht nur als lokal wirkendes Eröffnungssignal, sondern auch alsmakrostrukturelles Einleitungssignal betrachtet werden.

5.2.3.2.2 Reaktive Initiierung

Diese Funktion, daß olha den Beginn eines Verlaufsschemas markieren kann,möchte ich „reaktive Initiierung“ nennen. Darunter verstehe ich, daß auf einemöglicherweise auch implizit gebliebene Aufforderung ein längerer Beitragbeginnt. In den Hörergesprächen bedeutet dies, daß die Anrufer direkt nachder Begrüßung damit beginnen, das Schema der „Meinungsabgabe“abzuarbeiten, ohne daß der Moderator sie eigens dazu auffordert. DieInitiierung des Gesamtschemas geht zwar von der Institution aus und wird imVerlauf der Sendung wiederholt in Form der Aufforderung an die Zuhörer,anzurufen, geäußert; aber im Moment der aktuellen Situation initiiert derAnrufer selbst (reaktiv) das Schema.

Hier initiiert die Anruferin das Schema mit einer Ankündigung ihrernächsten Schritte. Die Ankündigung einer Frage steuert nach vorne undimpliziert das Vorhandensein von Informationsdefiziten, konversationellwird damit das Aufgreifen eines neuen Themas vorbereitet.46 Es liegt also ein 45 Nach den vorangegangenen Anrufen ist der kommunikative Ablauf der Hörergespräche

inzwischen klar: Der Moderator fordert die Anrufer und Anruferinnen nicht mehr explizitzum Beitrag auf und stellt auch keine Einleitungsfragen mehr; mit dem Begrüßungsritualist also die Eröffnungsphase – zumindest von seiten der Institution – beendet. In dieserPhase der Sendung ist auch die Zeit bereits fortgeschritten.

46 In der Sendung Fórum sind nicht nur Meinungen gefragt, sondern auch Fragen anExperten etc. erwünscht.

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initiatives Handlungsmuster und eine Hochstufung vor. Auch hier scheint dieSprecherin die Handlung als „dringlich“ abzutönen, was sich dadurcherklären läßt, daß die meisten Anrufer bisher nicht mit einer Frage, sondernmit „statements“ begonnen haben; vielleicht erscheint der Sprecherin diemetakommunikative Äußerung daher notwendig.

Einer möglichen Einschränkung von Partnerseite beugt die Sprecherin miteiner Abschwächungsstrategie vor, markiert durch die Gradpartikel só undden Verbmodus. Auffällig ist damit auch hier wieder die Relevanzsetzungdurch olhe mit anschließender Abschwächung.47 Womöglich schwächt dieSprecherin aber auch schon im Vorfeld aus Höflichkeitsgründen ab, weil siegeplant hat, starke gesichtsbedrohende Kritik zu äußern (aber dies weiß manhier noch nicht). Dies mag auch die ausgebaute Anwendungsstruktur er-klären. Auch andere konversationelle Regeln oder Sprecherstrategien könnendie Äußerung der Ankündigung motiviert haben: Möglicherweise will dieSprecherin vermeiden, unmittelbar mit dem inhaltlichen Diskussionsbeitragzu beginnen; andererseits wird das Folgende auch wirkungsvoll exponiert.Die auffällig deutliche Betonung und das langsame Sprechen in der Frageunterstreichen diese Deutung.

5.2.3.2.3 Olhe als Unterbrechungssignal

Kommen wir zum zweiten Vorkommen von olhe in F. 7. Nach der deutlichund langsam artikulierten rhetorischen Frage in F. 7: será que é essa a TV,que todos nós eh merecemos e queremos? folgt eine kurze Pause, dann fährtdie Anruferin erneut fort. Der Studiogast AF setzt fast gleichzeitig mit olheein. AF artikuliert die Partikel relativ laut und deutlich. Da die Anruferin denTurn nicht abgibt, bricht AF nach dem Verzögerungssignal eh wieder ab;seine Gesprächspartnerin wiederholt das letzte Wort (façam) und fährt fort.Der Zeitpunkt der Unterbrechung kann unterschiedlich interpretiert werden:einerseits als TRP, an dem das Rederecht demjenigen zufällt, der ange-sprochen wurde, oder als bloße Verzögerung im Turn der Sprecherin. Da dieerste Frage abgeschlossen ist, könnte sich AF veranlaßt gesehen haben,gleich zu antworten; andererseits ist die Pause nur kurz, und die Sprecherinspricht sofort weiter; auch ist keine Redeübergabe markiert worden. Da AFspäter erneut vergeblich versucht, das Rederecht zu bekommen und abge-schmettert wird, scheint es sich eher um einen Unterbrechungsversuch als umeine reguläre Turn-Übernahme zu handeln.48 Olhe kann demnach hier als

47 Auch wenn Abschwächungsmittel und Partikelverwendung hier konventionalisiert sein

können bzw. dem Ausdruck einer ritualisierten Höflichkeit dienen, bleibt die StrukturBruch-Reparatur doch latent.

48 Entscheidend ist, wie die Interaktanten die Stelle interpretieren: AF interpretiert sie alsTRP, versteht also die von der Sprecherin angekündigte Frage als abgeschlossen (odergibt dies vor – denn die Rhetorizität ist eigentlich nicht überhörbar), während die

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Unterbrechungssignal gelten, mit dem der momentane bzw. bisherige Hörerversucht, einen Turn anzumelden, also das Rederecht zu erringen. Die Rele-vanzsignalisierung und die partnergerichtete Aufmerksamkeitssteuerungstehen also funktional im Zusammenhang mit einer Manipulation der Rede-rechtverteilung. Auf der Ebene des argumentativen Diskurses hat olhe dieFunktion, als Einspruchsignal einen unmittelbar zum Vorangehendengehörenden Einwand bzw. ein Gegenargument anzumelden. Der lokaleBruch liegt in der Verletzung der Regeln der Turn-Verteilung. Die Partikelolhe bildet dabei die Dringlichkeit des Dazwischenkommens ab.

5.2.3.2.4 Argumentationsstrategien

Das dritte Vorkommen der Partikel steht am Ende der F. 10. Der SprecherAF reagiert nach Beendigung der Aufforderung an ihn, das Programm zuändern (Abschluß des Syntagmas, deutlich fallende Intonation), mit einemlachend artikulierten und leicht gedehnten hm. Mit diesem multifunktionalenVerzögerungssignal hält er sich mehrere Möglichkeiten offen: Einerseitskann er Zeit gewinnen, seine Antwort zu planen, andererseits kann hm auchals evaluierende Rückmeldung interpretiert werden oder als Signal, das denvorangegangenen Beitrag fremdabschließt bzw. der partiellen Rückstufungdient – worauf die fallende Intonation hindeutet – im Sinne von: „ich habeverstanden, was du gesagt hast“. Gleichzeitig kann das Signal als Anmeldungeines eigenen Beitrags gelten. Aufgrund der Vagheit des hm hätte dieGesprächspartnerin hier also eventuell nochmals Gelegenheit, sich wiedereinzuschalten. Dies geschieht nicht, es ist also ein TRP eingetreten, an demAF das Rederecht übernimmt. Die darauf folgende Partikel olhe signalisiertdie Turn-Übernahme und Gesprächsbereitschaft. Sie ist betont, geht mit einerAnhebung der Stimme und der Lautstärke einher und bildet ein eigenesSegment, denn danach setzt der Sprecher kurz ab. Nach einem kurzenVerzögerungssignal leitet der Sprecher mit einem weiteren Gliederungssignalbzw. dem argumentativen Marker eu acho que seine Antwort ein.

Der mit olhe eingeleitete Zug bildet eine Antwort und Reaktion auf denBeitrag der Hörerin, im dem mehrere konditionelle Relevanzen etabliertwurden (durch die Fragen, die Vorwürfe, die Aufforderung); aufgrund seinergesichtsbedrohenden Aspekte macht der Beitrag von H9 außerdem eineVerteidigung erwartbar. Im sequentiellen Zusammenhang ist der Beitrag vonAF damit ein reaktiver, argumentativer Schritt. Der olhe-Zug ist jedoch nichtkohärent, denn der Sprecher geht inhaltlich weder auf die Kernfrage, noch diezuletzt wiederholte Aufforderung ein, sondern lenkt gezielt vom Haupt-anliegen der Anruferin, der Forderung nach einer Programmumgestaltung,ab. Dafür unterstellt er der Gesprächspartnerin mit „acho que acabei chamar

Anruferin ihre eigene Ankündigung (só uma pergunta) nicht wörtlich gemeint hat undnoch massive Kritik und Verbesserungsvorschläge anfügt.

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mentecaptos“ eine negative Einstellung gegenüber den portugueses, was ihrvor der Gesamthörerschaft der Rundfunksendung Minuspunkte einbringenmuß, und weist diese vermeintliche Einstellung der Anruferin zurück, wo-durch er sich zum Anwalt der Referenzgruppe macht und einen Punktgewinnt. Auch danach kommt er nicht auf den Vorwurf der Hörerin zu spre-chen, sondern versucht, als neues Thema die große Anzahl der fernsehendenPortugiesen ins Spiel zu bringen, was später als Argument für die Qualitätder Programme bürgen soll. Insofern versucht AF an dieser Stelle, über einNebenthema einen neuen Fokus zu etablieren, der von der auf ihn gerichtetenGesichtsbedrohung wegführt. Durch dieses Ablenkungsmanöver vermeidetder Sprecher nicht nur eine Stellungnahme zu einem heiklen Kritikpunkt, wasder präferierten Erfüllung der hörerseitig etablierten konditionellen Rele-vanzen entspräche, sondern gewinnt auch Zeit. Durch die negativ qualifi-zierende Zurückweisung einer vermeintlichen Hörerposition läßt er seineReplik als dringende Korrektur zur Fortsetzung der Diskussion erscheinenund evaluiert den vorangegangenen Zug als unbegründet im argumentativenZusammenhang.

Der Kontext dieses letzten Vorkommens von olhe wurde ausführlichkommentiert, um zu zeigen sollte, wie die Diskurspartikel als argumenta-tionsstrategisches Relevanzsignal eingesetzt werden kann, das die Annahmeder im Vorgängerzug etablierten Relevanzen zwar anzeigt („ich gehe auf dasGesagte ein“), trotz dieser Relevanzsetzung aber auch den Bruch darstellt,der einerseits in der Fokusverschiebung, andererseits im Zurückweisen einerPräsupposition liegt. Im Sprecherwechselsystem hat olhe die Funktion, dieÜbernahme des Rederechts zu markieren, gleichzeitig leitet es Argument ein;die Äußerung zielt dabei auf eine Aushandlung des Gesagten.

5.2.3.2.5 Einleitung einer Fremdkorrektur

Beispiel 8: Interaktion im Radio, Fórum TSF, ‘28 de Setembro de 1974’,Hörergespräch (Moderator, 2. Anrufer F.F., Studiogast)

H2: há cerca dois anos depois deste 28 de setembro, é que os assentes têm que sair da1

H2: rua, têm que ir (para fora), têm que ocupar . a emissora national, a ponte 25 de2

H2:

M:

G:

/avril,a portagem de do Europa ( ) como

pois /\ 1[ hem olhe F.F., isso é depois do 28 setembro

3

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1[Geräusche im Vordergrund, vielleicht Rücken des Mikrophons)

H2:

M:

G:

< < < < muito depois foi o que>--------------------------isso é depois do 28 setembro

isso é depois do 28 setembro é muito depois do 28 setembro4

H2:< <--- > > > >referi, mas que antes de 28 de setembro

5

Die Sequenz repräsentiert einen Ausschnitt des zweiten Hörergesprächsaus der Sendung Fórum: O 28. de Setembro 1974, in der mit mehrerenZeitzeugen über den Putschversuch gesprochen wird. In seinem bereits längerandauernden Beitrag wird H2 von einem der Studiogäste mit Erfolg unter-brochen. Der Studiogast verweist darauf, daß die von H2 geschildertenEreignisse nach dem 28. September stattgefunden haben; offensichtlich istdem Sprecher dabei entgangen, daß der Anrufer dies selbst zu Beginn (F. 1)thematisiert hatte.

Man kann davon ausgehen, daß der Studiogast prinzipiell aufgrund seinerExpertenrolle Anruferbeiträge kommentieren und richtig stellen kann, undihm aufgrund dieser spezifischen Rolle während der Sendung extensiveresRederecht zusteht. Ob daher Unterbrechungen von seiten der Studiogäste dieSpielregeln der Diskussionssendung verletzen, ist fraglich; aus den hiervorliegenden Reaktionen ist eher abzuleiten, daß sie sanktioniert sind, dennder Moderator schließt sich selbst der Korrektur an. Tatsächlich werdenUnterbrechungen, die immer eine potentielle Störungsquelle sind, in denDiskussionen, v. a. in den Anrufer-Experten-Gesprächen, häufig praktiziert.Der Sprecher G wartet nicht auf einen TRP, sondern unterbricht den Anruferwährend einer Aufzählung, kurz nach einer kleinen Verzögerung undKorrektur (de anschließend korrigiert zu do). Es kommt kurzzeitig zusimultanem Sprechen. G erringt schließlich das Rederecht.

Die Partikel ist auf der ersten Silbe betont und intonatorisch mit derNamensanrede eng verbunden, danach fällt die Intonation ab, es tritt jedochkeine Pause ein. Die Unterbrechung, dies ist zumindest aus der Intonation zuschließen, klingt nicht unhöflich, olhe und der Name werden schnell und ver-schliffen realisiert, der eingeleitete Zug wird langsamer und deutlich arti-kuliert. G setzt olhe zusammen mit der Namensanrede als Unterbrechungs-signal ein, wohl auch, um Aufmerksamkeit beim Hörer zu gewinnen, derkeinen Blickkontakt zu den Gästen hat. Die Anrede verstärkt den appella-tiven Charakter.49 Die Partikel olhe ist damit einerseits aufmerksamkeits-

49 Vorher sind Geräusche zu vernehmen, die ev. durch Verrücken des Mikrophons hervor-

gerufen worden sind, sowie ein kurzer Laut vor Beginn des Turns, der nicht eindeutig zu

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steuerndes Unterbrechungssignal, andererseits strukturiert sie den Beitrag alsrelevant und dringend vor. Die dreifache Wiederholung unterstreicht dieseDringlichkeit. Es entwickelt sich daraufhin eine Zwischensequenz, an dersich auch der Moderator beteiligt.

Auf der Ebene der Argumentation führt olhe hier eine Korrektur desFremdbeitrags ein, der unterbrochen wurde. Wie auch schon im vorigenBeispiel anklang, beinhaltet ein olhe-Zug im argumentativen Kontext oft einekritische Qualifizierung des Vorgängerzugs bzw. einen Einwand. Hier handeltes sich um die Zurückweisung von Implikaturen, die der Sprecher G aus demVorgängerzug gezogen hat: Da es um die Erklärung des 28. September gehtund die vom Anrufer geschilderten Ereignisse danach stattgefunden haben,könnte G etwa den Beitrag als irrelevant für die Diskussion aufgefaßt habenoder er nimmt an, daß der Anrufer die Chronologie der historischen Ereig-nisse durcheinander gebracht hat. Die Partikel dient damit als Signal dafür,daß bestimmte konditionelle Relevanzen nicht übernommen werden können;sie gehört zur Anwendungsstruktur einer Aktivität, in der die Versicherungder gemeinsamen Gesprächsbasis, genauer: die Verständigung über Voraus-setzungen des Gesprächszusammenhangs (Relevanzsystem) ausgehandeltwerden muß. Hiermit bestätigt sich die Annahme, daß olhe reaktiv undhochstufend ist. Ihr Gebrauch kann Hinweis darauf sein, daß die Verstän-digung zwischen den Interaktionspartnern momentan nicht funktioniert.

5.2.3.3 Zusammenfassung

Die Beispielanalysen haben gezeigt, daß die Diskurspartikel olha/olhe einEröffnungs- oder Turn-Eröffnungssignal ist, das einzelne Äußerungen, kon-versationelle Züge bzw. Einzelaktivitäten hochstuft bzw. Relevanz signa-lisiert. Diese spezifische Lokalisierungsfunktion ergibt sich daraus, daß vomSprecher eine Handlung angesteuert wird, die im übergeordnetenZusammenhang zwar nicht hochgradig präferiert erscheint, lokal, d. h. inbezug auf den vorausgegangenen Zug nicht kohärent ist oder von Hörerseiteals unangemessen interpretiert werden könnte, aus Sprecherperspektivejedoch als dringend oder für den momentanen Zeitpunkt notwendig, alsorelevant eingestuft wird. Dabei wird meist ein neuer thematischer Fokus oderAspekt eingeführt, es können aber auch Abschweifungen oder Unter-brechungen eingeleitet werden.

Zum zweiten wurde deutlich, daß olhe häufig initiative Züge eröffnet, dieeine Reparatur im weitesten Sinn bzw. Abschwächungsstrategien nach sichziehen, wobei olhe jedoch per se nicht abschwächend ist. Außerdem wurdegezeigt, wie die Partikel Fokusverschiebungen einleitet und als Unterbre-

identifizieren ist (mit hem repräsentiert). Es könnte sich auch um ein stark verschliffenesmas handeln.

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chungssignal eingesetzt wird. Daß die Diskurspartikel oft mit einem Bruch,der sich auf alle Ebenen der Gesprächsorganisation beziehen kann, zusam-menhängt, soll im folgenden noch deutlicher herausgearbeitet werden.50

Über die personaldeiktische Referenz verdeutlicht die Partikel vorgrei-fend, daß der eingeleitete Zug hörergerichtet ist: Mit olhe/olha wird einAufmerksamkeits- bzw. Kontaktsignal gesetzt, das bestimmte Merkmale derAktivität schon vorwegnimmt, wie etwa Zurückweisung der Hörerpositionoder die Etablierung von (auch stärkeren) konditionellen Relevanzen bzw.Verpflichtungen für den Hörer.

5.2.4 Fokusverschiebungen

5.2.4.1 Wechsel des Sprechhandlungstyps

Beispiel 9: Informelle Interaktion, Tischgespräch (Luisa, João)

J: > > > / < < < –tinham, . tinham, pois tinham o quê, tinham uma u:ma pista de carros para eles,

1

J: – – ↑ >--------- \ <---------tinham golfe, minigolfe, tinham muita coisa ( ) muita=muit'. mas olha, o/ o que

2

J:

L:

. .era bom, . é que de facto . a partir daquela ora não se ouvia ninguém,

era um silêncio, era um3

J:

L:

> > > > > mas não se ouvia ninguém, mesmo ninguém ninguém ninguém ninguém

silêncio (incrível)4

J:

L:

< < < < < . .ninguém ninguém ninguém. o quart' tava cheio mas houve um silêncio total,

e tava tão cheio,5

Das Beispiel stammt aus einer Reiseschilderung. In dieser Passage be-schreibt der Sprecher João einen Campingplatz, der von ihm und seiner Fraubesonders geschätzt wurde. Zunächst zählt er die besonderen Ausstattungenauf (F. 2, tinham…). Bereits mit der Wiederholung von muita und eineremphatischen Betonung deutet der Sprecher eine (positive) Evaluierung desGegenstands an. Nach der Aufzählung erfolgt ein Einschnitt durch sinkendeIntonation und einer kurzen Pause. Mit dem neuen Zug, der mit mas olha 50 Zur argumentationssteuernden Funktion vgl. Kap. 5.4, insbesondere Beispiel 12.

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eingeleitet wird, wird ein neuer Themenaspekt eingeführt, wobei jetzt dieEvaluierung im Vordergrund steht und nicht mehr die Schilderung desSachverhalts. Dabei verwendet der Sprecher verschiedene sprachliche Mittelder Emphase: die Einleitung mit der Partikelkombination mas olha, diebewertende Formel o que era bom mit der sich anschließenden syntaktischenHervorhebungskonstruktion é que und dem Verstärker de facto, sowieverschiedene Intensivierungen auf lexikalischer (mesmo, total) und syntak-tischer Ebene (die rasche Wiederholung von ninguém). Die Steigerung derEmphase, die in der Passage auftritt, dient der nachdrücklichen positivenBewertung des Dargestellten; in dieser positiven Evaluierung manifestiertsich eine affektive Haltung.

Die Partikel olha ist auch hier intonatorisch unmarkiert und eng an dasfolgende Syntagma gebunden. Im letzten Segment der Auflistung sinkt dieIntonationskurve ab, es tritt eine kurze Pause ein; die Partikeln mas und olhabilden ein phonetisches Wort. Nach olha setzt der Sprecher kaum merklichab; im nächsten Segment tritt eine leichte Verzögerung auf. Wegen dieserengen phonetischen Verbindung soll hier die Partikelkombination untersuchtwerden.

Durch mas wird ein Gegensatz markiert, der sich jedoch nicht auf diepropositionalen Tiefenstrukturen der Vorgängeräußerung und der eingelei-teten Äußerung beziehen läßt; mas ist hier also kein logischer Konnektor,sondern hat abtönende Funktion und fungiert als Diskontinuitätssignal, dasdie Abwahl des vorigen Fokusaspekts anzeigt. Die Partikel olha hingegenmarkiert eine Zuwendung zu etwas Neuem. Hier liegt also eine Partikel-kombination vor, die auf mikrostruktureller Ebene einen partiellen Fokus-wechsel bzw. Übergang zwischen Einzelaktivitäten (Rück- und Hochstufung)signalisiert.51

Während der Sprecher die Orientierung auf einen spezifischen thema-tischen Teilaspekt verlagert, erfolgt in der Sprechhandlung ein Bruch: DiePartikeln mas olha implizieren gemäß der oben festgestellten kontextuellenEinordnung, daß einerseits die Aufzählung beendet ist, dafür ein nun relevan-terer Aspekt, etwa der Knackpunkt der Schilderung folgt: die Bewertung undDarstellung eines noch nicht besprochenen Sachverhalts, der vom Sprecherals ungewöhnlich und besonders positiv bewertet wird. Dabei greifen masolha bereits einer Ungewöhnlichkeit vor. Die Partikelkombination steuertalso den Verstehensprozeß, da der Hörer auf etwas Neues, Ungewöhnlichesund Wichtiges vorbereitet wird. Insofern ergänzen sich mas und olha in ihren

51 In dieser rückstufend-hochstufenden Funktion kann mas olha auch nach Sprecherwechsel

erfolgen, v. a. in argumentativen Diskursen. Damit signalisiert der Sprecher einerseits,daß bestimmte konditionelle Relevanzen des vorausgegangenen Hörer-Zugs übernommenworden sind, etwa das Hörer-Argument als Grundlage der Diskussion anerkannt wird,aber ein inhaltlicher Einwand eröffnet wird, vgl.: mas olhe desculpe o senhor vai me dizera que horas é que deu esses debates …(Beispiel 22).

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Funktionen, zumal, wenn man auch bei der Partikel mas eine „abtönende“Funktion wie in der Modalpartikel aber annimmt, die einen Gegensatz zubestimmten Erwartungen impliziert.

5.2.4.2 Umadressierung

Beispiel 10: Informelle Interaktion, Tischgespräch (Luisa, João,Beobachterin)

J:

L:

B:

essa é que é esperta, . essa é

aah ( ) (sim)

um trabalho sobre o saudasismo, . o saudasismo na poesia, na literatura ( )1

J:

L:

B:

é que esperta \ ↑ > > > > >isso (é) muito giro isso é muito interessante. olha que eu gostava de ler

mhm2

L: –esse trabalho, . . isso é em alemão, gostava de ler,

3

Diese Sequenz stammt aus einer anderen Phase des gleichen Gesprächs.Es geht um ein Buch, von dem B. erzählt, und das bei Luisa auf besonderesInteresse gestoßen ist. So äußert sie den Wunsch, es lesen zu wollen.

Die Partikel olha ist unbetont und intonatorisch nicht getrennt vom fol-genden Segment. Vorher war ein TRP eingetreten, und B. hatte eine Rück-meldung gegeben. Somit ist olha wieder Signal der Redefortsetzung. DieForm que hat keine interphrastische, syntaktische Funktion, sondern gehörtzur Anwendungsstruktur; olha que kann auch als Partikelkombination gelten.

Auf der Ebene der Textgliederung indiziert olha wie im Beispiel 9 denWechsel des Sprechhandlungstyps: Die Informations- und Evaluationsphasefür den thematischen Fokus trabalho ist zumindest für Luisa abgeschlossen,und sie richtet die Aufmerksamkeit nun auf einen Wunsch. Der partielleÜbergang liegt also nicht im Themenwechsel – Kohärenz und Kohäsion zumVorausgegangen sind durch esse trabalho hergestellt –, sondern im Übergangvon einer Evaluierung zu einer Bitte.

Auch hier eröffnet olha einen initiativen Zug, der bestimmte konditionelleRelevanzen etabliert. Die Äußerung hat einen freundlichen, aber nachdrück-lichen Charakter, der sich durch die Wiederholung in F. 3 und am sprach-lichen Ausdruck imenso ablesen läßt; man kann davon ausgehen, daß der

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Wunsch aufrichtig gemeint ist.52 Diese Nachdrücklichkeit korreliert mit dersprecherperspektivischen Dringlichkeit, die schon in anderen mit olhaeingeleiteten Zügen festgestellt wurde. Die vorliegende Abschwächungs-strategie, die in gostava und der Intonation zum Ausdruck kommt, ist auf-grund der Art der Sprechhandlung erwartbar.

Die Aufmerksamkeitssteuerung von olha dient auch dazu, die Adressie-rung im Gespräch zu dritt zu vereindeutigen.53 Die vorgreifende Verdeut-lichung bezieht sich in diesem Fall auf eine Handlung, die nur für eineGesprächsteilnehmerin Verpflichtungen bzw. konditionelle Relevanzenetabliert und den dritten Beteiligten ausschließt. Damit findet auch auf derEbene der Gesprächsorganisation eine Umorientierung statt; im Gespräch zudritt wird eine Sequenz etabliert, an der nur zwei beteiligt sind.

5.2.4.3 Eröffnung einer Nebensequenz

Beispiel 11: Informelle Interaktion, Tischgespräch (Luisa, Beobachterin)

B:

L:

mas era . era mais sobre: assuntos gram/ da gramática comparada.

aah, gramática1

B:

L:

J:

mm

comparada, . olha queres mais abóbora

isso deve ser muito interessante2

Ein noch deutlicherer Bruch der lokalen Kohärenzstruktur liegt vor, wennNebensequenzen etabliert werden, wie in diesem Beispiel. Gegen Ende desAbendessens unterhalten sich die Gesprächspartnerinnen über ein Buch.Zwischendurch bietet Luisa der Besucherin nochmals vom Nachtisch an.Danach kehren die Gesprächspartnerinnen wieder zum Thema zurück. SolcheNebenhandlungen werden in der Gesprächsanalyse als side-sequences behan-delt. In Nebensequenzen wird meist ein Wechsel auf mehreren Ebenenvollzogen: ein anderes Thema wird initiiert, ein anderes Schema oder eineandere Rahmung aufgerufen. Damit ist der erste Zug einer Nebensequenzimmer initiativ und etabliert ein einengendes Fortsetzungsraster. Die Über-gänge müssen nicht immer komplett manifestiert werden.

52 Festgestellt werden kann natürlich nicht die tatsächliche Ernsthaftigkeit des Anliegens.53 Allerdings ist dabei sicherlich auch der Blickkontakt entscheidend; olha unterstützt

zumindest die Vereindeutigung der Orientierung.

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Hier wird das parallel laufende Handlungsschema des Abendessensaktualisiert. Nach dem letzten Zug des Turns von Luisa fällt die Intonation, estritt nur eine sehr kurze Pause ein. Die Partikel olha leitet den Zug ein, derdie Nebensequenz, in diesem Fall ein Frage-Antwort-Nachbarschaftspaar,etabliert. Die Form olha wird unbetont realisiert und ist intonatorisch in dasfolgende Syntagma eingebunden. Der olha-Zug hebt sich in seinerphonologischen Realisierung vom Vorausgegangenen ab. Auf der Ebene derSprechhandlungen folgt auf eine Schilderung von B. eine rückmeldendeAssertierung von Luisa, die das Verstehen über das Gesagte ausdrückt undgleichzeitig den bearbeiteten Teilaspekt abwählt. Daraufhin behält Luisa denTurn und macht ein Angebot, das eine Antwort der Gesprächspartnerinerfordert. Der Fokus „Besprechen eines Buchs“ wird also zugunsten dersituativen Rahmung des Abendessens außer Kraft gesetzt. Die Sprecherinschlüpft außerdem von der Rolle der interessierten Zuhörerin in die deraktiven Gastgeberin. Diese Brüche werden in mehrfacher Weise vorbereitetund verdeutlicht, einmal durch die abwählende Rückmeldung, durch diefolgende Zäsur, durch olha sowie die veränderte Intonation im olha-Zug.Dennoch kann man nicht sagen, daß die Anwendungsstruktur hier sehrausgebaut wäre. Entscheidend ist die aufmerksamkeitssteuernde Vorstruk-turierung durch die Partikel olha, die der Partnerin signalisiert, daß derfolgende Zug (mit entsprechenden Verpflichtungen) an sie gerichtet ist, nichtan das Vorige anschließt, aber (sprecherperspektivisch) wichtig und imübergeordneten Zusammenhang relevant ist. Auf die globale Kommunika-tionssituation bezogen stellt das Angebot eine angemessene Aktivität dar.Vielleicht kann man in diesem Zusammenhang sogar sagen, daß olha dieAbwendung vom momentanen Rahmen etwas abschwächt, zumindest relativ;ganz ohne Partikel wäre die Äußerung zumindest etwas unvermittelt. DieseLesart wird aber auch durch den freundlichen Tonfall markiert.

5.2.4.4 Zusammenfassung

In diesem Kapitel konnte gezeigt werden, wie die Verwendung von olha alsEröffnungssignal mit Brüchen auf den unterschiedlichen Ebenen desDiskurses zusammenhängt, v. a. mit aspektuellen Fokusverschiebungen. Imersten Beispiel wurde gezeigt, wie die rückstufend-hochstufende Partikel-kombination mas olha turn-intern einen Übergang zwischen Einzelaktivitätenmit unterschiedlichem Relevanzgrad markiert, wobei mas als Diskontinuitäts-signal die Abwendung von einem Fokusaspekt, olha die Hochstufunganzeigt. Auch im zweiten Beispiel wurde durch olha eine neue Aktivitäteingeleitet, die sich zudem spezifisch an nur einen Gesprächspartnerwendete; somit kann olha auch der Vereindeutigung der Adressierung dienen.Im dritten Fall schließlich leitete olha eine Nebensequenz ein, welche den

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derzeitig gültigen Rahmen kurzzeitig außer Kraft setzte. In den letzten beidenFällen lagen initiative Aktivitäten vor.

5.2.5 Olha als Eröffnungssignal einer argumentativen Zurückweisung

In diesem Kapitel möchte ich eine Verwendung von olha besprechen, dieman auch „argumentatives olha „ nennen könnte.

Das Gespräch, aus dem folgender Ausschnitt stammt, stellt eine freund-schaftliche Unterhaltung dar. Die drei Freundinnen unterhalten sich über ihreBeziehungen. Dabei scheint eine der Bewohnerinnen, Tina, ein Problem zuhaben, von dem sie allerdings nicht sprechen möchte. Maria hingegen scheintbestens informiert zu sein und übernimmt die Führung in dem Gespräch.

Beispiel 12: Informelle Interaktion, Gespräch unter Freundinnen(Cristina, Tina, Maria)

C:

T:

M:

então qual é o teu problema. >------- nada nenhum

1[mas ele já dois dias lhe telefona assim,1

1[ unterdrückt lachender Tonfall

T:

M:

(que queres) que são dois dias – ↓sabes, . . . há dois dias que ela /]1 olha porque ele telefonava todos os dias,

2

M:<--------------------- > > > > >todo o santo dia pá, duas ou três vezes por dia e eu é que sempre tenho que ir ao

3

C:

M:

telefonista / \ < < > > \ ↑< <telefone tás a ver , . eu ((schnauft laut ein)) e:ra telefonista, . . portanto ele . 2[tá: .

42[ nachahmend, zaghaft, in hoher Stimmlage

M: < < < / ↓ \ <------ > > > > >a Tina stá:]2 não, a Tina saíu. e eu sempre a dizer que que não stava, ah: a Tina saíu.

5

M: ↑ – ↓ –ele . 3[tá bem olhe para a proxima dia que que que eu sei que ela stá ]3 . eu 4[do:ng

63[ nachahmend, zaghaft, in hoher Stimmlage; 4[ahmt geräuschvolles Auflegen des Telefonhörersnach

Dauer: 31 Sek.

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Cristina fragt Tina anteilnehmend, was sie denn für ein Problem habe(F. 1). Da Tina das Vorhandensein eines solchen abstreitet, erzählt Maria mitfrotzelndem Unterton von zwei Tage andauerndem Anrufen des Freunds vonTina; die mitschwingende Bewertung („assim“) läßt auf eine kleineGeschichte hoffen.54 Die betroffene Tina, der die Anrufe galten, kommtjedoch dazwischen und spricht den Anrufen jegliche Bedeutung ab (F. 2); siemöchte das Thema wohl lieber unter den Tisch kehren, was allerdings auchKoketterie sein kann. Maria läßt sich dadurch nicht von ihrer Geschichteabbringen; wie oft er angerufen habe und sie ans Telefon gehen mußte,erzählt sie mit zunehmender Exaltiertheit, worauf Cristina ihr ironisch dieRolle einer telefonista zuschreibt (F. 4). Dadurch noch angespornt, schildertMaria belustigt den Verlauf der Telefonate.55 Die Reaktion auf TinasEinwand, die mit olha eingeleitet wird, soll hier untersucht werden (F. 2).

Olha leitet den Turn ein und ist auf der ersten Silbe schwach betont, diezweite Silbe ist verschliffen, die Intonation ist steigend. Die Partikel ist engan das Folgende gebunden, bei porque beginnt jedoch eine neue phonetischeEinheit. Bis zum nächsten Hörersignal tás a ver setzt die Sprecherin nureinmal kurz ab, zur Hervorhebung vor der Phrase todo o santo dia pá....

Die folgenden sequentiellen Positionen mögen die Struktur diesesGesprächsabschnitts verdeutlichen:Position 1 (Cristina): então qual é o teu problemaPosition 2 (Tina): nada nenhumPosition 3 (Maria): mas ele já dois dias lhe telefona assim, sabes,Position 4 (oder 1, Tina): que queres que são dois diasPosition 5 (oder 2, Maria): olha porque ele telefonava todos os dias …Position 6 (oder 3, Tina): ∅ = ‘Akzeptieren’Position 7 (→3, Maria): e eu é que sempre tenho que ir ao telefone stás a ver

An erster Position steht eine Frage. Darauf folgt in 2. Position dieAntwort. Der Beitrag der Sprecherin Maria in F. 1/2 steht an 3. Position. An4. Position steht ein Kommentar dazu, gleichzeitig eröffnet er eine verschach-telte Sequenz. An 5. Position erfolgt die olha-Äußerung, die sich auf denKommentar bezieht, also die 2. Position der verschachtelten Sequenz ist. Aufdiese 5. Position erfolgt keine sprachliche Reaktion mehr, vielmehr findetwieder das Anknüpfen an Position 3 statt.

Auf den initiativen Fragezug von Cristina reagiert Tina mit einer kurzenund abschlägigen Replik. Mit der Antwort erfüllt sie nur teilweise diekonditionellen Relevanzen, denn in bezug auf die erwünschte Informationspricht sie nicht über das, was Cristina erwartet. Daraufhin ergreift Maria dasRederecht. In ihrem Zug liefert sie anstelle von Tina Informationen, die zur 54 Das Gespräch ist auch sonst, abgesehen vom Thema namorados, von Klatschgeschichten

geprägt.55 Erst im späteren Verlauf des Gesprächs gesteht Tina, daß sie mit ihrem Freund Schluß

gemacht hat, was Maria, wie sich später herausstellt, schon längst wußte.

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Beantwortung der gestellten Frage beitragen können (markiert u. a. mit derPartikel sabes). Der Konnektor mas impliziert dabei, daß es Einwände gegendie Antwort von Tina, also doch ein Problem gibt; damit stellt sie Tinaimplizit als unaufrichtig hin. Mit ihrem Beitrag schlägt Maria zwei Fliegenmit einer Klappe: Sie kann eine Klatschgeschichte über den Exfreund zumBesten geben und ein wenig über Tina frotzeln.

Tina reagiert entsprechend mit dem Kommentar in der 4. Position. Ob siedamit schon eine Nebensequenz beabsichtigt hat, oder nur kommentierenwill, hängt davon ab, wie die Gesprächspartnerin reagiert. Der Kommentarder Tina stellt sich als eine Kritik an der Behauptung bzw. an der mit derBehauptung verbundenen Einstellung der Maria dar. Tina weist zurück, daßAnrufe über zwei Tage eine besondere Bedeutung hätten. Der Einwurf ist miteinem leichten Vorwurf verbunden, der auch so verstanden werden kann, daßeine Frotzelei hier nicht angebracht ist. Die Äußerung ist als rhetorische oderzumindest tendenziöse Frage gestaltet (que queres…) und unterbricht Mariain ihrer Schilderung, wird allerdings sehr leise artikuliert. Maria bricht daraufhin ab, nimmt die abgebrochene syntaktische Konstruktion auch nicht wiederauf, sondern eröffnet eine neue, reaktive Äußerung (5. Position). Damit erstwird die Nebensequenz durchgeführt. Mit der Konjunktion porque gibt Mariazu verstehen, daß sie den Vorgängerzug als Aufforderung verstanden hat,etwas zu begründen oder zu rechtfertigen; was von ihr als zu begründenaufgefaßt wurde, bleibt implizit. Der Kausalzusammenhang bleibt also vage,da er auf der Ebene des Mitverstandenen liegt. Hier liegt offensichtlich eineSequenz vor, in der v. a. das uneigentliche Sprechen entscheidend für dieKohärenzherstellung ist (s. u.).

Der olha-Zug ist also zweiter Teil einer Paarsequenz „tendenziöse Frage –Replik“, aber erst durch ihn wird dieser Fokuswechsel beidseitig bestätigt. Indieser verschachtelten Sequenz wird die Orientierung auf die Aushandlungbestimmter Deutungen gelenkt. Im olha-Zug wird die Hörereinschätzung ausder 4. Position, so wie die Sprecherin sie erschlossen hatte, zurückgewiesen.Er dient damit auch der Verdeutlichung, wie die Sprecherin ihre Partnerininterpretiert hat, wobei olha und porque den Rückwärtskonnex manifestieren:Dem als Vorwurf oder Kritik interpretierten Vorgängerzug muß wiederumetwas entgegengesetzt werden. Damit übernimmt die Sprecherin denkompetitiven Modus der 4. Position und bestätigt den neuen Fokus, d. h. denhörerseitig etablierten Wechsel zur Aushandlung bestimmter Bedeutungs-zuweisungen. Die Argumentation hat also schon auf der 4. Position begonnenund wird mit der 5. Position betätigt. Es findet damit in der untergeordnetenSequenz eine Umorientierung zur Aushandlung statt. Das Thema („Anrufe“)jedoch bleibt im Spiel, allerdings wird auf der inhaltlichen Ebene nur

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Redundantes besprochen.56 Dafür steht nun die Evaluierung viel stärker imVordergrund, was sich an sprachlichen Mitteln wie dem Stereotyp todo osanto dia, der Partikel pá sowie an der emphatischen Betonung manifestiert.

Mit dem Argument, das im Rahmen der Begründung erfolgt, verstärktMaria gleichzeitig ihre eigene, die 3. Position. Aus der sequentiellen Stellungheraus erhält der Argumentationsschritt den Charakter einer Rechtfertigung(Zurückweisung einer Zurückweisung). Die Rechtfertigung verschafft derimpliziten Bewertung aus der 3. Position auch einen gewissen Evidenz-charakter.57 Zusätzlich gewinnt die Sprecherin einen Punkt. Diese Positions-festschreibung kann sich einerseits auf die Argumentation (i.S.v. „ich habdoch recht“), andererseits vielleicht auch auf das Festhalten an derDarstellungsweise (i.S.v. „laß mich doch erzählen“ 58) beziehen.

Marias Äußerung zielt auf die Beziehungsebene, was vielleicht durch denHörerbezug von olha konnotiert wird; implizit spricht sie der Gesprächs-partnerin nämlich die Fähigkeit ab, die Ereignisse wirklich beurteilen zukönnen (vielleicht, weil sie selbst betroffen ist), während sie selbst sichhingegen dazu in der Lage fühlt. Damit ist der Äußerung auch ein gesichts-bedrohender Aspekt inhärent. Doch auch eine normative Bewertung – etwaim Sinn einer sozialen Norm, wie oft man am Tag jemanden mit Anrufenbelästigen darf – spielt eine Rolle; dabei geht es jedoch wohl auch eher umdie Rollenverteilung zwischen den beiden Freundinnen. Dies ergibt sich ausder Fortsetzung der eingeschlagenen Strategie in der 7. Position.59

Durch die Paarsequenz findet eine neue Orientierung im Gespräch zu drittstatt: War die begonnene Schilderung der Maria primär an Cristina gerichtet– als Antwort auf deren Eingangsfrage, worauf auch das Hörersignal sabesverweist – so wendet sich der olha-Zug nun direkt an Tina, die mit ihremBeitrag dazwischengekommen ist.60 Durch die aufmerksamkeitssteuernde

56 Mit Kallmeyer/Schütze (1976: 12) sei nochmals darauf hingewiesen, daß Fokus als

„manifestierte, in einem Prozeß des Aushandelns wechselweitig konstituierte bzw. zurÜbernahme vorgeschlagene Orientierung“ zu verstehen ist, die man sich aus den zweiElementen ‘Thema’ und ‘Interaktionsform’ bestehend vorstellen kann.

57 Die Sprecherhaltung könnte etwa in die Richtung gehen: „Dein Freund macht sich dochlächerlich mit diesen dauernden Anrufen.“ o.ä.

58 Die Paraphrasierungen zeigen, daß olha ähnlich funktionieren kann wie dt. doch., v. a.wohl in der spezifischen Verbindung mit porque. Vgl. auch die Hinweise zu doch amEnde des Kapitels.

59 Als weiteres Argument führt Maria dort an, daß sie es war, die dauernd für ihreMitbewohnerin ans Telefon gehen mußte. Damit bringt sie eine weitere Begründung fürihre Einstellung.

60 Es muß jedoch betont werden, daß in einem Gespräch ‘zu dritt’ jede Äußerung potentiellmehrfachadressiert ist. Wenn Maria ihrer Freundin Cristina anstelle von Tina antwortet,dann wird sie auch gegenüber Tina kommunikativ verantwortlich, wie es sich in derÄußerung des Kommentars dann auch zeigt. Jedoch werden bestimmte Relevanzen nur

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Funktion unterstützt olha diese Adressierung. Wann wieder die vorigeOrientierung aufgenommen wird, kann ohne Angaben über den Blickkontaktnicht eindeutig bestimmt werden. Nach e eu (F. 3) folgt ein Diskursschritt,der einerseits als Fortführung der begonnenen Klatschgeschichte auch anCristina gerichtet ist, andererseits auch noch zur Zurückweisung desKommentars von Tina gehören könnte. Erst das Hörersignal tás a ver (F. 4)signalisiert eindeutig, daß die vorige Orientierung fortgesetzt wird und diephatische Rahmung damit wieder im Vordergrund steht. Somit dürfte dieMarkierung mittels olha für den zurückweisenden, argumentativen Zug biszu diesem Hörersignal reichen.61

Wie oben bereits deutlich wurde, signalisiert die Partikel nach einerUnterbrechung des begonnenen phatischen Diskurses die Übernahme desdamit etablierten Wechsels auf Handlungs- und Beteiligungsebene. Dochauch in der Modalität gibt es eine Umorientierung: Durch den Schlag-abtausch, der auf die zwei Bewohnerinnern der WG beschränkt ist, erhält dasKlatschgespräch eine kurzzeitige Wendung ins Ernstere, diejenige Inter-aktionsmodalität, die durch den leicht beleidigten oder vorwurfsvollen Kom-mentar aufgerufen wurde. In der Einschubsequenz wird quasi ein anderer Tonangeschlagen.62 Das besprochene Thema allerdings stellt Maria auffälligexaltiert dar: Der Widerspruch zwischen todo o santo dia und duas ou trêsvezes por dia verdeutlicht den Übertreibungscharakter der Äußerung. Dahermuß ihre Funktion auch auf der Folie der übergeordneten, phatischenRahmung gedeutet werden. D. h., bei der Mikroanalyse der Paarsequenz darfnicht vergessen werden, daß das Gespräch insgesamt für alle Beteiligten einelockere Unterhaltung in entspannter Atmosphäre darstellt. Die Charak-terisierung der Sequenz als Schlagabtausch bedeutet nicht zwingend, daß sichhier tatsächlich ein ernster Streit abgespielt hat; die WG-Bewohnerinnenkönnen hier auch bestimmte Rollen spielen.63 Daß sich beide Funktionen,sowohl die exaltierte Markierung im Sinn der Unterhaltung als auch die

gegenüber jeweils einer der Hörerinnen errichtet; der hier untersuchte Beitrag richtet sichin seiner Zurückweisung nur an Tina.

61 Hinweise darauf, daß ab F. 4 wieder an die vorher begonnene Klatschgeschichteangeknüpft wird, bilden auch die veränderte Stimmlage und Melodieführung. Hier hatman also den günstigen Fall, daß man aus der Aufhebung durch die nächste, funktionalrelevante Partikel auf die ‘Reichweite’ einer Partikelfunktion schließen kann.– Daß dieUnterhaltungsfunktion auch in den Segmenten in F. 2/3 vorhanden ist, muß angenommenwerden; aber sie ist in der Replik nur Nebeneffekt. Hier kann als weitere Funktion derÄußerung auch das Demonstrieren bestimmter Rollen (Maria als Überlegene) vor dergemeinsamen Freundin von Bedeutung sein.

62 Aus der Intonation des Kommentars läßt sich schließen, daß die Betroffene Tina durch dievon Maria gegebene Antwort auf Cristinas Frage nicht besonders amüsiert ist.

63 In der Mikroanalyse kann letztlich nur beschrieben werden, was sich sprachlich darstellt,nicht, was sich psychologisch abspielt.

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argumentative Funktion für den Schlagabtausch überlagern, deutet auf einestrategischen Vagheit hin.

Zusammenfassend läßt sich festhalten: Die Lokalisierungsfunktion vonolha steuert in mehrere Richtungen: Einerseits wird ein hörerseitig etablier-ter, partieller Fokuswechsel, der sowohl die Beteiligungsstruktur als auch dieSachverhaltsdarstellung betrifft, akzeptiert und übernommen, zum zweitenwird der markierte Turn als zurückweisende Replik und damit als argumen-tativer Gegenzug vorstrukturiert. Damit wird eine inhaltliche Gegenpositionetabliert und die Orientierung auf die Aushandlung von Gesprächsinhaltengelenkt. Auch frühere Züge spielen eine Rolle: Durch die Wiederaufnahmeredundanter Informationen wird der Verweis auf frühere Äußerungenmanifest und argumentativ liegt eine Positionsfestschreibung vor.

Es wäre zu überprüfen, ob olha tatsächlich häufiger eine bereits etabliertePosition einleitet; dann gäbe es Parallelen zum zurückweisenden doch, dasebenso auf weiter zurückliegende Äußerungen oder auf gemeinsame Wis-sensbestände verweisen kann. Daß olha aushandelnde, reaktive Züge einlei-tet, zeigte auch Beispiel 7, F. 10; dort wies der Studiogast eine Präsuppo-sition des vorangegangenen Beitrags einer Anruferin zurück. Ebenfalls eineZurückweisung und eine Aushandlung wurde in Beispiel 8 deutlich.

Offen bleibt nun die Frage, ob im obigen Beispiel olha und porque dieargumentative Reaktivität des Beitrags doppelt markieren oder sich in denFunktionen Relevanzsignalisierung und begründender Rückwärtskonnexergänzen. Daß olha auch allein die Funktion tragen kann, eine argumentativePaarsequenz zu bilden, belegt die genannte Stelle in Beispiel 7, aber auchBeispiel 8: Dort erscheint neben der namentlichen Anrede und der Partikelkein weiterer Konnektor, der den Bezug auf den vorausgegangenen Zug quasemantischer Funktion explizit machen würde.

5.2.6 Exkurs: Pg. olha/olhe und dt. doch im Vergleich

Aus der vorangegangenen Analyse und dem Vergleich verschiedenerVorkommen in Repliken läßt sich schließen, daß der argumentations-steuernden Funktion von olha ein ähnlicher pragmatischer Mechanismus wieder dt. Modalpartikel doch zugrundeliegt: eine argumentativ zurückweisendeBehauptungen einzuleiten. Auch doch kann als Marker von reaktivenHandlungen aufgefaßt werden und ist paarsequenzbildend; es steht oft inEntgegnungen, die ein Argument beinhalten, das dem Sprecher einenPunktgewinn bringen soll.64

64 Durch doch in Behauptungsäußerungen wird nach Franck (1980: 178) „eine Relation

hergestellt zwischen dem argumentativen und interaktiven Gehalt des Vorgängers unddem des Trägers… Die Art des Bezuges zum Vorgänger ist eine inhaltliche Qualifikationder Relation.“ Die Qualifikation des Vorgängers trägt zur interaktiven Situationsdefinition

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Bei beiden Partikeln ist in argumentativen Schritten sowohl die Funktiondes Hörerbezugs als auch die (semantische) Funktion des Widerspruchsrelevant, allerdings sind beide Funktionen jeweils unterschiedlich deutlichmarkiert. Während das Element des Widerspruchs in doch aufgrund seinerkonventionellen Verwendung als Satzäquivalent relativ durchsichtig ist,gehört diese Funktion nicht zur wörtlichen Bedeutung von olha. Dieportugiesische Form steht jedoch meistens im Zusammenhang mit einemBruch (der allerdings auf unterschiedlichen Ebenen des Diskurses liegt unddementsprechend vage ist).65 Im argumentativen Kontext dürften zweiGebrauchsregeln von olha, die Vorstrukturierung von einengenderenVerbindlichkeiten und die auf einen zweiten Teil bezogene Relevanz-signalisierung, automatisch auf eine Zurückweisung des Vorgängerzugshinauslaufen. Die Zurückweisung bzw. der Widerspruch bezieht sich jeweilsauf Aspekte des Vorgängerzugs, die auch implizit sein können bzw. erstdurch die Deutung des Sprechers relevant werden und im Trägerzug ange-sprochen werden; die reaktive doch bzw. olha-Äußerung enthält damit eineKomponente der Situationsausdeutung.

Letztlich ist der Situationsbezug von der Hörerorientierung nicht zutrennen. Diese Komponente ist der imperativischen Variante von olhasemantisch inhärent, während sie bei der deutschen Modalpartikel implizitist; da doch regulär in Repliken erscheint, die auf den Hörer-Vorgängerzugfolgen, wird die Hörer-Situationsorientierung über die sequentielle Strukturhergestellt. Der hörergerichtete Verweis auf die aktuelle Situation, der voneiner reinen Gliederungsfunktion bis zur Indizierung einer Situations-ausdeutung reichen kann, dürfte eine Gebrauchsregel beider Partikeln sein.

Daß beide Partikeln vielseitig gebraucht werden, zeigen die Varianten.Diese entsprechen sich zwar nicht, liegen jedoch ähnlichen Prinzipien derÜbertragung zugrunde, etwa in Kontexten der Höflichkeit, wie sie z. B. beipg. Olha queres mais abóbora oder dt. Setzen Sie sich doch! wirksamwerden. Allerdings zeichnet sich ab, daß die portugiesische Form in ihrerFunktion als Gliederungspartikel produktiver als die Modalpartikel ist, schonallein deswegen, weil sie als segmentfähiges Eröffnungssignal praktischkeinen syntaktischen Restriktionen unterliegt. Die Aufmerksamkeitssteu-erung, die olha zu einem der produktivsten Eröffnungssignale macht, ist indt. doch keine relevante Funktion. Der Rückwärtskonnex ist in olha ebenfallsnicht zwingend, faßt man ihn nicht so weit, daß jede Äußerung auf irgend

bei und ist argumentationssteuernd: „Im argumentativen Bereich kann mit DOCH1 aucheine Anzahl argumentativer Schritte ausgeführt werden, insbesondere die Zurückweisungfalscher Präsuppositionen. Die Aussage des DOCH-Trägers ist dann eine solche, die derunterstellten falschen Präsupposition direkt widerspricht.“ (179).

65 Was Franck (1980: 178f.) als zentrale Bedeutung sieht, nämlich eine Qualifikation derVorgängerhandlung als unangemessen, kann m. E. einfach als ‘Widerspruch’ bezeichnetwerden.

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etwas folgt, denn olha leitet auch initiative Handlungen ein. Die initiativenHandlungen, die mit doch markiert werden, scheinen auf wenige Satzartenbzw. Kontexte beschränkt zu sein. Was die portugiesische Partikel zusätzlichvon der deutschen Modalpartikel unterscheidet, ist die stereotypeVerwendung als Kooperationssignal in Frage-Antwort-Paarsequenzen (s. u.);hier entspricht die Diskurspartikel etwa dem dt. Gliederungssignal also.

Durch die sequentielle Positionierung einer segmentfähigen interaktio-nalen Partikel sind wesentlich mehr Varianten möglich als bei einer syntak-tisch und illokutionär gebundeneren Modalpartikel. Die Erweiterung zueinem expliziten Marker in Form einer Verbalphrase (olha lá) ist nur bei derinteraktionalen Diskurspartikel möglich. Weil olha intonatorisch markiertwerden kann sowie aufgrund seiner Segmentfähigkeit scheint die expressiveFunktion der pg. Form deutlicher hervorzutreten als bei der meist unbetontenund in das Syntagma eingebundenen dt. Modalpartikel. Allerdings sind diesnur Tendenzen, denn erstens kann natürlich auch doch in einer emphatischenFunktion stehen, und zweitens ist es mit verschiedenen anderen Modal-partikeln kombinierbar.

5.2.7 Gebrauchsregeln

Obwohl olha/olhe als Eröffnungssignal fast universell einsetzbar zu seinscheint, lassen sich doch, wie die Analysen gezeigt haben, Gebrauchsbedin-gungen feststellen, die in bestimmte Grundfunktionen umzuformulieren sind,aber je nach Kontext variieren. Die Grundfunktionen kristallisieren sich imVergleich vieler Verwendungen immer deutlicher heraus; mit ihnen wäre alsoeine Art Grundbedeutung erfaßt. Die Grundbedeutung möchte ich jedochnicht wie einen kleinsten gemeinsamen Nenner auf eine (semantische) Funk-tion zurückführen; damit wäre der Vielschichtigkeit der Diskurspartikelsicher nicht Rechnung getragen. Sie stellt sich vielmehr als Anlage verschie-dener latenter Funktionen dar.

Je nach Kontextbedingung können die Funktionen auf allen Ebenen derInteraktion zum Tragen kommen und dabei unterschiedlich relevant bzw.dominierend. sein Durch die regelhafte Verwendung der Partikel inbestimmten Gesprächssituationen bzw. -phasen ergeben sich kontextab-hängige Varianten, so die expressive Variante, die in szenischer Redewieder-gabe in konversationellen Erzählungen eingesetzt wird und auf den expres-siven Ausruf zurückgeht. Außerdem zeichnet sich eine rückwärtskonnek-tierende Variante ab, die argumentative Sprechhandlungen einleitet und miteiner Rückkehr zur aktuellen Sprechsituation zusammenhängt bzw. eineAushandlungsaktivität einleitet. Daneben wurde eine initiative Variantefestgestellt, die etwa Nebensequenzen einleitet. Schließlich kann olha bzw.olhe auch Unterbrechungssignal sein. Damit ergeben sich aus einem

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Wechselspiel zwischen Kontext und Partikel verschiedene Gebrauchsweisen:So wie die Partikel den (Kon-)Text prägt, bestimmt der Kontext die Variante.

Zunächst sollen die übergreifenden Grundfunktionen bestimmt werden.Dabei werden verschiedene Funktionsbereiche getrennt, auch wenn die dortfestgestellten Gebrauchsregeln einander bedingen, wodurch Überschnei-dungen nicht ganz zu vermeiden sein werden.

5.2.7.1 Sprecherwechselsystem, Gliederungsfunktion, Hörerbezug

Allen Verwendungen der Partikel olhe/olha ist eine Segmentierungsfunktionmit Eröffnungscharakter gemeinsam, d. h. auf der Ebene des Sprecher-wechselsystems bzw. der Diskursgliederung wird ein Signal der Redefort-setzung oder des Redebeginns gesetzt. Je nach Kontext und Gesprächs-konstellation kann olha als Gesprächssignal verschiedene Funktionen imTurn-Taking erfüllen:

− die Eröffnung des Turns nach Sprecherwechsel− die Aufrechterhaltung des Rederechts im Turn (Fortsetzungssignal)− die Beanspruchung des Gesprächsschritts bzw. Rederechts an einer

nicht-übergaberelevanten Stelle (Unterbrechungssignal).

Die Gliederungsfunktion von olha bezieht sich nicht allein auf die kogni-tive Planung bzw. Strukturierung des thematischen Ablaufs – wenn sie auchzumeist Aussagen über diese zuläßt (s. u.) –, sondern ist untrennbar mit eineraufmerksamkeitssteuernden, expliziten Zuwendung an einen Hörer verknüpftOlha ist also nicht nur, wie jede Diskurspartikel, dialogisch motiviert,sondern auch Ausdruck des Dialogischen. Der Hörerbezug ist aufgrund derimperativischen Anredeform durchsichtig. Wie in jeder interaktionalen Par-tikel wird eine Adressierung durch den Ausdruck des sozialen Distanzgradeszwischen den Sprechern näher bestimmt, was in dieser expliziten Weise inModalpartikeln ebensowenig vorkommt wie in den meisten Gliederungs-partikeln des Deutschen (vgl. z. B. also etc.). Ebenso wie die Eröffnungs-funktion läßt sich diese diskursive Signalfunktion mit dem Appell, der in derVerbfunktion liegt, erklären: Der Ausruf „Schau her!“ und entsprechendeÜbertragungen wie „Paß auf!“ fordert immer die Aufmerksamkeit des Hörersfür etwas Folgendes ein (sprachliche Handlung, zeigende Geste etc.). Ob alsomit wörtlicher oder gesprächsorganisierender Funktion eingesetzt, mit olhawird immer ein hörergerichtetes, aufmerksamkeitslenkendes Eröffnungs-signal gesetzt, das besonders wirksam an den Stellen der Rederecht-übernahme oder zur Rederechtbeanspruchung ist.

Eine weitere Funktion, die für das Sprecherwechselsystem bedeutend istund sich aus der verbalen Funktion der Form ergibt, liegt in der Vereindeu-

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tigung der Adressierung im Gespräch mit mehreren Teilnehmern; hier kannolha als hörergerichtetes Signal der Adressatendisambiguierung dienen.66

Die Eröffnungsfunktion reicht häufig über das lokale Gesprächsmanage-ment hinaus. Im Vergleich der Hörerbeteiligungsdiskurse zeigt sich, daß olheoft in den Ankündigungen des Kernschemas, meist im ersten Beitrag desAnrufers, verwendet wird: Auf die Aufforderung durch den Moderator, dieauch implizit bleiben kann, wenn das Muster deutlich genug ist, beginnt derAnrufer mit seinem Beitrag zur Diskussion.67 Dadurch verdeutlicht olha vor-greifend die Folge eines größeren thematischen Abschnitts. Diese Vorstruktu-rierungsfunktion wurde als reaktive Initiierung (eines Schemas) bezeichnet.

5.2.7.2 Themenorganisation

Im Bereich der Themenorganisation eines Gesprächs hat der durch olhaeingeleitete Zug meist rhematischen Charakter, was in engem Zusammen-hang mit der strukturellen Eröffnung steht, jedoch kategorial nicht mit dieseridentisch ist. Man kann jedoch den aufmerksamkeitssteuernden Vorwärts-konnex als konversationelle Voraussetzung für den rhematischen Charakterbetrachten, da der Sprecher annimmt, seine Handlung, seine Beobachtungoder sein Gesprächsschritt bringt für den Hörer etwas Neues. Mit dememphatisch markierten Signal etwa teilt der Sprecher eine (eben wahrge-nommene) Empfindung mit oder lenkt die Aufmerksamkeit z. B. auf eineunmittelbar vorausgegangene Beobachtung, von der er glaubt, der Hörer hatsie nicht gemacht. In Erzählungen oder Schilderungen wird mit olha einneuer thematischer Aspekt eingeführt, der sich vom Vorausgegangenen inseiner Relevanz abhebt. Prinzipiell wird in olha-Äußerungen eine bishernicht-relevante Information aus dem Hintergrund relevant gemacht oder eineunbekannte eingebracht. Dadurch erhält die Äußerung, auf die sich olhabezieht, eher etwas Gestaltendes als Redundanz, so wie sie auch eherInitiative als Reaktion repräsentiert (s. u.). Daß jede Äußerung in einerInteraktion auch in Verbindung zum vorigen Kontext steht, bildet dazukeinen Widerspruch. Denn jede eröffnende Zäsur impliziert nicht nur denAbschluß von etwas Vorangegangenem, sondern ordnet das Neue auch imsequentiellen Zusammenhang ein. Wenn allerdings mit olha-Äußerungen aufdie vorausgegangene Höreräußerung Bezug genommen wird, kann auch eininhaltlicher (Neben-)Aspekt ausgehandelt werden. Wird eine Nebensequenzmit olha eingeleitet, so findet auch hier ein thematischer Wechsel statt.

Als Signal in konversationellen Erzählungen wird olha häufig zu Beginnder wörtlichen Rede eingesetzt, wodurch es den vollzogenen Wechsel vonder Schilderung des Ereigniskontinuums zur szenischen Darstellung 66 Vgl. dazu auch Beispiel 12.67 Vgl. hierzu nochmals Beispiel 7 und weiter unten Beispiel 18.

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manifestiert. Thematisch wird dabei – auf der Ebene der erzählten Situation –die Aufmerksamkeit auf etwas Neues gelenkt; bezogen auf die primäreKommunikation wird in den direkten Reden meist ein zur Kernstrukturgehörender Themenaspekt eingeführt. Da olha in diesen Fällen meistexpressiv ist, trägt es besonders zu einer emotionalen Ausdeutung der in derRede dargestellten Situation bei.

Damit läßt sich festhalten: Die Diskurspartikel ist auf der Ebene derSachverhaltsdarstellung eine Manifestation der Zuwendung zu etwas Neuemund daher prinzipiell hochstufend. Olha markiert den Beginn derAbarbeitung eines neuen Themas oder eines neuen, relevanten Diskurs-schritts. Die Relevanzsignalisierung hebt dabei die Bedeutung der immarkierten Zug fokussierten Inhalte hervor.

5.2.7.3 Sprechhandlung und Lokalisierung

Mit olha werden Sprechhandlungen eingeleitet, die einen Übergang zwischenunterschiedlichen Aktivitätstypen markieren. Die Lokalisierungsfunktionselbst ist kontextabhängig:

− Eröffnung eines neuen Zugs mit einem anderen Sprechakttyp− Beginn einer Nebensequenz, in der ein anderer Rahmen aufgerufen

wird− Manifestation einer Abschweifung− (unvermittelter) Beginn der Kernstruktur, auch ohne daß die

erwartbare Eröffnungsphase erfolgt ist (reaktive Initiierung).

Wenn die vorangegangene Aktivität nicht explizit abgewählt wurde, sokann es vorkommen, daß der olha-Zug nicht deren konditionelle Relevanzenerfüllt. Die Partikel olhe/olha steht daher oft mit einem Bruch der lokalenKohärenzstruktur in Verbindung, wobei Kohärenz auf unterschiedlicheEbenen des Diskurses bezogen sein kann. Daraus ergibt sich z. B., daß mitolha auch der erste Schritt einer neuen Handlungssequenz eingeleitet werdenkann, auch wenn die vorige nicht zum Abschluß kam.

Auf der Handlungsebene konnte weiterhin festgestellt werden, daß olhaSprechakte einleitet, die meistens ein eingeengteres Fortsetzungsraster haben,also konditionelle Relevanzen etablieren und damit initiativ sind. Wenn auchnicht jeder mit olha eingeleitete Zug eine Gesichtsbedrohung repräsentiert, sokönnen in ihm auch stärker einschränkende Verpflichtungen für den Hörer,möglicherweise auch für den Sprecher selbst, etabliert werden. Damit wäreauch erklärt, warum im olha-Sprechakt selbst oder in folgenden Zügen häufigAbschwächungsstrategien zur Reparatur eingesetzt werden. Der Appell, derin olha steckt, kann auch als Verständniswerbung für eine möglicherweiseunangemessene oder den Partner in seinen Handlungsmöglichkeiteneinschränkende Aktivität verstanden werden.

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Damit ordnet olha die folgende Aktivität als lokal nicht kohärent, hoch-stufend und (sprecherperspektivisch) relevant ein. Neben dieser Lokalisie-rungsfunktion verdeutlicht olha auch vorgreifend die anvisierte Aktivität alsinitiativ und bereitet so den Hörer auf konversationelle Verpflichtungen vor.

5.2.7.4 Argumentationssteuerung

Die Partikel olha markiert Sprechhandlungen in argumentativen Schemata alsGegenzug und kann damit auch einen Rückwärtskonnex aufweisen. Auch indiesen Fällen hat die Partikel einen hochstufenden Charakter: Der Sprechermöchte etwas aushandeln. Dabei werden bestimmte konditionelle Relevanzender Hörerposition nicht übernommen. Implikaturen des Vorgängerzugs wer-den eventuell (negativ) qualifiziert, und damit eine argumentierende Orien-tierung eingebracht. Die Partikel ist in argumentativen Schemata also reaktiv.Es überrascht daher nicht, daß gerade Unterbrechungen, die der sprecherper-spektivischen Richtigstellung dienen, oft mit olha eingeleitet werden. Durchdie Interpretation des Vorgängerzugs steht die Aushandlung der Situationbzw. bestimmter Positionen im Vordergrund; für den Sprecher besteht dasBedürfnis, über Konsens bzw. Dissens des Gesagten zu verhandeln.

Aufgrund seiner Hörer- und Situationsbezogenheit markiert olhe/olhadiesen diskursiven Perspektivenwechsel zwischen zwei Schemata oderbestätigt, wenn bereits eine argumentative Sachverhaltsdarstellung gewähltist, diesen Fokus. Zusätzlich kann eine Rolle spielen, daß der Beitrag für dieBeziehungsebene von Bedeutung ist. Durch ihren emphatisch-expressivenGehalt indiziert die Partikel sprecherseitig eine Positionsfestschreibungund/oder gesteigerte Anteilnahme. Trotz der Reaktivität des Zugs ist aucheine initiative Komponente vorhanden, da Zurückweisungen meist mit einerFace-Bedrohung einhergehen bzw. auf einen Punktgewinn abzielen.

5.2.7.5 Abtönung und Indikatorfunktionen

Ein weiterer Aspekt des Partikelgebrauchs liegt in der Auslösung konver-sationeller Implikaturen: Weil die Kohärenzmaxime im markierten Zug ver-letzt sein kann oder das Gesicht des Hörers bedroht wird, kann der olha-Zugmöglicherweise als unangemessen interpretiert werden. Aus der Perspektivedes Sprechers ist der Beitrag jedoch notwendig. Somit verleiht die Ver-wendung der Partikel dem Zug einen dringlichen Charakter; d. h. olha wirdals Signal der Relevanzsetzung – auch strategisch – eingesetzt. Ob dieRelevanz nur indiziert oder manifestiert wird, hängt jeweils vom Kontext ab.

Bei der expressiven Partikel ergibt sich, etwa bei der Darstellung über-raschter Gefühle, diese Relevanzsignalisierung – handelt es sich nicht umeinen reinen Reaktionslaut – durch die Motivation, etwas Ungewöhnliches

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mitteilen zu wollen. Bei fehlender emphatischer Funktion kann die markierteÄußerung im Gespräch auf der thematischen Ebene vom Sprecher als rele-vant in bezug auf das Diskursschema eingeschätzt oder bewertet, eineAbschweifung oder Zwischensequenz als unvermeidlich dargestellt werden.Das bedeutet, daß olha in der Regel nicht abschwächend bzw. höflichkeits-markierend ist. Abschwächungsstrategien werden aber gerade wegen derSetzung konditioneller Relevanzen oder wegen der Gesichtsbedrohung derHandlung notwendig.68 Darin besteht der Unterschied zur deutschen Modal-partikel mal, die SCHMIDT-RADEFELDT zum Vergleich herangezogen hat: Inmal ist die Geringfügigkeit der Folgehandlung bereits antizipiert, daher kannes als abschwächungsindizierend bezeichnet werden.69 In Zügen, die mit olhaeingeleitet werden, liegt eher eine Abtönung der Dringlichkeit vor.

In der expressiven Variante liegt ein abtönender Aspekt, der das Folgendein einer vorgreifenden und impliziten Bewertung als ungewöhnlich einstuft.In diesen Fällen lenkt der Sprecher die Orientierung auf die emotionale Aus-deutung des Fokus, wobei der Gesprächspartner auf eine entsprechendeAnteilnahme verpflichtet wird. Damit dient das emphatische Signal als Mittelzur emotionalen Situationsausdeutung. Auch wenn olha nicht immer empha-tische Konnotationen auslöst, wird es doch oft in konversationellen Zügenverwendet, in denen eine gesteigerte Sprecheranteilnahme vorliegt.

Diese Funktion, die in der expressiven Variante dominiert, möchte ich alsInvolviertheits-Indizierung bezeichnen.70 WODAK hat darauf hingewiesen,daß Partikeln generell eine Emotionalisierung und eine Involviertheit in dasThema markieren.71 Je nachdem, welche interaktiven Kategorien im Vorder-grund stehen, zeigt sich diese gesteigerte Involviertheit m. E. unterschiedlichstark bzw. auf unterschiedlichen Ebenen, z. B. kann ein Sachverhaltbesonders hervorgehoben oder eine argumentative Position verfestigt werden.Diese Involviertheit wird nicht direkt durch olha ausgedrückt, aber diePartikel kann als Indikator für das Vorliegen einer gesteigerten Anteilnahmegelten. Dem Kontext, v. a. der Kombination mit ähnlich fungierendenPartikeln oder anderen Ausdrucksmitteln, kommt dabei wieder eineentscheidende Bedeutung zu.

Zuletzt wurde noch eine poetische Funktion der Partikel in der szenischenRedewiedergabe festgestellt: Sehr häufig dort als Emphase- oder auch nurEröffnungssignal verwendet, steigert es, wie der Gebrauch der nachahmen-

68 Natürlich ist nicht ausgeschlossen, daß eine ‘relativ’ abschwächende Funktion vorliegt,

wenn z. B. der mit olha eingeleitete Zug den Bruch redundant markiert.69 Vgl. Satz (1) in Kap. 5.1.70 Indizierung soll bedeuten, daß olha möglicherweise als Hinweis (neben anderen

sprachlichen Mitteln) für eine entsprechende Interpretation der Situation dienen kann.71 Wodak (1983: 209). Dies gilt insbesondere für die Häufung von Partikeln, wie in Kap.

6.1.2 exemplarisch gezeigt werden wird.

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den Stimme, die Authentizität der wiedergegebenen Rede und verdeutlichtdie dargestellte Situation v. a. in Hinblick auf die emotionale Beteiligung derFiguren, unterstützt die emotionale Ausdeutung für den Hörer. Da es jedochauch in der szenischen Redewiedergabe nach meinen Beobachtungen sehrhäufig verwendet wird, verliert sich die authentizitätssteigernde Wirkung,und ohla dient nur noch als Konstituente typisierter Dialogschemata.

5.2.7.6 Übersicht und Dependenz der Funktionen

Von allen bisher untersuchten Verwendungsweisen72 scheinen sich vierGebrauchsregeln als konstant zu erweisen:

1. Eröffnungssignal,2. Aufmerksamkeitsappell/Hörerbezug,3. Setzung konditioneller Relevanzen/Relevanzsignalisierung,4. Markierung eines Bruchs.

Tabelle 2 auf der folgenden Seite gibt die einzelnen Funktionen auf denverschiedenen Interaktionsebenen wieder.

Anzumerken ist, dass sich manche Funktionen natürlich bedingen. So läßtsich die Positionsfestschreibung von olha (8. Punkt) z. B. auch mit der„Dringlichkeit“ (9. Punkt), die Appellfunktion (2. Punkt) mit dem spe-zifischen Handlungscharakter (6. Punkt) oder das Unterbrechungssignal(1. Punkt) mit der Relevanzsignalisierung (9. Punkt) in Zusammenhangbringen. Daß ein Eröffnungssignal initiativer Sprechhandlungen (1. und6. Punkt) hochstufend (8. Punkt) wirkt, liegt ebenfalls nahe.

Auffällig ist, daß in allen Verwendungen bis auf die reaktive Initiierungein Bruch zum Vorausgegangenen vorliegt, der jedoch kontextvariabel istund auf unterschiedliche Ebenen der Interaktion bezogen sein kann: auf dielokale oder globale Kohärenzstruktur (Nebensequenz, Wechsel der Aktivität,Abschweifung im Verlaufsschema), auf die Themenentwicklung (partiellerFokuswechsel), auf die Ebene der Verständnissicherung (Verweigerung derÜbernahme einer Hörerposition, Korrektur), auf die Regeln des Sprecher-wechsels (Unterbrechungssignal).

Dieser Bruch, der sich in olha manifestiert, unterscheidet die Partikel etwavon solchen Eröffnungssignalen, die stärker auf das Vorige Bezug nehmenbzw. Kohärenz signalisieren und dabei zumeist rückwärts-konnektieren, wieetwa bem oder bom. Diese Signale eröffnen z. B. zweite Teile von Paar-sequenzen, z. B. Antworten, und manifestieren dabei ein Fortsetzen oderAnknüpfen. Sie werden in der Regel auch nicht als Unterbrechungssignal

72 Die Diskurspartikel olha kann allerdings noch in anderen slots erscheinen (s Kap. 5.4);

eine weitere Verwendung, die von den bisher besprochenen abweicht, wird im nächstenKapitel untersucht.

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eingesetzt. Auch fehlt ihnen der Hörerbezug, wodurch sie stärker sach-bezogen erscheinen.

Tabelle 2: Funktionsspektrum: olha/olhe

1. Turn-Taking: relevanzsetzendes Turn-Eröffnungssignal,Unterbrechungssignal (Turn-Anmeldung), Fortsetzungssignal,Vereindeutigung der Adressierung

2. Hörerorientierung: Aufmerksamkeitssteuerung, Kontaktsignal,Appell

3. Gliederungs- und Sequenzierungsfunktion: Beginn, Zug-Eröffnung mit Vorwärtskonnex und/oder Rückwärtskonnex (inArgumentationen), bezogen auf Paarsequenzen: Eröffnung einerSequenzstruktur, etwa einer Nebensequenz

4. Makrostrukturelle Gliederung: reaktive Initiierung5. Themenorganisation: neuer Themenaspekt, Umorientierung in der

Fokussierung6. Handlungszug: initiativ, Etablierung konditioneller Relevanzen, ev.

Gesichtsbedrohung7. Lokalisierung, Kohärenzstruktur: Hochstufung, Bruch in der

Kohärenz, Unterbrechung, Störung, (partieller) Fokuswechsel, imübergeordneten Zusammenhang eventuell aber kohärenter Schritt,Relevanzsetzung

8. Argumentationssteuerung: Markierung eines reaktiven,argumentativen Zugs, Hochstufung, Aushandlung, Zurückweisungeiner Hörerposition, Positionsfestschreibung

9. Indikatorfunktion, Expressivität: Dringlichkeit,Relevanzsignalisierung, Emphase, Involviertheitsindizierung,Emotionsdarstellung: Ungewöhnlichkeit, Überraschung (expressiveVariante mit entsprechender Betonung)

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5.3 Turn-einleitendes olha/olhe in Repliken alsVariante

5.3.1 Zur Struktur von Nachbarschaftspaaren

Die Partikel olhe/olha tritt häufig als Eröffnungssignal von Turns auf, die dieAntwort auf eine unmittelbar vorangegangene Frage des Interaktionspartnersbilden. Diese Verwendung der Partikel stellt m. E. eine eigene Variante dar,da sie wegen des reaktiv-anknüpfenden Charakters funktional recht deutlichvon den bisher besprochenen Verwendungen abweicht; daher soll sie hiereigens besprochen werden. Die Variante erscheint überdies in ihrem Ge-brauch stark konventionalisiert.

Meistens handelt es sich dabei um die intonatorisch unmarkierte Variante,die auf eine reine Eröffnungsfunktion ohne semantischen Gehalt reduziert zusein scheint. Ein solcher, rein reaktiver Konnex konnte bisher nur in denargumentativen Zügen festgestellt werden. Auf den ersten Blick liegt in denReplikeröffnungen weder (sprecherseitig) themeninitiative Funktion noch einlokaler (Kohärenz-)Bruch vor. Die Partikel scheint vielmehr den kohärentenCharakter der Äußerung zu signalisieren und Kooperationsbereitschaft zuunterstreichen. Auch steht sie offensichtlich weder im Zusammenhang miteiner Gesichtsbedrohung, noch markiert sie gesteigerte emotionale Invol-viertheit des Sprechers; ihr Gebrauch erscheint vielmehr floskelhaft undritualisiert.

Frage-Antwort-Sequenzen gehören zu den Gesprächsstrukturen, die in derKonversationsanalyse als adjacency pairs, Nachbarschaftspaare, untersuchtworden sind.73 Als Nachbarschaftspaare bezeichnet man die geordnete Ab-folge zweier aneinandergrenzender Äußerungen, die von verschiedenen Spre-chern produziert werden, wobei durch die erste Äußerung der slot für diezweite definiert wird. Der erste Sprecher ist Initiator der Sequenz, der zweiteSprecher vervollständigt sie als Rezipient und Reagierender.74 Charak-teristisch für Nachbarschaftspaare ist die an der Oberflächenstruktur erkenn-bare konditionelle Relevanz: Durch das Erscheinen des ersten Teils bzw.Gesprächsbeitrags werden Bedingungen geschaffen, die einen spezifischenzweiten Teil erwartbar machen, also das Fortsetzungsraster im Sinn vonFRANCK (1980) einschränken. Das Ausbleiben des zweiten Teils wird bedeut-sam und als fehlendes Element registriert. Typische Paarsequenzen bildenBegrüßungen, Verabschiedungen, Gesprächseröffnungen, Gesprächsab-

73 Vgl. Schegloff/Sacks (1973: 295f.) und Schegloff (1972).74 Vgl. Schiffrin (1994: 237), Kallmeyer (1977: 57).

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schlüsse oder Sequenzschemata wie Einladungen/Dank, Befindenserkundi-gungen/Auskunft etc.75

Nachbarschaftspaare reflektieren und produzieren in ganz besonderemMaß Ordnung innerhalb sprachlichen Handelns:

Their sociological importance is that they provide a normative framework for actionsthat is accountably implemented (…). Their linguistic importance is that they provide anenvironment in which inferences about relevance can be assigned across utterances […]and a sequence in which expectations about form and meaning can be specified acrossutterances.76

Die paarweise Anordnung von Äußerungen bzw. Beiträgen kann alsgrundlegende und natürliche Form konversationeller Ordnung gelten, zumersten, weil sie eine – oder die – Basiskomponente für die Regeln desSprecherwechsels darstellt, indem etwa im ersten Turn des Paars dieAuswahl des nächsten Sprechers getroffen wird.77 Zum zweiten ist sie maß-geblich für die Relevanzstruktur natürlicher Gespräche – der zweite Teil mußsich nicht explizit auf den ersten beziehen; seine P o s i t i o n i e r u n gschafft die Grundlage für die Annahme relevanten Sprechens:

There is one generic place where you need not include information as to which utteranceyou’re intending to relate an utterance to … and this is if you are in Next Position to anutterance. Which is to say that for adjacently placed utterances, where a next intends torelate to a last, no other means than positioning are necessary in order to locate whichutterance your’re intending to deal with.78

Nicht alle potentiellen zweiten Teile haben allerdings den gleichen Status;es gibt bevorzugte und nicht-bevorzugte zweite Teile, wobei letztere eherMarkierungen tragen, etwa formaler Art wie Verzögerungen (Pausen, Signalewie äh, Einleitungssignale) oder inhaltlicher Art wie Ankündigungen oderEntschuldigungen usw.79 Nun zeigt sich aber, daß auch präferierte Antwortenin Paarsequenzen mit Einleitungssignalen markiert werden können. Mit denfolgenden Analysen von olha soll gezeigt werden, wie diese Markierung desAntwortschritts erklärt werden kann. Es ist jedenfalls davon auszugehen, daßdie Verwendung von eröffnendem olha auch in präferierten Antwort-äußerungen nicht zufällig ist, sondern bestimmten Regeln der Gesprächs-konstitution folgt. Anhand ausgewählter Passagen aus dem Korpus des

75 Vgl. Sacks u. a. (1974: 716); Schegloff/Sacks (1973). Clark/Schaefer (1989: 271) führen

eine Liste von Nachbarschaftspaaren mit Beispielen an.76 Schiffrin (1994: 236f.)77 Vgl. Sacks u. a. (1974: 717).78 Sacks (1971), lecture 4, 11-12, zit. nach Schiffrin (1994: 237).79 Vgl. Levinson (1990: 331ff.), der darauf hinweist, daß die Präferenz-Organisation als

Strukturorganisation dem morphologischen Konzept der Markiertheit nahekommt: dasNicht-Markierte entspricht dem ‘Normaleren’, ‘Geläufigerem’, stärker Erwartetem.

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Português Fundamental80 sowie weiterer Transkriptausschnitte wird zuzeigen sein, inwieweit der Gebrauch der Partikel in Antworten von den bishererarbeiteten Funktionen abweicht. Soweit es das Material erlaubt, sollen auchUnterschiede zu unmarkierten Antworten herausgearbeitet werden.81 Zuletztsoll geprüft werden, ob olha in dieser Verwendung typisch für bestimmteInteraktionen ist.

5.3.2 Analysen

Beispiel 13: Português Fundamental, Interview Nr. 1396, Thema: Arbeitin einer Werbeagentur (Interviewer: A, Informantin: X)

1 X: portanto, é um trabalho muito agradável, posso dizer.A: já fez, já fez alguma coisa?X: tenho feito muitas vezes texto e tenho colaborado muitas vezes em, em campanhas no

aspecto criativo das campanhas. ideias de filmes, ideias para campanhas, isso é5 muito giro digo-lhe que gosto muito.

A: sim. para quê, para tipo de coisas é que já fez?X: olhe, por exemplo, para vaqueiro, houve uma redactora que fez uma linha de

campanha e eu fiz outra linha de campanha diferente.A: diferentes?

10 X: essas duas linhas depois foram testados no research […][…] e então… portanto, os trabalhos que se têm feito têm sido em coisas bastantediversas, por acaso, foi uma margarina, nesse caso, mas já fiz também textos paraprovas de, de imprensa, de venda de andares neste edifício, portanto um casocompletamente diferente…

15 A: que textos é que há para venda de edifí[cios], para edifícios?X: olhe, conseguimos uma ideia criativa gira, que era uma fotografia do edifício,A: sim!X: portanto, tá a ver uma… era praticamente uma página de jornal – ou uma página ou

meia página – que era uma coisa com muito impacto, e bastante grande,[…]

aus: Português Fundamental, Vol II, 1, S. 308f.

80 Die formale Analyse entfällt, da die Transkription des PF keine Informationen über

Suprasegmentalia und nur unzureichende Pausenangaben enthält (dargestellt durchLeerstellen im Fließtext). Da zudem keine Angaben über situative Faktoren und Stellungdes Ausschnitts in bezug auf das gesamte Gespräch vorliegen, verzichte ich auf eineParaphrasierung und konzentriere mich auf das, was aus dem Sprachlichen geschlossenwerden kann.

81 Wie es sich generell mit der Markierung bzw. dem Verhältnis von markierten undunmarkierten zweiten Teilen von Frage-Antwort-Paarsequenzen verhält, kann hierallerdings nicht quantitativ untersucht werden.

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Der gesamte Interviewausschnitt im PF weist drei Informationsfragenund zwei Nachfragen des Interviewers A auf.82 Die Fragen dienen derThemensteuerung und – vor dem Hintergrund des Anliegens des Grundwort-schatzprojekts – der Inganghaltung des Gesprächs. Die erste Frage wirkt fastredundant (Z. 2); allerdings wird aus dem Text nicht deutlich, wie weit derGesprächsbeginn und die Eröffnung des Interviews zurückliegen.83 DieEröffnung der folgenden Antwort ist sprachlich unmarkiert. Die InformantinX beginnt mit einer kurzen Aufzählung ihrer Arbeit und schließt den Turnmit einer Bewertung ihrer Einstellung ab. Nach einer Rückmeldung (sim, Z.6) übernimmt der Interviewer wieder das Rederecht und stellt nach einerkurzen Pause eine detailliertere Frage, die jedoch nicht auf die Bewertungeingeht, sondern an die erste Frage anknüpft. Die Replik darauf leitet dieSprecherin X mit olhe ein (Z. 7); sie schildert ein Beispiel aus ihrer Arbeit, esgeht nun um eine spezielle Werbekampagne, zu der sie auf eine Nachfragevon A hin (Z. 9) detaillierte Auskunft gibt. Der längere Turn, der auf dieNachfrage folgt, wird wiederum unmarkiert eingeleitet (Z. 10). Mit derletzten Informationsfrage knüpft der Interviewer an einen von der Infor-mantin eingebrachten neuen Aspekt an (Z. 15). Nun schildert X in einer übermehrere Sequenzen gehenden Replik ein Ergebnis ihrer Arbeit, das sie schonim ersten Schritt bewertet (coisa gira). Diesen Antwortzug leitet sie wiede-rum mit der Partikel olhe ein (Z. 16).

Wie auch in den anderen Verwendungsweisen hat olhe in den von derInformantin geäußerten Repliken Eröffnungsfunktion; im Gegensatz zu denmeisten bisher untersuchten Vorkommen leitet es jedoch einen reaktivenGesprächsschritt ein an einem eindeutigem TRP. So könnte olhe signali-sieren, daß das Rederecht übernommen, die Frage verstanden und akzeptiertwurde und den Folgezug als relevante Antwort vorstrukturieren oder ganzeinfach die Turn-Übernahme und Gesprächsbereitschaft signalisieren. DieVorgängerzüge sind jeweils Ergänzungsfragen, die innerhalb eines größeren,vom Interviewer initiierten Themenfelds relativ unspezifisch Informationeneinfordern und im übergeordneten Zusammenhang einen neuen thematischenImpuls geben. Die olhe-Repliken repräsentieren die Annahme des angebo-tenen Fokus, der dann – naturgemäß für Antworten auf Informationsfragen –expandiert wird. Die Repliken auf die Nachfragen, die enger am konsti-tuierten Themenaspekt bleiben, sind hingegen meist unmarkiert. Wie an derersten Paarsequenz dieses Interviews zu sehen ist, können aber auch Antwor-ten auf die Impulsfragen grundsätzlich unmarkiert bleiben.

82 […]: Auslassungen. Der hier repräsentierte Transkriptausschnitt umfaßt in ungekürzter

Fassung etwa die Hälfte des abgedruckten Interviews.83 An dieser Frage wird deutlich, wie ‘künstlich’ die Gesprächssituation der Interviews des

Portugues Fundamental manchmal wirkt. (Jemand, der in einer Werbeagentur arbeitet,hat natürlich dort schon „etwas gemacht“.)

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In den Analysen in Kapitel 5.2.3 wurde festgestellt, daß der Sprecher mitder olhe-Äußerung zumeist ein einengendes Fortsetzungsraster bzw. konver-sationelle Bedingungen etabliert. In der hier untersuchten Verwendungwerden jedoch mit der eingeleiteten Handlung jeweils vom Gesprächspartneretablierte konditionelle Relevanzen e i n g e l ö s t , denn die mit olhe einge-leiteten Antworten können alle als präferierte, kohärente und relevante, kurz:als angemessene Informationsantworten gelten, wie sie die spezifische Inter-viewsituation, deren kommunikatives Muster von Frage-Antwort-Paar-sequenzen geprägt ist, verlangt. In dieser Hinsicht dient olhe derVorstrukturierung von kooperativen Handlungen. Innerhalb einer begrenz-teren Struktur wie den Paarsequenzen wäre in bezug auf die Relevanzsetzungeine ähnliche Funktion erfüllt wie bei der reaktiven Initiierung innerhalbgrößerer kommunikativer Verlaufsmuster, die in den Hörergesprächen fest-gestellt wurde.84

Als weitere Funktion von olhe wurde eine Indizierung von Involviertheitfestgestellt. Im Kontext des Interviews könnte dies bedeuten, daß dieGesprächsbereitschaft oder, als implizite Bewertung des Vorgängerzugs, einePräferenz für die gestellte Frage indiziert wird. Freundlichkeit etwa könnteauch im Spiel sein, was allerdings aufgrund der fehlenden intonatorischenAngaben nicht eindeutig festgestellt werden kann. Ein Indikator für diegesteigerte Kooperation wäre u.U. die Ausführlichkeit der jeweiligen Ant-wort.85 Zumindest die Antwort in Z. 16ff. stellt, durch Kommentare/Rückmeldungen des Interviewers begleitet, einen ausführlichen Beitrag dar.Eventuell kann auch die Interpretation durch den InteraktionspartnerAufschluß über die Modalität der olhe-Repliken geben: Wenn gesteigerteBeteiligung (i.S.v. Gesprächsbereitschaft) ein Grund für die Verwendung vonolhe ist, so dürfte dies gerade im Informantengespräch durch den Interviewerunterstützt werden.86 In der Tat scheinen die Nachfragen und Rück-meldungen, die hier die jeweiligen Antwort-Turns, die mit olhe eröffnetwurden, begleiten bzw. unterbrechen, in diese Richtung zu weisen. Natürlichist nicht mit der Regelhaftigkeit solcher Spuren zu rechnen.

Die Regeln des Gebrauchs von olhe liegen in Nachbarschaftspaaren in derÜbernahme des Turns und der Signalisierung von Gesprächsbereitschaft.Dabei wird ein vom Hörer fokussiertes Thema abgearbeitet. Somit ist derSprechakt reaktiv und erfüllt konditionelle Relevanzen des Vorgängerzugs.Die Abtönung durch olhe liegt in diesen Fällen in der Indizierung vonKooperationsbereitschaft. 84 S. S. 141.85 Wie lang die Beiträge jeweils andauern, die durch olhe eingeleitet werden, kann in den

Texten des PF nicht immer festgestellt werden, da Rückmeldungen aufgrund derlinearisierten Verschriftung nicht von selbständigen Zügen zu unterscheiden sind.

86 D.h der Interviewer expandiert das Thema, das den Informanten interessiert, damit dasGespräch in Gang gehalten wird.

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Beispiel 14: Português Fundamental, Interview Nr. 0109, Thema:Autounfälle (zwei Interviewer: A, B, eine Informantin: X)

1 A: e qual é o seu trabalho, já agora, aqui assim?X: practicamente é mais serviço de escritório embora às vezes também vá para a rua

entregar os carros.A: ah, sim?

5 X: é verdadeA: também tem carta, também tem…X: também tenho carta, já há seis aninhos.A: ah, há seis aninhos! e que tal se dá com a conduçao?X: olhe, dou-me bastante bem: nunca bati, já me bateram duas vezes, mas,

10 B: (…)X: mas nada de grande, nada de grave.A: não? ainda bem.X: não. podia ter sido, mas não (…)A: como é que foi? conte lá como é que foram essas, esses choques.

15 X: olhe, uma vez ia… devagarinho, ali… perto dum cruzamento, veio um biciclista –oxalá não vão pôr isto no computador, não deve haver muitos a dizer biciclista – veioum ciclista, o homenzinho vinha em sentido contrário, estava a dar-lhe o sol nosolhos, despistou-se e veio-me cair em cima do capot,

A: ah…!X: ficou todo aconchegadinho!

aus: Português Fundamental, Vol II, 1, S. 98f.

Wie in Beispiel 13 wird auch in diesem Interview das Gespräch thema-tisch primär durch Frage-Antwort-Sequenzen vorangebracht und gesteuert.Mit der Verwendung von geschlossenen Satz- und Tendenzfragen (z. B. Z. 5)sowie einer Reihe von interaktionsstrategischen Rückmeldungssignalen (z. B.Z. 5) versucht der Interviewer merklich, das Gespräch thematisch zulenken.87 Interessanterweise wird auch hier die eröffnende allgemeine Fragenach dem Tätigkeitsfeld unmarkiert beantwortet. Dies könnte am relativ for-mellen und die Asymmetrie betonenden Charakter einer solchen Eröffnungs-frage liegen.

Die Antworten, die mit olhe eingeleitet sind, folgen auf Fragen, die imVerhältnis zum übrigen Text relativ offen sind (Ergänzungsfragen) und demGespräch themenbezogen eine neuen Richtung geben. Mit der Frage in Z. 7leitet A zu einem neuen Thema über, das sich aus dem angeschnittenenSinnbezirk „Führerscheinbesitz“ ergibt. X leitet die Replik mit olhe ein undbeantwortet die Frage kohärent, allerdings nicht sehr ausführlich, was denInformationsgehalt betrifft, in bezug auf die Frage jedoch durchausangemessen. Da die Informantin das angeschnittene Thema relativ schnellabgehandelt hat (Z. 10) und der Interviewer mit seiner abschließenden 87 Z. B. PF, S. 99: „apanhou um susto, não?“ … „já não tiveram que, que recorrer a seguros,

nem nada disso?“ etc.

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Bewertung ainda bem in Z. 11 selbst ein rückstufendes und damitkontraproduktives Schlußsignal gesetzt hat, ist sie zunächst auf seineNachfrage hin anscheinend nicht sofort bereit, ausführlicher über dieangedeuteten Unfälle zu sprechen. Daher muß der Interviewer erneut einenImpuls geben – er fragt nach und fordert die Informantin explizit zumErzählen auf. Dieser Gesprächsschritt, der den ersten Teil des zweiten hieruntersuchten Nachbarschaftspaars darstellt, setzt sich aus einer Frage undeiner anschließenden Aufforderungshandlung zusammen, welche das Sach-verhaltsschema vorgibt (conte lá). Hier wird deutlich, daß Paarsequenzenstrukturell nicht immer auf zwei Äußerungen oder kurze Beiträge reduziertsein müssen, sondern auch komplexere Strukturen wie „Aufforderung zumErzählen – Erzählung“ darstellen können. In beiden Fällen leitet olhejedenfalls einen Gesprächsschritt ein, der die Übernahme der konditionellenRelevanzen signalisiert. Was in diesem Beispiel außerdem auffällt, ist, daß essich im Gegensatz zur Antwort in Z. 2 bei den mit olhe eingeleitetenRepliken um die Darstellung persönlicher Erfahrungen handelt. Auch dieskönnte bei der Verwendung der Partikel eine Rolle spielen.

Im folgenden Interview, das aufgrund seiner Redekonstellation und desinformelleren Charakters eine Ausnahme innerhalb des PF darstellt, unter-halten sich drei Freundinnen relativ ungezwungen. Die Themen werden freierausgehandelt. Es wird unter anderem eine Klatschgeschichte zum Besten ge-geben, deren Initiierung im folgenden besprochen wird. Es soll um dasNachbarschaftspaar in Z. 10/11 gehen, das funktional in bezug auf globalereStrukturen dieses Gesprächs zu analysieren ist.

Beispiel 15: Português Fundamental, Interview Nr. 0122, Thema:„Verkuppeln“ (Interviewerin A, befreundet mit derInformantin X und deren Freundin B)

1 X: ai, mas de qualquer maneira tenho que me separar de ti. já estou farta de ti e tu demim.

B: ah, não quer dizer que a gente vá trabalhar para o mesmo sítio.X: é que assim não arranjamos noivo, não sei porquê…

5 B: ah! também me palpita!X: sabes, que a gente só tem jeito é para arranjar noivas aos outrous! mas nós a

encaixarmo-nos nos ditos…B: conta-lhe, conta-lhe a no(…), a nossa aventura.X: então sabes lá!

10 A: o que é que tu fizeste?X: olha, fomos à… sabes quem é o NP?A: sim.X: fomos a… temos ido agora à praia com ele porque… ele também tem, tá a estagiar e

tem assim muitas horas livres.[…]

aus: Português Fundamental, Vol II, 1, S. 102.

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Es geht hier um die Wiedergabe einer von B und X gemeinsam erlebtenGeschichte. Der Inhalt ergibt sich aus dem übergeordneten Thema: Sie dientals Beleg für eine von X aufgestellte Behauptung (Z. 6f.). Die Initiierung derGeschichte erfolgt durch einen Aufmacher bzw. ein Erzählangebot der B (Z.8).88 Die Informantin X lehnt zunächst die Bitte ihrer Freundin ab (entãosabes lá, Z. 9)89, und erst auf die Nachfrage der Interviewerin A kommt sieschließlich der Aufforderung nach.90 Der Fragezug des Nachbarschaftspaars(Z.10/11) ist also Teil einer über mehrere Turns reichenden Initiierung einerErzählung. Man kann sogar soweit gehen, zu sagen, daß sich der erste Teildes Nachbarschaftspaars aus den beiden Äußerungen (Z. 8 und Z. 10)zusammensetzt, was sich in der Replik durch die personale Referenz im Verb(fomos) zeigt, die auf nossa aventura verweist.

Umso deutlicher wirkt die Partikel olhe als Signal für Kooperations-bereitschaft und Erfüllung der konditionellen Relevanz: es leitet hier einenZug ein, der die Einhaltung der Kohärenz- und Relevanzmaxime zwar nichtaugenblicklich bzw. in einem Schritt erfüllen kann; vielmehr wird einekomplette Erzählung zur Abarbeitung erforderlich. Die Sprecherin erfüllt diekonditionelle Relevanz aber bereits insofern, als sie mit ihrem ersten Zug(fomos a, Z. 11) direkt in die Binnenhandlung einsteigt. Die Partikel olhasignalisiert damit einerseits den Beginn der Kernstruktur und leistet anderer-seits die Markierung einer relevanten Reaktion; anschließende Expansionen(sabes quem é o NP?) können damit als zur Geschichte gehörig verstandenwerden. Die Partikel eröffnet also einen makrostrukturell größeren Komplexvon Teilaktivitäten. Auch hier handelt es sich also um eine reaktive Ini-tiierung, die durch olha markiert wird, allerdings bei explizitem ersten Teil.

An allen drei Beispielen werden Parallelen zwischen der Verwendungvon olha in reaktiven Initiierungen einerseits und Frage-Antwort-Paarse-

88 Erzählangebote werden im Normalfall von Seiten des Sprechers gemacht, wie etwa

folgendes Beispiel aus dem Spanischen zeigt: „¿Te he contado, BBB, que tengo una tía, ...una tía vieja enferma?“, aus Christl (1991: 98). Dabei können sie durch ihreFormelhaftigkeit auch gar keine Hörerreaktion verlangen, sondern eine reineEröffnungsfunktion haben.

89 Was soviel heißt wie „Also daß weißt du doch.“ Die Modalpartikel lá verweist häufig aufdie vorangegangene Kommunikation, vgl. Carvalho (1976: 257f.). Sie kann aber auch,wie hier, an die Aktivierung gemeinsamen Wissens appellieren. In Aufforderungen hat siedie gleiche Funktion wie dt. doch: sie antizipiert eventuelle Widerstände des Hörers oderetabliert stärkere konditionelle Relevanzen. Als Bestandteil festgefügterPartikelkombinationen, wie in olha lá oder sei lá, ist sie nicht mehr autonomer Marker.

90 Die wiederholte Aufforderung zur Erzählung in Z. 10 hat die Interviewerin vielleichtstrategisch geäußert, um das Gespräch in Gang zu bringen (Tonbandaufnahme). DieInformantin könnte den Beginn vielleicht verzögert haben, um die Spannung zu erhöhen.Jedenfalls läßt die Erzählung, die A und B gemeinsam gestalten, durchaus auch aufandere Zielsetzungen als auf die bloße Produzierung eines Textes für das Interviewschließen.

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quenzen andererseits deutlich. Reaktive Initiierung und Replik einesNachbarschaftspaars spiegeln interaktional ähnliche, aber diskursiv unter-schiedlich weit zerdehnte Strukturen wider. In beiden Fällen dient olha derSignalisierung, daß die konditionellen Relevanzen im zweiten Teil über-nommen werden. Im ersten Fall beinhaltet der eingeleitete Zug den Beginnder Abarbeitung eines (oft auch implizit) erwarteten Schemas, das, wie beiden Ankündigungen der Meinungsabgaben im Radio, Anwendungs- undKernstruktur umfaßt, im zweiten Fall lokalisiert die Partikel bereits dieRealisierung der spezifisch erwartbaren Sprechhandlung mit der Erfüllungder entsprechenden, im ersten Teil etablierten interaktiven Verpflichtungen,also die Durchführung der Kernstruktur.

Bisher wurde in den Analysen der Nachbarschaftspaare der hörer-gerichtete Bezug, der Appellcharakter der Partikel bzw. ihre Funktion alsKontaktsignal, bisher außer Acht gelassen. In o.a. Beispiel zeigt sich, daßauch in Repliken, die sich aufgrund ihrer sequentiellen Positionierung i.d.R.immer an den Hörer bzw. Sprecher des ersten Teils richten, die hörer-orientierte und aufmerksamkeitssteuernde Funktion von olha relevant seinkann. Nachdem die Interaktion bisher vor allem von X und B gestaltet wurde,schaltet sich erstmals A mit ihrer Aufforderung ein; es entsteht also ein Bruchin der aktuellen Beteiligungsstruktur. Die mit olha eingeleitete Antwortrichtet sich nun primär an A, da die Geschichte der B ja bekannt ist. Daraufweist auch die Rückversicherung hin (Z. 11), durch die eventuelle Informa-tionsdefizite seitens A ausgeschlossen werden sollen, sowie die folgendenNebensequenzen, an denen nur X und A beteiligt sind. Die Partikel dientauch hier der Spezifizierung bzw. Disambiguierung der Adressierung ineinem Gespräch mit mehr als zwei Beteiligten. Allerdings ist in Betracht zuziehen, daß auch Nachbarschaftsstruktur und Blickkontakt die Sprecher-auswahl und -beteiligung organisieren; die Funktion der Partikel verdeutlichtdamit eher, daß der Sprecher bzw. die Sprecherin die neue (Beteili-gungs-)Struktur erkannt hat und entsprechend darauf reagiert. Die in Kapitel5.2.4 herausgearbeitete Gebrauchsregel, daß olha mit Brüchen zusammen-hängt, kann in diesem Beispiel einerseits auf die Umorientierung innerhalbder Beteiligungsstruktur und andererseits auf den Wechsel des Sachverhalts-schemas bezogen werden.

Beispiel 16: Interaktion im Radio, Fórum TSF, ‘O 28 de Setembro 1974’,Hörergespräch (Moderator, 2. Anrufer F.F.)

M:

G:

H2:

/(vem a) saber do 28 de Setembro ou mais tarde foi

( )

eu não considero (d)as pessoas mais1

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M:

H2:

> > > pois. ó F.F., –mal informadas eh sobre tudo que se passou (em) série de revoluçõezinhas ( )

2

M:

H2:

/onde é que eles falaram do 28 de setembro, posso saber

olhe, . eu começei por me3

H2: interessar imenso por tudo que se passava e:m oitenta e três, oitenta e quatro, e: . .4

H2: portanto: comecei interessar-m’o que é que tinha originato todos os temas e debates5

Der zweite Anrufer H2 wurde vom Moderator zu Beginn mit einerDoppelfrage begrüßt.91 Über einige Sprecherwechsel hinweg wurde zuerstder zweite Frageteil abgehandelt, auf die Frage, wie der Anrufer mit demEreignis in Berührung gekommen sei, ging H2 nicht mehr ein. Auch dienächste Frage (F. 1), die wegen gleichzeitigen Sprechens zu Beginn nicht ge-nau verständlich ist, übergeht der Anrufer und lenkt dafür den Fokus in eineandere Richtung. Diese Umorientierung übernimmt der Moderator zunächstmit der Rückmeldung pois (F. 2), dann aber unterbricht er den Anrufer, umseine erste Frage, die noch nicht beantwortet wurde, zu wiederholen. ZurErringung des Rederechts verwendet der Moderator die Interjektion ó mit dernamentlichen Anrede ó F.F. Mit dem höflichen posso saber als Übergabe-signal schließt er gleichzeitig den Turn ab. Seine Frage bringt der Moderatormit großer Geschwindigkeit hervor.

H2 übernimmt das Rederecht und leitet seine Antwort mit olhe ein. DieDiskurspartikel bildet ein eigenes Segment, da eine kurze Pause folgt und derTon leicht absinkt. Der erste Teil der Antwort von H2 führt nicht direkt zurErfüllung der konditionellen Relevanzen, sondern wirkt eher abschweifend;erst nach einigen Schritten ist die Antwort auf die Zwischenfrage sinnvollabgearbeitet. Angesichts der fortgeschrittenen Sendezeit ist jeder längereTurn abzusichern; in diesem Sinn kann die Relevanzmarkierung alsAnkündigung oder Verdeutlichung einer komplexen Antwort verstandenwerden. Die deutlichere Markierung, die in der segmentbildenden Varianteliegt, scheint mit dieser weiter vorgreifenden Funktion zusammenzuhängen.92

91 Die Frage lautete: „Como é que conhece o 28 de Setembro ou apenas é uma curiosidade

ou/ ou tem mais idade que eu penso?“.92 Vgl. auch Beispiel 6, S.134 und als Gegenbeispiel das folgende auf S. 178.

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Beispiel 17: Semi-informelles Uni-Gespräch (Isabel, Carlota, Teresa)

T:

C:

é curioso às vezes o rumo que as nossas vidas tomam por mero acaso

porquê, com1

T:

C:

I:

olha, porque, por exemplo, eu comecei a estudar alemão, já

quê é que começaste

( )2

T: tinha tido francês, comecei com francês, segunda língua estrangeira depois inglês3

Vor dieser Passage des Gesprächs der Universitätsangestellten ging es umdas Institut, in dem die drei Partnerinnen arbeiten. Die Konversation befindetsich in bezug auf die Themenentwicklung in einer Aushandlungsphase. Aufdie Behauptung von Teresa, daß der Lebensweg oft vom Zufall abhängt, stelltCarlota eine Zwischenfrage, die sich auf Implikaturen der Behauptungbezieht, die Folgerung, daß die Partnerin zu dieser Einschätzung über eineeigene Erfahrung gelangt ist. Die Antwort, die Teresa gibt, bestätigt CarlotasAnnahme; ihr Beitrag entwickelt sich zu einem Erfahrungsbericht.93

Das Nachbarschaftspaar konstituiert sich aus einer Zwischenfrage undeiner kohärenten Antwort darauf. Mit der Frage wurde ein neue thematischeOrientierung vorgeschlagen; ging es zuvor um eine allgemeine Einschätzung,nun soll die Sprecherin ihre eigene Erfahrung darstellen. Teresa übernimmtdas hörerseitige Fokusangebot. In bezug auf das Sachverhaltsschema kannder erste Teil der Paarsequenz als Aufforderung zu einem Bericht gelten,vergleichbar der Fremdinitiierung in Beispiel 15, und der zweite Teil als(Beginn der) Durchführung, also als Kernstruktur. Der Erfahrungsberichtmag zwar schon im vorigen Beitrag von Teresa beabsichtigt gewesen sein(F. 1), aber durch die Zwischenfrage wurde der Themenfokus spezifischgelenkt. Olha kann also als Signal zur Annahme eines hörerseitigenFokusangebots gesetzt werden und den Folgezug als Fortführung des Fokuslokalisieren.94 In Relation zum letzten sprecherseitigen Gesprächszug stelltdas Nachbarschaftspaar einen Bruch in der Beteiligungsstruktur dar. Wennauch die Mehrfachadressierung weiter latent ist, verlagert sich das Gespräch,initiiert durch die Zwischenfrage, kurzzeitig zu einem Dialog.

93 Hier wird deutlich, wie die Interaktionspartnerinnen das Thema gemeinsam aushandeln.94 Auch die anderen Beispiele haben gezeigt, daß Repliken von Nachbarschaftspaaren, die

mit olhe/olha eingeleitet werden, das vom Hörer angebotene Thema übernehmen.

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Beispiel 18: Interaktion im Radio, Fórum TSF, ‘Televisão Privada’,Hörergespräch (1. Anruferin L.F., Moderator)

M:

H1:

/L.F. eh a ligar de lisboa bom dia, ( ) ideia tem sobre a televisão portuguêsa

muito bom dia. ó/ te:nho1

M:

H1:

dois anos depois do aparecimento dos canais privados. \ olhe tenho uma má ideia. .

2

H1: /\tenho uma má ideia porque eu quase que deixei de ver televisão, . porque realmente

3

An diesem Beispiel möchte ich abschließend zeigen, wie in einemargumentativen Kontext die Kooperationssignalisierung durch olhe in einerAntwort hinter einer argumentationssteuernden und emotiven Funktionzurücktritt, auch wenn dabei die Lokalisierungsfunktion dieselbe bleibt.

Mit dieser Sequenz befinden wir uns in der Eröffnungsphase des erstenHörergesprächs der Sendung. Der Moderator nimmt den Anruf entgegen,stellt die Gesprächspartnerin vor, begrüßt sie und fordert sie anschließendauf, ihre Meinung zum Thema „Fernsehen in Portugal“ abzugeben. Es liegtdamit eine Paarsequenz vor, die über die Frage-Antwort-Struktur ebensohinausgeht wie die Aufforderung und Durchführung der Erzählung inBeispiel 15. Die Sprecherin versucht bereits nach der Begrüßung zweimal –noch während der Moderator spricht – das Rederecht zu übernehmen (F. 1),indem sie einmal mit einem wie abgebrochen klingendem ó (olhe?) ansetzt,ein zweites Mal mit tenho. Dieser Versuch, selbst das Gespräch zu eröffnen(ev. mit olhe), läßt darauf schließen, daß sie die Frage des Moderators alsredundant empfindet und gleich zur Sache zu kommen. Erst jedoch, nachdemder Frage-Turn abgeschlossen ist und ein TRP eintritt, kann sie ihren Beitragvollziehen. Durch die Unterbrechungsversuche und die mögliche Wiederauf-nahme von olhe in die Reparatur (F. 2) erscheint die Übernahme des Rede-rechts eher erkämpft; die Antwort erhält dadurch einen drängenden Unterton.Es handelt sich formal zwar um ein Nachbarschaftspaar. Weil die Anruferindas Rederecht des Moderators jedoch mißachtet bzw. selbst eröffnen möchte,erscheint es eher unbeabsichtigt. Hier wird deutlich, daß das Muster derHörergespräche eher eine reaktive Initiierung erwartbar macht. Olhe leitetnun den zweiten Teil ein, ist intonatorisch nicht auffällig markiert und eng andas nächste Segment gebunden. Hier korreliert die eng an das Folgendegebundene Form vielleicht mit dem unmittelbaren Vollzug der Antwort.

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Auf morpho-syntaktischer und propositionaler Ebene stellt das erste Seg-ment der Sprecherin absolute Kohäsion zur vorangegangenen Frageäußerungher, erfüllt in seiner Deutlichkeit die durch den Partnerzug etablierten Ver-pflichtungen. Bezogen auf das argumentative Schema äußert die Sprecherinin ihrem Beitrag zunächst eine grundlegende Kritik: tenho uma má ideia. DieBegründung, die ihrer negativen Einschätzung zum Gegenstand folgt, beziehtsich im weiteren Verlauf auf die schlechten Programme, die alle Fernseh-anstalten ausstrahlen. Damit wäre der mit olhe eingeleitete Gesprächsschrittnicht nur lokal relevant, sondern als Evaluierung auch ein wichtiger Teil-schritt innerhalb des übergeordneten argumentativen Verlaufsschemas desHörergesprächs. Über die lokale Eröffnung der Replik des Nachbarschafts-paars steht olhe damit wieder makrosyntaktisch in reaktiver Initiierung.Interessant ist hier auch, daß die Sprecherin im Kern die Meinungsabgabevorwegnimmt; der Zug ist daher im Gesamtzusammenhang auch alsinhaltlich vorgreifende Verdeutlichung einer längeren Struktur zu verstehenund bereitet die Hörer auf den drastischen Charakter der Kritik vor. Vielleichtkann man die Zusammenfassung auch als eine Ankündigung verstehen, denndie Behauptung bedarf ja einer weiteren Begründung. Der unmittelbare Ein-stieg in die Diskussion – zumal beim ersten Höreranruf noch am ehesten eineritualisierte Eröffnungsphase erwartet werden kann – erscheint hier dennocheher unhöflich oder unangemessen, insofern liegt keine rituell-höfliche Eröff-nung vor.

Die Diskurspartikel unterstreicht nicht nur die Relevanz des Diskurs-schritts, sondern auch die Ernsthaftigkeit dieser Kritik. Was jedoch interaktiveine besonders entscheidende Rolle spielt, ist, daß die geäußerte Bewertungv. a. vom anwesenden Studiogast, dem Vertreter des Privatfernsehens SIC,als Gesichtsbedrohung verstanden werden muß. Die mittels olhe signalisierteKooperation bezieht sich also nur auf die Abarbeitung des Schemas undbetrifft nicht etwa eine gesichtsschonende Strategie. Die Einstellung, die dieSprecherin darstellt, legt nicht nur das Raster der Reaktionsmöglichkeiten derInteraktionspartner auf ganz bestimmte Fortsetzungen, nämlich Verteidigung,ziemlich stark fest. Auch die Sprecherin selbst kann kaum hinter deretablierten Position mehr zurücktreten. Somit wäre der mit olhe eingeleiteteZug in diesem Fall eine starke, gesichtsbedrohende Positionsfestschreibung,was auch mit der Vorwegnahme des Kerns ihrer Kritik zusammenpaßt. DieFestigung dieser Position wird zudem durch die verstärkende Wiederholungder Evaluierung manifestiert.

An diesem Beispiel wird m. E. besonders deutlich, auf wie viele Ebenendie Funktion der Partikel bezogen sein kann. Die Kategorie der Koopera-tionssignalisierung ist für diese Verwendung zwar relevant, wird aber einer-seits von der globaler vorgreifenden Eröffnungsfunktion sowie von derdringlichen und emotiven Funktion überlagert. Es ist eine Parallele zuBeispiel 7 (erstes Vorkommen) festzustellen: Dort hatte die Anruferin mit der

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Ankündigung einer Frage begonnen, den Gesprächsschritt als besonders drin-gend dargestellt und den Hörer auf starke konditionelle Relevanzenvorbereitet. Es scheint hier ebenso eine gesteigerte emotionale Beteiligungvorzuliegen. Der olhe-Zug steht dabei lokal und global in Verbindung mit derErfüllung konditioneller Relevanzen, argumentativ bzw. im übergeordnetenZusammenhang etabliert er jedoch durch die Positionsfestschreibung undpotentielle Gesichtbedrohung des Gesprächspartners seinerseits starke kon-versationelle Bedingungen, die vom Hörer sicher nicht ohne weiteresübernommen werden können.

5.3.3 Kooperationsindizierung durch Annahme des Fokusangebots

Zu Beginn des Kapitels wurde die Frage gestellt, ob olha als Eröffnungs-signal von Antworten in Nachbarschaftspaaren eine eigene Variante darstellt.Dies wäre gerechtfertigt, wenn die Gebrauchsregeln und Funktionen in die-sem spezifischen Sequenzschema wesentlich von den anderen Vorkommenabweichen. Bevor diese Frage abschließend beantwortet wird, sollen zu-nächst die in den Analysen festgestellten Funktionen und Gebrauchsregelnzusammengefaßt werden.

Im Sprecherwechselsystem dient die Partikel dem Vollzug der Über-nahme des Rederechts; da dieses durch die Nachbarschaftsstruktur bereitsregulär an den Sprecher übergegangen ist, steht olha zusätzlich fürGesprächsbereitschaft, Übernahme und Erfüllung der konditionellen Rele-vanzen, ist damit ein Indikator für Kooperation. Der Sprecher signalisiert,daß er zur gestellten Frage etwas zu sagen hat und gesprächsbereit ist. Derdiskursgliedernde Eröffnungscharakter der Partikel ist damit kontextunab-hängig und kann als eine Grundfunktion betrachtet werden. Auf der Ebeneder Themenorganisation indiziert olhe zumeist die Übernahme des Fokus, derim Vorgängerzug etabliert wurde. Somit steht olha in dieser Verwendung nurmittelbar in Zusammenhang mit einem Themenwechsel, da dieser fremdini-tiiert ist. In dieser nicht-emphatischen Verwendung erscheint olha wohl niein Antworten nach Satzfragen, die nur eine Zustimmung oder Verneinungbeinhalten.95 Grundsätzlich werden, wenn es sich um reine Informationsfra-gen handelt, unbekannte Informationen eingeführt. Mit den mit olha eingelei-teten Repliken werden, teilweise abweichend von anderen Verwendungen,nicht nur die Kohärenz- und Relevanzmaxime gewahrt, sondern auch die imvorangegangenen Fremdzug etablierten Verpflichtungen unmittelbar erfüllt.

Abweichend von den bisher besprochenen Vorkommen hat olha in diesenVerwendungen also die Lokalisierungsfunktion, den Fokus aufrechtzuer-

95 Zumindest konnte ich dies anhand der mir zugänglichen Korpora für Antworten auf

Informationsfragen feststellen.

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halten, das Gespräch mit der gleichen Orientierung fortzusetzen undKohärenz herzustellen. Angesichts der redundanten Markierung relevanterbzw. kohärenter Beiträge in adjacency pairs unterstreicht olha wohlKooperationsbereitschaft. Dadurch wirken olha-Antworten offensichtlichfreundlich oder entgegenkommend; die Partikel hat also auch „abtönende“Funktion. Andersherum signalisiert olha in längeren Antworten, in denen imersten Zug noch keine Erfüllung der Obligationen geleistet werden kann, daßder Turn für eine längere Redezeit beansprucht wird und die Abarbeitungeiner komplexeren Replikstruktur beginnt. Die den folgenden Turn als rele-vante, kohärente Antwort vorstrukturierende Funktion auf der Mikroebeneläßt sich mit der reaktiven Initiierung innerhalb eines komplexen Diskurs-schemas vergleichen.

Der in der Verbfunktion angelegte appellative Gehalt manifestiert sich aufder Ebene der Gesprächsorganisation als aufmerksamkeitssteuernde Funk-tion; die Lenkung der Aufmerksamkeitsausrichtung ist allerdings aufgrundder sequentiellen Abfolge in Nachbarschaftspaaren, zumindest in bestimmtenKontexten wie Interviews, redundant; die Kontaktfunktion muß daher in Re-pliken auch unter dem Aspekt der Gesprächsbereitschaft subsumiert werden.

Daß die initiativ-gestaltende Funktion, die im Zusammenhang mit Brü-chen und Übergängen in der Konversation steht, aber auch die Involviert-heitsindizierung in dieser Variante meist zurücktritt, korreliert mit den Bedin-gungen, die normalerweise dem Gebrauch des Sequenzmusters zugrundeliegen, also v. a. mit dem Interaktionstyp, der auf Frage-Antwort-Sequenzenaufbaut: In den Interviews des PF etwa ist aufgrund der asymmetrischenGesprächssituation die Distanz zwischen den Beteiligten relativ groß. DerInterviewer steuert das Gespräch, die Informanten sind in ihren Handlungeneingeschränkt. Mitgestaltung ist nur über Expansionen des eingeführtenThemas möglich. Hauptsächlich über die ausführliche und bereitwilligeAuskunft kann sich der Informant oder die Informantin kooperativ zeigen.Eine entsprechende Strategie kann durch die Verwendung einer (ehemals)emphatischen bzw. expressiven Partikel wie olhe unterstrichen werden. Mankönnte etwa annehmen, daß mit olhe eine Art themenbezogene Involviertheitsignalisiert wird, die sich dann in der Annahme und Expansion des vomInteraktionspartner angebotenen Themenfokus zeigt. Dadurch könnte olheauch implizieren, daß für bestimmte Fragen mehr Präferenz als für anderebesteht. Gesteigerte Involviertheit kann also im Interview als Unterstreichungder Kooperation aufgefaßt werden. Eine Markierung mit olha kann natürlichauch in Interviews mit der Darstellung gesteigerter emotionaler Beteiligungzusammenhängen.

Während in reaktiven Sprechhandlungen weniger Fortsetzungsmöglich-keiten gegeben sind, ist in initiativen Sprechakten sowohl auf thematischerals auch expressiver Ebene mehr Gestaltung möglich. Die Markierung mitolhe geht daher dann meist über eine reine Kooperationssignalisierung hin-

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aus, wenn im folgenden Zug konditionelle Relevanzen gesetzt werden; etwawenn ein argumentatives Schema vorliegt oder eine emotive Beteiligung desSprechers. Hier spielen Brüche bzw. die Etablierung von einschränkendenkonversationellen Verpflichtungen, aber auch Bewertungen oder Positions-festschreibungen eine Rolle. Die Indizierung von Involviertheit, die ich alseine übergeordnete Regel von olha betrachte, hat demnach in verschiedenenTextsorten verschiedene Ausprägungen.

Die Partikel olha als nicht-emphatisch markiertes Eröffnungssignal vonAntworten in Nachbarschaftspaaren kann angesichts abweichender Funk-tionen, der Einleitung eines kohärenten, reaktiven Gesprächsschritts und derSignalisierung von Kooperation, die auch Höflichkeitsstrategien unterstützt,als eigene Variante betrachtet werden. Der Gebrauch in diesen Sprechhand-lungsmustern ist m. E. besonders stereotyp. Die Gebrauchsbedingungendieser Variante faßt Tabelle 3 zusammen.

Tabelle 3: Funktionen von olha und olhe als Turn-Übernahmesignal inAntwortzügen

1. Turn-Taking: Übernahmesignal, Signalisierung derGesprächsbereitschaft

2. Thema: Fortführung des Themas, Einbringung neuer Informationen3. Lokalisierungsfunktion: Eröffnung eines reaktiven, präferierten

zweiten Teils mit lokaler und globaler Kohärenz, Abarbeitung dergültigen konditionellen Relevanzen, Beginn der Kernstruktur einesfremdinitiierten Sachverhaltsschemas

4. Abtönung: Indizierung von Kooperation, Freundlichkeit5. expressive Komponente tritt zurück in Informationsantworten

5.4 Weitere Verwendungsweisen von olha/olhe

Im folgenden werden einige Vorkommen von olha/olhe besprochen, die ausdem Raster der bisher beschriebenen Varianten herausfallen: Rückmeldungenoder Rückmeldungseinleitungen mit olha, wobei diese Verwendung nochrelativ häufig zu sein scheint, olha als Schluß- und zuginternes Signal sowieals Überbrückungssignal. Diese letzten beiden Verwendungen sind wenigertypisch und kommen nach meinen Beobachtungen auch wesentlich seltenervor. Sie zeigen, wie vielseitig und produktiv die Partikel sein kann, wie aber

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auch hier die relevanzsetzende und/oder hochstufende Funktion der Formwirksam ist.96

5.4.1 Die Diskurspartikel in Rückmeldungen

Die Partikel olha kann Rückmeldungen einleiten, erinnert sei hier z. B. an dieerste untersuchte konversationelle Erzählung. Nach der Auflösung der Ge-schichte macht der Hörer die Erfahrung der Primärsprecherin auch für sichgeltend, was wiederum von ihr mit olha, é verdade bestätigt wird:

Beispiel 19: Informelle Interaktion, Erzählabend (Tia, Pereira)97

T:

P:

>----- \ olha, é verdadeeu faço isso às vezes com o pai 5� hee . às vezes quando eu ( ) ó pai 6�(dá-me

Dabei scheint die abtönende Bedeutung der Überraschung weniger eineRolle zu spielen als vielmehr die Funktion, diese geteilte Erfahrung als evi-dent und natürlich zu bestätigen (i.S.v. „Siehst du, so ist es eben!“). Hiermanifestiert olha einen Wechsel von der Schilderung zur Bewertung, wennauch dieser Fokus vom momentanen Primärsprecher nicht übernommen wird.Somit behält der Kommentar den Status einer Rückmeldung.

Eine weitere Eröffnung einer Höreraktivität zeigt auch das nächste Bei-spiel, in dem nach der Auflösung einer unglaublichen Geschichte (im Rah-men des Themas „übersinnliche Kräfte“) die Hörerin einen Kommentaräußert, der die Evaluierungsphase des Erzählschemas einleitet:

Beispiel 20: Informelle Interaktion, Erzählabend (Tia, Pereira)

fui . . fui lá ao caixote onde tinha coisas do carro, . . stava lá dentro num1

P:

T:

num saquinho de plástico ou qualquer (coisa) …tia, eu (quase)

olha vês’. . ‘tás a ver2

96 Zu diesen unterschiedlichen Verwendungsweisen werde ich aus Platzgründen jeweils nur

expemplarische Beispiele diskutieren können.97 Aus Beispiel 1, S. 75ff.

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P:

T:

fiquei . . fiquei feliz, . . ela viu, fiquei feliz.

houve qualquer coisa te levou lá3

Pereira erzählt, wie er auf der längeren Suche nach dringend benötigtenPapiere plötzlich dank einer „Eingebung“ fündig wurde. (F. 1/2) Auf einkurzes Schweigen folgt eine Ansprache der Hörerin (leicht absinkende Into-nation). Daraufhin schaltet sich Tia mit einer bewertenden Rückmeldung ein.

Der Kommentar „olha vês, tás a ver“ bestätigt vorher Besprochenes,macht eine gemeinsame Grundlage der Erzählung bewußt, und impliziert so-mit eine erklärende Einordnung der Geschehnisse, die im Zusammenhang mitdem übergeordneten Schema zu verstehen ist. Die assertierende Reaktionbezieht sich aufgrund ihrer sequentiellen Stellung, aber auch aufgrund ihrerVagheit, auf die Geschichte als Ganzes; diese hatte die Funktion einerBelegerzählung für „Hilfe durch übernatürliche Kräfte“. Durch den olha-Appell wird gleichsam eine Aufforderung an den Primärsprecher gegeben,sich der gemeinsamen Voraussetzungen zu erinnern, hier: des Ausgangs-punkts der Erzählung, der Überzeugung, daß „mit Hilfe von oben alles gutwird“. Durch was könnte der Beweischarakter der Erzählung von Hörerseitebesser bestätigt werden als durch die quasi zeigende Geste: „Schau, siehstdu!“. Nicht der Erzähler ist es also, der der Hörerin den Zweck seiner Dar-stellung und damit seine Überzeugung nahebringen muß, die Zuhörerin selbstnimmt diese reziproke Aufgabe wahr, scheint den Sprecher geradezu davonüberzeugen zu wollen, wie glaubwürdig seine Erzählung war, wie sie gepaßthat und die gemeinsamen Überzeugungen getroffen hat. Von der Wahrhaftig-keit seiner Schilderung ist der Erzähler natürlich selbst überzeugt, insofernwird hier der Legitimationsanspruch durch die Hörerin anerkannt. Mit demKommentar übernimmt die Hörerin also den Part, die Evaluierung derGeschichte einzuläuten, woraufhin der Sprecher auch emphatisch seineGlücksgefühle darstellt. Insofern vollzieht olha den Fokuswechsel Abschluß-Bewertung; auch hier dient es als hochstufendes Signal, das nicht nur eineneue Aktivität eröffnet, sondern auch eine größere Phase einleitet.98

98 Auch hier wird wieder der stark kooperative Charakter des Gesprächs ‘Erzählabend’

besonders deutlich. Es läßt sich an dieser Stelle übrigens auch gut nachvollziehen, wiestark der Hörer durch seine Steuerungsmöglichkeiten nicht nur an der Konstitution,sondern auch an der Ausdeutung von Erzählungen beteiligt ist; diese Beteiligung kanngerade in Rückmeldungen auch durch den Gebrauch interaktionaler Partikeln ausgedrücktoder signalisiert werden.

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5.4.2 Olha/olhe als Überbrückungs-, Korrektur- undUnterbrechungssignal

Der seltenere Fall einer Überbrückung mit olhe oder olha findet sich etwa inBeispiel 2, als Pereira in seiner Schilderung Planungs- oder Formulierungs-schwierigkeiten hat:1 P: eram como se fossem pessoas . mas em ponto pequenino … e que es/ existem para

ajudar/ … olha para ajudar/ tu eh por exemplo a história de ahm da Branca de Neve edos sete anões […]

In dieser Verwendung steht v. a. der aufmerksamkeitssteuernde Appellvon olha im Vordergrund. Die Partikel signalisiert dem Hörer an dieserstöranfälligen Stelle, in der der Sprecher offensichtlich Schwierigkeiten mitder Planung seiner Äußerung hat, daß es gleich weiter geht. Olha dient damitauch der Verständniswerbung für die Verzögerung. Die Diskurspartikelnimmt vorweg, daß der Sprecher den Fokus seiner momentanen Aktivität –hier die Erklärung der kleinen Wesen – trotz momentaner Probleme aufrecht-erhält. Die hochstufende Funktion von olha skizziert damit die Fortsetzungder Orientierung vor und verhindert, daß der Sprecher sein Rederecht an denHörer verliert. Olha funktioniert hier anders als etwa pronto, das als Über-brückungssignal oder auch Korrekturphänomen bei Versprachlichungs-problemen eher die Orientierung auf die kommende Abwahl der Aktivitätrichtet, etwa auf die Abkürzung oder Zusammenfassung; pronto nimmtvorweg: „ich komme gleich zum Schluß“, hat damit meist terminierendeFunktion, während olha signalisiert: „Paß auf, es geht gleich weiter“. Hierscheint die interaktionale Partikel vielleicht auch deshalb gewählt, weil derFokus auf einer Erklärung liegt, also auf einer Handlung, die besonders dieBedürfnisse der Hörerin berücksichtigt, zumal diese vorher eine nicht ganzzutreffende Vorstellung von den seres geäußert hatte. Auch das folgende tu,auf das allerdings kein Syntagma folgt, sondern ein Abbruch, scheint daraufhinzuweisen, daß der Sprecher die Konstruktion einer gemeinsamenWissensbasis im Blick hat.

Was olha in solchen Fällen also funktional von anderen überbrückendenPartikeln unterscheidet ist der explizite Hörerbezug, der die Erwartung desHörers in den Äußerungsplan einzubeziehen scheint. Während olha also alsdeutliche Spur des recipient design gelten kann, verweist eine Partikel wiepronto eher auf den Diskurs des Sprechers.

Nun noch zu einem Fall, in dem olhe eine Korrektur im weitesten Sinneeinleitet. In der abschließenden Bewertung innerhalb seines ersten Beitragskommt der Hörer A.S. zu folgender Schlußbewertung:99

99 Da kaum intonatorische Auffälligkeiten, stelle ich den Ausschnitt in linearer

Transkription dar.

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Beispiel 21: Interaktion im Radio, Fórum TSF, ‘Televisão Privada’ (3.Anrufer H3)

H3:então se sumindo e concluindo eu acho que a televisão em portugal não vai bem, . nãovai muito bem não, . acho que a informação stá a ser muita pouca em todas astelevisões acho que por exemplo olhe as televisões devia/ deviam adaptar o sistemade programa da tsf . . tem uma informação óptima […]

Die global negative Schlußbewertung markiert der Sprecher explizit mitentão se sumindo e concluindo eu acho que; nachdem er die Bewertungnochmals wiederholt und mit não, fallender Intonation und einer Pauseabgewählt hat, leitet er mit dem argumentativen Gliederungssignal eu achoque über zu einer Expansion dieser Einschätzung. In diesem Zug bewertet erdie Informationspolitik der Sender. Dann setzt mit dem gleichen argumen-tativen Signal zu einer weiteren Expansion an, die er mit por exemploverzögert, dann erfolgt das Signal olhe und ein Vorschlag. Es ist die Frage, obolhe hier die Konstruktion abbricht, die mit eu acho und por exemplo begon-nen wurde, und einen neuen Zug einleitet, oder ob alle drei Marker zurgleichen Struktur gehören. Die Partikel olhe markiert einen Wechselzwischen unterschiedlichen Aktivitäten: Nach der Beurteilung eu acho queerfolgt ein Vorschlag, der zwar nicht direkt an die Teilnehmer im Studioadressiert ist, jedoch zumindest beide im Studio anwesenden Parteien (denModerator und den Direktor einer Fernsehstation) mittelbar anspricht.Insofern liegt hier eine Sprechhandlung mit mehr Direktionalität vor als inden vorigen Bewertungen. Insofern ist wohl von einer Korrektur derPlanungsstruktur auszugehen. Die daraus resultierende Umorientierung desFokus wird durch olhe markiert. Auch hier schwingt wieder einerelevanzhochstufende Funktion der Partikel mit.

Ebenfalls mit einer Störung, allerdings auf anderer Ebene, hängt olha alsUnterbrechungssignal zusammen:

Beispiel 22: Interaktion im Radio, Fórum TSF, ‘Televisão Privada’,Hörergespräch (Aurélio Freire, 3. Anrufer A.S.)

H3:

AF:

eh eh em relação às telvisões eu penso que não

e não acha que melhorou não acha1

H3:

AF:

penso penso que não

olhe você deixe-me deixe-me só, peço-lhe um pequeninho exercício2

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Im vorliegenden Gesprächsausschnitt scheitert der Sprecher AF bei demVersuch, dazwischenzukommen. Zwar hatte er an einem TRP angesetzt, dader Hörer jedoch weiterspricht, bricht AF selbst ab. Danach schlägt er einehöflichere Strategie ein mit deixe-me só… und erringt das Rederecht.

Unterbrechungsversuche mit olhe werden scheinbar häufiger anschließendrepariert, oder, wenn sie nicht gelingen, in abgeschwächter Form wiederholt.In Beispiel 7, F. 7 etwa scheiterte der Versuch von Aurélio Freire,dazwischenzukommen, woraufhin er es ein zweites Mal mit einer höflicherenStrategie versucht (posso posso posso permita-me, F. 8). Im Beispiel 25(s. u.) entschuldigt sich der Sprecher für sein Dazwischenkommen mit olhe(olhe que a primeira meia hora) anschließend mit desculpe interrompê-lo.Aus diesen Beobachtungen läßt sich der vorsichtige Schluß ziehen, daß olhe-Unterbrechungen relativ unhöflich sind. Scheitert der Versuch, das Rederechtzu erkämpfen, wird daher mit einer ausgebauteren Struktur, die jedochhöflich markiert ist, erneut ein Versuch gestartet. Tritt ein Sprecherwechselein, wird die Unterbrechung u.U. im Nachhinein repariert.100

5.4.3 Olha als Schlußsignal

In seltenen Fällen schließt olha eine Äußerung bzw. einen Turn ab wie imfolgenden Beispiel:

Beispiel 23: Informelle Interaktion, Gespräch unter Freundinnen(Tina, Cristina)

C:

T:

é verdade, e tu também, mas há uns / então, eu tou zangada com ele há um mês olha,

1

C:

T:

<----dias que eu te perguntei e tu aí:, nem me digas nada.

é verdade eu tou zangada comele

2

T: e eu já/ eu acho que já acabei3

In den vorausgegangenen Sequenzen hatten die Freundinnen über dieBeziehungskrise eines Freundes gesprochen. Nach der Abwahl dieses Fokus

100 Diese Beobachtungen sind jedoch nur als vorläufige Ergebnisse aufzufassen. Um zu

einem Katalog von ‘Regeln’ der Unterbrechungen zu gelangen, müßten weitaus mehrBeispiele sowie der Gebrauch anderer Signale vergleichend herangezogen werden.

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mit é verdade wendet sich Cristina nun an Maria mit der Feststellung, e tutambém. Maria reagiert mit der fast schon lapidar klingenden Feststellung,daß sie mit ihm schon einen Monat zerstritten sei. Auf olha, das ohneAbsetzen an die Äußerung anschließt, fällt die Intonation nach unten. Damitschließt olha den Turn ab, und ein Sprecherwechsel findet statt. DasEröffnungssignal então in dieser Äußerung signalisiert, daß Maria an denVorgängerzug anschließt, damit hält die Sprecherin die von derGesprächspartnerin begonnene Orientierung aufrecht (hier etwa dem dt. alsoähnlich). Die Diskurspartikel olha hingegen unterstreicht denNeuigkeitscharakter der Mitteilung. Womöglich will die Sprecherin Zweifelvon Hörerseite ausschließen. Gleichzeitig scheint olha auch zu signalisieren,daß die Sprecherin dazu noch etwas zu sagen hat.

Die Nachricht kann für Cristina zwar nicht völlig überraschend sein, dasie mit ihrer Feststellung davon ausgegangen ist, daß auch etwas mit Marialos ist (e tu também); dennoch scheint die Bedeutung von Marias Reaktiongrundsätzlich ein neues Licht auf ihre Angelegenheit zu werfen, dennCristina hakt mit einem Widerspruch nach. Daraufhin bestätigt Marianochmals ihre Äußerung, was die Annahme, daß hier auch eineGlaubwürdigkeitsstrategie vorliegt, untermauert.

Ein letztes Beispiel, in dem olha eine Äußerung abschließt, stammt ausdem gleichen Gespräch:

Beispiel 24: Informelle Interaktion, Gespräch unter Freundinnen(Tina, Cristina, Maria)

T: /\{2 s.} tá bem mas ele / amigas , eu tou a falar de amigas, e amigas são vocês , .

1

T:

C:

porque são as minhas amigas, . são vocês as melhores amigas dele

{2 s.} porque2

T:

C:

M:

– >---------- pois, mas pronto … porque ele só ter/ \somos as melhores amigas tuas, olha

agora uma coisa (á parte) falar em3

Die argumentative Sequenz ist der Abschluß einer Diskussion zwischenden drei Freundinnen. Tina wollte Maria und Cristina überreden, mit ihremFreund zu sprechen, den sie verlassen hat. Dies lehnt v. a. Cristina ab. Ihrletztes Argument war, daß sie nur mittelbar mit dem Freund befreundet seienals amigas da namorada dele und nicht zu seinen besten Freunden zählen(hier nicht abgebildet). Tina übernimmt die letzte Position (‘tá bem), und

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bringt dann als Gegenargument, sie würden zu seinen besten Freundinnenzählen. (F. 1/2).

Es tritt ein Schweigen von zwei Sekunden ein, dann ergreift Cristina dasRederecht. Auch sie übernimmt (scheinbar) die Vorgängerposition, indem siemit porque anschließt. Der hier als Begründung vorgebrachte Sachverhaltsomos as melhores amigas tuas erscheint daher unumstritten. Durch olhawird jedoch angezeigt, daß er für die Sprecherin den Wert einesGegenarguments hat. Auch diese Position übernimmt im nächsten Turn dieGesprächspartnerin teilweise wieder (pois), widerspricht dem Argumentjedoch abermals (mas). Das bedeutet, die Interaktantinnen sind sich über denSachverhalt einig, deuten aber, was auf impliziter Ebene bleibt, dieKonsequenzen unterschiedlich aus. Daher modellieren sie jeweils – bereitsauch schon vorher vorgebrachte – Argumente nur um. Worüber sie sichwirklich uneinig sind, sprechen sie nicht aus.101 In diesem Beispiel wird alsosehr deutlich, wie der Partikelgebrauch (‘tá bem, olha, pois, mas pronto) denimpliziten Diskurs steuert, der nur aus der gesamten Interaktion verständlichwird.102

Olha markiert also auch als Schlußmarker den Zug als Gegenargumentbzw. als Einschränkung auf den Vorgängerzug. Die Abtönung, die mit porque… olha in diesem Kontext ausgelöst wird, entspricht in etwa der Funktion derdt. Modalpartikelkombination aber bloß weil…. Auch scheint in dieserÄußerung eine evidente Abtönung vorzuliegen, die jedoch eher durch dieUnausweichlichkeit des Sachverhalts und durch den Austausch redundanterArgumente hervorgerufen wird, und nicht durch olha direkt ausgelöst wird.

5.5 Die Partikelkombination olhe que

Die Partikelkombination olhe/olha que leitet nach einem Sprecherwechselhäufig erinnernde Sprechhandlungen ein, in denen ein Tatbestand desHintergrunds, von dem der Sprecher annimmt, daß er auch dem Hörerbekannt ist, relevant gemacht und zur Aushandlung herangezogen wird. DerHinweis auf den Sachverhalt unterliegt dabei meistens einem argumentativenZweck.

101 Es geht hier also nur scheinbar um die Definition, inwieweit die Freudinnen auch mit dem

namorado befreundet sind, eigentlich werden die Konsequenzen, die sich daraus für ihrpraktisches Handeln ergeben, ausgehandelt: Während Tina die Freundschaft ein Grundist, ihr in Beziehungsangelegenheiten zu helfen, ergibt sich für Maria und Cristina dieseKonsequenz nicht zwingend.

102 Was die Möglichkeit nicht ausschließt, daß immer noch andere Implikaturen für dieSprecherinnen relevant sein können, die hier nicht erkannt werden.

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Beispiel 25: Interaktion im Radio, Fórum TSF, ‘O 28 de Setembro 1974’,Hörergespräch (Moderator, 2. Anrufer F.F.)

H2: o que eu penso é que este tipo de debates é extremamente interessante, mas não1

H2: tanto para debater como tem acontecido em (em ) programas televisivos, . em2

H2: programas de rádio, . percebe, para debater, para . ensinar, . para nos ensinar á nós,

hm3

H2:

M:

que não vivemos, o que é que se passou na realidade, eu acho (isso é mal) > > > > > olhe que a primeira meia hora, .

4

M: – – –olh’ que a primeira desculpe interrompê-lo a primeira meia hora do fórum, com o

5

M: – < < < – /\testemunho de sobretudo do almirante ( )NP, . foi bastante, bastante informativo.

6

Der Anrufer hatte sich zuerst darüber beklagt, daß die Zeitzeugen meistunter sich geschichtliche Ereignisse diskutieren; nun bemängelt er, daß zuwenig öffentliche Debatten stattfinden und die junge Generation (nós) nichtüber die Tatsachen aufgeklärt wird. Diesen Vorwurf weist der Moderatordaraufhin mit dem Argument zurück, daß die erste halbe Stunde der Sendung,vor allem durch das Zeugnis eines Studiogastes, ziemlich informativ gewesensei.103 Der Moderator beginnt den Turn bei kurzer Überlappung derRedebeiträge an einem Segmenteinschnitt (F. 4); er spricht mit der für ihntypischen hohen Geschwindigkeit und verwendet als Eröffnungssignal dieschwach betonte und nicht-segmentbildende Variante von olhe in Verbindungmit que.104 Die erste stärkere Betonung fällt auf das letzte Wort desSegments, die Intonation ist schwebend. Der Anrufer spricht nach einerkurzen Pause noch dazwischen; um das Rederecht endgültig zu erkämpfen,wiederholt der Moderator den ersten Teil der Äußerung nach minimalemZögern nochmals wörtlich; olhe que wird im Vergleich zur erstenRealisierung noch schwachtoniger und verschliffener ausgesprochen.

103 Im Transkript F. 7 ist der Beginn des nächsten Turns, der sich mit der letzten Äußerung

des Moderators überlappt, nicht mehr abgebildet; es handelt sich um einen Beitrag desStudiogastes an H2, der an ein vorher behandeltes Thema anknüpft.

104 In dieser Kombination vgl. auch Beispiel 10.

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Die Partikel in Verbindung mit dem emphatischen Marker que ist auchhier Unterbrechungssignal bzw. Signal der Redeübernahme, das den Zug alsrelevante Reaktion markiert. Nach der Wiederholung des Beginns derÄußerung erfolgt, prosodisch völlig unmarkiert in das Syntagma einge-gliedert und mit auffallend schnellen Anschlüssen, eine explizite Entschul-digungsformel für die Unterbrechung. Argumentativ wird ein Gegenzugmarkiert; es handelt sich um eine Einschränkung bzw. Zurückweisung einerPräsupposition: Die Einschätzung des Hörers, daß das Thema für Fernseh-sender und Rundfunkstationen zu unwichtig ist und somit keine Aufklärungstattfindet, versteht er als Kritik an der laufenden Sendung, die, so lautetenzumindest seine wiederholten Definitionen, versucht, zur Aufklärung derEreignisse beizutragen. In seinem Gegenargument verweist er daher nun aufdie Zeitzeugnisse, die die Studiogäste in der laufenden Sendung vorgebrachthaben, und die er als bastante informativo evaluiert.105 Für die Sinn-herstellung spielt also die Interpretation des Hörerzugs eine Rolle, die aufeine Situationsausdeutung lenkt. Aber auch frühere Äußerungen werdenrelevant gemacht bzw. in Erinnerung gerufen. Gerade in argumentativenZusammenhängen hat also olhe que den Aspekt der Aktualisierunggemeinsamen Wissens. Dieser Eingriff des Moderators hat übrigens durchdie positiv evaluierende Referenz auf abgeschlossene Sequenzen derlaufenden Kommunikation eine rückstufende Komponente: Tatsächlichbringt der Moderator die Abhandlung dieses Punktes durch und der Hörerwendet nichts mehr ein.

Der Beitrag des Moderators kann auch gesprächsorganisatorisch strate-gisch gedeutet werden. Er stellt m. E. kein Argument dar, das für den Zusam-menhang der Debatte von Relevanz wäre noch entkräftet es die Behaup-tungen des Anrufers tatsächlich umfassend – es sei denn, der Moderatorbewertet seine Sendung als repräsentativ für alle anderen angesprochenenInstitutionen. Gerade dies ist wohl nicht der Fall; viel eher hat die Äußerungdie Funktion, die Sendereihe in Abhebung von anderen in ein positives Lichtzu setzen und damit Imagearbeit für die Institution, die er vertritt, also diePrivatrundfunkstation, zu leisten.106 Zudem lenkt der Moderator von einemThema weg, das zu einer kritischen Selbstreflexion der Institution hätteführen können. Von Bedeutung für die Funktionen der Partikelkombinationist es allerdings nicht, ob der Beitrag interaktionsstrategische Funktion hatoder ein glaubwürdiges Argument ist.107 Entscheidend ist, daß olhe que den 105 In der Form informativo ist allerdings keine Kohäsion zu hora markiert; es kann auch das

testemunho gemeint sein.106 Daß der Anrufer nicht unbedingt die Sendung, an der er teilnimmt, in seine Kritik

einschließt, scheint sich darin zu bestätigen, daß er später das Fórum eigens lobt – wenn erdies nicht aus Höflichkeit macht, zeigt dies, daß er sich mißverstanden fühlte.

107 In dieser Gesprächsphase ist übrigens schwer das momentane Thema zu bestimmen;vielleicht nimmt der Moderator deswegen eine rückstufende Situationsdefinition vor.

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Zug argumentationssteuernd als relevante Replik markiert, die eine Be-gründung (account) beinhaltet. Somit wird eine Fokusverschiebung inRichtung korrigierende Aushandlung manifest, die die folgende Abwahl desThemas vorbereitet. Die Gebrauchsregel, daß olha que einen Zug einleitet,der gemeinsames Wissen der Teilnehmer explizit aufruft bzw. relevant macht,gilt auch für die Variante der deutschen Modalpartikel doch, die FRANCK„erinnerndes doch“ nennt.108

5.6 Allgemeine Schlußfolgerungen

In diesem Abschnitt konnte anhand der Form olha/olhe gezeigt werden, daßDiskurspartikeln nicht nur polyfunktionale Formen sind, sondern in dergesprochenen Sprache auch in zum Teil sehr unterschiedlichen Kontexten ge-braucht werden können. Die Partikel olha wird einmal in sehr unter-schiedlichen Slots verwendet. Außerdem hat olha kontextabhängige Varian-ten: So konnte ein Emphasesignal mit expressiver Funktion v. a. inRedewiedergaben innerhalb konversationeller Erzählungen festgestellt wer-den, eine Verwendung, die sicher ursprünglich auf die emotive Interjektionmit der aufmerksamkeitssteuernden Imperativfunktion zurückgeht, inzwi-schen aber als typisierendes Element für fingierte Dialoge verwendet wirdund zur emotionalen Ausdeutung der dargestellten Situation dient. Alsdialogische Diskurspartikel erscheint olha häufig als Eröffnungssignal mitder Funktion ‘Beginn’; in reaktiven Initiierungen kann es auch Makro-strukturen vorgreifen. In monologischen Sequenzen hat olha die Funktioneiner lokalen Umorientierung auf der Ebene der Einzelaktivitäten. AlsEröffnungssignal von Antworten in Paarstrukturen unterstreicht es dieKohärenz und dient damit der Indizierung von Kooperation. In einerargumentationssteuernden Variante dient olha/olhe als rückwärtskonnek-tierender Marker von Gegenzügen, die die momentane Orientierung desGesprächs auf eine Aushandlung der Situation bzw. Ausdeutung desGesagten lenken. Die Kombination olha que wiederum scheint besonders miteiner Aktualisierung gemeinsamen Wissens in Verbindung zu stehen.Schließlich wurde gezeigt, daß die Partikel olha als Überbrückungs-,Unterbrechungs- und Schlußsignal erscheinen kann.

In den meisten Fällen spielt die Hochstufung, also die Fokussierung aufeinen neuen Gesprächsaspekt eine zentrale Rolle, aber nicht in allen

108 Franck schreibt: „In Sätzen mit erinnerndem DOCH wird eine Tatsache in Erinnerung

oder ins Bewußtsein gebracht, von der angenommen wird, daß der Hörer sie weiß oderwissen kann aber sie ihm wahrscheinlich im Moment nicht präsent ist. Das Wissen desHörers im abstrakten Sinn genügt nicht, er muß sich zum Verständnis der Argumentationoder der erzählten Situation diese Tatsache unmittelbar vergegenwärtigen.“ (1980: 181f.).

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Varianten ist sie vorwärtskonnektierend bzw. markiert initiative Züge. Auchwerden nicht in allen Zügen, die sie einleitet, konditionelle Relevanzenetabliert. Die Markierung eines Bruchs scheint, wie bereits gesagt wurde,sehr häufig zur Gebrauchsbedingung der Diskurspartikel olha zu gehören.Die Signalisierung oder sprecherperspektivische Indizierung der Relevanzdes Folgenden ist ebenfalls eine wichtige Gebrauchsregel von olha. Dennochhängt immer vom Kontext ab, welche Funktionen relevant werden. Daß auchdiese interaktionale Partikel vage sein kann, haben die Analysen bewiesen.

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6 Exemplarische Partikelanalysen unterspezifischen Fragestellungen

6.1 Argumentationssteuerung durchDiskurspartikeln

6.1.1 Prozessierung von Argumentationsschritten

In diesem Abschnitt soll es hauptsächlich um die Funktionen von Partikelnim Sachverhaltsschema ‘Argumentieren’ gehen. Es kann allerdings wedereine ausführliche Schemabeschreibung erfolgen wie in den Untersuchungender konversationellen Erzählungen1, noch können die gebräuchlichstenargumentativen Marker wie mas, portanto usw. qualitativ untersucht werden.2

Die folgende Passage stammt aus der Radiosendung Fórum TSF –Televisão Privada (vgl. Kap. 3.3.2); das Gespräch ist in die Schlußphaseeiner Diskussion zwischen dem vierten Anrufer und dem TV-Vertreter AFgekommen. Der Fokus des Gesprächs richtet sich auf die Qualität derProgrammgestaltung; der Hörers erhebt schwere Vorwürfe gegen die Sender.Der Studiogast steht deutlich unter Verteidigungsdruck, unterbricht denAnrufer häufig und bemüht sich um Imagearbeit für seine Station.3

Beispiel 26: Interaktion im Radio, Fórum TSF, ‘Televisão Privada’,Hörergespräch (4. Anrufer J. D., Aurélio Freire, Moderator)

H4: mas eu penso que vocês intercalassem um bocadinho e não tivessem o mesmo1

H4:

AF:

mapa tipo todos iguais, 1[ ] eh eh: ( ) \ <--------- 2[mas não temos (o map/)]2, olha vou dizer as televisões nunca

2

1 Argumentation in gesprochener Sprache ist bei weitem nicht so gründlich erforscht wie

Erzählen, vgl. Schiffrin (1987: 17).2 Verwiesen sei auf die Arbeit von Trigo (1989), die mas im Rahmen der Markertheorie

behandelt.3 Diese Unterbrechungen bedeuten auch immer ein ‘Übertönen’: Zumindest für die

Rundfunkhörer sind, technisch bedingt, bei gleichzeitigem Sprechen nur dieGesprächsteilnehmer im Studio, also Gast und Moderator, zu verstehen.

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1[ schnauft laut ein 2[leise und mir resigniertem Tonfall artikuliert

H4:

AF:

– (sei) mas olhe que a opinão generalizada das pessoas,< < <foram tão diferentes umas das outras.

3

H4: não fui só eu, foi olhe o/ repare na na opinão de todos os ouvintes, com a excepção4

H4: do que eu até lhe chamo o fanático da SIC *[…]* mas eu penso que a opinião5

H4: generalizada de todos os outros ouvintes, . foi . precisamente a mesma, quer dizer6

H4: ‘tamos a assistir, ‘tamos a/ é sempre a mesma coisa, é tudo igual, . . um faz um7

H4: programa o outro copia logo, . . eu acho que voçês se deviam afirmar era pela8

H4:

AF:

diferençã e não pela igualidade ( )

pois é, . e eu eu podia indicar quando tiver oportunidade9

AF: afirmarei e: e: poderei eh expôr argumentos que mostram como nós, . nos10

H4:

AF:

mas oiça o o o vosso argumento é um, . e o meu é

tentatmos afirmar pela diferença.11

H4: – \ – \outro, é que eu ligo o canal um, concurso, canal dois, concurso, . eh canal três

12

M:

H4:

JD, permita-me

concurso. e depois no outro dia canal um, . é sempre a mesma coisa13

M: dar também a voz a outros ouvintes exactamente para saber a opinião deles14

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6.1.1.1 Zurückweisung eines Vorwurfs

Der erste zu untersuchende Argumentationsschritt (F. 2) folgt auf denVorwurf, den der Anrufer in der Eröffnungsphase schon einmal geäußerthatte: daß alle Fernsehsender die gleichen Programme spielen würden.(Dieser Vorwurf zeigte sich sprachlich abgemildert durch eu penso que unddas Abschwächungsmittel um bocadinho.4) Der SIC-Vertreter widersprichtdem explizit; sein Turn beginnt an einem Segmentende des Hörerbeitrags undwird mit dem argumentativen Konnektor mas eingeleitet; das Segment istleiser und mit fallender Tonkurve artikuliert; dann bricht die Konstruktion ab.Nach dem abgebrochenen Syntagma fährt AF mit der Partikel olha (sic!) unddem expliziten Marker vou dizer fort (F. 2). Damit beansprucht er weiterhinden Turn. Der Anrufer gibt mit Verzögerungsphänomenen ebenfalls Signalezur Aufrechterhaltung seines Turns, setzt sich aber nicht durch.

Daß AF nicht die höfliche Variante olhe verwendet, kann als Signal fürdie momentane Spannung und Involviertheit innerhalb der Diskussiongedeutet werden. Dies indiziert auch die Steigerung der Lautstärke beigleichzeitiger Verminderung der Sprechgeschwindigkeit; die Adjektivprä-dikation des Syntagmas (tão diferentes) wird mit emphatischer Betonunghervorgehoben. Auf propositionaler Ebene des Sprechakts spiegelt sich dieseEmphase schließlich in der Verabsolutierung des Sachverhalts (nunca) wider.

Gesprächsorganisatorisch markiert olha also einen Neustart nach einerabgebrochenen Konstruktion (vgl. hierzu Kap. 5.2.3.2). Dabei dürfte auch dernoch nicht gewonnene Streit um den Turn eine Rolle spielen. Die Prosodielegt nahe, daß der Sprecher zunächst mit dem widersprechenden mas nãotemos… nur einen Hörerkommentar abgeben wollte, dann aber doch eineneigenen Turn beansprucht. Er schließt nun eine weitere Gegenbehauptung an,expandiert also seinen Widerspruch. Die olha-Äußerung ist weiterhin reaktiv,da sie auf den Vorwurf eingeht, und argumentativ, da sie einen Beleg für diebezogenen Gegenposition beinhaltet. In der eingeleiteten Äußerung liegt auchein Wechsel der Argumentationsstrategie vor: Erstmals verteidigt derSprecher AF nicht mehr nur seinen eigenen Sender, sondern evaluiert diegesamte Fernsehbranche5, was einerseits seine Glaubwürdigkeit, andererseitssein Expertenwissen zum Thema Fernsehen unterstreichen soll.

Die auf olha folgende metakommunikative Formel vou dizer unterstütztsowohl diese Vorstrukturierung als auch die Relevanzmarkierung. DieKombination der zwei Partikeln scheint insgesamt eine amplifizierende,emphatische Funktion zu haben. Diese Funktion – Emphase, Bezug auf(gemeinsames) Wissen und argumentative Zurückweisung des Hörerbeitrags– könnte im Deutschen etwa mit der Modalpartikelkombination ja wohl

4 Vgl. Meyer-Hermann (1983: 41).5 Zu Brüchen oder Übergängen in olha-Äußerungen vgl. Kap. 5.2.4.

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verglichen werden. Diese recht starke Reaktion von AF auf die Äußerung desHörers ist vielleicht damit erklärbar, daß der Vorwurf der Eintönigkeitlangsam zum basso continuo der Sendung zu werden droht, zumal er nichtnur zu Beginn der Sendung im eingespielten Kommentar und in einemzitierten Zeitungsartikel, sondern von fast allen Hörer erhoben wurde. Hierscheinen sich die Positionen der momentan beteiligten Sprecher zuverfestigen, was eine Annäherung kaum möglich macht. Dies zeigt auch derweitere Verlauf des Hörergesprächs.

6.1.1.2 Strategische Abschwächung bei gleichzeitigerPositionsfestschreibung

Die Berufung auf die Fernsehgeschichte läßt der Anrufer nicht gelten. Erstartet schon vor Beendigung des Turns von AF in einem längeren Gegenzugdie Rechtfertigung seines Vorwurfs (F. 3-9). Eingeleitet wird der Turn mitder Partikelkombination mas olhe que. Die interaktionale Partikel olhe kannalso auch an die zweite Stelle rücken. Die drei Formen sind prosodisch völligeingebunden; die Äußerung hat einen beschwichtigend-überzeugendenTonfall. Die Äußerung gewinnt durch die Partikelkombination eineneindringlichen Unterton, der jedoch nicht unhöflich wirkt.

Die Kombination mas olhe que könnte hier etwa mit den dt.Modalpartikeln aber doch verglichen werden. Der strukturelle Unterschiedbesteht darin, daß das Portugiesische mit der Verbpartikel ein eigenesSyntagma bildet, das eine übergeordnete syntaktische Funktion tragen kann.

Die syntaktische Konstruktion dieser Äußerung wird zunächst nichtvervollständigt; es folgt ein Einschub in F. 4 und ein Abbruch nach foi.Danach erscheint erneut olhe turn-intern als Überbrückungssignal, es folgtwieder ein Abbruch und ein Neustart mit repare, das hier keineDiskurspartikel im eigentlichen Sinn ist, sondern Verbfunktion trägt.Eingebracht wird in diesem Beitrag ein neues Argument, das wie das vorigeauf die öffentliche Meinung verweist. Die Argumentationslinie zielt darauf,die eigene Einstellung durch die Berufung auf die Aussagen voriger Anrufer,also durch die Erinnerung an vergangene Kommunikate, zu untermauern.Dieser Rückgriff auf Wissen wird durch mas olhe que vorstrukturiert, dasturn-interne olhe und die Konstruktion mit repare in F. 4 sind ebenfalls alsAusdrücke des Erinnerns zu deuten.

Nach einer Abschweifung (com a excepção…)6 wiederholt der SprecherH4 den ersten Teil seines Turns, den er diesmal allerdings mit mas eu pensoque einleitet. Hier wird deutlich, daß in den metakommunikativenEröffnungsformeln makrosyntaktisch bzw. in bezug auf die Gliederung

6 Ausgelassen: „que o ouvinte d’ facto foi excepcional na defesa da SIC, que eu também

sou, e gosto da SIC, e vejo a SIC, . mas atenção que ele só falou da SIC.“

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ähnliche Funktionen vorliegen; mas eu penso que wirkt jedoch illokutivabgeschwächter als mas olhe que, da über die wörtliche Funktion eine andereSprechhandlung aufgerufen wird. Es liegt kein Rekurs auf gemeinsamesWissen vor, sondern eine persönliche Einschätzung, wie diese Tatsachen zudeuten sind. Da der Sprecher in der Abschweifung auch sein Lob gegenüberSIC ausgesprochen hat, hat er scheinbar seine kritische Haltung etwasaufgeweicht und dem Gesprächspartner gegenüber eine Face-Reparaturvollzogen. Die Positionsdarstellung über eine schwächere Sprechhandlungder Annahme, wie sie penso que wörtlich markiert, kann also als Mittel derhöflich-abschwächenden Strategie gewertet werden. Der Widerspruch, dermit mas signalisiert wird, deutet jedoch auf den Gegensatz zwischen demvorher ausgesprochenen Lob und der (Notwendigkeit der) Wiederholung derKritik. Daß der Sprecher an seiner argumentativen Position festhält, wird inden Zügen in F. 6-8 deutlich. Hier betont er einzelne Lexeme sehremphatisch.7

6.1.1.3 Die Suche nach einem gemeinsamen Standpunkt

Das letzte Gliederungssignal, eu acho que, eröffnet einen neuenDiskursschritt, der innerhalb der Sprechhandlung einen Bruch markiert – nunsteht nicht mehr die Darstellung der Kritikpunkte im Vordergrund, sondernes wird eine Aufforderung an den Gesprächspartner gerichtet. DieEröffnungsformel eu acho que kommt ähnlich wie eu penso que häufig inArgumentationsdiskursen vor, kann aber die verschiedensten Funktionenerfüllen. Abgesehen von ihrem Beitrag zur Themenorganisation ist siedurchaus nicht immer wörtlich als illokutiver Marker zu verstehen, sondernkann auch ganz stereotyp in Behauptungen eingebaut sein, mit denen derSprecher Handlungen ausführt, die über eine Meinungsäußerunghinausgehen. Hier erfüllt die Kombination ähnlich wie eu penso que ehereine interaktionale Abschwächungsfunktion im Gesamtzusammenhang, dienach den Verfestigungen der Positionen darauf zielt, einen gemeinsamenStandpunkt mit dem Partner zu finden. Auch die Auswahl der Lexik weistauf eine abschwächende Strategie hin.

Diesen Teilrückzug honoriert der Interaktionspartner AF schließlich mitder abwählenden Rückmeldung pois é, mit der er wieder den Turnübernimmt. Auch wenn pois é zunächst Zustimmung und die Übernahmekonditioneller Relevanzen markiert, erfolgen im Zug Verweise darauf, daßAF die Position seines Gegenübers nicht übernimmt, allerdings ist AF wiederzurückgekehrt zu einer moderateren Interaktionsmodalität. Auch er schwächtab (podia indicar), und zwar auch auf propositionaler Ebene: tentamos

7 Das nächste Gliederungssignal, quer dizer (F. 6), leitet eine Explizierung des Themas

(opinião generalisada) ein und hat keine unmittelbar argumentationssteuernde Funktion.

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afirmar pela diferença. Die Partner versuchen also, die Situation zudeeskalieren.

Daß dennoch kein völliger Konsens erzielt wurde, zeigt der Folgezug vonH4: Er kontrastiert metakommunikativ die Standpunkte und kommt nochmalsauf den Sachverhalt zu sprechen, an dem er seine Hauptkritik entwickelt hat(F. 11-13). Diesen letzten Einwand leitet der Anrufer mit einer weiterenKombination argumentativer Marker ein, mas oiça. Oiça ist ein Äquivalentvon olhe, wird aber wesentlich seltener verwendet. Daß der Sprecher wiederstärker beteiligt ist, für ihn der Fokus noch nicht beendet und ausgehandeltist, darauf lassen neben der Partikelkombination auch die verzögertenWiederholungen, die Intonation und die redundanten Inhalte schließen. Alsrein emphatische Partikel kann auch die Verwendung von é que in F. 12gedeutet werden. Auf die stereotype Wendung é sempre a mesma coisa brichtder Moderator den Anruf ab und geht zur Begrüßung des nächsten Hörersüber, H4 erhält keine Gelegenheit mehr, das Rederecht nochmals zu erlangen.

6.1.1.4 Zusammenfassung

Die Involviertheit in das Thema, aber auch die emotionalen Nuancen und dieStrategien, die in diesem Hörergespräch festzustellen sind, lassen sich improzessualen Ablauf des Gesprächs auch an den entsprechenden Anwen-dungsstrukturen feststellen. Es scheint, daß die interaktionalen Partikeln eherverstärkend wirken bzw. expressiver sind als die illokutiven Ausdrücke, diezumindest in Ableitung ihrer wörtlichen Bedeutung illokutiv den Hörerweniger „einschränken“ und damit höflicher wirken können. Die häufigereVerwendung von Diskurspartikeln, vor allem des adversativen Konnektorsmas, von olhe und vergleichbaren Partikeln sowie expliziten Signalen, aberauch die Kumulation dieser Formen in einem slot indizieren, daß zwischenden Interaktionspartnern kein Konsens in bezug auf das besprochene Themaherrscht und die Positionen festgefahren sind. Bestimmte Anwendungs-strukturen wie eu acho que wirken über ihre abschwächende Funktionhingegen situationsentlastend oder zeigen an, daß die Gesprächspartnernochmals eine Aushandlung versuchen. Diese Marker können aufgrund ihrerillokutionären Funktionsweise in argumentativen Kontexten also auchHöflichkeits- oder Abmilderungsstrategien indizieren. Ihr Gebrauch bedeutetaber nicht automatisch einen Rückzug von etablierten Positionen, sondernweist eher darauf hin, daß die Sprecher die Gesprächssituation deeskalierenwollen.8

8 Neben der emphatischen Funktion und der argumentativen Markierung haben die Partikeln

natürlich weitere Funktionen auf der Ebene der Diskursgliederung und des

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6.1.2 Die Funktion von Partikelkombinationen

Unter Partikelkombinationen sind Abfolgen von zwei oder mehr Partikeln zuverstehen, die eng aneinander gebunden sind oder als ein phonetisches Worterscheinen. Sie sind zu unterscheiden von solchen feststehenden Wendungen,die nur in dieser einen Kombination als Partikel erscheinen, wie etwa querdizer. Allerdings scheinen die Grenzen zu feststehenden Wendungen fließendzu sein, denn Abfolgen wie sabes lá, die auch jeweils einzeln markierenkönnen, sind ebenso als stereotype, feststehende Wendungen aufzufassen.Ora bem etwa erscheint in dieser Kombination so oft, daß es als eigenePartikel behandelt werden könnte. Auch das Kriterium des phonetischenWorts ist vielleicht problematisch, denn manche Reihungen bilden eher eineigenes Segment. Daher werde ich im folgenden auch von Partikelhäufungensprechen. Folgende Reihungen oder Häufungen konnten, z. T. sehr frequent,festgestellt werden:

– mas olha– mas olha que– mas oiça– olha que– olha lá– sabes lá– desculpe lá– mas olhe desculpe– desculpe mas– desculpe mas então– mas então– então mas– mas pronto– mas enfim– ora bem– pois ‘tá bem.9

In Rückmeldungen erscheinen ebenfalls Reihungen unterschiedlicher Art.Ganz abgesehen davon können Partikeln mit komplexeren Strukturen (maseu penso que) oder mit metadiskursiven Elementen in Reihung auftreten.

Im folgenden Beispiel einer Argumentation findet sich eine ausgebauteAnwendungsstruktur mit einer dreifachen Partikelkombination:

Sprecherwechselsystems. Die Eröffnungssignale dienen meist auch der Turn-Beanspru-chung, der Überbrückung oder Aufrechterhaltung des Rederechts.

9 Auch im Korpus der Debate (Trigo, 1989: 208) festgestellte Kombiunationen.

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Beispiel 27: Interaktion im Radio, Fórum TSF, ‘Televisão Privada’,Hörergespräch (Aurélio Freire, 3. Anrufer A.S.)

AF: todos os grandes temas nacionais eh: que surgiram nestes dois anos foram objectos1

AF: de grandes operações de informação pelo parte da SIC, portanto eu não vejo porque2

AF:

H3:

é que o ouvinte se queixa de de da falta da informação

mas olhe desculpe o senhor3

AF:

H3:

às oito horas

vai me dizer a que horas é que deu esses debates e a que horas é que o s’r fez esses4

AF:

H3:

oito e meia da noite oito e meia da noite uma/ umas vezes, . outras

reportagens todos5

Aurélio Freire und der dritte Anrufer streiten sich in diesemHörergespräch um die Qualität des Fernsehens. H3 hatte nach derEröffnungsphase seiner Meinungsabgabe10 in einem sehr langen Beitrag eineReihe von Kritikpunkten geäußert. Zum Schluß erhob er den Vorwurf, daßNachrichten und Informationssendungen im Fernsehen sehr selten gesendetwürden, dazu schlecht seien und kontrolliert würden.11 Daraufhin verteidigtAF in einem ebenfalls längeren Beitrag, dessen letzter Teil hierwiedergegeben ist, das Nachrichten- und Informationsprogramm seinesSenders, wobei er auch nicht den direkten Vergleich zu anderen Sendernscheut. Zuvor hatte er durch einen geschickten rhetorischen Kniff dieAussagen des Anrufers in Zweifel gezogen – er ließ sich die Annahmebestätigen, daß der Hörer kaum Fernsehen sehe, um ihm dann die Fähigkeitabzusprechen, die Programme überhaupt beurteilen zu können.12

10 Die Eröffnungsphase stellt Beispiel 6 dar.11 H3 hatte u. a. geäußert: „…eu acho que a televisão em portugal não vai bem […] acho que

a informação está a ser muita pouca em todas as televisões …“ und sogar den Sender SICexplizit in seine Kritik eingeschlossen: „…a televisão não tem informação por exemplo asic quanto a programação de informação são para mim eu pelo menos acho a minhaopinão é que é fraco…“.

12 Allerdings ist dieser Bestätigungszug von H3, daß er wenig Fernsehen sehe, nichtbesonders konsistent innerhalb seiner Argumentationslinie, denn vorher hatte er vieleEinzelpunkte aufgeführt, die beweisen, daß er sich gut in der Programmlandschaftauskennt.

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AF, der den Anrufer (unhöflich) mit o ouvinte anspricht, schließt seinenTurn nach dem Aufzählen der grandes temas nacionais, die in seinem Senderin debates und reportagens behandelt würden, mit einem Zug ab, in dem ersein Unverständnis darüber äußert, daß der Hörer sich über das Fehlen vonInformation beklagt (F. 2/3). Daraufhin kontert der Anrufer mit einer Frage,die einen stark zweifelnden Charakter hat. Er eröffnet sie mit einer dreifachenPartikelkombination, mas olhe desculpe, an die er, mit höflicher Anrede dieperformative Wendung o senhor vai me dizer…anschließt. Obwohl er aneinem TRP das Rederecht übernimmt, markiert er also seinen Beitragbesonders auffällig, sowohl mit einem argumentativen Marker, mit einemRelevanzsignal und einer Entschuldigungsformel als auch mit einermetakommunikativen Ankündigung.

Der Gesprächsstand stellt sich so dar, daß auf eine 1. Position (der erstelange Turn von H3, der hier nicht wiedergegeben ist) ein Einwand zu einemspeziellen Fokus folgt, das Bestreiten der falta da informação. Im letzten Zugdieser 2. Position wird die Haltung des Gesprächspartners als unannehmbarzurückgewiesen; in 3. Position steht die Frage des Anrufers:Position 1 (H3): „há falta da informação“Position 2 (AF): (houve) grandes operações de informação pelo parte da SIC, portanto eu

não vejo porque é que o ouvinte se queixa de de da falta da informaçãoPosition 3 (H3): mas olhe desculpe o senhor vai me dizer a que horas é que deu esses

debatesPosition 4 (AF): às oito horas oito e meia da noite…

AF strebt wohl auf der 2. Position eine Abwahl des Themas an, was ermit portanto lokalisiert oder zumindest andeutet. H3 geht zunächst nichtdirekt auf den letzten Zug des Vorgänger-Beitrags ein, denn damit würde ervielleicht die Abwahl des Themas riskieren: Er könnte äußern, daß er sichtrotzdem beklagt, und dann müßte er seine Argumente wiederholen, oder ermuß zugeben, daß seine Klage unberechtigt ist. Um das umstrittene Themaaufrechtzuerhalten, muß er es also expandieren, was er mit der Informations-frage anstrebt. Er reagiert also nicht kohärent auf den vorausgegangenen Zug,sondern verlangt genauere Fakten. Auf diese Frage folgt an 4. Position dieAntwort, die gleichzeitig ein Bestätigung für die 2. Position ist.

Bei dem Gesprächszug von H3 handelt es sich keinesfalls um eine neu-trale Informationsfrage, vielmehr beinhaltet die Äußerung Unterstellungen,die mehr oder minder gesichtsbedrohend wirken: Die Aufforderung vai medizer… esses debates impliziert, was eine weniger starke Gesichtsbedrohungwäre, daß H3 die Aussagen von AF für zu vage und uninformativ hält, sieihm also noch nicht als stichhaltige Argumente ausreichen. Bedrohlicherwäre die Unterstellung, daß AF Scheinargumente ins Feld führt, die so nichtgeeignet sind, seine Position sachlich zu belegen. Schlimmstenfalls bezwei-felt H3 sogar, daß AF tatsächlich Sendeplätze nennen kann. Damit würde erihm Unaufrichtigkeit unterstellen, was ein starker Angriff wäre. Die Frage

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steuert thematisch wohl eine Aushandlung darüber an, wieviel und welcheSendungen zu einem guten Informationsprogramm gehören – gibt AF nur dasan, was der Anrufer erwartet, so könnte das zu einem Punktverlust führen.Die Frage zielt also implizit auch auf die kritische Bewertung deszugrundegelegten Relevanz- bzw. Normensystems und damit der Institution,die dahinter steht. Unter umgekehrtem Vorzeichen ist auch der Beitrag derPosition 2 als Gesichtsbedrohung zu verstehen: Der Verweis auf Fakten sollteden Hörer nicht nur dazu bringen, seine Position zu korrigieren; v. a. derletzte Zug mit der unpersönlichen Ansprache o ouvinte scheint den Hörer alsunbelehrbaren Laien hinzustellen, wolle er jetzt noch widersprechen.

Der Frage-Turn mit mas olhe desculpe beinhaltet also einmal eine starkeTendenz und Gesichtsbedrohung. Dabei wird das laufende Thema zurweiteren Expansion geführt, gleichzeitig wird auf Gegenargumente kritischBezug genommen und damit die Aushandlungsphase aufrechterhalten. Mitder neuen Information, die der Sprecher zu erhalten anstrebt, hofft er, einenPunkt zu gewinnen. Es handelt sich also um einen Schritt, der zur Recht-fertigung der eigenen Position führen soll. Dementsprechend kompliziert istdie Anwendungsstruktur: die Partikel mas indiziert, daß ein Einwand zumVorangegangenen folgt, als Diskontinuitätssignal zeigt es jedoch auch an,daß die unmittelbar vorher angesteuerte Fokusabwahl nicht übernommenwird; olhe signalisiert die erneute Hochstufung und hängt auch mit dergesichtsbedrohenden Handlung zusammen. Wie bereits schon einmal gezeigtwurde, lokalisiert die Partikelkombination mas olhe also einen Bruch (derhier auch in der Ablehnung bestimmter Inhalte gesehen werden kann) beigleichzeitiger Hochstufung bzw. Expansion. Die Form desculpe schwächtden Abgriff leicht ab. Die konditionellen Relevanzen sind allerdings so stark,daß von einer wirklich höflichen Abmilderung nicht mehr die Rede seinkann. Desculpe scheint in manchen argumentativen Kontexten die Lesart desWiderspruchs zu unterstützen und als eine Art Einspruchsignal zu fungieren,wobei die höfliche Markierung zurücktritt. Später wird zu zeigen sein, daßdie Entschuldigungsmarkierung von desculpe sogar in manchen Fällen fastins Gegenteil kippt, wenn die Form etwa als Unterbrechungssignal eingesetztwird (vgl. Kap. 6.2.2.2).

Die metakommunikative Anwendungsmanifestation schließlich greift derStruktur der folgenden Aktivität vor; durch die unabgeschwächte Form vaiwird die Dringlichkeit der Frage, die auch für den Gebrauch von olhe oft eineRolle spielt, noch verstärkt. Insgesamt muß der Angesprochene die Frage soverstehen, daß seine Aussagen massiv bezweifelt werden. Allerdings liegt imFortsetzungsraster der Frage auch die Chance, den Punkt für sich zugewinnen. Kritisch wird es dann allerdings für den Angesprochenen, wenn ertatsächlich keine befriedigende Auskunft geben kann. Die argumentativ-nachhakende Frage von H3 soll also auch den Partner AF auf eine Positionfestlegen.

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Nach dieser Darstellung der argumentativen Struktur und ihrer sprach-lichen Markierung möchte ich noch auf zwei Aspekte eingehen, welche diePartikelhäufung bedingen mögen.

Kompetitives Gespräch

Im Gesamtzusammenhang spielt zunächst die Verhärtung der Fronten einewesentliche Rolle für die Redundanz, die durch die ausgebaute Anwen-dungsstruktur zu Tage tritt. Die Häufung der Partikeln scheint zu indizieren,daß die Interaktionsmodalität besonders kompetitiv ist: Die Positionen derbeiden Sprecher haben sich kaum angenähert; im Gegenteil, H3 steigert sichim Verlauf des Hörergesprächs immer mehr in seine kritisch-negativeHaltung hinein, was auch auf seine emotionale Anteilnahme schließen läßt.Auch sein Gegenüber AF verteidigt seine Position sehr vehement, wenn auchrhetorisch geschickter. Keiner der Interaktanten ist bereit, auch nur einArgument des anderen gelten zu lassen. In dieser Phase des Gesprächs istalso eine Aushandlung bzw. Annäherung unwahrscheinlich.

Prinzipiell werden in jedem Beitrag starke konditionelle Relevanzengesetzt, und es liegt eine gesteigerte Anteilnahme beider Sprecher vor. DieHäufung von Partikeln bzw. die Ausdehnung der Anwendungsstrukturkorreliert also nicht nur mit einer komplexen Relevanz- undArgumentationsstruktur, so wie sie in diesem Beispiel vorliegt, sondernindiziert auch, daß sich das Gespräch in einer besonders kompetitiven Phasebefindet. Bei der Kombination mehrerer Diskurspartikeln kann zwar jedeeinzelne eine spezifische Rolle spielen, die Funktionen der Partikelnergänzen sich jedoch auch. Die Funktionen ihrer Gesamtgestalt dürften überdie Summe der Funktionen jeder einzelnen hinausgehen. Auf größereZusammenhänge der Interaktionskonstitution zu achten, scheint in diesenFällen besonders wichtig.

Ideolektaler Gebrauch

Die Mehrfachmarkierung mag zum zweiten auch ideolektal bzw. stilistischbegründet sein: H3 hat zwar bisher immer sehr schwerwiegende Kritikgeäußert, die wesentlich aggressiver klang, als die Stellungnahmen dervorigen Anrufer. Seine Beiträge wirken jedoch teilweise umständlich und,zumindest im Vergleich zu AF, rhetorisch weniger gewandt.13 Er verwendetdabei auch Partikeln und komplexere Marker, die nicht immer aufFormulierungsschwierigkeiten hinweisen, sondern teilweise auch durch einekomplexe Planungsstruktur seiner Äußerungen bedingt sind; dazu gehörenportanto, pronto, sei lá, olhe und andere mehr. Die ausführliche Anwen- 13 Damit ist keine Bewertung seines Sprechens intendiert; da der Hörer viel zu sagen hatte

und für seinen Gesprächspartner durchweg unangenehme Kritik äußerte, ist seineAusdrucksweise auch unter dem Aspekt der Abschwächung zu sehen.

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dungsstruktur ist also typisch für den Sprecher. Ich gehe davon aus, daßgerade Partikeln und bestimmte metakommunikative Signale sehr stark aufeine ideolektale Verwendung zurückgehen können. Für manche Sprecherscheint der (verstärkte) Gebrauch von einer oder mehreren Partikeln zumin-dest phasenweise und wahrscheinlich auch abhängig von der Gesprächs-rahmung manchmal ganz typisch zu sein. Zum Beispiel verwendet derSprecher A.S. (H3) in seinem kritischen Beitrag auffällig häufig de facto.

Man kann hier WODAK folgen, die in einer Untersuchung zur Beziehungzwischen Müttern und Töchtern festgestellt hat, daß unterschiedliche Ver-wendungen von Partikeln mit unterschiedlichen Erziehungsstilen zusam-menhängen. Dies ergibt sich aus folgenden Eigenschaften der Partikeln:

Partikeln dienen […] zum Ausdruck von Gefühlen, auf textlinguistischer wie auchphonologischer Ebene, schwächen tabuisierte Inhalte ab, sind stark themenabhängig.14

Insgesamt könne man die Verwendung von Partikeln unter Berück-sichtigung von Textsorte (Interaktionstyp) und Themenwahl auch aufpsycho-soziale Gegebenheiten zurückführen:

Die Partikelverwendung ist von einer Menge soziologischer und psychologischerFaktoren der Sprecher abhängig und nur im Gesamtkontext einer Gesprächssituationverstehbar.15

6.2 Diskurspartikeln und Interaktionstyp

6.2.1 Partikeln in einer politischen Diskussion

An einigen Beispielen möchte ich nun zeigen, daß die Verwendung be-stimmter Partikeln abhängig vom Interaktionstyp ist und daß Partikeln auchals Hinweise auf die soziale Rahmung gelten können. Umgekehrt kann ineiner spezifischen Kommunikationssituation der Gebrauch bestimmter Parti-keln auch als unangemessen gelten (s. Kap. 6.2.2.4).Die Teilnehmer der Debate verwenden auf der Ebene der Gesprächsorga-nisation eine Reihe von Signalen und metakommunikative Formen. Mit ihnenkontextualisieren sie die spezifische (soziale) Rahmung der Interaktion aufder Ebene der Gesprächsorganisation. Auffällig ist neben der häufigen Ver-wendung von desculpe, das auch in den beiden o.a. Beispielen erscheint, derGebrauch einer Reihe von interaktionalen Partikeln und ausgebauteren ste-reotypen Phrasen. Dazu zählen explizite, hörergerichtete Steuerungssignaleund Routinen wie dá-me licença, se me permite, deixe-me (só) dizer/colocar,

14 Wodak (1983: 209).15 Wodak (1983: 203).

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se faz favor, eu peço desculpa, die häufig der Absicherung des Rederechts beiStörungsversuchen, aber auch der Erkämpfung des Turns dienen. Sehrregelmäßig wird o (oder ó) senhor doutor/professor, häufig in Verbindungmit verschiedenen der o.g. Signale und in einer verschliffenen Realisierunggeäußert. Diese Ansprache dient der Turn-Eröffnung oder Aufmerksamkeits-steuerung allgemein, in wiederholter Realisierung als Unterbrechungssignal.Komplexe metakommunikative Äußerungen wie peço-lhe que não meinterrompa oder permita-me que eu lhe digo uma coisa sind ebensogebräuchlich. Weitere interaktionale Ausdrücke i.S.v. SCHMIDT-RADEFELDT(1994), die v. a. turn-intern erscheinen, sind não se esqueça de, perdoe, eudevo dizer-lhe que, devo dizer também que, desculpe que lhe diga, se querque lhe diga, sabia-se que, como sabe, já se sabe que, toda a gente sabe queund andere mehr. Wegen der ausgebauten Struktur können die meisten derhier genannten Signale verschiedene slots füllen. In Eröffnungen vonBeiträgen treten diese Anwendungsstrukturen am häufigsten auf.16

Als gliedernde Eröffnungssignale realisieren die Sprecher der Debate v. a.die Diskurspartikeln bem (s. Beispiel 35, Z. 10), bom, ora oder ora bemsowie sehr häufig auch den Marker mas. Weniger häufig finden sichSchlußsignale. Diese Gliederungssignale sind nicht beziehungsmarkierendwie die interaktionalen Partikeln oder Ausdrücke. Sie scheinen wenigerdeutlich eine offene Hörer- und Situationssteuerung zu bewirken als vielmehrauf die Themenentwicklung des Diskurses bezogen zu sein. Nach ihnenerfolgt häufiger eine kurze Pause, und in der Regel weisen sie eineIntonationskurve nach unten auf, was sich im untersuchten Korpus häufigzeigt. Sie sind dabei jedoch nicht nur „Verzögerungs- oder Häsitations-phänomene“, die „wie der eigentliche Pausenmarkierer ah die Einheit desTextes erhalten helfen“, indem sie dem Sprecher „die Sammlung derGedanken“ gestatten und dem Hörer signalisieren, daß es weiter geht.17

Darüber hinausgehend läßt ihr häufiger Gebrauch den Diskurs auch sach-bezogen erscheinen, da sie primär nicht auf die aktuelle Sprechsituationverweisen. Ihre Verwendung indiziert damit ein distanziertes Verhältniszwischen den Partnern bzw. reguliert den Distanzgrad entsprechend. Werdensie als Eröffnungssignale von zweiten Teilen von Frage-Antwort-Sequenzenverwendet, signalisieren sie nicht nur eine Aufrechterhaltung des Fokus,sondern auch (teilweise strategische) Kooperativität. Innerhalb eines Beitragsdienen sie auch der Argumentationssteuerung.

16 Viele der genannten Diskurssignale und Marker sind auch in den untersuchten

Radiodiskursen vorzufinden, allerdings häufiger in den Beiträgen der Studiogäste. Sobedient sich der Leiter des SIC-Senders besonders oft expliziter Gesprächs-Routineformeln. Ihr vermehrter Gebrauch läßt auf eine gewisse rhetorischeGrundfertigkeit schließen.

17 Vgl. Rudolph (1994: 274).

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Neben diesen Partikeln erscheinen in der Debate zuletzt eine Reihe vonargumentativen Markern wie efectivamente, de facto, portanto, eu acho que,eu penso und também sowie agora. Bei den meisten Signalen ist vonFunktionsüberschneidungen auszugehen. Auch die ausgebauten Anwen-dungsstrukturen in der Debate dürften neben anderen die Funktion derÜberbrückung und Verzögerung erfüllen; gerade die längeren Routine-formeln geben dem Sprecher Zeit für die Planung seiner Äußerung.18

Am häufigsten von allen Signalen, zumindest in den Phasen, in denenbesonders hart um das Rederecht gekämpft wird oder viele Störungen undEinsprüche erfolgen, erscheint desculpe. Es wurde bereits angedeutet, daßdesculpe in der Debate ähnliche Funktionen wie olhe hat. Im zweiten o.a.Beispiel steht sie in einem Turn, der vom Gesprächspartner gestört wird:

F.A. ó se’ or ‘tor em relação òs A… desculpe – /ó pá/ – que não m’interrompa se’ o’tor

Dabei markiert sie den Abbruch der begonnenen Struktur und signalisiertgleichzeitig die Redefortsetzung. Eine höfliche Markierung scheint dabeikaum noch relevant zu sein, vielmehr wird ein impliziter Vorwurf an denPartner gerichtet, der die Störung ausgelöst hat. Im ersten Beispiel steht sie ineiner Unterbrechung, allerdings nicht in Eröffnungsposition wie olhe:

F.A.: [não foi o se’or ‘tor – desculpe – XM.S.: [não – eu ganhei-o – mas eu ganhei-o – vim – e cheguei – depois de trinta anos

Nach einem expliziten Widerspruch auf den letzten Fremdbeitrag beigleichzeitigem Sprechen erfolgt desculpe in die Stille hinein, danach setztwieder gleichzeitiges Sprechen ein (Z. 3/4). Es ist also anzunehmen, daß derSprecher seinen Einspruch noch weiter ausführen wollte. Die Form markiertdie erfolgte Unterbrechung weniger ‘höflich’, vielmehr scheint auch hierprimär die fortgesetzte Beanspruchung des Rederechts Ziel zu sein. DieseInterpretation drängt sich auf, da sehr viele Unterbrechungen in derInteraktion mit desculpe markiert werden. Überdies steht sie in reaktivenUnterbrechungen, die eine Zurückweisung der Hörerposition mit oft starkenGesichtsbedrohungen beinhalten.

In solchen Fällen, in denen offensichtlich die Regeln des institutionellspezifischen Sprecherauswahlsystems verletzt werden, steht also nicht einetatsächlich höfliche Strategie und schon gar nicht ein Entschuldigungsakt imVordergrund, sondern die Form wird umfunktionalisiert zu einem allenfallsnoch strategischen Marker der Höflichkeit oder Formwahrung. Welcheweiteren Funktionen im einzelnen desculpe haben kann, wenn es nicht mehrprimär der Entschuldigung (wörtliche Funktion), sondern nur noch einer

18 Es darf nicht vergessen werden, daß es sich bei der Debate um eine institutionelle, sehr

spezielle Interaktion handelt und, abgesehen von der rhetorischen Fertigkeit der Politikerwie auch der Moderatoren, die Sprachverwendung den Regeln der politischenArgumentation folgt.

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mehr oder weniger schwachen Höflichkeitsmarkierung dient, soll in dennächsten Kapiteln gezeigt werden.

6.2.2 Desculpe in institutionellen Interaktionen: Höflichkeitsmarkerund Funktionsverschiebungen

Die Form desculpe findet in seiner wörtlichen Bedeutung Verwendung ineinem spezifischen Sprechakt, der Entschuldigung. Davon leitet sich seineFunktion als Höflichkeitsmarker ab. Im folgenden möchte ich einigeVorkommen besprechen, die zeigen, daß desculpe auch eine Reihe andererFunktionen auf der Ebene der Gesprächsorganisation erfüllen kann.Inwieweit die höfliche, abmildernde bzw. reparierende Komponente dabeinoch im Vordergrund steht, hängt jeweils vom Kontext ab.

Besonders produktiv ist desculpe als Signal mit organisierender Funktionin den argumentativen Diskursen meines Korpus. In der Debate scheint esaber strategisch zum Teil völlig umfunktionalisiert zu werden, denn es wirdnicht nur stark ritualisiert zur „Wahrung des Tons“ verwendet, sondern auchgehäuft und stereotyp in „unabgeschwächten“ Sprechhandlungen, etwaUnterbrechungen, eingesetzt.

6.2.2.1 Abmilderung, Entschuldigung, Reparatur

Zunächst möchte ich auf die Verwendung vom desculpe in denRadiodiskursen eingehen. Besonders häufig gebraucht der Moderatordesculpe in solchen Aktivitäten, die der Steuerung der Rederechtverteilungdienen. So tönt er mit desculpe ganz allgemein Unterbrechungen ab sowieBitten, Ermahnungen oder Aufforderungen an die Anrufer, sich in ihrerRedezeit zu beschränken oder ihren Beitrag abzuschließen. Auch Erinne-rungen an die fortgeschrittene Sendezeit, die den gleichen Zweck erfüllen,markiert er mit desculpe.

Im folgenden Fall schließt desculpe eine metakommunikative Äußerungab, die den Hörer aufmerksam macht, daß seine Redezeit nur begrenzt ist:

Beispiel 28: Interaktion im Radio, Fórum TSF, ‘O 28 de Setembro 1974’(Moderator, 2. Anrufer F.F.)

H2: e fui ter com todas as revoluçõezinhas que seguiram ao 25 de avril e que para mim,1

H2:

M:

e eu julgo para a maioria das pessoas da minha idade não ( ). > > > > > eu pedia, eu pedia que fosse / eu pedia que

2

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H2:

M:

( ) o que o que queria, o que eu

fosse breve desculpe tem/ temos mais ouvintes à espera.3

H2: tinha que propor em comum convosco era, . . eu tenho a ligeira sensação sempre4

Dem Ausschnitt aus dem 2. Hörergespräch ging eine längere, durchFragen des Moderators gesteuerte Begrüßungs- und Vorstellungsphasevoraus. Der in F. 1/2 dargestellte Beitrag stellt den letzten Teil einer Antwortauf eine Frage dar, mit der H2 vom Moderator unterbrochen worden war.19 H2scheint das Thema nun selbst steuern und expandieren zu wollen (que paramim), denn seine Sicht der Dinge (er spricht hier für seine Generation) hatteer schon einmal einbringen wollen. Bevor er jedoch zur Abarbeitung desKernschemas „Meinungsabgabe“ kommt, unterbricht der Moderator ihn nocheinmal und ermahnt ihn zur Kürze. Da er mit seinem Turn an einerirregulären Stelle dazwischenkommt, findet gleichzeitiges Sprechen statt. DerModerator wiederholt die Einleitung seiner Bitte eu pedia eu pedia que fosse.Als ein TRP eintritt, setzt der Moderator nochmals mit dem Beginn seinerBitte an und führt die Äußerung dann fort. Vor Abschluß ist es dann derAnrufer, der den Turn vorzeitig übernimmt.20

Die mit dem performativen Marker eu pedia que gekennzeichnete Bittewird durch desculpe abgeschlossen. Desculpe ist im Turn intonatorisch völligeingebunden und prosodisch sehr schwachtonig realisiert. Der Tonfall derÄußerung wirkt beiläufig, der gesamte Beitrag wird mit einer hohenGeschwindigkeit vorgebracht. Dieses Sprechtempo ist typisch für dieÄußerungen des Moderators, v. a. für Unterbrechungen oder Zwischenfragen.Die Äußerungsform impliziert ein „Drängen“. Nach desculpe erfolgt eineBegründung für die Bitte, die an die spezifische Sprechsituation erinnert.

Durch die schwache prosodische Markierung erscheint die Entschul-digungsformel wenig markant, dennoch repariert sie die Unterbrechung.Weitere Mittel der Gesichtsschonung sind die illokutionäre Ankündigung(pedia) und der Einsatz eines entsprechenden Verbmodus (konditionalesImperfekt). Insgesamt wirkt die Aufforderung angemessen. Die ausgebauteAnwendungsstruktur der Bitte sowie das schnelle Hervorbringen des Beitragsschwächen also die Ermahnung als höflich ab. Durch die anschließendeBegründung wird die Unterbrechung gerechtfertigt.

Daß hier verstärkt Abschwächungsmittel eingesetzt werden, liegt jedochvielleicht nicht so sehr daran, daß die Unterbrechung per se unhöflich ist,

19 Die Fragesequenz zeigt Beispiel 16.20 Leider sind bei gleichzeitigem Sprechen die Anruferbeiträge kaum bis überhaupt nicht

verständlich.

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denn gemäß seiner Rolle kann der Moderator den Hörer auffordern, sich kurzzu halten, und, wenn er es für notwendig erachtet, auch unterbrechen, was erauch sehr häufig praktiziert. Daß er jetzt auf einmal zur Eile mahnt, erscheintindessen nicht ganz fair, weil es der Moderator selbst war, der den Hörerlange nicht zu Wort kommen ließ und Expansionen durchgeführt hat, die eherder Unterhaltung dienten als der Behandlung des Themas.21 Daher könnteeine weniger abgeschwächte Ermahnung in diesem Zusammenhanggesichtsbedrohend sein.

Ebenfalls höflich abtönend erscheint folgende Markierung einesMetadiskurses mit desculpe aus dem Radiokorpus:

Beispiel 29: Interaktion im Radio, Fórum TSF, ‘Televisão Privada’,Hörergespräch (1. Anruferin, Aurélio Freire)

AF:

H1:

eu acho eh que nunca vivemos tão bem eh como na situação actual, eh: temos

não não1

AF:

H1:

quatro canais de televisão não não, esse não é o seu caso

não mas esse não é o meu caso, desculpe interromper, esse não e´o meu caso,2

In diesem ersten Hörergespräch der Sendung herrscht eine freundlicheAtmosphäre. Auf ein Argument von AF meldet die Anruferin H1 mit não nãoeinen Widerspruch an; der momentane Sprecher bricht jedoch nicht ab.Daraufhin schaltet sich H1 mit einem Beitrag dazwischen, den sie mit nãomas eröffnet und somit als Widerspruch markiert. Mit diesem Beitrag weistsie die Gegenargumentation von AF zurück, indem sie dessen Fehlinter-pretation ihrer Position korrigiert. Den Zug schließt sie mit der metakommu-nikativen Entschuldigung desculpe interromper ab. AF hat bereits abge-brochen, woraufhin die Anruferin nochmals ihre Position klarstellt. Hier hatdie Form desculpe primär eine Reparaturfunktion mit höflicher Markierung.

6.2.2.2 Ankündigung einer Störung und Einspruch

Daß die Entschuldigungsformel desculpe auch die Ankündigung einer Stö-rung impliziert, wurde bereits besprochen, allerdings an einem konstruiertenBeispiel.22 Diese vorgreifende Reparatur kann auch umfunktionalisiert

21 Insbesondere hat er über das Alter des Anrufers Vermutungen angestellt, sich diese

bestätigen lassen und mehrfach kommentiert („era um bebé há vinte anos“).22 Vgl. (2), S. 120.

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211

werden, wenn desulpe die Störung nur noch strategisch abschwächt. Nichtzuletzt auch wegen seiner aufmerksamkeitssteuernden Funktion kanndesculpe – ähnlich wie olhe – als Unterbrechungssignal eingesetzt werden:

Beispiel 30: Radiokorpus, TSF-Fórum, ‘O 28 de Setembro 1974’(Moderator, Gast, 2. Anrufer F. F.)

M:

H2:

G:

informativo

diga. \ – \ ó ó ó F F desculpe lá, quando você diz, . . revoluçõezinhas, . já stá, .

1

H2:

G:

com certeza, com certeza.> > > > >desculpe lá a minha frontalidade mas eu nunca deixei nada do: (do aquilo) que eu

2

H2:

G:

desculpe \ <-------------- \ /\ . . . .pensava. . . quando você diz revoluçõezinhas, . já está a qualificar negativamente

3

H2:

G:

– desculpe

pelo processo,. já stá: . já tá a ser mais ( ) mais objectivo que eu próprio4

H2:

G:

desculpe não é a minha intenção excusar minimamente o que se pass/ o \intendo. eeh

5

In F. 2 verwendet der Sprecher G. desculpe lá nach der Ansprache desHörers, diese Sprechhandlung dient der Aufmerksamkeitssteuerung und höf-lichen Redebeanspruchung. Der Hörer reagiert und überläßt mit diga demPartner das Rederecht. Das folgende desculpe lá innerhalb des Turns von G.markiert illokutionär einen Einschub mit reparierender Funktion: DerSprecher entschuldigt sich für eine mögliche Gesichtsbedrohung seinerÄußerung (desculpe lá a minha frontalidade) und begründet sie mit demmas-Zug. Während seines Beitrags verwendet H2 zweimal desculpe, um sicheinzuschalten. Er realisiert das Signal jeweils in der Nähe eines syntag-matischen Abschlusses. Als er endlich an einem TRP zu Wort kommt, leiteter seinen geplanten Widerspruch ebenfalls mit desculpe ein. Im Gegensatz zuolhe ist desculpe wahrscheinlich höflicher, die reparierende Funktion scheintlatent. Wenn allerdings wie in der Debate die desculpe auffallend oft alsUnterbrechungssignal eingesetzt wird, vor allem in Phasen, in denen sehr hartum das Rederecht gestritten wird, dürfte die abschwächende Funktion ver-

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blassen. Nicht zuletzt spielt die Intonation eine entscheidende Rolle für dieDeutlichkeit höflicher, gesichtsschonender Strategien.

Eine Störung in der Interaktion kündigt desculpe auch dann an, wenn esargumentative Einsprüche markiert. Im nächsten Beispiel leitet es ähnlichwie olhe einen Turn ein, der die Aushandlung zum Ziel hat:

Beispiel 31: Debate Televisivo (Mario Soares, Freitas do Amaral)

1 F.A.: […] eu alterei-a na noite do dia 6 de Outubro nessa mesma noiteM.S.: as cartas são clarasF.A.: desculpe mas as cartas são de Novembro – eu alterei no dia seis […]

aus: Trigo (1989:196)

Freitas do Amaral hat hier das reguläre Rederecht (Z. 1). Kurz vorher hatteSoares bereits einen redebegleitenden Kommentar geäußert. Nun unterbrichter nochmals (Z. 2). Darauf hin ergreift Amaral wieder das Wort. Einerseitswird mit desculpe hier ein hörerbezogenes Aufmerksamkeitssignal gesetzt,das genau wie olhe den Turn eröffnet. Zusammen mit mas wird einRückwärts-Konnex hergestellt. Desculpe mas strukturieren dabei einenEinspruch vor. Bestimmte Implikaturen des Vorgängerbeitrags werdenzurückgewiesen, somit der Status des Kommentars als Argument bestritten.23

Desculpe und mas haben eine hochstufend-rückstufende Lokalisierungs-funktion: Der Sprecher kann (inhaltliche) konditionelle Relevanzen nichtübernehmen und will gleichzeitig mit der Zurückweisung diesen Aspektabgehandelt wissen. Daher knüpft er anschließend auch sofort wieder mitzum Teil wörtlicher Wiederholung an seinen vorigen Beitrag an. In dem Zugaktualisiert der Sprecher spezifische Wissensbestände, die als Begründungfür seinen Einspruch gelten. Zusammen mit dem dazwischengeworfenenKommentar bildet die Äußerung also eine thematische Nebensequenz.Desculpe mas funktioniert hier ähnlich wie olhe que. Durch die Positioni-erung von desculpe tritt die Höflichkeitsmarkierung zurück, stattdessen erhältdie Erinnerung eine kritisch-korrigierende Abtönung.

6.2.2.3 Desculpe in Reaktionen auf partnerseitige Störungsversuche

Zur Aufrechterhaltung des Rederechts bei Unterbrechungsversuchen des Ge-sprächspartners verwenden die Sprecher in der Debate häufig komplexeremetadiskursive Äußerungen, die mit desculpe abgetönt werden. Im nächstenBeispiel fungiert desculpe als S c h l u ß s i g n a l eines solchen Zuges:

23 Mit dem Inhalt der Briefe wird etwas unterstellt, was Amaral nicht akzeptiert, weil sie

vom November sind. Es handelt sich also um die Zurükweisung einer konversationellenImplikatur.

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Beispiel 32: Debate Televisivo (Mario Soares, Freitas do Amaral)

1 F.A.: […] e que agora apoiam o doutor Mário Soares – na segunda – foi o único X –M.S.: bem – eu – euF.A.: eu ainda não acabei – s’ o’tor – desculpe – // a – o s’ o’tor fala […]

aus Trigo: (1989: 167)

In Beispiel 32 versucht Soares, auf einen bereits länger anhaltendenBeitrag von Freitas do Amaral zu reagieren. Er versucht offensichtlich, aneiner nicht-regulären Stelle dazwischenzukommen und den Turn zu erringen(bem…), denn es findet gleichzeitiges Sprechen statt (Z.1/2). Obwohl bemselten diese Funktion hat, kann es also auch als Unterbrechungssignaleingesetzt werden. Diesen Versuch registriert Amaral, überläßt Soares abernicht den Turn, sondern verteidigt mit einem metakommunikativen Zug denAnspruch auf Beendigung seines Beitrags (eu ainda…). Es gelingt ihm auch,den Störungsversuch abzuwehren. Die metadiskursive Äußerung wird mit derüberaus häufig von beiden Kandidaten verwendeten Ansprache s’ o’tor(senhor doutor) ausgeleitet. Nach einer kurzen Pause beendet desculpe diemetakommunikative Aktivität. Nach einer kleinen Verzögerung knüpft derSprecher an seine unterbrochene Darstellung an, ah fungiert als über-brückendes Fortsetzungssignal. Die Partikel desculpe terminiert die gesamteSequenz „Störung – Abwehr“, die den Redefluß des Sprechers unterbrach;insofern hat sie in diesem Kontext eine rückstufende Funktion.

Auch im nächsten Beispiel steht die Aufrechterhaltung des eigenen Rede-rechts nach einer Unterbrechung des Gesprächspartners im Vordergrund, hierallerdings eröffnet desculpe den komplexen Metakommentar:

Beispiel 33: Debate Televisivo (Mario Soares, Freitas do Amaral)

1 F.A.: não conseguiu fazer contrato de progresso com ninguém – enquanto foi primeiro -m’nistro – bom – ninguém – ninguém – bom – o doutor…

M.S.: ai s’ o’tor ignora coisas essenciais – ignora coisas essenciaisF.A.: desculpe doutor eu não o interrompi agora agradecia que me deixasse falar – o

5 doutor Mário Soares quer apresentar-se como o campeão do mundo do trabalho […]

aus: Trigo (1989: 202).

Ähnlich wie auch im Beispiel 31 wird auf den Vorgängerzug reagiert,allerdings nicht inhaltlich. Mit dem Metakommentar eu não o interrompi…reagiert der Sprecher auf die Störung durch seinen Gesprächspartner, der eineVerzögerung (bom und Wiederholung) ausgenutzt hatte, um mit einemWiderspruch dazwischenzukommen. Im mit agora eingeleiteten zweitenSchritt des Metakommentars besteht der Sprecher auf seinem Recht, unge-stört reden zu können. Die Partikel desculpe ist in der Verbindung mit derAnsprache doutor wiederum Eröffnungssignal einer komplexen metakommu-

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nikativen Äußerung, die hochstufend wirkt, dabei den Fokus auf die Aus-handlung des Rederechts lenkt. Dem Zug liegt keine primär gesichts-schonende, sondern eher eine nachdrückliche, gesichtsbedrohende Strategiezugrunde. Zum Gebrauch von desculpe tritt als weiteres sprachliches Ab-schwächungsmittel in nächsten Zug das imperfeito mit konditionalerFunktion hinzu. Auch hier funktioniert also die Partikel desculpe eher stereo-typ, erfüllt primär Funktionen auf der Ebene der Gesprächsorganisation.

In einem letzten Beispiel schließt desculpe eine Störungssequenz ab, dieim Gegensatz zu den zwei vorigen Beispielen nicht explizit thematisiert wird:

Beispiel 34: Debate Televisivo (Mario Soares, Freitas do Amaral)

1 F.A.: e tanto é assim que o doutor Mário Soares já por duas vezes propôs ao país umasolução de harmonia entre presidente maioria e Governo – fê-lo – fê-lo em 1980

M.S.: já lhe expliquei isso no último debate expliquei-lhe isso no último debateF.A.: dentro do âmbito da FRS e fê-lo agora em 1985

5 M.S.: lembre-se que eu perguntei e a experiência não vale nada e a experiênciaF.A.: o s’ o’ tor desculpe – e fê-lo agora em 1985 quando se apresentava […]

aus: Trigo (1989: 197)

In einem Abschnitt, in dem Amaral das Rederecht besitzt, kommt Soaresmit einem Kommentar dazwischen (Z. 3). Amaral bricht zwar seinen Turnab, geht aber nicht auf den Kommentar ein, sondern fährt nach Eintritt einesmöglichen TRP in seiner unterbrochenen Rede fort. Soares stellt daraufhineine Zwischenfrage (Z. 5), worauf Amaral wiederum abbricht, dann aber mito senhor doutor desculpe den Unterbrechungsversuch erneut übergeht, umnach einer kurzen Pause mit e und der Wiederholung der abgebrochenenStruktur schließlich an seinen letzten Turn anzuknüpfen. Die Entschuldi-gungsformel signalisiert also ohne Bezug zu einer expliziten Anwendungs-struktur, daß der Sprecher die Störung abblockt. Sie wird zwar nichtthematisiert, aber markiert. Der Fokus des Partners wird weder akzeptiertnoch übernommen, sondern übergangen, die Kommentare von Soares werdensomit implizit als irrelevant zurückgewiesen. Makrosyntaktisch beendetdesculpe die Störungssequenz und hat eine abwählende Funktion.24 DieseRoutine ist ebenfalls kaum als Teil einer höflichen Strategie zu deuten, zu-mindest liegt ihre primäre Funktion in der Aufrechterhaltung und Absi-cherung des Turns. Von der Intonation dürfte abhängig sein, ob desculpeauch überbrückend ist und damit die Fortsetzung der unterbrochenen Rede

24 Auch andere Marker können eine solche Funktion übernehmen, vgl. Trigo (1989: 155):

M.S.: XXX de modo que – acerca disso XXX/hoje/ – bem –F.A.: nomeadamente – eu peço desculpa – – a : nomeadamente – por eu ter sido […]Hier liegt ganz offensichtlich auch eine überbrückende Funktion vor, da Soares vorherbereits mit bem die Beendigung seines Turns signalisiert hat.

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ankündigt. Selbst einen Bruch markieren würde die Signalkombination, wennes erwartet würde, daß der Sprecher Stellung zu den Kommentaren nimmt.Dies scheint Amaral vermeiden zu wollen.25

An dieser Stelle wird deutlich, daß die strikte Verteilung des Rederechts,auf die sich jeder Kandidat dann beruft, wenn es momentan für ihn günstigist, auch teilweise die Möglichkeit einer wirklichen Aushandlung und Koope-ration verbaut.

6.2.2.4 Zusammenfassung: Zum Funktionssprektrum von desculpe

An den Beispielen aus dem institutionellen Korpus wurde deutlich, daßdesculpe verschiedene Funktionen auf der Ebene der Gesprächsorganisationerfüllen kann, die neben seine reparierende Markierung treten oder dieseüberlagern können.

Häufig leitet es Züge ein oder aus, die die Regeln des spezifischen,institutionalisierten Sprecherwechselsystems thematisieren. Insofern kanndesculpe als typischer Reparatur- oder Abschwächungsmarker von meta-diskursiven Äußerungen gelten. Besonders in der Debate wird es sehr oft anStörungsstellen bzw. in solchen Sequenzen verwendet, in denen der Turnumkämpft wird oder Aushandlungen notwendig werden. Es wird auch alsEröffnungssignal für Einsprüche verwendet, die Gesichtsbedrohungen ent-halten. Auch für Unterbrechungen oder zur Redeabsicherung bei Störungs-versuchen des Gegners wird es überaus häufig eingesetzt. Im Radiokorpuswird desculpe insgesamt wesentlich seltener für redeabsichernde Funktionenverwendet, nicht, weil dort seltener Unterbrechungen stattfinden, sondernvielleicht, weil eine asymmetrische Gesprächssituation vorliegt: der Mode-rator, aber auch Studiogäste sind berechtigt, zu unterbrechen, die Anruferhalten sich in dieser Hinsicht eher zurück. Die Politiker hingegen nehmengleichwertige Rollen ein und fallen sich oft ins Wort; andererseits pochen sie,wenn sie gerade den Turn halten, auch auf ihr Rederecht. So kann desculpeauch völlig umfunktionalisiert werden und nur noch stereotyp Höflichkeitmarkieren; ich nehme aber an, daß sogar die höfliche Komponente völligzurücktreten oder sich sogar ins Gegenteil kehren kann.

Gerade, weil andere Unterbrechungs- oder Aufmerksamkeitssignale wie ópa, olhe, oiça, olhe lá, mas olhe nicht verwendet werden, erscheint desculperelativ gesehen in der Diskussion der Politiker weniger höflich markierendals ausgebautere Strukturen wie se me permite, deixe-me só colocar, dá-melicença, se me desse licença bzw. ihre Kombination mit desculpe. Je ausge-

25 Soares erinnert an die gemeinsame Interaktionsgeschichte, die Fernsehdebatte vor dem

ersten Wahlgang. Amaral fürchtet wohl weniger, daß sein Gegener ihm das Rederechtstreitig machen könnte, denn es findet kein gleichzeitiges Sprechen statt, sondern eher,daß ein Eingehen auf die Kommentare zu einem Punktverlust führen könnte.

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bauter die Struktur ist und je deutlicher sie ihre illokutionäre Kraft trägt,desto eher scheint ein sie markierendes desculpe zur Abschwächungbeizutragen. Diese These kann jedoch nur vorläufig gelten, da in der Analyseder Debate die hierfür ebenso wichtige Intonation sowie andere Supraseg-mentalia nicht berücksichtigt werden konnten. Wenn hingegen die Mode-ratoren der Debate, die über das Rederecht wachen, die Partikel verwenden,scheint meistens noch eine Reparatur und Abmilderung mitzuschwingen.

Greift man an dieser Stelle nochmals die Überlegungen von HÖLKER zur„wörtlichen Bedeutung“ und „Transparenz“ von Markern auf, so müßte mannun verschiedene Grade von Deutlichkeit der „Markierung von Entschul-digung/Reparatur“ bei desculpe feststellen können. Vorstellbar wären etwaverschiedene Stufen der Markierung, auf denen die illokutionäre Kraft„Entschuldigung“ oder „Reparatur“ von desculpe durch andere Illokutionenimmer mehr überlagert wird. Dabei dürften die Grenzen jedoch fließend sein.

So lassen sich folgende Funktionsverschiebungen bei desculpe heraus-stellen:

– wörtliche Bedeutung: Ausdruck einer Entschuldigung, Entschuldi-gungsakt

– illokutionäre Markierung einer anderen Handlung als Entschuldigung

– abtönende Markierung metadiskursiver Sprechhandlungen: „höflich“,abschwächend, reparierend

– (höfliche) Ankündigung einer Störung: Reparatur aufgrund vonGesprächsregeln

– strategische, stereotypische Höflichkeitsmarkierung: Reparatur nichtmehr vorhanden.

Als gesprächsorganisierende Funktionen von desculpe konnten in Abhän-gigkeit ihrer makrostrukturellen Position und ihrer sequentiellen Umgebungfolgende Funktionen festgestellt werden:

1. Turneröffnend: hochstufendes Aufmerksamkeitssignal,– initiativ-konnektierend: Einleitung einer Störung (höfliche

Ankündigung bis Unterbrechung)– reaktiv-konnektierend: Eröffnung einer Erwiderung (Aushandlung

von Inhalten), Zurückweisung einer Störung (Aushandlung/Verteidigung des Rederechts, Störung wird thematisiert)

2. Unterbrechungssignal3. Signal der Rede-Fortsetzung nach Unterbrechungsversuchen

(Übergehen der Störung)

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4. Turn-intern: (strategischer) Höflichkeitsmarker für komplexereAnwendungsstrukturen oder matadiskursiver Sprechhandlungen,häufig in Kombinationen mit anderen Partikeln oderAufmerksamkeitssignalen

5. Schlußsignal mit terminierender Funktion: Abwahl/Beendigungeiner Störungssequenz

6.2.3 Stilistische Markierung durch Partikeln

So wie desculpe als „angemessen“ in einer politischen Debatte erscheint, sogibt es auch Partikeln, die in einer solchen Rahmung unangemessen sind.

Beispiel 35: Debate Televisivo (Mario Soares, Freitas do Amaral,Margarida Amarante, Miguel Sousa Tavares)

1 M.S.:[…] houve o cambate pela democracia qu’ [eu ganhei no 25 d’Abril – ganhei-o – XF.A.: [não foi o se’or ‘tor – desculpe – XM.S.: [não – eu ganhei-o – mas eu ganhei-o – vim – e cheguei – depois de trinta anos

5 de luta contra o regímen – / um / o regímen que – ditatorial – eu – chegeui à minhaterra como vencedeor – e fui assim interpretado por tod’ à gente – incluindo pelose/nh/or doutor

F.A.: [olhe que nãoT.: [ganhámos todos

10 M.S.: bem – ganhámos todos – mas o país o país ganhouT.: s’ o’tor Mário Soares – não o quero deixar – vamos XF.A.: o s’ o’tor não se deve apropriar – não se deve apropriar das coisas – que foram

feitas por todos – e que não foram feitas [por si : XM.S.: [mas eu não m’ aproprio – ó senhor doutor – eu não estou ‘a – ó senhor iss’ é

15 um expediente – isso é um expedienteT: meus senhores – meus senhores não s’ apropriem da sequência do debate dessa

forma X –

aus: Trigo (1989:179f.)

In dieser kontroversen Debatte zwischen den politischen Gegnern ist einegemeinsame Aushandlung von Bedeutungszuschreibungen oder Deutungeninnerhalb eines mehr oder weniger übereinstimmenden Relevanzsystems wiein manchen Passagen der Hörergespräche nicht möglich.26 Die Strategien derTeilnehmer laufen auf eine Distanzierung vom Gegner und die Demontageseines Images hinaus. Die Argumentationssteuerung der Beteiligten zieltdarauf, die Zuschauer von der eigenen Glaubwürdigkeit zu überzeugen, die

26 Selbst wenn es inhaltliche Übereinstimmungen gäbe, würden sie so dargestellt, daß sie

kontrovers erscheinen.

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des Gegners anzugreifen und durch die Demonstration eigener LeistungenPunkte zu sammeln.

Vor diesem Ausschnitt ging es schon über mehrere Sequenzen hinweg umdas Verhalten der Kandidaten in der Zeit der Diktatur und um ihren Beitragzur Revolution vom 25. April 1974.27 Die Diskussion ist momentan in einerbesonders aufgeheizten Phase, was an den relativ häufigen Turnwechseln,Unterbrechungen und den damit verbundenen, z.T. längeren Überlappungenfestgestellt werden kann. Es wird härter ums Rederecht gekämpft, und beideModeratoren sind öfter zum Eingreifen gezwungen. Das Transkriptbeispielsetzt ein mit einem Beitrag von Soares (M.S.), der hier nicht vollständigwiedergegeben ist. Nachdem Soares versucht hat, seinem Gegner die politi-sche Glaubwürdigkeit in der Demokratie abzusprechen (não se pod’ esquecero passado), kontrastiert er geschickt öffentliche Äußerungen von Freitas doAmaral (F.A.) (o s’ o’tor diz a coragem e … diz a paz e fala na paz etc.) mitseinen eigenen Taten im Kampf um die Demokratie am 25. April (Z. 1). Diesweist Freitas do Amaral zurück (Z. 3). Soares läßt sich nicht unterbrechenund belegt seine Behauptung mit fui assim interpretado. Sein nächstesArgument, daß Amaral einst selbst dieser Auffassung gewesen sei, weistdieser nun energisch mit olhe que não zurück. Nun kommt der Moderator mitder Bemerkung, daß alle gewonnen hätten, dazwischen, woraufhin Soareseinlenkt. Obwohl der Moderator versucht, dem Gespräch eine andere Rich-tung zu geben (vamos, Z. 11), ist für Amaral das Thema noch nicht beendet.Er expandiert seinen ersten Widerspruch mit der Behauptung, daß Soaressich nicht eine Errungenschaft aller zuschreiben könne. Diesem Einwurfwiderspricht Soares wieder. Nun schaltet sich der Moderator erneut ein undermahnt die Kandidaten zur Einhaltung der Spielregeln.

In dieser Gesprächssituation versuchen beide Teilnehmer immer wieder,mit Unterbrechungen das Rederecht zu erstreiten, um sich gegen Angriffe zuwehren. In obigem Beispiel werden zwei unterbrechende Zurückweisungenmit unterschiedlichen Signalen markiert, einmal mit turn-internem desculpe(Z. 3, s. u.) und einmal mit eröffnendem olhe (Z. 8).

27 Bei dieser Präsidentschaftswahl soll zum ersten Mal ein Nicht-Militär als Staatspräsident

gewählt werden. Politische Vergangenheit ist auch sechs Jahre nach der Diktatur einheikles Thema, denn politische Korrektheit wird in Portugal sicher auch am Verhaltenwährend dieser Zeit gemessen. Dies zeigt sich in der vorausgegangenen Diskussion:Mario Soares hat Freitas do Amaral vorgeworfen, während der Diktatur der schweigendenMehrheit angehört zu haben, nichts für die Revolution getan zu haben und erst nach derRevolution auf den Weg der Demokratie gekommen zu sein. Freitas do Amaral ist indieser Phase der Debatte in einer Verteidigungsposition; er kontert, daß er erst nach dem25. April politische Ämter, die ihm auch schon während der Diktatur angetragen wordensind, angenommen habe. Außerdem verwahrt er sich dagegen, als Unpolitischer währendder Diktatur zum Bürger zweiter Klasse gestempelt zu werden. Er beschuldigt Mitarbeitervon Soares’ Wahlkommission, sich viel später erst zur Demokratie bekannt zu haben.

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Olhe markiert den Turn als relevante Reaktion auf die unmittelbar voraus-gegangene Sprechhandlung. Die dort geäußerte Behauptung wird als nicht-zutreffend zurückgewiesen, es handelt sich also um ein Dementi. DemSprecher Amaral droht mit der Behauptung Soares’ eine Unglaubwürdig-keitszuschreibung, denn wenn er tatsächlich früher die Einstellung hatte, daßSoares als Sieger über die Diktatur zurückgekehrt sei, dann ist seine nunmehrverfolgte Argumentationslinie nicht mehr konsistent. Überdies hätte er damitfür Soares positive Imagearbeit geleistet, was hier keinesfalls sein Ziel seinkann. Um dies abzuwenden, muß er die Behauptung Soares augenblicklichzurückweisen. Der drohende Punktverlust ist also Auslöser für die Unter-brechung. Die Partikel dürfte in diesem Kontext neben der argumentativenSignalfunktion und Relevanzsetzung auch gesteigerte (emotionale) Betei-ligung indizieren, die allerdings ohne Angaben zur Prosodie nicht eindeutigbestimmt werden kann. Die Konstruktion mit que, die der emphatischenHervorhebung des Widerspruchs dient, kann ebenfalls als Marker einergesteigerten Involviertheit gelten.28 Die Relevanzhochstufung durch olhezielt darauf, den Punktgewinn für Soares zu verhindern und der von ihmbeabsichtigten Fokusabwahl entgegenzusteuern. Diese Strategie belegt auchdie spätere Expansion des Einspruchs.

Abgesehen von diesen Funktionen, die mit den bisherigen Ergebnissenübereinstimmen, hat die Partikel jedoch noch eine weitere Markierungs-funktion, die die soziale Rahmung betrifft. Bei der Auswertung des voll-ständigen Transkripts fällt auf, daß olhe in der gesamten Debatte nur dieseseine Mal erscheint. Hingegen verwenden die Sprecher in den einschlägigenslots eine Reihe anderer Signale und Ausdrücke. Auffällig häufig erscheintetwa der Höflichkeitsmarker desculpe, der auf der Ebene der Gesprächs-organisation ähnliche Funktionen wie olhe trägt (s. u.). Die hier in der Debateeinmalige Verwendung von olhe ist also absolut auffällig, auch insofern, alssie in einer besonders heißen Diskussionsphase eingesetzt wird. Angesichtsder einmaligen Verwendung in dieser institutionellen Kommunikation dürftedie Diskurspartikel olhe als s t i l i s t i s c h m a r k i e r t gelten und ihrGebrauch auf eine Abweichung von bestimmten Normen schließen lassen.Sie scheint jedenfalls nicht typisch für die Rahmung „Fernsehdiskussion mitPräsidentschaftskandidaten“ zu sein.29 Daher wirkt sie wie ein „Aus-rutscher“.30 Der Gebrauch von olhe läßt sich also mit Vorsicht dahingehend 28 Die Konstruktion olhe que könnte auch als Verkürzung von olhe porque gedeutet werden,

auch dann ist jedoch eine wörtliche Interpretation nicht möglich. Vgl. hierzu auch dieBesprechung der Partikelkombination in Kap. 0, Beispiel 25.

29 Es wäre auch möglich, daß olhe nicht dem Individualstil der beiden Politiker entspricht.Da aber auch die Moderatoren olhe nie verwenden, ist es wahrscheinlicher, daß dieseDiskurspartikel der Rahmung nicht angemessen ist.

30 Der Eindruck mag beim Hören/Sehen der Sequenz ein anderer sein; die Interpretation giltangesichts der eingeschränkten Rezeptionsmöglichkeit unter Vorbehalt.

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interpretieren, daß ein unhöflicheres Signal gesetzt wird und damit die indiesem Rahmen geltende Distanzgrenze zum Interaktionspartner – bewußtoder unbewußt – überschritten wird.

Eine ähnliche Überschreitung kann man in Beispiel 26 feststellen, als AFanstelle eines olhe ein olha äußert (F. 2). Ebenfalls unangemessen bzw.unhöflich erscheint die Verwendung der Partikel pá, die ebenfalls nur einmalin der Debate verwendet wird:

Beispiel 36: Debate Televisivo (Mario Soares, Freitas do Amaral)

1 M.S.: o doutor Mot’ Àmaral diz o contrário – X – em relação ‘ós Açores ele /aceitouesse/ – es… – – – X // ó se’ o’tor – – ´s se’o’tor – – //

F.A.: ó se’ or ‘tor em relação òs A… desculpe – /ó pá/ – que não m’interrompa se’o’tor – em relação ‘òs Açores o acordo foi óptimo –

aus: Trigo (1989: 223)

Die Partikelkombination ó pá ist als eigener Akt mit emotiver Funktion(ärgerlicher Ausruf) zu werten, trägt aber zusätzlich die Funktion eines star-ken Aufmerksamkeitssignals. In der folgenden Aufforderung, ihn (gefälligst)nicht zu unterbrechen, fordert der Sprecher sein Rederecht explizit ein. Hierwird deutlich, daß bei einer hochgradigen Markierung die Grenzen zwischenDiskurspartikel und selbständiger Sprechhandlung durchaus fließend sind.

Das Segment ó pá ist abgesetzt und wird lauter ausgesprochen. Die Formpá ist ähnlich wie olhe im vorigen Beispiel in der Debate Indikator für einebesonders starke emotionale Beteiligung. Man kann sagen, daß der Sprechermit olhe und pá die Spielregeln der Performanz in dieser Rahmung übertrittoder die Formen eingesetzt hat, weil die Spielregeln in einem aus seiner Sichtnicht mehr zu ertragendem Maß überschritten worden sind. Es liegen alsostarke Brüche vor. In Alltagskonversationen trägt pá hingegen nicht notwen-digerweise eine emotive Markierungsfunktion, es kann als Schlußsignalähnlich wie olha/olhe völlig unmarkierte Gesprächsfunktionen übernehmen.In den Radiodiskursen erscheint pá höchst selten, ist dort also auch stilistischstärker markiert, während die Partikel olhe relativ frequent von allen Betei-ligten eingesetzt wird, sowohl als Eröffnungs- wie auch Unterbrechungs-signal mit Relevanz- und argumentativer Markierungsfunktion.

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6.3 Modalpartikel oder Eröffnungssignal?Zur Problematik von e

Das Vorkommen von e als Erzählsignal mit den Funktionen der Reihung oderder Verknüpfung wurde in der Analyse des Beispiel 1 (siehe S. 86) bereitsbesprochen. FRANCO (1991) hat eine weitere Funktion festgestellt, die er alsModalpartikel bestimmt. Er beschreibt zwei Vorkommen von e alsModalpartikel, einmal in Totalfragesätzen, zum zweiten in Ergänzungs-fragesätzen. In der Verwendung in Satzfragen entspreche die Bedeutung vone der dt. Modalpartikel auch, in Ergänzungsfragen dem dt. denn. ZurErklärung der ersten Variante gibt FRANCO ein konstruiertes Beispiel mitfolgender Erklärung an:

Consituação: Os amigos A e B estão a falar de planos para as férias. A adianta que daí adois dias toda a família vão no velho carro para o Algarve – ao que B reage:

E mandaste fazer a revisão ao carro?É que B duvida de que A tenha pensado em tudo o que é necessário ou também naquiloque B julga ser indispensável e exprime a sua dúvida ou, pelo menos, certa reserva emrelação a determindadas medidas tomadas por A. […] Por outros palavras: com a PM[partícula modal, I.K.] e, B estabelece uma ligação entre o seu enunciado e ospressupostos do enunciado anterior de A; mas pondo em dúvida precisamente um dessespressupostos, concretamente: a condição suficiente, B dá expressão a certa preocupação,esperando, todavia, que a resposta à pergunta que fez seja afirmativa. Senão talveztambém não tivesse sequer feito a pergunta.31

Die Funktion der Partikel besteht also nach FRANCO in der Herstellungeines Konnex zu Präsuppositionen, wobei eine bezweifelt wird.32 Gleich-zeitig hat die e-Frage einen Tendenzcharakter. Konversationell würde eineKritik impliziert, dadurch wäre die Äußerung in ähnlicher Situation, jedochbei einem asymmetrischen Verhältnis der Gesprächspartner, etwa zwischenVater und Sohn, unangemessen.33 Mehr Informationen über den Gebrauchvon e enthält die Beschreibung dieser Modalpartikel in ihrem Kontextnicht.34 Ableitbar wären natürlich noch eine Reihe weiterer Funktionen, etwain bezug auf das Sprecherwechselsystem, was aber in Anbetracht der Kon-struiertheit des Beispiels ziemlich spekulativ bliebe.35

31 Franco (1991:309)32 Es ist m. E. problematisch, eine Präsupposition ohne die Wiedergabe des Vorgängerturns

einzuführen.33 Franco (1991:310).34 Franco verwendet keine konversationellen Kategorien wie Zugcharatker, obwohl er

Franck (1980) rezipiert hat.35 Es sei dahingestellt, inwieweit die beschriebenen Gebrauchsbedingungen für e

Allgemeingültigkeit erlangen können, wenn das Beispiel auf eine ‘Situation im Kopf des

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Folgende Analyse mag die Funktion von e verdeutlichen.

Beispiel 37: Radiokorpus, TSF, Fórum ‘Televisão Privada’, (Moderator,AC)

AC: no fundo eu acho que é preciso fazer nascer em portugal . uma, uma geração de1

M:

AC:

e não há nenhum=ágora

críticos, . de pessoas que se interessam pelo, . pelo , há2

AC: certamente há certamente,. eu eu não quero os citar ah referir nomes mas há pessoas3

Der Transkriptausschnitt aus der Radiodiskussion „Privatfernsehen“ istTeil eines längeren Beitrages des Sprechers AC, in dem er sich über denMangel an kompetenten TV-Kritikern beschwert. Eine durch eine Formulie-rungsschwierigkeit hervorgerufene Verzögerung (F. 2), indiziert durch dieWortwiederholung und Dehnung von pelo und die verlangsamte Sprech-geschwindigkeit, nutzt der Moderator, um das Rederecht zu ergreifen und ACzu unterbrechen. Auffällig ist die schnelle Sprechgeschwindigkeit in derÄußerung von M. Die aufsteigende Intonation markiert die Äußerung alsFragehandlung und eröffnet damit das Fortsetzungsraster einer Frage-Antwort-Sequenz. Ein anaphorischer Verweis auf Äußerungseinheiten desVorgängerbeitrags erfolgt durch nenhuma, das sich nur auf geração beziehenkann.

Nun ist die Frage, ob e innerhalb dieses argumentativen Kontextes derAbtönung dient, also der Frage einen dringlichen, höflichen, zweifelndenCharakter o.ä. verleiht, oder ob nicht vielmehr der Kontext erst dieseKonnotationen auslöst.

Die argumentative Struktur der Passage stellt sich wie folgt dar: DieVorgängeräußerung (F.1/2) beinhaltet eine Forderung an nicht-explizierteDritte, die auf wörtlicher Ebene als subjektive Bewertung („eu acho que“)über eine epistemische Modalität der Notwendigkeit („é preciso“) der ge-wünschten Prädikation („fazer nascer uma geração de críticos“) ausgedrücktwird. Der Referent der Prädikation wird dann spezifiziert. Es können ver-schiedene illokutionäre Aspekte festgestellt werden: Wünschen, Behaupten,Verleumden, Beklagen, je nachdem, welche Implikaturen im Zusammenhangmit dem Ko- und Kontext ausgelöst werden. Argumentativ wirkt dieseForderung vor allem als „Beklagen eines Zustandes“, und mitgemeint ist einAngriff gegen die Kritiker, über die bereits zuvor gesprochen wurde: Die

Linguisten’ zurückgeht und auf einer Reihe von Vorannahmen beruht, die sich bei einerBeschreibung virtueller Kontexte zwangsweise ergeben.

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nicht-faktische Prädikation impliziert konventionell, daß es keine Kritiker-generation gibt, konversationell wird die Implikatur ausgelöst, es gäbe keinebrauchbaren Kritiker.36

Die mit e eingeleitete Zwischenfrage des Moderators hat einen leicht ten-denziösen Charakter – illokutionäre Aspekte wären etwa „Nachhaken“ oder„Zweifel anmelden“. Es ist nun die Frage, ob e diese Lesart auslöst. DerModerator hat den Vorgängerzug als implizite Behauptung (Negation)interpretiert, deren Überprüfung er anstrebt. Die Frage legt also starke kon-ditionelle Relevanzen fest: eine explizite Assertion, die jedoch sehr unhöflichwirken würde, oder eine explizite Negation bzw. Relativierung des implizitenAngriffs.

Eine Beharren auf seiner Position würde zwar AC’s vorher demonstrierteEinstellung – z.T. explizite Beleidigungen der Kritiker – durchaus stützen,aber eine ganz zu Beginn der Sendung geleistete Anerkennung gegenübereinem bestimmten Kritiker als inkonsistent bzw. geheuchelt erscheinenlassen. Auch deshalb schon muß AC einlenken und seine Aussage relativie-ren, aber wohl auch aus Gründen der Höflichkeit. Erst aufgrund dieser kon-textuellen Konstellation, aber letztlich ausgelöst durch die Infragestellung desMitverstandenen, kommt also die nachhakende, tendenziöse, bei entspre-chender Betonung auch zweifelnde Modalität zustande, nicht jedoch durchdie MP e allein. Mit der Fragehandlung verfolgt der Moderator im globalenKontext wohl die Strategie, die Angriffe des Studiogastes abzuschwächen,um auch das Image der eigenen Sendung nicht aufs Spiel zu setzen.

Die Partikel e verweist hier, um auf die Frage ihrer Funktion zurück-zukommen, auf den vorangegangenen Kontext bzw. unterstreicht dieKohärenz der Frage durch ihre Konnexbedeutung. Der Konnex verbindetlokal, wie bereits dargelegt wurde, eine interpretierte Implikatur einerVorgängeräußerung und die explizite Infragestellung/Nachprüfung dieserSchlußfolgerung.37 Die Gebrauchsregel für e hängt mit dem V e r w e i sa u f i m p l i z i t e Kontexteinheiten zusammen: Wäre der Vorgängerzugeine explizite Behauptung (não há críticos que…), gäbe es keinen Sinn, siemit einer mit e eingeleiteten Satzfrage in Zweifel zu ziehen. Der Zweifel ander Behauptung könnte dann nur in einer Frage zum Ausdruck kommen, dieexplizit auf die Wahrhaftigkeit der Behauptung zielt, z. B. mit Markern wierealmente oder tem a certeza (que).

Damit löst e auf der lokalen Ebene den Übergang zwischen der indirektenzur expliziten Kommunikation aus. Was der Hörer in seiner vorausge-gangenen Äußerung implizit unterstellt hatte, will der Sprecher nun ausge-handelt wissen. Wie der Folgezug zeigt, muß der Sprecher AC nun 36 Vorher behauptete Aurélio Freire, die Kritiker seien inkompetent und dilettantisch.37 Z. B. als Behauptung: „Es gibt keine richtige Kritikergeneration“. Womit alle weiteren

möglichen Interpretationen aufgrund konversationeller Implikaturen sowie alle weiteren‘sous-entendus’ keineswegs abgehandelt wären.

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tatsächlich Farbe bekennen und die konversationelle Implikatur korrigieren(há certamente há…). Die argumentative Steuerungsfunktion zielt also aufeine Aushandlung von vagen Bedeutungen, die der Sprecher expliziert oderkorrigiert haben möchte

Eine weitere, speziell gesprächsorganisierende Funktion von e steht imZusammenhang mit dem Sprecherwechsel. Der Zug, in dem die Partikelsteht, ist initiativ, jedoch findet die Redeübernahme durch den Moderatornicht an einem TRP statt.38 Hier erhält die konnektierende Funktion und dieeinleitende Funktion von e Bedeutung: Der Sprecher signalisiert mit e, daßsein Beitrag in direktem Zusammenhang mit dem unmittelbar voran-gegangenen steht. Die Verstehensanweisung für den Hörer, die e auslöst,bezieht sich also auch auf die Kohärenz des Sprecherbeitrags insgesamt. DieDiskurspartikel e scheint die Dringlichkeit zu unterstützen, die hinter einerunterbrechenden Frage stehen muß. Damit wäre es ähnlich wie in denkonversationellen Erzählungen ein Relevanzsignal. Bei dem erzähltypischene hat die Relevanzsignalisierung die kontextabhängige Funktion, an die letzteSprechhandlung der gleichen Relevanzebene anzuschließen und damit dasFortschreiten der Kernstruktur zu unterstützen. Bei einem Sprecherwechselhat die Relevanzsignalisierung die Funktion, eine initiative Handlung aneinem nicht-regulären Ort dazwischenzubringen, um bestimmte implizitgebliebene Aspekte, die der Sprecher anzweifelt oder nicht übernehmenmöchte, auszuhandeln.

Der Unterschied zwischen den Diskurspartikeln olhe und e, wenn sie eineZwischenfrage einleiten, besteht darin, daß mit olha eine neue Struktur auf-gerufen wird; der Fokus wird dabei abgewählt, wie wir in der Eröffnung derNebensequenz gesehen haben (vgl. Kap. 5.2.4.3). Insofern ist die Markierungdes Bruchs mit olha stärker. In Zwischenfragen mit e bleibt der Fokuserhalten bzw. wird expandiert. Anders als olhe erscheint e in solchen aushan-delnden Sequenzen sachbezogener; dies liegt daran, daß eine dazwischen-kommende Fragehandlung immer noch gesichtsschonender ist als einedazwischenkommende Behauptung.

38 Die Unterbrechung kann jedoch auch als Recht des Moderators gelten.

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6.4 Makro- und Mikroübergänge: Die Partikel agora

6.4.1 Signal eines geordneten Fokuswechsels und Markierung vonAnkündigungen

Die Form agora kann v. a. im konversationellen Gebrauch eine nicht tempo-rale Bedeutung tragen; in diesen Fällen spreche ich von der Diskurspartikel.39

Als eröffnendes Gliederungssignal markiert agora den Beginn einesneuen thematischen Abschnitts, wie an Beispiel 1 (S. 80) zu sehen war: Inder konversationellen Erzählung leitete die Sprecherin mit der Partikelgrößere Erzählabschnitte ein, die Erzählankündigung und die Orientierungsowie einen zweiten inhaltlichen Teil der Geschichte. Agora kann also inmonologischen Diskursen Makrostrukturen indizieren und den Beginn eineslängeren Themenkomplexes bzw. den Beginn eines gänzlich neuen Fokusankündigen. Da eine Abwahl des vorigen Fokus vorausging, markiert agoraim übergeordneten Zusammenhang keinen Bruch wie olha, sondern einengeordneten, vollständigen Fokuswechsel. Diese Lokalisierung kann auch inkleineren Strukturen vorliegen, wie im folgenden Ausschnitt aus dem zweitenFallbeispiel deutlich wird. Hier leitet agora den Wechsel zu einer kurzenBelegerzählung ein:

Beispiel 38: Informelle Interaktion, Erzählabend (Tia, Pereira) 40

1 P: normalmente a gente acredita .. naquilo que vê, ora , .. a gente vê árvores, vê rochas,agora . dizemos assim, . olha, . há alí um ser que não se vê mas que stá por trásdaquele árvore

Auch hier markiert agora durch vorgreifende Verdeutlichung den Beginneines neuen Schemas wie in der Erzählankündigung des Beispiel 1. Aufthematischer Ebene wird die momentane Orientierung fortgeführt bzw.expandiert, aber von der erklärenden Darstellungsweise geht der Sprecherüber zu einer erzählenden; dabei erfüllt agora dizemos assim die Funktionder Anwendungsstruktur, die den Wechsel zu einer fiktionalen Ebenevollzieht. Die Partikel agora lenkt dabei die Aufmerksamkeit auf eine neueEinheit, auf die Belegerzählung. Die vorgreifende Verdeutlichung reicht überdie Eröffnung eines Zuges hinaus. Der Fokusaspekt, der mit agoraaufgerufen wird, bleibt bestehen, bis die fiktionale Darstellung abgeschlossenist.

39 Neben der adverbialen Verwendung führt der DLP agora als conjunção. Schmidt-

Radefeldt (1994) und Scotti-Rosin (1983) erwähnen agora ebensowenig wie Franco(1991).

40 Ausschnitt aus Beispiel 2 (F. 3ff.), hier in vereinfachter linearisierter Transkription.

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Seltener scheint agora als Eröffnungssignal eines Turns vorzuliegen.Aber auch dann leistet die Partikel die Ankündigung eines neuen Fokus bzw.Fokusaspekts, wie hier nach einem Sprecherwechsel:

Beispiel 39: Informelle Interaktion, Gespräch unter Freundinnen (Tina,Maria, Cristina)41

T:

C:

M:

<---------- pois, mas pronto … porque ele só ter/

somos as melhores amigas tuas, olha.

1[agora uma coisa (á parte) falar em1

1[anhaltend gedämpft, geheimnisvoll

T:

C:

M:

<-------------tem amigos, quase

qual João

amigos, vocês já sabem (isso) com o João ele fui passar a2

Der bisherige Fokus kann als „Diskussion über Tinas Bitte“ bezeichnetwerden. Vielleicht, weil Tina und Cristina nur noch redundante Argumenteaustauschen, und die Diskussion somit stagniert, schneidet Maria hier mitihrem Turn (F. 1) nach einer übergaberelevanten Stelle das Thema ab. Hierscheint eher ein Bruch vorzuliegen, denn es findet ein Themensprung statt.

Die Partikel agora bildet kein eigenes Segment und ist unbetont; der mitihr eingeleitete Zug stellt eine Ankündigung dar: Ähnlich wie agora passou-se um caso mais ou menos… aus Beispiel 1 wird erstens der Fokus umgelenkt(agora uma coisa á parte), wobei die Partikel agora durch ihren starkenVorwärtskonnex impliziert, daß für Maria der bisherige Fokus beendet bzw.suspendiert ist – Tina allerdings möchte den Fokus aufrechterhalten, denn siehakt wieder nach und es kommt zu gleichzeitigem Sprechen. Zweitens liegtin dieser Ankündigung ein Anknüpfungspunkt an das Vorausgegangene vor(falar em amigos), das den Themensprung abmildert; drittens wird imfolgenden Segment das Thema bekanntgegeben und viertens wird mit derAnkündigung das Schema „Klatschen“ aufgerufen. Maria lenkt also mitihrem beginnenden Beitrag die Orientierung wieder auf den übergeordnetenRahmen „Klatschgeschichten erzählen“ (vocês já sabem).

Die Anwendungsstruktur, die mit agora eingeleitet wird, ist also durchauskomplex gemäß der völligen Umorientierung des Fokus auf der Handlungs-und Themenebene („Neuigkeiten über João verbreiten“) und dem damit

41 Fortsetzung von Beispiel Beispiel 24, S.188.

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verbundenen Bruch in der Beteiligungsstruktur. Obwohl Maria leise spricht,allerdings mit gleichzeitig vielsagendem als auch vertrautem Unterton, kannsie den Turn behalten und die Aufmerksamkeit auf ihre Geschichte lenken.Durch die Anknüpfung an das übergeordnete Thema, vielleicht auch durchdie Annahme, daß der vorige Fokus nicht mehr aufrechterhalten werdenkann, weil nur noch Redundantes eingeführt wird, erscheint hier zumindests p r e c h e r p e r s p e k t i v i s c h der Übergang geordnet.

Auch hier wieder operiert agora auf einer globaleren Ebene, indem nichtnur ein neues Thema ankündigt, sondern einen neuen Fokus einführt. Dabeiist die Partikel selbst wieder Teil einer komplexen Anwendungsstruktur,einer Ankündigung. Im Sprecherwechselsystem, also lokal, wird mit agoraein hochstufendes Redesignal gesetzt, das die Abwahl des vorigen Fokusimpliziert und ein neues Schema ankündigt. Damit liegt ein ganz ähnlicherMechanismus wie im monologischen Gebrauch vor. Die erfolgte oderimplizit manifestierte Abwahl des vorigen Fokus scheint, im Gegensatz zuolha, eine Gebrauchsbedingung für agora zu sein. Die Diskurspartikel olhakann zwar ebenfalls eine neue Struktur, etwa eine Nebensequenz einleiten;dabei spielt aber das Bewußtsein darüber, daß ein Bruch erfolgt ist, einegrößere Rolle: olha manifestiert, daß der Bruch, falls ein solcher vorliegt,nicht unbedingt erwartbar ist. Bei agora kommen Relevanzsignalisierung fürden übergeordneten Rahmen und damit „höhere Erwartbarkeit“ sowie„Umorientierung auf einen neuen Fokus“ zusammen.

Auch als Teil einer Anwendungsstruktur bzw. einer metakommunikativenAnkündigung, allerdings syntaktisch integriert, kann die wörtliche Variantevon agora vorkommen:

Beispiel 40: Debate Televisivo (Freitas do Amaral)

1 F.A.: devo-lhe dizer que também – que também em – em em anos de 74 – 75 – 76 – / e /isso aconteceu com filhos meus – e ness’ àltura não houve ninguém que levantass’ avoz a defendê-los – – bom – vamos agora ver o outro problema – o outro problema é– a questão do acordo a: o não acordo – do apoio ou não apoio –

aus: Trigo (1989:157)

Hier wird die Abwahl des vorigen Fokus nicht nur durch die Pause,sondern auch durch das segmentbildende Gliederungssignal bom deutlichmanifestiert. Nach diesem Schlußsignal erfolgt die metakommunikativeAnkündigung vamos agora ver o outro problema. Agora hat in dieser Ankün-digung zwar noch seine temporale Bedeutung inne, und ich würde es hiernicht als Diskurspartikel bezeichnen. Die Form referiert durchsichtig, in Ver-bindung mit dem aspektuellen Prädikat vamos in einer prospektiven Weiseauf den folgenden Diskurs – im Sinne von „jetzt gleich/ab jetzt fangen wirdamit an.“ Damit liegt eine deiktische Funktion vor, die auf den momentanenZeitpunkt der Äußerung bezogen ist. Was an diesem Beispiel gezeigt werden

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kann, ist die Ableitung der Funktion des Eröffnungssignals, die ich „kommu-nikative jetzt-Komponente“ genannt habe, von der semantischen Funktion.42

Diese Funktion bezieht sich auf die Perspektivierung von Teilen desDiskurses. Den Ankündigungen mit agora in syntaktisch integriertem odersegmentbildenden Vorkommen ist gemeinsam, daß im Moment der agora-Äußerung nicht der eigentliche Beginn des neuen Fokus stattfindet, sonderndie Umorientierung zwischen zwei Foki oder Fokusaspekten. Somit hatagora also – in beiden Fällen – einen deutlichen Bezug zur aktuellenSituation des Gesprächs.

6.4.2 Argumentationssteuernde Funktionen von agora

In argumentativen Sachverhaltsschemata erscheint agora sehr produktiv.Dabei sind auch Fälle festzustellen, wo die Form zwar durchsichtig erscheint,zu der temporalen Deixis jedoch auch eine argumentative Markierunghinzutritt, wie etwa in dem folgenden Ausschnitt der Debate:

Beispiel 41: Debate Televisivo (Freitas do Amaral)

1 F.A.: o s’o’tor que está cheio de m’nistros da ditadura na sua Comissão de Candidatura – eagora vem-me dizer a mim – que eu fiz mal por ter sido convidado – e que rejeiteitodos os convites que me foram feitos – antes do 25 d’Abril –

aus: Trigo (1989:178).

Agora verweist hier gesprächsorganisatorisch auf die aktuelleSprechsituation, anaphorisch, in Verbindung mit der Verbalperiphrase vem-me dizer, auf die vorausgegangene Interaktion. Die Referenz der Äußerung eagora vem-me dizer a mim bezieht sich auf die Vorwürfe von Soares, diedieser während seines vorausgehenden Redebeitrags gegen Freitas do Amaralerhoben hatte, und die der Sprecher anschließend zitiert. Während e derAnknüpfung dient, hat agora m. E. eine doppelte Funktionsweise: Was mitder agora-Äußerung referiert wird, erhält aktuelle Gültigkeit in derÄußerungssituation. Das Gesagte oder ein bestimmter Wissensbestand wirddamit zur gültigen Grundlage der momentanen Argumentation – hier derVerteidigung von Amaral – gemacht. Agora markiert zum zweiten lokal denWechsel von der besprochenen Situation (na sua Comissão…), die außerhalbder Ich-Jetzt-Hier-Origo des Sprechers, also nicht in der momentanen Ge-sprächssituation liegt. Durch diesen Bruch wird ein Gegensatz impliziert, derim vorliegenden Fall etwa folgendermaßen paraphrasiert werden könnte:„Wenn Soares ‘dort/damals’ in seinem Umfeld selbst nicht korrekt gehandelthat, wie kann er dann ‘hier/jetzt’ (auf einmal) Vorwürfe erheben.“ Die 42 Vgl. S. 81.

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deiktische Komponente des Adverbs ist also mit dem Verweis auf dieaktuelle Sprechsituation zu erklären, wobei agora aber einen anaphorischenCharakter hat. Der Bruch von der besprochenen zur gesprochenen Situationdeutet einen Kontrast an, der argumentative Strategien impliziert. Dadurchgewinnt agora implizit also eine logisch-argumentative bzw. abtönendeKomponente, die in diesem Beispiel die Lesart einer Kritik auslöst.

Ähnlich liegt auch das folgende Beispiel, in dem agora den Wechsel voneiner Situationsdarstellung der Vergangenheit zur aktuellen Gesprächssitua-tion und zum Gesprächsanlaß manifestiert:

Beispiel 42: Informelle Interaktion, Gespräch unter Freundinnen(Maria, Tina)

M:

T:

um amor tão bonito, viste como eles eram, <-------------------------não, tá acabado tá acabado, eu sou assim

1

M: como um só síngulo, numa paixão platónica, um amor platónico, e depois2

M: – –transformou-se num amor verdadeiro, muto, e agora, por causa duma rapariga

3

M: (que) dansou com ele um Slow, . . já acabou4

Auch hier tritt m. E. neben die wörtliche Funktion („jetzt sieht es so aus“)eine kontrastierende, argumentative Funktion, die konversationelle Impli-katuren auslöst, etwa in der Form, daß der im folgenden angegebene Grundnicht als solcher anzuerkennen ist. Dabei wird der Zusammenhang zwischenzwei Einzelaktivitäten folgendermaßen lokalisiert: Während die vorigeHandlung von Maria auf die (erinnernde) Darstellung der Vergangenheitzielte, die damit auch relevant gemacht wird für die Diskussion, wird nun dieaktuelle Situation kontrastierend referiert.43 Insofern könnte man diskutieren,ob durch e agora ein neuer Zug eingeleitet wird oder der Zug nur binnen-strukturiert wird. Agora zeigt jedenfalls in solchen Fällen an, daß derSprecher oder die Sprecherin von der besprochenen zur gesprochenenSituation, der Ich-Jetzt-Hier-Origo und damit wieder zur relevanten Ebene,der Aushandlung im momentanen Sachverhaltsschema „Argumentieren“,wechselt.

Im folgenden soll nun noch ein letztes Beispiel für agora als Eröffnungs-signal von Argumentationszügen ausführlich besprochen werden. Da hier die

43 Auf die Kontrastbedeutung verweist auch Matos (1988: 129).

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wörtliche Funktion m. E. zugunsten einer argumentativen Markierungs-funktion gänzlich zurücktritt, betrachte ich solche Fälle als Diskurspartikel.44

Beispiel 43: Radiokorpus, TSF, Fórum ‘Televisão Privada’ (AurélioFreire)45

1 AF: há pessoas eh que eu acho que têm opiniões, sobre o mundo da televisão, queescrevem eu diria acertadamente sobre a televisão. e eu quando digo acertadamentequero que fique claro que que o meu problema não é um problema de de coincidênciade opiniões ou de, ou de eh ausência de de crítica. . eu acho que faz falta um sector

5 eh, de, um verdadeiro sector de crítica em portugal eh no mundo da televisão. . . deresto eu acho que essa eh a a crítica é estimulante para a própria televisão. agora, éestimulante quando é bem feita, . quando é feita por pessoas inteligentes, . quando éfeita por pessoas que sabem o que estão a dizer, . quando é feita por pessoas quesabem do que escrevem. . agora, . quando quando é um exercício diletante, feito por

10 eh ignorantes, eh na na/ em matéria da televisão, evidentemente que aí a minhaposição é de ruptura completa com esse conjunto de pessoas.

Die Partikel agora erscheint in Z. 6 und Z. 9 als einleitendes Signal vonargumentativen Teilschritten. Die Partikel ist jeweils segmentiert, vor quandoauffälliger durch eine kurze Pause abgesetzt sowie stärker als im obigenBeispiel betont, der Ton fällt nach ihrer Realisierung leicht ab. Damit setztagora jeweils deutliche Einschnitte im Diskurs.

Die vorliegende argumentative Struktur stellt sich hoch komplex dar,aufgrund der rhetorischen Fähigkeiten des Sprechers auch als besondersmanipulativ.46 Am Anfang gibt AF zu, daß es doch Leute gäbe, die sich„verständig“ über Fernsehen äußerten – implizit bleibt, daß sich andereinkompetent äußern (1. Zug, Z. 1/2). Anschließend distanziert er sich von derInterpretationsmöglichkeit, er sei ein Gegner der Meinungsvielfalt (e euquando digo… 2. Zug, Z. 2-4). Dem fügt er eine Einschätzung der

44 Matos plädiert gegen die Annahme einer Diskurspartikel: „…não julgamos adequado

repartir rigidamente os usos de agora por duas classes. Cremos que, a par da existência deusos mais marcadamente temporais e de outros predominantemente argumentativos avasta maioria possui estes valores cumulativamente, cabendo ao contexto activar qualquerdeles em maior ou meno grau.“ (1988: 119).

45 Da es hier v. a. auf die argumentative Struktur ankommen soll, habe ich die lineareTranskriptionsweise gewählt. Zur Kontrastierung sind andere Marker auch fetthervorgehoben.

46 Da es hier weniger auf Suprasegmentalia ankommt, wurde die lineareTranskriptionsweise gewählt. Es gilt die übliche Notation. In dem Ausschnitt geht es umdie öffentliche Auseinandersetztung zwischen einigen TV-Kritikern der Printmedien undden privaten Fernsehanstalten; ein eingespielter Kommentar zu Beginn der Sendung hattedie Lage kurz skizziert. Aurélio Freire nutzt die Diskussionssendung, um dieFernsehjournalisten der Zeitungen, die sich kritisch gegenüber der Programmgestaltungseiner TV-Anstalt äußern, zu diffamieren.

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allgemeinen Lage an mit der Behauptung, es fehle ein verdadeiro sector decrítica (Z. 4/5). Mit diesem 3. Zug landet er einen ersten deutlichen Angriffgegen die (sehr wohl) existierenden Kritiker, denen er damit Kompetenz undRelevanz abspricht. Mit de resto (Z. 5/6) eröffnet er den 4. Zug, mit dem erdem jetzt virtuellen Referenzobjekt „Kritiker“ eine positive Funktion fürseine Institution zuweist und damit seinen Gegnern (den von ihm nichtanerkannten Kritikern) unterstellt, sie würden dem Fernsehen schaden. Seinrhetorischer Kniff besteht also in der Verbreitung von Angriffen undBeleidigungen durch sous-entendus.

Der 5. Zug wird mit agora eingeleitet (Z. 6). Oberflächlich handelt es sichum die Expansion seiner Zuweisung estimulante: AF etabliert Bedingungenfür das Zutreffen dieser Zuweisung, setzt also Bewertungsmaßstäbe fürFernsehkritik. Dabei wird er weder konkret, noch beruft er sich auf andereMeinungen; auf polemische Weise weist er sich also als maßgebliche Instanzfür diesen lebensweltlichen Bereich aus. Die Argumentation enthält somiteine Strategie, mit der der Sprecher seine Expertenrolle, die er in dermomentanen Sprechsituation erfüllt, für seine eigenen Interessen benutzt. Deragora-Äußerung unterliegt eine Art Rationalisierungsstrategie: nur wenn eineKritik gut ist, von intelligenten Leuten gemacht wird etc., verdient sie es, dasPrädikat estimulante zu erhalten. Außerdem liegt wieder ein versteckterAngriff vor, der sich aus der Kombination der Implikaturen der Sequenzergibt: Alle positiven Eigenschaften erhält die erwünschte, nicht existierendeKritik (s. 3. Zug), die existierende unterschwellig alle gegenteiligennegativen Zuweisungen. Diese Expansion der Spezifizierung von estimulantereicht bis zum Einschnitt vor dem zweiten agora in Z. 9.

Dieses zweite agora leitet den 6. Zug ein; dieser reicht bis zum Schlußdes Beitrags. Jetzt führt AF eigentlich nur noch explizit und detailliert ein,was er in den vorigen Zügen bereits durch seine sous-entendus angedeutethatte: Er stellt in einem komplexen, neuen Bewertungszug den zuvorgenannten idealen Eigenschaften der Kritik die lebensweltlichen Gegebenhei-ten mit den gegenteiligen Eigenschaften gegenüber. Damit leitet der Sprecherzur Bewertung der aktuell relevanten Situation über; in Kombination mitquando verweist agora über ihre „jetzt“-Bedeutung darauf, daß das, wasbesprochen wird, existent und situationsrelevant ist. Mit diesem Zug knüpftder Sprecher also an den Hauptfokus „Kritik an der realen Kritik“ an und löstden Fokusaspekt „Präsentation einer virtuellen Kritik“ ab.47 Die zweiteagora-Äußerung hat einen ganz anderen epistemischen Hintergrund als dieerste agora-Äußerung, wenn auch beide die Funktion erfüllen, die negativeEinstellung des Sprechers zum Gegenstand „Kritiker“ herauszustellen. Imersten Fall jedoch bleibt der Angriff implizit, im zweiten Fall wird er konkret 47 Diese Präsentation der idellen Kritik stand natürlich auch nur in der übergeordneten

Funktion, die Kritiker, um die es hier de facto geht, und deren Existenz AF ja gar nichtleugnen kann, zu diffamieren.

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und explizit. Dieser Wechsel zur aktuell relevanten Situation dient AF alsVorbereitung seiner Verteidigung für vollzogene Handlungen, die er mitevidentemente anschließt, damit funktioniert das agora-Argument alsBegründung; also liegt auch hier wieder eine Rationalisierung vor.

In beiden agora-Äußerungen kommt es dem Sprecher nicht darauf an,seine Position abzuschwächen oder zu relativieren; er setzt sehr starkekonditionelle Relevanzen: Die agora-Äußerungen stellen beide massive,ernst gemeinte Face-Angriffe dar, die sich zwar nicht an anwesende Personenrichten, aber aufgrund der öffentlichen Situation der Radiosendung ihreWirkung, die Diffamierung der Referenzgruppe, nicht verfehlen. BeideÄußerungen werden an der sprachlichen Oberfläche daher auch nicht mehrwie die vorigen Züge mit eu acho que (leicht abschwächend) markiert (Z. 1,4, 6). Gerade in dieser Phase scheint sich AF in seine Position zu versteigen,denn er bedient sich neben der inhaltlichen Polemik auch einer übertriebenakzentuierenden Intonation, einer deutlichen und relativ langsamen Aus-sprache und betont einzelne Lexeme emphatisch. Trotz seiner sicherenrhetorischen Formulierungskunst weist AF’s Beitrag auch gewisseInkonsistenzen auf (vgl. 1. vs. 3. und 6. Zug).

In bezug auf die Orientierungsfunktion der Partikel läßt sich festhalten,daß agora jeweils einen quasi rationalisierenden Argumentationszugeinleitet, der den momentan relevanten Fokus aufrechterhält bzw. einzelnethematische Aspekte expandiert. Die jeweils expandierenden Argumen-tationszüge steuern neue Aspekte zur Untermauerung einer übergeordnetenSprecherhaltung bzw. Sprecherstrategie bei. Gemäß ihrer einleitendenPosition hat die Diskurspartikel also eine hochstufende bzw. den Fokusaufrechterhaltende Funktion, argumentativ erfüllt sie eine vage logischeMarkierung, die einen Kontrast inferiert, bzw. im zweiten Fall vorwegnimmt.Auf strukturell-logischer Ebene werden in der Sequenz der beiden agora-Züge Behauptungen gegenübergestellt, die auf eine kontrastierendeBewertung einer virtuellen Situation auf der einen und der aktuellen Situationdes lebensweltlichen Referenzobjekts auf der anderen Seite hinauslaufen.

Auch in Argumentationen hat die Partikel – wie in den narrativen Kon-texten – eine Eröffnungsfunktion, die allerdings nicht sehr weit vorausgreiftund nicht mit der Ablösung eines Schemas in Verbindung steht. Hier werdeneher Mikrostrukturen verdeutlicht. Die Bezugsgröße geht aber über das Endedes eingeleiteten Segments hinaus: Agora lenkt die Aufmerksamkeit desHörers auf komplexere inhaltliche Einheiten. Agora hat außerdem einestarke, argumentative Signalwirkung, die den Folgezug als relevant für diePosition des Sprechers ausweist.

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6.5 Zusammenfassung der Ergebnisse

Nicht alle Partikeln sind, wie die obigen Ausführungen gezeigt haben, inallen Interaktionstypen bzw. Rahmungen angemessen, und umgekehrt kannder Gebrauch spezifischer Partikeln Hinweise auf den Interaktionstyp und dieKonstellation zwischen den Teilnehmern geben.

Während olhe und pá im gelenkten TV-Streitgespräch der Politikerstilistisch markiert erschienen, übernahm desculpe in demselben Gesprächorganisierende Funktionen auf der Ebene des Sprecherwechsels und derKohärenzherstellung. Dabei konnte beobachtet werden, daß die illokutionäreFunktion Entschuldigung/Reparatur verblaßt bzw. nicht im Vordergrundsteht. Wenn man die jeweiligen Sequenzen unter dem Aspekt betrachtet, wasgerade für die Teilnehmer relevant ist, kann man desculpe im Kontextübergeordneter kommunikativer Zwecke als strategisches Signal der Höf-lichkeit uminterpretieren. Diese Funktionsverschiebung zugunsten der Ge-sprächsorganisation, wobei jedoch prinzipiell von Polyfunktionalitätauszugehen ist, ist wohl v. a. durch den übermäßigen Gebrauch, der zu einerAbnutzung führt, bedingt.

Zum Partikelgebrauch in argumentativen Diskursen kristallisiert sichheraus – auch wenn keine quantitative Untersuchung durchgeführt werdenkonnte –, daß Partikeln umso frequenter gebraucht werden, je kontroverserund kompetitiver die Interaktion ist. Wenn die Beteiligten weder Konsensnoch Kompromisse erreichen können oder wollen, sondern vielmehr aufihren verfestigten, gegensätzlichen Positionen beharren, werden verstärktargumentative Marker eingesetzt, einerseits in Häufung bzw. Kombinationen,andererseits jedoch auch vermehrt in turn-internen slots.

Auch konnte gezeigt werden, daß Interaktionspartner mittels Partikelver-wendung auf die soziale Rahmung verweisen. Unter Berücksichtigung derglobalen Interaktion und bestimmter Muster, die der Interaktion zugrunde-liegen, kann der Partikelgebrauch Aufschluß über relevante Kategorien,Wissensbestände oder Orientierungsmaßstäbe der Kommunikation geben. Zudenken ist v. a. an folgende Kategorien des Diskurses:

1. Interaktionstyp, z. B. privates Erzählen, Streitgespräch2. Spielregeln der Rederechtverteilung/Steuerung: symmetrisch, assyme-

trisch3. Involviertheit in die Thematik bzw. emotionale Beteiligung (graduell)4. Interaktionsmodalität: kompetitiv, konstruktiv, etc.5. Grad der Vertrautheit zwischen den Teilnehmern

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6. ideolektaler Gebrauch, etwa besonders gehäufte Verwendung einerPartikel.48

Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß, da Gespräche immer wieder neuerWendungen bekommen, manche der genannten Phänomene nur jeweilsmomentan gültig sein können. Entscheidend ist, ob die Relevanzsetzungeiner Kategorie aus dem jeweiligen Bereich durch Partikeln erfolgt.

Auf der Ebene der Gesprächsorganisation liegen etliche Funktionsüber-schneidungen zwischen den Diskurspartikeln olhe und desculpe vor. Beidesind hochstufende Signale, die dazu eingesetzt werden können, an einernicht-regulären Stelle das Rederecht zu erringen, einen Widerspruchdazwischenzubringen, eine Handlung als Reaktion zu markieren, einenargumentativen Gegenschritt einzuleiten. Sie stehen häufig mit der Setzungvon konditionellen Relevanzen in Verbindung oder greifen einer Handlungvor, die dem Hörer Verpflichtungen auferlegt.

In einer Analyse von e konnte gezeigt werden, daß ihr abtönenderGebrauch vor allem aus der spezifischen sequentiellen Stellung heraus zuerklären ist. Die Partikel leitete eine Zwischenfrage ein, die den Beitrag desGesprächspartners unterbricht und bestimmte implizite Bedeutungen seinerÄußerung, also Unterstellungen, zur Aushandlung bringt. Somit zeigt derSprecher an, wie er die Vorgängeräußerung verstanden hat. Mit einer solchenFrage wird per se eine Tendenz eingebracht; durch die Relevanzsigna-lisierung kann diese Tendenz durch e vielleicht noch unterstützt werden. DiePartikel e unterstreicht in solchen Kontexten außerdem, daß der Sprecherdirekt anknüpft und die Frage zum Thema gehört.

In den exemplarischen Analysen zu agora kristallisierte sich heraus, daßdiese Diskurspartikel einen kompletten Fokuswechsel einleiten kann. Da eineAbwahl des vorigen Fokus erfolgt ist oder durch eine ausgebaute Anwen-dungsstruktur (Ankündigung) der Wechsel deutlich manifestiert wird, kannman von einem geregelten und/oder erwartbaren Fokuswechsel ausgehen. Inargumentativen Schemata lokalisiert agora turn-intern die folgende Aktivitätoder den nächsten Schritt als Expansion. Dabei kann ein Wechsel zurAusdeutung der aktuellen Situation erfolgen, der jedoch eine logischeFortsetzung der Argumentationslinie ist.

48 Der ideolektale Gebrauch ist mit Vorsicht als psycho-soziale Befindlichkeit auszudeuten;

z. B. ist vorstellbar, daß Gesprächspartner ‘Unsicherheit’ an der Verwendung bestimmterSignale erkennen bzw. als solche ausdeuten.

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7 Fazit

7.1 Ergebnisse und offene Fragen

7.1.1 Zum Spektrum der portugiesischen Partikeln

Die vorliegende Untersuchung ging aus von der Fragestellung, welcheDiskurspartikeln im Portugiesischen existieren, wie sie empirisch be-schrieben werden können und welche auf das Gespräch bezogenen Funk-tionen sie im konkreten Einzelfall jeweils tragen. Daß bei einer Untersuchungauthentischer Gespräche unter funktional-pragmatischen Fragestellungen dieGrenzen sprachsystemischer Kategorisierungen zerfließen, bestätigte sichauch in den Analysen. So existieren im Portugiesischen neben den vonFRANCO (1991) bestimmten Modalpartikeln eine Reihe von Lexemen oderLexemfolgen, die diesen nicht nur in ihren Funktionen, sondern auch in ihrerF u n k t i o n s w e i s e ähneln.

So etwa präsentierte sich die hier zentral untersuchte Diskurspartikel olhabesonders multifunktional: Mit ihr kann der Sprecher je nach Kontext denStand konditioneller Relevanzen verdeutlichen, Brüche in der Kohärenz-struktur anzeigen, eine Nebensequenz einleiten, ein Schema reaktiv initiieren,die Relevanz der Handlung im übergeordneten Zusammenhang unter-streichen, ein Kontaktsignal setzen und die Adressierung vereindeutigen,einen reaktiven Argumentationszug markieren, die Rückkehr zur aktuellenSprechsituation manifestieren, der Sprechhandlung und Gesichtsbedrohungenvorgreifen, die Äußerung als dringend oder sprecherperspektivisch relevantabtönen und eine bestimmte emotionale Lesart einbringen.

Aber auch an anderen Formen, die in den zusammenhängenden Inter-aktionen untersucht wurden, zeigte sich, daß Diskurspartikeln immer poly-valent und auf mehrere Ebenen der Interaktionskonstitution bezogen sind.Am Signal não é z. B. wird besonders augenscheinlich, wie sich Sprecher-einstellung, interaktive Steuerung und thematische Gliederung in einemSignal überlagern. In diesem Zusammenhang sei auch auf pá hingewiesen,das m. E. als Prototyp eines abtönenden Gliederungssignals gelten kann.

Probleme in bezug auf bisherige Einteilungen ergeben sich, wenn man inBetracht zieht, daß einige der Modalpartikeln nicht nur satzintegriert, sondernauch als segmentfähige Eröffnungssignale auftreten, wie etwa então. Prin-zipiell läßt sich feststellen, daß die meisten der portugiesischen Modalpar-tikeln in der gesprochenen Sprache auch segmentierend sind, da sie Turns,Äußerungen oder Segmente einleiten oder abschließen. Damit wird dieGrenze zwischen Modalpartikeln und Markern bzw. Gliederungssignalen fürdas Portugiesische erheblich aufgeweicht bzw. muß neu überdacht werden.

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Die aus Verbformen gebildeten interaktionalen Partikeln i.S.v. SCHMIDT-RADEFELDT (1994) treten nach meinen Beobachtungen überwiegend an denStellen im Gespräch auf, die für Gliederungssignale typisch sind, könnenjedoch auch syntaktisch integriert sein, vgl. repare que, repare em etc. Siewiederum sind den Modalpartikeln sehr ähnlich, wie man an sabes gutnachvollziehen kann. Übergänge zwischen Partikeln und komplexen Markernentstehen dort, wo diese Verben ausgebautere Strukturen bilden, wie z. B.sabe se muito bem que. Aber auch bei den stereotypen illokutionärenMarkern, die z.T. disfunktionalisiert werden, wie penso que oder acho que,treten Überschneidungen mit den Diskurspartikeln auf.

Daß das Augenmerk auf eine größere Gruppe von Partikeln gerichtetwerden sollte, wenn man Modalpartikel-Funktionen im Blick behält, bestätigtsich auch darin, daß Abtönungspartikeln im Portugiesischen nach meinenBeobachtungen wesentlich seltener als die Gliederungssignale erscheinen,sieht man vielleicht von então und lá ab. Bestimmte hochfrequenteGliederungssignale hingegen fungieren dafür auch argumentationssteuerndwie z. B. agora oder abtönend wie etwa pá. Primär zur Diskursorganisationtragen Formen wie bom oder ora bei. Dennoch teilen auch sieFunktionsbereiche mit den Modalpartikeln: Sie verdeutlichen den Stand derkonditionellen Relevanzen, indizieren bestimmte Interaktionsmodalitäten(etwa „sachbezogener Diskurs“, kooperativer Stil), treten in sequentiellenMustern auf und haben turn-intern argumentative Steuerungsfunktionen.Auch Signale wie portanto, pronto oder pois, die primär textgliederndeFunktionen tragen, können ähnlich wie spezifische Modalpartikeln – z. B. dt.ja, doch, eben – argumentative Diskursschritte markieren, die sequentielleStellung des Zugs verdeutlichen und Strategien des Sprechers indizieren.

Möchte man dennoch eine Typisierung der Diskurspartikeln vornehmen,dann sollte sie sich nach einer Grammatik der gesprochenen Sprache richten.Bausteine hierfür wären einerseits die makrosyntaktischen und funktionalen,andererseits die phonologischen Varianten.

Auch wenn hier keine vollständiges Partikelinventar angegeben werdenkann, da zu wenig Formen im einzelnen genau untersucht wurden, magfolgende Übersicht einen ersten Eindruck über das Spektrum der portu-giesischen Partikeln nach ihrer sequentiellen Stellung (Makrosyntax) gebenund, soweit dies aus den untersuchten Texten geschlossen werden kann, nachihren wichtigsten Lokalisierungsfunktionen.1

1 Wahrscheinlich kann bei einzelnen Diskurspartikeln von noch viel mehr Varianten

ausgegangen werden.

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Tabelle 4: Spektrum der portugiesischen Partikeln (Makrosyntax undLokalisierung)

eröffnendeDiskurspar-tikeln (a. Kon-taktsignale)

abschließendeDiskurs-partikeln

integrierte/nichtsegmentfähigePartikeln

Über-brückungs-signale

Rückmel-dungs-partikeln

vorwärts-konnektierend,initiativ(Markierungeines erstenTeils)

olha, oiça,agoraentão,desculpeaió + Anredesabes

não é,não eranão é verdadepercebes

lácárepara

pronto,quer dizerportanto,eh, ehm,e:ma:ssei lá

poispois éprontosimclaro

rückwärts-konnektierend(hochstufend,aushandelnd)

e + Frageolhadesculpemas

páolha

tambémsempreafinalaté

olhaah

exactoexacta-menteé isso

reaktiv: Mar-kierung eineszweiten Teils

bom, bem,ora bemolhe (Variante)

não

Fokusabwahl,rückstufend(Wissensbasis)

está bem,prontosim, pois

não é, bom,bem,ora bem,pronto, estábem,sabes

Unterbrechungoder Störung

olhadesculpeó + Anrede(Auslösung)

desculpe(Abwahl)

Diskontinuität masVerknüpfungs-signal, Fokus-fortsetzung

e, ora, pois,então, depois,também

enfim se calharassimaté

7.1.2 Segmentfähigkeit

Bestimmte Diskurspartikeln scheinen prinzipiell nicht segmental, alsodurch Pausen und entsprechende Prosodie abgetrennt von ihrem Bezugs-syntagma aufzutreten: So sind z. B. die Formen também und sempre alsDiskurspartikeln nicht segmentfähig. Beide können zwar in initialer Positionstehen, aber nur in phonologisch unselbständiger Realisierung; sie sind nachmeinen Beobachtungen immer an das Folgende gebunden. Ebensowenig sindlá, cá und se calhar segmentfähig.2 Diese Diskurspartikeln sind damit den

2 Ich klammere hier natürlich die ‘wörtliche’ Gebrauchsweise aus, denn in wörtlicher

Funktion können etwa auch sempre und também als Antworten auf Fragen erfolgen.

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deutschen Modalpartikeln am ähnlichsten. Auch repara scheint nichtsegmentfähig zu sein. Problematischer ist der Fall e, erscheint diese Formdoch in Überbrückungen auch isoliert von seiner Umgebung. Hingegen sindolha, agora, então, enfim, ora, bem, bom und auch sabes, percebes, não éalle potentiell autonom gegenüber ihrem Bezugssegment, zumindest, was diephonologische Realisierung betrifft. Die Schlußsignale scheinen sichtendenziell meist relativ eng an die Äußerung anzuschließen, was bei pá z. B.auffällt. Dieses Signal erscheint nach meinen Beobachtungen interessan-terweise meistens nur durch eine ganz kurze Pause vom Bezugssyntagmagetrennt, in der Kombination ó pá ist es allerdings segmentfähig und into-natorisch markierbar. Wenn auch die Segmentfähigkeit eine Kategorie füreine Grammatik der gesprochenen Sprache bilden kann, so ergeben sich dochwieder Übergänge und Grenzfälle.

Wie eng eine Partikel an ihr Bezugssyntagma gebunden ist, wird durchmehrere Kriterien bestimmt: durch die Pausenstruktur, die Intonationskurve,die Betonung und die Deutlichkeit der Aussprache (s. u.). Die Realisierungs-möglichkeiten liegen dabei auf einem Kontinuum zwischen enger Ver-schmelzung mit dem Bezugssegment und phonologischer Verschleifungeinerseits und segmentaler Eigenständigkeit und emphatischer Betonungandererseits. Auch eine Dichotomie, die die Partikeln in zwei Gruppenspalten würde, zeichnet sich keineswegs ab: Wie an olha/olhe exemplarischgezeigt werden konnte, verfügen manche Partikeln in dieser Hinsicht überunterschiedliche Varianten.

7.1.3 Partikeln und Suprasegmentalia

Von unbetonter bzw. betonter Realisierung einer Partikel zu sprechen, verein-facht die Verhältnisse der gesprochenen Sprache zu sehr. Es zeigt sich näm-lich in empirischer Kommunikation, daß die Merkmale „betont“ vs. „un-betont“ keine Dichotomie darstellen bzw. Betonung kein absolutes Kriteriumist, sondern – insbesondere bei syntaktisch nicht integrierten Formen – dieModulation auf einem Kontinuum von unbetont über schwachtonig bis hinzur auffällig expressiv markierten Betonung reichen kann.

Die Aussprache der Diskurspartikeln kann stark variieren bzw. von denSprechern modifiziert werden, wie es GÜLICH bereits am fr. [bε] für bien ge-zeigt hat. Einige Partikeln werden so verschliffen, daß sie nicht mehr lexika-lisch identifizierbar sind.3 Diese Beobachtung konnte ich auch an dem hierverwendeten Korpus verifiziert werden: Im Portugiesischen läßt sich etwa anden Formen olhe und olha eine starke Verschleifung beobachten, die über dienormale Reduktion auf die erste Silbe – [óλ∂] – hinausgeht. Diese lautliche

3 Dieses Phänomen wird zum Problem bei der Transkription; aber auch bei der

Identifizierung der Überbrückungsphänomene ergeben sich Schwierigkeiten.

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Reduktion könnte etwa als [ój] abgebildet werden. Weitere verschliffeneRealisierungen finden sich auch beim Signal mas, das oft nur noch als [m∂]realisiert wird, aber auch bei pois [poj].4

Zur phonetischen tritt nach meinen Beobachtungen noch die Möglichkeitintonatorischer Variation hinzu bzw. hängt mit dieser zusammen: Währendein stark betontes bzw. deutlich artikuliertes olha häufiger abgesetzt ist undeine eigene Intonationskurve, nach unten oder oben, trägt, weist die verschlif-fen realisierte Variante meist nur schwache Betonung auf und ist seltenerdurch Pausen abgesetzt, wird also meist in die Intonationskurve des Folge-segments eingebaut. Die Verbindung zum nächsten Lexem und die Ver-schleifung scheint dann häufiger vorzuliegen, wenn die markierte Äußerungkurz ist oder sich auf ein Segment bzw. Syntagma beschränkt. Bei längerenTurns, die mit olha eingeleitet werden, ist hingegen häufiger die bedeu-tungsvoller erscheinende, intonatorisch markierte und abgesetzte Variantefestzustellen. Die phonische Verkürzung scheint auch mit einer Bedeutungs-reduktion zu korrelieren; dies läßt sich wieder anhand von pg. olhanachweisen: Bei der expressiv markierten Betonung liegt entsprechend eineemphatische Funktion vor; je verschliffener hingegen die Form realisiertwird, umso entsemantisierter wirkt sie; ihre Funktionen scheinen sich dannüberwiegend auf die Gesprächsorganisation zu beschränken. In der gespro-chenen Sprache liegen also regelrecht zwei Varianten der Form mit Bedeu-tungsunterschieden vor, die bisher noch keine Berücksichtigung – etwa in derLexikologie – gefunden haben.5 Dies zeigt, wie wichtig die Intonation für dieBestimmung der Partikeln ist; beide Phänomene zusammen bilden Bausteinefür eine Grammatik der gesprochenen Sprache.

Auch Gülichs Beobachtung, daß Eröffnungssignale gedehnt werden unddamit meist eine Überbrückungsfunktion vorliegt, ist hier festgestellt worden.Bei einer eine Formulierungsschwierigkeit überbrückenden Verzögerung mitHilfe eines Signals wird oft gleichzeitig eine weitere Beanspruchung desRederechts eingefordert. Damit, so GÜLICH, „gehören auch die Gliederungs-signale zu den vielbeschriebenen hesitation phenomena“.6 Die Dehnung trittfast ausschließlich innerhalb eines Turns auf; dies ist etwa bei pg. mas oder ehäufig festzustellen.

4 Die Beobachtung, daß mas so stark verschliffen wird, mag überraschen, scheint aber nicht

selten der Fall zu sein; als Abbrüche (in der Realisierung des Lexems) dürften diebeobachteten Vorkommen der verkürzten Form jedenfalls nicht alle gewertet werden.

5 Grammatiken und Wörterbücher verweisen auf olhe/olha als Interjektion, nicht jedoch aufeine Partikel. Das DLP führt neben olhar als eigenen Eintrag: „olhe! interj. serve parachamar a atenção“; das DPA: „olha! paß auf!, hör mal!; olhe! hören Sie mal!, passen Sieauf!“ – Für das fr. Gliederungssignal ben z. B. exisitert hingegen ein eigenerLexikoneintrag, vgl. etwa Langenscheidts Handwörterbuch Französisch (1995).

6 Gülich (1970: 300).

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Das Problem der segmentalen Variation leitet über zur Fragestellung, obKorrelation zwischen Realisierungsform und Funktion der Partikel besteht.Für olha/olhe konnte in einigen Fällen gezeigt werden, daß Abhängigkeitenzwischen der prosodischen Markierung, der Deutlichkeit der Segmentbildungdurch die Pausenumgebung und den jeweiligen konversationellen Funktionenbestehen. So kann die expressive prosodische Markierung von olha meist aufeine emotive Funktion zurückgeführt werden, und die prosodisch völligunmarkierte, extrem verschliffene Variante, die in die Intonationskurve desfolgenden Syntagmas eingebunden ist, auf eine reine Eröffnungsfunktionreduziert sein. Umgekehrt scheinen aber auch bei den nicht-expressivrealisierten Gebrauchsweisen Unterschiede dahingehend zu existieren, wiedeutlich olha im Fluß des Gesprächs hervortritt. Wenn olha abgesetzt ist, eineIntonationskurve nach unten aufweist, scheint es auch auf den Beginn einerMakrostruktur zu verweisen. Steigt die Intonation auf olha an oder ist derTon schwebend, so wird ein deutliches Aufmerksamkeitssignal gesetzt, dasstark nach vorne verweist und die Relevanz des Folgenden hervorhebt.7Diese Beobachtungen müßten durch die Auswertung eines größeren Korpusund durch eine genaue phonologische Analyse verifiziert werden. DieTendenz scheint jedenfalls dahin zu gehen, daß die diskursiven Funktioneneiner Diskurspartikel umso mehr hinter anderen Funktionen, etwa einerexpressiven oder illokutionären zurücktreten, je auffälliger sie im Fluß desGesprochenen erscheint.

7.1.4 Partikeln und sequentielle Muster

Ein interessanter Aspekt, der hier nur gestreift wurde, betrifft die Markierungeinfacher und komplexer Sequenzstrukturen durch Partikeln.

Die Analyse von olha in Nachbarschaftspaaren hat gezeigt, daß Partikelnstereotyp in sequentiellen Mustern eingesetzt werden. So eröffnet olha häufigpräferierte Antwort-Züge nach Informationsfragen und signalisiert damitKooperativität. Eine etwas anders geartete makrosyntaktische Kontext-struktur fiel bei vielen der initiativen olha-Züge auf: Ihnen folgte häufig einemit mas markierte Diskurseinheit. Diese Abfolge einer olha-mas-Strukturkann von der Lokalisierung einer Einzelaktivität über die Sequenzierungunmittelbar aufeinander folgender Züge bis zur Markierung einer zerdehn-teren Struktur reichen. Dabei liegen beide Aktivitäten auf der gleichen Ebeneder Interaktion. Werden zwei Züge markiert, lokalisiert olha eine Hoch-stufung, mas eine Zurückstufung. Während im olha-Zug konditionelle Rele-vanzen gesetzt werden, können sie im mas-Zug repariert/und oder abgewählt 7 Ahnliche stark differierende, phonologische Varianten scheint es auch bei então zu geben,

was ich hier leider nicht mehr darstellen konnte. Bei diesen sehr deutlich markiertenDiskurspartikeln stellt sich wieder die Frage, ob sie nicht eigene Sprechakte darstellen.

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werden. So wurde deutlich, daß bestimmte Sprechhandlungen, die mit olhaeingeleitet werden, eine Abschwächung konversationell erwartbar machen.Solche „sequentiellen Partikelmarkierungen“ können nicht nur Positionenund komplexere Kohärenzstrukturen aufdecken, sondern auch bestimmteStrategien sichtbar machen. Viel Aufschluß über Abläufe und Systematik vonGesprächssequenzen dürften solche Makro-Strukturen gerade dann geben,wenn sie turn-übergreifend vorliegen.

7.1.5 Offene Fragen

Viele Fragen müssen in dieser Arbeit offen bleiben, denn eine Reihe von For-men konnten in den qualitativen Analysen nicht berücksichtigt werden. Soerscheint es immer noch ein Desiderat, die nicht bei FRANCO aufgeführtenPartikeln wie pá in der gesprochenen Sprache genauer zu untersuchen. Vorallem então scheint, besonders in Alltagskonversationen, eine wichtige undinteressante Diskurspartikel zu sein. Auch die Funktionen der interaktionalenPartikeln wie sabes und repare konnten hier nicht dargestellt werden.

Die Beschreibung anderer wichtiger Formen wie pois, pronto, portantooder quer dizer muß ebenso anderen Arbeiten vorbehalten bleiben. Sokonnten auch spezifische Funktionsunterschiede zu olhe/olha nicht heraus-gestellt, allenfalls im Einzelfall angedeutet werden. Was ich indessen zuzeigen versuchte, war, wie multifunktional Partikeln eingesetzt werden undauf welche Ebenen der Interaktion sie bezogen sein können, in welchvielfältige Richtungen ihre Markierungsfunktionen gehen und was fürinteressante Aufschlüsse sie über die jeweilige Interaktion erlauben. Sie sindnicht nur aufgrund ihrer Implizitheit, sondern auch wegen ihrer Vagheit undKontextsensitivität konstitutive Merkmale der gesprochenen Sprache. Auf dieBedeutung des letztgenannten Merkmals von Partikeln soll nun ein Ausblickerfolgen, der meine Untersuchung in einen größeren Zusammenhang stellenkann.

7.2 Partikeln, „Nähesprachlichkeit“ und Kontext

KOCH/OESTERREICHER führen Abtönungspartikeln neben Sprecher- undHörersignalen, Überbrückungsphänomenen, Korrektur- und Gliederungssig-nalen als „universale Merkmale der Sprache der Nähe“ im textuell-pragma-tischen Bereich an.8

8 Koch/Oesterreicher (1985: 27).

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Unter „Sprache der Nähe“ ist dabei ein Pol extremer Mündlichkeit zu ver-stehen, also gesprochene Sprache unter folgenden Kommunikations-bedingungen:

1. Dialogizität2. Vertrautheit der Partner3. face-to-face-Interaktion4. freie Themenentwicklung5. keine Öffentlichkeit6. Spontaneität7. „involvement“8. Situationsverschränkung9. Expressivität10. Affektivität9

HENTSCHEL (1986) bestätigt implizit die Annahme KOCH /OESTER-REICHERS, daß der (verstärkte) Gebrauch von Partikeln auf solche Kommu-nikationsbedingungen zurückzuführen ist, die dem Bereich der Nähesprach-lichkeit zuzuordnen sind. Sie versuchte statistisch nachweisen, daß mitsteigendem Privatheitsgrad eines Gesprächs sich auch die Frequenz derModalpartikeln erhöht.

Der Privatheitsgrad eines Gesprächs wird dabei mittels folgendergesprächsbestimmender Faktoren skalär gemessen:10

1. Grad der Vertrautheit untereinander2. Grad der Situationsvertrautheit3. persönliche Betroffenheit durch und Interesse am Gesprächsthema4. Differenzen im sozialen Rang der Teilnehmer5. Vertrautheit des Kommunikationsortes und -mediums6. Häufigkeit der Interaktion („Lebhaftigkeit“)7. Arten des Gesprächsverlauf (deskriptiv, argumentativ, assoziativ)

Das häufige Vorkommen von Partikeln könne „als Indikator dafürgewertet werden, daß entweder ein hoher Privatheitsgrad gegeben ist oderaber einer oder mehrere der im Privatheitsgrad zusammengefaßten Faktorenein starkes Übergewicht innerhalb des Gespräches haben.“11

9 Koch/Oesterreicher (1985: 23).10 Hentschel (1986: 239).11 Hentschel (1986: 273). Nach der statistischen Auswertung einer Auswahl von Texten aus

dem Freiburger Korpus (Fuchs/Schank, 1975) sowie eigenen Aufnahmen hat Hentschelu. a. zwei ‘assoziative Diskurse’ qualitativ auf den Gebrauch von ja, doch, halt, ebenuntersucht: „Unter ‘assoziativem Diskurs’ soll hier ein Gesprächstyp verstanden werden,bei dem die Partner sich in erster Linie durch ihre spontanen Einfälle leiten lassen und dieeinzelnen Themen nur kurz verfolgen.“ (269) Besonders dort hat sie einen häufigenPartikelgebrauch festgestellt.

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Die Schwäche der Messung des Privatheitsgrads bei HENTSCHEL liegt nunjedoch darin, daß eine wie auch immer abgegrenzte Interaktion a priori aufeine bestimmte Qualität festgelegt wird, die sich aus sehr unterschiedlichenEinzelfaktoren ergibt. Dabei werden nicht nur zu viele Vorannahmengemacht, sondern auch die Kategorien vermischt: Es werden zum einenexterne Merkmale (z. B. Differenzen im sozialen Rang, Grad der Vertrautheitund der Situationsvertrautheit) herangezogen, die nicht anhand des Gesprächsbzw. Textes selbst festgestellt wurden. Als von der gegebenen Interaktionabgekoppelte Faktoren scheinen sie eindimensional das Sprachverhalten derBeteiligten zu bestimmen. Andere der genannten Merkmale sind in derInteraktion selbst zu finden (z. B. Gesprächsverlauf, Lebhaftigkeit), werdenaber nicht linguistisch verifiziert. Die Festlegung dieser Parameter entbehrtsomit jeglicher analytischen Grundlage. Die internen Faktoren können nurdurch eine Sprachanalyse verifiziert werden, und dabei dürften dannPartikeln natürlich nicht ausgeschlossen werden. Die unvermeidlicheKonsequenz ist also ein Zirkelschluß zwischen einer bestimmten „Annahmeüber Partikelfunktionen“ und der „Feststellung dieser Funktionen“.

Die Bestimmung des Privatheitsgrades hat also den Nachteil, daßanalytisch alle Merkmale der sprachlichen Oberfläche ausgeklammertwerden. Die Ergebnisse dieser rein statistischen Auswertung sind daher mitEinschränkungen zu betrachten.12 Die Abhängigkeit von Gesprächssituationund Partikelgebrauch soll damit nicht abgestritten werden; dieser muß jedochim aktuellen Kontext selbst untersucht werden. Die entscheidende Proble-matik der Vorgehensweise von HENTSCHEL liegt m. E. in der zugrunde-liegenden Vorstellung von Kontext, die impliziert, daß (teilweise) unverän-derliche Kontextparameter die Textproduktion einseitig beeinflussen; über-dies erscheint der untersuchte Gesprächsausschnitt als statisches, „fertiges“Produkt. Mit der a priori Festlegung situativer Merkmale, die zudemkategorial ungenau sind, wird weder der sequentiellen, flüchtigen Produktiondes Gesprochenen, noch den Möglichkeiten der interaktiven AushandlungRechnung getragen. Das bedeutet z. B., daß der Partikelgebrauch in einemvertrauten, spontanen, symmetrischen Gespräch nicht von diesen Faktorenallein abhängt, wohl aber von der Art des Themas, oder genauer, von der Artder Behandlung des Themas.13 Aber auch in einem institutionellen Rahmen

12 Hentschel hat die Kommunikationsbeschreibung, die den Freiburger Texten vorangestellt

ist, übernommen, um so eine möglichst ‘objektive’ Bewertung für die statistischeAuswertung zu erlangen (1986: 241). – Allerdings weist Hentschel selbst auf „dasgrundsätzliche Problem der Quantifizierung qualitativer Eigenschaften hin“ (242);anschließend folgt auch eine qualitative Untersuchung der Texte(‘konversationsanalytische Auswertung’); aber auch hier scheint Hentschel z.T. mitVorannahmen an die Texte zu gehen. (vgl. etwa 257).

13 Dieser Tatsache hat Hentschel durch die Aufnahme verschiedener Kategorien Rechnungzu tragen versucht.

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kann der Partikelgebrauch dann unverhältnismäßig ansteigen, wenn z. B. einstark kompetitiver Interaktionsstil verfolgt wird. Der niedrige Grad derVertrautheit spielt in diesem Moment überhaupt keine Rolle, ebensowenigdie Vertrautheit mit der Situation.14 Die Kategorien müßten im einzelnenuntersucht werden und nicht kumuliert in einem Privatheitsgrad.15 Umge-kehrt dürfte jedoch die Frage, wonach sich die Beteiligten gerade und aktuellrichten und wie sie dies sprachlich manifestieren – z. B. auch mit einementsprechenden Partikelgebrauch – viel aufschlußreicher sein. Abhängig-keiten zwischen Kontext und Partikelgebrauch sind also von der Interaktionausgehend zu untersuchen.

Unter Kontextbedingungen, also Merkmalen, die „kulturell undsprachlich für die Produktion und Interpretation von Äußerungen relevantsind“,16 sind keine statischen, außerhalb des Sprechens bestehenden,situativen Determinanten zu verstehen, die in einer eindirektionalen Weisedas sprachliche Handeln der Teilnehmer beeinflussen. Dem prozessualenCharakter von mündlicher Kommunikation entspricht vielmehr ein dyna-misches Kontextverständnis, wie es etwa GUMPERZ formuliert hat.17 Dem-nach reagieren Interaktionsteilnehmer nicht auf Kontext, sondern bauen ihn(gemeinsam) auf. Nur, indem eine Äußerung in einen Kontext gestellt wird,wird dem Rezipienten Verstehen möglich. Die Interaktionsteilnehmer müssenalso ihre Handlungen ausführen und zugleich interpretierbar machen, indemein Kontext konstruiert wird:

Kontext wird nicht als material gegeben, sondern als interaktiv produziert angesehen.Seine Realität ist nicht die einer physikalischen Präsenz, sondern die eines(Ethno-)Konstrukts, das dazu dient, in einer zwar revidierbaren, aber für alle praktischenZwecke ausreichenden Weise die Situation zu definieren.18

Für die Analyse ist dabei wesentlich, daß nicht mehr das objektiveVorhandensein bestimmter äußerer Gegebenheiten, Rollen oder textuellerStrukturen festzustellen ist, „es muß vielmehr gezeigt werden, daß sich dieTeilnehmer an diesen objektiv gegebenen Strukturen orientieren.“19

14 Beispiele aus den Hörergesprächen meines Radiokorpus’ können dies eindrucksvoll

belegen, vgl. Beispiel 26.15 Hentschel schränkt selbst ein: „Es wäre selbstverständlich wünschenswert, nicht nur den

Zusammenhang zwischen der als ‘Privatheitsgrad’ bezeichneten Summe allerEinzelfaktoren nachzuweisen, sondern auch den konkreten Einfluß jedes einzelnenberücksichtigten Faktors zu bestimmen.“ (243).

16 Levinson (1990: 23).17 Zum Konzept der Kontextualisierung vgl. Gumperz (1982), vgl. auch Auer (1986).18 Vgl. hierzu Auer (1986: 23f.). In keinem Fall also ist Kontext so zu verstehen, daß

sprachliche Merkmale ausgeschlossen sind, (vgl. Levinson 1990: 23).19 Auer (1986: 23).

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Kontextmerkmale müssen dabei von den Teilnehmern wechselseitigwahrgenommen und in der Interaktion verdeutlicht werden.

Die Verfahren, dies zu erreichen, werden als „Kontextualisierung“bezeichnet. Durch Kontextualisierungsverfahren werden, vereinfacht gesagt,alle möglichen Arten von Schemata bzw. Wissensstrukturen (thematischeSchemata, Rollen- und Handlungsschemata) aufgerufen. Auf der Seite derPerformanz spielen dabei „Kontextualisierungshinweise“ (contextualizationcues) eine zentrale Rolle:

A basic assumption is that this channelling of interpretation is effected by conversationalimplicatures based on conventionalized co-occurrence expectations between content andsurface style. That is, constellations of surface features of message form are the meansby which speakers signal and listeners interpret what the activity is, how semanticcontent is to be understood and how each sentence relates to what precedes or follows.These features are referred to as contextualization cues. From the most part they arehabitually used and perceived but rarely conscioulsy noted and never talked aboutdirectly. Therefore they must be studied in process and in context rather than in theabstract. Roughly speaking, a contextualization cue is any feature of linguistic form thatcontributes to the signalling of contextual presuppositions.20

Kinetik und Proxemik, Prosodie (Tonhöhenverlauf, Lautstärke,Geschwindigkeit, Rhythmus und Gliederung in Tongruppen, Akzent),Blickverhalten, zeitliche Plazierung (Pausen, Simultansprechen), Varietäten-/Sprachwahl und lexikalische Variation sowie sprachliche Formulierungensind Kontextualisierungshinweise.21 All diese Phänomene zeichnen sich da-durch aus, daß sie keine expliziten Hinweise sind, sondern vage und implizitfunktionieren. Sie haben keine inhärente Bedeutung, sondern sind multi-funktional. Andererseits wird Kontextualisierung immer durch mehrereHinweise geleistet, was zu einer „Signalisierungsredundanz“ führt.

Im letzten Kapitel wurde darauf verwiesen, daß die Partikelverwendungindirekt Aufschlüsse über die Grundlagen der Interaktion geben kann. Wirhaben etwa gesehen, daß die Gesprächspartner mit der Gebrauch bestimmterPartikeln implizit auf das Schema oder die Regeln der Sprecherauswahlrekurrieren, daß durch unangemessene Partikeln eine andere Interpretationder Beziehung zwischen den Partnern aufgerufen wird usw. Das Konzept derKontextualisierung weist in dieselbe Richtung. Wichtig ist, daß die

20 Gumperz (1982: 131).21 Zu weiteren Merkmalen vgl. Auer (1986: 27f.). Ein wichtiges Merkmal ist, daß

Kontextualisierungshinweise kulturabhängig sind und ihr mangelndes Verstehen deshalbin interkultureller Interaktion häufig Ursache für Mißverständnisse bilden kann; in diesemZusammenhang scheint die Tatsache, daß der angemessene Gebrauch von ModalpartikelnDeutschlernern große Schwierigkeiten bereitet (Muhr, 1989: 645), besonders interessant.Vgl. hierzu Luchtenberg (1989: 667), die das Lernproblem ‘Abtönungspartikeln’ mitsoziokulturellen Verständnisproblemen vergleicht (1989: 667ff.), sowie Westheide (1989:293ff.), der auf die Notwendigkeit eines ethnographischen Beschreibungsansatzes vonPartikeln als Grundlage für die Didaktisierung hinweist.

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Interaktionspartner den jeweils gültigen Kontext momentan und aktuell durchdie Hinweise heranziehen, ohne daß sie dies explizit tun. Von Bedeutungerscheint in diesem Zusammenhang auch, daß Partikeln neben ihrerimpliziten Funktionsweise vage sind und redundante Markierungen tragenkönnen; oft scheinen die jeweiligen Funktionen aus dem Kontext selbst schonhervorzugehen oder auch durch andere Marker angedeutet zu werden.Meistens wirken Diskurspartikeln gerade mit solchen Mitteln zusammen, dieauch zu den Kontextualisierungshinweisen zählen: allen voran zu nennen istdie Intonation, dann aber auch Pausen, Betonung, Blickkontakt und andereHinweise.

Insgesamt ist das Konzept der Kontextualisierung allerdings zu allgemeinformuliert, um die Funktionen einzelner Partikeln nun konkret erfassen zukönnen.22 Es gibt allenfalls Aufschluß über den Stellenwert der Diskurs-partikeln, verdeutlicht, in welcher Weise sie zum Verstehen zwischen denBeteiligten beitragen können: Durch ihren impliziten, nicht autonomenCharakter aktualisieren die Beteiligten mit ihnen bestimmte Schemata.

Für die Analyse von Gesprächen ist die Partikelforschung insofern sehrgewinnbringend: Eine detaillierte Untersuchung der Partikelauswahl undPartikelhäufung in einem größeren kontextuellen Zusammenhang kann fürdas Verstehen der jeweiligen Interaktion von großer Bedeutung sein. Der(verstärkte) Gebrauch von Diskurspartikeln spiegelt nicht nur den ständigenProzeß der Verständnissicherung und Aushandlung wider, sondern auch inspezifischer Weise die Dialogizität und Interaktivität des Gesprächs. Je mehrKontext aufgebaut werden muß, je mehr sich die Beteiligten gegenseitigverdeutlichen müssen, um was es gerade geht, je mehr sie also die Grundlageund die Bedeutungen der Interaktion aushandeln müssen, umso mehrPartikeln verwenden sie.

Partikeln können demnach als Kontextualisierungshinweise gelten. Jeintensiver der gültige Kontext und die vorzunehmenden Aktivitäten zwischenden Gesprächsteilnehmern definiert und ausgehandelt werden müssen, umsogehäufter werden Diskurspartikeln von ihnen eingesetzt. Die Markierung derRelevanzeinstufung im Sinne einer Lokalisierung der Äußerung ist eine derwichtigsten Funktionen von Diskurspartikeln. Diskurspartikeln können nachder Art der Bezüge zu bestehenden oder zu erfüllenden konditionellenRelevanzen näher bestimmt werden.

22 Aus diesem Grund habe ich das Konzept hier nicht angewendet, auch wenn prinzipiell

Überschneidungen mit der ethnomethodologischen Konversationsanalyse bestehen.

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