17

DLR Nachrichten 101 Mai 2001 - Tilmann Denk · 2020. 4. 24. · serstoff und Helium und ist mit einem Äquatordurchmesser von 142.800 Kilo-meter und einem Poldurchmesser von 133.700

  • Upload
    others

  • View
    0

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

  • 24

    Mit dem Vorbeiflug der Raumsonde Cassini zum Jahreswechsel2000/2001 trat die Erforschung des Riesenplaneten Jupiterwieder verstärkt in das öffentliche Bewusstsein. WährendCassini aber „nur“ an Jupiter vorbeiflog, umkreist die Sonde Galileobereits seit über fünf Jahren den größten aller Planeten unseres Son-nensystems. In diesen fünf Jahren gelangen 29 Umkreisungen mitebenso vielen gezielten Vorbeiflügen an den vier großen Jupitermon-den Io, Europa, Ganymed und Callisto, die nach ihrem Entdecker Galileo Galilei auch als Galileische Monde bezeichnet werden.

    GALILEO´s „Jupiter-Orbit-Tour“E

    XTRA

    TERR

    ESTR

    IK

    Von Gerhard Neukum und dem DLR-Galileo-Team

    Komplett 15.05.2001 13:18 Uhr Seite 27

  • 25

    Komplett 15.05.2001 13:18 Uhr Seite 28

  • 26

    EXTR

    ATER

    REST

    RIK

    Galileo (die Sonde) sendete zahl-reiche Bilder und Daten zur Erde,und unser heutiges Bild von Jupi-ter und seinen Monden wurde sehr wesentlich von dieser Mission geprägt.Während die beiden Sonden Voyager 1und 2 im Jahr 1979 die Jupitermondevon „ bloßen Pünktchen“ in Teleskopenzu „richtigen Welten“ machten, habenwir erst durch Galileo Strukturen und Pro-zesse auf deren Oberflächen im Grund-satz verstanden.

    Jupiter besteht im Wesentlichen aus Was-serstoff und Helium und ist mit einemÄquatordurchmesser von 142.800 Kilo-meter und einem Poldurchmesser von133.700 Kilometer der größte Planet imSonnensystem. Im Vergleich dazu ist un-sere Erde mit einem Durchmesser von12.756 Kilometer eher klein. Anders alsbei unserem Heimatplaneten blickt manbei Jupiter von außen aber nicht auf einefeste Oberfläche, sondern auf eine fastgeschlossene Wolkendecke in einer riesi-gen Atmosphäre, die viele ZehntausendKilometer ins Innere des Planeten hinein-reicht. Daher wird Jupiter oft auch alsGasplanet bezeichnet. Mindestens 28Monde begleiten ihn auf seiner Bahn umdie Sonne. Allein elf davon wurden erstim letzten Jahr neu entdeckt, und ein1975 beobachteter und wieder verlorengegangener Mond konnte ebenfalls imletzten Jahr wieder aufgefunden werden.

    Die vier größten Jupitermonde, die Gali-leischen Monde, wurden als erste Mondeeines Planeten überhaupt im Januar 1610entdeckt und gehören gemeinsam mitunserem Erdmond und dem SaturnmondTitan zu den sechs größten Monden imSonnensystem. Ihre Durchmesser liegenzwischen 3.100 und 5.300 Kilometer; siesind damit kleiner als die Erde, aber zumTeil so groß wie der Planet Merkur. IhreAbstände zur Jupiterwolkenoberflächeliegen zwischen etwa 350.000 und 1,8Mio. Kilometer. Die Oberflächen von Eu-ropa, Ganymed und Callisto werden vonWassereis dominiert, und es wird über

    Abb. vorherige Seite: Galileo verlässt die Erde. An Bord der US-Raumfähre Atlantis begann am18. Oktober 1989 die lange Reise Galileos, welche die Sonde bis heutedrei Mal um die Sonne und 30 Mal um Jupiter herumgeführt hat.

    Abb.: Der Jupiter in seiner ganzen Schönheit.

    Komplett 15.05.2001 13:20 Uhr Seite 29

  • 27

    Ozeane aus flüssigem Wasser unter ihrenOberflächen spekuliert. Io hingegen weisteine silikatische Kruste mit großem Anteilan Schwefel und Schwefeldioxid auf undist der vulkanisch aktivste Körper im Son-nensystem.

    Die anderen Monde sind klein, ihreDurchmesser reichen von 200 Kilometerbis herab zu wenigen Kilometern. Vierkleine Monde (Metis, Adrastea, Amaltheaund Thebe) kreisen noch innerhalb derIo-Bahn und sind für die Entstehung undErhaltung eines dünnen Staubrings umJupiter verantwortlich. Aufgrund ihrerNähe zu Jupiter und dessen großer Massebesitzen sie enorme Bahngeschwindigkei-ten; so rast der innerste Mond Metis mit113.000 km/h innerhalb von nur siebenStunden um den Planeten. Auf der Erdewürde man bei so einem Tempo eineWeltreise in 21 Minuten schaffen. Außer-halb der Galileischen Monde, in etwa elfMio. Kilometer Distanz zum Planeten,kreisen die fünf Monde Himalia, Elara, Lysithea, Leda und S/2000 J 11. Etwasnäher an Jupiter (in 7,4 Mio. KilometerAbstand) befindet sich noch S/1975 S 1,der bereits erwähnte verlorene und „wie-der gefundene“ Mond. Weit draußenschließlich, in etwa 20 bis 25 Mio. Kilo-meter Abstand, kreisen mindestens 14kleine Monde um Jupiter, die vermutlicheingefangene Asteroiden oder Kometensind: Ananke, Carme, Pasiphae, Sinopesowie die neu entdeckten S/1999 J 1 undS/2000 J 2 bis J 10. Ihre Bahnen verlau-fen retrograd, d.h. entgegen dem imSonnensystem üblichen Umlaufsinn. Dieäußeren Jupitermonde konnten bislangnur von der Erde aus als kleine Pünkt-chen in großen Teleskopen beobachtetwerden. Erst Cassini näherte sich demgrößten der äußeren Monde, Himalia, am 18. Dezember 2000 bis auf 4,4 Mio.Kilometer und konnte diesen Mond als(wenn auch kleines) Scheibchen aufneh-men. Die Galileo-Sonde gelangte nur indie Nähe der Galileischen Monde sowieder kleinen inneren Monde, alle anderenwaren zu weit weg.

    Galileo-Sonde

    Die Raumsonde Galileo ist eine unbe-mannte Sonde mit dem Ziel der Erfor-schung des Jupiters, seines Magnetfeldesund seiner Monde. Sie bestand ursprüng-lich aus zwei Komponenten. Der Orbiterist 6,15 Meter hoch und wog beim Ver-lassen der Erdumlaufbahn 2.223 Kilo-gramm; 925 Kilogramm davon entfielen

    auf den Treibstoff für Bahn- und Lagere-gelungssysteme. Insgesamt elf wissen-schaftliche Instrumente sind an Bord, daswichtigste davon ist das Kameraexperi-ment, an dem auch das DLR über dieImaging-Team-Mitgliedschaft des Autorsbeteiligt ist. Der andere Teil ist die soge-nannte Atmosphären-Eintauchsonde oder„Probe“. Bei einem Durchmesser von 125Zentimeter hatte sie eine Masse von 339Kilogramm und war für einen Höllenrittdurch die Jupiteratmosphäre konzipiert.Sieben wissenschaftliche Experimente anBord der Probe lieferten „In-situ-Daten“aus dem Bauch des Riesen.

    Die Kamera des Galileo-Orbiters, auchSolid-State Imaging (SSI) Experiment ge-nannt, hat eine Brennweite von 1500mm. Als Sensor dient ein CCD-Chip, dermit 800 x 800 Pixeln bestückt ist. Dieschnellste Bildfolge beträgt 2 1/3 Sekun-den, und das gesamte Kamerasystem istbei Wellenlängen zwischen 0,4 und 1 Mi-krometer sensitiv. Acht verschiedene Filtererlauben auch Farbaufnahmen. Mit demSpektrometer NIMS kann die Zusammen-setzung von Atmosphären und Ober-flächen studiert werden. Es ist für Wel-lenlängen von 0,7 bis 5,2 Mikrometerausgelegt und umfasst damit einen Be-reich, in dem zahlreiche für Gesteine undEis-Arten diagnostische Farbstrukturen(sogenannte Absorptionsbanden) liegen.

    Cruise-Phase und Jupiterankunft

    Galileo wurde Anfang der 80er Jahre gebaut. Der für Mai 1986 geplante Startmusste auf Grund des Challenger-Un-glücks im Januar 1986 zunächst abgesagtwerden, und Galileo wurde von Cape Canaveral in Florida wieder zurück nachPasadena in Kalifornien zu dem Orttransportiert, wo die Sonde gebaut wur-de. Später wurde ein neuer Startterminfür Oktober 1989 angesetzt.

    Gravierender als die Startverschiebungwar aber die Entscheidung der NASA, diefür Galileo vorgesehene Oberstufe „Cen-taur“, die mit Wasserstoff und Sauerstoffbetrieben wird, für Shuttle-Starts nichtmehr zuzulassen. Damit existierte keineRaketenoberstufe mehr, mit der Galileodirekt zum Jupiter hätte fliegen können.Der Ausweg war eine „Kreuzfahrt“ durchdas innere Sonnensystem, bei der Galileoan der Venus und zwei Mal an der Erdevorbeifliegen musste, um durch soge-nannte „Swing-by-“ oder „Gravity-Assist-

    Manöver“ Bewegungsenergie von diesenPlaneten für die Reise zum Jupiter abzu-zapfen. Dadurch verlängerte sich die Rei-sezeit der sogenannten „Cruise-Phase“von 2 1/2 auf über sechs Jahre, und Jupi-ter konnte nach erfolgreichem Start am18. Oktober 1989 erst im Dezember1995 erreicht werden.

    Andererseits boten diese „Extrarunden“um die Sonne auch Gelegenheiten, diebei einem Direktflug nicht gegeben sind.Galileo konnte jetzt nämlich die Venus,zwei Asteroiden, unsere Erde und insbe-sondere den Erdmond mit seinen Instru-menten detailliert untersuchen. So sicher-te sich Galileo mit dem ersten Vorbeiflugan einem Asteroiden in der Geschichteder Raumfahrt schon einen Platz in denGeschichtsbüchern, lange bevor das ei-gentliche Ziel Jupiter erreicht wurde.(951) Gaspra wurde am 29. Oktober1991 fotografiert und entpuppte sich alsunregelmäßiger, von Einschlagskraternübersäter Gesteinsbrocken von etwa 11km mal 19 km Größe. Auch der zweiteuntersuchte Asteroid, (243) Ida, hatte ei-ne schöne Überraschung parat: DieserAsteroid wird von einem kleinen Mondbegleitet, der später Dactyl genannt wur-de. Mehrere Jahre lang war Dactyl dereinzige fotografierte Asteroidenmond,und erst vor kurzem gelang es einigenAstronomen, auch von der Erde ausMonde von fünf weiteren Asteroiden direkt abzubilden.

    Die Beobachtungen des Erdmondes waren ebenfalls von großer Bedeutung,da Galileo erstmals die in Flugrichtungweisende Seite (die sogenannte „Leadingside“) sowie die Nordpolregion unseresTrabanten in mehreren Farbfiltern undmit den Spektrometern untersuchenkonnte. Diese Gebiete sind von der Erdeaus zum Teil nicht einsehbar, und zuApollo-Zeiten standen solche Beobach-tungssysteme noch nicht zur Verfügung.Auch für die Kalibration der Instrumentehatten diese Aufnahmen eine große Be-deutung.

    Ein „Extra“ waren die Beobachtungendes Kometen Shoemaker-Levy-9, dessenkilometergroße Bruchstücke im Juli 1994in die Jupiteratmosphäre einschlugen.Von der Erde aus lagen die Einschlags-punkte alle hinter der Jupiterscheibe; nurGalileo konnte die Trefferzone direkt se-hen und somit trotz der relativ geringenBildauflösung von 2.500 Kilometer proBildpunkt einen entscheidenden Beitrag

    Komplett 15.05.2001 13:21 Uhr Seite 30

  • 28

    zur zeitlichen Abfolge der Explosionser-eignisse liefern. Anders ausgedrückt: Ga-lileo lieferte den „Zeitpunkt Null“, unddie irdischen Teleskope beobachteten diebeeindruckenden Folgen der gewaltig-sten Explosionen, die jemals auf einemPlaneten beobachtet wurden und die –wenn sie denn auf der Erde stattgefun-den hätten – unsere Zivilisation zerstörthätten.

    Leider gab es auch technische Schwierig-keiten, die den beteiligten Managern, In-genieuren und Wissenschaftlern großeSorgen bereiteten. Am 11. April 1991sollte eigentlich die wie ein Regenschirmzusammengefaltete Hauptantenne Gali-leos geöffnet werden – doch sie klemm-te. Zahlreiche Versuche in den kommen-den Monaten und Jahren, die Antennedoch noch zu öffnen, gelangen nicht. AlsUrsache für das Problem wird angenom-men, dass die Schmierung an einigen be-weglichen Streben, die am Zentralmastentlang gleiten sollten, nicht ausreichendwar. Doch wie war das möglich – auchunter dem Gesichtspunkt, dass alle ande-ren Antennen gleichen Typs, die in denTDRS-Nachrichtensatelliten der NASA ein-gesetzt wurden, sich immer korrekt ent-falteten? Als wahrscheinlichster Grundwird der dreifache (Land-) Transport überden amerikanischen Kontinent vermutet.Das „Ruckeln“ auf den Straßen dürftelangsam das Schmiermittel ausgetriebenhaben, und an vermutlich drei der 18Streben hat es dann nicht mehr ausge-reicht.

    Die Galileo-Wissenschaftler mussten jetztalso mit einer Datenrate von 10 bis 30 bitpro Sekunde anstatt der ursprünglich ge-planten 134.000 bit/sec leben – statt miteinem Bild pro Minute also theoretischmit einem Bild in fünf Tagen. Zum Glückkonnten in verschiedenen Bereichen Ver-änderungen vorgenommen werden, sodass der tatsächliche Schaden erheblichkleiner ausfiel. Beispielsweise konntedurch Umprogrammierung der Bordcom-puter im Frühjahr 1996 Galileo die Fähig-keit zur Datenkompression gegeben wer-den. Andere Hilfen waren die Vergröße-rung der Empfangsantennen auf der Erdeund die Schaffung der Möglichkeit, großeAntennen im Verbund zusammenzuschlie-ßen und so eine größere Antenne zu simulieren und damit eine etwas höhereDatenrate von bis zu 160 bit/sec zuzulas-sen. Der wichtigste Aspekt aber war dieNutzung des sogenannten „Tape Recor-ders“ an Bord der Sonde. Auf diesemBandgerät können etwa 860 Megabits anDaten zwischengespeichert werden, diedann in den nachfolgenden Tagen undWochen zur Erde übertragen werden.Obwohl im Endeffekt nur etwa zwei Prozent der ursprünglich geplanten Bild-menge erhalten wurden, schätzt man,dass dennoch etwa 70 Prozent der ge-planten Wissenschaft absolviert werdenkonnten. Die größten Einbußen hattendie Jupiter-Langzeit-Wetterbeobachterhinzunehmen.

    Die andere „große Schrecksekunde“ ne-ben dem Antennenproblem ereilte unszwei Monate vor der Jupiterankunft imOktober 1995. Fünf Jupiterbilder warenauf den „Tape Recorder“ gespielt worden,und das Band sollte zum Anfang zurück-gespult werden, doch stoppte es nichtmehr. Erst 16 Stunden später konnte es

    per Bodenbefehl angehalten werden.War das Band gerissen oder ein wichtigesBauteil irreparabel beschädigt, so wie esbei einem baugleichen Gerät bei Tests amBoden am selben Tag passiert war? ZumGlück nicht, denn ohne „Tape Recorder“wäre die Mission wohl dem Ende nahegewesen. Tatsächlich war das Band an einer Stelle leicht festgeklebt und hattesich 16 Stunden lang gar nicht bewegt,während das Antriebsrädchen nur amBand „leicht scheuerte“. Durch langsa-mes Vorwärtslaufenlassen neun Tagenach der Anomalie konnte es wieder„losgerissen“ werden und stand für dieOrbit-Tour mit etwas eingeschränkter Ka-pazität (nur noch 84 Prozent des Bandesdurften benutzt werden) wieder zur Ver-fügung.

    Die Probe war am 13. Juli 1995 abge-stoßen worden und bewegte sich ballis-tisch (antriebslos im freien Fall) auf Jupi-ter zu. Galileo musste für dieses Manöverauf Kollisionskurs mit Jupiter gehen, dadie Probe keinerlei eigenen Antrieb be-saß. Einige Tage nach dem Absetzen wur-de die Bahn des Orbiters dann korrigiert.Hierbei wurde erstmals das bei Astrium(damals noch MBB) in Ottobrunn beiMünchen gebaute Haupttriebwerk einge-setzt. Es funktionierte – wie auch nochzwei weitere Male – fehlerfrei.

    EXTR

    ATER

    REST

    RIK

    Abb.: Galileo überfliegt den Mond Europa.Aus größerer Entfernung dominierenlanggezogene Bänder – sogenannte „TripleBands“ – die Oberfläche. Doppelberg-rücken und Chaosgebiete sind erst beihöheren Auflösungen erkennbar. Im Hinter-grund Jupiter und Io.

    Komplett 15.05.2001 13:22 Uhr Seite 31

  • 29

    Einer der spannendsten Tage für das Gali-leo-Projekt war dann der 7. Dezember1995, der Tag der Jupiterankunft und derProbe-Mission. Der Orbiter vollführte einSwingby-Manöver am Mond Io, das über1/5 der zum Abbremsen nötigen Ge-schwindigkeitsänderung von fast 3.000km/h lieferte. Auf Grund des nur zweiMonate zurückliegenden „Tape-Recor-der“-Problems, das die Entwicklung vonneuen „Tape-Benutzungsregeln“ er-zwang (die natürlich nicht innerhalb vonzwei Monaten implementiert werdenkonnten), war dieser Io-Vorbeiflug leidernicht für die Fernerkundungsinstrumentewie die Kamera nutzbar. Tatsächlich solltees fast vier Jahre dauern, bis Galileo wie-der so nahe an Io heran kam.

    Die Probe wurde unterdessen von der ge-waltigen Jupitermasse auf 170.000 km/hbeschleunigt, um dann mit dem Hitze-schild voraus auf die Atmosphäre zu pral-len und in nur zwei Minuten auf Auto-bahn-Reisegeschwindigkeit abgebremstzu werden. Anschließend wurde der Hit-zeschild abgeworfen, der Fallschirm öff-nete sich, und die eine Stunde dauerndewissenschaftliche Mission konnte begin-nen. In dieser Zeit wurden grundlegendeInformationen über die Jupiteratmosphä-re zum Orbiter gesendet und dort zwi-schengespeichert. So kennt man jetztbesser die Gewitterhäufigkeit und dieStärke der Blitzentladung, die chemischeZusammensetzung der oberen Atmo-sphäre, die Wind- und Strömungsverhält-nisse sowie das Verhältnis von Wasser-stoff zu Helium in der oberen Jupiterat-mosphäre, das einiges über die Entste-hungsgeschichte der Gasplaneten aus-sagt. Die Sender der Probe überlebten eine Stunde lang bis zu einer Außentem-

    Komplett 15.05.2001 13:22 Uhr Seite 32

  • peratur von +153 ° C und einem Umge-bungsdruck von 22 bar in einer Tiefe von145 Kilometer. Verglichen mit dem Jupi-terradius von 71.400 Kilometer ist dasnicht viel; dennoch gab uns die Probeerstmals „Live-vor-Ort-Einsichten“ ausdem Inneren eines Gasplaneten.

    Eineinviertel Stunden nach dem Ende derProbe-Mission begann die 49-minütigeZündung des Haupttriebwerks, die Gali-leo endgültig zu einem Gefangenen desRiesenplaneten machte. Die erste Um-laufbahn war sechs Monate lang und be-inhaltete an ihrem Ende im Juni 1996den ersten gezielten Ganymed-Vorbeiflugder jetzt folgenden „Orbit-Tour“ Galileos.

    Jupiter-Orbit-Tour

    Galileos „Orbit-Tour“ kann in zwei sichabwechselnde Phasen eingeteilt werden:(1) Gezielter Vorbeiflug im inneren Ju-pitersystem an einem der GalileischenMonde mit intensiver Datengewinnungund (2) Phase des Herunterspielens derDaten zwischen den Vorbeiflügen. In den ersten zwei Jahren dauerte die erstePhase jeweils etwa eine Woche und wur-de später auf etwa drei Tage reduziert.Zunächst waren zehn gezielte nahe Vor-beiflüge bei elf Umläufen oder Orbits ge-plant: Vier an Ganymed (G1, G2, G7,G8), drei an Callisto (C3, C9, C10) unddrei an Europa (E4, E6, E11). Die Zifferverweist dabei auf den Orbit Galileos, derBuchstabe auf den dabei direkt angeflo-genen Mond. Io-Vorbeiflüge waren keinevorgesehen, da die Belastung durch hoch-energetische geladene Teilchen, die imJupitermagnetfeld gefangen sind, in Io-Nähe so groß ist, dass die Sonde dortnicht allzu lange überleben kann. Bei-spielsweise nahm Galileo allein am An-kunftstag etwa ein Drittel der Strahlenbe-lastung auf, für die die Sonde ausgelegtwar. Es erschien zu riskant, Galileo erneutin diese Gefilde zu schicken.

    Während der nominellen Mission wurdennatürlich auch die anderen GalileischenMonde, die kleinen, innersten Jupiter-monde und die Ringe sowie natürlich dieWolken und das Magnetfeld von Jupiterselbst unter die Lupe genommen. Die nominelle Mission gelang fast ohnenennenswerte technische Schwierigkeitenund endete im Dezember 1997 kurz vordem E12-Vorbeiflug, der den Auftakt der„Galileo Europa Mission“ oder kurz„GEM“ markierte. Ziel der GEM war es,den Mond Europa eingehender zu studie-ren, als dies während der nominellenMission möglich war. Europa wurde alsForschungsobjekt der höchsten Prioritätausgewählt, da unter ihrer Eiskruste einWasserozean vermutet wird. Galileo sollteweitere Daten liefern, welche diese Thesestützen oder widerlegen könnten.

    Leider stellten sich mit Beginn der GEMdie ersten „Macken“ bei Galileo ein, unddas Projektmanagement wurde gezwun-gen, zu improvisieren. Dennoch gelanges, den größten Teil der Daten der Vor-beiflüge E12, E14 und E15 zur Erde zuübertragen (bei E13 wurden die Kamerasplanmäßig nicht eingeschaltet). Vor E16ging Galileo dann aber in den sogenann-ten „Saving mode“, da der Bordcompu-ter abgestürzt war, und keine Datenkonnten gewonnen werden. Dies war in-sofern besonders ärgerlich, da für denE16-Vorbeiflug eine ungewöhnlich großeDatenmenge vorgesehen war. Immerhinkonnten einige Beobachtungen bei E17gerettet werden. Bei E18 dann dasselbePech: Wieder konnten keine Daten auf-genommen werden. Auf der Erde war in-zwischen eine Software in Entwicklung,die diese Art von Computer-Abstürzenverhindern sollte. Sie war ab C20 einsatz-bereit und hat seitdem praktisch jedenVorbeiflug „gerettet“. E19 am 1. Februar1999 musste noch ohne diese Softwareauskommen, dennoch gelang die Auf-nahme des größten Teils der geplantenEuropa-Daten.

    E19 markierte auch gleichzeitig den Ab-schluss der Europa-Phase. Galileo war be-reits über drei Jahre erfolgreich, und mankonnte sich jetzt an eine noch unerledig-te Aufgabe wagen: Nahe Vorbeiflüge amvulkanisch aktiven Mond Io. Hierfür wa-ren im Sommer 1999 zunächst vier Calli-sto-Vorbeiflüge (C20-C23) nötig, um mitHilfe von Gravity-Assist-Manövern den ju-piternächsten Punkt der Galileo-Bahn im-

    mer weiter an die Io-Bahn anzunähern.Am 11. Oktober 1999 war es schließlichso weit: Galileo kam auf 612 Kilometeran Io heran. Einen Tag zuvor großes Ban-gen: Wieder versetzte ein Computer-Ab-sturz Galileo in den „Save-Modus“, I24erschien massiv gefährdet. Sofort wurdeeine „Notfall-Software“ nach oben ge-schickt – diese war erst in der Woche zu-vor „vorsorglich“ für den Fall geschriebenworden, dass auf Grund der immensenStrahlung eine RAM-Speicherzelle be-schädigt werden könnte. Sie setzte dannnicht nur den Computer wieder in Gang,sondern kommandierte auch die nachfol-genden Beobachtungen ordnungsgemäß– der erste „richtige“ Io-Vorbeiflug wargerettet.

    Etwas ernüchternd waren jedoch die er-sten hochaufgelösten Bilder von Io. Esschien, als ob die Kamera in einem be-stimmten Aufnahmemodus die Bildpunk-te der linken und rechten Bildszene über-einanderkopiert hätte. Später gelang esdann, die Bildhälften mit statistischenMethoden wieder auseinander zu rech-nen und somit wissenschaftlich nutzbareund ästhetisch ansprechende Bilddatenzu erhalten. I25 Ende November 1999wäre ebenfalls beinahe gescheitert, dochauch hier konnte Galileo wieder flott ge-macht werden. Lediglich die höchstauf-gelösten Daten und die Magnetfeldmes-sungen gingen verloren, dafür standdann mehr „Downlink“ für die niedrigeraufgelösten Daten (100 m pro Bildpunktund weniger) zur Verfügung. Hier gelangbei der Aufnahme einer Lavafontäne imGebiet „Tvashtar“ eine der spektakulär-sten Galileo-Aufnahmen überhaupt.

    Eigentlich sollte Galileo längst den Strah-lentod gestorben sein, doch die Sondelebte noch immer. Also wurde die Missi-on erneut verlängert und erhielt die Be-zeichnung „Galileo Millennium Mission“oder „GMM“. Der ultimativ letzte Euro-pa-Vorbeiflug (E26) Anfang Januar 2000markierte das Ende der GEM und den Be-ginn der GMM und stellte zugleich auchdie „Y2K-Festigkeit“ Galileos unter Be-weis – nach dem Jahr „99“ folgte fürGalileo einfach das Jahr „100“. Ein neuesehrgeiziges Ziel bestimmte die Galileo-Flugbahn der GMM: Das „Rendezvous“mit der Cassini-Sonde zum Jahreswechsel2000/2001. Hierzu musste Galileo auf ei-ne hochexzentrische Bahn gebracht wer-den, um möglichst selten in gefährlicheJupiternähe zu kommen. Mit den beidentechnisch perfekten Vorbeiflügen I27 im

    30

    EXTR

    ATER

    REST

    RIK

    Abb.: Eines der wichtigsten Ziele der Gali-leosonde ist die Erkundung des vulkanischaktiven Mondes Io. Seine Oberfläche wirdrasend schnell umgestaltet, beispielsweiseentwickelte sich der schwarze Fleck linksunterhalb der Bildmitte zwischen April undSeptember 1997 innerhalb weniger Mona-te. Pyroklastisches Auswurfmaterial des Vul-kans Pillan bedeckt hier ein Gebiet von derhalben Größe Deutschlands. Der markanterote Ring gehört zu Pele, einem der größtenVulkane im Sonnensystem.

    Komplett 15.05.2001 13:39 Uhr Seite 33

  • Februar und G28 im Mai 2000 – der er-ste gezielte Ganymed-Vorbeiflug seit Mai1997 – wurde dies erreicht. Erst ein hal-bes Jahr nach G28 kam Galileo wieder inJupiternähe, um zeitgleich mit Cassini dieMonde und den Gasplaneten sowie seineRinge und Magnetosphäre studieren zukönnen.

    Auch G29 gelang – und Galileo lebt im-mer noch. Für die Zukunft ist eine erneu-te Rückkehr zu Io geplant, insbesondereum die beim polaren I25-Vorbeiflug verlo-renen Magnetometermessungen höchsterPriorität noch einmal durchführen zukönnen. Im Mai 2001 wird es demnachnoch den letzten Callisto-Vorbeiflug(C30) geben, und im Herbst/Winter2001/2002 können noch bis zu drei Io-Vorbeiflüge absolviert werden. Sollte Ga-lileo dann immer noch funktionsfähigsein, wäre sogar noch ein Novum mög-lich. Die momentane Planung wird Gali-leo im November 2002 bis auf 500 kman den kleinen Mond Amalthea und bisauf nur noch 70.000 Kilometer an die Ju-piter-Wolkenoberfläche heranbringen.Nach diesem A34-Vorbeiflug beginntdann Galileos 35. und letzte Runde, dieim September 2003 mit einem Einsturz indie Jupiteratmosphäre enden wird.

    Eine Fülle von neuen Informationen ent-halten die Daten, welche Galileo zur Erdegesendet hat. Das Institut für Weltraum-sensorik und Planetenerkundung ist dabeian der Auswertung der SSI-Kamera-Da-ten der Galileischen Monde beteiligt. Da-her wird im Nachfolgenden auf die wich-tigsten wissenschaftlichen Ergebnisse die-ser Forschungen eingegangen, obwohlnatürlich die Jupiter-Atmosphären-, Ma-gnetosphären-, Staub- oder Ringfor-schungen ebenso einen Platz verdienthätten. Begonnen wird mit Io, dem „bro-delnden“ Vulkanmond, dessen Ober-fläche so rasant umgestaltet wird, dassbis heute noch kein einziger Impaktkraterin den Daten gefunden werden konnte.

    Io

    Beinahe vier Jahre waren seit der Ankunftder Raumsonde Galileo im Jupitersystemvergangen, bis sie schließlich am 11. Ok-tober 1999 über die feuerspeienden Vul-kankegel und Lavafelder des Jupitermon-des Io hinwegraste. Die Kamera arbeiteteauf Hochtouren, um soviel wie möglichdieser einzigartigen Vulkanlandschaftenaufzunehmen, war es doch das erste

    31

    Komplett 15.05.2001 13:40 Uhr Seite 34

  • 32

    EXTR

    ATER

    REST

    RIK

    Mal, dass wir Menschen einen Blick aufdie Details dieser fremden Welt werfendurften. Zwei weitere Vorbeiflüge folgtenam 26. November 1999 und 22. Februar2000 ebenfalls in Höhen von wenigenHundert Kilometern – eine Distanz, die esder Kamera an Bord erlaubt, Details mitwenigen Metern Abmessung zu erken-nen. Im Vergleich zu den Aufnahmen derVoyager-Raumsonden, die 1979 das Ju-pitersystem durchquerten, ist dies eineSteigerung um beinahe zwei Größenord-nungen – entsprechend verfeinert hatsich unser Bild dieses geologisch aktivstenHimmelskörpers unseres Sonnensystems.

    In Bezug auf Io wurden die ersten vierJahre der Galileomission zur Vorbereitungdieses Höhepunktes genutzt. Ein wesent-licher Programmpunkt war das „Monito-ring“ der vulkanischen Aktivität. Gezieltwurden dann während der Vorbeiflügeaktive Vulkane und frische Lavaströmeaus Eruptionen der vorhergehenden Jahrebeobachtet. Am Institut für Weltraum-sensorik und Planetenerkundung des DLRwurden die Aufnahmen dieser Jahre ge-nutzt, das bislang genaueste Kontrollnetz(Punkte an der Oberfläche mit exakt be-stimmten Koordinaten) von Io zu erstel-len. Eine geophysikalische Auswertungdieses Kontrollnetzes erlaubte es unteranderem, die Existenz eines schwerenKerns im Inneren von Io (ähnlich wie imInneren der Erde) nachzuweisen. Seit1979 ist bekannt, dass auf Io gigantische(Hunderte von Kilometern hohe) Gas-eruptionen aufsteigen. Die gängige Theo-

    rie in Analogie zum irdischen Vulkanis-mus war, dass es sich dabei um Vulkan-ausbrüche handelt, bei denen heiße Gas-fontänen aus den Vulkanschloten ausge-stoßen werden. Eine gezielte Vermessungder Ursprungsorte dieser Eruptionen imRahmen der Kontrollnetzberechnungenergab jedoch überraschenderweise, dassdiese Ursprungsorte auf dem durch-schnittlichen Höhenniveau der Oberflächevon Io lagen. Dieses Ergebnis steht imWiderspruch zu gängigen Vorstellungenüber irdischen Vulkanismus. Hätten dieEruptionsfontänen ihren Ursprung aufVulkangipfeln (wie dies üblicherweise aufder Erde der Fall ist), so müsste der Aus-gangsort signifikant höher als die mittlereOberfläche von Io liegen.

    Es gab noch einen weiteren Anlass zuzweifeln: Prometheus, einer der großenVulkane auf Io, war schon zu Zeiten vonVoyager aktiv und zeigte auch in denAufnahmen der Raumsonde Galileo seinetypische Eruptionsfontäne – aber um 70Kilometer nach Westen versetzt! Ein sol-ches Verhalten schien in diesem Kontextnur sehr schwer verständlich. Selbstver-ständlich stand daher die Suche nachdem Ursprungsort der promethischenFontäne – nach herkömmlicher Vorstel-lung also nach einem Vulkanschlot – aufder Prioritätenliste für die gezielten Io-Vorbeiflüge weit oben. Die Bilder zeigteneine Vielzahl von interessanten geologi-schen Strukturen – doch am Ursprungs-ort der Eruptionsfontäne fand sich keinVulkanschlot. Im Gegenteil, dort schiensich nicht der Ausgangsort vulkanischerAktivität zu befinden, sondern der vorläu-fige Endpunkt, die Spitze eines 70 Kilo-meter langen Lavastroms. An der Frontder vordringenden Lava wurden Hinweise

    für eine Vielzahl von kleinen Gasquellengefunden. Damit drängte sich eine alter-native Erklärung für die promethischeEruptionsfontäne auf: sie wird nichtdurch direkt beim Ausbruch freiwerdendeGase gebildet, sondern heiße Lava, dieüber -130 °C kalte Schwefeldioxid-Ebe-nen fließt, bringt das SO2 explosionsartigzum Verdampfen. In den vergangenenzwanzig Jahren seit Voyager hat sich alsodie Front des Lavastroms um 70 Kilome-ter voranbewegt. Der Ursprungsort derGase liegt nicht auf einem Vulkangipfel,sondern in der weiten Ebene – und seineHöhe auf dem durchschnittlichen Höhen-niveau von Io.

    Während bei Prometheus diese Erklärungdurch eine Vielzahl von Beobachtungengestützt wird, ist noch nicht eindeutigbelegt, dass dieses Modell auch für dieanderen Vulkane auf Io zutrifft, doch dieHöhenmessungen lassen vermuten, dasses ebenso die richtige Erklärung für eineüberwiegende Mehrheit der vulkanischenEruptionsfontänen auf Io ist.

    Vielleicht die wichtigsten Erkenntnisse ge-winnt man in der Wissenschaft, wennman auf völlig Unvorhergesehenes stößt.Sicher unerwartet war die Entdeckungvon dünenähnlichen Strukturen auf Io.Diese sind erst ab einer Bildauflösung vonca. 200 Meter pro Bildpunkt zu erkennenund blieben deshalb bisher unentdeckt.Zuerst gefunden wurden sie in Teilen derPrometheus-Aufnahmen; später stelltesich heraus, dass vermutlich ein großerTeil der Oberfläche von Io von diesenStrukturen bedeckt ist. Dünen sind aufanderen Himmelskörpern gut bekannt, inAbb.: Uruk Sulcus gehört zu den hellen

    Gebieten auf Ganymed und ist von zahl-losen Bergrücken durchzogen. Der helleBerg im Hintergrund ist etwa 15 Kilometerbreit.

    Komplett 15.05.2001 13:41 Uhr Seite 35

  • 33

    den Wüsten auf der Erde wie auch aufdem Mars. Doch zwei Dinge sind not-wendig zur Dünenbildung: loses, fein-körniges Material und Wind. Da Io keinenennenswerte Atmosphäre besitzt, wehtauf Io auch kein Wind. Zwar könnten beiVulkanausbrüchen kurzfristig höhere Gas-drücke entstehen, doch es scheint schwervorstellbar, dass dies über Tausende vonJahren anhält. Die Bildung von Dünen imeigentlichen Sinne scheint also ausge-schlossen; was wir wirklich sehen undwie diese Strukturen entstanden sind, istdas neueste Rätsel, das Io uns aufgibt.

    Die spektakulärste Io-Aufnahme stammtvon Tvashtar, einem Vulkan, der weit imNorden von Io liegt. Mehrere gigantische,ineinander verschachtelte vulkanischeEinsturzkrater (Calderen) mit Durchmes-sern von 100 bis 200 Kilometer befindensich auf seinem Gipfelplateau. Ursprüng-lich waren Aufnahmen vorgesehen, umdiese ungewöhnliche Struktur genauer zubetrachten, doch der glückliche Zufallwollte es, dass Tvashtar eben zu demZeitpunkt ausbrach, als die Raumsondean Io vorbeiflog. Eine Spalte am Bodender Caldera öffnete sich und flüssige Lavatrat aus. Während Gasaustritte regel-mäßig gesehen werden, ist dies der ersteFall, in dem direkt ein Ausbruch flüssigerLavamassen beobachtet wurde. DasGlühen der Lava war so hell, dass Teileder Aufnahme überbelichtet wurden,doch Details des Ausbruches konnten re-konstruiert werden. Vermutlich wurdeder Beginn eines Ausbruches beobachtet.Eine Spalte brach auf einer Länge von 30Kilometer auf, und Fontänen der glühen-den Lava wurden mehrere hundert Meterin die Höhe geschleudert, bevor sie zuBoden fielen und als Lavastrom abflossen.

    Weitere Aufnahmen einige Monate spä-ter zeigten, dass dieser Ausbruch kurz,aber heftig gewesen sein musste, undmittlerweile hatte auch in der zweitenCaldera ein Lavaausbruch stattgefunden:frische, noch heiße Lava bedeckte denBoden der Caldera. Obwohl es schwierigist, von einem Ereignis statistische Aussa-gen zu treffen, ist doch klar, dass dieseArt von Ausbrüchen vermutlich rechthäufig stattfinden muss. Die Chance, einen solchen Ausbruch live mitzubekom-men, wären sonst verschwindend gering.Globale Io-Bilder vom G29-Vorbeiflugletzten Dezember zeigten schließlich dasganze Ausmaß der Tvashtar-Eruption: ImJahr 2000 hatte sich ein roter Ring ausschwefelhaltigem Auswurfmaterial vonetwa 1.400 Kilometer Durchmesser gebil-det, und Cassini-Aufnahmen zeigten eineEruptionsfontäne von fast 400 KilometerHöhe!

    Damit ist Tvashtar mit den beiden bislanggrößten Io-Vulkanen Pele und Loki ver-gleichbar, die ebenfalls auf dem Beobach-tungsprogramm standen. Die Ablagerun-gen der Ausbrüche von Pele bedeckenwie bei Tvashtar ein Gebiet von weitmehr als 1.000 Kilometer Durchmesser.Damit steht Pele an der Spitze der ioni-schen Vulkane. Im Zentrum von Pele liegteine etwa 150 Quadratkilometer großeCaldera. Das Leuchten heißer Lava inNachtaufnahmen von Pele zeigte, dassdiese Caldera mit flüssigem Gestein ge-füllt ist. Zwar hat sich an der Oberflächeschon eine dunkle Kruste gebildet, dochbricht diese besonders am Rand derCaldera immer wieder auf und erlaubt einen Blick in ihr heißes Inneres.

    Schon vor den Vorbeiflügen war bekannt,dass nirgendwo auf Io mehr Wärmeener-gie und damit Magma an die Oberflächetransportiert wird als bei Loki. Zwar ver-

    riet sich Loki nicht durch ein nächtlichesLeuchten seiner Lava, doch Aufnahmenim Infraroten zeigten, dass auch seineCaldera mit heißer Lava gefüllt ist. Wiebei Pele ist die Oberfläche teilweise erkal-tet, doch darunter brodelt und kocht esimmer noch. Mit einem in der Calderaenthaltenen Lavavolumen von mehrerenzehntausend Kubikkilometern liegt Lokiweit vor allen ionischen und irdischenVulkanen.

    Neben seiner überbordenden vulkani-schen Aktivität ist Io auch für eine beein-druckende Topographie bekannt. Die Er-forschung dieses Aspektes ist ein For-schungsschwerpunkt im Galileopro-gramm. Man findet auf Io Berge mitHöhen von mehr als 15 Kilometer undsteilen, hochalpin anmutenden Flanken.Über ihren Entstehungsmechanismuswird immer noch gerätselt, doch habendie Beobachtungen von Io sehr enge undinteressante Verbindungen von vulkani-schen und tektonischen Mechanismenmit den Bergen deutlich gemacht. Hi'iakaMons ist ein Gebirgszug, der von Galileobeobachtet wurde. Auch wenn seine Ent-stehung noch rätselhaft ist, so wurde zu-mindest seine geologische Entwicklungdeutlich. Große tektonische Kräfte habenden Berg auseinandergerissen und diebeiden Teile getrennt. In der Bruchzonebildete sich eine calderaähnliche Depres-sion, in der sich vulkanische Aktivitätzeigt. Aus der Erfahrung mit irdischenVulkanen zieht man den Schluss, dassCalderen entweder durch den Einsturz einer Magmakammer im Untergrund eines Vulkans oder durch eine Explosiondes Vulkangipfels entstehen. Auf Ioscheint diese Entwicklung prinzipiell an-ders abzulaufen, tektonische Prozessespielen eine wesentliche Rolle bei der Bildung von Calderen.

    Ähnliches beobachtet man bei TohilMons. Hier wurden Aufnahmen sowohl

    Komplett 15.05.2001 13:42 Uhr Seite 36

  • 34

    EXTR

    ATER

    REST

    RIK

    bei I24 als auch bei I27 gewonnen. Einestereophotogrammetrische Auswertungam Institut für Weltraumsensorik undPlanetenerkundung ergab ein dreidimen-sionales Modell dieser mehr als acht Kilo-meter hohen Gebirgsstruktur. Deutlichzeigt sich im digitalen Geländemodell ei-ne große tektonische Störung. Im Fall vonTohil Mons haben die tektonischen Kräfte(noch?) nicht dazu geführt, den Berg inzwei Teile zu trennen. Auch diese tekto-nische Störung ist mit einer Reihe voncalderaähnlichen Depressionen verbun-den, die ausgehend von einer großen inder Ebene liegenden Patera (einer gro-ßen, oft unregelmäßig geformten Senkevon vermutlich vulkanischem Ursprung)sukzessive kleiner werdend sich in dieGebirgsstruktur fortsetzen. Erstmals kön-nen diese in den Gebirgen von Io ablau-fenden geologischen Prozesse mit Hilfedreidimensionaler Daten untersucht wer-den.

    Ganymed

    Ganymed ist mit 5.268 Kilometer Durch-messer der größte Mond im Sonnensy-stem. Er umkreist Jupiter in einer Entfer-nung von 1 Mio. Kilometer in etwa sie-ben Tagen. Bereits vor den Voyager-Vor-beiflügen konnte Wassereis an seinerOberfläche nachgewiesen werden. DieBilddaten der Voyager-Kameras zeigtenbei ihren Vorbeiflügen im Jahre 1979zwei auffallend unterschiedliche Gebiete:(1) dunkles Gebiet mit einer hohenKraterdichte, das demnach sehr alt seinmuss, und (2) helles, jüngeres Gebiet mitniedrigerer Kraterdichte. Eine weitere Besonderheit Ganymeds ist das Vorhan-densein von hellen Polkappen bis herabzu einer geographischen Breite von etwa± 60 °.

    Die Galileo-Sonde flog insgesamt sechsMal an Ganymed vorbei und lieferte dabei Bilddaten bis zu einer Auflösungvon 16 m pro Bildpunkt. Bei der Planungder Aufnahmesequenzen konzentrierteman sich insbesondere auf Details in den

    Abb.: Callisto ist der äußerste der vier Gali-leischen Monde. Seine von alten Kraternund Ringgebirgen dominierte Oberflächezeigt fast keine Anzeichenvergangener geo-logischer Aktivität. Valhalla (etwas oberhalbder Bildmitte) ist mit einem Durchmesservon über 4.000 Kilometern das größte Ring-gebirge im Sonnensystem.

    Komplett 15.05.2001 13:43 Uhr Seite 37

  • 35

    dunklen und hellen Gebieten, auf dieGrenze zwischen dem hellen und dunk-len Gebiet und auf ungewöhnliche Kra-terformen. Abgerundet wurden diese Be-obachtungen durch globale Farbbeob-achtungen niedrigerer räumlicher Auflö-sung, aus denen spektrophotometrischeCharakteristiken der Oberfläche bestimmtwerden können.

    Das alte, dunkle Gebiet ist durch Furchen(furrows) charakterisiert, die großen, kon-zentrischen Systemen angehören, welchesich über mehrere Tausend Kilometer er-strecken. Ihr Ursprung liegt in der durchEinschläge verursachten tektonischen Deformation der Oberfläche, bei denengroße, heute stark abgetragene Multi-ringbecken entstanden. Stereoaufnah-men zeigen, dass die Höhenunterschiedeinnerhalb dieser dunklen Gebiete in derGrößenordnung von etwa einem Kilome-ter liegen. Ein weiteres Charakteristikumder dunklen Gebiete sind helle, mehrereHundert Kilometer messende, nahezukreisrunde Flecken, die ebenfalls von Ein-schlägen herrühren. In der höheren Auf-lösung der SSI-Daten lassen einige von ihnen schwach erkennbare Ringstruktu-ren erkennen. Bei diesen als Palimpsestebezeichneten Formen handelt es sich um Einschlagkrater, deren Morphologie durch Fließvorgänge des eishaltigen Ma-terials beinahe vollständig ausgelöschtwurde. Höchstwahrscheinlich geschahdies durch einen Einschlag, bei dem dasProjektil auf eine tiefer in der Ganymed-kruste gelegene flüssige oder zumindestplastische Schicht traf. Ferner sind Über-gangsformen zwischen den Palimpsestenund den normalen Kratern nachzuwei-sen. Diese Formen zeichnen sich meistdurch eine zentrale Aufwölbung in einerzentralen Vertiefung innerhalb des Kra-ters aus (so genannte Dom-Krater). DerKraterrand dagegen tritt morphologischkaum in Erscheinung und ist meist nurdurch einen niedrigen, nach innen zumKraterboden gerichteten Steilhang cha-rakterisiert. Derartige Kraterformen sindfür Einschläge in eishaltiges Material charakteristisch, bei den aus Silikaten zu-sammengesetzten Oberflächen der inne-ren Planeten (Merkur, Venus, Erde, Mars)und unseres Erdmondes jedoch weitge-hend unbekannt.

    Kraterhäufigkeitsmessungen zeigen, dassdie Krater auf den Galileischen Satellitenmit hoher Wahrscheinlichkeit durch denEinschlag von Asteroiden gebildet wur-den mit einer bis etwa 3,3 Milliarden Jahren vor unserer Zeit ähnlich hohen,

    exponentiell abfallenden und seit dieserZeit nahezu konstant verlaufenden Ein-schlagsrate. Dadurch lässt sich für jedender Galileischen Satelliten ein Kraterchro-nologiemodell ableiten, mit dessen Hilfeabsolute Modellalter für bestimmte Ober-flächengebiete aus Kraterhäufigkeitsmes-sungen bestimmt werden können. In die-sem Modell sind die dunklen Gebiete imDurchschnitt mindestens 4,1 bis 4,2 Milli-arden Jahre alt. In den gleichen Zeitraumfallen große Einschläge, welche die Fur-chensysteme hervorgerufen haben.Palimpseste und Domkrater innerhalb desdunklen Gebiets weisen eine Altersspan-ne von 4,1 bis 3,9 Milliarden Jahren auf.Die einzelnen morphologischen Einheitender Palimpeste und Domkrater, Dome,Kraterböden und kontinuierlichen Ejektazeigen keine Altersunterschiede unterein-ander. Daraus lässt sich schließen, dassbeispielsweise die Dome mehr oder weni-ger gleichzeitig mit dem Einschlag ent-standen sein müssen.

    Das helle Gebiet, das gut 60 bis 65 Pro-zent der Oberfläche einnimmt, ist charak-terisiert durch Systeme paralleler, eng-ständiger Rillen oder grooves. Die hochaufgelösten SSI-Daten zeigten überra-schend, dass sich die bereits auf denVoyager-Daten erkennbaren parallelenRillen in noch feinere, schmalere, eng-ständige Rillen auflösen lassen. Ursprüng-lich nahm man an, diese Gebiete seiendurch vulkanische Aktivität entstanden,wobei Wassereis wie Schlamm an derOberfläche austrat und dann nach Erkal-ten tektonisch deformiert wurde. Diehöher aufgelösten SSI-Daten bestätigtendiese Ansicht dagegen nicht. Das so ge-nannte grooved terrain stellt im Wesentli-chen die alte, einstmals dichter bekrater-te alte Kruste dar, die ausschließlichdurch tektonische Überprägung umge-wandelt wurde und aus der schließlichdas helle Gebiet hervorging. Das dunkleMaterial hat sich hier in den Senken an-gesammelt. Alte, stark deformierte Kraterunterstützen das Bild der tektonischenÜberprägung. Gebiete mit eindeutigervulkanischer Vergangenheit sind gegenü-ber der nach Analyse der Voyager-Datenvertretenen Ansicht dagegen nur inuntergeordneter Zahl vorhanden. Zumin-dest in einem Gebiet wurden mit SSI-Da-ten calderen-ähnliche Formen untersucht,aus denen „Zungen“ hellen Materials,Gletschern oder auch irdischen Lavaströ-men ähnlich, austraten.

    Das Gelände innerhalb der hellen Einhei-ten ist durch Dehnungstektonik geprägt,wobei ganze Blöcke wie Dominosteinegegeneinander verkippt wurden. AndereBereiche zeigen Anzeichen von Dehnungin Verbindung mit Scherbewegungen (sogenannte Transtension), bei denen Gelän-deteile, ähnlich wie bei der San-Andreas-Verwerfung in Südkalifornien, mehrereZehn oder sogar Hunderte Kilometer late-ral gegeneinander verschoben wurden.Eine derartige Scherzone wurde auchbeim jüngsten (sechsten) Vorbeiflug inhoher Auflösung aufgenommen, derenDaten seit Februar 2001 zur Erde über-mittelt werden. Die aus digitalen Gelän-demodellen abgeleiteten Höhenunter-schiede im hellen Gebiet liegen in derGrößenordnung von etwa einem Kilome-ter, also vergleichbar denen im dunklenGebiet. Andere Regionen im hellen Ge-biet zeigen, ebenfalls gestützt auf Stereo-auswertungen, dass möglicherweise auchKompressionsvorgänge abgelaufen sind,bei denen Krustenbereiche angehobenwurden. Ferner ist nach unseren neuerenErkenntnissen nicht auszuschließen, dassim dunklen Gebiet lokal auch neues Ma-terial in Zusammenhang mit tektonischenDeformationen aus der Tiefe gefördert,oder zumindest nach oben gedrückt wur-de. Durch Altersdatierungen mit Ein-schlagskraterhäufigkeiten konnten wirableiten, dass sich das helle Gebiet übereinen größeren Zeitraum zwischen etwa4 und 3,6 Milliarden Jahren gebildet hat.

    Die geologische Geschichte Ganymedslässt sich grob in folgende Abschnitteeinteilen: (1) Das alte, dunkle Gebiet bil-dete sich vor mindestens 4 bis 4,1 Milliar-den Jahren während einer Periode hefti-gen Meteoritenbombardements, vorwie-gend verursacht durch Asteroiden. Dabeientstanden Multiringbecken, die heutenur noch in Form mehr oder wenigerstark abgetragener, konzentrischer Fur-chensysteme vorhanden sind. (2) Älteretektonische Spannungsrichtungen, diemöglicherweise aus der Zeit datieren, inder die ursprünglich schnellere Ganymed-rotation bis zum Erreichen einer zur Um-laufzeit synchronen Rotationsdauer ab-gebremst wurde, wurden wahrscheinlichdurch größere Einschläge reaktiviert. (3)Eine Vergrößerung des Ganymedradius,höchstwahrscheinlich durch eine Pha-senänderung im Eismantel, führte zur Bil-dung des hellen grooved terrain. Der Pro-zess endete etwa vor 3,6 Milliarden Jah-ren. (4) In den dunklen und hellen Gebie-ten waren Abtragungsvorgänge wirksam,wobei die leichter flüchtigen Bestandteile

    Komplett 15.05.2001 13:44 Uhr Seite 38

  • 36

    EXTR

    ATER

    REST

    RIK

    (Wassereis) verdampften und einen Rück-stand aus dunkleren, weniger flüchtigenBestandteilen hinterließen. (5) Jüngste Bil-dungen der Ganymed-Oberfläche sinddie hellen Strahlenkrater, deren größtedurchaus noch zwei bis drei MilliardenJahre alt sein können. Sie erscheinenweitgehend unverändert. Abtragungsvor-gänge sind somit wohl eher auf die Zeitvor mehr als drei Milliarden Jahre be-grenzt. Heute wird die Ganymedober-fläche lediglich durch gelegentliche Ein-schläge von Asteroiden und Kometen sowie durch Mikrometeoriten-Bombar-dement verändert.

    Callisto

    Callisto ist der äußerste der vier großenGalileischen Jupitersatelliten und umkreistden Zentralplaneten in einer Entfernungvon 1,8 Mio. Kilometer in etwa 16 Tagen.Dieser Satellit ist mit einem Durchmesservon 4.817 Kilometer beinahe so groß wieder innerste Planet Merkur (4.880 Kilo-meter). Bereits vor den Voyager-Vorbeiflü-gen 1979 war bekannt, dass auf seinerOberfläche wie bei Ganymed Wassereisvorhanden sein muss. Die relativ niedrigeAlbedo deutet ferner darauf hin, dassnoch andere Stoffe, z. B. Silikate, vorhan-den sind. Auf den Voyager-Aufnahmensah man eine mehr oder weniger einheit-liche, geologisch anscheinend kaum dif-ferenzierte Oberfläche, die im Wesentli-chen durch eine hohe Kraterdichte ge-prägt ist. Daraus lässt sich auf ein Alterder Oberfläche von mindestens vier Milli-arden Jahren schließen, ähnlich wie inden dicht bekraterten Hochländern aufdem Erdmond. Hauptkennzeichen derCallisto-Oberfläche sind Krater unter-schiedlicher Formen, ähnlich denen, dieauf Ganymed zu finden sind. Ein weiteresCharakteristikum auf Callisto sind großeEinschlagsbecken mit Durchmessern vonmehreren Tausend Kilometern, andersaber als beispielsweise vergleichbareBecken auf dem Erdmond mit einer Viel-zahl von Ringen.

    Die geringe geologische Vielfalt hat dazugeführt, dass Callisto teilweise als der

    „langweiligste“ der vier Galileischen Sa-telliten angesehen wurde. Dieser Ein-druck täuscht allerdings – denn es ist ge-rade dieser Unterschied zu seinen geolo-gisch und tektonisch weiter entwickeltenNachbarn Ganymed und Europa, der Callisto so interessant macht: Seine Ober-fläche weist am weitesten in die Frühge-schichte des Jupitersystems zurück, undes haben sich Strukturen erhalten, die aufden anderen beiden Monden längst aus-gelöscht sind, wie z.B. die Ringbecken.Außerdem haben die neuen Bilddatender SSI-Kamera an Bord der Galileosondeneue, unerwartete Erkenntnisse über geologische Prozesse auf der Callisto-Oberfläche erbracht.

    Die Galileosonde flog während der nomi-nellen Mission drei Mal nahe an Callistovorbei und nahm dabei Bilddaten mit maximal 30 Metern pro Bildpunkt auf.Diese ersten Bilddaten brachten bereitseine Überraschung: Die hohe, auf denVoyager-Bilddaten zu sehende Kraterdich-te setzt sich nicht kontinuierlich zu denkleineren Kratern (unter einem KilometerDurchmesser) fort. Außerdem erscheintdie Oberfläche bei hoher Auflösung sehrheterogen: Neben ausgeprägt hellen, topographisch höher gelegenen Berei-chen, die oftmals stark verwittert erschei-nen und eine so genannte „Honigwaben-struktur“ aufweisen, erscheinen andereBereiche der Oberfläche von einer dunk-len, meist glatten, möglicherweise sehrfeinkörnigen Schicht überzogen. Dazufinden sich entlang von Steilhängen Anzeichen von Hangabtrag. Bei hoher räumlicher Auflösung sind Abtragungs-und Erosionsvorgänge der dominierendegeologische Prozess auf Callisto.

    Bei den ersten drei Vorbeiflügen konntenicht geklärt werden, ob es in der Ver-gangenheit auf Callisto Vulkanismus ge-geben hat. Deshalb wurden zwei weitereVorbeiflüge (C20, C21) während der Ga-lileo Europa Mission genutzt, bei denenBilddaten mit teilweise noch höherer Auf-lösung (bis 15 Meter pro Bildpunkt) auf-genommen wurden. Auch diese Datenerbrachten neue überraschende Erkennt-nisse. So erwies sich ein helles Gebiet,das in Voyager-Bildern noch glatt wirkte,als ausgesprochen rauh, und die Theseseiner möglichen vulkanischen Entstehungmusste aufgegeben werden. Andere Bilder zeigen – abweichend von allen

    Daten aus der nominellen Mission unddaher völlig überraschend – eine großeAnzahl kleiner Einschlagskrater. Dies legtden Schluss nahe, dass die Abtragungs-vorgänge, die anderswo die kleinerenKrater auslöschten, nicht überall auf derCallisto-Oberfläche gleich effektiv waren.

    Der Verlauf der geologischen GeschichteCallistos lässt sich folgendermaßen kurzbeschreiben: (1) In einer Zeit heftigenMeteoritenbombardements bildeten sichdie meisten Krater auf Callisto und vieleMultiringbecken, die bis auf einige weni-ge heute stark abgetragen erscheinen. (2)Tektonische Schwächezonen entstandenvermutlich durch Gezeitenwirkungen inder Frühzeit, ähnlich wie bei Ganymedbei der Abbremsung der urspünglichen,schnelleren Rotation bis zum Erreichen einer gebundenen Rotationsperiode, undwurden durch die vielen Einschläge im-mer wieder reaktiviert. (3) VulkanischeAktivität in Callistos Vergangenheit kannnicht ausgeschlossen werden, ist abernicht eindeutig nachzuweisen. (4) Nachder Entstehung der großen Becken nahmdie Einschlagsrate stark ab. (5) JüngereStrahlenkrater von etwa 3 Milliarden Jah-ren und weniger weisen kaum Erosions-erscheinungen auf, Abtragungs- und Ero-sionsprozesse waren daher vorwiegendauf die Callisto-Frühzeit beschränkt. Ge-genwärtig verändern lediglich gelegent-liche Einschläge und Mikrometeoriten-bombardement das Bild der Callisto-Oberfläche.

    Europa

    Europa ist mit 3.121 Kilometer Durch-messer der kleinste der Galileischen Mon-de, doch zeichnen diesen Mond ein paarBesonderheiten aus, die ihn zu einem derinteressantesten Körper im Sonnensystemmachen. Die Europa-Umlaufbahn um Ju-piter befindet sich zwischen Io und Gany-med; und zwischen diesen beiden Mon-den liegt Europa auch in Bezug auf diegeologische Aktivität der Oberfläche. Esgibt nicht diesen gewaltigen Vulkanismuswie auf Io, aber auch nicht die zahlrei-chen, auf eine alte Oberfläche hindeuten-den Einschlagskrater wie auf Ganymed.Die europäische Oberfläche wird dafürvon zwei sehr verschiedenartigen geolo-gischen Strukturen dominiert, nämlichvon Bergrücken und von sogenannten„Chaos-Gebieten“, in denen Krustenplat-ten auseinandergebrochen und auseinan-dergetrieben sind. Die Bergrücken, die

    Abb.: Aus der Nähe gesehen ist die Ober-fläche des Mondes Europa von zahllosenBergrücken überzogen. In den braun ge-färbten Gebieten ist die Oberfläche zum Teil auseinandergebrochen, so dass Materialaus dem Untergrund nach oben dringenkonnte.

    Komplett 15.05.2001 13:44 Uhr Seite 39

  • 37

    häufig in Form von langgezogenen, pa-rallel angeordneten Doppelbergrückenauftreten, wurden erst von Galileo ent-deckt. Ihre Entstehung ist bislang um-stritten; einige Wissenschaftlergruppenfavorisieren eine „kryo-vulkanische“ Entstehung, bei der Untergrundeis oder„Matsch“ entlang von langen Rissen inder Kruste nach oben gefördert wurdeund sich links und rechts der Störung abgelagert hat. Völlig andere Entstehungs-thesen basieren auf tektonischen Vorgän-gen; entlang der langen Störung wird dieOberfläche nach oben gebogen, so dassdie links und rechts hochgedrückten ursprünglichen Krustenteile die Doppel-bergrücken formen.

    Die „Chaos-Gebiete“ sind zum größtenTeil jünger als die Bergrücken. Teile derälteren Kruste scheinen hier einfach ver-schwunden und durch eine jüngere, sehrhügelige Oberfläche ersetzt worden zusein, während andere Teile noch als iso-lierte, abgedriftete und teilweise umge-kippte Schollen in der umgebenden Ma-trix festgefroren erscheinen. Wie könnensolche Strukturen entstehen, was mussim Untergrund ablaufen? Es scheint si-cher, dass das Untergrundeis auf Europazum Zeitpunkt der Entstehung der Cha-osgebiete „warm“ und weich gewesensein muss. Noch weiter geht die Hypo-these, dass der Untergrund vielleicht ein-mal flüssig war oder es vielleicht noch ist.

    Damit kommen wir zum wichtigstenAspekt der Europa-Forschung, nämlichder Möglichkeit, dass sich unter der -140 °C kalten, festen, spröden, oberenEiskruste ein Ozean aus flüssigem Salz-wasser verbergen könnte, der über 100Kilometer tief sein und die zwei- bis drei-fache Wassermenge aller irdischen Ozea-ne enthalten könnte. Dies wäre das ersteMal, dass außerhalb unserer Erde einegrößere zusammenhängende Wasseran-sammlung in Zusammenhang mit einerfesten Oberfläche entdeckt würde. DieBedeutung eines solchen Fundes gingeweit über planetologische Fragestellun-gen hinaus, tatsächlich hätte er sogar eine große philosophische Bedeutung fürdas Selbstverständnis der Menschenüberhaupt. Von unserer Erde wissen wir,dass der Ozean Leben trägt. Würde wo-anders im Sonnensystem ein Ozean ent-deckt, stellt sich auch dort die Frage nachmöglichen Lebensformen. Und wäre derJupitermond Europa tatsächlich ein zwei-

    ter Ort im Sonnensystem, auf dem Lebenexistiert, so könnte man sofort schlussfol-gern, dass Leben im gesamten Universumsehr verbreitet sein muss. Denn unter-schiedlicher als auf der Erde und aufEuropa können die Bedingungenfür Ozeane und Leben wohlkaum sein – hier (auf der Erde)ein „Oberflächen-Ozean“, derpermanent dem Sonnenlicht un-ter „angenehmen“ Bedingungenausgesetzt ist; dort (auf Europa) eine Wassermasse, die unter einemdicken Eispanzer von jeglichem Son-nenlicht abgeschirmt wird. Dochzurück zum heutigen Wissensstand –noch ist nicht einmal vollständig sicher,ob der Europa-Ozean überhaupt exi-stiert. Galileo hat jedoch vor allem imRahmen der GEM eine Fülle von Datengeliefert, die darauf hindeuten, dass esihn wahrscheinlich gibt.

    Ein interessanter Aspekt, der mit Hilfe derGalileo-Daten untersucht werden konnte,ist die so genannte „nicht-synchrone Rotation“ der oberen Kruste. Wie unserErdmond, von dem wir immer nur die„Vorderseite“ sehen können, rotierenauch die Galileischen Monde gebunden.Auch sie haben also eine dem Planetenzugewandte Seite, eine (Jupiter) abge-wandte Seite, eine „vorauseilende“ undeine „nachfolgende“ Seite. Bei Europawäre es aber theoretisch denkbar, dassdie oberste Kruste über einem Ozeandoch ein klein wenig schneller rotiert als Mantel und Kern. Sollte eine solche„Extrarunde“ beispielsweise in einemZeitraum von 10.000 Jahren geschafftwerden, so würde das bedeuten, dass das Innere Europas in diesem Zeitraum eine Million Eigenumdrehungen durch-führen würde, Europa ebenfalls eine Million Mal Jupiter umkreisen würde, die Kruste sich jedoch 1.000.001 Mal gedreht hätte. Durch Vergleich mit Voyagerbildern wurde versucht, eine solche Periode zu ermitteln, doch ohneErfolg. Dies bedeutet, dass die nicht-syn-chrone Rotation langsamer als 10.000Jahre sein muss – wenn es sie denn über-haupt gibt. Hinweise darauf wurden inglobalen Liniensystemen auf der Europa-Oberfläche gesehen, die auf eine Korre-lation zwischen Alter und Ausrichtunghindeuten und sehr gut mit der nicht-syn-chronen Rotation erklärt werden könn-ten. Ob es hierfür aber noch andere Er-klärungen gibt, bleibt offen. Der bisheri-ge Wissensstand in Bezug auf die nicht-

    Komplett 15.05.2001 13:44 Uhr Seite 40

  • synchrone Rotation der Kruste ist alsokonsistent mit der Ozean-Hypothese, liefert aber keinen zwingenden Beweis.

    Ein anderer Hinweis auf einen Ozean wäre die Entdeckung von geysir-artigenEruptionsfontänen. Beim E19-Vorbeiflugwurde daher der Horizont im Gegenlichtfotografiert in der Hoffnung, eventuellvorwärts gestreutes Licht von kleinstenPartikeln entdecken zu können, doch lei-der ohne Erfolg. Mehr Einblicke ins Inne-re erlaubten Untersuchungen der Krater-morphologien, und hier bietet EuropaÜberraschendes. Kleinere Krater bis etwa25 Kilometer Durchmesser wie der be-kannte Pwyll ähneln Kratern auf den an-deren Galileischen Monden mit der Aus-nahme, dass sie erheblich flacher sind. Istder Wärmefluss von innen etwa groß ge-nug, das Eis hier „weich“ werden zu las-sen, so dass Krater auf Europa nach eini-ger Zeit „in sich zusammensinken“ kön-nen? Größere Impaktstrukturen wie Tyreund Callanish zeigen überhaupt keineÄhnlichkeit mehr mit „konventionellen“Kratern. Hier hat man eher den Eindruck,auf ein konzentrisches Bruchmuster zublicken, das ein ins Wasser geworfenerStein auf darüber liegendem dünnen Eishinterlässt. Vielleicht wurde hier die Eis-kruste durchschlagen? In diesem Fall hät-te zum Zeitpunkt der Entstehung dieserStrukturen – vor über 1 Milliarde Jahren –der Ozean existiert. Das bedeutet abernicht, dass er auch noch heute vorhan-den sein muss.

    Wiederum eine andere Sichtweise lieferndie Daten des Spektrometers NIMS. DasSpektrum von Wassereis besitzt charakte-ristische Absorptionsbanden bei Lichtwel-lenlängen von 1,5 µm und 2,0 µm. Da-durch konnte schon vor 30 Jahren vonder Erde aus das Vorhandensein vonWassereis auf Europa, Ganymed und Callisto nachgewiesen werden. Eine de-taillierte Auswertung der Form dieser Absorptionen in den NIMS-Europa-Datenzeigte jedoch, dass sie in den dunklerenOberflächenregionen unsymmetrischsind, was mit Wassereis nicht so recht zusammenpasst. Als Alternative wurdenso genannte Evaporite als Oberflächen-material dieser Gebiete vorgeschlagen. InFrage kommen vor allem Magnesiumsul-fat und Natriumcarbonat, beide mit vie-len angelagerten Wassermolekülen. Diese

    Salze könnten aus einem salzhaltigenOzean stammen; an der Oberfläche an-gelangt, entkam das leichtflüchtigereWasser zum großen Teil, und die Evapori-te blieben zurück. Diese These ist jedochumstritten. So gibt es Stimmen, die ein-wenden, dass die asymmetrischen Ab-sorptionsbanden auch auf physikalischeUrsachen zurückführbar sein könnten,insbesondere auf Grund der Tatsache,dass eine weitere Absorption bei 1,25 µmnicht so recht zu den Salzen passt. Ande-re Einwände machen geltend, dass Salzeweiß sind, die dunklen Linienstrukturenauf Europa jedoch rötlich. Schließlichstellt sich auch die Frage nach der „Halt-barkeit“ der vorgeschlagenen Evaporite –auf der Erde jedenfalls würden diese Sal-ze schon innerhalb weniger Tage ihre an-gelagerten Wassermoleküle verlieren.Doch ist es auf Europa vielleicht kalt ge-nug. Auch hier also die Schlussfolgerung:Die NIMS-Daten erscheinen konsistentmit einem Ozean – vielleicht ist er für ihrekorrekte Interpretation sogar nötig. Dochnoch ist dies umstritten und der Ozeannoch nicht eindeutig nachgewiesen.

    Den bislang stärksten Hinweis auf einenOzean lieferte das Magnetometer-Experi-ment. Bei den nahen Vorbeiflügen wurdein unmittelbarer Europa-Nähe eine Verän-derung des umgebenden Jupiter-Magnet-feldes gemessen. Diese lässt sich nachAngaben der beteiligten Wissenschaftlernur so interpretieren, dass Europa einvom Jupiterfeld induziertes Magnetfeldbesitzt, das von einer „elektrisch leitfähi-gen Schicht in Oberflächennähe“ erzeugtwird. „Leitfähige Schicht in Oberflächen-nähe“...; kosmochemisch kommt hier eigentlich nur Salzwasser in Betracht. Woliegt hier der Haken? Eine große Überra-schung lieferten die Magnetometermes-sungen an Callisto. Die Daten passtenwunderschön – viel besser noch als beiEuropa – zu einem Salzwasser-Ozean.Aber unter der alten, geologisch völlig toten Oberfläche des im Inneren mögli-cherweise sogar gar nicht richtig differen-zierten Callisto hatte niemand auch nurim Entferntesten mit einem Ozean ge-rechnet. Sollten Ozeane etwas „Norma-les“ bei den Galileischen Eismondensein? Ist es denkbar, dass ein unterirdi-scher Ozean keinerlei Spuren an derOberfläche hinterlässt? Oder gibt es fürdie Messungen eine andere Erklärungs-möglichkeit, an die noch niemand ge-dacht hat? Und wie ist die Lage bei

    Ganymed? Auch bei Ganymed weisen jüngste Magnetometer-Messungen aufeinen möglichen Ozean hin. Hier ist dieDateninterpretation sehr erschwert, daGanymed ein eigenes Dipol-Magnetfeldbesitzt, welches viel stärker als das indu-zierte Feld ist und dieses überlagert. Die-ser Ozean wäre aber vielleicht nur weni-ge Kilometer dick und würde sich in 150 Kilometer Tiefe befinden – zu tief, ummerkliche Spuren an der Oberfläche zuhinterlassen.

    Ausblick: Europa Orbiter, „U-Boot“, Cassini

    Es bleibt also zunächst das Fazit, dass einOzean unter der Europa-Oberfläche gutverträglich mit den Galileo-Daten ist unddass sogar zwei weitere Monde – Gany-med und Callisto – Ozeane besitzenkönnten. Doch wie bekommen wir end-gültige Klarheit? Des Rätsels Lösungkönnte die Europa-Orbiter-Mission„EOM“ bringen. EOM ist eine unbe-mannte Raumsonde, die zur Zeit von derNASA geplant wird und vielleicht im Jahr2008 auf die Reise gehen kann. Nach etwa dreijährigem Flug würde die Sondezunächst wie Galileo in einen Jupiterorbiteinschwenken und dort etwa anderthalbJahre verbleiben. Gravity-Assist-Manöveran Ganymed und Callisto und später an Europa würden die EOM-Flugbahn derEuropa-Umlaufbahn immer mehr an-nähern, bis zuletzt dann von einer 6:5+Bahnresonanz aus (auf 6 Europa-Umläufeum Jupiter kommen fünf EOM-Umläufe)in eine polare Europa-Umlaufbahn in etwa200 Kilometer Höhe über der Oberflächeeingeschwenkt werden kann. Die an-schließende Europa-Mission dauert etwa einen Monat bzw. ≈300 EOM-Umkreisun-gen um Europa bzw. etwa 8,5 Europa-Umläufe um Jupiter, bevor der „Strah-lentod“ die Sonde ereilt. In dieser Zeitsollen mit Kameras die Oberfläche aus-führlich kartiert, mit einem Höhenmesserdie Topographie bestimmt und mit einemMagnetometer das (induzierte) Magnet-feld ausführlich vermessen werden.

    Wie aber kann der Ozean eindeutignachgewiesen werden? Am besten dürftedas durch Vermessung des Tidenhubsmöglich sein. Aus Modellrechnungenwird vorhergesagt, dass sich die europäi-sche Kruste im Verlauf eines „Europa-Ta-ges“ (85,2 Stunden) um etwa 20 bis 30

    38

    EXTR

    ATER

    REST

    RIK

    Komplett 15.05.2001 14:37 Uhr Seite 41

  • Die Galileischen Monde im Überblick

    Mond Io Europa Ganymed Callisto

    Mittlerer Abstand zur Sonne 779 Mio. km 779 Mio. km 779 Mio. km 779 Mio. km

    Abstand zum Jupiter* 421.600 km 670.900 km 1.070.000 km 1.883.000 km

    Umlaufzeit und Rotation** 1 d 18 h 27 min 3 d 13 h 13 min 7 d 3 h 43 min 16 d 16 h 32 min

    Durchmesser 3.650 km 3.121 km 5.268 km 4.817 km

    Masse 0,90 x 1023 kg 0,48 x 1023 kg 1,47 x 1023 kg 1,08 x 1023 kg

    Mittlere Dichte*** 3,57 g/cm3 2,97 g/cm3 1,94 g/cm3 1,86 g/cm3

    Schwerebeschleunigungan der Oberfläche**** 0,18 g 0,13 g 0,14 g 0,13 g

    Oberflächentemperatur -190 bis +1.800°C -190 bis -140°C -170 bis -120°C -200 bis -110°C

    Häufige Oberflächenmaterialien Schwefeldioxid, Wassereis, Wassereis (an den dunkles MaterialSilikate, Evaporite?, Polkappen auch (oben aufliegend),Schwefelmodifi- Schwefelsäure??, als Frost), Wassereiskationen dunkles Material? dunkles Material (Untergrund)

    * Angegeben ist die große Bahnhalbachse, d.h. die mittlere Entfernung Jupiterzentrum – Mondzentrum. ** d = Tage; h = Stunden; min = Minuten. *** Flüssiges Wasser hat ein Gramm pro Kubikzentimeter (1 g/cm3). **** 1,0 g entspricht der Schwerebeschleunigung auf der Erde, d.i. 9,81 m/s2. Wenn Sie Ihr Gewicht auf den Galileischen Monden ausrechnen

    wollen, multiplizieren Sie einfach die angegebene Zahl mit Ihrem „Erd-Gewicht“. Um Ihr Gewicht in der oberen Jupiteratmosphäre amÄquator zu berechnen, müssen Sie Ihr Erdgewicht mit 2,3 multiplizieren. Ihr „Jupiter-Polarregion-Gewicht“ erhalten Sie durch Multiplika-tion mit 2,85.

    Die Galileischen Monde im Überblick

    m hebt und senkt, wenn ein Ozean dar-unter liegt. Sollte Europa aber durchge-froren sein, dürfte der Tidenhub wenigerals einen Meter betragen. Mit Hilfe desLaser-Altimeters (Höhenmessers) von„QUEST“ wäre es möglich, diesen Unter-schied zu messen.

    QUEST („Quest for Europan Seas and Tides“) ist ein wissenschaftliches Experi-mentpaket, das von der John HopkinsUniversity in Laurel (US-BundesstaatMaryland) und der Arizona State Univer-sity in Tempe (Arizona) für den Europa-Orbiter vorgeschlagen wurde. QUEST besteht aus einer Tele- und einer Weit-winkelkamera, dem Laser-Altimeter undeinem Magnetometer. Das DLR in Berlinist durch die Bereitstellung von Teilen derHardware – Optiken, Filter und Gehäusefür die Kameras – sowie wissenschaftlichan QUEST beteiligt. Sollte QUEST von derNASA aus den zahlreichen, konkurrieren-den Vorschlägen ausgewählt werden,könnte das DLR auch für die Europa-Orbiter-Mission einen entscheidendenBeitrag beisteuern.

    Und wenn der Europa-Orbiter einen Ozean finden sollte, dann besteht natür-lich großes Interesse daran, herauszufin-den, wie es denn im Innern von Europa

    aussieht und ob es dort biologische Akti-vitäten gibt. Im Prinzip könnte eine ArtU-Boot durch die Eiskruste von Europahindurch geschmolzen werden und imOzean selbstständig auf Erkundungsfahrtgehen. Eine solche Mission dürfte aberkaum vor 2020 realisierbar sein und ent-hält höchst komplexe Missionsanforde-rungen. So ist es schon wegen der Sig-nallaufzeiten (0,3 Mio. km/s) praktischunmöglich, ein U-Boot aus 770 Mio. Kilo-meter Distanz fernzusteuern. Auch ist esnicht einfach, sich durch kilometerdickeEisschichten durchzuschmelzen, ganz zu schweigen von der Datenverbindungnach oben. Schließlich muss sehr daraufgeachtet werden, dass nicht von der Erdemitgeführte Bakterien den Ozean verun-reinigen, denn man will ja gerade wissen,ob dieser steril ist oder eigenständig Leben hervorbringen konnte.

    Kehren wir deshalb in die heutige Zeitund zum „kosmischen Rendezvous“ der beiden Sonden Galileo und Cassinizurück. Während Galileo sich langsam„aufs Altenteil“ zurückzieht und allenfallsnoch ein, vielleicht zwei Jahre lang Datensenden wird, bereitet sich Cassini nachseinem Vorbeiflug am Jupiter auf seineeigentliche Bestimmung vor. Am frühen

    Morgen des 1. Juli 2004 soll das Brems-triebwerk für anderthalb Stunden gezün-det werden und Cassini in eine Umlauf-bahn um den Ringplaneten Saturn ein-schwenken. Saturn ist der zweitgrößtePlanet unseres Sonnensystems und um-kreist die Sonne in etwa doppelter Jupi-terentfernung. Nach gegenwärtiger Pla-nung kann dann im November 2004 diemitgeführte europäische Eintauchsonde„Huygens“ abgetrennt werden. Ihr Zielwird der größte Saturnmond Titan sein,der als einziger Mond überhaupt einenennenswerte Atmosphäre besitzt. An-schließend wird sich Cassini dreieinhalbJahre lang intensiv der Erkundung vonSaturn und seinen Monden widmen. Dieneuen Erkenntnisse dürften in ihrem Mixan Faszination, Erwartetem, Überra-schung und Unverständlichem den Gali-leo-Daten aus dem Jupitersystem voraus-sichtlich in nichts nachstehen.

    39

    Prof. Dr. Gerhard Neukum (Geschäftsfüh-render Direktor des DLR-Instituts), TilmannDenk, Dr. Bernd Giese, Peter Schuster undRoland Wagner, alle vom DLR-Institut fürWeltraumsensorik und Planetenerkundung,Berlin.E-Mail: www.dlr.de/Galileo undwww.dlr.de/Cassini

    Komplett 15.05.2001 14:37 Uhr Seite 42

    http://www.dlr.de/Galileohttp://dlr.de/Cassini