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Mitteilungen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt Februar 1999 / G 12625 S O N D E R H E F T U M W E L T DLR 92 NACHRICHTEN

DLR-Nachrichten Nr. 92 · Prozent pro Jahr eine deutliche Absen-kung der NO. x-Emissionen zu erwarten ist. DLR-Institute sind hierbei führend tätig. Für den Straßenverkehr dürften

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Mitteilungen desDeutschen Zentrums für

Luft- und Raumfahrt

Februar 1999 / G 12625

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Lärmminderung bei der Landung ........................

Faserverbundwerkstoffeauf der Basis nachwachsender Rohstoffe

Akustische Antennen vermessen den Schall ........

Mikrofone im Triebwerk ....

Luftverkehr und Atmosphäre ........................

Spurensuche über dem Nordatlantik ..............

Das DLR-Zentrum für Verbrennungsforschung ....

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Eine neue Qualität derUmweltforschung ............ 2

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Geräuschminderung beiHochgeschwindigkeits-zügen ..................................

Verkehr und Umwelt ........

Mechatronic Train ..............

Initiative Leiser Verkehr ....

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Ein solares Langfrist-Szenario für Deutschland ..

Fortschrittliche Energieversorgung am DLR-Standort Köln-Porz ....

Messung von Chlor-aromaten im Abgas der Müllverbrennung ..............

Solarchemie ......................

Waldkartierung in Sibirien

Das Projekt GLOBE ............

Im Dienste der Meeres-forschung ............................

RA

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Umweltbeobachtungen imnationalen Erderkundungs-programm ..........................

Globales Monitoring der Ozonschicht ..................

Naturschutz per Satellit .....

Daten für die Rekultivierung ....................

BUCH Warnsignal Klima .............. 61

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Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) veröffentlicht ausgewählte Publikationen unter anderem auch als PDF-Dateien. Für weitere Informationen und aktuelle Meldungen besuchen Sie uns bitte im Internet unter http://www.dlr.de. Im vorliegenden Dokument ist die Nutzung einiger Features der Adobe Acobat Technologie vorgesehen, wie z.B. Lesezeichen, Artikelflüsse, interne Links vom Inhaltsverzeichnis auf entsprechende Verweis-Seiten und Weblinks. Sofern Sie mit der Benutzung des Acrobat Reader nicht vertraut sind, empfehlen wir das Reader Online-Handbuch, das Sie unter dem Menüpunkt »Hilfe« finden.
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EDITORIAL

Luftfahrt, Raumfahrt und Energietechnik – dieForschungsschwerpunkte des DLR – handeln invielen Fällen von zentralen Umweltfragen. DiesesHeft will dazu einen Überblick geben: vom „sola-ren Szenario“ in der Energieversorgung bis zurUntersuchung globaler Phänomene wie desOzonlochs per Satellit, von der Reduzierung desFluglärms bis zur Entwicklung schadstoffarmerTriebwerke. Auch umweltbezogene Themen derDLR-Verkehrsforschung sind in einem eigenenKapitel dargestellt.

Die exemplarisch beschriebenen Projekte sind Bestandteil einer langfristig angelegten program-matischen Ausrichtung des DLR. Sie dokumen-tieren, wie wir das Motto „Forschung für die

Gesellschaft“ ernstnehmen undumsetzen. Sie zeigen, wie krea-tive Forschungs- und Entwick-lungsarbeiten zum Verständnisökologischer Problemstellungenbeitragen könnnen – und natür-lich auch zu Lösungen. For-schung kann und muß dabeiVorschläge machen, Wege auf-zeigen. Entscheiden müssen Ge-sellschaft, Politik und Staat.

Wir hoffen, daß diese Entschei-dung dadurch erleichtert wird, daß hier ent-wickelte neue Verfahrensweisen und Techno-logien nicht nur ökologische Verbesserungen inAussicht stellen, sondern daß sie sich auch öko-nomisch „rechnen“.

Prof. Dr. Walter KröllVorsitzender des Vorstands

Liebe Leserin,lieber Leser

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Eine neue Qualität der UmweltforschungEin Gespräch mit Manfred Popp und Gerd Eisenbeiß

Frage: Herr Prof. Popp, Sie sind nicht nurVorsitzender des Vorstands des For-schungszentrums Karlsruhe, sondernauch Sprecher des ForschungsverbundesUmwelt der Herrmann von Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszen-tren, der HGF. Welche Rolle spielt dieUmweltforschung und -technologie inder HGF?

Popp: Das Umweltthema spielt bei denmeisten der 16 in der HGF zusammen-geschlossenen Forschungszentren einegroße Rolle, sei es als ausgewiesener For-schungsschwerpunkt oder sei es als wich-tige Randbedingung technologischer Ent-wicklung, wie es z.B. im DLR betriebenwird. Zehn der 16 Zentren haben sich imForschungsverbund Umwelt zusammen-geschlossen. Die Bedeutung des Themasin der HGF sowie das Gewicht der HGF inder deutschen Umweltforschung könnenSie auch daran messen, daß mehr alszehn Prozent unseres Personals und etwa

derselbe Anteil unserer Budgets in dieUmweltforschung gehen; das Programm„Forschung für die Umwelt“ der Bundes-regierung weist aus, daß rund 40 Prozentder Ausgaben des Bundes für die Um-weltforschung im Umweltverbund derHelmholtz-Gemeinschaft umgesetzt wer-den. Dies verleiht dem Umweltverbundder HGF besondere Bedeutung und zu-gleich besondere Verantwortung.

Frage: Kann der Forschungsverbund denneine neue Qualität der Umweltforschungschaffen, obwohl die einzelnen Einrich-tungen selbständig sind und bleiben?

Popp: Ich denke, das haben wir in diesemVerbund bereits gezeigt. Wichtig für dienachhaltige Organisation von Synergie-effekten zwischen den einzelnen Einrich-tungen und Forschergruppen war eineklare, verantwortliche Führung und einezielgerechte Strukturierung der HGF-Ar-beiten. Zum ersten Punkt haben wir ei-nen Lenkungsausschuß geschaffen, dersich auf der Ebene der verantwortlichenGeschäftsführer und Vorstände regel-

mäßig trifft; das DLR wird dabei von HerrnDr. Eisenbeiß vertreten. Eine adäquate,effiziente Struktur haben wir in Form vonvier Sektionen geschaffen, deren Spre-cher die Arbeit nach innen organisierenund nach außen vertreten. Die Themendieser vier Sektionen sind: Globale undregionale Klimasysteme, Böden und Was-ser in Landschaften, biologische Systemeund nachhaltiges Wirtschaften.

Frage: Herr Dr. Eisenbeiß, im Programm-budget der HGF weist das DLR Luft- undRaumfahrt sowie Energietechnik als pro-grammatisch verfolgte Kernarbeitsgebieteaus, warum nicht auch Umwelt?

Eisenbeiß: Wenn Sie den Forschungsver-bund Umwelt etwas näher betrachten,stellen Sie fest, daß das DLR eines der besonders aktiven Mitglieder ist undBeiträge zu drei der vier von Herrn Poppaufgeführten Sektionen leistet. Wennman heute gute Forschung und technolo-gische Entwicklung betreiben will, mußman das Ziel, zu einer besseren Umwelt-qualität und zum Klimaschutz beizutra-gen, in die Forschungs- und Entwick-lungsprojekte integrieren. Insofern be-treibt das DLR Umweltforschung undUmwelttechnik an sehr vielen Stellen, ohne seine zentralen Missionen in Luft-und Raumfahrt sowie Energietechnik zuverlassen. Umweltverbesserungen undKlimaschutz sind daher Querschnittszielunserer Arbeiten, die in der Programma-tik der HGF vor allem unter Transport-und Verkehrssysteme sowie Energiefor-schung und Energietechnologie veran-schlagt sind.

Frage: Stehen Zielsetzungen der wirt-schaftsorientierten Forschung und Ent-wicklung nicht grundsätzlich im Gegen-satz zu umweltpolitischen Zielen?

Eisenbeiß: Keineswegs grundsätzlich; vieles geht parallel. Aber es gibt natürlichauch Herausforderungen des Umwelt-und Klimaschutzes, die noch nicht mitwirtschaftlich wettbewerbsfähigen Strate-gien und Technologien beantwortet wer-den können. Gerade in der Forschung zurNutzung der Sonnenenergie verfolgt dasDLR mit der Entwicklung thermischer Solarkraftwerke eine Strategie, der es

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zur vollen Konkurrenzfähigkeit auf denliberalisierten Energiemärkten noch eingutes Stück fehlt. Hier wird deutlich, daßes auf den Zeitraum ankommt, über denman wirtschaftliche und Umweltvorteilebilanziert. Forschung braucht hier einenlangen Atem oder – banaler ausgedrückt– längerfristig stetige Finanzierung ausöffentlichen Mitteln. DLR-Forschung weistaber auch Beispiele aus, wo schon in kür-zeren Umsetzungsfristen wirtschaftlicheund Umweltziele parallel laufen.

Frage: Können Sie dafür ein Beispiel ge-ben?

Eisenbeiß: Zweck dieses Heftes ist natür-lich, eine ganze Reihe von Beispielen zuschildern, in denen das DLR konkret anUmweltforschung mitwirkt, umweltscho-nende Technologien entwickelt und fürden operationellen Einsatz vorbereitet. Sowirken Luftfahrt und Energietechnik zu-sammen bei der Entwicklung effizientererund sauberer Gasturbinen; für die Luft-fahrt geht es dabei um bessere Triebwer-ke und für die Energietechnik um lei-stungsfähigere Gasturbinenkraftwerke.Hier ist eine der Hauptstoßrichtungen derEntwicklung die Energieeinsparung durchhöhere Effizienz, also ein primär wirt-schaftliches Ziel. Gleichzeitig geht es umdie Absenkung von Schadstoffemissionendurch neue Verbrennungstechniken, sodaß nicht nur die eingesparte Energie in-direkt Umwelt und Klima schont, sondernz.B. auch weniger Stickoxide die Atmo-sphäre belasten. Da, wo wirtschaftlicheund Umweltinteressen nicht in Einklangzu bringen sind und die Politik zugunstender Umwelt eingreifen will, geht es umgründliche wissenschaftliche Bewertungvon Umweltschäden und ökonomischerBelastung. Dies bedeutet, daß ein neuesOptimum definiert werden muß, das bei-den Interessen gerecht wird. Auch hierbringt das DLR seine Kompetenz ein zurUnterstützung von Wirtschaft und ge-setzgebenden Einrichtungen.

Frage: Herr Prof. Popp, ist nicht ein sobreit angelegtes Thema besonders geeig-net und reizvoll für den Forschungsver-bund Umwelt?

Popp: Natürlich ja. Zur Beantwortung solcher Fragen braucht man ja nicht nureine umfassende technologische und

ökologische Fachkompetenz, sondern zu-gleich die Fähigkeit, interdisziplinär sozia-le und wirtschaftliche Aspekte einzube-ziehen; teilweise überschreiten wir dabeiauch den Zuschnitt des Forschungsver-bundes Umwelt! Wie Sie schon sagten,ist ein Thema solcher Spannweite von einem Forschungszentrum alleine nicht in ausreichender Tiefe zu bewältigen. Be-trachtet man als Beispiel die Wechselwir-kung zwischen Luftverkehr und Atmo-sphäre bzw. Klima, so reicht das notwen-dige Kompetenzspektrum von der Ver-brennungs- und Triebwerksforschungüber die Flugzeugtechnologie und Luft-verkehrskenntnisse hin zur Physik undChemie der Atmosphäre und zur regio-nalen und globalen Modellierung der Klimawirkung. Aus diesem Grunde wirddas Thema auch in enger Kooperationdes DLR mit den Forschungszentren Karlsruhe und Jülich und der GKSS be-arbeitet.

Frage: Herr Dr. Eisenbeiß, wird der raschwachsende Luftverkehr nicht die techni-schen Verbesserungen überkompensie-ren?

Eisenbeiß: Daß jede konkrete Maßnahmezur Energieeinsparung und zur Emissions-verminderung durch Zuwachs im Ver-kehrsaufkommen kompensiert werdenkann, trifft den Luftverkehr ebenso wieden bodengebundenen Verkehr aufStraße und Schiene. Noch ist kein Mobi-litätskonzept für unser Land, die EU oderdie ganze Welt sichtbar, das eine demNachhaltigkeitsprinzip entsprechende Befriedigung des ständig wachsendenMobilitätsbedürfnisses der Menschen ent-spricht. Das macht jedoch jeden einzel-nen Schritt zu besserer Umweltverträg-lichkeit des Fliegens doppelt wichtig – alsMinderung selbst und als Zeitgewinn fürneue Konzeptfindungen. Es ist heuteklar: ein solches Konzept muß verkehrs-trägerübergreifend angelegt sein, es mußIndustrie- und Raumstrukturen mit um-fassen und es muß alle künftigen Mög-lichkeiten der Technikentwicklung ein-beziehen.

Frage: Was tut das DLR in diesem Zusam-menhang?

Eisenbeiß: Viele Aktivitäten zielen in die-sen Bereich. Um beim Luftverkehr einBeispiel zu nennen: Die verbrennungs-technischen und werkstofflichen Verbes-serungspotentiale bei den Triebwerks-brennkammern werden etwa die kriti-schen NOx-Emissionen pro Sitzkilometerin 20 Jahren auf 20 Prozent ihres heuti-gen Wertes absenken können, so daßselbst unter Annahme eines mittlerenLuftverkehrswachstums von vier bis fünfProzent pro Jahr eine deutliche Absen-kung der NOx-Emissionen zu erwarten ist.DLR-Institute sind hierbei führend tätig.Für den Straßenverkehr dürften dieBrennstoffzellensysteme nahezu lokaleEmissionsfreiheit und hohe Energieeffizi-enz bringen; auch hierzu werden wesent-liche Beiträge vom DLR erbracht. Schließ-lich stellt das DLR eine hochentwickelte, dynamische Simulationssoftware für dasVerkehrsgeschehen zur Verfügung – einBeitrag zu effizienterem und umwelt-freundlicherem Verkehr.

Frage: Sie sprechen nur von Energiever-brauch und Emissionen; sind es nicht dieLärmbelästigungen, die zuerst Grenzendes Verkehrs setzen?

Eisenbeiß: Richtig. Zumindest ist der Ver-kehrslärm ein entscheidender Problem-bereich, in dem wir zu Verbesserungenkommen müssen. Wir haben daher überunsere eigene Lärmforschung im Luft-fahrtsektor hinaus eine Initiative für einnationales Verbundprogramm ergriffen,das verkehrsträgerübergreifende Lärm-reduzierung an der Quelle und ein besse-res Verständnis der Lärmwirkung auf denMenschen bearbeiten soll. Schon heutearbeiten wir an wichtigen Teilfragen etwader Schallquellenortung an Flugzeugenoder Schnellbahnen oder an technischenMaßnahmen, die die Geräuschentstehun-gen an der Quelle vermeiden. Zur Erhö-hung der Synergien und der Effizienz sei-ner Arbeiten hat das DLR im vergange-nen Jahr hier ein eigenes Teilprogrammgeschaffen, in dem alle Aspekte von derLärmwirkung über die Lärmentstehungbis zur Lärmvermeidung zusammen-gefaßt sind.

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Frage: Für das DLR ist es ein erklärtes Ziel,zu innovativen Produkten und Verfahrenmit gutem Marktpotential beizutragen,indem seine technologische Kompetenzaus den Kernarbeitsgebieten systematischgenutzt wird. Gibt es in diesem Feld Er-folgsbeispiele, die dem Umweltschutz inbesonderer Weise dienen ?

Eisenbeiß: Selbstverständlich ja. Ichmöchte nur mit Stichworten auf vieleProjekte hinweisen, die etwa aerodynami-sche Untersuchungen oder Leichtbau-weisen von Luft- und Raumfahrt aufStraßen- und Schienenfahrzeuge übertra-gen, die ja dann weniger Energie ver-brauchen und damit weniger Emissionenverursachen. Ein direkteres Beispiel ist einDLR-Beitrag zum prozeßintegrierten Um-weltschutz, der sich aus der Verbren-nungsforschung entwickelt hat: das DLR-JET-REMPI-Verfahren zum genauestenund schnellen Nachweis z.B. von Dioxin-Vorläufersubstanzen wie z.B.etwa Chlor-aromaten. Diese Meßtechnik wird in Re-gelkreise beispielsweise von Müllverbren-nungsanlagen eingebracht werden undeine saubere Verbrennung ermöglichen.Hier ist insbesondere im Ausland mit ei-nem großen Markt zu rechnen, den wirzur Zeit mit Industriepartnern angehen.Für den Fortschritt dieser Arbeiten ist dieKooperation mit dem ForschungszentrumKarlsruhe von besonderer Bedeutung.

Frage: Wie beurteilen Sie, Herr Prof.Popp, diese Kooperation bei der Müllver-brennungstechnologie, die ja ein beson-derer Schwerpunkt des FZK ist? WelcheZiele verfolgen Sie in diesem Bereich?

Popp: Im Forschungszentrum Karlsruhebesteht innerhalb des HGF-Umweltver-bundes ein besonderer Schwerpunkt inder Umwelttechnik. Seit langem habenwir uns die Aufgabe gestellt, den in sei-ner heterogenen und ständig wechseln-den Zusammensetzung ja für technischeAnwendungen ungwöhnlichen Brenn-stoff Müll zu günstigeren ökologischenund ökonomischen Bedingungen ver-

Von Wolfgang Neise und Eberh

brennen zu können. Dabei geht es vor-rangig nicht um die Entwicklung neuarti-ger Verfahren, sondern um ein besseresVerständnis des Verbrennungvorgangesselbst, der bei Abfällen in besondererWeise auch durch chemische Vorgängewährend des Verbrennens gekennzeich-net ist. Ein vertieftes Verständnis dieserVorgänge kann dazu beitragen, durchprimäre Maßnahmen, also zum Beispieldurch Einstellung bestimmter chemischeroder physikalischer Randbedingungen beider Verbrennung viel weniger Schadstof-fe zu produzieren, so daß die bisher sehraufwendige Rauchgasreinigung deutlichkleiner ausfallen kann und dadurch auchweniger Sekundärabfälle aus der Müllver-brennung entstehen. Über eine anspruchs-volle Modellierung dieser Vorgänge sollendiese Erkenntnisse künftig auch zur auto-matischen Prozeßsteuerung umweltver-träglicher und kostengünstigerer Müllver-brennungsanlagen herangezogen wer-den. Zu dieser Aufgabe leisten auch an-dere HGF-Zentren wichtige Beiträge, sodas DLR insbesondere mit seiner hoch-entwickelten Lasermeßtechnik.

Frage: Herr Dr. Eisenbeiß, Raumfahrt alszentrale Mission des DLR bietet großeMöglichkeiten, Umweltforschung zu betreiben. Welchen Stellenwert hat diesim DLR?

Eisenbeiß: Umweltforschung und -ma-nagement ist der vielleicht wichtigste An-wendungssektor der Fernerkundung, wiesie das DLR in mehreren Instituten undEinrichtungen betreibt. Leider sind Um-welterkundung und das Verfolgen derglobalen Veränderungen weniger leichtkommerzialisierbar als andere Anwen-dungen der Fernerkundung wie Katastro-phenwarnung und Überwachung, Ernte-beobachtung, Kartographie oder auchmilitärische Aufklärung. Deshalb bestehtim jetzigen Umfeld mit starken Vorgaben,auch Raumfahrt besser zu kommerzia-lisieren, die latente Gefahr, daß Umwelt-beiträge an den Rand gedrängt werden.Ich bin aber optimistisch, daß die Politikdas Paradigma kommerzieller Nutzungnicht so weit verabsolutiert, daß aus derlatenten Gefahr eine akute wird. Ich kannmir bei den großen Fragen des GlobalenWandels kaum eine Forschung ohne intensive Nutzung der Fernerkundungvorstellen.

rd Pfizenmaier

Frage: Wo liegen hier die Zukunftsaufga-ben der Fernerkundung?

Eisenbeiß: Grundsätzlich muß es jetzt umeine integrierende Nutzung der vielenSensoren, Kameras und Missionen gehen,die das DLR teilweise selbst entwickeltund genutzt hat oder die von internatio-nalen Partnern betrieben werden. Ausdem Zusammenfügen von Daten von Mikrowellensensoren und abbildenderSpektroskopie im optischen und infra-roten Bereich kann eine neue Qualitätvon Aussagen über den Zustand der Erdeoder auch kleiner Flächenelemente in interessierenden Regionen entstehen. Neben der neuen Qualität der Aussagensteht hier auch das Ziel höherer Produk-tivität, d.h. schneller und preiswerter zukundengerechten Aussagen zu kommen.

Frage: Herr Prof. Popp: Sie waren ja eini-ge Zeit als Staatssekretär in der hessi-schen Landesregierung für Umweltpolitikzuständig. Wie beurteilen Sie die Bedeu-tung von Fernerkundung für die For-schung, aber insbesondere auch für dieoperative Umweltpolitik?

Popp: Natürlich braucht eine wirkungs-volle Umweltpolitik alle Instrumente derBeobachtung, der Analyse und der Be-wertung. Flugzeug- oder satellitengetra-gene Fernerkundungssensoren liefern da-zu wertvolles Datenmaterial. Wichtig istnatürlich, daß aus diesen Rohdaten nut-zerorientierte Produkte werden, die denUmweltbehörden, aber auch – um nur einige zu nennen – den Forstämtern, denStädte- und Raumplanern unmittelbar interpretierbare und nützliche Informatio-nen liefern. Hier leistet das Deutsche Fernerkundungsdatenzentrum DFD desDLR eine hervorragende Arbeit in einemglobal abgestimmten Netzwerk. Für dieEndnutzer in der Umweltforschung ha-ben wir im Forschungsverbund einen Arbeitskreis eingerichtet, der die Daten-formate und Zugriffssysteme unter denbeteiligten Zentren abstimmt, damit eineinfacher Austausch untereinander undZugriff auf die vielfältigen in den Zentrenangelegten Datenbanken erleichtert wird.

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Frage: Kann sich nach Ihrer Einschätzungaus der hohen Nutzenfunktion der Fern-erkundung für Umweltbeobachtung und-management auch ein kommerziellerMarkt entwickeln?

Popp: Ich glaube, ja. Wichtigste Voraus-setzung dafür ist, daß die Umweltverwal-tungen technisch und finanziell ausrei-chend ausgestattet werden. Nur so kannaus dem zweifelsfrei vorhandenen BedarfNachfrage und ein Markt werden.

Frage: Zurück zur Forschung, Herr Prof.Popp. Wo spielt Fernerkundung für dieArbeiten des Forschungsverbundes Um-welt eine wesentliche Rolle?

Popp: Die Fernerkundung ist selbstver-ständlich ein sehr wichtiges und moder-nes Instrument für die Umweltforschung.Wenn wir zum Beispiel im Forschungs-zentrum Karlsruhe mesoskalige Klimamo-delle rechnen, also besonders interessan-te oder besonders belastete Räume von einigen hundert Kilometern Ausdehnung,dann sind zuverlässige und engmaschigeDaten über Zustand von Atmosphäre undLandoberfläche von sehr großer Bedeu-tung. Ein guter Zugriff auf Fernerkun-dungsdaten und die zu ihrer richtigen In-terpretation erforderlichen Informationenist deshalb heute eine ganz wichtigeGrundlage für viele Bereiche der Umwelt-forschung. Aber hierzu wird Ihnen Dr. Eisenbeiß sicher gerne mehr sagen!

Frage: Ja, Herr Dr. Eisenbeiß, wie kannder Nutzer auf die bei Ihnen empfange-nen, vorverarbeiteten und gelagerten Daten zugreifen?

Eisenbeiß: Teil unserer Aufgabe ist esnatürlich, ein komfortables Zugriffsystembereitzustellen, das dem Nutzer die ge-wünschten Aussagen multimedial auf sei-nen Bildschirm bringt; ein solches Systemist mit dem Intelligenten Satellitendaten-Informations-System (ISIS) jetzt verfügbar.Wichtig ist aber auch, daß die Nutzerin-teressen schon in den Entwurf und dieEntwicklung der Archivierungs- und Aus-

wertesysteme einfließen. Dafür pflegt das(DFD) im DLR eine intensive, formale undinformelle Nutzerbeteiligung.

Frage: Ist das DLR darauf vorbereitet, dieDatenbestände so langfristig vorzuhalten,wie dies im Rahmen der Beobachtungder Global-Change-Prozesse erforderlichist?

Eisenbeiß: Es ist uns bewußt, daß wir dasProblem langfristig kontinuierlicher undkompatibler Datensätze lösen müssen.Wir arbeiten an einem Konzept, von demwir glauben, daß es einige Jahrzehnte be-stand haben wird und betrieben werdenkann. Hier stellen sich natürlich auchlangfristige Finanzierungsfragen, bei denen auch die Bereitschaft der Politikgefragt ist, die notwendige Kontinuitätzu sichern.

Frage: Wir haben bisher über umwelt-relevante Arbeiten des DLR gesprochen, die eher indirekt oder instrumentell zumUmwelt und Klimaschutz beitragen. Wobetreibt das DLR Forschung, die Teil derUmweltforschung selbst ist?

Eisenbeiß: Ich würde die Unterscheidungnicht so eindeutig akzeptieren, weil derbeste Umwelt- und Klimaschutz natürlichder ist, der an den Ursachen der Proble-me ansetzt. Und da sind Energieeinspa-rung, Nutzung erneuerbarer Energien,Schadstoffminderung bei Gasturbinenund Flugantrieben sowie die Verminde-rung von aerodynamischen Widerstands-beiwerten und Gewichtsersparnissen vonFahrzeugen- und Flugzeugen primäre Fel-der. Aber es gibt auch originäre Umwelt-und Klimaforschung in den DLR-Institu-ten, insbesondere am Standort Oberpfaf-fenhofen.

Frage: Welche Beiträge leistet das DLR indiesem Rahmen?

Eisenbeiß: Wie schon gesagt, ist für dasDLR Luft- und Raumfahrt der Bezugs-punkt seiner Programmatik. Insofern istnaheliegend, daß wir uns insbesonderemit der Wechselwirkung von Fliegen undUmwelt beschäftigen. Das große nationa-le Verbundprogramm „Schadstoffe in derLuftfahrt“ ist ja nicht nur vom DLR vorJahren initiiert worden, sondern auch in

vielen Einzelprojekten in verschiedenenInstituten des DLR mit vielen Partnern inDeutschland u.a. aus der HGF durchge-führt worden. Dabei geht es sowohl umdie Erfassung von Emissionen der Flug-zeuge in den typischen Flughöhen alsauch um Beiträge zur Physik und Chemieder Atmosphäre von sehr kleinen bis zuglobalen Maßstäben. Um Klimaforschunggeht es, wenn man beispielsweise nachder Bedeutung von Kondensstreifen für Albedo- und Treibhauseffekte im nordat-lantischen Flugkorridor fragt.

Frage: Kann man die wesentlichen Ergeb-nisse des Programms „Schadstoffe in derLuftfahrt“ in kurzen Worten zusammen-fassen?

Eisenbeiß: In der gebotenen Vereinfa-chung kurzer Aussagen kann man nachdem heutigen Stand des Wissens sagen,daß Luftverkehr sich zum Glück nicht alsein so wesentlicher Faktor der Umwelt-und Klimaproblematik herausgestellt hat,wie ursprünglich befürchtet wurde.Nimmt man mit ins Kalkül, daß der Luft-verkehr hohe Zuwachsraten aufweist und daß noch nicht alle physikalischenund chemischen Prozesse in der hohenAtmosphäre vollständig verstanden sind,so muß es aber ein prioritärer Forschungs-und Entwicklungsbereich bleiben, dieausschlaggebenden Vorgänge besser zuverstehen, um Luftfahrt energiesparendund umweltfreundlich gestalten zu kön-nen. Dem wird sich das DLR auch weiter-hin widmen.

Prof. Dr. Manfred Popp ist Vorsitzender desVorstands des Forschungszentrums Karlsruheund Vorsitzender des Umweltverbundes derHermann von Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

Dr. Gerd Eisenbeiß ist DLR-ProgrammdirektorEnergietechnik und vertritt das DLR in denQuerschnittsthemen Umwelt und Verkehr.

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Der Luftverkehr weist global ein permanentes Wachstum auf. Die Nachfrage imPersonen- und Gütertransport steigt ständig. Aufgabe der Luftfahrtforschung istes, die Auswirkungen dieser Entwicklung auf die Umwelt zu minimieren. Aufden folgenden Seiten sind ausgewählte Projekte des DLR und seiner Partner zumThema Luftverkehr und Umwelt beschrieben.

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Lärmminderung bei der Landung

Von Werner Dobrzynski

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Die Fortschritte in derVerminderung desTriebwerkslärms bei

großen strahlgetriebenen Ver-kehrsflugzeugen in den letz-ten 20 bis 30 Jahren habendazu geführt, daß eine bisherkaum hörbare Geräuschquelleinsbesondere bei der Landunghervortritt: das „Flugzeug-Eigengeräusch”.

Hinter diesem Begriff verbirgtsich die Tatsache, daß die Um-strömung von Tragflächen,Flugzeugzelle und Triebwer-ken Turbulenzen erzeugt, dieunter ungünstigen Umstän-den für erheblichen Lärm ver-antwortlich sind.

Die „Internationale Behördefür die Zivile Luftfahrt” (ICAO)in der praktisch alle luftfahrt-treibenden Nationen zusam-mengefaßt sind, hat schonvor Jahren strenge Lärmvor-schriften erlassen, denen zu-folge die großen Verkehrsflug-zeuge beim Start- und Steig-flugvorgang, aber auch beimLandeanflug genau definierteLärmgrenzwerte am Bodennicht überschreiten dürfen.Diese Lärmgrenzen sind –zum Besten der betroffenenBevölkerung – scharf gefaßt,und es sind begrüßenswerteBestrebungen im Gange, die-se Grenzen noch weiter zuverschärfen. Darüber hinauskönnen Flugplätze ganzautark ihre eigenen Lärmkon-tingente und Lärmgrenzen de-finieren (Heathrow ist ein„berüchtigtes” Beispiel), sodaß künftige, noch in der Ent-wicklung befindliche Flugzeu-ge gut daran tun, diese Lärm-grenzwerte nicht nur einzu-

halten, sondern sie kräftig zuunterschreiten, wollen sie aufdem Weltmarkt konkurrenz-fähig sein.

Das DLR hat im Rahmen um-fangreicher Forschungs- undEntwicklungsarbeiten die aeroakustischen Quellen desFlugzeug-Eigengeräuschsidentifiziert und technischeMöglichkeiten zu dessen Min-derung erarbeitet – Informa-tionen, die der europäischeFlugzeughersteller dringendfür die Planung und Entwick-lung künftiger großer Ver-kehrsflugzeuge benötigt. Vordem Hintergrund, daß ein sol-ches künftiges GroßflugzeugFahrwerke brauchen wird, diegegenüber den heutigen nichtnur sehr viel größer, sondernauch mechanisch und geome-trisch viel komplexer sein wer-den, begannen akustische Un-tersuchungen an realen Fahr-werken.

Im Rahmen eines Auftrags derFirma Airbus-Industrie wurdenvom DLR Hauptfahrwerke desAirbus A320 in dem größtenakustischen Windkanal derWelt, dem Deutsch-Nieder-ländischen Windkanal (DNW),untersucht. Dieser für akusti-sche Untersuchungen beson-ders geeignete Windkanalbietet die Möglichkeit, dieStrömungsverhältnisse an rea-len Fahrwerken zu simulierenund im Detail zu vermessen.

Es zeigte sich, daß die bisheri-ge, auch von den großenFlugzeugfirmen vertreteneAuffassung, der aufgrund derUmströmung erzeugte Fahr-werkslärm sei vor allem eintieffrequentes Phänomen, völ-lig falsch war. Die vielen Ein-zelkomponenten, aus denen

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Faserverbundwerkstoffe auf der Basis nachwachsender Rohstoffe

Von Ulrich Riedel und Axel Herrmann

ein Fahrwerk zusammenge-setzt ist, wirken als kleine, originäre Schallquellen, die inihrer Summe zu erheblicherLärmabstrahlung im mittlerenFrequenzbereich (500 bis4.000 Hz) führen. Dieser mitt-lere Frequenzbereich ist nunwiederum für das mensch-liche Gehör besonders lästig,und diesem Tatbestand wirdauch in der Fluglärmgesetz-gebung Rechnung getragen.Denn das verwendete Lärm-maß, der sogenannte „Em-pfundene Lärmpegel” (eng-lisch: Perceived Noise Level),berücksichtigt gerade denmittleren Frequenzbereich besonders stark.

Im Rahmen der komplexenUntersuchungen wurdenFahrwerke mit zwei und vierRädern vermessen, vor allemaber auch Möglichkeiten derLärmminderung untersucht.So konnte nachgewiesen wer-den, daß bei einer vergleichs-weise umfassenden aerodyna-mischen Verkleidung desFahrgestells eine Minderungdes Lärms um bis zu zehn De-zibel (das ist energetisch eineMinderung um einen Faktor10) möglich ist. Werden ledig-lich die kritischen Fahrwerks-komponenten aerodynamischverkleidet, Maßnahmen, diein keiner Weise der Funktiondes Fahrwerks abträglich sind,können immer noch drei bisvier Dezibel erreicht werden.Dies ist eine beträchtlicheMinderung des abgestrahltenLärms, so daß auch weiterverschärfte Forderungen da-mit erfüllt werden können.

Dr. Werner Dobrzynski, DLR-In-stitut für Entwurfsaerodynamik,Braunschweig.

Auch für Konstruktions-werkstoffe gilt in zu-nehmendem Maße das

Kriterium der Wiederverwend-barkeit. Eine aussichtsreichePerspektive bieten hier natur-faserverstärkte Biopolymereauf der Basis nachwachsenderRohstoffe. Werden Pflanzen-fasern wie Flachs, Hanf oderRamie in thermoplastischeMatrices (Cellulose-, Stärke-oder Schellackderivate) gebet-tet, so können bioabbaubareFaserverbunde hergestelltwerden, die durch klassischesRecycling, aber auch durchKompostierung oder CO2-neutrale Verbrennung um-weltverträglich verwertet wer-den können.

Die Entwicklung solcher Ma-trices wurde durch das Kreis-laufwirtschaftsgesetz forciert.Vorwiegend für den Ver-packungsbereich entwickelt,sind sie größtenteils nativ ba-siert und bioabbaubar. Aberauch Polymere auf petroche-mischer Grundlage können soin ihren Eigenschaften einge-stellt werden, daß sie abbau-bar sind (z.B. Copolyester, Po-lyesteramide).

Ein scheinbarer Zielkonfliktbesteht darin, die Werkstoff-eigenschaften Haltbarkeit undBelastbarkeit mit biologischerAbbaubarkeit zu verknüpfen.Im Verlaufe der Arbeitenkonnte im DLR-Institut fürStrukturmechanik jedoch ge-zeigt werden, daß der Kon-flikt in einzelnen Bereichenlösbar ist, denn erst durch dasZusammenspiel der ParameterpH-Wert, Feuchtigkeit, Tem-peratur, Mikroorganismenbe-fall und Sauerstoffgehalt wirdder biologische Abbau ange-

stoßen. Durch Wahl des Ein-satzgebietes etwa im Innen-bereich (Möbel, Elektrogeräte)kann das Zusammentreffender erforderlichen Bedingun-gen vermieden werden. NachGebrauchsdauer wird der bio-logische Abbau durch Einbrin-gung in einen Kompost einge-leitet.

Schwerpunkt des DLR-Institutsfür Strukturmechanik im Be-reich der Bio-Verbunde ist esnun, diese Werkstoffe für An-wendungen zu qualifizieren,die heute vornehmlich vonden klassischen Glasfaserver-bunden (GFK) dominiert wer-den, denn der Bio-Verbundbesitzt bereits ähnlich gutemechanische Eigenschaftenwie GFK. Als Verstärkung die-nen dabei vor allem Natur-fasern wie Flachs, Hanf undRamie, die sich durch einegleichhohe spezifische Festig-keit und Steifigkeit wie Glas-fasern auszeichnen.

Im wesentlichen werden dabeizwei Zielrichtungen verfolgt:Zum einen sollen die Anwen-dungsmöglichkeiten für Bio-Verbunde anhand konkreterBauteilentwicklungen demon-striert werden (Pkw, Schienen-fahrzeugbau, Bauwesen, Elek-trotechnik); zum anderen giltes, die Werkstoffe selbst wei-ter zu optimieren.

Ein solches beispielhaftes Bau-teil ist eine Pkw-Türinnenver-kleidung, die im DLR-Institutfür Strukturmechanik in ei-nem einzigen Arbeitsschritthergestellt wurde. Ziel war es,nachzuweisen, daß die me-chanischen und physikalischenEigenschaften sowie die An-forderungen an die Verarbeit-barkeit erfüllt werden können.Dieses Projekt wurde vom Nie-

dersächsischen Ministeriumfür Ernährung, Landwirtschaftund Forsten gefördert und ineinem Verbund mit einer Rei-he externer Partner durchge-führt. So waren beteiligt dieBecker Group als Automobil-zulieferer, die Gesellschaft fürBiotechnologische Forschungfür die Untersuchung der Bio-abbaubarkeit des Matrixwerk-stoffes und die Entwicklungeines bioabbaubaren Schaum-stützstoffes sowie die Fach-hochschule Braunschweig/Wolfenbüttel für die Untersu-chung der Recyclingfähigkeit.Den unterschiedlichen Anfor-derungen an die Brandsicher-heit wird durch mineralischeZusätze entsprochen. In Ko-operation mit Brandsicher-heitsfirmen konnten die Nach-weise erbracht werden.

Gespräche mit möglichen an-deren Nutzern wurden einge-leitet, wobei einzelne Bio-Ver-bund-Bauteile eingesetzt wer-den sollen, um ihre Tauglich-keit im Alltagsbetrieb unterBeweis zu stellen.

Um das werkstoffliche Poten-tial der Bio-Verbunde besserausschöpfen zu können, sol-len die Faser- und Matrix-eigenschaften sowie die Faser-Matrix-Haftung – ein ent-scheidender Faktor – nun infolgenden Forschungsarbeitenweiter verbessert werden.

Dipl.-Chem. Ulrich Riedel undDr.-Ing. Axel Herrmann, beideDLR-Institut für Strukturmecha-nik, Braunschweig.

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Akustische Antennen vermessen

Von Ulf Michel

Moderne Verkehrs-flugzeuge habenimmer schlankere

Flügel bekommen, damit sieim Reiseflug so effizient undumweltfreundlich wie möglichihre Transportaufgabe erfüllenkönnen. Gleichzeitig wird er-wartet, daß möglichst wenigMenschen vom Lärm der star-tenden und landenden Flug-zeuge belästigt werden. FürStart und Landung ist es er-forderlich, die im Reiseflugschlanken Flügel mit Vorflü-geln und Landeklappen aus-zurüsten, um den Auftrieb zuerhöhen. Diese wiederum –insbesondere wenn sie bei derLandung vollständig ausge-fahren werden – sind nebendem Fahrwerk die Ursache fürzum Teil nicht unerheblichenUmströmungslärm. Und weilder Lärmpegel neuer Trieb-werke im Landeanflug sehrstark reduziert werden konn-te, tritt nun bei der Landungdieser Umströmungslärm alswichtige Lärmquelle in denVordergrund. Zur weiterenSenkung des Fluglärms ge-nügt es deshalb nicht, sichwie bisher intensiv nur mitdem Triebwerkslärm zu be-schäftigen, sondern es mußauch gezielt nach den domi-nierenden Umströmungslärm-quellen am fliegenden Flug-zeug gesucht werden, damitauch diese durch technischeÄnderungen leiser werden.

Für diese Aufgabe wird vonder Abteilung Turbulenzfor-schung des DLR-Instituts für

Antriebstechnik in Berlin dieTechnik der „akustischen An-tenne“ eingesetzt. Dabei wirdder abgestrahlte Lärm zu-nächst mit einer größerenZahl von relativ nah beieinan-der angeordneten Mikrofonenaufgezeichnet. Bei der späte-ren Auswertung der Signalemit dem Rechner wird jeweilsauf einen Punkt am Flugzeugfokussiert und der Fokus mitdem Flugzeug mitbewegt.Erst durch diese Mitbewegungwird eine Analyse der Schall-quellen wegen der sonst zukurzen Meßzeit und verfäl-schender Doppler-Frequenz-verschiebung möglich.

Diese Technik wurde frühervon der Abteilung Turbulenz-forschung erstmals für die Un-tersuchung der Schallquellenan schnellen Eisenbahnfahr-zeugen entwickelt. Um dieVerteilung der Schallquellenzweidimensional, mit bessererräumlicher Auflösung und ausgrößerer Entfernung vomFlugzeug bestimmen zu kön-nen, mußte die Richtmikro-fontechnik allerdings wesent-lich weiterentwickelt werden.Dazu wurde die Antennen-technik unter Nutzung derheute verfügbaren Methodender Datenerfassung vieler Sig-nale mit hohen Taktfrequen-zen auf eine wesentlichgrößere Zahl von Mikrofonenund eine flächige Mikrofonan-ordnung erweitert. Die DLR-Entwicklung führte zu einerAnordnung mit 111 Mikrofo-nen auf einer quadratischenGrundfläche mit acht MeterSeitenlänge. Diese neue An-

ordnung eröffnet erstmaligdie Möglichkeit des Einsatzesvon sehr großen Antennenund der Messung aus großenEntfernungen.

In einem vom BMBF unter-stützten Projekt wurde dieakustische Richtantennezunächst am Werksflughafender Deutschen Airbus in Ham-burg-Finkenwerder bei Über-flughöhen zwischen 28 und32 Meter getestet und dannin Frankfurt in einer gemein-samen Kampagne mit dem In-genieurbüro akustik-data, derDeutschen Lufthansa unddem Flughafen Frankfurt ein-gesetzt. Insgesamt wurden dieMikrofonsignale bei 170 Lan-deanflügen aufgezeichnet.Die Analyse der Schallemis-sion unterschiedlicher Flug-zeuge wird Aufschluß gebenüber bereits existierende lärm-arme Entwürfe für Fahrwerkeund Klappensysteme. Eine besondere Auswertung derSchallemission in den Berei-chen von Triebwerkseinlaufund Schubdüse soll eine Ver-besserung der Prognosever-fahren für den tonalen undbreitbandigen Triebwerkslärmermöglichen.

Erste Auswertungen zeigen,daß bei der Landung der lei-sesten heute fliegenden Flug-zeuge die Umströmungs-geräusche vergleichbar mit

den Triebwerksgeräuschensind. Viele moderne Flugzeu-ge werden aber immer nochvon Triebwerksgeräuschen dominiert. Die Schallemissionvon Eintrittsöffnung undSchubdüse sind deutlich zuunterscheiden. Der Vergleichmit den leisesten der gemes-senen Triebwerke zeigt einbeträchtliches Lärmsenkungs-potential. In Kooperation mitder französischen Luftfahrtfor-schungseinrichtung ONERAwurde im September 1998 eine Antenne mit insgesamt161 Mikrofonen für Messun-gen bei Flughöhen von über100 Meter eingesetzt. Hierwurde die flächige Mikrofon-anordnung des DLR für dieAnalyse der hohen Frequen-zen mit einer kreuzförmigenAnordnung der ONERA fürdie tieferen Frequenzen kom-biniert.

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den Schall

Diese Messungen liefern In-formationen über die Ge-räuschquellen und über be-reits existierende lärmarmeLösungen. Zur gezielten Ver-ringerung der Lärmemissionder erkannten Quellen sind inErgänzung dazu Untersuchun-gen an Modellen und Origi-nalteilen in aeroakustischenWindkanälen unerläßlich, diein gegenseitiger Abstimmungvom DLR-Institut für Entwurfs-aerodynamik durchgeführtwerden.

Dr.-Ing. Ulf Michel, DLR-Institutfür Antriebstechnik, AbteilungTurbulenzforschung, Berlin-Charlottenburg.

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Mikrofone im Triebwerk

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Von Wolfgang Neise

Großes Bild: Meßaufbau im Labor.Kleines Bild: Modell des CRISP-Triebwerks aufdem Prüfstand.

Beim Start von Verkehrsflugzeugensind die Triebwerke auch heutenoch die besonders hervortretenden

Schallquellen. Dabei ist die Höhe des Lärm-pegels abhängig vom Triebwerkstyp. Beiden Triebwerken der 70er Jahre wird diegesamte Luftmasse durch das Kerntrieb-werk mit Verdichter, Brennraum und Tur-bine geführt. Eine relativ kleine Luftmasseerfährt eine hohe Beschleunigung und er-zeugt so den notwendigen Schub. EinNachteil ist, daß der mit hoher Geschwin-digkeit austretende Luftstrahl sehr vielLärm erzeugt.

Bei Triebwerken heutiger und zukünftigerBauart treibt das Kerntriebwerk einenFan, der wiederum eine große Luftmasseum das Kerntriebwerk herum wenigerstark beschleunigt. Der langsame Mantel-strahl schließt den schnellen Kernstrahlein, was zu einer deutlichen Reduktiondes Strahllärms führt. Aber die treibendeKraft zur Entwicklung solcher Fantrieb-werke war und ist die erhöhte Wirt-schaftlichkeit: je größer die Luftmasse desMantelstrahls im Verhältnis zum Kern-strahl desto besser.

Mit dem CRISP (Counter Rotating Inte-grated Shrouded Propfan), bei dem zweigegenläufige Fans für einen optimalenMantelstrom sorgen, verfolgt das DLR ei-ne zukunftsweisende Entwicklungsvarian-te zu noch höherer Effizienz. Dabei läuftman allerdings Gefahr, daß der vom Fanerzeugte Lärm wieder zunimmt. Der Mi-nimierung dieses Effekts sind die hier be-schriebenen Untersuchungen gewidmet.

Die Schallentstehungs- und -ausbrei-tungsmechanismen in Fantriebwerkenund mehrstufigen Verdichtern und Turbi-nen sind sehr kompliziert und entziehensich bislang der vollständigen theoreti-schen Behandlung. Das Verständnis die-ser Prozesse ist jedoch unabdingbar, willman erfolgreich Lärmminderungsmaß-nahmen konzipieren und anwenden.

Deshalb müssen Experimente durchge-führt werden. Das große Bild zeigt bei-spielhaft 16 Mikrofone, die zur Ermitt-lung der räumlichen Schallfeldstruktur imZuströmkanal eines Axialverdichters beiMTU-München eingebaut waren.

Aeroakustische Untersuchungen am Modell

Die akustischen Untersuchungen an Fanswerden im DLR-Institut für Antriebstech-nik am CRISP-Modell durchgeführt, dasin einer Kompressorprüfstandsanordnungbetrieben wird, d.h. mit Ansaug- und

Ausblaskanal. Zusammen mit Rechenver-fahren für den Fernfeldschall sind damitschon frühzeitig Aussagen über dieSchallabstrahlung neuer Triebwerkskonfi-gurationen möglich. Bei den CRISP-Unter-suchungen werden die beiden Rotorenvon zwei Elektromotoren unabhängigvoneinander angetrieben, so daß die Ro-tordrehzahlen nicht mehr in einem festen,starr gekoppelten Verhältnis zueinanderstehen. Die Folge davon ist, daß die ausder Rotor/Rotor-Wechselwirkung entste-henden Interferenzmuster nicht mehr sta-tionär sind, sondern sich langsam um die

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Achse drehen. Dies erforderte eine An-passung der Meßverfahren. Zudem mußdas Analyseverfahren die vom Triebwerkin den Kanal abgestrahlten Schallemissio-nen von den vom Kanalende reflektiertenAnteilen unterscheiden können.

In einer ersten Meßkampagne wurde ge-funden, daß die bei der Auslegungsdreh-zahl abgestrahlten Pegel auf der Zuström-seite um 15 bis 20 Dezibel niedriger sindals auf der Abströmseite. Ursache dafür

sind vermutlich lokale Überschallgebieteund Verdichtungsstöße in den Schaufel-kanälen, die die Schallausbreitung entge-gen der Strömungsrichtung be- oder garverhindern. Hier sind weitere Untersu-chungen erforderlich.

Lärmminderung durch Gegenschall

Am gleichen CRISP-Modell werden imRahmen eines BMBF-Projektes in Koope-ration mit MTU-München und Daimler-Chrysler Untersuchungen auch zur aktiven Lärmminderung (Active NoiseControl) bei stationären Turbomaschinengemacht. Durch Anwendung dieser Tech-nik, bei der das primär erzeugte Schall-feld durch ein von sekundären Schallquel-len erzeugtes gegenphasiges Schallfeldkompensiert wird, verspricht man sichgrößere Pegelminderungen auf kurzemRaum als durch herkömmliche passiveAbsorber. Das CRISP-Modell ist dafür besonders geeignet, da es wegen seinergroßen Abmessungen die Anbringungvieler Gegenschallquellen erlaubt und somit auch die Auslöschung höherer akustischer Schallausbreitungsformen ermöglicht. Für die optimale Anordnungund Ansteuerung der Gegenschallquellenist die genaue Kenntnis des von der Tur-bomaschine erzeugten primären Schallfel-des erforderlich, d.h. seiner räumlichenAusbreitungscharakteristik bei jeder inter-essierenden Frequenz. Insbesondere dieseInformation wird von der Abteilung Tur-bulenzforschung bereitgestellt, sowohlvor als auch nach Anwendung der akti-ven Schallminderung. Bei diesen Experi-menten kommt es darauf an, das Schall-feld im Kanal einschließlich der radialenVerteilung komplett zu erfassen. Dabeikönnen im Hinblick auf die spätere prak-tische Anwendung – und um Störungender Zuströmung zu vermeiden – nurwandbündig eingebaute Sensoren einge-setzt werden. Die dafür nötigen Meß-und Analyseverfahren wurden vom DLRentwickelt.

Um bei der Konzipierung moderner Flug-triebwerke niedrige Schallpegel des Fanszu erreichen, werden insbesondere zweiWege beschritten. Einerseits wird deraxiale Abstand zwischen Fanrotor und -stator möglichst groß gewählt, anderer-

seits kann man durch eine große Zahlvon Statorschaufeln erreichen, daß derdurch die Schaufeln erzeugte Drehtonsich nicht nach außen fortpflanzt. Wennes gelingt, die tonalen Geräuschanteilemit Hilfe aktiver Geräuschminderungsver-fahren wirksam zu begrenzen, dann kanndie Auslegung des Fans nach rein aerody-namischen Gesichtspunkten erfolgen, dasheißt, der axiale Abstand zwischen Rotorund Stator wie auch die Zahl der Leit-schaufeln können verringert werden, wasoffensichtliche Vorteile in bezug auf kom-pakte Bauform und niedriges Gewichtmit sich bringt. Dieses wiederum führt zuniedrigeren Kosten und Einsparungenbeim Treibstoffverbrauch. Zusammen mitder angestrebten Lärmminderung sinddies die aus ökologischer und ökonomi-scher Sicht herausragenden Ziele des hierskizzierten Projekts.

Dr.-Ing. Wolfgang Neise, DLR-Institut für Antriebstechnik, Abteilung Turbulenz-forschung, Berlin-Charlottenburg.

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Luftverkehr und AtmosphäreVon Ulrich Schumann

Die Auswirkungen der Emissionen des Luft-verkehrs auf die Ozonkonzentration und aufdas Klima der Erdatmosphäre wurden vomDLR von 1992 bis 1998 im Rahmen des vomBMBF geförderten nationalen Verbundfor-schungsprogramms „Schadstoffe in der Luft-fahrt“ und einiger verwandter Forschungs-programme untersucht. Dabei haben Exper-ten der Verkehrsforschung und Antriebstech-nik ebenso mitgewirkt wie Atmosphärenfor-scher. Die Palette der Methoden umfaßte Ver-

kehrskataster, Messungen an Triebwerken aufPrüfständen, Insitu-Messungen in der Atmo-sphäre mit Forschungsflugzeugen, Fernmes-sungen vom Satelliten und vom Boden ausund Modelle der Physik und Chemie der At-mosphäre auf allen Skalen, vom Triebwerk biszum Globus. Zudem wurden einige der Pro-zesse, wie z.B. das Gefrieren von Eispartikelnoder chemische Reaktionen von Stickoxidenan Aerosolen, im Labor untersucht.

Die Emissionen des Luft-verkehrs sind global zubetrachten. Der Luft-

verkehr beeinflußt die Ozon-konzentration in der Atmo-sphäre durch photochemischeOzonbildung in der Tropo-sphäre und unteren Strato-sphäre in Höhen bis ca. 18Kilometer. Grundsätzlich kannder Luftverkehr auch zu ei-nem Ozonabbau in der Stra-tosphäre beitragen, jedoch istdas nach dem Stand des Wis-sens nur für eine große Flottevon Überschallflugzeugen inHöhen oberhalb ca. 18 Kilo-

meter relevant. Der Luftver-kehr beeinflußt zudem dasKlima der Erdatmosphäredurch die Emission von Gasenund Partikeln, die entwederdirekt (z.B. Kohlendioxid undWasserdampf) oder indirektden Strahlungshaushalt derAtmosphäre verändern. Indi-rekte Effekte entstehen durchKondensstreifen und durchemittierte oder im Nachlauferzeugte Partikel, die dünneEiswolken (Cirren) bilden. Indi-rekte Effekte entstehen auchdurch Stickoxide und andereEmissionen, die zur Bildungvon Ozon beitragen. Zudemtragen Stickoxide aus dem

Luftverkehr im Reiseflug zu einer globalen Verminderungdes Treibhausgases Methanbei.

Kohlendioxid ist ein Treibhaus-gas mit sehr langer Verweil-dauer in der Atmosphäre –teilweise mehr als 100 Jahre.Das Kohlendioxid hat daherviel Zeit, sich gleichmäßigüber die Atmosphäre zu ver-teilen; es entfaltet seinenStrahlungsantrieb (Treibhaus-effekt) unabhängig davon, obes am Boden oder im Reise-flug emittiert wird. Der Luft-verkehr emittiert z.Zt. ca. 440

Millionen Tonnen Kohlendio-xid pro Jahr, was zwei Prozentaller zusätzlichen, vom Men-schen verursachten Kohlen-dioxide ausmacht. Der bishe-rige Luftverkehr hat die Kon-zentration des Kohlendioxidsin der Atmosphäre bis 1990um 1 bis 1,5 ppmv erhöht, was1,2 bis 1,9 Prozent des seit1800 beobachteten Anstiegsausmacht. Der zugehörigeStrahlungsantrieb macht ca.0,02 W/m2 aus. Dieser Anstieghat die mittlere Temperatur ander Erdoberfläche bis heuteum ca. 0,004 Kelvin erhöht,ein nicht meßbarer Beitrag.Bis 2050 wird in aktuellenVerkehrs-Szenarien mit einem

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Wachstum des Treibstoffver-brauchs gegenüber 1992 umden Faktor 4, einer Zunahmeder CO2-Konzentration in derAtmosphäre von 6 ppm undeiner Zunahme des Strah-lungsantriebs von ca. 0,1W/m2 gerechnet, wodurch dieglobale Mitteltemperatur ander Erdoberfläche um 0,03Grad ansteigen könnte.

Die Stickoxide aus den Trieb-werken der Verkehrsflugzeuge(siehe Bild 1) bewirken, daßdie Stickoxidkonzentration re-gional um bis zu 30 Prozent(Bild 2) und die Ozonkonzen-tration in der oberen Tropo-sphäre und unteren Strato-sphäre in mittleren nördlichenBreiten, wo die meisten Flug-zeuge fliegen, um einige Pro-zent zunehmen (Bild 3). DieOzonsäule wächst dadurchum bis zu 0,5 Prozent. Ent-sprechend wird die am Bodenankommende ultravioletteStrahlung von der Sonne ge-ringfügig vermindert. Der glo-bale Luftverkehr ist weder ver-antwortlich für eine Ausdün-nung der stratosphärischenOzonschicht noch führt er zueiner wesentlichen Ozonzu-nahme in Bodennähe.

Ozon an der Tropopause ver-mindert die Abstrahlung vonterrestrischer Strahlung in denWeltraum und erhöht da-durch den Treibhauseffekt derErdatmosphäre. Die Prozesse,die zur Ozonproduktionführen, forcieren gleichzeitigden Abbau des Treibhaus-gases Methan. Dadurch wirddie globale Klimastörungdurch die Stickoxide aus demLuftverkehr um einen Faktorzwei bis vier vermindert. Ozonhat eine mittlere Verweildauervon einigen Wochen bis Mo-naten in der Troposphäre, dieVerweildauer von Methanliegt in der Größenordnungacht bis zehn Jahre. Die Ozon-konzentration variiert auf-grund von starken Transpor-

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ten aus der Stratosphäre imFrühjahr und starker photo-chemischer Ozonerzeugungim Sommer stark mit der Jah-reszeit. Die photochemischenÄnderungen sind in der Nord-hemisphäre deutlich größerals in der Südhemisphäre.Aufgrund der unterschiedli-chen Verweildauer und derunterschiedlichen räumlichenund saisonalen Verteilung derbeiden Gase kann das vermin-derte Methan den Klimaeffektdes zusätzlichen Ozons globalteilweise ausgleichen, nichtaber regional.

Der durch die Gesamtheit derEmissionen des Luftverkehrsbewirkte Anstieg des globalenStrahlungsantriebs ist klein; erbeträgt etwa drei bis vier Pro-zent der Strahlungsantriebealler durch menschliche Akti-vitäten verursachten Emissio-nen seit Mitte des letztenJahrhunderts. Der Strahlungs-antrieb aller Emissionen desLuftverkehrs ist jedoch etwadreimal größer (möglicherwei-se zwei- bis viermal größer) alsder Strahlungsantrieb aufgrundder Emissionen an Kohlendio-xid aus Triebwerken allein.Wichtige Beiträge stammenhierbei außer von den Stick-oxiden insbesondere von denKondensstreifen. Dabei ist der Effekt einer verändertenCirrusbewölkung infolge deremittierten und gebildetenPartikel (Ruß, Schwefelverbin-dungen, Wasserdampf u.a.)noch nicht berücksichtigt.Tatsächlich sind die Wirkun-gen infolge der verändertenCirruswolken noch weitge-hend unerforscht. Wenig weißman zudem über die regiona-len Klimawirkungen, die vor-wiegend in nördlichen mittle-ren Breiten zu erwarten sind.Dies sind einige der For-schungsthemen, denen sichdas DLR in den kommendenJahren verstärkt widmet.

Prof. Dr. Ulrich Schumann ist Direktor des DLR-Instituts für Phy-sik der Atmosphäre, Oberpfaffen-hofen.

Abb. 1: Emissionsrate von Stickoxiden aus dem Luftverkehr.Abb. 2: Zunahme der Konzentration von Stickoxiden.Abb. 3: Zunahme der Ozonkonzentration.

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Spurensuche über dem Nordatlantik

Von Hans Schlager

Der größte Anteil der Emissionen des glo-balen Flugverkehrs erfolgt über Europa, den

USA und entlang der Nordatlantik-Flugroutein Höhen zwischen zehn und zwölf Kilome-

tern. Der Flugkorridor über dem Nordatlantikgehört zu den weltweit am stärksten befloge-

nen Strecken: Je nach Jahreszeit zählt man hiergegenwärtig 700 bis 1.000 Flugbewegungen pro

Tag. Zur Beurteilung der Verteilung und Wirkungder flugverkehrsbedingten Emissionen benötigt die

Forschung zuverlässige Meßdaten. Dafür fanden imSeptember und Oktober 1997 umfangreiche Flug-

zeugmessungen über dem Nordatlantik statt. Die Untersuchungen waren Teil des europäischen Projektes

POLINAT (Pollution from Aircraft Emissions in the NorthAtlantic Flight Corridor) und des NASA-Projektes SONEX

(Subsonic Assessment – Ozone and Nitrogen Oxide Experi-ment). Die Koordination der POLINAT-Meßkampagne und

die Abstimmung mit dem Partner-Projekt SONEX lag in derVerantwortung des DLR-Instituts für Physik der Atmosphäre

in Oberpfaffenhofen.

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Schon 1994 hatte das DLR im Rah-men des ersten POLINAT-ProjektesMessungen im nordatlantischen

Flugkorridor durchgeführt und dabei Pio-nierarbeit in diesem Forschungsbereichgeleistet. Nachdem die NASA das ProjektSONEX mit einer ähnlichen Zielsetzungaufgelegt hatte, lag es nahe, die Meßpro-gramme aufeinander abzustimmen undmiteinander zu verknüpfen. So wurde vorder Meßkampagne im Herbst 1997 zwi-schen dem DLR als europäischem Projekt-koordinator und der NASA ein Abkom-men unterzeichnet, in dem die Zusam-menarbeit geregelt und insbesondere einschneller und freier gegenseitiger Daten-austausch vereinbart wurde, was für die-sen Bereich sicher bisher einmalig ist.

Bei den Flugmessungen wurden mehrereZiele verfolgt:Untersuchung der Ausbreitung der Emis-sionen vom unmittelbaren Flugzeugnach-lauf bis zur großräumigen Verteilung imKorridor.Möglichst vollständige Erfassung allerSubstanzen, die für die Umwandlung derEmissionen und für die Hintergrund-chemie in diesem Bereich der Atmosphä-re von Bedeutung sind.Meßvergleiche zwischen verschiedenenSpurengasdetektoren zur Absicherungder Zuverlässigkeit der flugzeuggetra-genen Messungen.

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Besonderes Augenmerk lag auf den Emis-sionen von Stickoxiden (NOx), da Modell-simulationen vorhersagen, daß sie dieNOx-Konzentration im Bereich der nord-atlantischen Flugrouten im Mittel verdop-peln können und dadurch ein Anstieg derOzonkonzentration bewirkt werdenkann.

Die Abbildung oben zeigt eine Compu-tersimulation der globalen Verteilung derStickoxide aus dem Flugverkehr in deroberen Troposphäre mit dem am Institutfür Physik der Atmosphäre betriebenenZirkulationsmodell ECHAM und darin ein-gezeichnet das POLINAT-Meßgebiet. Dar-gestellt ist eine mittlere NOx-Verteilungfür den Meßzeitraum. Man erkennt einedeutliche Erhöhung der NOx-Konzentra-tionen über dem Nordatlantik.

Als Einsatzflugplatz für die POLINAT-Mes-sungen wurde Shannon in Irland ausge-wählt. Von hier aus operierten die Meß-flugzeuge Falcon des DLR und DC-8 derNASA. Insgesamt 130 Wissenschaftlerund Techniker von europäischen undamerikanischen Forschungsgruppen wa-ren an den Messungen beteiligt. NebenShannon wurde die DC-8 auch von Ban-gor im US-Bundesstaat Maine und vonden Azoren aus eingesetzt. Die Flugzeu-ge waren mit mehrere Tonnen schwerenMeßgeräten zur Analyse von Spurenga-sen, Partikeln und anderen atmosphäri-schen Parametern ausgerüstet, die vonWissenschaftlern an Bord betrieben wurden.

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Um diese komplexe Instrumentierung derFalcon bei POLINAT einsetzen zu können,arbeiteten fünf Institute bei den Messun-gen zusammen: DLR-Institut für Physikder Atmosphäre, Max-Planck-Institut fürKernphysik, Fraunhofer-Institut für At-mosphärische Umweltforschung, Labora-toire de Meteorologie Dynamique desCNRS in Frankreich und die UniversitätMissouri-Rolla. Eingebunden in die Unter-suchungen war außerdem die Eidgenössi-sche Technische Hochschule in Zürich mitbegleitenden Messungen an Bord einerSwissair-B747. Bei 50 Linienflügen vonZürich über den Nordatlantik und zurückvon Mitte September bis Mitte November1997 wurde jeweils die NO-, NO2- undOzonverteilung gemessen.

Auf Grundlage der Meßstrategien, die imnationalen Verbundforschungsprojekt„Schadstoffe in der Luftfahrt” und denersten POLINAT-Meßkampagnen ent-wickelt worden waren, kamen folgendeFlugmuster zum Einsatz: Großräumige Flüge vom Zentrum desKorridors nach Norden und Süden zurVermessung von Breitenschnitten derSpurenstoffzusammensetzung, einschließ-lich Vertikalsondierungen bis in Höhenoberhalb des Flugkorridors an ausgewähl-ten Orten.

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Abb.: Stickoxid-Verteilung (Computersimula-tion) mit markiertem POLINAT-Meßgebiet.

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Kleinräumige Flüge quer zu den Haupt-flugrouten vor, während und nachdemder westwärts- oder ostwärts-gerichteteFlugverkehr eines Tages das Meßgebietdurchflogen hatte.Verfolgung eines speziellen Flugzeugesfür direkte Messungen im Abgasstrahl.Formationsflüge der Falcon und DC-8 miteinem horizontalen Abstand von wenigen100 Metern für Meßvergleiche.

Die Planung der Meßflüge erforderte um-fangreiches Vorhersagematerial. Über dasInternet waren täglich aktuelle Vorhersa-geprodukte europäischer und amerikani-scher Modellgruppen und Wetterdiensteverfügbar. Damit konnte die Herkunftund Vorgeschichte einer Luftmasse fürdas Meßgebiet am Tag vor dem Meßein-satz beurteilt werden, beispielsweise ihreAufenthaltszeit im Bereich des Flugkorri-dors. Erstmals standen neben meteorolo-gischen Vorhersagen auch Prognosen derSpurengasverteilung in der oberen Tro-posphäre zur Verfügung. Mit ihrer Hilfe

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konnte zum Beispiel eingeschätzt wer-den, in welcher Region Anreicherungenvon luftverkehrsbedingten NOx-Emissio-nen zu erwarten waren. Gerade die Su-che nach solchen Korridoreffekten warein Schwerpunkt der Meßkampagne.

Zur Durchführung der Messungen war ei-ne enge Abstimmung mit den Flugsiche-rungsstellen notwendig. Für die Meßflug-planung und für die spätere Analyse derDaten ist die Kenntnis der aktuellen Flug-bewegungen über dem Nordatlantik not-wendig. Alle 24 Stunden werden dieHauptflugrouten zwischen Europa undNordamerika neu festgelegt. Die Strek-kenführung orientiert sich dabei an derLage des sogenannten Strahlstroms, einem Band starker Westwinde in deroberen Troposphäre, wobei eine mini-male Flugzeit für den Nordatlantikverkehrangestrebt wird. Besondere Unterstüt-zung durch die Flugsicherung war beiden Meßflügen quer zu diesen Haupt-flugrouten und bei den Nachlaufmessun-

gen erforderlich. Solche Flüge sind imNormalbetrieb natürlich nicht möglich.

Insgesamt wurden mit der Falcon und derDC-8 jeweils 14 Meßeinsätze durchge-führt. Die Datenanalysen zeigen, daß dieMessungen sehr erfolgreich waren. Sokonnten mehrmals Gebiete vermessenwerden, in denen nach den chemischenVorhersagen Stickoxid-Emissionen (NOx)aus dem Flugverkehr großräumig ange-reichert sein sollten. Die gemessenenStickoxid-Konzentrationen in diesen Ge-bieten lagen tatsächlich etwa um denFaktor zwei bis drei über den mittlerenWerten in der oberen Troposphäre überdem Nordatlantik.

Dr. Hans Schlager, DLR-Institut für Physikder Atmosphäre, Oberpfaffenhofen.

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Das DLR-Forschungsflugzeug Falcon während der Meßkampagne.

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Das DLR-Zentrum fürLU

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Von Christoph Hassa, Hans-Gottfried Hungenberg und Richard Schodl

Die Umweltwirkung des auf längereSicht stark wachsenden Luftver-kehrs wird zu Recht von der Öf-

fentlichkeit aufmerksam beobachtet. Da-bei rufen die Abgas-Emissionen eine all-gemeine Besorgnis über den langfristigenEinfluß des Luftverkehrs auf das Klimahervor. Neuere Ergebnisse der Atmo-sphärenforschung deuten darauf hin, daßdie Wirkung des Stickoxids zwar wenigerauffällig sein wird als ursprünglich ange-nommen, daß aber Ruß und Schwefelver-bindungen im Abgas indirekt das Klimabeeinflussen können und daß der zuneh-mende Kohlendioxidausstoß – als direkteFolge des Brennstoffverbrauchs – bei an-haltendem Verkehrswachstum sorgsambeobachtet und bewertet werden muß.Für die Luftfahrtingenieure ergibt sichdaraus die Schlußfolgerung, vorhandeneVerbesserungspotentiale ökonomisch-ökologisch ausgewogen und zügig zu er-schließen.

Auf die sich daraus ergebende steigendeNachfrage der Industrie nach Werkzeu-gen für die Triebwerks-Entwicklung wur-den beim DLR-Institut für Antriebstechnikin Köln-Porz die Prüfstandskapazitätendurch den Bau eines Demonstrations-und eines Entwicklungsprüfstandes er-weitert. Somit konnte die Idee eines Zen-trums für Verbrennungsforschung ver-wirklicht werden, in dem Forscher und In-dustrie von ersten Ideen bis zum fertigenMarktprodukt Hand in Hand arbeitenkönnen.

Im Mittelpunkt der Anlage, die von derBundesregierung und der Triebwerks-und Gasturbinenindustrie finanziert wur-de, stehen die beiden GroßprüfständeHBK1 und HBK2, die als Entwicklungs-prüfstände von den industriellen Kundenaus dem Luftfahrt- und Kraftwerksbe-reich genutzt werden, sowie die als Ver-brennungslabor zusammengefaßten For-schungsprüfstände. Diese werden fürgrundlegende, jedoch sehr anwendungs-nahe Versuche eingesetzt:

zur Aufbereitung flüssiger Kraftstoffe imatmosphärischen Zerstäuberprüfstand;zur Verbrennungsstabilität von Luftfahrt-brennkammern bis 20 bar in einer op-tisch zugänglichen „Ein-Düsen-Sektor-Brennkammer“;

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zur Analyse der Kraftstoffvormischungund Verdampfung in einer optisch zu-gänglichen Meßstrecke bis 20 bar;zur Untersuchung der Schadstoffbildungin fett-mager-gestuften Brennkammern.

Ein weiteres Element des Zentrums für Ver-brennungsforschung ist der Demonstra-tionsprüfstand HBK3, der für die Konzept-erprobung und die Verifizierung der Prin-zipversuche unter Bedingungen, die derrealen Brennkammer sehr nahe kommen,eingesetzt wird. Mit 20 bar Brennkammer-druck und 850 Kelvin Vorwärmtemperaturkönnen alle für die Stickoxidemission wich-tigen Betriebsbereiche abgedeckt werden.Der Prüfstand wurde in Zusammenarbeitmit den Triebwerksfirmen eingerichtet. Erbietet vollen optischen Zugang durch eine„gläserne” Brennkammer in einem mitFenstern bestückten Druckgehäuse, dasden Einsatz moderner Lasermeßverfahrenunter realen Bedingungen ermöglicht. ImRahmen des Luftfahrtforschungspro-gramms untersucht das DLR zusammenmit BMW-Rolls Royce eine axial gestufteBrennkammer, mit der eine Schadstoffre-duktion auf 35 Prozent der bis 1996 gel-tenden Grenzwerte erreicht werden soll.

Ebenfalls im Rahmen des Luftfahrtfor-schungsprogramms wird mit der MTU-München untersucht, wie sich die Homo-

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Laser-Messung an einer Brennkammer.

genisierung der Mischung auf die Stick-oxid-Reduktion einer Brennkammer ohneBrennstoffstufung auswirkt. Hier ist dasZiel eine Reduktion der Stickoxide auf 40 Prozent der geltenden Grenzwerte.Ein weiterer wesentlicher Teil der An-strengungen des DLR in den Verbund-vorhaben mit den nationalen Triebwerks-firmen gilt der Entwicklung und Qualifi-zierung der Meßtechnik. Neben der Er-probung neuer Brennkammerkonzepte,deren Entwicklung sich weitgehend aufUntersuchungen in den Laborprüfständenstützt, dienen die im Demonstrationsprüf-stand gewonnenen experimentellen Da-ten auch dazu, die Vorhersagegenauig-keit bestehender Rechenmodelle für kom-plexe, praktische Brennkammerströmun-gen zu überprüfen und zu verbessern.

Optische Meßtechniken

Leistungsfähige optische Meßverfahrensind heute unabdingbare Voraussetzungfür die experimentelle Analyse der inBrennräumen ablaufenden physikalisch-chemischen Prozesse. Sie liefern die zumVerständnis und zur Beurteilung derkomplexen Vorgänge benötigten Daten.Durch Bündelung der meßtechnischenRessourcen und eigene Entwicklungen –das Institut für Verbrennungstechnikentwickelt spektroskopische Verfahren,

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Verbrennungsforschung

das Institut für Antriebstechnik partikel-gebundene Verfahren – stehen demDLR-Zentrum für Verbrennungsfor-schung heute nicht nur die modernstenMeßmethoden zur Verfügung, sondernauch das für die Bedienung dieser kom-plexen Verfahren erforderliche Fachper-sonal. Zum Einsatz kommen diese Ver-fahren vorwiegend am Demonstrations-prüfstand (der gläsernen Brennkammer)wie im Verbrennungslabor an den For-schungsprüfständen, bei deren Konzep-tion die optische Zugänglichkeit selbstbei hohen Betriebsdrücken sichergestelltwurde.

Die genauesten Meßverfahren sind diepunktuellen Verfahren, die allerdingsmeßzeitintensiv sind. Hierzu zählen dieLaser-Doppler-Anemometrie (LDA) zurGeschwindigkeitsmessung, das Phasen-Doppler-Anemometer (PDA) zur simulta-nen Messung von Partikelgrößen und Ge-schwindigkeiten, das Laser-Zwei-Fokus-Verfahren (L2F) ebenfalls zur Geschwin-digkeitsmessung und das kohärente Anti-Stokes-Ramanstreuverfahren (CARS) zurTemperatur- und Konzentrationsmessung.Diese Verfahren erfassen die Meßgrößemomentan, so daß aus der Vielzahl derEinzelmessungen der Mittelwert derMeßgröße wie auch die Streuung ermit-telt wird.

Mit etwas geringerer Genauigkeit, aberdafür sehr viel schneller, arbeiten flächigeMeßverfahren, deren Entwicklung injüngster Zeit besonders intensiv vorange-trieben wurde und wird. Hierzu zählendas Verfahren auf Basis der laserinduzier-ten Fluoreszenz (LIF) zur Temperatur- undSpezieskonzentrationsmessung, das laser-induzierte Inkandeszenz-Verfahren (LII)zur Rußkonzentrationsmessung, die par-tikelgebundenen Verfahren zur Volumen-konzentrationsmessung, das Doppler-Global-Verfahren (DGV) zur Drei Kompo-nenten-Geschwindigkeitsmessung unddas Lichtschnittverfahren zur quantita-tiven Konzentrationsmessung.

Das erst kürzlich entwickelte DGV-Verfah-ren nutzt das an einem Partikelensemblegestreute Licht eines Laserstrahls, um mitHilfe des Dopplereffektes die Strömungs-geschwindigkeit nach Betrag und Rich-tung zu ermitteln. Der besondere Vorteildes Meßsystems liegt in der Schnelligkeit:Meßaufnahme, Verarbeitung der Kame-rabilder und Ergebnisdarstellung erfolgenin weniger als einer Minute. Als eine derersten Anwendungen dieser DGV-Meß-technik wurde das Strömungsfeld einerKraftstoffzerstäuberdüse für Brennkam-mern von Strahltriebwerken untersucht.Als weitere Demonstration der Leistungs-fähigkeit dieser neuen Meßtechnik wurde

Dr. Christoph Hassa, Hans-Gottfried Hungen-berg und Dr. Richard Schodl, DLR-Institut fürAntriebstechnik, Köln-Porz.

die Nachlaufströmung hinter einem Pkw-Modell im Windkanal gemessen. Konse-quenz dieser erfolgreichen Demonstratio-nen war der Aufbau einer Dienstleistungs-gruppe im Rahmen eines Technologie-transferprojektes mit den Zielen, ein mobiles DGV-Meßsystem für externeEinsätze aufzubauen, Meßkampagnendurchzuführen und Kunden zu beraten.

Das Lichtschnittverfahren, das für dieAnalyse von Mischungsprozessen einge-setzt wird, arbeitet wie das DGV-Verfah-ren auf der Basis der Lichtstreuung anPartikeln. Partikel werden einem der bei-den sich mischenden Stoffströme zuge-geben. Die im Lichtschnitt beobachtbareLichtintensität ist ein Maß für die Sekun-därluftkonzentration in der Hauptströ-mung. Die mit dem Lichtschnittverfahrendurchgeführte Konzentrationsmessung ineiner fett-mager-gestuften Brennkammer,bei der durch schnelle und intensive Mi-schung ein möglichst abrupter Übergangvon fetter brennstoffreicher Strömungauf magere Strömung mit Luftüberschußerreicht werden soll, um Schadstoffbil-dung zu minimieren, konnte die Qualitätder schnellen Mischung sehr schön auf-zeigen.

Zusammen mit den Ergebnissen der an-deren Verfahren erhält man einen wert-vollen Einblick in die Strömungsstruktu-ren und Verbrennungsprozesse im unter-suchten Gebiet. Damit sind die meß-technischen Werkzeuge verfügbar, die zu dem notwendigen Fortschritt in derexperimentellen Verbrennungsforschungbeitragen werden.

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Die Raumfahrt liefert unverzichtbare Informationen für die Umweltforschung: von der Analyse globaler Probleme wie des Ozonlochs bis zur Nutzung von Satellitendaten in regionalen Naturschutz-projekten. Das DLR entwickelt und baut hierzu Sensoren, bereitet aussagekräftige Bildprodukte auf und stellt diese Nutzern aus aller Welt für die verschiedensten Anwendungen zur Verfügung.

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Umweltbeobachtungen im natioVon Hans-Peter Lüttenberg und Klaus-Dieter Rockwitz

Innerhalb des nationalen Förderpro-gramms zur Raumfahrt hat die Fern-erkundung der Erde mit Satelliten ei-

nen Anteil von ca. 25 Prozent an den ins-gesamt zur Verfügung stehenden Mitteln.Neben der Entwicklung von Erd-beobachtungsinstrumenten und -missio-nen und dem Aufbau entsprechenderBodeneinrichtungen werden mit Mittelndieses Programms neue Fernerkundungs-verfahren und Auswertemethoden sowieneue Produkte entwickelt und ausge-wählte Nutzungsvorhaben als auch dieVorbereitung operationeller Anwendun-gen gefördert. Hierzu werden entspre-chende Aufträge erteilt und Zuwendun-gen vergeben.

Gemäß den politischen Vorgaben zieltdas Erderkundungsprogramm auf An-wendungsbereiche im privatwirtschaftli-chen Sektor, auf staatliche Aufgaben undauf Forschungsarbeiten.

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Die Förderung von Nutzungsvorhabenkonzentriert sich auf die Anwendung derDaten der im nationalen und im europäi-schen Rahmen entwickelten Instrumenteund Missionen und betrifft die folgenden Umweltthemen:Shuttle- und Priroda-Missionen MOMS:Daten für Umweltinformationssystemeund Anwendungen im Bergbau und inder Landwirtschaft;Shuttle-Experimente MAS und CRISTA:insbesondere Atmosphärenstudien zurOzon- und Klimaproblematik;X-SAR Shuttle-Missionen: Erfassung von Ölverschmutzungen derMeere, Meeresforschung, Landnutzungs-kartierung, Forstwirtschaft;PRARE auf der ESA-Mission ERS-2: geowissenschaftliche Anwendungen u.a. in erdbebengefährdeten Gebieten;SCIAMACHY, zum Mitflug auf der ESA-Mission ENVISAT geplant: Atmosphärenforschung, Ozon- und Klimaproblematik. ESA-Missionen ERS-1 und ERS-2: Klima- und Meeresforschung, Landnut-zungskartierung, Regenwaldkartierung,Ozonmonitoring (nur ERS-2), Hochwas-serstudien u.a.

Die im folgenden kurz vorgestellten För-dervorhaben sind Beispiele für den um-weltbezogenen Einsatz von Fernerkun-dungsdaten in regionalen Anwendungs-bereichen.

Das Projekt KORAL: ein Beispiel für Satel-litenfernerkundung in hochwassergefähr-deten Gebieten. Mit Hilfe von ERS-Radar-Daten – zusammen mit konventionellenDaten – soll die Landnutzungskartierunghochwassergefährdeter Gebiete am Bei-spiel des Oberrheingrabens mit wenigZeitaufwand aktualisiert werden. Nebender Beurteilung des Zustandes des Gebie-tes vor und nach einer Überflutung selbstsoll auch die damit verbundene Durch-feuchtung der oberflächennahen Boden-schichten untersucht werden. Darüberhinaus ist die Dokumentation von Verän-derungen der Bodenbedeckung im Zu-sammenhang mit der Renaturierung derFlächen durch sogenannte „ökologischeFlutungen“ von Interesse, die in unregel-mäßigen Abständen zur Wiederherstel-lung der ursprünglichen Fauna und Flora

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Die saudi-arabische Wüste, aufgenommen von der MOMS-Kamera an Bord der Raum-station MIR. Die roten Kreise zeigen bewässerte Vegetation an.

nalen Erderkundungsprogramm

durchgeführt werden. Durch die automa-tische Aktualisierung der Kartierung desOberflächenzustandes mit Hilfe von ERS-Daten wird der bisher erforderliche Zeit-aufwand wesentlich reduziert.

Das Projekt EROSION: Entwicklung einerMethodik für ein Monitoringsystem zurErfassung von Erosionsprozessen mit Hilfeder Satellitenfernerkundung. Die durchmenschliche Aktivitäten verstärkte unddurch Wasser und Wind verursachte Ab-tragung von fruchtbarem Bodenmaterialstellt an vielen Stellen der Erde ein großesProblem dar. Die Erosion schreitet insbe-sondere durch gesteigerte Bodenbewirt-schaftung, unangemessene Bodenbear-beitung und Bergbautätigkeit weiter vor-an. Die Folgen sind der Verlust wertvollerAnbauflächen, die Belastung der Ober-flächengewässer bis hin zur Zerstörungvon Landschaften. Bodenzustandskartie-rung und Langzeitbeobachtung (Monito-ring) dieser Prozesse sind wichtige Vor-aussetzungen für die angestrebte nach-haltige Landnutzung und zur Ableitungvon erosionsrelevanten Parametern.

Das Projekt TSCHERNOBYL: Langzeitüber-wachung von Strahlungsschäden inTschernobyl, ein Projekt zur Überwa-chung technogen verursachter Umwelt-veränderungen. Durch die Reaktorkata-strophe von Tschernobyl am 26. April1986 wurden bekanntlich weit über dieübliche anthropogene Belastung hinaus-gehend zusätzliche toxische Stoffe in Böden, Vegetation und Grundwasser ein-geleitet. Das Langzeit-Verhalten solcherKontaminationen, insbesondere von 137Caesium, ist weitgehend unbekannt. DieGefährdung der Ernährungsgrundlage fürdie Bevölkerung im Einzugsgebiet desPripjat/Dnepr erfordert eine Langzeit-Überwachung (Monitoring) dieser Pro-zesse. Im Rahmen des Projektes wurde eine Methode zur Erkennung und Bewer-tung radioaktiver Bodenkontaminationdurch Spektralanalyse mittels Satelliten-daten über Bio-Indikatoren entwickelt.Damit wurden hier am Beispiel des Ge-bietes Tschernobyl methodische Grundla-gen für ein neuartiges Umweltüberwa-chungssystem geschaffen.

Wesentlicher Meilenstein bei der Gestal-tung des künftigen Erderkundungs-programms wird die Erstellung eines integrierten Raumfahrtprogramms sein,das die verschiedenen Anstrengungen imRahmen des nationalen Förderpro-gramms, des ESA-Programms, des 5. Rahmenprogramms der EU sowie desDLR-internen FuE-Programms bündelnund so zu einem abgestimmten und effi-zienten Einsatz der vorhandenen Mittelzum Nutzen der Anwender in den vielfäl-tigen Anwendungsbereichen und insbe-sondere der Umweltbeobachtung führensoll.

Dr. Hans-Peter Lüttenberg und Dr. Klaus-Dieter Rockwitz, DLR-Raumfahrtmanage-ment, Bonn-Oberkassel.

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GLOBALES MONITORING

Von Michael Bittner und Stefan Dech

Wir wissen heute, daß sichwährend der zurückliegendenDekaden der Ozongehalt der

Atmosphäre mit Ausnahme der tropi-schen Breiten in allen Regionen deutlichvermindert hat. Da das Ozon neben sei-ner Eigenschaft als Schutzschild vor derbiologisch schädigenden ultraviolettenStrahlung der Sonne auch klimawirksamist, denn die Absorption energiereichersolarer UV-Strahlung durch Ozon be-stimmt wesentlich die vertikale Tempera-turstruktur der Atmosphäre mit, sindsorgfältige und auf lange Zeit angelegteMessungen der globalen atmosphäri-schen Ozonverteilung erforderlich, umz.B. die Entwicklung von Ozontrends zuverfolgen.

Der 8. Februar 1998: Ein ausgedehntesGebiet mit vergleichsweise geringer Ozon-säulendichte liegt an diesem Tag vor derWestküste Europas und zieht rasch ost-wärts. Die mit dem Durchzug des „Ozon-Tiefs“ verbundene Erhöhung der boden-nahen UV-Strahlungsintensität zur Mit-tagszeit und bei wolkenlosem Himmelliegt bei etwa 30 Prozent. Die globaleAnsicht, die nur ein Satellit liefern kann,weist darauf hin, daß die ozonabgerei-cherten Luftmassen aus niedrigeren geo-graphischen Breiten in höhere Breitentransportiert wurden.

Ein Beitrag, den Europa in diesem Zusam-menhang leistet, ist das Global OzoneMonitoring Experiment (GOME), das sichseit April 1995 an Bord des europäischenErderkundungssatelliten ERS-2 auf einerpolaren Erdumlaufbahn befindet unddessen Daten operationell am DeutschenFernerkundungsdatenzentrum (DFD) des

Darstellung der Ozonschicht auf Basis vonGOME-Daten (14.10.1998). Violett, lila undblau stehen für eine geringe Ozonkonzen-tration.

DLR, im nationalen und im Auftrag derESA routinemäßig ausgewertet und be-reitgestellt werden. Mit der Entwicklungund Bereitstellung konkreter und aufdie individuellen Bedürfnisse vonAnwendern abgestimmten GO-ME-Datenprodukte trägt dasDFD zu Untersuchungen einerganzen Reihe konkreter Fra-gestellungen aus den Be-reichen der Wissenschaft,des Umweltschutzes,der Wirtschaft und derallgemeinen Lebens-qualität bei.

Die Frage beispiels-weise, wie sich un-sere Atmosphäre inden kommendenJahren und Jahr-zehnten verändernwird, kann – wennüberhaupt – nurmit Hilfe von Com-putermodellen be-antwortet werden.Kein Rechner dieserErde ist jedoch der-zeit imstande, alle in-einandergreifendenatmosphärischen che-mischen, dynamischenund energetischen Pro-zesse im Detail simultannachzustellen. Als Konse-quenz beinhalten alle dieseModelle mehr oder wenigerstarke Parametrisierungen dereinzelnen Prozesse. Modelle müs-sen daher ständig validiert werden.Das DFD beteiligt sich hier maßgeblichmit an der Validierung solcher Modelledurch die Verwendung von GOME-Daten.

Eine andere Fragestellung betrifft dieQualität der mittelfristigen Wettervorher-sage. Ozon absorbiert energiereiche kurz-wellige solare Strahlung und gibt Energie

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DER OZONSCHICHT

in Form von Wärme an die umgebendeAtmosphäre ab. Diese Prozesse wirken

sich auf das Wettergeschehen aus. DasDFD stellt daher den Wetterdiensten

tagesaktuelle Informationen überden Ozonhaushalt der Atmos-

phäre zur Verfügung. Hierschließt sofort ein anderes

Themengebiet an: Ozon fil-tert solare UV-Strahlung.Tagesaktuelle Informatio-nen mit hoher räum-licher Auflösung (etwa40 Kilometer mal 40Kilometer) über Eu-ropa und weltweitwerden vom DFDvia Internet zurVerfügung gestellt(http://auc.dfd.dlr.de/GOME/prod-ucts/index.html).Sie dienen als we-sentliche Informa-tionsquelle fürUmwelt- und Ge-sundheitsbehördenzur Abschätzung

von Gesundheitsrisi-ken und werden ins-

besondere den Medi-en zur Verbreitung

z.B. im Rahmen vonWetterberichten zur Ver-

fügung gestellt. Sie die-nen auch der chemischen

Industrie als wichtige Infor-mationsquelle zur Entwicklung

von Lichtschutzmitteln für Kos-metika und Materialbeschichtun-

gen und stellen eine wertvolle Infor-mation für die Agrar- und Fischereiwirt-

schaft dar, da UV-Strahlung Ernteerträgeund die Fischpopulation beeinträchtigenkann.

In letzter Zeit setzt sich immer mehr dieErkenntnis durch, daß die Atmosphäreund im besonderen die Verteilung des

150 250Dobson Units

350

Ozons dynamisch bedingt hochgradigvariabel ist auch auf kleineren Skalen. Einprominentes Beispiel hierfür sind die so-genannten „Streamer“. Hierbei handeltes sich um fingerförmige Ausläufer, diez.B. aus äquatorialen bis hinauf zu ge-mässigteren geographischen Breiten rei-chen und in deren Folge Luftmassen ab-gereicherten Ozons immer wieder auchbis nach Europa hinein transportiert wer-den. Solche Strukturen sind variabel aufZeitskalen von nur wenigen Tagen undkönnen so eine erhebliche Erhöhung z.B.der den Boden erreichenden biologischschädigenden solaren UV-Strahlung voneinem Tag auf den anderen bedingen.Insbesondere mit Hilfe des Atmosphären-sensors SCIAMACHY, der ab dem Jahr2000 auf dem europäischen ENVISAT-1-Satelliten der ESA die globale Vermes-sung unter anderem von Ozon sehr vieldetaillierter fortführen soll, wird es gelin-gen, derartige Phänomene sorgfältiger zuidentifizieren und die Bevölkerung früh-zeitig vor dem Herannahen solcher ozon-abgereicherter Luftmassen, besonders imSommer, zu warnen. In Zusammenarbeitmit dem Deutschen Wetterdienst, demUmweltbundesamt und dem Bundesamtfür Strahlenschutz sowie weiteren Part-nern aus Spanien (INTA), Österreich (Um-weltbundesamt) und Griechenland (Uni-versität Thessaloniki) bearbeitet das DFDderzeit ein entsprechendes EU-For-schungsprojekt (STREAMER) vor.

Dr. Michael Bittner und Dr. Stefan Dech,Deutsches Fernerkundungsdatenzentrumdes DLR, Oberpfaffenhofen

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TVon Günter Strunz, Ivonne Güls, Stefan Dech und Rolf Helfrich

Naturschutz per

Abb.: Der Ausschnitt zeigt eine kombinierteDarstellung der aus Fernerkundungsdatenabgeleiteten Landnutzung mit den Brutge-bieten des Großen Brachvogels im Landkreis Dillingen a.d. Donau. Aus derartigen Kartenkönnen gezielte Maßnahmen entwickelt wer-den, um beispielsweise in den Brutgebieten(schraffierte Flächen) den Grünlandanteil (grü-ne Flächen) gegenüber dem Anteil an Acker-standorten (orangene Flächen) zu erhaltenbzw. zu verbessern.

Die zunehmende Belastung von At-mosphäre, Ozeanen, Süßwasserund Böden mit Schadstoffen, die

Zerstörung großflächiger naturnaherÖkosysteme sowie die immer größereZahl von Arten in den Roten Listen ma-chen deutlich, wie wichtig ein nachhalti-ger Naturschutz ist. Ein Werkzeug zurRealisierung eines flächendeckendenSchutzes der biotischen und abiotischenNaturgüter ist das Arten- und Biotop-schutzprogramm (ABSP) Bayern. Das Pro-gramm beinhaltet ein umfassendes Sy-stem von Zielen und Maßnahmen für denBiotop- und Artenschutz. Es wird land-

kreisweise in Form von Texten und Kartenausgearbeitet und stellt eine wichtigeGrundlage für die naturschutzfachlicheArbeit der unteren Naturschutzbehördender Landkreise dar.

Die zentrale Datengrundlage für das ABSPbilden zwei Kartierungen: die Biotopkar-tierung mit mittlerweile ca. 100.000 Bio-topeinheiten sowie die Artenschutzkartie-rung, die derzeit über eine Million Arten-nachweise mit den dazugehörigen Lebensräumen umfaßt.

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Satell

Die Aktualität dieser Datengrundlage undeiner weiteren Vielzahl von Einzelinfor-mationen ist entscheidend für eine sinn-volle Naturschutzarbeit. Die meisten die-ser Informationen unterliegen einer ho-hen Dynamik. Durch die große Zahl dererfaßten Flächen ist jedoch eine regel-mäßige konventionelle Nachkartierung aller Gebiete nicht durchführbar.

Durch den Einsatz der Fernerkundung istes möglich, großflächig den aktuellen Zu-stand zu dokumentieren sowie Verände-rungen auf der Landoberfläche zu erken-nen und auf diese Weise ein „Monito-ring“ durchzuführen.

Das Deutsche Fernerkundungsdatenzen-trum des DLR untersucht in Zusammenar-beit mit dem Bayerischen Staatsministeri-um für Landesentwicklung und Umwelt-fragen in einem Pilotprojekt die Anwen-dungsmöglichkeiten von Fernerkun-dungsdaten im Naturschutz und derenIntegration in ein naturschutzfachlichesGeo-Informationssystem.

Einen primären Anwendungsbereich derFernerkundung stellt die Erfassung derLandnutzung dar. Auf diese Weise kön-nen dem Naturschutz in aktueller und de-taillierter Form flächendeckende Informa-tionen zur Verfügung gestellt werden. Eswerden hierfür vor allem Daten der Satel-liten Landsat und IRS-1C ausgewertet.Landsat-TM zeichnet Daten im Bereichdes sichtbaren Lichts, des nahen und fer-nen Infrarots in sieben Spektralkanälenauf. Die Bodenauflösung beträgt 30 mal30 Meter und reicht somit für die Beob-achtung von Biotopen mit einer Mindest-größe von ca. einem Hektar aus. Der in-dische Satellit IRS-1C besitzt zwei Senso-ren, einen multispektralen mit vier Spek-tralkanälen im sichtbaren Licht und Infra-rot bei einer Bodenauflösung von 23 mal23 Meter sowie entsprechend einen pan-chromatischen Sensor mit einer Auflö-sung von fünf mal fünf Meter.

Die genaue Kenntnis der Landnutzung isteine wesentliche Information für den Ar-tenschutz. Aus dem Wissen über die Ver-teilung von Ackerland und Grünland las-sen sich gezielte Maßnahmen z.B. fürden Schutz von wiesenbrütenden Vogel-arten ableiten, die einen hohen Anteilvon Grünland in ihrem Lebensraumbenötigen. Derartige Auswertungen wur-den bereits in die aktuellen Arbeiten desABSP übernommen.

Einen weiteren Anwendungsbereich derFernerkundung stellt die Dokumentationvon Veränderungen in den naturschutz-relevanten Flächen dar. Für ein solchesBiotop-Monitoring werden Satellitenda-ten von mindestens zwei unterschiedli-chen Aufnahmezeitpunkten eingesetzt.Durch Berechnung von spezifischen Indi-zes aus den Satellitendaten können ver-schiedene Veränderungen in den Schutz-gebieten automatisch aufgedeckt undentsprechend ihrer Größenordnung undRelevanz bewertet werden. Die Untersu-chungen zeigen, daß sich mit Hilfe derentwickelten Methoden verschiedeneVeränderungen in Biotopen dokumentie-ren lassen. Beispielsweise konnten Ein-griffe wie die Mahd einer geschütztenRöhrichtfläche oder die Verbuschung ei-ner Biotopfläche aufgedeckt und durchVor-Ort-Kontrollen bestätigt werden.Weitere Verbesserungen des Verfahrenserfolgen derzeit in enger Abstimmungmit den Fachleuten aus den Naturschutz-behörden.

Das langfristige Ziel dieses Projektes istes, die hier untersuchten Verfahren so-weit zu entwickeln und zu automatisie-ren, daß sie operationell in der Praxis desNaturschutzes eingesetzt werden undauch in anderen Regionen zur Anwen-dung gelangen können.

Dr. Günter Strunz, Ivonne Güls, Dr. StefanDech, Deutsches Fernerkundungsdatenzen-trum DLR, Oberpfaffenhofen.Dr. Rolf Helfrich, Bayerisches Staatsministeriumfür Landesentwicklung und Umweltfragen,München.

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Viele aktive bzw. bereits stillgelegteBraunkohlentagebaue im OstenDeutschlands befinden sich in ei-

nem nicht rekultivierten Zustand. Durchihre enorme Größe (Ausdehnung meistgrößer als 10 km2) und ihre Lage in zumTeil bevölkerungsreichen Gebieten – wieetwa dem Ballungsraum Leipzig-Halle –sind umfangreiche Maßnahmen zur Re-kultivierung und Wiedernutzbarmachungerforderlich. Zur Planung und Durch-führung entsprechender Maßnahmen isteine präzise Dokumentation der bisheri-gen Verfüllungen und der von ihnen ein-genommenen Flächen notwendig.

Hierzu sollen neuentwickelte Methodender Fernerkundung einen qualitativenund quantitativen Beitrag leisten. Dies istdas Ziel eines Forschungsprojektes, indem neben dem DLR das GeoForschungs-Zentrum (GFZ) in Potsdam, das Umwelt-forschungszentrum Leipzig-Halle (UFZ) inHalle sowie die Gesellschaft für Ange-wandte Fernerkundung (GAF) in Mün-chen beteiligt sind. Es wurden für gezieltfestgelegte Testgebiete im mitteldeut-schen Braunkohlerevier bei Leipzig Fer-nerkundungsdaten aus drei Ebenen erho-ben: feldspektrometrisch, flugzeugge-stützt (hyperspektral, thermal) und satelli-tengestützt (multispektral). Proben ausden Tagebauen wurden auf geochemi-sche, physikalische und mineralogischeParameter sowie laborspektrometrisch untersucht. Da-durch war eine genaue Kalibrierung derFernerkundungsdaten möglich.

Die Aufnahmen erfolgten mit dem abbil-denden Spektrometer DAIS 791 5 (Digital Airborne Imaging Spectrometer).Dieses Instrument zeichnet die von derErdoberfläche reflektierte und emittierteelektromagnetische Strahlung in 79 Ka-nälen vom Sichtbaren bis in das thermi-sche Infrarot auf. Der Verlauf diesesSpektrums liefert Informationen über dieZusammensetzung der Oberfläche.

Bisher vorliegende Ergebnisse zeigen, daßmit Hilfe der Fernerkundungsdaten eineflächenhafte Kartierung einzelner Mine-ralverteilungen möglich ist. Dabei kommtder quantitativen Bestimmung von Quarz-und Tonmineralgehalten eine große Be-deutung zu, da diese für die Stabilität dersteil aufgeschütteten Abraumkippen einewichtige Rolle spielen. Ohne detaillierteKenntnisse hinsichtlich Belastbarkeit desUntergrundes ist aber eine spätere Rekul-tivierung des gesamten Areals gefährdet.

Daten für die Rekultivierung

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SIBERIA ist ein internationales Projektmit Partnern aus acht Nationen, dasRadardaten der europäischen Satelli-

ten ERS-1 und ERS-2 und des japanischenJERS-1 auswertet, um die sibirischen Wäl-der zur Unterstützung einer neuen russi-schen Forstinventur zu kartieren und umwissenschaftliche Fragestellungen zuWaldökosystemen zu untersuchen. DasUntersuchungsgebiet liegt zwischen demJenissej und dem Baikalsee und umfaßtrund 1,2 Millionen Quadratkilometer, ei-ne Fläche, die mehr als dreimal so großist wie die Bundesrepublik Deutschland.Darüber hinaus befaßt sich ein zweites,nationales Projekt gleichen Namens spezi-ell mit klimarelevanten Fragestellungenentlang des Jenissej.

Radarfernerkundung ist ein bedeutendesWerkzeug zur Beobachtung, Untersu-chung und Kartierung von Waldökosyste-men geworden. Bis zum Herbst 1997konnten keine Radardaten von Sibirienaufgenommen werden, da dort eine

WALDKARVon Christiane Schmullius, And

Da die sibirischen Wälder zu den größtenzusammenhängenden Waldgebieten derErde gehören, sind sie von weltweiter Be-deutung für das Klima. Sie stellen ca. 20Prozent der gesamten Wälder der Erdeund ca. 50 Prozent des Weltbestandes anNadelwäldern dar. Dieses auf der Welteinmalige Ökosystem hat sich an die ex-tremen Klima- und Bodenverhältnisse an-gepaßt. Einflußnehmende Faktoren mitteils erheblichem Ausmaß sind sowohlnatürlich verursachte Brände und Schäd-lingsbefall als auch durch Menschen ver-ursachte Umweltbelastungen wie Luft-schadstoffe der Industriebetriebe oder Erdöl, das bei der Förderung in Bödenund Gewässer gelangt.

Die aktuelle politische und wirtschaftlicheSituation Rußlands, dessen Staatsgebietden größten Teil der sibirischen Waldzoneumfaßt, verzögert derzeit noch die Nut-zung der sibirischen Holzressourcen. Dieswird sich vermutlich in den nächstenJahrzehnten ändern. Die Kartierung der

TIERUNG INrea Holz und Jan Vietmeier

ten bilden und einen Beitrag zur ange-strebten Erstellung eines operationellenPlanungsinstrumentes für die forstlicheNutzung und sinnvolle strukturelle Ent-wicklung dieser Region leisten.

Mit Hilfe der sogenannten Radar-Inter-ferometrie (basierend auf den ERS-1/-2Tandem-Daten) werden digitale Höhen-modelle der untersuchten Gebiete er-stellt. Außerdem sollen die Daten dazuverwendet werden, um Laub- und Nadel-wälder zu unterscheiden. Auch die Be-stimmung der Dichte der Wälder und ih-rer Biomasse wird angestrebt. Aus diesenvielfältigen Informationen sollen themen-bezogene Karten erstellt werden: zuLandnutzung und Forstarten, Verteilungder Wald-Altersklassen und Holzressour-cen, Trocken- und Feuchtgebieten oderabgebrannten und abgeholzten Gebie-ten. Solche thematischen Karten bildeneine wichtige Informationsquelle. So die-nen sie Politikern und der Holzindustrieals Planungsgrundlage, Forstfachleuten

SIBIRIEN

Empfangsstation fehlte. Seit der Einrich-tung einer mobilen Empfangsstation durchdas DLR in der mongolischen HauptstadtUlan Bator ist diese Lücke geschlossenworden. Im September und Oktober1997 sowie im Frühjahr 1998 erfolgtenflächendeckend sogenannte Tandem-Auf-nahmen von ERS-1 und ERS-2. Zusätzlichwurden die Daten des japanischen Radar-satelliten JERS-1 aufgezeichnet. Die abbil-denden Radarinstrumente dieser drei Sa-telliten sind in der Lage, unabhängig vonTageszeit und Bewölkung Aufnahmenvon der Erdoberfläche zu machen.

mit der Erschließung verbundenen Verän-derungen ist daher von zentraler Bedeu-tung für die russische Forstinventur. Des-weiteren konzentriert sich großes Interes-se auf die Rolle der sibirischen Wälder in bezug auf den globalen Kohlenstoff-zyklus, der hinsichtlich der globalen Kli-maänderung eine bedeutende Rollespielt.

Die sibirischen Wälder sind eine entlege-ne und schwer zugängliche Region derErde, über die nur wenige zuverlässigeund aktuelle Daten vorhanden sind. DieSatelliten-Fernerkundung bietet einzigar-tige Möglichkeiten zur Erfassung diesesWaldgebiets. Die wissenschaftlichen Er-kenntnisse aus dem Projekt SIBERIA sol-len die Grundlage für zukünftige, groß-flächige Auswertungen von Satellitenda-

zur Waldbrandbekämpfung und Umset-zung einer nachhaltigen Nutzung, Öko-logen und Umweltschutzverbänden zurFestlegung schützenswerter und bedroh-ter Gebiete und Klimaforschern, um Kli-mamodelle weiter zu verbessern.

Dr. Christiane Schmullius, Andrea Holz undJan Vietmeier, DLR-Institut für Hochfre-quenztechnik, Oberpfaffenhofen.

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Überlagerung von ERS-1/ERS-2 Bildern vomOktober 1997 (blau-grün) mit einem JERS- Bildvom Juli 1997 (rot). Der Fluß Kas durchfließtdas Gebiet, das hier 100 mal 100 km umfaßt.

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RAUM

FAHR

T

DAS PROJEKT GL BE

GLOBE (Global Learning andObservations to Benefit theEnvironment) ist ein inter-nationales Programm, das Bildung und Forschung imBereich Umwelt miteinanderverknüpft. Schulen in derganzen Welt bilden ein dich-tes Meßnetz zur Erhebungausgewählter Parameter ausallen wichtigen Umwelt-bereichen. Sie werden vonWissenschaftlern zur Beob-achtung globaler Verände-rungen herangezogen undbei Forschungsprojekten eingesetzt.

Von Roswitha Grümann

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RAUM

FAHR

T

GL BE

Weltweit beteiligen sich rund

5.000 Schulen in über 73 Län-dern an GLOBE. 159 deutsche

Schulen nehmen bislang am GLOBE-Pro-gramm teil. Über das Meßprogramm hin-aus bietet GLOBE den Rahmen und dieInfrastruktur zur Durchführung bildungs-orientierter und wissenschaftlicher Akti-vitäten und Projekte sowie für Koopera-tionen im In- und Ausland.

Das internationale GLOBE-Programmgeht auf eine Initiative des amerikani-schen Vizepräsidenten Al Gore zurück. Im April 1995 wurde zum 25. Earth DayGLOBE in den USA gestartet.

Schulen in der ganzen Welt bestimmenregelmäßig umweltbezogene Daten imNahbereich ihrer Schule. Diese werdenüber Internet in eine zentrale Datenbankin Boulder, Colorado eingespeist. Dortwerden sie gesammelt, prozessiert undvisualisiert. Alle Meßwerte sind öffentlichüber Internet zugänglich und können vonSchulen, Wissenschaftlern oder anderenInteressierten abgerufen werden. Wissen-schaftler verwenden sie für ihre For-schungsarbeit. Die Auswertung und Inter-pretation der mit Hilfe von GLOBE erho-benen Daten soll helfen, die Prozesse des„Systems Erde” besser zu verstehen, glo-bale Änderungen nachzuvollziehen undzukünftige Änderungen vorauszusehen.Das Umweltbewußtsein der nachfolgen-den Generation, insbesondere die Ein-sicht in globale Zusammenhänge solldurch ihren eigenen Beitrag zur globalenUmweltbeobachtung und -forschung ge-stärkt werden. Ebenso sollen wissen-schaftliche Methoden erlernt und wissen-schaftliches Denken gefördert werden.Der Umgang mit dem Internet soll zu ei-ner selbstverständlichen Art der Kommu-nikation werden. Die Möglichkeiten die-ses Informationsmediums und seine richtige Verwendung werden mit demGLOBE-Programm demonstriert.

Das Meßprogramm umfaßt Parameteraus den Bereichen Atmosphäre, Hydro-

logie, Geologie und Biologie und wurdevor dem Start von GLOBE durch ein inter-nationales Team von Wissenschaftlernaus der Umweltforschung zusammen-gestellt. Diesem ursprünglichen Kern-programm werden neue Parameter aufAnforderung von Wissenschaftlern hinzu-gefügt.

Jeder von den Schulen übermittelte Meß-punkt wird orts- und zeitbezogen in einem Langzeitarchiv gespeichert, wel-ches öffentlich über Internet erreichbarist. Wissenschaftler können jederzeit fürihr Projekt oder Forschungsvorhaben Daten für beliebige Zeiträume in Formvon Diagrammen oder Listen elektronischabrufen.

GLOBE-Daten werden zum Beispiel alsBasis- und Verifikationsparameter für numerische Modelle verwendet. So setztdie Universität von New Hampshire dieseDaten für ein langfristiges Forschungs-projekt ein, dessen Ziel es ist, die primä-ren bio-geo-chemischen Zyklen der Erdezu verstehen. Es werden Modelle ent-wickelt, die den Transport von Kohlen-stoff, Schwefel, Stickstoff und Wasserzwischen Atmosphäre, Hydrosphäre undBiosphäre beschreiben.

Mit Hilfe von Schulen werden Daten desSatelliten Landsat überprüft und durchdie Informationen aus Bodenbeobachtun-gen ergänzt. Mittels eines einfachen Pro-gramms „lesen” Schüler die Informatio-nen aus den Landsat-Daten und bewer-ten diese durch Vergleich mit den eige-nen Beobachtungen. Wissenschaftler haben speziell für die Schüler genaue Anleitungen zur Erhebung der einzelnenParameter erstellt. Diese Anleitungen die-nen als Grundlage für die Messungen. Sie sollen aber auch die Datenqualitätund die Vergleichbarkeit der weltweit gemessenen Daten gewährleisten.

Am 8. Dezember 1995 wurde der Vertragmit dem GLOBE-Büro in Washington vomDLR für Deutschland als 29. Land unter-zeichnet. Damit übernahm das DLR Ver-antwortung für GLOBE in Deutschlandund ist nationaler Ansprechpartner. Die

Umsetzung des Programms erfolgt alsGemeinschaftsprojekt zwischen der Kul-tusministerkonferenz der Länder unddem DLR. Das Projekt ist in zwei unab-hängige Bereiche „Pädagogik“ und„Wissenschaft und Technik“ gegliedert.

Ein Schwerpunkt des GLOBE-Projektes inDeutschland ist die Spiegelung des zen-tralen Datenservers in USA (Eingabe, Ar-chivierung und Visualisierung) beim DLR.Ein regelmäßiger Abgleich des Archivsmit dem internationalen Server stellt dengleichen Datenbestand sicher. Über denSpiegelserver haben deutsche Schulen ei-nen schnellen Zugang zum Archiv. Es bie-tet auch die Möglichkeit, für nationaleProjekte im Rahmen von GLOBE Daten-banken und entsprechende Eingabe-masken zu erstellen.

Hauptanliegen des DLR ist die Erweite-rung des wissenschaftlichen Programms,der Aufbau eines nationalen Wissen-schaftlerteams und die Intensivierung desKontakts zwischen Wissenschaftlern undSchulen. Zwölf Wissenschaftler verschie-dener Universitäten und Forschungsein-richtungen haben bislang die Mitarbeitund Unterstützung des GLOBE-Pro-gramms zugesagt. Das DLR bietet Unter-stützung im Bereich Fernerkundung undKlima/Atmosphäre. Ein erstes wissen-schaftliches Projekt mit GLOBE-Schulenhat die Universität Kiel (Institut für Bo-denkunde) initiiert. Die Schulen bestim-men den Humusgehalt des Oberbodensihrer Umgebung. GLOBE-Schulen helfen,hier eine Lücke zu schließen. Da die Be-stimmungen jedes Jahr wiederholt wer-den, können auch langfristige Verände-rungen beobachtet werden.

Weitere Informationen zum GLOBE-Pro-gramm können über Internet abgerufenwerden.Infoserver: http://www.globe-germany.deSpiegelserver: http://mirror.globe-germany.de

Dr. Roswitha Grümann, DLR-Raumfahrt-betrieb, Köln-Porz.

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Im Dienste der Meeresforschung

Ärmelkanal und Themse-mündung. DieAufnahme von MOS vom 1. April 1997zeigt eindrucksvoll, daß sich Sediment-und Schadstoffeinträge von Flüssenüber hunderte Kilometer in die Meereausbreiten können.

Von Andreas Neumann und Gerhard Zimmermann

Die Erforschung des Zu-standes von Ozeanenund Küstengewässern

sowie deren räumlichen undzeitlichen Veränderungenstellt einen Schwerpunkt derangewandten Geowissen-schaften dar. Einen wesentli-chen Beitrag leistet hierbei dieFernerkundung, da sie als ein-zige Methode die globale wieauch die kleinräumige Erfas-sung und Kartierung meeres-biologisch, ökologisch und kli-matologisch wichtiger Kenn-größen für die Überwachungvon Gewässern gewährleistenkann. Dazu zählen beispiels-weise die Früherkennung vonaußergewöhnlichen Algenblü-ten, die Erfassung von Trans-portvorgängen in Auftriebs-gebieten sowie der globalenBiomasse und damit verbun-dener Stoffkreisläufe. Die Er-kundung und Überwachungdes biotischen Stoffkreislaufsist sowohl für das Verständnisdes Ökosystems Ozean, seineKopplung über verschiedeneAustauschprozesse an dieLandmassen und die Atmo-sphäre, als auch für die Ab-schätzung seiner Belastbarkeitund Nutzung, so zum Beispielfür den Fischfang, von großerBedeutung.

Zur Entwicklung neuer Me-thoden der Untersuchung sol-cher Vorgänge, speziell in Kü-stengebieten, wurde im DLR-Standort Berlin-Adlershof derModulare OptoelektronischeScanner „MOS” entwickeltund gebaut. Er ist das ersteabbildende Spektrometerweltweit, das für die Umwelt-erkundung vom Weltraum auszur Verfügung steht. Im Rah-

men des deutsch-indischenAbkommens zur wissenschaft-lich-technischen Zusammen-arbeit wurde MOS an Borddes FernerkundungssatellitenIRS-P3 am 21. März 1996 ineine sonnensynchrone, polareUmlaufbahn gebracht und ar-beitet seitdem störungsfrei imquasi-operationellen Betrieb.Täglich werden neun Umläufevon den gegenwärtig drei Bo-denstationen (DLR, ISRO, ESA)empfangen und bisher rund50.000 Szenen von jeweils400 Quadratkilometern pro-zessiert und über das DLR-Archiv der internationalenNutzergemeinschaft zur Ver-fügung gestellt. Eine weitereEmpfangsstation der NASA inden USA wird zur Zeit tech-nisch für den MOS-Empfangumgerüstet.

Mit dem abbildenden Spek-trometer MOS, das in 18schmalbandigen Spektral-kanälen von 400 Nanometerbis 1,6 Mikrometer mißt, ste-hen erstmals Fernerkundungs-daten vom Satelliten zur Ver-fügung, die qualitativ neueAuswertemethoden und An-wendungen in der Umwelter-kundung erschließen. Mit denwissenschaftlich-methodi-schen Arbeiten im DLR und inder internationalen Nutzerge-meinschaft wird auch ein Bei-trag für die Vorbereitung derESA-Umweltmission ENVISATgeleistet.

Dr. Andreas Neumann und Prof. Gerhard Zimmermann,DLR-Institut für Weltraumsensorik,Berlin-Adlershof.

0 bs (550nm)[m-1] >12

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ENER

GIE

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Die Gewährleistung einer gesicherten Energieversorgung ist die Basis für eine wachsende Weltwirtschaft und den Wohlstand der Bevölkerung. Andererseits erfordern die mittelfristige Verknappung der fossilen

Rohstoffe und die Belastung der Atmosphäre durch Kohlendioxid und anderer Verbrennungsprodukte in zunehmendem Maße eine umwelt-

und klimaschonende Bereitstellung sowie eine möglichst sparsameund effiziente Nutzung der Energie. Zu vielen Bereichen

leistet das DLR wichtige Beiträge, von denen hier einige beispielhaft beschrieben werden.

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ENER

GIE

Ein so lares Langfr i s t -E in so lares Langfr i s t -

Die Energieversorgung spielt eineSchlüsselrolle bei der Gestaltungökologisch und sozial nachhaltiger

Entwicklungspfade. Die Industriestaatensind wegen ihres hohen Anteils am glo-balen Energieverbrauch und der darausresultierenden klimarelevanten Emissio-nen in besonderem Maße aufgerufen,entsprechende Strategien frühzeitig zuentwickeln und umzusetzen. Auch dieschwierigen Fragen der sozialen und öko-nomischen Akzeptanz sollten unter denWohlstandsbedingungen dieser Länderleichter lösbar sein als unter den Knapp-heitsbedingungen unterentwickelterWeltregionen. Für solche Nachhaltigkeits-strategien sind hohe Energieeffizienz und

die Erschließung regenerativer Energie-quellen unverzichtbar. Dabei kommt esbesonders auf ihre optimale und zeitlichabgestimmte Einpassung in die sich wan-delnde Energieversorgungsstruktur an.

Ausgangspunkt der Überlegungen zurNutzung von regenerativen Energie-quellen ist die Tatsache, daß in der Öko-sphäre natürlich vorhandene, unerschöpf-liche Energieströme der menschlichenNutzung zugeführt werden können. Damit sind die ökologischen Nachhaltig-keitskriterien erfüllbar. Die auf die Konti-nente eingestrahlte Energie, die Energienvon Wasser und Wind, die stetig nach-wachsende Biomasse und die geothermi-sche Energie bieten jährlich rund das3.000fache des derzeitigen Weltenergie-verbrauchs in Form unerschöpflicher

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Im Rahmen verschiedener Untersuchungen und Gutachten zur Gestaltung der zukünftigen Energiepolitik ist eine Datenbasis entstanden, die es erlaubt, ein detailliertes Szenario zur Entwicklung regenerativer Energiequellen zu entwerfen. Das Szenario konkretisiert einen konsistenten Ausbaupfad der Energiewirtschaft Deutschlands bis zum Jahr 2050 und zeigt,welche Beiträge rationelle Energieverwendung, Kraft-Wärme-Kopplung und regenerative Energiequellen leisten können, um die CO2-Emissionen auf das aus der Sicht des Klima-schutzes notwendige Niveau von 20 Prozent des heutigen Wertes zu reduzieren. Das Szenario dient als Orientierungsrahmen für weitere Diskussionen zum Ausbau und zur Förderung von regenerativen Energien.

Von Joachim Nitsch und Joachim Luther

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Szenar io für DeutschlandSzenar io für Deutschland

Energieströme an. Die technische Nut-zung nur einer dieser Energien kann alsodie Energiebedürfnisse der Menschheitauch bei noch steigendem Bedarf voll-ständig und auf Dauer befriedigen. Inzahlreichen aktuellen Zukunftsentwürfen(z.B. Shell 1995; WEC 1995) spielen da-her regenerative Energiequellen mit An-teilen zwischen 25 und 75 Prozent zurMitte des nächsten Jahrhunderts einezentrale Rolle.

Das in der Einleitung erwähnte Szenariogreift diese Vorstellungen für die deut-sche Energieversorgung auf. Es setzt inzeitlich sorgfältig abgestimmter Folge aufdie Möglichkeiten einer rationelleren

Energienutzung, des verstärkten Ausbausder Kraft-Wärme-Kopplung und des Zu-baus regenerativer Energietechniken. Dieim Vergleich zu heute etwa zweifacheWirtschaftsleistung des Jahres 2050 kanndanach mit lediglich 60 Prozent des der-zeitigen Energieverbrauchs gedeckt wer-den, die Kraft-Wärme-Kopplung trägt indiesem Szenario zu 25 Prozent zur Strom-versorgung bei. Regenerative Energienkönnten zu diesem Zeitpunkt rund 60Prozent des Energiebedarfs decken.Knapp 15 Prozent davon werden alsStrom aus solarthermischen und pho-tovoltaischen Kraftwerken importiert.Die energiebedingten CO2-Emissionensind zu diesem Zeitpunkt auf 20 Pro-zent des Wertes von 1990 gesunken.Damit sind die Vorgaben der Klimafor-scher an die CO2-Reduktionen in Indu-strieländern erfüllt.

Insbesondere die Stromversorgung er-fährt in diesem Szenario innerhalb dernächsten Jahrzehnte einen grundsätz-lichen Wandel, welcher durch das starkeAnwachsen vorwiegend kleiner Erzeu-gungseinheiten in der Kraft-Wärme-Kopplung und bei regenerativen Energie-quellen hervorgerufen wird. Überdies tra-gen stark schwankende Energieformenwie Wind und Solarstrom im Jahr 2030mit 20 Prozent und im Jahr 2050 mit 50Prozent zur Stromversorgung bei. Gang-linien des Strombedarfs und der einzel-nen Erzeugungstechniken, welche inStundenintervalle aufgelöst sind, zeigenzeitabhängig die resultierenden Anforde-rungen an die verbleibenden fossil ver-sorgten Kraftwerke. In Varianten wurdeder Einfluß veränderter Bedarfsprofile aufdie Stromerzeugungsstruktur ermittelt.

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Ein solares Langfrist-Szenario für DeutschlandEin solares Langfrist-Szenario für Deutschland

Wärme, Treibstoffe aus REG*

*Regenerative Energien

Strom aus REG

Kernenergie

Erdgas

100

END

ENER

GIE

, [EJ

/a]

10

Strom, Wärme, Treibstoff aus ...

8

6

4

2

0

80

67

58

1995 2010 2030 2050100

0,2841,6

550,273

7,0

330,265

25

260,236

58

Energieintensität (1995 = 100)CO2-Intensität (fossil, kg/kWh)Anteil solarer Endenergien (%)

100=9,2 EJ/a

Mineralöl

Kohle

Der Grund- und Mittellastbedarf anStrom im herkömmlichen Sinne (mehr als4.000 jährliche Vollaststunden) beträgt imJahr 2050 nur noch rund 10 Gigawatt(heute etwa 45 Gigawatt) und wirddurch Steinkohle gedeckt. Andererseitssind kurzzeitige Lastspitzen bis zu 40 Gigawatt abzudecken. Die verbleibende Leistung muß in einem zukünftigenKraftwerkspark des Jahres 2050 daheraus Einheiten bestehen, die in ihrer Regelbreite und in ihrer Regeldynamikhochvariabel sind, wenn regenerative Energien hohe Beiträge leisten sollen. Nur mittels gesetzlich vereinbarter Vor-rangregelungen für Kraft-Wärme-Kopp-lung und regenerative Energiequellendürfte in einem weitgehend liberalisiertenEnergiemarkt der Einstieg in eine derarti-ge Entwicklung möglich sein.

Der Umsetzung des Szenarios „Solare Energiewirtschaft” innerhalb der näch-sten 50 bis 60 Jahre stehen technisch kei-ne grundsätzlichen Hindernisse entgegen.Trotz erfreulich wachsender Marktchan-cen einzelner Technologien für regenera-tive Energiequellen (vor allem der Wind-energie) ist derzeit jedoch bei weitemnoch keine energiewirtschaftliche Dimension erreicht. Dieser „Einstieg”muß jedoch bis 2010 gelingen, damit regenerative Energiequellen rechtzeitigbedeutende Beiträge zur Energieversor-gung leisten können. Dazu müssen Ener-gie-, Umwelt- und Technologiepolitik national und europäisch Rahmenbedin-gungen und Instrumente so gestalten,daß die energiewirtschaftliche Entwick-lungsdynamik nicht abbricht und derMarkt für innovative Lösungen in denoben genannten Technologiebereichen

Dr. Joachim Nitsch, DLR-Institut für Technische Thermodynamik, StuttgartProf. Dr. Joachim Luther ist Direktor des Fraunhofer-Instituts für solare Energiesysteme, Freiburg.

rasch und dauerhaft wächst. Insbeson-dere eine deutliche, nach Techniken undEnergiearten differenzierte, zeitlich be-grenzte Anschubfinanzierung für re-generative Energiequellen und eine auf-kommensneutrale Steuer mit „ökologi-schen” Komponenten, welche die Preiseerschöpflicher bzw. umweltbelastenderEnergieträger stetig erhöht und so dievolkswirtschaftliche Attraktivität von Inve-stitionen in regenerative Energiequellenerheblich steigert, sind wirksame Instru-mente, um diesen Einstieg in Gang zubringen und ihm Dauerhaftigkeit zu verleihen.

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Fortschrittliche Energieversorgungam DLR-Standort Köln-PorzVon Werner Linnemann und Norbert Scholz

Aufgabe der Energieversorgung amStandort Köln-Porz ist es, die Insti-tute und Einrichtungen mit Strom

und Heizenergie zu versorgen. Eine be-sondere Herausforderung sind darüber-hinaus die Spitzenlasten der Versuchs-anlagen und Prüfstände, die das Mehr-fache der Normalversorgung ausmachenkönnen.

Anläßlich der Erneuerung der fast 30 Jah-re alten Heizwerk-Anlage wurde die bis-her separate Lieferung und Bewirtschaf-tung von elektrischer Energie, Heizener-gie und Energie für den Versuchsbetriebdurch ein integriertes Energieversor-gungskonzept ersetzt. Ergebnis sind erhebliche wirtschaftliche Vorteile unddeutliche Emissionsentlastungen.

Wesentliche Bausteine der neuen Ener-gieversorgung sind eine Hochdruckspei-cheranlage für Erdgas, das Blockheiz-kraftwerk (BHKW) für den Regelbedarfsowie die Spitzenlastkesselanlage.

Die Hochdruckspeicheranlage besteht aus100 Röhrenspeichern mit einem Volumenvon jeweils zwei Kubikmetern, in denenErdgas bei Drücken zwischen 150 und200 bar gelagert wird. Dieses entsprichteinem Gasvolumen der Anlage unter nor-malen Atmosphärenbedingungen von40.000 Kubikmetern – mehr als das Drei-fache der früheren Anlage. Reduziert aufeinen Druck von 100 bar kann damitheute die Energieversorgung der Ver-suchsanlagen sichergestellt werden. Nacheiner weiteren Reduzierung des Drucksauf fünf bar wird das Erdgas in besonde-ren Situationen auch zur Versorgung desBHKW verwendet, das normalerweiseüber das örtliche Erdgasnetz beliefertwird. Dieses erfolgt insbesondere im Win-ter bei erwarteten mittleren Tagestempe-raturen von Null Grad und darunter. Da-durch konnte, wegen der reduzierten Liefergarantien, mit dem Gasversorgungs-unternehmen ein Sondervertrag zu ganz-jährig günstigeren Preisen abgeschlossenwerden. Eine Tankstelle zur Versorgungbesonders umweltfreundlicher Fahrzeugemit Erdgas vervollständigt den Einsatz derHochdruckspeicheranlage.

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Die Entscheidung für ein Blockheizkraft-werk in der jetzt eingesetzten Konfigura-tion wurde getroffen auf der Basis typi-scher Tagesganglinien für den Wärme-und Strombedarf sowie sorgfältiger wirt-schaftlicher Vergleiche. Mit drei Modulenvon je 650 Kilowatt elektrischer Leistungbzw. 880 Kilowatt Heizleistung werden30 Prozent des elektrischen Grundlei-stungsbedarfs und über 50 Prozent desJahresstrombedarfs des Standortes Köln-Porz erbracht. Der thermische Leistungs-anteil beträgt ebenfalls ca. 30 Prozent,wodurch aber bereits 80 Prozent des Jahreswärmebedarfs abgedeckt werden.

Ein Warmwasserschichtspeicher mit einem Volumen von 90 Kubikmeterndient als Puffer und zur Verstetigung derKraftwerkslaufzeiten. Die für die Heizbe-darfsdeckung erforderlichen Lastspitzenwerden über eine Spitzenlastkesselanlagemit einer thermischen Gesamtleistungvon 12 Megawatt abgedeckt.

Beide Anlagen sind natürlich mit Moto-ren bzw. Brennern neuester Entwicklungausgestattet. Das BHKW wird ausschließ-lich mit Erdgas betrieben und arbeitet mitViertakt-Gas-Ottomotoren für Magerver-brennung mit Gemischaufbereitung,während die Spitzenlastkesselanlage

wahlweise mit Erdgas oder Öl betriebenwird und entsprechend mit vollautoma-tisch modulierenden Kombibrennern ausgestattet ist.

37 Prozent Primärenergie-Einsparung istdas stolze Ergebnis der Modernisierung.Aber über die wirtschaftlichen Einsparun-gen hinaus profitiert die Umwelt: Die inder TA-Luft genannten Emissionsgrenz-werte für Abgas werden sowohl für dasHeizwerk als auch für die BHKW-Anlageum 50 Prozent unterschritten. Die Emis-sionsentlastung durch das BHKW gegen-über der früheren Anlage beträgt jährlichfür Stickoxide (NOx) ca. eine Tonne, dasentspricht 26 Prozent, für Schwefeldioxid(SO2) ca. sechs Tonnen ( 95 Prozent) undfür Kohlendioxid (CO2) 3.500 Tonnen (59 Prozent).

Die Einsparung an Primärenergie entspricht einem Gegenwert von ca. 500.000 Normkubikmetern Erdgaspro Jahr oder der Heizleistung von ungefähr 400 Einfamilienhäusern.

Werner Linnemann, Technische Dienste, Anlagen- und Betriebstechnik,Norbert Scholz, Simulationsverfahren, DLR, Köln-Porz.

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ENER

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Von Horst-Henning Grotheer

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Mit dem im DLR entwickelten Spurengas-Meßgerät„Jet-REMPI” können erstmalig „Chloraromaten“,also Vorläufersubstanzen für die hochgiftigen Dioxine und Furane, in einer Verbrennungsanla-ge online, das heißt ohne Zeitverzug, gemessenwerden. Ziel der Entwicklung ist es, die Echt-zeitmeßwerte in einen Regelkreis des Ver-brennungsprozesses einzubeziehen und somitim Sinne des prozeßintegrierten Umwelt-schutzes die Entstehung schädlicher Sub-stanzen möglichst weitgehend zu vermei-den, anstatt sie mit aufwendigen Mittelnaus dem Abgas entfernen zu müssen. Eine erste Demonstration dieses Verfah-rens an der Müllverbrennungs-Testanla-ge des Forschungszentrums Karlsruheverlief erfolgreich.

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Grundgedanke des prozeßintegrier-ten Umweltschutzes ist es, bezo-gen auf diesen Fall, die Maßnah-

men zur Emissionsminderung an derQuelle der Schadstoffbildung anzusetzen– das heißt, aktiv Einfluß zu nehmen aufdie Verbrennungsführung im Sinne einerSchadstoffminimierung oder -vermei-dung. Man spricht daher von „head-end”-Techniken.

Im Gegensatz dazu stehen die konventio-nellen „end-of-the-pipe“-Techniken wieFilter, Wäscher oder Katalysatoren, alsonachgeschaltete Maßnahmen zur Reini-gung der Abgase; der eigentliche Prozeßbleibt dabei unbeeinflußt und es entste-hen erhebliche Zusatzkosten.

Die kontinuierliche dynamische Online-Prozeßkontrolle und eine nachgeschalteteRegelung sind Kernelemente des prozeß-integrierten Umweltschutzes. Das Pro-blem bei der Müllverbrennung bestandbisher darin, daß keine Meßtechnik zurVerfügung stand, die in der Lage war, diein äußerst geringer Konzentration – klei-ner als ein Molekül unter einer Billion an-derer Moleküle – vorliegenden Chloraro-maten aus einem sehr komplexen Sub-

stanzgemisch in einer sehr rauhen Umge-bung fast ohne Zeitverzug zu messen.Mit dem DLR-Jet-REMPI scheint nun derDurchbruch gelungen zu sein. An der Er-probungsanlage des ForschungszentrumsKarlsruhe wurde mit einem Pilotmeßgerätder Funktionsnachweis erbracht. Für dieBewährung im rauhen Alltag von Müll-verbrennungsanlagen sind jedoch weitereArbeiten erforderlich. Hier setzt die engeZusammenarbeit mit den Anlagenbetrei-bern einerseits und mit industriellenGeräteherstellern andererseits an.

Bei Müllverbrennungsanlagen wird pro-zeßintegrierter Umweltschutz in Deutsch-land noch recht wenig eingesetzt. EinGrund dafür ist, daß die erforderlichenOnline-Meßtechniken bei der Einführungder 17. Bundesimmissionsschutz-Verord-nung nicht verfügbar waren. Unter demDruck des Gesetzgebers und aus Mangelan ausreichend schnellen und empfindli-chen Analyseverfahren gab es für die Anlagenbetreiber zunächst nur die Mög-lichkeit, die strengen Auflagen durchnachgeschaltete Maßnahmen zu erfüllen.Als Folge geht heute bei Müllverbren-nungsanlagen jede zweite investierteMark in die Reinigungsanlagen. Zudemtragen deren Betriebskosten erheblich zuden Gesamtkosten bei. Da in Deutsch-

land die nachgeschalteten Maßnahmenbereits bestehen, sind hier die Chancenfür einen solchen Ansatz derzeit relativgering. Dagegen besteht ein erheblicherMarkt in USA und mehr noch in Japan.Entsprechende Kontakte werden geknüpft.

Wegen der Vielseitigkeit von DLR-Jet-REMPI sind über die Verbrennungsfragenhinaus zahlreiche andere Anwendungendenkbar, beispielsweise in der pharma-zeutischen Industrie oder der Medizin-technik.

Dr. Horst-Henning Grotheer, Co-Autor:Reinhold Thanner, DLR-Institut für Verbrennungstechnik, Stuttgart.

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ENER

GIE

Innovative Technologien zur Lösung

Solarchemie

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von Umwelt

Das Ziel der Solaren Chemie ist die Nutzung der Sonnen-strahlung zur Produktion von Kraftstoffen und Chemika-lien und zur Behandlung und Entgiftung von Abfallstof-

fen. Dabei sollen fossile Energieträger substituiert werden. Aufdem Weg, dieses Ziel zu erreichen, wird heute in nationalenund internationalen Kooperationen mit der Industrie und an-deren Forschungseinrichtungen Know-how aufgebaut. Auflange Sicht kommt der chemischen Speicherung und demTransport der Sonnenenergie große Bedeutung zu. In Zukunftkönnte ein solar erzeugter, chemischer Energieträger die Funk-tion des heute verwendeten Erdöls oder Erdgases übernehmen.

Von Karl-Heinz Funken, Barbara Milow, Lamark de Oliveira, Jürgen Ortner, Bettina Pohlmann, Martina Reichert, Christian Sattler

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problemen

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In der Solaren Chemie des DLR werden in Solare Reinigung von Abwasser

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ENER

GIE

kleinem Maßstab Technologien erprobt,um zu klären, ob mit Sonnenstrahlungbetriebene photokatalytische Verfahrenzur Lösung von Umweltproblemen beitra-gen können. Teures Kunstlicht, das mitHilfe von Lampen und elektrischem Stromerzeugt wird, soll dabei durch Sonnen-licht ersetzt werden. Aus der konventio-nellen Umwelttechnik sind Verfahren be-kannt, bei denen energiereiche Ultravio-lettstrahlung direkt zur Desinfektion oderauch zur Aktivierung von Oxidationsmit-teln dient. Dabei tragen die Ko-sten des elektrischen Stromsfür die UV-Lampen in be-stimmten Fällen zumehr als einem Drit-tel zu den Betriebs-kosten bei.

Bei den solarenVerfahren habenKatalysatoren dieAufgabe, neben dersolaren UV-Strah-lung insbesondereauch den weitaus grö-ßeren sichtbaren Teil derSonnenstrahlung für denphotochemischen Reinigungs-prozeß verfügbar zu machen. Die Son-nenstrahlung besteht im Gegensatz zudem Licht künstlicher UV-Strahler nur zueinem kleinen Teil aus energiereicher Ultraviolettstrahlung, so daß ohne denEinsatz von Katalysatoren eine technischeNutzung der Sonne zur Desinfektion oderzum Schadstoffabbau aus wirtschaftli-chen Gründen nicht sinnvoll ist.

Wenn es gelingt nachzuweisen, daß Son-nenstrahlung in photokatalytischen Ver-fahren zur Behandlung kontaminierterWässer und Abgase betriebssicher und zuvertretbaren Kosten angewandt werdenkann, könnte man auf die Erzeugung deselektrischen Stroms verzichten, der fürden Betrieb künstlicher Strahler erforder-lich wäre. Gerade in sonnenreichen Län-dern gibt es für solar betriebene Verfah-ren zahlreiche Anwendungen. Dort ist dieInfrastruktur der Stromnetze häufig unzu-reichend, so daß netzunabhängige Ver-fahren eine große Bedeutung bekommenkönnen.

Abb.: Farbstoffe dienen bei solarchemischenProzessen als Katalysatoren.

Wasser ist in vielen Regionen der Erde einknappes Gut. Prognosen besagen, daßdas Problem des Wassermangels sich wei-ter verschärfen wird – nicht nur im Be-reich des Trinkwassers, sondern auch imBereich der Landwirtschaft, die ohnekünstliche Bewässerung in diesen Regio-nen nicht betrieben werden kann. Umden Verbrauch zu senken, wird ange-strebt, das Wasser in geschlossenenKreisläufen zu verwenden. In diesen

Kreisläufen wird das Wasserdurch die Nutzung mit un-

terschiedlichen chemi-schen und mikrobiolo-

gischen Schadstoffenbelastet, die in ei-nem integriertenReinigungsprozeßeliminiert werdenmüssen, bevor dasWasser wieder zurNutzung zur Verfü-

gung steht.

In den meisten wasser-armen Regionen steht

die Sonne als kostenloseEnergiequelle in nahezu unbe-

grenztem Maße zur Verfügung. Daherliegt es nahe, eine Technologie zur Reini-gung des Wassers zu entwickeln, dieSonnenlicht nutzt und nach Möglichkeitmit nur wenigen zusätzlichen Ressourcenauskommt. PhotokatalytischeMethoden bieten genaudiese Vorteile. Mit Hilfeder Sonnenstrahlungund Katalysatorenwerden Reaktionenangeregt, durchdie organischeund biologischeVerunreinigungen– z.B. Pestizideoder Coli-Bakte-rien – zerstörtwerden.

Im Rahmen von Pro-jekten der EuropäischenUnion arbeitet die SolareChemie seit einigen Jahren an derEntwicklung von solaren Verfahren, diezur Wasserreinigung eingesetzt werdenkönnen. Das Ziel dieser Aktivitäten ist dieEntwicklung einer umweltfreundlichenTechnologie bis hin zur Markteinführung.

In diesem Zusammenhang werden in derSolaren Chemie neue Photokatalysatorenentwickelt. Dabei handelt es sich um so-genannte Sensibilisatoren, Farbstoffe mitKatalysatoreigenschaften.

Die Photokatalysatoren werden dem zureinigenden Wasser zugesetzt und mitSonnenlicht bestrahlt. Die vom Photo-katalysator aufgenommene Energie derSonnenstrahlung wird auf den im Wassergelösten Sauerstoff übertragen. Dabeientsteht eine hochreaktive Spezies desSauerstoffs. Dieser sogenannte Singulett-Sauerstoff besitzt eine sehr hohe Oxidati-onskraft und reagiert sofort mit vielen or-ganischen Verunreinigungen und Mikro-organismen, die sich im Wasser befinden.Bei dieser Reaktion werden gefährlicheorganische Verbindungen zerstört undgesundheitsschädliche Mikroorganismenabgetötet. Je höher die Bildungsrate anSingulett-Sauerstoff ist, desto schneller istdie Reinigung des Wassers abgeschlossen.

In der ersten Entwicklungsstufe wurdendabei die Sensibilisatoren homogen imWasser gelöst. Die photokatalytische Ak-tivität der verwendeten Farbstoffe Ben-galrosa und Methylenblau ist bekannt. InLaborversuchen wurde der Abbau vonverschiedenen Pestiziden und die Abtö-tung von gesundheitsbedenklichen Mi-kroorganismen für diese beiden Stoffenachgewiesen. Homogen gelöste Sensibi-lisatoren haben aber den Nachteil, daß

nach Abschluß des Reinigungspro-zesses der Sensibilisator im

Wasser verbleibt und vondort entfernt werden

muß.

Die zweite Stufe derEntwicklung neuerSensibilisatoren ver-folgt daher zweiZiele: erstens hoheProduktionsraten an

Singulett-Sauerstoffin wäßrigen Lösungen

und zweitens Fixierungder Sensibilisatoren an

ein Trägermaterial, um denTrennungsschritt zu vermeiden.

Zunächst wurde dazu als Molekülgrund-struktur der neuen Sensibilisatoren in An-lehnung an die Natur das Porphyrin ge-

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wählt. Die Struktur des Porphyrins liegtsowohl dem Blattgrün als auch demmenschlichen Blut zugrunde. Diese Mo-lekülgrundstruktur wird im Hinblick aufhydrophile Eigenschaften modifiziert, umdie Produktion an Singulett-Sauerstoff inwäßrigen Lösungen zu optimieren. Dieunter diesen Gesichtspunkten auf Por-phyrinbasis hergestellten Sensibilisatorenzeigen in Laborversuchen sehr gute pho-tokatalytische Eigenschaften. Als Träger-material zur anschließenden Fixierung derPorphyrin-Sensibilisatoren werden Poly-mere verwendet, zum Beispiel Plexiglas,da es transparent und witterungsbestän-dig ist. Die photokatalytischen Eigen-schaften des polymergebundenen Por-phyrin-Sensibilisators entsprechen nacherfolgreicher Optimierung den Eigen-schaften der homogen in Wasser gelö-sten Sensibilisatoren.

Die Übertragung der Laborversuche aufsolare Anwendungen erfordert die kon-struktive Entwicklung photokatalytischerReaktoren. In einem ersten Ansatz wurde ein Prototyp in Form eines Fallfilmreaktorsentwickelt. In einem solchen Reak-tor wird das zu behandelndeWasser in einem Kreislaufumgewälzt. Ein Wasser-film überströmt eineschräg stehende Platteund bildet dabei einemehrere Millimeterdicke Schicht. Dieschräg stehende Plat-te wurde zuvor mitpolymergebundenemPorphyrinfarbstoff be-schichtet und ist der Teildes Reaktors, der von derSonne bestrahlt wird. Diebeschichtete Plexiglasplattehat eine Größe von 20 mal 30 Zen-timeter. In diesem Prototypreaktor wurdedie Bildung von Singulett-Sauerstoffdurch den fixierten Porphyrin-Sensibilisa-tor nachgewiesen, allerdings besteht fürdiese Verfahrensweise noch ein deutlicherOptimierungsbedarf, ehe sie in der All-tagspraxis eingesetzt werden kann.

Ein ähnlicher Fallfilmreaktor mit einer be-strahlten Platte von einem Quadratmeterbefindet sich in Malta und wird von dendortigen Projektpartnern getestet.

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Neben der Entwicklung von neuen Sensi-bilisatoren als Photokatalysatoren be-schäftigt sich die Solare Chemie mit wei-teren Methoden der solaren Entgiftung.Sowohl zur solaren Abwasser- als auchzur solaren Abgasreinigung wird derHalbleiter Titandioxid TiO2 als Photokata-lysator eingesetzt. Bekannt ist Titandioxidals weißer Pigmentfarbstoff, der in Wand-farbe oder auch als Zusatz in ZahnpastaVerwendung findet.

Die Aktivierung eines Halbleiters erfolgtdurch die Absorption von Photonen miteiner Energie, die mindestens der seinerBandlücke entspricht. Dadurch wird einLadungsträgerpaar erzeugt, bestehendaus einem Elektron und einem positivenLoch. Es werden Radikale gebildet, diesehr reaktiv sind und zu einem Abbauder Schadstoffmoleküle führen. Die ge-nauen Abbaumechanismen sind nochGegenstand der Forschung. Als Abbau-produkte erhält man CO2, H2O und gege-benenfalls anorganische Säuren, dieleicht zu neutralisieren sind.

In Pulverform wird TiO2 demzu behandelnden Wasser

zugesetzt. Diese Sus-pension wird zur

photokatalytischenBehandlung demSonnenlicht aus-gesetzt. Dabeikönnen ver-schiedene Reak-toren zum Ein-satz gebracht

werden. Einfach-stes Modell ist ein

offenes Becken.

Bei der Durchführungvon photokatalytischen Reini-

gungsprozessen in sonnenkonzentrieren-den Systemen wurde festgestellt, daß diekonzentrierte Strahlung nicht zu einer li-nearen Erhöhung des Abbaus von chemi-schen und mikrobiologischen Schadstof-fen führt. Zur Anwendung kommen hierbeispielsweise Parabolrinnenreaktoren, indenen das zu behandelnde Wasser durchGlasrohre gepumpt wird, die in der Fokal-linie von parabolförmigen Spiegeln ange-bracht sind und zweiachsig der Sonnenachgeführt werden (Konzentrationsfak-tor: ca. 30). Diese Systeme haben denNachteil, daß sie nur bei direkter Strah-lung arbeiten können, Wolkendurchgän-ge somit zu einer Unterbrechung des Pro-zesses führen.

Bei den zur Zeit favorisierten Reaktorenkann auch bei diffusem Licht gearbeitetwerden. Somit ist auch an bewölkten Ta-gen eine Wasserreinigung möglich. Dieeingesetzten Reaktoren sind sogenannteCompound Parabolic Collectors, CPCs.Auch hier handelt es sich um Rinnenreak-toren, allerdings ermöglicht eine spezielleSpiegelgeometrie, daß nicht nur direkteingestrahltes Sonnenlicht, sondern auchdiffuses Licht auf das Reaktorrohr reflek-tiert wird. Der Konzentrationsfaktor die-ser Reaktoren liegt bei 1 bis 1,2.

In solchen Anlagen werden zur Zeit Ver-suche beim DLR in Köln und parallel aufder Plataforma Solar de Almería, dem solaren Testzentrum im Süden Spaniens,durchgeführt. Bei diesen Versuchen wer-den chlorierte Kohlenwasserstoffe alsModellsubstanzen eingesetzt. Diese Mo-dellschadstoffe repräsentieren biologischnicht abbaubare, in Industrieabwässernvorkommende Inhaltsstoffe, deren Emis-sion in die Umwelt minimiert werdenmuß. Die Ergebnisse der Abbauversuchedieser toxischen Substanzen lassen erwar-ten, daß in Zukunft mit der photokata-lytischen Behandlung von verunreinigtemWasser mit Titandioxid als Katalysator eine neue vielversprechende Technologiezur Verfügung stehen wird.

Einen Nachteil dieser Technologie stelltzur Zeit die Abtrennung des Katalysatorsvom gereinigten Wasser nach Abschlußder photokatalytischen Behandlung dar.Neueste Entwicklungen wollen diesesProblem durch die Fixierung des Katalysa-tors auf der Innenseite der in CPC-Reak-toren eingebauten Glasrohre lösen. Inzwei gleichen parallel betriebenen Anla-gen, eine mit fixiertem Katalysator undeine mit suspensiertem Katalysator, wer-den im direkten Vergleich Abbauversucheder Modellsubstanzen durchgeführt. Dieersten Experimente zeigen gute Ergebnisse.

Sonne für saubere Luft

Der Ausstoß von organischen Substanzenin die Atmosphäre führt zur Bildung vonbodennahem Ozon, einer Vorläufersub-stanz für Smog. Eine geringere Belastungder Atmosphäre läßt sich nur durch dieVerringerung des Schadstoffausstoßes er-reichen. Wenn sich der Einsatz flüchtigerLösungsmittel nicht vermeiden läßt, müs-sen daher effektive und ökonomische

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ENER

GIE

Verfahren zur Abluftreinigung eingesetztwerden. Es gibt bereits eine Vielzahl vonetablierten Verfahren, beispielsweise diethermische oder katalytische Oxidationfür stark belastete Abluft oder die Kon-densation und Adsorption für hochwerti-ge Abluftkomponenten, deren Wiederge-winnung ökonomisch sinnvoll ist. DieseVerfahren werden um so teurer, je höherdie Reinheitsanforderungen sind. Durchstrenger werdende gesetzliche Auflagenund bessere Produktionsverfahren, die zueiner Reduzierung des Schadstoffaus-stoßes führen, wächst der Anteil an ge-ring belasteter Abluft. Daher werden vorallem für nie-drige Schad-stoffkonzentra-tionen alternati-ve Abluftreini-gungsverfahrengesucht. Dazu

gehören zum einen Biofilter und Mem-branverfahren, zum anderen Plasma-Technologie und UV-Oxidation.

Wie bei der solaren Abwasserreinigungkann anstelle künstlicher UV-Quellen Son-nenlicht eingesetzt werden. Die UV-Tech-nologie verwendet zur Gasreinigung sau-erstoffhaltige Substanzen als Oxidations-mittel, wie zum Beispiel Ozon, Wasser-stoffperoxid, OH°- oder O°-Radikale. Die-se Substanzen werden durch das energie-reiche UV(C)-Licht aus Sauerstoff undWasser erzeugt, wobei ebenfalls ein Ka-talysator verwendet wird. Das konzen-trierte Sonnenlicht tritt durch eine Quarz-glasscheibe in einen zylindrischen Reaktorein. In diesem befindet sich der Kataly-

sator. Er besteht zu gleichen Teilen ausTiO2 und Sepiolith, einem Tonmi-

neral. Die Abluft strömt durchquadratische Kanäle, die aus

keramischem, mit Platin do-tiertem Material bestehen.

Entsprechend des Be-strahlungswinkels ist

die Eindringtiefe derkonzentrierten

Sonnenstrah-lung in diese

Kanäle undsomit die

photo-ka-

talytisch aktive Länge begrenzt. In solarenExperimenten wurden verschiedene Mo-dellsubstanzen untersucht. Sehr gut konn-te der photokatalytische Abbau von Tri-chlorethylen beobachtet werden. Chlo-rierte Kohlenwasserstoffe, die auch heutenoch in manchen Fällen als Lösungsmitteleingesetzt werden, werden mit Hilfe desphotokatalytischen Verfahrens gut abge-baut.

Ein Vorteil gegenüber herkömmlichen katalytischen Verfahren besteht darin,daß ein Abbau bereits bei Umgebungs-temperatur erfolgreich verläuft. Es ist so-gar von Vorteil, bei niedrigen Temperatu-ren zu arbeiten, denn dem Übergang derLadungsträger muß eine Adsorption derSchadstoffe an die Katalysatoroberflächevorausgehen. Da die Adsorption mit stei-gender Temperatur abnimmt, nimmt da-mit auch die Effektivität des photokataly-tischen Schritts ab. Aufgrund des niedri-gen Temperaturniveaus kann man außer-dem den Energieeinsatz vermeiden, dererforderlich wäre, um den Abgasstromauf die für ein thermokatalytisches Ver-fahren erforderliche Temperatur zu er-wärmen. Ebenfalls werden so sekundäreEmissionen für die Erwärmung von Katalysator und Abluft vermieden.

Für die Photokatalyse ist kein weitererChemikalienzusatz erforderlich. Als Be-triebsmittel wird lediglich UV-Licht einge-setzt, das von der Sonne oder durchLampen zur Verfügung gestellt werdenkann. Idealerweise werden organische

Schadstoffe vollständig mineralisiert,es entstehen also keine zu entsor-

genden Reststoffe. Eine Alterungdes Katalysators konnte nach

mehrmonatigem Gebrauchnicht festgestellt werden.

Das Verfahren eignet sich für geringe Schadstoff-

konzentrationen undniedrige Volumen-

ströme. DiesesProjekt wurde

von der EUgefördert.

Abb.: Parabolrinnenanlage im DLR-Standort Köln-Porz.

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Um Aussagen über eine größere Palette anSchadstoffen und größere Anlagen ma-chen zu können, sind weitere Versuche er-forderlich.

Recycling mit der Sonne

In vielen industriellen Prozessen fallenRückstände an, zum Teil mit giftigen Ver-unreinigungen wie Schwermetalle oderorganische Verbindungen. Auch wennVermeiden, Verwerten oder eine wäßrigeAufarbeitung der Abfälle aus wirtschaftli-chen und ökologischen Gründen bevor-zugt werden und zu einer Verminderungzu entsorgender Abfälle führen, verbleibtnoch immer eine große Menge Reststoff,die bei hohen Temperaturen behandeltwerden muß. Diese Hochtemperatur-Be-handlung wird durchgeführt, um die toxi-schen organischen Verbindungen zu zer-stören und Schwermetalle aus dem Rest-stoff auszutreiben oder zu immobilisieren.Außerdem wird das zu deponierende Vo-lumen des Rückstands vermindert.

Neben der Behandlung zur Ablagerungbietet die Hochtemperatur-Behandlungvon Abfallstoffen auch die Möglichkeit,Wertstoffe zurückzugewinnen. Ein Bei-spiel hierfür sind Gießereialtsande, die als Rückstände aus der Metallgießerei anfallen. Diese Altsande sind mit maximalvier Prozent organischen Verbindungenverunreinigt und können nach einer Be-handlung bei ca. 800 Grad Celsius erneutzur Herstellung von Gießformen verwen-det werden. Das Recycling von Alumini-um – ein weiteres Beispiel – ermöglichtkonventionell eine Energieeinsparung vonca. 88 Prozent gegenüber der Primär-Alu-minium-Gewinnung aus Bauxit. Aller-dings werden pro Tonne Aluminium im-mer noch 19,5 Gigajoule Energie benö-tigt, die durch fossile Energieträger bereitgestellt werden. Rückstände aus der Müll-verbrennung werden heute zum größtenTeil Untertage deponiert. In einem solarenVerfahren könnten aus Filteraschen undSchlacken wertvolle Metalle zurückgewon-nen und aus dem silikatischen MaterialDämmstoffe hergestellt werden. Der Tem-peraturbereich, in dem die oben ange-sprochenen Recyclingprozesse stattfin-den, liegt zwischen 800 Grad Celsius fürAluminiumrecycling und thermischerGießereisandbehandlung und bis zu1.300 Grad Celsius für die Behandlungvon Rückständen aus der Müllverbren-nung. Weil diese Reststoffe einen sehr

geringen Brennwert haben, ist der Ener-giebedarf für dieses Verfahren mit 0,5 bis5 kWh/kg (2 bis 20 MJ/kg) sehr hoch. Diekonventionelle Technik, durch Verbren-nung von fossilen Energieträgern hoheTemperaturen zu erzeugen, führt zugroßen Abgasmengen, die aufwendiggereinigt werden müssen. Nutzt man so-lare Energie für diese Prozesse, hat mandie Vorteile, weniger oder keinen fossilenBrennstoff zu benötigen und damit so-wohl CO2 einzusparen als auch einedeutlich geringere Abgasmenge reinigenzu müssen. Zudem lassen sich eine Reiheorganischer Verunreinigungen mit intensi-ver Lichteinwirkung leichter abbauen als inrein thermischen Verbrennungsprozessen.

Aus der solarthermischen Stromerzeugungsind verschiedene Methoden bekannt,mit Sonnenlicht hohe Temperaturen zuerzeugen. So könnten solare Recycling-Verfahren in punktkonzentrierenden Sy-stemen durchgeführt werden, deren Eig-nung bereits für chemische Prozesse imkonzentrierten Sonnenlicht nachgewiesenwurde. Hierbei konzentrieren viele leichtkonkave Spiegel (Heliostaten), die derSonne nachgeführt werden, das Licht aufeinen Receiver. Dieser befindet sich aufeinem Turm vor dem Spiegelfeld.

Als Receiver für solare Hochtemperatur-Behandlung von festen oder pastösenRückständen bietet sich ein Drehrohr an.So konnte in einer Studie gezeigt wer-den, daß in einem solar beheizten Dreh-rohr die Behandlung von Filterstäubenaus Müllverbrennungsanlagen prinzipiellmöglich ist. In einer fiktiven Pilotanlagean einem Standort wie dem südspani-schen Almería könnten ca. 500 Tonnenpro Jahr an Filterstäuben aus der Müllver-brennung eingeschmolzen werden.

Die AG Solar des Landes Nordrhein-Westfalen fördert die ersten praktischenUntersuchungen zu diesem solaren Ver-fahren. Das hochkonzentrierte Sonnen-licht wird im Sonnenofen des DLR bereit-gestellt, der mit Unterstützung der AGSolar gebaut wurde. Der Sonnenofen isteine Versuchseinrichtung, mit der manSonnenlicht auf einen Brennpunkt mit einem Durchmesser von ca. 12 Zentime-ter konzentriert. Für Experimente im Son-nenofen wurde ein Mini-Plant-Drehrohrentwickelt und gebaut. Das Herzstückdieses Drehrohrs ist ein Tiegel, der in einem Stück aus Siliciumcarbid gefertigtist. Dieser Tiegel ist 40 Zentimeter langund hat einen Durchmesser von 20 Zenti-meter. Temperaturen bis zu 1.300 Grad

Celsius werden durch das eingestrahlteSonnenlicht und durch die geschickteKonstruktion des Drehrohres erreicht. Diekonzentrierte Sonnenstrahlung wird in-nerhalb des rotierenden Rohres absor-biert. Das Rohr verjüngt sich in derBrennebene. Diese Konstruktion ermög-licht es, daß viel Energie in Form gerich-teter, konzentrierter Strahlung in dasDrehrohr gelangt, aber nur wenig unge-richtete Wärmestrahlung zu Wärmeverlu-sten durch Rückstrahlung führt. Gegen-über der Öffnung zum Strahlungseintrittwerden entstehende Schadgase in eineAbgasreinigung gesaugt. Der Tiegel istvon einer Isolierung umgeben, um einschnelles Abkühlen zu vermeiden. Tiegelund Isolierung befinden sich in einemGehäuse und werden während der Versu-che im Sonnenlicht von einem Motor ge-dreht. Die Schmelze wird aus der vorde-ren Öffnung durch Kippen des Drehroh-res abgegossen. Auf der Oberfläche desTiegels und am Abgasrohr wird an insge-samt sieben Stellen die Temperatur ge-messen. Um trotz der Drehung kontinu-ierlich die Temperatur des Drehrohres zuverfolgen, wurde eine telemetrische Tem-peraturerfassung entwickelt. Währendder Experimente kann damit z.B. das En-de des Schmelzprozesses bestimmt wer-den. Die im Versuchsverlauf gemessenenTemperaturen werden neben den Datenüber die Intensität des eingestrahltenSonnenlichts zur Ermittlung der Effizienzder Sonnenlichtnutzung verwendet.

Erste Schmelzversuche mit Modellsub-stanzen bestätigten, daß das solareSchmelzen bei hohen Temperaturen in einem Drehrohr realisierbar ist. WeitereExperimente mit realen Abfallstoffen wer-den in den kommenden Jahren Grundla-gen für eine technische Beurteilung die-ses solaren Verfahrens liefern. Zusammenmit den parallel laufenden Arbeiten zurVorplanung einer größeren Pilotanlageund dem Entwurf einer solartechnischenGroßanlage ist das Ziel der Arbeiten, diewirtschaftliche Perspektive dieser solarenTechnologie für die Zukunft zu beurtei-len.

Karl-Heinz Funken, Barbara Milow, Lamarkde Oliveira, Jürgen Ortner, Bettina Pohl-mann, Martina Reichert, Christian Sattler,Solare Energietechnik, DLR, Köln-Porz.

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Satelliten-Navigation, Lärmminderung, Schadstoff-reduzierung, Stauvermeidung: Luft- und Raumfahrthaben eine Vielzahl von Bezugspunkten zum ThemaVerkehr, dem daher in den Forschungs- und Entwicklungsarbeiten des DLR ein hoher Stellenwertzukommt – sowohl unter ökologischen als auch unter ökonomischen Aspekten.

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Von Wolfgang Neise und Eberhard Pfizenmaier

Know-how aus der Luftfahrt kannentscheidend zur Optimierungschienengebundener Fahrzeuge

beitragen. Das gilt insbesondere für dieAerodynamik und Aeroakustik. Ein Bei-spiel für den Transfer aus der Luft auf dieSchiene soll hier beschrieben werden: ZuBeginn der ICE-Entwicklung sah man sichmit dem Problem konfrontiert, daß beiGeschwindigkeiten ab ca. 250 Stundenki-lometer nicht mehr der Rad/Schiene-Lärmdas von Zügen abgestrahlte Geräusch do-miniert, sondern daß andere, aerodyna-mische Lärmquellen hervortreten, wie ins-besondere der Stromabnehmer. Zudemerwies es sich als problematisch, die ge-forderten Grenzwerte für den aerodyna-mischen Auftrieb des Stromabnehmerseinzuhalten, statisch wie dynamisch, umeinen ruhigen, schwingungsfreien Lauf

Geräus

am Fahrdraht und niedrigen Verschleiß zugewährleisten. In diesen beiden Problem-kreisen, der Aeroakustik und der Aerody-namik von Stromabnehmern bei Hochge-schwindigkeitszügen wurden in Zusam-menarbeit mit bzw. im Auftrag von Deut-scher Bahn, Bahnindustrie und anderenForschungseinrichtungen verschiedeneProjekte bearbeitet. Das Resultat war zum einen eine deutliche Lärmmindrung beikonventionellen Stromabnehmern undzum anderen eine neue aerodynamischstabile und auftriebsarme Schleifleiste.

Vor den vom DLR im Windkanal durchge-führten Untersuchungen war man alleinauf Messungen an vorbeifahrenden Zü-gen angewiesen. Diese aber sind organi-satorisch umständlich, zeitaufwendig undteuer, da man komplette Meßeinrichtun-gen an der Strecke aufbauen muß undpro Versuchsfahrt nur die Eigenschaftenbei einer einzigen Fahrgeschwindigkeitmessen kann, und ungenau, weil man

chminde

die äußeren Randbedingungen wieWindverhältnisse nicht beeinflussen undreproduzieren kann. Zudem sind Ände-rungen am Untersuchungsobjekt imWindkanalmodell viel einfacher als aufdem Meßzug.

Zu den Windkanaluntersuchungen konn-ten je nach Bedarf kleine oder großeWindkanäle eingesetzt werden. So wares einfach, Schallquellen zu identifizierenund wirksame Maßnahmen zurGeräuschminderung zu erproben.

Schon durch geringfügige bauliche Mo-difikationen an einem serienmäßig ein-gesetzten Stromabnehmer konnten dieSchallpegelspitzen, die durch Auflaufhör-

rung bei

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ner, Steuerstange und Hub-Begrenzungs-bügel verursacht wurden, vollständig unterdrückt und der Gesamtlärmpegel um sechs Dezibel gesenkt werden.

Um den gesamten Originalstromabneh-mer im ganzen Geschwindigkeitsbereichzu vermessen, wurde im Deutsch-Nieder-ländischen Windkanal (DNW), einer ge-meinsamen Gründung vom DLR und derniederländischen PartnerorganisationNLR, eine bislang einmalige Meßkampag-ne durchgeführt. In nur wenigen Tagenwurden zwei verschiedene Stromabneh-mer im ganzen Einsatzspektrum ein-schließlich Seitenwindeinfluß akustischvermessen, wobei nicht nur der integraleSchallpegel, sondern auch einzelneSchallquellen des Stromabnehmers iden-tifiziert wurden. Beteiligt an der Kampag-ne waren neben DNW und DLR die Deut-sche Bahn, das Ingenieurbüro akustik-

ochgesc

data und die Herstellerfirmen Adtranzund Siemens. Alle verfügbaren Meßtech-niken wurden gleichzeitig eingesetzt. Damit wurden erstmalig komplette undnachvollziehbare Datensätze erstellt, diedie Industrie in die Lage versetzen, dieeingesetzten Stromabnehmer und Neu-entwicklungen leiser zu machen. DerDeutschen Bahn konnten Richtwerte zurBeurteilung zukünftiger Entwicklungenan die Hand gegeben werden. Zudemkonnte gezeigt werden, daß der Einsatzvon Windkanälen, gemessen an Daten-menge und -qualität, gegenüber denStreckenmessungen deutliche Zeit- undKostenvorteile mit sich bringt. Die teurenStreckenversuche sind damit nur noch zurendgültigen Beurteilung und Abnahmeneuer Systeme notwendig.

hwindigk

Dr.-Ing. Wolfgang Neise und Dr.-Ing. Eber-hard Pfizenmaier, DLR-Institut für Antriebs-technik, Abteilung Turbulenzforschung, Berlin-Charlottenburg.

eitszügen

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Mit Hilfe des Werk-zeuges „mikroskopischeVerkehrssimulation“ ist es erst-

mals möglich, räumlich und zeitlichaufgelöste Belastungskarten einesTransportsystems in hoher Qualität zuerhalten. Diese können beispielsweisedazu verwendet werden, die durch denVerkehr generierten Emissionen zu berechnen,zu bewerten und durch aus der Simulation ab-geleitete Maßnahmen zu reduzieren. Darüber hinaus geben sie wichtige Grundinformationenfür z.B. die Stadt- oder Verkehrsplanung.

Von Peter Wagner

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Die Hintergrundbilder wurden von der echt-zeit GmbH im Auftrag der Deutschen TelekomBERKOM GmbH erstellt.

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Das Prinzip der simulativen Betrachtungeines Transportsystems kann anhand vondrei Stufen erklärt werden. Im erstenSchritt wird die Nachfrage nach Transportfür ein gegebenes Untersuchungsgebietquantifiziert. Diese Nachfrage muß in denbeiden folgenden Schritten im Netz ver-teilt werden, und zwar nach einem einfa-chen Optimalitätskriterium: Jede Reisendein diesem Netz sucht sich den für siegünstigsten Weg. „Günstig“ kann bei-spielsweise in bezug auf die Reisezeitendefiniert werden, andere Definitionensind aber ebenso möglich. Kompliziertwird das Problem dadurch, daß die Reise-zeiten im Netz von den Routen abhän-gen, die die anderen Reisenden im Netz

einschlagen. Diese Routensuche ist derzweite Schritt in der Betrachtung einesTransportsystems. Im dritten Schritt wer-den die eben berechneten Routen imComputer „abgefahren“, das heißt, dieAutos, Busse und Bahnen fahren in derSimulation durch das Netz zu ihrem je-weiligen Ziel. Diese Simulation, die sehrpräzise die Details der Fahrzeugdynamikabbilden muß, liefert dann auch die im

Routensuch-Algorithmus benötigten Rei-sezeiten – das Ganze ist also ein iterativerProzeß. Da die Fahrzeugdynamik genauabgebildet wird, sind die vom Verkehrgenerierten Emissionen leicht zu berech-nen. Ebenso einfach ist es im Prinzip, an-dere Verkehrsträger in der Simulation zuberücksichtigen. Sobald die entsprechen-den Reisezeiten von verschiedenen Trans-portmodi bekannt sind, können diese di-rekt in die Betrachtung der Routensuchemit einbezogen werden. Ein weiterer

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wichtiger Faktor ist schließlich die hohenumerische Effizienz der Simulation, dieeine mikroskopische Betrachtung über-haupt erst möglich macht: Im günstigstenFall kann das Simulationstool, das in Zu-sammenarbeit mit dem Zentrum für Pa-ralleles Rechnen der Universität zu Köln(ZPR/ZAIK) entwickelt wurde, einige Mil-lionen Fahrzeuge in Echtzeit simulieren.

Im folgenden wird ein kurzer Überblicküber zwei Projekte gegeben, die gegen-wärtig in der Verkehrssimulationsgruppedes DLR bearbeitet werden.

Verteilte Verkehrssimulation und Visualisierung

Dieses Projekt, etwas salopp auch „Autosauf dem Datenhighway“ genannt, ist einProjekt des Vereins Deutsches For-schungsnetz e.V. (DFN) im Rahmen desGigaBit Testbetts West. Dabei soll dieoben beschriebene Verkehrssimulationmit verschiedenen Visualisierungen be-trieben werden, von einer einfach wissen-schaftlich-technischen bis zu einer Visuali-sierung als virtual reality (VR). Projektpart-ner sind das ZPR/ZAIK, die Gesellschaft

für Mathematik und Datenverarbeitungund die Firma echtzeit GmbH. Dabeisteuert die Firma echtzeit GmbH das „vir-tuelle Berlin“ bei, in dem sich die von derVerkehrssimulation berechneten Fahrzeu-ge bewegen. Dem Nutzer dieser virtuel-len Realität wird es möglich sein, seinenBeobachtungsstandpunkt individuell zu wählen oder ein Fahrzeug auf einerfrei zu bestimmenden Route durch denVerkehr zu manövrieren – als „virtuellesTaxi“. Die Simulation von Berlin wird denBewegungszustand von bis zu 100.000Fahrzeugen in jeder Sekunde neu berech-nen. Die Übertragung der berechnetenSimulationsdaten zur VR-Visualisierungbenötigt die enorme Bandbreite von biszu 400 Megabit pro Sekunde und stellteine echte Herausforderung an modern-ste Gigabit-Technogien dar. Soll mehr alseine Visualisierung mit den Daten derVerkehrssimulation versorgt werden, soist die Übertragung der Daten nur mitmodernen Punkt-zu-Mehrpunkt-Metho-den – dem Multicast – möglich.

StadtInfo Köln

Im Projekt „StadtInfo Köln“ arbeitet dasDLR mit 16 weiteren Partnern aus Indu-strie, Hochschule und kommunaler Ver-waltung zusammen. Projektleiter ist dasAmt für Straßen- und Verkehrstechnikder Stadt Köln. Ziel des StadtInfo-Projek-tes – im Rahmen des BMBF-Programms„Mobilität in Ballungsräumen“ – ist derAufbau eines flächendeckenden, ganz-heitlichen Informationssystems für denBallungsraum Köln. Den Nutzern diesesInformationssystems werden verschiede-ne aktuelle Informationen über verschie-dene Übertragungskanäle zur Verfügunggestellt:Parkplätze, einschließlich Prognose undParkleitinformationen, aktueller Verkehrszustand in Köln undentsprechende Leitempfehlungen,ÖPNV-Informationen (aktuelle Verspätun-gen, Fahrplaninformationen),Veranstaltungshinweise und deren Auswirkungen auf den Verkehr,aktuelle Reisezeit und prognostizierterVerkehrszustand.

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Aufgabe des DLR in diesem Projekt ist dieVorhersage von Reisezeiten im Verlaufder nächsten Stunde mit Hilfe der mikro-skopischen Verkehrssimulation. Das Prin-zip einer solchen Prognose ist einfach zuverstehen, wenn auch das Ergebnis nichtleicht zu erreichen ist. Die Simulationstartet von einem bekannten aktuellenZustand und rechnet von da ab „ein-fach“ schneller, als die Realität abläuft.Im Idealfall lassen sich auf diese Weiseder zukünftige Verkehrszustand und so-gar endogene Staus vorhersagen, zumin-dest auf der kurzen Zeitskala von etwaeiner Stunde. Auch an dieser Stelle wirddie Fähigkeit der vorhandenen Simula-tion, vielfach schneller als die Realität zusein, benötigt. Eine grobe Abschätzungergibt hier, daß sich bis zu 50.000 Fahr-zeuge gleichzeitig auf Kölner Straßen be-finden können. Um aus einem gegebe-nen Verkehrszustand innerhalb von fünfMinuten eine Vorhersage für die nächsteStunde zu bekommen, muß die Simula-tion zwölfmal schneller rechnen als dieRealität läuft – ein Wert, der auf moder-ner Hardware sicherlich zu schaffen ist.Sehr viel schwieriger sind da schon dieimmensen Probleme bei der Datenbe-schaffung, so daß mit diesem Projektebenfalls Neuland betreten wird.

In der Verkehrssimulation werden starkanwendungsorientierte Probleme bear-beitet. Nur kurz gestreift wurde in diesemBeitrag, daß die Simulation auch dazueingesetzt werden kann, die vom Verkehrerzeugten Emissionen, Abgase und Lärm,zu berechnen, und daß damit eine besse-re Quantifizierung der Wirkungen vonVerkehr möglich ist. Die weitere Entwick-lung auf diesem Gebiet wird zunehmendauch den Entscheidungsfindungsprozeßder Menschen als Element in die Modell-bildung einbeziehen müssen, um auf die-se Weise die Reaktion des Gesamtsystems„Verkehr“ auf politische, konjunkturelleund stadtplanerische Steuerungsmaßnah-men besser abbilden zu können.

Dr. Peter Wagner, Mobilität und System-technik, DLR, Köln-Porz.

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M E C H A T R O N I CVon Willi Kortüm

Mechatronik ist nicht nur die Ver-bindung von mechanischen undelektronischen Elementen zu ei-

nem Gesamtsystem, sondern darüberhinaus der ganzheitliche Entwurf einessolchen Systems, um eine technischeAufgabe optimal, das heißt mit maxima-lem Synergiegewinn zu lösen. In diesemSinne wurde, initiiert durch die englischeUniversität Loughborough und das DLR,das Programm „Mechatronic Train“ mitEU-Mitteln im Brite-Euram-Programm imJahre 1998 gestartet.

Zukünftige Schienenfahrzeuge müssenleichter, energiesparender und kosten-günstiger werden. Die umfangreiche Ver-wendung von Leichtbaustrukturen undmechanisch einfacheren Fahrwerken ver-langt den Einsatz moderner Regelungs-technik, um mit höherem Komfort undweniger Verschleiß als bei herkömmlichenZügen schnell und sicher fahren zu kön-nen. Dadurch sind Strukturdynamik, Lauf-verhalten, Antriebs- und Regelungstech-nik untrennbar miteinander verbunden.Sie müssen bereits bei Entwurf und Aus-legung gemeinsam und in all ihren ge-genseitigen Wechselwirkungen betrach-tet werden. Es wird sich bei zukünftigenFahrzeugen um mechatronische Systemehandeln. Das heißt, sie werden nichtmehr wie bisher als getrennte mechani-sche und elektrische Teile ausgelegt undgebaut werden können. Der Entwurf derMechanik wird ohne Einbeziehung elek-tronischer Komponenten gar nicht mehrmöglich und allein überhaupt nicht funk-tionsfähig sein.

Praktisch geht es zunächst darum, Struk-turschwingungen im Fahrzeug, die durchausgereizten Leichtbau zu einem zuneh-mend wichtigen Problem werden, aktivoder semiaktiv zu bedämpfen. Dabei können auch bislang passiv mitgeführte

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Massen wie beispielsweise die Fahrtrans-formatoren auf den gesamten Zugverteilt werden oder sogar aktiv zur Til-gung von Schwingungen herangezogenwerden.

Weitere Hauptpunkte sind die aktive Len-kung von Rädern oder Radsätzen imFahrwerk, die aktive Federung und derdirekte Eingriff in die Dynamik der Spur-führung. Nur dadurch kann die Eigendy-namik des Eisenbahn-Radsatzes so verän-dert werden, daß hohe Geschwindigkei-ten ohne gefährlichen Schlingerlauf, mithohem Fahrkomfort und Stabilität, mitgeringen Kräften zwischen Rad undSchiene und somit geringem Verschleißgefahren werden können. Denn bislangwaren zur Stabilisierung der Fahrwerkebei hohen Geschwindigkeiten umfangrei-che, schwere und störanfällige passivemechanische Komponenten wie Dämpfer,Hilfsrahmen und Gestänge erforderlich,auf die auch verzichtet werden könnte.Zur Erprobung solch neuartiger Konzeptedienen neben Simulationsrechnungenpraktische Fahrversuche, die auf einemmaßstäblichen Rollprüfstand im DLR inOberpfaffenhofen durchgeführt werden.Dadurch kann die Machbarkeit und kon-struktive Umsetzbarkeit nachgewiesenund somit das finanzielle Risiko beim Bauvon Prototypen minimiert werden.

Erst durch Integration und Kombinationder zur Federung, zur Führung und zumAntrieb nötigen Komponenten sind me-chanisch einfache, leichte und kompakteFahrzeugkonzepte möglich, die bei weni-ger Gewicht und Verschleiß mehr Kom-fort, Fahrgastfläche und Fahrsicherheitbieten. So ist fraglich, ob zukünftige me-chatronische Züge noch Radsätze oderDrehgestelle in der hergebrachten Formbesitzen werden. Gleichzeitig bietet dieGelegenheit, den Aufbau von Eisenbahn-fahrzeugen komplett überdenken zu kön-

nen, die Chance, Fahrzeuge zu ent-wickeln, die das vorgegebene Lichtraum-profil besser ausnutzen und damit mehrFahrgäste befördern können.

Um das Verbesserungspotential aufzuzei-gen, werden in der Simulation neben ei-nem herkömmlichen Drehgestellfahrzeug,das zu Vergleichszwecken mit den er-wähnten Techniken nachgerüstet wird,auch drehgestellose Fahrzeuge bis hin zuneuartigen Gliederzugkonzepten unter-sucht.

Selbstverständlich haben solche innovati-ven Fahrzeuge nur dann eine Aussichtauf Realisierung, wenn nachgewiesenwerden kann, daß sie ihren konventionel-len Vorgängern sicherheitstechnisch min-destens ebenbürtig, wenn nicht überle-gen sind. Dazu werden in einem gleicher-maßen wichtigen Teil des Projektes Studienangestellt, die sich mit der Sicherheit undder Zuverlässigkeit von mechatronischenZügen auseinandersetzen. Das beginntbereits bei der Entwicklung von Fehler-toleranzsystemen und führt hin zu Sicher-heits- und Ausfallanalysen und entspre-chenden Fehlerdiagnosetechniken. Diesbietet gleichzeitig die Chance, solcheFahrzeuge wartungsfreundlicher zu ge-stalten, damit sie trotz eines gegebenen-falls höheren Anschaffungspreises durchbessere Verfügbarkeit und weniger Ver-schleiß letztendlich geringere Kostenwährend ihres Einsatzlebens verursachen.

Prof. Willi Kortüm und Moritz Gretzschel,DLR-Institut für Robotik und System-dynamik, Oberpfaffenhofen.

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INITIATIVE

LEISER VERKEHR

VERK

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Rund 70 Prozent der Bevölkerung Deutsch-lands fühlen sich durch Straßenverkehrslärmbelästigt, etwa 40 Prozent durch den Luftver-

kehr und ca. 20 Prozent durch den Schienenverkehr.

Trotz bedeutsamer Verbesserungen am Einzelprodukthat der Lärmemissionspegel insgesamt durch die stei-

gende Verkehrsleistung zugenommen.

Das Interesse von Staat, Wirtschaft und Bevölkerung,Mobilitätsfreiheit zu erhalten oder weiter auszubau-

en, ohne dabei die Lärmbelastung gleichermaßen zuerhöhen, erfordert konzertiertes und entschlossenes

Handeln. Daher hat das DLR unter Einbeziehung we-sentlicher Vertreter des Luft-, Schienen- und Straßen-

verkehrs und der Lärmwirkungsforschung die Initiati-ve zur Gründung eines Forschungsverbundes „Leiser

Verkehr“ ergriffen.

Ziel ist es, in einer gemeinsamen Anstrengung vonVerkehrsindustrie, Betreibern, Technologieentwick-lung, Lärmwirkungsforschung und Behörden der Ver-minderung des Verkehrslärms einen neuen Impuls zuverleihen. Auf der Basis eines gemeinsamen Verständ-nisses über Notwendigkeiten und Prioritäten sollen imRahmen nationaler oder gegebenenfalls europäischerForschungsförderung konkrete vorwettbewerblicheProjekte durchgeführt werden, deren Erkenntnissewiederum allen Verbundpartnern zur Verfügung ste-hen. Dadurch werden Know-how erweitert, Synergiengeschaffen (also Geld gespart und Lärm schneller ab-gebaut) sowie Doppelarbeit vermieden und gleichzei-tig die Entwicklung lärmreduzierender Maßnahmenund Techniken beschleunigt. Handlungsempfehlungeninsbesondere für die Verkehrspolitik werden als weite-res Ergebnis der Verbundarbeit angestrebt.

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Das Klima des 21. Jahrhunderts

Warnsignal Klima

BUCH

as Klima des 21. Jahr-hunderts wird voraus-sichtlich wesentlich

durch die Menschen mitbe-stimmt sein. Allein der Gehaltdes Treibhausgases Kohlen-dioxid in der Atmosphäre hatsich seit Beginn der Industria-lisierung bis heute um 30 Pro-zent erhöht. Ohne konsequen-te Gegenmaßnahmen ist eineweitere Verdopplung bis zumJahr 2035 zu erwarten. Ein globaler Temperaturanstieg istdie Folge; die daraus erwach-senden Veränderungen auf unserem Planeten Erde sindkaum vorstellbar.

Das Buch Warnsignal Klima –Das Klima des 21. Jahrhundertswurde von drei namhaftenWissenschaftlern der Univer-sität Hamburg (Dr. Lozan), desWeltklimaforschungspro-gramms in Genf (Prof. Grassl)und der Universität Berlin (Prof.Hupfer) zusammen mit demMagazin GEO herausgegeben.In über 100 Einzelbeiträgenvon Fachleuten und Wissen-schaftlern wird ein eindrucks-voller Überblick gegeben zumVerständnis des Klimas und sei-ner zeitlichen Veränderungen,der Einflußnahme des Men-schen und mögliche Folgewir-kungen für die Weltbevölke-rung, ihre Lebensgrundlageund die Wirtschaft. Sachlich,informativ und für den interes-sierten Laien gut verständlichwerden alle Facetten des The-mas in knappen Beiträgen mitanschaulichen Grafiken und Tabellen beleuchtet und demLeser das Wissen an die Handgegeben, sich selbst eine kom-petente Meinung zu bilden.

Das Fachbuch mit 464 Seiten,195 Abbildungen, 46 Tabellenund 10 Tafeln ist im Direktver-sand zu beziehen über:

Dr. Lozan, Schulterblatt 86, 20357 Hamburg

e-mail: [email protected]:040/43 04 03 8040/41 23-6676Telefax:040/41 23-6696040/43 04 03 8

ISBN 3-00-002925-7Preis: 49,90 (broschiert)

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Impressum

DLR-NachrichtenDas Magazindes Deutschen Zentrumsfür Luft- und RaumfahrtHerausgeber:Deutsches Zentrumfür Luft- und Raumfahrt e.V.(DLR)

Redaktion:Winfried Dewes(Programmdirektion Energietechnik)Dr. Volker Kratzenberg-Annies(ViSdP)Helga Zimmermann

Bildrecherche:Sabine Hoffmann

Presse- undÖffentlichkeitsarbeitdes DLRTel. 0 22 03 / 6 01-32 47 Fax 0 22 03 / 6 01-32 49E-Mail: [email protected]

Hausanschrift:Porz-Wahnheide Linder HöheD-51147 Köln

Das DLR ist Mitgliedder Hermann von Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher For-schungszentren (HGF).

Druck:Druckerei ThierbachD-45478 Mülheim/Ruhr

Gestaltung:Dr. Volker Kratzenberg-AnniesAndreas Ziller

ISSN 0937-0420Nachdruck nur mitZustimmung des Herausge-bers und Quellenangabe.Hinweis gemäß § 33Bundesdatenschutzgesetz:Die Anschriften derPostbezieher derDLR-Nachrichten sind ineiner Adreßdateigespeichert, die mit Hilfeder automatischenDatenverarbeitunggeführt wird.

Gedruckt auf umwelt-freundlichem, chlorfrei gebleichtem Papier.

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SPOT

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In dieser Rubrik stellt das DLR Partner-organisationen und deren Projekte im Bild vor. In dieser Ausgabe: dasDeutsche Klimarechenzentrum(DKRZ), Hamburg.

Die Gründung des DeutschenKlimarechenzentrums (DKRZ)im Jahre 1987 als eines der

weltweit wenigen, der Klimafor-schung dedizierten Höchstleistungs-rechenzentren (neben dem NCAR unddem GFDL in den USA, dem HadleyCentre in England und dem französi-schen Zentrum Meteo-France) legteden Grundstein für eine wirkungsvolleKlimaforschung in Deutschland.

Der gute internationale Ruf der deut-schen Klimaforschung heute ist nichtzuletzt auch dem DKRZ zu verdanken.

Das DKRZ stellt den KlimaforschernHöchstleistungs-Computer- und Da-tenserver, aber auch Werkzeuge zurAnalyse von Klimadaten und Modell-ergebnissen zur Verfügung und un-terhält ein Videolabor zur Visualisie-rung von Klimadatensätzen.

Weitere Aufgabe des DKRZ sind dieprogrammiertechnische und methodi-sche Unterstützung seiner Nutzer, die Bereitstellung geeigneter Anwender-software und die Unterstützung beider Durchführung von Klimasimula-tionen mit den am DKRZ bereitgehal-tenen Klimamodellen.

Mit der Entwicklung und Installationder CERA-Datenbank ist am DKRZ eine Klimadatenbank im Aufbau, diezum Ziel hat, einen einfachen Zugriff auf relevante Klimadatensätze zu er-möglichen. Zudem betreibt das DKRZdas IPCC-Data-Distribution Centreund macht damit die Daten von Kli-mahochrechnungen, die von verschie-denen Forschungsinstituten weltweitangefertigt wurden, interessiertenForschern verfügbar.

Die Abbildung zeigt die von einemgekoppelten Klimamodell vorherge-sagte Änderung der bodennahenTemperatur für das Zehn-Jahresmittel2041-2050 unter Annahme des im IPCC-Szenario A („buisiness asusual“) defninierten Anstiegs des atmosphärischen CO2-Gehaltes. Indieser Rechnung ist der Einfluß vonSulfat-Aerosolen berücksichtigt, derenKonzentration als Isolinien dargestelltsind.