41
Doing Weltmacht. Hinweise zum Ausdruck. Dieses Datei enthält den Text in zwei verschiedenen Varianten. Die Seiten 2-21 ergeben, doppelseitig und im Querformat ausgedruckt und anschließend richtig gefaltet, eine A5- Broschüre. Das klappt natürlich nur, wenn der Drucker auch doppelseitig drucken kann. Eingestellt werden kann das im Druckdialog unter „Eigenschaften“. Alles weitere hängt dann vom Drucker ab. Die Seiten 22-41 enthalten den gleichen Text mit gleicher Seitennumerierung zum einseitigen Ausdruck (ebenfalls Querformat). Zwei aufeinanderfolgende A5-Seiten befinden sich dann jeweils auf einem A4-Blatt nebeneinander. Diese Version ist auch problemlos am Bildschirm lesbar.

Doing Weltmacht. Hinweise zum Ausdruck.unter dem Kapital nur ein flüchtiges, ein verschwindendes Moment seiner Bewegung ist. Es lohnt kaum, sich in den Besitz irgendwelcher Produkte

  • Upload
    others

  • View
    1

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

  • Doing Weltmacht.Hinweise zum Ausdruck.

    Dieses Datei enthält den Text in zwei verschiedenenVarianten.

    Die Seiten 2-21 ergeben, doppelseitig und im Querformatausgedruckt und anschließend richtig gefaltet, eine A5-Broschüre. Das klappt natürlich nur, wenn der Drucker

    auch doppelseitig drucken kann. Eingestellt werden kanndas im Druckdialog unter „Eigenschaften“. Alles weitere

    hängt dann vom Drucker ab.

    Die Seiten 22-41 enthalten den gleichen Text mit gleicherSeitennumerierung zum einseitigen Ausdruck (ebenfalls

    Querformat). Zwei aufeinanderfolgende A5-Seitenbefinden sich dann jeweils auf einem A4-Blatt

    nebeneinander. Diese Version ist auch problemlos amBildschirm lesbar.

  • Doing Weltmacht

    JustIn Monday(CopyLeft) JustIn Monday Productions

    Sommer 2003

    Ökonomisches Interesseund

    Antiimperialismus in Deutschland

    Inhaltsverzeichnis:

    I. „Niedere Interessen" und innerimperialistischeKonkurrenz ........................................................ 2

    II. Was ist ein ökonomisches Interesse? ................... 9

    III. Was soll das mit dem Öl? ................................... 19

    IV. Was wäre wenn? .............................................. 21

    V. Der antiimperialistische Imperialismus................ 27

    VI. Die Bedürfnisse jenseits des Interesses.............. 33

    Impressum: V.i.S.d.P.: Broschüre zum Selberdrucken. Vorlagenbefinden sich auf http://www.geocities.com/gruppenobirds/data/DoingWeltmacht.pdf. Weiterverbreitung in gedruckter Form auchzum Verkauf an Büchertischen, in Infoläden usw. in nichtkommerzieller Form ist gestattet und erwünscht, solange nichtsverändert wird und vor allem dieses Impressum erhalten bleibt.Bei der Weitergabe in gedruckter Form ist dafür Sorge zu tragen,dass eine Downloadquelle der Druckvorlage zur Verfügung stehtund mitverbreitet wird. Ist http://www.geocities.com/gruppenobirds/data/DoingWeltmacht.pdf noch erreichbar, genügtdieser Hinweis. Kontakt: [email protected] Wer einegrößere Menge gedruckter Exemplare haben möchte, kann sichja mal melden, vielleicht läßt sich was koordinieren.Ein herzlichen Dank an alle, die bei der Erstellung des Textesmitgeholfen sowie Fehler und Unklarheiten beseitigt haben.Titelbild aus: Three Kings, USA 1999

  • Ökonomisches Interesse und Antiimperialismus in DeutschlandDoing Weltmacht

    2

    Wenn sich die Linke auch inallem uneinig ist, eint sie docheine Vorstellung: Es ist dies derGlaube an die gesellschaftlicheWirksamkeit "ökonomischer In-teressen". So verwundert esnicht, dass dies auch das ersteKriterium zur Beurteilung derFriedensbewegung ist. So argu-mentiert beispielsweise der Text"Kapitalistische Kriege und kapi-talistischen Frieden bekämpfen!”von einigen autonomen Gruppenaus der Zeck 113. (Nahezugleichlautend unter "Kein Krieggegen den Irak! Kein Frieden mitDeutschland!” auch als Flugblatterschienen.) Das Urteil fällt ent-sprechend hart aus: "Denn umnichts anderes als deutsche wirt-schaftliche und politische Inter-essen geht es der Bundesregie-rung, wenn sie einen Krieg ge-gen den Irak ablehnt”. Diese In-teressen mißachte die Friedens-bewegung: "Wer in der unbe-dingten Ablehnung des geplan-ten US-Kriegs gegen den Irak,die USA mit dem kapitalistischenWeltsystem gleichsetzt, will diehies igen und weltweitenHerrschaftsverhältnisse nichtwahrhaben. Mit Antiamerikanis-mus läßt sich in Deutschlandschnell eine breite Basis finden.Mit emanzipatorischer Politik hatdas nichts zu tun.” Emanzipato-rische Politik im Sinne der Autor-Innen beinhaltet dagegen zu-

    nächst einmal die Einsicht, dassnicht nur die USA "mit dem ka-pita l ist ischen Weltsystemgleich[zu]setzen” sei, sondern –so läßt sich mit nur minimalenAnteil an Unterstellung behaup-ten – eben auch Deutschlandund die EU und letztendlichwahrscheinlich jeder Staat welt-weit. Denn hergeleitet haben dieAutorInnen ihren Begriff desAntiamerikanismus aus der Be-obachtung, dass immer dann,wenn bei den Fr iedens-freundInnen "die Erkenntnisüber diverse Hintergründe” auf-keime, nämlich daß es um "wirt-schaftliche Interessen in einerder ölreichsten Regionen derErde” gehe (so zitiert das Flug-blatt die Landesbezirksfrauen-konferenz von ver.di Berlin),dass also in diesem hellen Mo-ment "immer den USA, aber nie-mals der eigenen Regierung einsolch niederes (!) Interesse” vor-geworfen werde. Der Text in derZeck bezweckt dementspre-chend die Bekämpfung der Ge-samtheit dieser "niederen Inter-essen”, die dann Imperialismusgenannt und seinerseits mit dem"kapitalistischen Weltsystem”gleichgesetzt wird.

    An dieser Stelle hört die Be-hauptung, den AutorInnen gehees nur darum, auch Deutschlandund die EU mit dem Kapitalismus

    I. "Niedere Interessen" undinnerimperialistischeKonkurrenz

    39

    Ergänzendes:

    Pohrt, Wolfgang, Anti-Imperialismus, Anti-Amerikanismus, In: Stammesbewußtsein - Kul-turnation. Pamphlete - Essays - Feuilleton, Berlin 1984, S. 70ff.

    Pohrt, Wolfgang, Durchbruch in die gleiche Richtung, Konkret 01/1992, S. 32. Hier findensich einige Spekulationen in Bezug auf den Charakter des deutschen Imperialismus, ent-wickelt aus der NS-Politik Jugoslawien gegenüber, die sich umgekehrt auch aus der hierdargestellten Position der deutschen Öffentlichkeit zum Irak-Krieg ergeben. Unter ande-rem heisst es dort resümierend: "Wenn heute die Motive für den verbissenen Eifer rätsel-haft bleiben, den Deutschland bei seinen Attacken auf Jugoslawien entwickelt, so des-halb, weil die Politik das Ereignis antizipiert, das sie erklären würde. Als hätte derbevorstehende Kollaps der Weltwirtschaft [im hier behandelten Zusammenhang = Unter-gang der USA als Weltmacht, JM] schon stattgefunden, stellt man sich hier auf Verhält-nisse ein, unter denen die herkömmliche ökonomische Vernunft keine Basis in der Rea-lität mehr besitzen würde. Denn ist der Kapitalismus einmal zusammengebrochen, sogewinnt die Regression eine gewisse Plausibilität, statt in Wertverhältnissen wieder inNaturalien zu denken. Nicht mehr die Höhe des Bruttosozialprodukts, die Außenhan-delsbilanz und die Stabilität der Währung zählen dann. Denkt man sich den internatio-nalen Warentausch weg, so kommt es allein auf die direkte, nicht ökonomisch vermittelteVerfügungsgewalt über Nahrungsmittel, Ackerland, Bodenschätze, Arbeitskraft undandere Ressourcen an. Die neueste Ökonomie ähnelt der ganz alten, wo man sich stattaufs Sparbuch lieber aufs Eingemachte im Keller verließ. An die Stelle der wirtschaftli-chen Konkurrenz zwischen den Nationen tritt wie zuvor im Zeitalter der Dynastien wie-der der Kampf um Gebiete. Der bankrotte Osten und Südosten, den keiner geschenkthaben möchte, der in den noch gültigen ökonomischen Kategorien denkt, verwandeltsich dann in den Lebensraum, von dem die Nazis schwärmten. Wo heute die nackte Notregiert, entstehen vor dem inneren Auge auf der Landkarte schon Kornkammern undErdöllager. Die Welt erscheint als Anhäufung von Beutegut, und sie wird mit den Augendes Plünderers betrachtet. Vergessen wird dabei freilich, daß der existierende Reichtumunter dem Kapital nur ein flüchtiges, ein verschwindendes Moment seiner Bewegungist. Es lohnt kaum, sich in den Besitz irgendwelcher Produkte zu bringen, wenn mannicht auch produzieren kann, wozu wiederum die Einrichtung des entsprechenden ge-sellschaftlichen Produktionsverhältnisses erforderlich wäre." Interessant für ein Verständnisder Probleme der autonomen Imperialismustheorie ist hierbei der Kontrast zu

    Hartmann, Detlef, Völkermord gegen soziale Revolution - Das US-imperialistische Systemvon Bretton Woods als Vollstrecker der nationalsozialistischen Neuen Ordnung, In: Auto-nomie. Materialien gegen die Fabrikgesellschaft. Neue Folge Nr. 14, Hamburg 1985. Ver-sucht sich zwecks eines Vergleichs mit dem "US-Imperialismus" ebenfalls an einer Ein-schätzung der Politik der Nazis in bzw. gegenüber Südosteuropa. Bringt ansonsten zurKenntnis, das die autonome Theoriebildung auch schon mal bessere Tage gesehen hat.

    Sohn-Rethel, Alfred, Ökonomie und Klassenstruktur des Faschismus, Frankfurt am Main1973. Entwickelt einige hier vertretene Überlegungen ausführlich.

  • Ökonomisches Interesse und Antiimperialismus in DeutschlandDoing Weltmacht

    3

    gleichzusetzen, auch schon auf,eine Unterstellung zu sein. EineUnterstellung ist sie, weil dieGleichsetzung einer Gesamtheitvon Interessen, seien sie nunnieder oder nicht, mit dem Ka-pitalismus selbstverständlich et-was anderes ist als die Gleich-setzung mit denen eines Staa-tes. Immerhin implizieren dieverschiedenen Interessen derenKonkurrenz, womit zumindesteine der oberflächlichen Erschei-nungen kapitalistischer Gesell-schaft benannt wäre.

    Als Beispiel für eine ähnlichgelagerte Beschäftigung mit derKonkurrenz von Interessen kanndas ebenfalls "Kein Krieg im Irak– Kein Frieden mit Deutschland”überschriebene, aber "Imperia-listische Gegensätze im Irak-konflikt” untertitelte Flugblattder gruppe demontage gelten.Darin wird der Gegenstand derBehandlung folgendermaßenskizziert: "Mitte März bemühteein Fernsehkommentator für dieBeschreibung der Entwicklung imIrakkonflikt folgendes Bild: ZweiZüge rasten aufeinander zu undkeine der Konfliktparteien ausden USA und Europa sei in derLage, sie aufzuhalten. Bleibt manin diesem Bild, stellt sich die Fra-ge, welche der am Konflikt be-teiligten Parteien mit welcherIntention die Züge aufeinanderzurasen lassen. Um sich den ge-genwärtig am Irakkonflikt aus-getragenen Widersprüchen zwi-schen den verschiedenen impe-rialistischen Ländern nähern zukönnen, ist deshalb ein Blick auf

    die unterschiedlichen ökonomi-schen, politischen und militäri-schen Voraussetzungen dieserAkteure sinnvoll. Dabei wird auchdeutlich, in welchen ideologi-schen Formen die Kontrahentenden Konflikt austragen.” DieseSkizze ist Programm. Währendanzunehmen ist, dass der Fern-sehkommentator aus der Unfä-higkeit der Akteure, die Zügeaufzuhalten, auf verstocktes unduneinsichtiges Führungsperso-nal auf der einen Seite schloss,also vermutlich die Story von dervom Vater ererbten Familien-feindschaft des Bush junior her-vor kramte, möchte gruppedemontage dieses halbseideneNicht-anders-Wollen auf dahin-terstehende ökonomische Inter-essen zurückführen.

    Im weiteren Verlauf changiertder Text dann zwischen zweiWeisen der Darstellung, die sichaus dem Programm ergeben. Aufder einen Seite stehen mit sichselbst identische "Akteure", diewissen und wollen, was sie tunund die weil sie dies wissen, ge-geneinander agieren. Letzteresim Gegensatz zu den ihnenfriedensbewegt Huldigenden.Hierzu werden die "Akteure" inder Logik der Argumentation dergruppe demontage von der ih-nen bekannten Konkurrenz ge-zwungen. Die Beschaffenheitdieses Zwangs – also das, wasjenseits von Wollen und Wissender Akteure liegt – wird aller-dings immer nur gestreift. Ge-schuldet ist dieses Streifen derzentralen Fragen dem politisch

    38

    Verbrauch" verpflichtet, repro-duzieren sie sich auch noch ge-mäß diesen Gesetzten, die derWertform ihrer Arbeitsproduktegeschuldet ist. Ihren ursprüng-lichen Reichtum suchen sie so inihrem Innern, weshalb sie im-merzu an ihrem Seelenheil zuwerkeln haben.

    Die sich selbst als "amerika-nisiert" erlebende deutsche Öf-fentlichkeit, in deren Psycholo-gie das "Wirtschaftswunder"bzw. der "Wille zum Verbrauch"untrennbar mit dem Marshall-plan und damit mit den USA ver-knüpft ist, kümmert sich in der

    Sorge ums islamische Seelenheilvornehmlich ums eigene. Seinersuspekten vermeintlichen Her-kunft wegen droht der notwen-dige "Verbrauch", so die Sorge,permanent in "Konsum" umzu-schlagen. Wer "Kein Frieden mitDeutschland” propagiert, solltediese Sorge ums eigene Seelen-heil weniger als zu radikalisie-rendes Potential betrachten,sondern als Drohung, auch inZukunft an Befreiung nicht in-teressiert zu sein. Sollte sich die-se Befürchtung bei einzelnenBeteiligten als falsch erweisen:Um so besser.

    Glossar:

    Zeck - Regelmäßige Infobroschüre der Roten Flora, Autonomes Zentrum in Hamburg.

    Zitierte Literatur:

    Adorno, Theodor W., Thesen über Bedürfnis, In: Ders., Soziologische Schriften I, S. 392ff,Frankfurt am Main 1979

    Autonome Gruppen, Hamburg, Kapitalistische Kriege und kapitalistischen Frieden bekämp-fen, Zeck 113

    gruppe demontage, Kein Krieg im Irak - Kein Friede mit Deutschland, Zeck 114,www.demontage.org

    Ehrhard, Ludwig, Wohlstand für alle, Düsseldorf, 1957

    Marx, Karl, Das Kapital, MEW 23, Berlin 1962

    Spengler, Oswald, Der Untergang des Abendlandes, zitiert nach Sonderausgabe München1981, Erstausgabe 1918

  • Ökonomisches Interesse und Antiimperialismus in DeutschlandDoing Weltmacht

    4

    löblichen Ziel, die positive Rol-le, die Deutschland und die EUin den Reihen der Friedens-freundInnen spielen, zu demon-tieren. Dies zeigt folgender Satz:"Umgekehrt führt eine Aufwer-tung des Dollars zu einer Erhö-hung des Ölpreises für die ande-ren Länder und kann damit zumSchaden von Konkurrenten ein-gesetzt werden.” Hier gibt eszwar die Mechanismen der Kon-kurrenz, die zu etwas führen –eine Formulierung, in der ein Ei-genleben dieser Mechanismennotwendigerweise mitgedacht ist–, aber diese sind ganz in derHand souveräner ImperialistInn-en, die sie instrumentell zuhandhaben wissen und somit"einsetzen". Damit ist der Ge-danke an das Eigenleben derMechanismen der Konkurrenzauch schon wieder gestrichen.

    Hier zeigt sich, gemessen amBegriff der universellen Konkur-renz, dass obige Unterstellung,dass die AutorInnen der vorlie-genden beiden Texte das Systemder Staaten und jeden Staatweltweit mit dem Kapitalismusgleichgesetzt sehen möchten,zurecht erfolgte. Politisch prak-tisch kann sich diese anti-imperialistische Vorstellung vonder Welt die Gesamtheit immernur als Summe der Interessen,und eben nicht als qualitativ vondiesen unterschiedene Gesamt-heit vorstellen. Das politisch-praktische Problem in diesemFall ist dies: Würde mit dem "je-der Staat weltweit" unmittelbarernst gemacht, fiele zweifellos

    auch der Irak unters anti-imperialistische Verdikt, und daskann ja irgendwie nicht sein.Denn entweder ist der Imperia-lismus ein Verhältnis zwischenunterwerfenden und unterwor-fenen Staaten oder aber die Na-tionalstaatlichkeit selbst ist mitdem Imperialismus so eng ver-bandelt, dass dieser weniger imVerhältnis der Staaten zueinan-der, als im Verhältnis der welt-weiten Staatlichkeit zu der je-weiligen Bevölkerung zu suchenist.

    Eine Konstellation mitGeschichte

    Diese Vorstellungen habenihre Geschichte in den Entwick-lungen des linken Internationa-lismus. Die erste Variante ist dieklassische autonome antiimpe-rialistische Vorstellung, die mitdem Scheitern der nationalenBefreiungsbewegungen desTrikonts, die als nationale ge-siegt und als sozialistische ver-loren hatten, an Attraktivitätverloren hat. Der Natur der Na-tionalstaatlichkeit gemäß kannsie Hoffnungen auf Emanzipati-on immer nur an noch nicht zurnationalen Souveränität vorge-drungene Staaten heften. Bleibtdie Solidaritätsbewegung unre-flektiert an den Objekten ihrer"internationalen Solidarität"hängen sobald sich herausstellt,dass die Erlangung nationalerSouveränität kein Zwischen-schritt zur Befreiung ist, gehtdas Moment der Emanzipationverloren. Heute, an einem histo-

    37

    los ahnen können, dass die Brot-ration keine Ration sein muß.Dementsprechend scheint anden Gershwinplatten anderesfalsch zu sein als die Bedingun-gen, unter denen sie produziertwurden. Genauso wie sie existie-ren, weil der Imperialismus alsSynonym für die aktuelle Gestaltdes Kapitalismus ein Interessean ihrer Produktion hat, er alsozum "Willen zum Verbrauch"verpflichtet, erscheint in ihnendieser Wille als ein ökonomi-sches Interesse am Fortbestehendes Imperialismus. Denn alter-nativ könnten sich die Plattenhier ja auch in Brot dort verwan-deln.

    "Würde ich jetzt nicht den teu-ren Lachs, könnten soundsovieleKinder in der dritten Welt eineHandvoll Reis ..." lautet der zu-gehörige Gedanke. Eine Ver-wandlung, die nur mit der vonWasser in Wein verglichen wer-den kann, weil dies bei gegebe-ner materieller Beschaffenheitder Produktivkräfte unmöglichist. Fabriken und erst recht dieLandwirtschaft s ind keineReplikatoren. Gleichzeitig affir-miert aber dieser Gedanke dieProduktionsverhältnisse, dennnur unter der Bedingung deruniversellen Geltung der Tausch-abstraktion ist es überhauptmöglich, mal eben so Lachsdurch Reis von gleichem Wert zusubstituieren. Wie nah am anti-semitischen Ressentiment wie-derum eine solche ethische Af-firmation der Wertform ist, hatzuletzt, nach allem was an Zu-

    sammenfassungen in den Feuil-letons zu lesen war, wohl TedHonderich mit seinem Traktat"Nach dem Terror" demonstriert.

    Da zudem – bei korrekter Fas-sung des Vergleichs – ja Wein inWasser verwandelt werden müß-te, verschwindet auch noch derGedanke an ein besseres Lebenund die Abkopplung von derMaterialität des Bedürfnisses istperfekt. Wenn die Islamismus-expertInnen der deutschen Öf-fentlichkeit diesem mit Gerech-tigkeit beikommen möchten, istgenau eine solche Abkopplungdie Voraussetzung. Ein Schritt,den der linke Internationalismusungern machen möchte – eswäre auch seine Selbstaufgabe– dem er sich seiner eigenenGeschichte nach aber nicht wirk-lich entgegenstellen kann.

    Viel zu sehr lebt der inter-nationalistische Begriff vom öko-nomischen Interesse und dasdamit verbundene Bild vom Im-perialismus von der Vorstellungeines ursprünglichen Reichtums,der sich wieder einstelle, sobaldder Imperialismus seine Truppenund sein Interesse von ihm ab-zöge. Verzicht (aufs Interesse)hier, schaffe Reichtum dort. Die-ser permanente Aufruf zum Ver-zicht aufs "Objekt der Begierde"trifft sich allzu häufig mit jenerkapitalistischen Ethik die sichentwickelt, weil die Individueneben nicht für sich und ihre Be-dürfnisse, sondern den Gesetzender Dinge gemäß produzieren.Sind die zudem dem "Willen zum

  • Ökonomisches Interesse und Antiimperialismus in DeutschlandDoing Weltmacht

    5

    rischen Zeitpunkt, an dem diezum Nationalstaat mit "eigener"Bourgeoisie befreiten Gegendendieser Welt eher schon wiederzerfallen anstatt in sozialisti-scher oder zumindest keynes-ianisch-sozialdemokratischerBlüte zu stehen, gibt es in die-ser Frage nicht viel zu holen.Ganz hart gesottene versuchenes dann noch mit dem "palästi-nensischen Volk" – mit aller an-tisemitischen Konsequenz.

    Antinationalismus undAntiimperialismus

    Die zweite Variante ist auf derBasis linker Kritik der nationa-len Befreiungsbewegungen ent-standen. Ein markanter Punktdieser Entwicklung innerhalb der90er Jahre in Deutschland ist dieDebatte um das Buch"Postfordistische Guerilla" dergruppe demontage. Sie ist inverschiedenen Spielarten dieaktuellere und sympathischere.Gleichzeitig treibt sie aber daspolitisch-praktische Problem aufdie Spitze, denn in dem Maße,in dem sich die Aggressivität desImperialismus am Verhältnis derStaaten zu ihrer jeweiligen Be-völkerung mißt, schneiden, ausder Perspektive individuellerökonomischer Interessen gese-hen, die klassischen Imperiali-sten erstaunlich gut ab. Dennwer möchte schon lieber im Irakals in den USA oder einem derreicheren Staaten der EU woh-nen?

    Der radikal antinationalen Kri-tik des antiimperialistischenBefreiungsnationalismus a lagruppe demontage, die diesesProblem impliziert, gingen ähn-liche Wendungen innerhalb desklassischen Antiimperialismusder 80er Jahre voraus. DieseWendungen haben dem späterenBruch mit dem klassischen Im-perialismus durchaus vorgear-beitet. Die Vorarbeit, die derklassische Antiimperialismus sei-nem Widerpart leistete, ergabsich aus dem Paradeproblem derNeuen Linken, der selbst gestell-ten Aufgabe der subjektiven"Vermittlung". Vermutlich in derHoffnung, den BewohnerInnender Metropolen die Erfahrungenzu vermitteln, die ihrer Vorstel-lung nach mit dem Imperialis-mus in der Peripherie zu machenwaren, entwickelte sich ein Bildvom Alltagsleben in den Metro-polen, nach dem jede eigeneErfahrung von Unterdrückungnach dem Muster des Imperia-lismus vonstatten ging. Der Cheferschien so als imperialistischerRäuber an der Arbeitskraft unddie Bullen, überhaupt jedesStaatspersonal, als Handlangerdes Imperialismus. Feministi-sche Gruppen beschrieben staat-liche Geburtenkontrolle als äu-ßeren Eingriff auf Frauenkörper.Die Stelle der Imperialisten nah-men hier die Ärzte bzw. die For-scher im Bereich Gen- undReproduktionstechnologien ein.Zentraler Topos war der Begriffder Enteignung. Enteignet wur-de die weibliche Gebärfähigkeit,die Arbeitskraft und, ganz allge-

    36

    Produktion der Gesellschaft ver-langt wird – also in der Ausbil-dung. Die erleichterte Reproduk-tion, die die Gesellschaft den inder Ausbildung befindlichen ge-währt, ist nichts als ein Vorschußauf zukünftiges Funktionieren.

    So zur Auseinandersetzungmit der eigenen Subjektivitätgezwungen, ergibt sich eine sehrviel radikalere Perspektive aufdie Zumutungen der gesell-schaftlichen Totalität als die Ar-beiterbewegung sie je gehabthat – wenn es zu einer Kritiküberhaupt noch kommt. In denMittelpunkt der Kritik kann dieGewalt rücken, die sich die In-dividuen im Verlauf der Vermitt-lung ihrer Bedürfnisse mit denökonomischen Gegebenheitenanzutun gezwungen sind. Nicht,dass diese nicht schon immerThema bürgerlicher wie proleta-rischer Selbstreflexion gewesenwäre. Politisch organisierbar wiein der antiautoritären Bewegungwar sie aber zuvor nicht. DieKritik dieser Gewalt schließt dieKritik des Ökonomischen als sol-ches mit ein und befindet sichdamit jenseits der Interessen.Ein ökonomisches Bedürfniskann es nicht geben bzw. wenn,dann besteht es ausschließlich inder Verneinung des Interesses,wie sie der Antimaterialismusheute praktiziert.

    Die Internationale in den Me-tropolen und damit auch die Vor-stellungen von Imperialismushat diese Entwicklung gehörigdurcheinander gebracht und da-

    bei den Internationalismus pro-duziert, denn: "Die Frage nachder Sofortbefriedigung des Be-dürfnisses ist nicht unter denAspekten gesellschaftlich undnatürlich, primär und sekundär,richtig und falsch zu stellen, siefällt zusammen mit der Fragenach dem Leiden der gewaltigenMehrheit aller Menschen auf derErde. Wird produziert, was alleMenschen jetzt, hier am drin-gendsten brauchen, so ist manallzu großer sozialpsycholo-gischer Sorgen wegen der Legi-timität ihrer Bedürfnisse entho-ben. Diese Sorgen entstehenvielmehr erst, wenn sich boardsund bevollmächtigte Kommissio-nen etablieren, die Bedürfnisseklassifizieren und unter dem Ruf,der Mensch lebe nicht vom Brotallein, ihm einen Teil der Brot-ration, die als Ration immerschon zu klein ist, lieber in Ge-stalt von Gershwinplatten zutei-len.” (Adorno, Theodor W., The-sen über Bedürfnis, in: ders., So-ziologische Schriften, S. 395,Hervorh. im Original) Hier liegtdie kommunistische Motivationbegründet, vom Interesse denAbstand zu gewinnen, den die-ses gegenüber den Individuenund ihren Bedürfnissen hat. Derlinke Internationalismus hat sichmit einem Problem herumzu-schlagen das entsteht, weil dieideelle eine Menschheit, die derInternationalismus proklamierenmuß und die Adorno hier prokla-miert, in der Wirklichkeit selbst-verständlich nicht existiert. DieGershwinplatten bekommen die-jenigen zugeteilt, die problem-

  • Ökonomisches Interesse und Antiimperialismus in DeutschlandDoing Weltmacht

    6

    mein, die lebendige Subjektivi-tät und ihre Identität.

    Die Ambivalenz dieser Versu-che bekam zuallererst die femi-nistische Bewegung gegen Gen-und Reproduktionstechnologienzu spüren. Schnell war klar, dassdie zu agitierenden Frauen sichvon den als Imperialisten mar-kierten Ärzten und Technologenkeineswegs unterdrückt fühlten,sondern deren Technologien alsMittel individueller Familienpla-nung recht gerne in Anspruchnahmen. Anstatt der Welt dieÜbel des Imperialismus am ei-genen Leib vor Augen zu führen,hatten die AktivistInnen ehersich selbst die Ansicht einesGroßteils der hiesigen Bevölke-rung vor Augen geführt, dass essich mit dem Imperialismus rechtgut und vor al lem selbst-bestimmt leben ließe. So gerietrecht bald die Vorstellung vonSelbstbestimmung selbst in denMittelpunkt der Kritik, allerdingsnur, um sie fortan zu den Mit-teln des Imperialismus zu zäh-len. Wenn aber die Selbstbestim-mung der Individuen nur einherrschaftlicher Trick war – eineErfahrung, die zur vermehrtenRezeption poststrukturalis-tischer Theorie führte – dann, sodie naheliegende Rückübertra-gung auf die Herkunft des Bil-des, war es die nationale Selbst-bestimmung im Trikont ebenso.Somit lag es nahe, auch dieStaatlichkeit der unterdrücktenStaaten, in deren Rahmen dienationale Selbstbestimmung vorsich gehen sollte, zum Imperia-

    lismus hinzuzuzählen. Was hiereinerseits zwangsläufig er-scheint, hatte andererseits sei-nen Ausgangspunkt völlig ne-giert, weswegen sich zwangsläu-fig ein Bruch mit denjenigen er-geben mußte, die am Ausgangs-punkt festhalten wollten.

    Der Ausweg aus dieser Sack-gasse ist ein scheinbar simplerund macht noch einmal den Be-griff der Enteignung stark: Derwestliche Reichtum basiere aufdem Raub am Reichtum derStaaten des Trikonts, weshalbder dortige Imperialismus (hierin der Tendenz schon immeridentisch mit Staatlichkeit) garnicht die Chance habe, sofreundlich kulturindustriell zustrahlen, wie er das beispielswei-se in den USA tut. An dieser Vor-stellung ist die Zauberformel der"politischen und ökonomischenInteressen" gebildet, mit derauch die hier behandelten Texteihre Differenz zur Friedensbewe-gung herbeizaubern.

    Was als Ausweg erscheint,führt aber gleichzeitig noch vieltiefer in die Sackgasse hinein.Das Ergebnis ist eine begriffsloseVorstellung von imperialisti-schen, ökonomischen odersonstwie Interessen in der allesin eins fällt: Staatliches Handeln,Politik, Ökonomie und die Inter-essen der Einzelkapitalien kön-nen nur noch mit Mühe ausein-ander gehalten, geschweige dentheoretisch bestimmt werden.Zwar werden die unterschied-lichsten Einzelinteressen aufge-

    35

    ein Wirtschaftsminister derarti-ges predigt, ist dies das sichereZeichen dafür, dass es endgültigan der Zeit ist, "daß Strebennach Rationalisierung und Lei-stungsverbesserung” als unnö-tig zu erachten und Arbeit, denlebendigen Träger dieser Ratio-nalität, nicht mehr länger alsNaturnotwendigkeit zu sehen. Indieser Konstellation kann sichder Subjektivismus entfalteten,der die Politik der Neuen Linkenund hier insbesondere denspontaneistisch/Autonomen Flü-gel und ihre Vorstellung vomImperialismus bestimmte.

    Was so entsteht, ist der realeSchein einer Wahlmöglichkeitzwischen Arbeit und Konsum aufder einen oder weniger Arbeitund weniger Konsum auf deranderen Seite. In diesem Scheinbesteht die "Autonomie", die dasautonome Selbstverständnisausmacht. Der Verzicht auf dieRationalität des ökonomischenGesamtzusammenhangs – vonder kritischen Theorie als objek-tives Verhängnis und subjektiveRegression analysiert – er-scheint den Einzelnen als ihrsubjektives Vermögen und liefertsie so der instrumentellen Ver-nunft aus. So verwandelte dieGestalt des auf Massenkonsumgeeichten produktiven Kapitalsdie Frage nach den eigenen In-teressen in eine nach den eige-nen Bedürfnissen.

    Wahres und falschesBedürfnis

    Es entsteht der Wunsch, ansich selbst eine Trennung wah-rer und falscher Bedürfnisse voll-ziehen zu können und herauskommt – nicht nur dieAlternativbewegung der 80erhat es demonstriert – die Denun-ziation "materieller Bedürfnisse"als Falsche. "Sein" statt "Haben"sei angesagt. Liefen wir nichtimmer der materiellen Repro-duktion (die Produktion alsZwang scheint ja "ausgeschal-tet") unseres Lebens hinterher,so der Gedanke, gestalteten sichauch unsere persönlichen Bezie-hungen besser, wäre der Konsumnicht Reproduktion sondern Ge-nuß und das Bedürfnis nach Re-produktion nicht patriarchal. Esist dies kein absolut falscherGedanke, wäre er nicht unterdem Schein der freien Wahl, derin den Metropolen den der Kon-kurrenz durch Integration er-setzt hat, der Anreiz, mit derSuche nach der Ausmerze derfalschen Bedürfnisse noch stren-ger fortzufahren – denn Glückund Genuß sind ja noch nicht.Nicht zufällig vergeht diese Vor-stellung regelmäßig, wenn es dieneuen Lebensumstände nachAbschluß des Studiums erzwin-gen. Es zeigt sich dann, dass derSchein der Autonomie so, wie erin der autonomen Subkultur ge-lebt werden kann, sich nur so-lange positiv fassen läßt, solan-ge von den Individuen, die dieAutonomie für sich in Anspruchnehmen, noch kein Beitrag zur

  • Ökonomisches Interesse und Antiimperialismus in DeutschlandDoing Weltmacht

    7

    zählt und als "verschiedene For-men" von Interessen bezeichnet,letztlich fallen aber durch dieverschiedenen gesellschaftlichenSphären des staatlichen (außen-politischen) Handelns, der Poli-tik und der Ökonomie unter-schiedlich formbestimmte Mo-mente in eins.

    Der linkeInternationalismus unddie Friedensbewegung

    Die Qualität der Friedensbe-wegung besteht im Idealfall, alsowenn sie gerade keine nationa-le Erweckungsbewegung hervor-ruft – in Deutschland also nie –darin, diesen ideologischen Breizum guten Gefühl zu adeln. So-mit steht die über ökonomischeInteressen formulierte Differenzzur Friedensbewegung auf äu-ßerst schwachen Füßen. Denn imgleichen Zug, in dem die mate-riellen ökonomischen Interessender Menschen im Trikont vermit-tels des Begriffs der Enteignungins Spiel gebracht werden – diezu allerletzt als "niedere" abzu-werten sind – entwickelt sicheine Tendenz zur Verurteilungökonomischer Interessen über-haupt, die sich durchaus mit demantimaterialistischen Ressenti-ment der Friedensbewegungverbinden kann. Zwar benennteine Position wie die der auto-nomen Gruppen den Kern desRessentiments, nämlich das Aus-spielen des "niederen" Interes-ses gegen die eigene kulturelle,also höherstehende Qualität.Daraufhin wird aber kein Loblied

    gesungen auf die Möglichkeiten(und noch nicht Wirklichkeit) desReichtums zur Produktion undBefriedigung schönster Bedürf-nisse, die jedem autoritärenCharakter Schauer über denRücken laufen ließe vor lauterDekadenz. Statt dessen tragendie FlugblattschreiberInnen den-jenigen, die wie im Krieg gegenJugoslawien ausschließlich fürhehre höhere Werte wie dasMenschenrecht auf kulturelleIdentität und ethnische ReinheitBomben fallen sehen möchten,vor, dass es der linke Interna-tionalismus ist, der dem "niede-ren" Materiellen im Gegensatzzur Bundesregierung wirklichabhold sei. Diese Message ergibtsich aus der Anlage der Argu-mentation, der der Nachweis ei-nes ökonomischen Interessesausreicht, um eine Kriegs-gegnerschaft zu begründen.

    Friedensbewegung und linkerInternationalismus stehen in ei-ner ambivalenten Differenz zu-einander. Diese besteht wohldarin, dass die Friedensbewe-gung zum Vorwurf der hem-mungslosen Bereicherung, diedie InhaberInnen der imperiali-stischen, also US-amerikani-schen, Interessen betrieben,gelangt, indem sie diese an ih-rem, in Deutschland zu "Gerech-tigkeit" regrediertem, Ideal mißt.Demgegenüber besteht die Lin-ke darauf, dass das bürgerlicheIdeal in hemmungsloser Berei-cherung besteht, während sieihre eigenen Ideale jenseits des-sen wähnen. Einen Hinweis auf

    34

    bildend und besorgte die Popu-larisierung des Neoliberalismus.Aufschlußreich für diese Be-trachtung ist, wie er im Kapitel"Verführt Wohlstand zum Mate-rialismus?” (S. 211ff, von dortal le nun folgenden Zitate,Hervorh. im Original) zu beru-higen weiß: "Manche Erfahrun-gen auch in anderen Ländernstimmten skeptisch und lehren,daß die Freizeit , d iewiderspruchsvollerweise aus demWunsch nach erhöhtem materi-ellen Konsum heraus gefordertund gewährt wird, weder demSeelenheil des einzelnen Men-schen noch seinem äußerenGlück diente.” Die Befürchtung,zum Materialismus verführt zuwerden, habe also seine Berech-tigung, erst recht wegen der"besondere[n] deutschen[n] Si-tuation”, die sich ihm als altemNazi und neuem Bundeswirt-schaftsminister 1957 folgender-maßen darstellte: Das deutscheVolk neigt wohl überhaupt dazu,das Gefühl für die Realitätenrecht schnell zu verlieren, eineCharakterschwäche, die uns ge-rade auch in jüngster Vergan-genheit zum tragischen Ver-hängnis geworden ist. Es magpsychologisch verständlich er-scheinen, daß mit der Überwin-dung der Not und gar der Hoch-konjunktur da und dort Anzei-chen einer Hybris zu spüren sind.Um so mehr gilt es diese zurück-zudämmen, damit unser Volk,das in der Not die bewunderns-wertesten Tugenden entfaltet,Zeiten des Glücks wirklich ertra-gen kann.” Schwere, seelenlose

    Zeiten stehen also bevor. Ertra-gen werden muss nichts schreck-licheres als Glück, aber es gibtHoffnung. Denn was sein mussist der "Wille zum Verbrauch”:Der Zustand einer in Permanenzoptimal ausgelasteten Wirt-schaft, die zugleich auch dieWachstumskräfte lebendig hal-ten und im Fortschritt bleibenwill, setzt allerdings eine dyna-mische und im Grunde konsum-freudige Bevölkerung voraus.Erst dieser von mir oft ange-schnittene Wille zum Verbrauchgestattet es, daß sich die Produk-tion ohne Störungen fort-entwickeln kann und daß dasStreben nach Rationalisierungund Leistungsverbesserung le-bendig bleibt.” Wäre ja wohl ge-lacht, wenn das Leben nicht einSchicksal Spenglerschen Ausma-ßes bereit gehalten hätte bevoralles im Wohlleben erschlafft.Wie die westliche Demokratieließ sich so sogar der materielleReichtum ertragen. Auf dieserBasis ließ sich dann die absurdeÜberlegung formulieren, dass "jebesser es uns gelingt, den Wohl-stand zu mehren, um so selte-ner werden die Menschen in ei-ner nur materiellen Lebensfüh-rung und Gesinnung versinken.”

    Der reale Schein derAutonomie

    Wo die Produkte des Reich-tums unmittelbar Befehl sind, istKonsumverweigerung Befehls-verweigerung und damit nichtvöllig zu unrecht linke Angele-genheit. In dem Moment, in dem

  • Ökonomisches Interesse und Antiimperialismus in DeutschlandDoing Weltmacht

    8

    das Ausmaß dieser ambivalen-ten Differenz gibt der autonomeUmgang mit den Produkten deswestlichen Reichtums. Trotz ge-genteiliger Elemente im autono-men Symbolhaushalt ("... undSahne obendrauf"), so mancherpoplinken Aufladung der kultu-rellen Symbole des Reichtumsund Chumbawamba kann er sichnicht von Vorstellungen trennen,dass diese zu verachten bzw. zuignorieren seien denn sie exi-stierten ja nur, weil der Impe-rialismus ein Interesse an ihnenhabe. Die Verwendung des Be-griffs Enteignung zeigt diesesProblem ebenfalls: Zu enteignenwaren nun nicht mehr – klas-sisch marxistischer Programm-punkt, ohne den keine antikapi-talistische Bewegung auskom-men wird – die Privateigen-tümerInnen an den Produktions-mitteln. Ganz im Gegenteil wur-de dem Kapitalismus=Imperia-lismus Enteignung vorgeworfen,was impliziert, dass die Men-schen schon alles hätten, was ihrGlück ausmachen könnte undüber die Spießbürgerweisheit,dass Geld allein auch nichtglücklich macht, nicht hinauskommt. Es handelt sich dabei umeine Verkehrung, die die Indivi-duen schicksalhaft zur (Selbst-)verwirklichung ihrer kapitalisti-schen Substanz bestimmt. Auchdie gegenüber ökonomischenKategorien weitgehend resisten-te Rezeption des Poststruktura-lismus – der zumindest im Zweigder Postcolonial Studies aus die-ser Konstellationen seine Vor-stellung von Subjektivität be-

    zieht – hat diese Verkehrungnicht rückgängig machen kön-nen. Zwar weisen poststruktura-listische Positionen die Schick-salhaftigkeit des Selbst als "Kon-struktion" zurück, indem sie dieUnmittelbarkeit und letztlich dieExistenz der angeblich vom Im-perialismus enteigneten Gegen-ständlichkeit bestreiten und soden Begriff der Enteignung un-sinnig machen. Dies geschiehtaber noch immer auf der Basisdieser Verkehrung, was dazuführt, dass die postmodernenIndividuen gar kein Aussen mehrzu kennen, also von keiner vomPrivateigentum bestimmten öko-nomischen Gegenständlichkeitmehr getrennt zu sein scheinen.

    Diesem impl iz i ten Ant i-materialismus wird mit Flugblät-tern wie den vorliegenden, wel-che ihre Kritik an der europäi-schen Außenpolitik einzig daraufgründen, dass auch hier Materi-elles im Spiel sei, keineswegsentgegengearbeitet. Das Minde-ste wäre eine kurze Andeutungpolit-ökonomischer Gründe, wasdie Verfolgung dieser Interessenimpliziert und warum wir underst recht die Menschen imTrikont keine Hoffnungen in siesetzen sollten. Warum also derReichtum in der Warenform undals Privateigentum, als der ervorliegt und in der die USA denihren vermehren wollen (nicht:zu der die USA ihn machen wol-len), nicht so beschaffen ist, dasser zur weltweiten Produktionund Befriedigung der Bedürfnis-se taugt.

    33

    nächsten Anlauf nicht geänderthat. Sicherlich, der neue deut-sche antiimperialistische Impe-rialismus ist momentan nur alseiner der EU möglich und außer-dem anders ans internationaleRecht gebunden als der natio-nalsozialistische. Gerade letzte-res, die Verteidigung des nie so,wie die deutsche Öffentlichkeites gerade herbei phantasiert,existent gewesenen internatio-nalen Rechts hebt aber auch dieantimaterialistische Pointe aufeine neue Stufe. Dass wenig vonden Menschenrechten zu haltenist, weil sich auch angesichts ih-rer Geltung trefflich verhungernlässt, wie beispielsweise ThomasEbermann immer mal wiederbemerkt, galt schon immer. Dass

    es aber zu diesen Rechten ge-hören soll, materiell knapp ge-halten zu werden, weil anson-sten irgendwelche kulturellenEigenarten flöten gehen könn-ten, ist neu. Genau das kommtaber heraus, wenn beispielswei-se die islamistisch verwaltetenkapitalistischen Elendsgebietedeswegen unangetastet bleibenmüssen, weil jemand ein ökono-misches Interesse an ihnen ha-ben könnte, neben die Pipelinealso einen McDonalds stellenmöchte. Es mag andere Gründegegen einen militärischen Angriffauf den Irak gegeben haben, ei-nige davon habe ich angedeu-tet, aber genannt wurde bisherim wesentlichen genau dieser.

    VI. Die Bedürfnisse jenseitsdes Interesses

    Dass der McDonalds a) ehernicht gebaut werden wird und b)wenn doch in großem Maßstab,die marxistische Kritik des Kapi-tals ihren historischen Aus-gangspunkt wiedergefundenhätte, den Klassenkampf, in demdie Internationale das Men-schenrecht erkämpft, verweistallerdings darauf, dass es mit derAbkehr vom allzu positiven Be-zug aufs materielle Interesseauch so seine kommunistischeBewandtnis hat.

    Auch von dieser Einsichtsteckt etwas in der autonomenBilderwelt, die auf ein problema-

    tisches Verhältnis zu den Gegen-ständen des kapitalistischenReichtums hinweist. Zumindestgruppe demontage konnte damitauch mal umgehen, als sie zurSelbstbeschreibung den Begriffdes "kommunistischen Kosmopo-litismus" wählte.

    Vermittelt ist diese Einsichtallerdings nur als politischer Re-flex, weil sie ihren Ausgangs-punkt in einer Wendung gegendie neoliberale "sozialen Markt-wirtschaft" in der post-faschistischen Demokratie hat.Ludwig Ehrhards "Wohlstand füralle" war hier durchaus stil-

  • Ökonomisches Interesse und Antiimperialismus in DeutschlandDoing Weltmacht

    9

    II.Was ist ein ökonomischesInteresse?

    Der Kern dieses Problemsscheint in der anti-imperialistischen Konzeptionvom imperialistischen/ ökonomi-schen Interesse selbst zu liegen.Geprägt ist diese nicht nur voneiner Identität der Einzelinter-essen mit den staatlichen, son-dern von einer äußerst schlich-ten Vorstellung davon, wie die-se Identität zustande kommt.Verursacher und Nutznießer solldie imperialistische Macht selbstsein. Ein Gedanke, der eine un-vermittelte Identität von Wollenund Können der Imperialistenimpliziert. Genau dagegen rich-tet sich die folgende Argumen-tation.

    Mit dem Niedergang des pro-letarischen Klassenkampfs sindsich alle relevanten Strömungender Linken darin einig, dass dieAuswirkungen ökonomischer In-teressen als wenig segensreicherundweg abzulehnen sind. Hierhat die oben skizzierte Konstel-lation ihren Ausgangspunkt.Unverkennbar gehören ihr auchdie orthodoxen leninistisch-trotzkistischen Sekten an, diemit Parolen wie "Arbeit statt Pro-fite" die Denunziation des Reich-tums im Namen der Schuftereioffen auf Demos vor sich her tra-gen.

    In Bezug auf die Auswirkun-gen ökonomischer Interessen

    hatte die Arbeiterbewegung bzw.hatten ihre marxistischen Theo-retiker durchaus noch zu unter-scheiden gewußt. Auf der einenSeite standen die Interessen derBourgeoisie und ihnen entgegendie Interessen des Proletariats.Bei beidem handelt es sich umInteressen innerhalb eines undbestimmt durch ein gesellschaft-liches Ganzes. Allein schon die-se Einheit im Gegensatz, die diePraxis des Klassenkampfs prak-tisch auszeichnete, zwang zurQualifizierung der Interessenund nicht zur akademischen Dif-ferenzierung.

    Interessen sindqualifizierbar

    Die heute übliche Differenzie-rung erblickt die Qualität darin,dass es sich beim Gegenstandder wissenschaftlichen Betrach-tung um ein Interesse handelt,welches dann in Untergruppenunterteilt werden kann. Demge-genüber besteht die Qualität ei-nes Interesses für den histori-schen Materialismus nicht dar-in, Interesse schlechthin zu sein,sondern in der Stellung der je-weiligen Interessen zum gesell-schaftlichen Fortschritt. Wäh-rend das Interesse der Besitzerder Produktionsmittel das Fort-bestehen der bürgerlichen Ord-nung zur Folge habe, führe dasder Proletarier zu ihrer Aufhe-

    32

    genüber so absolut gar nichtsnützt. Denn dass der Jude inDeutschland Demokrat war,wusste man ja schon immer, alsonimmt es wenig Wunder, dass eres in Israel jetzt auch ist. Alsohat er selbst dort innerlich ver-neint, wo er aufbauen wollte undwegen des "Gefühls von der Not-wendigkeit dieses wechselseiti-gen Mißverstehens” kam es also"zu dem furchtbaren, tief ins Blutgedrungenen Haß, der sich ansinnbildliche Merkmale wie Ras-se, Lebenshaltung, Beruf, Spra-che heftet, und beide Teile, sooft diese Lage bisher eingetre-ten ist, verzehrt, verdorben undzu blutigen Ausbrüchen getrie-ben hat.” Wer kennt sie nicht,die in jeder Tagesschau auftau-chende Rede von dem abgrund-tiefen Hass auf beiden Seiten.Dass dieser nicht mehr ins Blutdringt, liegt wohl mehr am Er-satz der Rassebiologie durch dieBiotechnologie und weniger anaufgeklärter Einsicht seitens derDeutschen.

    Allein mit diesem Zitat ließensich noch etliche Motive derpostfaschist ischen SichtDeutschlands auf sich und dieWelt bearbeiten und auch dieanderen einschlägigen Texte der„konservativen Revolution" der20er-Jahre, für die Spenglersoetwas wie eine Initialzündungwar, verraten einiges unerfreu-liche über den Werdegang heu-tiger deutscher Wirklichkeit.Dies auszuführen, dafür ist hiernicht der Platz. Festzuhalten istzunächst einmal nur, dass sich

    die Suche nach dem imperiali-stischen Hauptfeind im eigenenLand in Deutschland um einigeFallen kümmern muss. In dietappt nahezu zwangsläufig, werinnerhalb der Friedensbewegungals deren radikaler Teil agitierenund gleichzeitig den Imperialis-mus mit antiimperialistischemGefühlshaushalt im eigenenLand angreifen möchte.

    Auch dieser ant i-imperialistische Gefühlshaushaltist beherrscht von der Macht-phantasie einer Übereinstim-mung von Wollen und Können,nur ist hier ein anderes Wollenzu unterstellen. Es ist dies ebenkein im obigen Sinne ökonomi-sches, kein in der eigenen Wahr-nehmung an Reichtum und Pro-fit interessiertes, weil es vomMoment der Ohnmacht gegen-über der Krise und ihrer Objek-tivität seinen Drang zur realenMacht - jenseits der Phantasie -entwickelt. Als solches ist esauch zufrieden, wenn es nur zer-stört. Dazu passt, das da, wozuletzt Deutsche als "Befreier"einmarschierten, im Kosovo, kei-ne Plünderungen stattfanden,sondern als erste Maßnahme diedort wohnenden SerbInnen,Sinti und Roma sowie Jüdinnenund Juden vertrieben wurden.Hauptsache, innerlich Zugehöri-ge bejahen.

    So verhielt es sich mit demdeutschen Imperialismus zumin-dest beim letzten Mal und essteht zu befürchten, dass sichallzu viel beim anstehenden

  • Ökonomisches Interesse und Antiimperialismus in DeutschlandDoing Weltmacht

    10

    bung. So zumindest der dyna-mische Teil der Sache, denn derletzte Satz läßt sich auch andersformulieren, ohne dabei falscheroder richtiger zu werden. Eben-so könnte er lauten: Währenddas Interesse der Besitzer derProduktionsmittel das Fortbeste-hen der bürgerlichen Ordnungist, ist das der Proletarier ihreAufhebung.

    Auf der Seite des Proletariatsführte die Differenz des Gehaltsdieser beiden Sätze zum klassi-schen Problem der Vermittlungder Klasse an sich zur Klasse fürsich. Das die Verfolgung der ei-genen Interessen zur Aufhebungführt, es also an sich ist, müs-sen die Proletarier erst wissen.Erst wenn sie dieses Wissen be-sitzen, ist dies ihr Interesse. Die-se Vermittlung ist die politischeAufgabe der kommunistischenPartei. Aus dieser Konstellationheraus wird es erklärlich, war-um der marxistisch geprägtenLinken Politik immer nur subjek-tive Zutat zum Ökonomischenwar und bis heute ist.

    Auf der Seite der Bourgeoisieverweist die Differenz zwischeneinem Interesse, dessen Verfol-gung zur Aufrechterhaltung derbürgerlichen Ordnung führt, undeinem, welches in dieser Auf-rechterhaltung besteht, unmit-telbar zum politischen Gehaltder bürgerlichen Ökonomie.Wenn heute zu betonen ist, dasses sich beim Kapital (dem Buch)und seinen Vorarbeiten um eineKritik der politischen Ökonomie

    handelt, dann verweist das nichtdarauf, dass Marx der ökonomi-schen bürgerlichen Theorie diepolitische Seite hinzu addierthätte, sondern auf das Selbst-verständnis der von ihm kriti-sierten. Sie waren politischeÖkonome in dem Sinne, dass siedachten, dass die Handlungender Politik die segensreichenWirkungen des freien Waren-tauschs zur Geltung kommenlassen müßten anstatt sie, wiedie feudalen Mächte, zu behin-dern. Der Segen sollte in einerständigen Steigerung des"Reichtums der Nationen" beste-hen. Eine Reichtumssteigerung,die durch nichts hervorgerufensein sollte als durch die Einhal-tung der Gesetzte des Waren-tausch und der von ihnen er-zwungenen, durch die immerweiter reichende Teilung der Ar-beit vermittelte Steigerung derProduktivität der Arbeit.

    Der Widerspruch im bürgerli-chen Interesse verweist auf dieDifferenz zwischen dem Bour-geois, dessen erfolgreich verfolg-tes Interesse an seinem Reich-tum zum Fortbestand der bür-gerlichen Ordnung führen soll,weil diese Ordnung die Gestaltdes Reichtums voraussetzt, unddem Staatsbürger, dessen Inter-esse diese Aufrechterhaltung ist.Mit der subjektiven Seite diesesInteresses verhält es sich kom-plizierter als beim Proletariat,weil sich die in Staatsbürger undBourgois gespaltenen Bürgerden Kopf ums Ganze machenmüßten, den sich dagegen die

    31

    Tradition, an der selbst der Neo-liberalismus der 50er-Jahre ffteilhat. Gerade der Eintritt desökonomischen Erfolgs ist es, derdie deutschen BetrachterInnenabstößt. Ihr Problem ist, das die-jenigen Macht zu erlangen undBeute zu machen scheinen, diedie "altgermanische Freude” dar-an gar nicht empfinden können.

    Das in den deutschen Medienpermanent prognostizierte wieerhoffte Scheitern der USA, so-wohl während des Krieges alsauch beim "Wiederaufbau" trägtdiese Züge in postfaschistischerGestalt. Dafür ist eine direkteParteinahme für "die Araber"gegen die USA nicht nur nichtnötig, sondern auch hinderlich.Die Liebe zur fremden Kultur, wiesie ein Peter Scholl-Latour anden Tag zu legen sich bemüht,ist durchaus eine rassistische. ZuEhren kommen "die Anderen"nur dann, wenn s ie a lsProjektionsfläche der eigenenHerrschaft zur Verfügung ste-hen. Dafür werden sie dann aberum so inniger dafür geliebt, dasssie es beispielsweise erlauben,die Vorstel lung wiederzu-beleben, dass die "Begriffe Ver-fassung, Parlament, Demokratie”manchen einfach nicht wesens-eigen sind und die als US-ame-rikanisch identifizierte Entnazi-fizierung also doch irgendwieZwang war, also Teil des Schick-sals, dem sich zu fügen Großesverheißt. Nicht aus humanisti-schen Gründen haben die Deut-schen ihre Vergangenheit bewäl-tigt, sondern ihrer Zukunft als

    Großmacht wegen. Die herbei-gesehnte neue Rolle verlangtsubjektive Verarbeitung der al-ten: "Den Arabern darf die De-mokratie nicht wesenseigensein, weil sie es uns auch nichtwar" ist der aus Staatsräson ver-drängte und somit unbewußteWunsch, der die Berichterstat-tung über den Nachkriegs-Irakleitet.

    So klärt sich, warum Leute,deren politischer Horizont an-sonsten jenseits der Demokra-tie das reine Nichts vermutet,eben nicht in Jubelschreie aus-brechen, wenn George Bush ju-nior der arabischen Welt ebendiese verspricht, sondern zu500.000 in Berlin auf die Stra-ße rennen und "Bush = Hitler"Plakate nicht für eine post-faschistische Einverständniser-klärung mit der Welt und ihren"Herausforderungen" haltensondern für einen legitimen Aus-druck ihres schlichten Gemüts.Ob sie dabei bejammern, dassdie USA jetzt einen Führer ha-ben während sie den ihren nichteinmal betrauern konnten odereinen antifaschistischen Feldzuggegen die USA vom Zaun bre-chen wollen, sei hier mal dahin-gestellt. Es ist dies wahrschein-lich der Unterschied zwischen"Bush = Hitler" und "Hitler =Bush."

    Genauso macht es übrigensverständlich, warum das Argu-ment, dass Israel ja die einzigeDemokratie im Nahen Osten sei,den deutschen Demokraten ge-

  • Ökonomisches Interesse und Antiimperialismus in DeutschlandDoing Weltmacht

    11

    staatsfet ischist ische, zumVaterlandsverrat unfähige Arbei-terbewegung immer gemachthat. Die Theoretiker der politi-schen Ökonomie betonen, dassdie Reichtumssteigerung ein all-gemeines Produkt der Verfol-gung der bourgeoisen Privatin-teressen ist, welches die einzel-nen weder kennen noch bewußtin ihre Handlungen einplanenmüssen. Hierfür steht das Bildder unsichtbaren Hand, welchesMarx zur Erkenntnis dechiffrierthat, dass sich der gesellschaftli-che Zusammenhang der Indivi-duen in der bürgerlichen Gesell-schaft hinter dem Rücken derIndividuen vollziehe.

    Während also der Bourgeoisnichts wissen muß und letztend-lich nicht einmal kann, ist diesfür den Staat, wenn er im Mo-ment der Krise die bewußtenInteressen an der Aufrechterhal-tung des Ganzen vertreten undzur Geltung kommen lassen soll,absolut vorrangig. Wie soll derStaat etwas erhalten, dessenCharakteristik er nur in Gestaltder oberflächlichen Einzelinter-essen kennt, die ihre Forderun-gen an ihn stellen? Vom Stand-punkt des Bourgeois und demGegenstand der politischen Öko-nomie her eine nach rationalenGesichtspunkten unmöglich zulösende Aufgabe. Diesen funda-mentalen Widerspruch leugnetbeispielsweise gruppe demon-tage, wenn sie Wissen und Wol-len der imperialistischen Akteu-re über ihre gesellschaftlicheLage so unterstellt, wie es sich

    die Arbeiterbewegung fürs Pro-letariat gewünscht hat. Zudemimpliziert sie, dass eine Welt-macht wie die USA oder auch dieEU jedes ökonomische Interes-se verwirklichen könne, wenn siestark und brutal genug wäre.Heraus kommt dann das Bild,dass sich im imperialistischenStaat das Für sich eines bürger-lichen An sich, des Profit-interesses, verkörpere. Die Vor-stellung, dass jemand vermittelsdes Staates die Marktmecha-nismen, die zunächst einmal aufdie Einzelkapitale und nicht aufdie Staaten wirken, zum Scha-den von Konkurrenten einsetzenkönnte, trennt die Dynamik derVermittlung von der Identität,die die Akteure herzustellenwünschen.

    Die Differenz liegt in derRealität der Vermittlung

    Zu betonen ist zunächst ein-mal der unterschiedl icheRealitätsbezug dieser beidenvom Marxismus der Arbeiterbe-wegung qualifizierten Interes-sen. Während die Vermittlungder beiden Pole des Interessesim Fall des Proletariats ihre Kraftaus der Zukunft schöpft, findetsie auf der Seite der Bourgeoi-sie immer schon statt. Als ge-sellschaftlicher Prozeß ist sieWirklichkeit, und zwar die Wirk-lichkeit, unter deren Bedingun-gen sie das Proletariat produ-ziert. Dies rechtfertigt es, dieGesellschaftlichkeit selbst "bür-gerliche Gesellschaft" zu nen-nen. Während er die Kräfte der

    30

    Wesen der magischen Nation amvergleichbarsten sind. Deshalb ister in Deutschland Demokrat undin England - wie der Parse in In-dien - Imperialist. Genau dassel-be Mißverständnis liegt vor, wennder Westeuropäer die Jung-türken und Reformchinesen fürGeistesverwandte, nämlich für‚konstitutionell‘ hält. Der inner-lich zugehörige Mensch bejaht imletzten Grunde doch selbst dort,wo er zerstört; der innerlichfremde verneint, selbst wo eraufbauen möchte. Was dieabendländische Kultur in ihrenKolonialgebieten durch Reformeneigenen Stils vernichtet hat, istnicht auszudenken, und ebensovernichtend wirkt das Judentum,wo es auch eingreift. Das Gefühlvon der Notwendigkeit dieseswechselseitigen Mißverstehensführt zu dem furchtbaren, tief insBlut gedrungenen Haß, der sichan sinnbildliche Merkmale wieRasse, Lebenshaltung, Beruf,Sprache heftet, und beide Teile,so oft diese Lage bisher einge-treten ist, verzehrt, verdorbenund zu blutigen Ausbrüchen ge-trieben hat." (Untergang desAbendlandes, S. 954f, Hervorh.im Original)

    Gegen die Macht des Schick-sals stellt sich der deutschenIdeologie ein Imperialismus,wenn er "landfremd" und "inner-lich fremd", d.h. dem "jüdischenconsensus" entsprungen ist. Mitdieser antisemitischen Pointewird Imperialismus zum Syn-onym für "verneinenden Auf-bau", zur Zerstörung innerer

    Zugehörigkeit. Vor dem Hinter-grund, dass für Spengler und dendeutschen Imperialismus dieWelt nicht nur in Ordnung, son-dern erhaben und großartig ist,wenn "eine Privatwirtschaft mitihrer altgermanischen Freude anMacht und Beute” das Schicksalbestimmt, wird in der Ablehnungdes "consensus" das Ressenti-ment gerade gegen das ökono-mische Moment des Interesseserkennbar, dem die bürgerlicheHumanität ihre Substanz genau-so wie ihren Rassismus verdank-te. Das vermittelnde, in Bezugauf ökonomische Interessen un-bestimmbare Ganze des Kapitalsexistiert bei ihm doppelt, näm-lich einmal unmittelbar in denFormen des Schicksals, dem sichdie Menschen willentlich undohne materielles Interesse zuunterwerfen haben indem sie sieals ihr Innerstes anerkennen,und einmal als etwas entfrem-dendes, a ls " jüdischerconsensus". Schon sprachlichsteht der "consensus" für die li-berale Harmonie des Ganzen.Weil die Einheit dieses Ganzenohne Kampf zu existieren scheint- weshalb diejenigen, die an ihmteilhaben sollen, alle "entfrem-dende" Gewalt zerstörerischnach aussen richten können -zieht sein Wirken den Hass der-jenigen auf sich, die diese Ein-heit für ihre "innere Form" hal-ten und sich dazu bestimmt se-hen die Welt so zuzurichten wiesich selbst. Hiermit steht Speng-ler keineswegs alleine. Vielmehrist dies eines der zentralen Mo-tive der deutschen antiliberalen

  • Ökonomisches Interesse und Antiimperialismus in DeutschlandDoing Weltmacht

    12

    Bourgeoisie zur Entfaltungbringt – wir befinden und nochimmer in der Blütezeit des Kapi-tals – vermittelt er das Proleta-riat nur negativ. Das Privateigen-tum an Produktionsmitteln er-zwingt die dauernde Teilhabe aneiner Gesellschaft, deren sach-licher Reichtum immer nur fürandere produziert wird. Deutlichwird diese Differenz an der un-terschiedlichen Stellung imWarentausch. Auch die Privatei-gentümer der Produktionsmittelproduzieren nicht für sich bzw.lassen nicht für sich produzie-ren, sondern für andere. Es istdies das Wesen der bürgerlichenArbeitsteilung und wer will schonall die Keksdosen, die in der ei-genen Fabrik hergestellt werden,behalten. Also muß getauschtwerden. Auch die Charakter-masken des Kapitals sind zurTeilhabe an der Gesellschaft ge-zwungen, aber wenn sie dieserfolgreich bewerkstelligen, sichihr in den Produktionsmittelnvergegenständlichtes Kapitalalso als markttaugliches be-währt, erhält es sich nicht nur,sondern es wächst. Und nur imWachsen kann es sich erhalten,was bereits Adam Smith beton-te. Diese – keineswegs streßfreie– Möglichkeit der Erhaltung desReichtums durch Vermehrung,bestimmt das bürgerliche Inter-esse, hieraus ergibt – oder viel-mehr ergab – sich seine Quali-tät.

    Anders das proletarische In-teresse, denn die Teilhabe derProletarierInnen am gesell-

    schaftlichen Ganzen fällt keines-wegs zu ihren Gunsten aus. Im-mer wieder bleiben sie vomReichtum so getrennt, dass siesich ihre materielle Beschaffen-heit als Arbeitskraft immer wie-der aufs neue sichern müssen.Hieraus ergibt sich die Qualitätihres Interesses, was häufigdazu geführt hat, dieses einmaterielles zu nennen.

    Die Einheit ebenso

    Das gemeinsame dieser bei-den Positionen ist, wie bereitsausgeführt, der die Reichtums-produktion vermittelnde und denReichtum immer wieder an sichbindende gesellschaftliche Pro-zeß, der beide Interessen alsverschiedene bestimmt. Der Be-griff des ökonomischen Interes-ses selbst, abzüglich der ver-schiedenen Qualitäten, ist andieser Stelle noch eine schlech-te Abstraktion, weil sich das"ökonomisch" nicht auf das ge-meinsame Wesen dieser Inter-essen bezieht, sondern äußerlichdurch den Gegenstand bestimmtist, an dem ein Interesse be-hauptet wird. Genau als einesolche schlechte Abstraktion, wiesie das Lebenselexier der gängi-gen Soziologie ist, behandelt diegruppe demontage die Interes-sen aber, wenn sie von einem"aktuellen Konflikt um den Irak"schreibt. Gegenstand des Kon-flikts, der dann auch nicht pri-mär einer zwischen den USA unddem Irak ist sondern eben zwi-schen den USA und der EU istdie wertvolle Sache "Irak" – auch

    29

    entscheidet nicht einmal der be-wußte Wille des einzelnen oderganzer Klassen und Völker. Dieexpansive Tendenz ist ein Ver-hängnis, etwas Dämonisches undUngeheures, das den spätenMenschen des Weltstadiumspackt, in seinen Dienst zwingtund verbraucht, ob er will odernicht, ob er es weiß oder nicht."Die "modernen Deutschen" sei-en „das glänzende Beispiel einesVolkes, das ohne sein Wissen undWollen expansiv geworden ist."(Zitate aus "Der Untergang desAbendlandes, S. 51ff und S. 70f)

    Imperialistische Politik zu be-treiben – Spenglers politischereAufsätze dienten in der Mehrzahldem Zweck, Deutschland nachder "Schmach von Versailles"wieder zu seiner ihm angemes-senen Größe zu verhelfen – undsich dabei antiimperialistisch zufühlen, ist angesichts einer sol-chen Machtphantasie keines-wegs ein Widerspruch.

    Antisemitismus undabstrakter Reichtum

    Das Bindeglied hierbei warund ist auch heute der Antise-mitismus. Im Kapitel "Problemeder arabischen Kultur" weiß erzu berichten: "der moderne Eu-ropäer [meint bei Spengler nichtdie Deutschen, siehe unten]blickt überall durch die BegriffeVerfassung, Parlament, Demo-kratie hindurch auf fremdeSchicksale, obwohl die Anwen-dung solcher Vorstellungen aufandere Kulturen lächerlich und

    sinnlos ist, und der Angehörigedes jüdischen consensus verfolgtdie Geschichte der Gegenwart,die nichts ist als die der über alleErdteile und Meere verbreitetenfaustischen Zivilisation, mit demGrundgefühl des magischenMenschen, selbst wenn er vondem abendländischen Charakterseines Denkens fest überzeugtist.

    Da jeder magische consensuslandfremd und geographisch un-begrenzt ist, so sieht er unwill-kürlich in allen Kämpfen um diefaustischen Ideen des Vater-lands, der Muttersprache, desHerrscherhauses, der Monarchie,der Verfassung eine Rückkehrvon Formen, die ihm innerlichdurchaus fremd und deshalb lä-stig und sinnlos, zu denen, wel-che seiner Natur gemäß sind;und aus dem Wort international,das ihn begeistern kann, hört ereben das Wesen des landlosenund grenzenlosen consensusheraus, ob es sich nun um So-zialismus, Pazifismus oder Kapi-talismus handelt. Wenn für dieeuropäisch-amerikanische De-mokratie die Verfassungskämpfeund Revolutionen eine Entwick-lung zum zivilisierten Ideal be-deuten, so sind sie für ihn - wasihm so gut wie nie zu Bewußt-sein kommt - der Abbau all des-sen, was anders ist als er. Selbstwenn die Macht des consensusin ihm erschüttert ist und dasLeben seines Wirtsvolkes eineäußere Anziehung bis zuwirklichem Patriotismus auf ihnübt, so ist seine Partei doch im-mer diejenige, deren Ziele dem

  • Ökonomisches Interesse und Antiimperialismus in DeutschlandDoing Weltmacht

    13

    hier ist nur eine klitzekleineUnterstellung am Werk – und dieBengels streiten sich darum, werin Zukunft die Beute machendarf. Weil der Irak wertvoll istbzw. weil es auf bzw. unter sei-nem Grund und Boden wertvol-les gibt (wie gut, dass alle wis-sen was gemeint ist), so die Lo-gik von gruppe demontage, be-stimmen ökonomische Interes-sen den Konflikt. Auf dieser Ba-sis sagen sie dann für die Zu-kunft Stellvertreterkriege zwi-schen den USA und der EU vor-her. Im Bezug auf die Friedens-bewegung und den Wunsch, alsihr radikaler Flügel in ihr zu agi-tieren, fällt auf diese Weise alsNebenprodukt auch noch dieMöglichkeit ab, sich um die Ant-wort auf die Frage zu drücken,wer denn im Konflikt USA-Iraksiegen soll. Eine Frage, dieFriedensbewegte aber wohl sel-ten stellen, denn wenn der Amigerade nicht Weltunterjochentut (doing Weltmacht, vgl. Hans/Frantz/Iselbrock im sicherlichbald erscheinenden Sammel-band Poststrukturalismus fürPolitologInnen), herrscht ja Frie-den, gibt’s also gar keinen Kon-flikt. So schön kann die Weltsein.

    Eine solche, von der schlech-ten Abstraktion bestimmtepauschalisierende und diffamie-rende Rede vom "ökonomischenInteresse" kann zunächst einmalnur als Verrat am Klassenkampfbezeichnet werden. Dies trifftzweifellos auch zu, wenn sich inden platteren Varianten "Impe-

    rialismus" und "unterdrückteVölker" gegenüber stehen.

    Soll die Rede vom ökonomi-schen Interesse irgendeinenSinn machen, ist ein Blick aufdas vermittelnde Ganze zu wer-fen, aus dem sich die Interessenals solche ergeben und zu demsie eben nicht zu summierensind. Gerade im Bezug auf In-teressen bleibt dessen Totalitätaber zunächst einmal unbe-stimmt. Hier kommt die unsicht-bare Hand ins Spiel, von der sichnichts anderes sagen läßt, alsdas sie es schon richte, also dieeinzelnen Interessen segens-reich miteinander in Bezug setzt,wenn denn der immer schon vor-ausgesetzten Neigung der Men-schen zum Warentausch poli-tisch freie Hand gelassen wer-de. Als Kritiker der politischenÖkonomie vermag es Marx, die-sen Bezug der Interessen zuein-ander von ihren Subjekten zulösen – was einer Erkenntnisgleichkommt, denn in der kapi-talistischen Wirklichkeit habensich die Interessen von ihrenTrägerInnen emanzipiert – undals den Gesetzen des Tausch-werts folgende objektive Eigen-schaften der Waren zu entzif-fern. Aber auch bei ihm bleibtdas Ganze im Bezug auf Inter-essen unbestimmt, es existiertals automatisches Subjekt Wert.

    Der Segen der unsichtbarenHand ist im weiteren Verlauf derbürgerlichen Gesellschaft nieeingetreten und wird es auch inZukunft nicht tun. Durch dieBestimmung von Marx erweist

    28

    nen Land die Gefahr besteht,nichts als antimaterialistischeAntiimperialistInnen zu finden,darauf sei dann zur Sicherheitdoch noch verwiesen. Zum Bei-spiel mit einem längeren Zitatdes für die deutsche Geisteshal-tung wie für den Nationalsozia-lismus nicht gerade unwichtigenOswald Spengler. Hieran läßtsich hervorragend demonstrie-ren, dass die Rede vom Impe-rialismus und vom ökonomi-schen Interesse in der deutschenIdeologie einen ganz eigentüm-lichen Charakter annimmt undin der Vergangenheit keinesfallsin Gegensatz zu eigenen impe-rialistischen Ambitionen stand.Angesichts der Tatsache, dassder aktuelle Aufbau einer EU-Armee neben der NATO gerademit dem Konflikt mit den USA umden Krieg gegen den Irak undder darin bewiesenen Friedens-liebe begründet wird, ist es an-gebracht, dies in Erinnerung zurufen. Die Bilder, die sich diedeutsche Öffentlichkeit – also dieFriedensbewegung und ihre Mi-litärexperten – vom Wirken derUSA im Irak macht, hat durch-aus etwas von Spenglers Vorstel-lungen.

    Der "Imperialismus" ist ihm"das typische Symbol des Aus-gangs [...], reine Zivilisation",also "das Dasein ohne innereForm. Weltstadkunst als Ge-wohnheit, Luxus, Sport, Nerven-reiz. Schnellwechselnde Stil-moden ohne symbolischen Ge-halt”, heute also durchaus "Ame-rikanismus", aber: "In dieser Er-

    scheinungsform liegt unwiderruf-lich das Schicksal des Abendlan-des.” Zwar mag Spengler denInhalt dieser Form, also dendinglichen Reichtum nicht, wes-halb er ihn als „Äußerlichkeiten"verschmähen und der „innerenForm" entgegenstellen muß. DieForm selbst aber, die er zumSchicksal hypostasiert, hat esihm angetan. Das liest sich dannso: "Wer nicht begreift, dass sichan diesem Ausgang nichts än-dern läßt, daß man dies wollenmuß oder gar nichts, daß mandies Schicksal lieben oder an derZukunft, am Leben verzweifelnmuß, wer das Großartige nichtempfindet, das auch in dieserWirksamkeit gewaltiger Intelli-genzen, dieser Energie und Dis-ziplin metallharter Naturen, die-sem Kampf mit den kältesten,abstraktesten Mitteln liegt, wermit dem Idealismus eines Provin-zialen herumgeht und den Le-bensstil verflossener Zeitensucht, der muß es aufgeben,Geschichte verstehen, Geschich-te durchleben, Geschichte schaf-fen zu wollen.” (Hervorh. im Ori-ginal) Die Großartigkeit desSchicksals selbst setzt die Diffe-renz: “Der kultivierte Mensch hatseine Energien nach innen, derzivilisierte nach aussen [...] Errepräsentiert den politischen Stileiner ferneren, abendländischen,germanischen, insbesonderedeutschen Zukunft. [Das] Wort‚Ausdehnung ist alles‘ enthält indieser napoleonischen Fassungdie eigentlichste Tendenz einerjeden ausgereiften Zivilisation.[...] Hier gibt es keine Wahl. Hier

  • Ökonomisches Interesse und Antiimperialismus in DeutschlandDoing Weltmacht

    14

    sich allerdings, dass es sich beiihr um mehr handelt als um einHirngespinst des frühen Bürger-tums, an welches geglaubt wer-den kann wie an das Wirken ei-nes Gottes. Sie ist die affirmati-ve Spekulation auf die Auswir-kungen der universellen Konkur-renz, für die der Liberalismuseintrat und deren Folgen fürSmith wie für Marx offensicht-lich waren. Die Möglichkeit derErhaltung des Reichtums durchVermehrung, die s ich denKapitaleignerInnen darbietet, istgleichzeitig ein Zwang, und wassie erzwingt ist die Rationalisie-rung der Produktion und denökonomischen, am Tauschwertorientierten Umgang mit denDingen, zu denen von nun anauch die Menschen gehören. Ausdieser Notwendigkeit herauswandte sich das Bürgertum ge-gen die unökonomische Ver-schwendung des Adels als auchgegen die Unproduktivität derpotentiellen Arbeitskräfte, dieals Proletariat noch nicht sorecht taugten. Hier setzt die Ge-schichte der sozialen Disziplinie-rung der Arbeitskraft ein.

    Nur in diesem Zusammenhangmacht es Sinn, verallgemeinerndvon ökonomischen Interessenzu reden. Hierin, in diesem realexistierenden Zusammenhang,in der beiderseitigen Teilhabe ander Realabstraktion Wert liegtdas gemeinsame Wesen beiderInteressen. Ökonomisch ist einInteresse nicht, weil es sich aufeinen Gegenstand gesellschaft-lichen Reichtums bezieht – also

    beispielsweise irgendein Werk-zeug oder eine Maschine oderein Rohstoff – sondern weil diebisherige dingliche Gestalt deseigenen Reichtums die Verwen-dung eines solchen Geräts oderRohstoffs und von Arbeitskrafterzwingt. Damit das versachlich-te Interesse an den Mitteln derProduktion aber ein ökonomi-sches sein kann, müssen dieseselbst den Gesetzen des Tausch-werts gemäß, also für den Tauschmit anderen, produziert sein. Sotreiben die Dinge die Menschenund bestimmen ihr Verhältniszur Welt und so setzt sich dasKapitalverhältnis selbst voraus.

    Der Widerspruch imInteresse

    Bestimmt ist mit diesem Zu-sammenhang aber auch die wi-dersprüchliche Beschaffenheitdes ökonomischen Interesses,sobald es sein Subjekt, welchesals Charaktermaske agiert, ge-funden hat. Ökonomisch undInteresse stehen im Widerspruchzueinander, wei l es denInhaberInnen der Interesseneben nicht um die pausenloseRationalisierung ihrer Produkti-on, sondern um den Erhalt ihresReichtums geht. InhaberInnender Interessen sind sie, weil siedie EigentümerInnen ihres Ka-pitals sind. EigentümerIn aber istkein Begriff der Ökonomie, son-dern einer des Rechts. Selbstdort, wo das bürgerliche Indivi-duum ökonomisch bestimmt ist,steckt Notwendigkeit der Politik,die unter bürgerlichen Bedin-

    27

    V. Der antiimperialistischeImperialismus

    Deutlich hingewiesen sei nocheinmal auf den "Was wäre wenndie antiimperialistische Vorstel-lung vom imperialistischen öko-nomischen Interesse zuträfe"-Charakter obiger Argumentati-on. Dann – und nur dann – wäreden US-amerikanischen Ambi-tionen vorbehaltlos zuzustim-men, sprich eine Antikriegs-position lässt sich daraus gera-de nicht ableiten. Zu kritisierenwäre nur die Ungerechtigkeit,dass der imperialistische Segendes "sogenannten Amerikani-schen International ismus”(Gruppe demontage und US-amerikanische Selbstbeschrei-bung. Daniel Cohn-Benditnennts "demokratischen Bol-schewismus”, der der Partei desdemokratischen Sozialismuswahrscheinlich zu radikal ist.)nicht dem kompletten Trikontzugleich zutei l würde.KommunistInnen müssten dannnicht auf das von der kapitali-stischen Produktion hervorgeru-fene Elend auf der Welt verwei-sen sondern hätten dann das zutun, was der selbstbewusste Li-beralismus andauernd von ihnenverlangt, nämlich den Beweisanzutreten, dass eine andereProduktionsweise die menschli-chen Bedürfnisse besser befrie-digt. Angesichts einer Produkti-onsweise, die die ganze Welt ansich bindet und einem Großteil

    der Menschen diese Befriedigungnicht einmal mehr schlecht er-laubt, ist die Forderung einessolchen Beweises heute aller-dings lächerlich.

    Jede Aufforderung, die Inter-vention zu unterlassen, kämedann einem "Arbeitsplätze nurfür Deutsche" gleich. "Ihr habteure ökonomischen Interessengefälligst hier zu haben" ist derGedanke, der die deutsche Gei-ßelung der Vaterlandslosigkeitdes Kapitals begleitet und dieStandortkonkurrenz reflektiert."Beutet mich aus, aber erinnertmich dabei nicht daran, dass ichmir vom Produkt meiner Arbeitja auch materielles Glück ver-sprechen könnte" ist eine derSehnsüchte, die den deutschenSozialcharakter umtreibt. EineSehnsucht, die mit seinem Ras-sismus und Antisemitismus inwesentlichem Zusammenhangsteht.

    Dass die Autonomen Gruppenund die gruppe demontage nichtvon diesem Schlag sind und sichdiese Sehnsüchte auch nicht wieLinksruck zu eigen machen, in-dem sie an sie appellieren, istbelegt dadurch, dass sie den im-perialistischen Hauptfeind imeigenen Land suchen. Dass aberbei der Suche nach dem impe-rialistischen Hauptfeind im eige-

  • Ökonomisches Interesse und Antiimperialismus in DeutschlandDoing Weltmacht

    15

    gungen als Organisation desRechts beschrieben werdenkann. Sie ist die Form der Herr-schaft über die nichts als Reich-tum darstellende weil in immer-währender Produktion befindli-che Welt. Von dieser Seite herbetrachtet, nehmen dieEigentümerInnen ihr Recht anihrem Eigentum wahr. Sie ma-chen also subjektiv das, zu demsie die Beschaffenheit ihresReichtums, also die Art der ge-sellschaftlichen Verhältnisse, indenen sie stehen, zwingt. Einerecht genaue Vorstellung diesesSachverhalts ergibt sich, wenndie Rede davon, dass Menschenihre Interessen verfolgen, wört-lich genommen wird. Wer dasRecht am Eigentum an Pro-duktionsmitteln in Anspruchnehmen möchte, muß den sichdaraus ergebenden Interessenandauernd hinterher hecheln.Möglicherweise auch bis in dieWüste des Irak.

    Im Gegensatz zu dieser Cha-rakteristik des bürgerlichenReichtums implizieren die hierkritisierten Betrachtungen impe-rialistischer ökonomischer Inter-essen, dass es sich bei diesennicht um Interessen aus beste-hendem Eigentum handelt, son-dern um solche an zukünftigemEigentum der Imperialisten. Jenach Ausrichtung befindet sichin der antiimperialistischen Vor-stellung dieses zukünftige Eigen-tum in einem unbürgerlichenZustand, oder es gehört noch (!)jemand Anderem.

    Die erste Variante redet vonSubsistenzökonomie und Roh-stoffen im Trikont, die imperiali-stisch angeeignet werden. Impe-rialismus ist hier eine böswilligeArt zu handeln. Damit wird dieursprüngliche Akkumulation desKolonialismus in die Gegenwartverlängert. Doch falsch ist andieser Vorstellung im Wesentli-chen nicht die falsche historischeEinordnung. Wenn das zukünf-tige Eigentum wirklich aus un-bürgerlichen Zuständen hervor-gehen soll, also aus solchen ohnePrivateigentum an Produktions-mitteln und ohne die Existentdoppelt freier Lohnarbeiter-Innen, geht der Begriff der Ent-eignung schlichtweg an der Sa-che vorbei. Genau genommenbehauptet eine solche Klage so-gar die bürgerlichen Zuständeals vorgesellschaftliche. Auf die-ser Basis und aus der Hoffnungheraus, dass die antikolonialenBewegungen der zweiten Hälftedes 20. Jahrhunderts in soziali-stischen Staaten enden würdenergab sich eine facettenreicheÜberblendung vermeintlich vor-bürgerlicher Zustände mit denerhofften nachbürgerlichen. EinSprung, der nach marxistischerOrthodoxie ein unmöglicher ist.Als wäre diese Frage nicht längstvom Kapital durch seine weltwei-te Ausbreitung praktisch ent-schieden, bestimmte dessen vor-gestellte Möglichkeit die Debat-ten der Neuen Linken zu Fort-schritt und Entwicklung. Marxselbst stellte sich dieses Problemam Beispiel von Russland.

    26

    nur aufs Neue organisiert wer-den wird – weil die in ihr vertre-tenen Kapitale aufgrund ihresVertrauens in die Potenz ihresKapitals zwar sicher sind, ihrensie über den Globus hetzendenInteressen im Irak habhaft zuwerden, diesem herrschaftlichenWollen aber kein Können ent-spricht, bzw. wenn dies der Fallist, der ökonomische Vorteil inGestalt der Eigenschaften desbereits existierenden Kapitalsbereits bestand. Die Propagan-da von einer Befreiung des Irakverspricht zuviel und die "jungeWelt" merkt nicht einmal, dasssie das von den USA gegebeneVersprechen noch einmal toppt,wenn sie "US-Bundesstaat Irak"titelt und damit amerikanischePläne zur "US-Nachkriegs-herrschaft" meint. Vielleicht soll-ten mal diejenigen, die in der"junge Welt" über europäischeund amerikanische Flüchtlings-pol i t ik schreiben, ihrenKollegInnen mitteilen, dassdann, wenn diese Prophezeiungeingetroffen ist, die kurzfristigenHoffnungen vieler Flüchtlingeauf amerikanische Staatsbürger-

    schaft erfüllt wäre. Und das ganzohne Flucht. Oder gelten Flücht-linge neuerdings als Vaterlands-verräterInnen, weil sie Zufluchtbeim imperialistischen Feind su-chen?

    Demokratie nach westlichemMuster, die den Metropolen an-gemessene Herrschaftsform, istvor diesem Hintergrund ein na-hezu uneinlösbares Verspre-chen. Einlösbar wäre es nur,wenn die antiimperialistischeGrundannahme in Bezug aufsökonomische Interesse zuträfe,wenn Wollen und Können garan-tiert zusammenkämen. Ein sol-cher Zustand bestünde aber inder liberalen, von der unsicht-baren Hand vermittelten Harmo-nie der Interessen und existier-te nicht als absolute Machtvoll-kommenheit, unter der er imantiimperialistischen Weltbildfungiert. Angezeigt wäre damitein Zustand, in dem ökonomi-sche Interessen eben nicht alsGanzes zu verwerfen wären,sondern zu bestimmen wären alswelche, die ganz nebenbei Pro-duktion und Befriedigung mate-rieller Bedürfnisse organisieren.

  • Ökonomisches Interesse und Antiimperialismus in DeutschlandDoing Weltmacht

    16

    Enteignung findet im Spätka-pitalismus zwar statt, aber nurim Verlauf der Monopolisierungder Produktion. Die macht abernicht den Reichtum eigentums-los, wie es kommunistisches Pro-gramm zu sein hätte, sondernenteignet die alten Klein-eigentümer zugunsten der Akti-engesellschaften. Es ist dies einProzess, der für die ökonomi-schen Inhalte des nationalsozia-listischen Antisemitismus vonzentraler Bedeutung war. DieAgitation mit der "Brechung derZinsknechtschaft" beruhte bei-spielsweise auf einer vor-gesellschaftlichen Vorstellungdes Reichtums derjenigen Klein-eigentümer, die ihre Kreditenicht zurückzahlen konnten,weshalb in der Überblendungvorbürgerl icher mit nach-bürgerlichen Zuständen auchantibürgerliche Motive des NSauftauchen. Wenn, wie auf ei-ner Hamburger Friedens-Demogeschehen, Schilder mit der Auf-schrift "Erst das irakische Öl unddann unser Trinkwasser" gezeigtwerden, liegt es durchaus nahe,darauf zu spekulieren, das hierdie Assoziationskette von "Trink-wasser" über "lebensnotwendi-ger Körperbestandteil" und "Öl"hin zu faschistischen Vorstellun-gen über die Einheit von Mus-kelkraft und Maschine verläuft.

    Relevanter für diese Betrach-tung ist die zweite Variante,nämlich die Vorstellung, dasssich der zukünftige Reichtum derImperialisten noch im Besitz

    dann vom Imperialismus betrof-fener Anderer befindet. Verwie-sen ist mit der Vorstellung vondiesem Zukünftigen zunächsteinmal auf etwas, was in der bis-herigen Betrachtung des ökono-mischen Interesses nur als Ne-giertes vorkam. Es ist dies derProfit. Wenn hier bisher die Rededavon war, dass sich das Ökono-mische als Gegensätzliches zueinem Interesse am Erhalt desReichtums ergibt, impliziert dies,dass der aus der ökonomischenVerwertung des Reichtums ent-springende Mehrwert nicht imInteresse der BesitzerInnenliegt. Dies ist selbstverständlichnicht der Fall.

    Der Profit

    Tatsächlich spricht zunächsteinmal viel dafür, den Profit dersubjektiven Seite der Charakter-maske, unter Umständen sogarals Hauptantrieb, zuzuordnen.Trotzdem ist dagegen ein we-sentlicher Einspruch zu erheben,denn entstehen kann Profit nurdurch Vernutzung fremder Ar-beitskraft, also in dem Moment,in dem sich die EigentümerInnender souveränen Verfügung überihren Reichtum aus ihrem Inter-esse am Erhalt entledigen.Schon die eigene Erfahrung mitden Spargroschen verrät es.Während das Geld Zuhause inder Schublade liegt, verliert esan Wert. Damit das nicht pas-siert, muß es zur Bank gebrachtwerden, damit diese es inve-stiert. So wird es mehr, wennnicht gerade Telekom-Aktien

    25

    der Produktion von Waffen, mitdenen b) "Güter" zerstört wer-den könnten und der Neubauwiederum bringe Profit. Dasssich das einzelne Charakter-masken so zurecht reimen magja sein, nur ist das a) äußerstunökonomisch, weil zunächsteinmal Kapital zerstört wird(Waffen verwerten sich nicht unddie kaputten Bauwerke warenebenfalls Teil irgendeines Kapi-tals) und b) bliebe zu erklären,warum das Geld aus der Über-akkumulation nicht einfach einzusätzliches Haus bauen kann.Die Erklärung ist einfach undführt wieder zu obigen Ausfüh-rungen zurück: Weil die Nach-frager nach dem Haus den Baubezahlen müssen, es nütztnichts, wenn nur das über-akkumulierte Kapital genug zumvorschießen hat. Und wer nurnoch ein kaputtes Haus hat,kann darauf nicht mal eine Hy-pothek aufnehmen.

    Es hilft alles nichts: Ohne Ver-wertung kein Wert und ohnebereits realisierten Wert auf dereinen Seite keine Wert-realisierung auf der anderen. DieÖlförderung alleine kann einesolche funktionierende Kapital-verwertung nicht garantieren,schon gar nicht auf dem beste-henden hohen Stand der Pro-duktivkräfte. Sie macht anson-sten aber den Unterschied zwi-schen Staaten wie dem Irak undanderen, vom Weltmarkt abge-koppelten Staaten, in denentrotzdem die Gesetze der Wert-verwertung herrschen. Zwar ist

    der aus der Ölförderung gewon-nene Reichtum nichtakkumulationsfähig, das ist nurdie durch die Produktion des Ölsgeschaffene Armut, reicht aberaus, um eine autoritär regieren-de Elite an der Macht zu halten.

    Vor diesem Hintergrund machtes Sinn, wenn der Premiermini-ster der Regionalregierung Kur-distan im Irak, Barham Salim, ineiner Rede vor dem sozialdemo-kratischen Socialist Internatio-nal Council die Vermutung, dasses den Alliierten ums Öl gehenkönnte gar nicht erst als Grundgegen den Krieg anerkennt underwidert, wenn dem so wäre, seidas eben eine glückliche "Ironiedes Schicksals”: "Sollte dies derFalls sein, warum nicht? Das Ölwäre dann ein Segen und keinFluch mehr, der es so lange war.”(dokumentiert in konkret 4/2003, S. 47) Eine ressentiment-freie Einschätzung, wie sie inDeutschland unmöglich er-scheint. Ein Niveau, auf das sichdie hiesige PDS und der klassi-sche Antiimperialismus erst malbegeben müssen, bevor ersterewieder ohne schlechtes Gewis-sen als sozialdemokratischkritisierbar ist.

    Aus einer kapital ismus-kritischen Perspektive jenseitssolcher entwicklungspolitischenHoffnungen macht es durchausSinn, zu befürchten, dass es derkriegsführenden Allianz letztlichnur ums Öl gegangen sein wird– also voraussichtlich die auto-ritäre Trennung vom Reichtum

  • Ökonomisches Interesse und Antiimperialismus in DeutschlandDoing Weltmacht

    17

    gekauft wurden. Ein "einfach nurbehalten" gibt es nicht. Ökono-misch handeln, also ihr Interes-se verfolgen, müssen dieEigentümerInnen (oder stellver-tretend die damit beauftragteBank / Aktiengesellschaft oderwer auch immer), während ihrKapital den Formwechsel G-W-G‘ vollzieht. Also immer wiederneu bzw. bis zur Pleite, denn Gkommt ja als G‘ zurück. Außer-halb der souveränen Verfügungder EigentümerInnen befindetsich das Kapital während diesesFormwechsels, weil diese arbei-ten lassen (müssen, sonst gibt’skeinen Mehrwert sondern nurProduktionsmittel für den eige-nen Job) und dabei den einen Teilvon ‚W‘, die Arbeitskraft, dazuzwingen, sich dem anderen Teilvon ‚W‘, den Maschinen undArbeitsmaterialien gegenüber, sozu verhalten, als seien es dieihren. Eine notwendige Fiktion,die die Arbeitskräfte aus Sichtder EigentümerInnen nie wahrmachen dürfen, denn dann han-delte es sich wirklich um Enteig-nung. Verhält sich die Arbeits-kraft nicht ökonomisch, wasschon mit unausgeschlafenemErscheinen beim Job beginnt,haben ihre EigentümerInnenunter dem möglichen Stand derProduktivität produziert, also inder Tendenz zu teuer für denMarkt. Mit dieser realen Abgabeder Souveränität bei formellerBeibehaltung korrespondiert dasRisiko der EigentümerInnen.

    Unter Beachtung dieses Tat-bestands ist es durchaus ange-

    bracht, das Interesse auf mögli-ches zukünftiges Eigentum aus-zuweiten, wobei zu beachten ist,das es sich dabei nur um ver-mehrtes altes, und nicht umneues im strengen Sinn handelnkann. Neues Eigentum im ge-genständlichen Sinn (Produkti-onsmittel oder Rohstoffe) kannimmer nur von in der Form desGeldes vorliegendem verwerte-tem altem Wert gekauft werden.Jeder andere Wechsel einesBesitztitels hieße Raub, Lottoge-winn, Geschenk oder Plünderungund alle vier sind durch unddurch unökonomisch.

    Das Produkt dieser Vermeh-rung, der Profit, ist also durch-aus subjektivierbar. Die anti-imperialistische Vorstellung vonden profitgierigen Imperialistenvollzieht die Möglichkeit genau-so nach wie die hier behandelteRede von ökonomischen Inter-essen als Allgemeinem, wobei esdann problematisch wird, wennimpliziert wird, das Profit-interesse richte sich unmittelbarauf vergegenständlichten Reich-tum und sei nicht ein Interessean der eigenen Vermittlung mitihm. Die Rede von der Profitgier,die körperliches Verlangen im-pliziert und üblicherweise mit"Hände weg von xy"-Klauen il-lustriert wird, überschreitet hierbeispielsweise die Grenze desErträglichen um Längen und istanders (und nicht einfach nurschärfer) zu kritisieren als Posi-tionen von demontage und denautonomen Gruppen.

    24

    um die Geldform eines unter derRegie eines anderen Privatei-gentümers sich verwertendesKapital handeln. Es zeigt sichhier der berühmte Widerspruchder allgemeinen Formel des Ka-pitals, dass die "Schmetterlings-entfaltung” des Werts "in derZirkulationssphäre und [...] nichtin der Zirkulationssphäre vorge-hen [muß]” (MEW 23, S.181)von der anderen Seite. Die The-se von der Schaffung neuer Ab-satzmärkte setzt die Arbeitskraftals immer schon verwertete undden Wert der Waren als immerschon realisierten voraus undsieht den Mehrwert als der Pro-duktion entsprungenen an, derals solcher zur Aneignung durchdie Imperialisten bereit liege.

    Bei den üblichen Nachkriegs-wiederaufbaumaßnahmen istdiese Bedingung nicht erfüllt,solange von national identifizier-barem Kapital ausgegangenwird. Selbstverständlich profi-tiert die Bauindustrie, an die diekonkreten Aufträge gehen, mehrals die Joghurtbecherindustrie.Aus allgemeiner Perspektivehandelt es sich beim Wiederauf-bau aber um keynesianistischenStaatskonsum. Das Geld für denWiederaufbau fließt in der Re-gel dadurch, dass die Aufträgean die Konzerne der Siegerlän-der gehen, wieder zurück. Wie-deraufbau zu Weltmarkt-konditionen können sich die an-gegriffenen Länder also nur lei-sten, weil dieser von den Angrei-fern finanziert wird. Zwar ver-sprechen sich die beauftragten

    Firmen auch Folgeaufträge (Er-satzteile, Instandhaltungs-maßnahmen etc.), aber die müs-sen auch aus einer funktionie-renden Kapitalakkumulation be-zahlt werden.

    Als Markt für Waren aus denMetropolen bzw. vonMetropolenkapital produziertenoder a l lgemein für aufWeltmarktniveau produzierteWaren zu fungieren, setzt eineeigenständige Produktion aufWeltmarktniveau voraus. Füreinen Großteil der Menschen die-ser Welt wäre das ein Geschenkdes Himmels, was ein Grund da-für sein mag, dass Allah als Er-satz herhalten muß.

    Profit durch Zerstörung?

    Funktionierende Kapital-akkumulation zur Voraussetzunghat auch die Verwendung derBevölkerung des Irak als billigeArbeitskraft. Angesichts der Tat-sache, dass momentan die gan-ze Welt das Kapital dieser Weltaggressiv nach Arbeit anbettelt,herrscht daran momentan keinMangel. Das ist aber wohl auchder gruppe demontage klar, dennin ihrem Papier spielen aus-schließlich Handelsinteresseneine Rolle. Als einziges Interes-se, welches sich mit der Produk-tion des Reichtums in Verbin-dung bringen läßt, nennen siedas aus einer Überakku-mulationskrise sich ergebendeInteresse an Zerstörung, damitneu gebaut werden kann. DasKapital habe a) ein Interesse an

  • Ökonomisches Interesse und Antiimperialismus in DeutschlandDoing Weltmacht

    18

    Grundsätzlich zu beachten istallerdings, dass dann, wenn dieCharaktermasken des Kapitalsdiese Subjektivierung des Pro-fits nicht in linker Theorie, son-dern in der Wirklichkeit an sichselbst vollziehen, ihnen dieMacht der ihnen entgegenge-setzten, ihre Interessen als öko-nomische bestimmende, Objek-tivität um so härter ins Gesichtschlägt. Der Profit lebt vom Wi-derspruch, den das ökonomischeInteresse in sich enthält, weil esdiesen vermittelt. Somit enthälter diesen Widerspruch verkehrt,weil er Subjekt und Objekt in einverkehrtes Verhältnis zueinan-der setzt. Keinesfalls bildet dasProfitinteresse die widerspruchs-lose Synthese aus Können undWollen der ImperialistInnen undder Widerspruch besteht nichterst im Widerstand entgegenge-setzter, beispielsweise proletari-scher Interessen.

    Genau eine solche wider-spruchslose Synthese von Kön-nen und Wollen ist aber in ei-nem Satz wie "Im Falle des Irakskönnen die USA die machtpoliti-schen Voraussetzungen schaf-fen, um sich die strategischeRessource Öl günstig anzueig-nen” der Grundgedanke – in die-sem Fall formuliert von gruppedemontage. Im Gegensatz zuden Autonomen Gruppen, dieeher darauf zielen anzumerken,dass Deutschland und die EUmilitärisch-politisch andere In-teressen verfolgt, basiert dieserText auf der Vorstellung einergrundlegenden ökonomischen

    Interessenkonkurrenz. Wider-sprüche ergeben sich dement-sprechend zwischen den Inter-essen. So entwickelt die Analy-se folgenden Ausblick: "Die In-karnation des Teufels sitzt we-der in Washington, Berlin oderBagdad, wie es unterschiedlicheFraktionen der Linken glaubenmachen wollen. Politisch hilft nurdie genaue Analyse eines wider-sprüchlichen Prozesses, indemversucht wird, sich aus unter-schiedlichen Perspektiven einmöglichst umfangreiches Bild zumachen.” Mit der klitzekleinenobigen Eingangsunterstellunginterpretiert: Zu achten sei nichtauf einen großen, sondern aufviele kleine Teufel.

    Das diese "widersprüchlichenProzesse” nur die Gegensätzedes Scheins der Konkurrenz sindund damit den wesentlichenKern nicht treffen, erhellt sichbeispielsweise durch den Gedan-ken, dass es vom ökonomischenStandpunkt aus gesehen im In-teresse der Konkurrenten derUSA ist, wenn diese den teurenJob der weltweiten Garantie derVerwertungsbedingungen alleineund auf ihre Kosten erledigten,während aus der politisch-recht-lichen Perspektive der Souverä-nität über das eigene Eigentumdas Gegenteil der Fall ist. Andersherum ergibt sich ein US-ame-rikanisches Interesse an einerBeteiligung anderer Staaten ander Kriegsführung aus ökonomi-scher Perspektive, während auspolitisch rechtlicher ein Allein-gang angesagt ist. Die Gegen-

    23

    gendeinem statisch gedachtenbestehendem Reichtum des Irak,sondern aus dem Vertrauen indie Potenz des eigenen Kapitalsund seiner spezifischen Zusam-mensetzung, die Reichtums-produktion des Irak zu dynami-sieren und so an sich und in dieeigene Bewegung ein zu binden.Zunächst einmal muss das sopatriarchal formuliert werden,weil es so patriarchal ist. Sub-jektive Voraussetzung für einederart ökonomisch bedingteKriegserklärung ist