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DRUCK + PAPIER Die Branchenzeitung www.drupa.verdi.de www.druck.verdi.de Nr. 3 | Juli 2009 | Jahrgang 147 BG-Fusion im Jahre 2010 Druck und Papierverarbeitung geht mit Energie, Textil, Elektro Seite 2 More Members Power Internationale Konferenz für den Verpackungssektor Seite 3 Mehr Tarifsicherheit Druckindustrie: Manteltarifvertrag gilt 20 Monate länger Seite 4 … wird an verschiedenen Stellen deutlich, dass es Unter- nehmen gibt, die die allgegenwärtige Krise nutzen wollen, um sich für alle Zukunft schadlos zu halten. Zum Beispiel: Bauer-Druck in Köln lehnt jegliche Lohnerhöhung ab und will stattdessen die Arbeitszeit verlängern (Meldung Seite 7). Zum Beispiel: »Darmstädter Echo« und Verlags- gruppe Rhein-Main wollen 500 Beschäftigte entlassen und auf der grünen Wiese ein neues Druckzentrum bauen – für 200 Beschäftigte, natürlich als tariffreie Zone (Bericht Seite 7). Was gegen sowas hilft? Zum Beispiel: Die kampf- erprobten Drucker von Bauer in Köln sind am 29. Juni 2009 in einen 24-Stunden-Streik getreten. Das an der Burg Giebichenstein, der Hochschule für Kunst und Design in Halle/Saale (www.burg-halle.de), von engagierten Studierenden gestaltete Buch »Geschlossene Gesellschaft«, von »Sappi Europe« gefördert, von DRUCK+ PAPIER in der Ausgabe 5/2007 repräsentativ als soziales Kommunikationsdesign at its best vorgestellt, von der Stiftung Buchkunst als eines der »schönsten deutschen Bücher 2008« ausgezeichnet, ist jetzt für den Designpreis der Bundesrepublik Deutschland 2010 nominiert worden. Kein anderer Wett- bewerb stellt ähn- lich hohe Anforderungen. Wir drücken den Giebichen- steinern die Daumen. Übrigens: »Azureelinie«, des Rätsels Lösung aus der letzten DRUCK+PAPIER, bedeutet laut Glossar von www.druck-medien.net: »mehrere in einem Linienkörper vereinigte feine Linien, die das Kopieren erschweren sol- len. Zum Beispiel bei Wertpapieren«. HENRIK MÜLLER IN DIESER AUSGABE In harten Verhandlungen konnte ver.di die Kahlschlagpläne der Schlott AG kräftig abmildern Die aktuelle Wirtschaftskrise verschärft die strukturellen Probleme im Tief- druck, die durch gnadenlosen Preiskampf und die von den Unternehmen aufge- bauten Überkapazitäten entstanden sind. Die Zeche für die zum Großteil haus- gemachten Probleme sollten auch bei der Schlott Gruppe AG die Beschäftigten allein zahlen. Das haben sie gemeinsam mit Betriebsräten und ver.di verhindert. Weitere Infor- mationen und Meinungen zum Thema Schlott AG in dieser »ver.di- PUBLIK« auf den Seiten 4 und 15. Schlott, immerhin die Nummer 2 der deutschen Tiefdruckbranche, will im Geschäftsjahr 2010/2011 wieder in die Gewinnzone gelangen. Dafür sollten 350 der 2.330 Arbeitsplätze abgebaut werden, davon rund 280 in Deutschland. In einem 35-stündigen Verhandlungsmarathon konnte ver.di die Zahl der möglichen betriebs- bedingten Kündigungen auf maximal 150 drücken und für den Großteil der verbleibenden Belegschaften Entlas- sungen bis 2013 ausschließen. Drei Tage – vom 24. bis 26. Juni 2009 – verhandelte ver.di mit dem Vorstand, um die angekündigten Ent- lassungen zu verhindern. Das ver.di- Angebot, die Arbeitszeit ohne Lohn- ausgleich zu verkürzen, wurde von der Unternehmensleitung abgelehnt. Monoton verwies sie auf die Vorgaben der Banken und beharrte auf der Ein- sparung von 22,5 Mio. Euro Personal- kosten. Dennoch konnte ein Verhand- lungsergebnis erzielt werden, das aber besonders den Tiefdruckstandort Broschek in Hamburg trifft. Statt der vom Arbeitgeber dort geforderten 160 betriebsbedingten Kündigungen sind am Hamburger Standort nun »nur« noch 120 möglich. Allerdings können davon bis zu 45 Freiwillige mit einer erhöhten Abfindung bis zum 31. August 2009 das Unternehmen verlassen. Die Weiterverarbeitung wird von Stelle in Niedersachsen nach Hamburg verlagert, dort können maxi- mal 30 Beschäftigte betriebsbedingt entlassen werden. Foto: Mathias Thurm VON SILKE LEUCKFELD Nürnberg und Landau) hatten am 10. Juni von den Plänen des Konzerns erfahren. Der angekündigte »Maßnah- menkatalog zur Zukunftssicherung« muss auf sie zynisch gewirkt haben, denn sie sollten quasi allein die Last tragen, um für die Aktionäre wieder die Gewinnzone zu erreichen. Der Aufsichtsrat hatte dem Vorha- ben am 9. Juni zugestimmt – gegen das Votum der Arbeitnehmervertreter. Den verbleibenden Beschäftigten sollten dauerhaft tarifliche Jahresleis- tung und Urlaubsgeld komplett gestri- chen oder die Arbeitszeit ohne Lohn- ausgleich um drei Stunden in der Woche verlängert werden. Das konnte durch solidarisches Verhalten der Belegschaften und ihrer Betriebs- räte und den gewerkschaftlichen Einsatz verhindert werden. »Unterm Strich beweist das Schlott-Ergebnis bei, dass es besser für die Beschäftig- ten ist, wenn Sanierungsverhandlun- gen auf tariflicher Ebene geführt werden. Die Einbeziehung der Ge- werkschaft bringt mehr Handlungs- mächtigkeit«, betont Frank Werneke. Für die Verlagerung des Standor- tes Stelle, Um- und Rückbauten, aber auch Sozialpläne sind 47 Mio. Euro eingeplant. Das Geld dafür soll nach Schlott- Angaben hauptsäch- lich bei Banken gelie- hen werden, die reich- lich Druck machten: Bis 30. Juni (nach Red- aktionsschluss der vor- liegenden DRUCK+PAPIER) wollten sie entscheiden, ob sie den Sanierungs- plan mittragen. Die Geldgeber forder- ten, dass Beschäftigte, Management und Aktionäre jeweils ihren Teil leis- ten. Zumindest der Beitrag der Aktio- näre war allerdings nie erkennbar. Noch vor wenigen Monaten hatten sie 3,1 Mio. Euro Dividende für das abgelaufene Geschäftsjahr kassiert. Die Vorgaben der Banken »Wir sind als Organisation gemeinsam mit den Betriebsräten an die Grenzen gegangen. Es ist schmerzlich für uns, dass wir nicht mehr Arbeitsplätze bei Broschek in Hamburg und Stelle retten konnten«, stellt ver.di-Verhandlungs- führer Frank Werneke fest. »Das liegt daran, dass der Konzern sich unseren Vorschlägen zur konzernweiten Ver- kürzung der Arbeitszeit verweigert hat. Der Vorstand hat hier unverant- wortlich gehandelt.« Broschek als Hamburger Standort ist bis 30. September 2012 gesichert, weitere betriebsbedingte Kündigun- gen sind bis dahin ausgeschlossen. Und mit einer Ausnahme sind in allen anderen deutschen Standorten bis Ende 2013 Kündigungen vertraglich ausgeschlossen. Dafür werden auf drei Jahre befristet die tarifliche Jahresleis- tung und das Urlaubsgeld reduziert. Zynischer Maßnahmenkatalog Während einer ver.di-Mitgliederver- sammung bei Broschek Hamburg wurde das Verhandlungsergebnis von knapp 100 anwesenden Kolleginnen und Kollegen einstimmig angenom- men, obwohl dort die Beschäftigten die Hauptlast tragen. Im Frühjahr 2010 wird das Ergeb- nis der Verhandlungen noch einmal überprüft. »Es gibt keinen Automatis- mus. Je nach wirtschaftlichem Verlauf könnte es noch einmal zu Verhandlun- gen kommen«, erklärt Reinhard Burck, Vorsitzender des-Konzernbetriebsrats bei Schlott. Die Beschäftigten der diversen Schlott-Betriebe (u. a. in Freudenstadt,

d+p 3-2009 RZ+file++...DRUCK+PAPIER Die Branchenzeitung Nr. 3 | Juli 2009 | Jahrgang 147 BG-Fusion im Jahre 2010 Druck und Papierverarbeitung geht

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DRUCK + PAP IER

Die Branchenzeitung www.drupa.verdi.de www.druck.verdi.de

Nr. 3 | Jul i 2009 | Jahrgang 147

BG-Fusion im Jahre 2010Druck und Papierverarbeitung gehtmit Energie, Textil, Elektro Seite 2

More Members PowerInternationale Konferenz für denVerpackungssektor Seite 3

Mehr TarifsicherheitDruckindustrie: Manteltarifvertraggilt 20 Monate länger Seite 4

… wird an verschiedenen Stellen deutlich, dass es Unter-

nehmen gibt, die die allgegenwärtige Krise nutzen wollen,

um sich für alle Zukunft schadlos zu halten. Zum Beispiel:

Bauer-Druck in Köln lehnt jegliche Lohnerhöhung ab

und will stattdessen die Arbeitszeit verlängern (Meldung

Seite 7). Zum Beispiel: »Darmstädter Echo« und Verlags-

gruppe Rhein-Main wollen 500 Beschäftigte entlassen und

auf der grünen Wiese ein neues Druckzentrum bauen –

für 200 Beschäftigte, natürlich als tariffreie Zone (Bericht

Seite 7). Was gegen sowas hilft? Zum Beispiel: Die kampf-

erprobten Drucker von Bauer in Köln sind am 29. Juni

2009 in einen 24-Stunden-Streik getreten.

Das an der Burg Giebichenstein, der Hochschule für

Kunst und Design in Halle/Saale (www.burg-halle.de), von

engagierten Studierenden gestaltete Buch »Geschlossene

Gesellschaft«, von »Sappi Europe« gefördert, von DRUCK+

PAPIER in der Ausgabe 5/2007 repräsentativ als soziales

Kommunikationsdesign at its best vorgestellt, von der

Stiftung Buchkunst als eines der »schönsten deutschen

Bücher 2008« ausgezeichnet, ist jetzt für den Designpreis

der Bundesrepublik

Deutschland 2010

nominiert worden.

Kein anderer Wett-

bewerb stellt ähn-

lich hohe Anforderungen. Wir drücken den Giebichen-

steinern die Daumen.

Übrigens: »Azureelinie«, des Rätsels Lösung aus

der letzten DRUCK+PAPIER, bedeutet laut Glossar von

www.druck-medien.net: »mehrere in einem Linienkörper

vereinigte feine Linien, die das Kopieren erschweren sol-

len. Zum Beispiel bei Wertpapieren«. HENRIK MÜLLER

I N D I E S E R A U S G A B E

In harten Verhandlungen konnte ver.di die Kahlschlagpläne der Schlott AG kräftig abmildern

Die aktuelle Wirtschaftskrise verschärft die strukturellen Probleme im Tief-

druck, die durch gnadenlosen Preiskampf und die von den Unternehmen aufge-

bauten Überkapazitäten entstanden sind. Die Zeche für die zum Großteil haus-

gemachten Probleme sollten auch bei der Schlott Gruppe AG die Beschäftigten

allein zahlen. Das haben sie gemeinsam mit Betriebsräten und ver.di verhindert.

Weitere Infor-

mationen und

Meinungen

zum Thema

Schlott AG in

dieser »ver.di-

PUBLIK« auf

den Seiten

4 und 15.

Schlott, immerhin die Nummer 2 derdeutschen Tiefdruckbranche, will imGeschäftsjahr 2010/2011 wieder indie Gewinnzone gelangen. Dafürsollten 350 der 2.330 Arbeitsplätzeabgebaut werden, davon rund 280 inDeutschland. In einem 35-stündigenVerhandlungsmarathon konnte ver.didie Zahl der möglichen betriebs-bedingten Kündigungen auf maximal150 drücken und für den Großteil derverbleibenden Belegschaften Entlas-sungen bis 2013 ausschließen.Drei Tage – vom 24. bis 26. Juni

2009 – verhandelte ver.di mit demVorstand, um die angekündigten Ent-lassungen zu verhindern. Das ver.di-Angebot, die Arbeitszeit ohne Lohn-ausgleich zu verkürzen, wurde von derUnternehmensleitung abgelehnt.Monoton verwies sie auf die Vorgabender Banken und beharrte auf der Ein-sparung von 22,5 Mio. Euro Personal-kosten. Dennoch konnte ein Verhand-lungsergebnis erzielt werden, das aberbesonders den TiefdruckstandortBroschek in Hamburg trifft. Statt dervom Arbeitgeber dort geforderten160 betriebsbedingten Kündigungensind am Hamburger Standort nun»nur« noch 120 möglich. Allerdingskönnen davon bis zu 45 Freiwilligemit einer erhöhten Abfindung bis zum31. August 2009 das Unternehmenverlassen. Die Weiterverarbeitung wirdvon Stelle in Niedersachsen nachHamburg verlagert, dort können maxi-mal 30 Beschäftigte betriebsbedingtentlassen werden.

Foto:MathiasThurm

VON SILKE LEUCKFELD

Nürnberg und Landau) hatten am10. Juni von den Plänen des Konzernserfahren. Der angekündigte »Maßnah-menkatalog zur Zukunftssicherung«muss auf sie zynisch gewirkt haben,denn sie sollten quasi allein die Lasttragen, um für die Aktionäre wiederdie Gewinnzone zu erreichen.Der Aufsichtsrat hatte dem Vorha-

ben am 9. Juni zugestimmt – gegendas Votum der Arbeitnehmervertreter.Den verbleibenden Beschäftigtensollten dauerhaft tarifliche Jahresleis-tung und Urlaubsgeld komplett gestri-chen oder die Arbeitszeit ohne Lohn-ausgleich um drei Stunden in derWoche verlängert werden. Daskonnte durch solidarisches Verhaltender Belegschaften und ihrer Betriebs-räte und den gewerkschaftlichenEinsatz verhindert werden. »UntermStrich beweist das Schlott-Ergebnisbei, dass es besser für die Beschäftig-ten ist, wenn Sanierungsverhandlun-gen auf tariflicher Ebene geführtwerden. Die Einbeziehung der Ge-werkschaft bringt mehr Handlungs-mächtigkeit«, betont Frank Werneke.Für die Verlagerung des Standor-

tes Stelle, Um- und Rückbauten, aberauch Sozialpläne sind 47 Mio. Euroeingeplant. Das Gelddafür soll nach Schlott-Angaben hauptsäch-lich bei Banken gelie-hen werden, die reich-lich Druck machten:Bis 30. Juni (nach Red-aktionsschluss der vor-liegenden DRUCK+PAPIER) wollten sieentscheiden, ob sie den Sanierungs-plan mittragen. Die Geldgeber forder-ten, dass Beschäftigte, Managementund Aktionäre jeweils ihren Teil leis-ten. Zumindest der Beitrag der Aktio-näre war allerdings nie erkennbar.Noch vor wenigen Monaten hattensie 3,1 Mio. Euro Dividende für dasabgelaufene Geschäftsjahr kassiert.

Die Vorgaben der Banken

»Wir sind als Organisation gemeinsammit den Betriebsräten an die Grenzengegangen. Es ist schmerzlich für uns,dass wir nicht mehr Arbeitsplätze beiBroschek in Hamburg und Stelle rettenkonnten«, stellt ver.di-Verhandlungs-führer Frank Werneke fest. »Das liegtdaran, dass der Konzern sich unserenVorschlägen zur konzernweiten Ver-kürzung der Arbeitszeit verweigerthat. Der Vorstand hat hier unverant-wortlich gehandelt.«Broschek als Hamburger Standort

ist bis 30. September 2012 gesichert,weitere betriebsbedingte Kündigun-gen sind bis dahin ausgeschlossen.Und mit einer Ausnahme sind in allenanderen deutschen Standorten bisEnde 2013 Kündigungen vertraglichausgeschlossen. Dafür werden auf dreiJahre befristet die tarifliche Jahresleis-tung und das Urlaubsgeld reduziert.

Zynischer Maßnahmenkatalog

Während einer ver.di-Mitgliederver-sammung bei Broschek Hamburgwurde das Verhandlungsergebnis vonknapp 100 anwesenden Kolleginnenund Kollegen einstimmig angenom-men, obwohl dort die Beschäftigtendie Hauptlast tragen.Im Frühjahr 2010 wird das Ergeb-

nis der Verhandlungen noch einmalüberprüft. »Es gibt keinen Automatis-mus. Je nach wirtschaftlichem Verlaufkönnte es noch einmal zu Verhandlun-gen kommen«, erklärt Reinhard Burck,Vorsitzender des-Konzernbetriebsratsbei Schlott.Die Beschäftigten der diversen

Schlott-Betriebe (u. a. in Freudenstadt,

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2 3 . 2009

Giesecke & Devrient hat nach eige-nen Angaben im Geschäftsjahr 2008 zumzweiten Mal in Folge ein außergewöhnlichgutes Ergebnis erzielt. Der Umsatz stiegum neun Prozent, der Jahresüberschuss um16 Prozent auf 111 Mio. Euro. Mit 909 Mio.Euro Umsatz leistete der Bereich Banknotenden größten Beitrag.

Bei Sachsendruck im vogtländischenPlauen ist laut »Druck&Medien« im Maieine Großformatmaschine vom Typ Roland900 angelaufen. Bei der ehemaligenSchlott-Tochter, die seit Ende 2008 derLeipziger Offizin Andersen Nexö (OAN)gehört, werden damit dreischichtig groß-volumige Aufträge für Beilagen, Brief-kuverts und andere Akzidenzien erledigt.

Die Anzeigenblätter in Deutschlandverzeichneten im Geschäftsjahr 2008 einenungebrochenen Aufwärtstrend: Erstmalsübersprangen sie – wenn auch knapp –beim Netto-Werbeumsatz die Grenze von2 Mrd. Euro.

28 Mio. Euro hat DuMont Schau-berg in Köln in eine neue Cortina 6/2von Koenig & Bauer, eine neue Plattenher-stellung (Kodak, Marks-3zet, Nela), eineVersandraumanbindung von Ferag und indie dazugehörende Bau- und Haustechnikinvestiert. Im wasserlosen Offsetverfahrenwerden hier u. a. der »Kölner Stadt-An-zeiger«, der »Express« und die »KölnischeRundschau« gedruckt.

Der Faltschachtelhersteller Mayr-Melnhof Packaging Austria baut seineKapazitäten weiter aus und investiertam Standort Wien/Strebersdorf mehrereMillionen in eine neue Speedmaster XL 105und eine vollautomatische Materiallogistik.Angesichts von Umsatzrückgängen seienaber, so das Unternehmen, »selektiveAnpassungen von Kapazitäten und Mit-arbeiterständen« nicht auszuschließen.

Historische und moderne Buch-einbände sind in einer Ausstellungder Herzoglichen Anna-Amalia-Bibliothek(HAAB) in Weimar seit dem 3. Juni undnoch bis zum 2. August 2009 zu sehen.Präsentiert werden Beispiele von der Gotikbis zur Gegenwart. Informationen unterTelefon 03643/545401 oder per [email protected].

Hunderte von Millionen Eurowill der Bertelsmann-Konzern einsparen,erklärte Chef Hartmut Ostrowski in einemInterview; bei den Verlagen zum Beispielmittels einer Kombination aus Preispolitikund Arbeitsplatzabbau. Auch Kurzarbeit seiein Thema.

R E I M Z E I TK U R Z + B Ü N D I G

I M P R E S S U M

DRUCK+PAPIER – die ver.di-Branchen-zeitung – erscheint für die Mitglieder derAlt-Fachgruppen Druckindustrie und Zei-tungsverlage sowie Papier- und Kunst-stoffverarbeitung 2009 regulär fünf Malals Beilage zur ver.di-MitgliederzeitungPUBLIK. Herausgeber: Vereinte Dienst-leistungsgewerkschaft, Bundesvorstand/Fachbereich Medien, Kunst und Indus-trie, Frank Bsirske und Frank Werneke.Redaktion: Henrik Müller (verantwortlich),Paula-Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin, Tele-fon: 030.6956-1076, Telefax: 030.6956-3012, [email protected]. Korrektorat:Hartmut Breckenkamp. Anzeigenverwal-tung: werkzwei, Ruth Schauder, Sachsen-straße 26, 32756 Detmold, Telefon:05231.7094454, E-Mail: [email protected]. Design und Vorstufe:werkzwei, Detmold. Druck: apm AG,Kleyerstraße 3, 64295 Darmstadt.

NACHR ICHTEN

Cartoon:ReinhardAlff

»Druckmaschinen aus Deutschlandhaben überall in der Welt einenausgezeichneten Ruf«, wird in einerErklärung der IndustriegewerkschaftMetall zur Krise in der Druckmaschi-nenindustrie (DRUCK+PAPIER berich-tete) betont. Weil aber Entwicklungs-und Schwellenländer besonders hartvon der weltweiten Finanz- undWirtschaftskrise betroffen sind, istder Absatz in diesem Markt extremeingebrochen. Auch in den Industrie-ländern und von deutschen Drucke-reien werden kaum noch neue Ma-schinen bestellt.An die Politik gerichtet heißt es

in der IG-Metall-Erklärung, dieArbeitnehmervertretungen müsstenmit mehr wirtschaftlicher Mitbestim-mung ausgestattet werden. DieBanken als Verursacher der Krise

werden aufgefordert, »die Druckma-schinenhersteller und ihre Kunden mitleitzinsorientierten Krediten« zu ver-sorgen sowie Investitionen in For-schung und Entwicklung finanziellabzusichern. Von den Eigentümernder Konzerne verlangt die IG Metalldie Rücknahme aller betriebsbeding-ten Kündigungen und ein »auf Nach-haltigkeit fundiertes Zukunftskonzept«für alle Standorte.Die drei führenden Hersteller Hei-

delberger, Manroland und König &Bauer wollen von den derzeit 30.000Arbeitsplätzen mehr als 6.000 strei-chen. »Damit steht der Erhalt dieserSpitzentechnologie auf dem Spiel«, sodie IG Metall. Unterdessen spanntesich über Heidelberger der Rettungs-schirm der Bundesregierung. Von derKfW-Bank bekam der Weltmarktführer

einen Kredit in Höhe von 300 Mio.Euro, und die Bundesregierung be-willigte eine Staatsbürgschaft inHöhe von 550 Mio. Euro. KBA undManroland wollen vorerst keineStaatshilfe in Anspruch nehmen.Auf einem Branchenseminar der

IG Metall forderten die Betriebsräteder drei Konzerne die Politik auf, mitIG Metall und Unternehmen in einenBranchendialog zu treten, um eingemeinsames Zukunftskonzept zuentwickeln. Vorerst stehen in allenStandorten verlängerte Betriebs-ferien an, und so hoffen die Betriebs-räte, etwas Zeit zum Atemholen zuhaben. Doch insgesamt sei »ausSicht der Betriebsräte keine neueDynamik« in der Branche erkennbar,so ein IG-Metall-Sprecher.

GÜNTER FRECH

Merkels Schirm spanntsich über Heidelberger

Ungereimt

Komm zu mir und bittesteig mit mir aus.Leg alles ab:Fleiß, Gier und Ideologie.Was mich interessiertist nackte, ehrliche Haut.Und Zeit,die kein Geld ist.

Komm zu mir und bittehol mich hier raus.Nimm alles von mir:Gier, Fleiß und Ideologie.Was mich blockiertist meine falsche Haut.Denn ich bin,wie die Welt ist.

SILKE MADER

D R U C K M A S C H I N E N H E R S T E L L E R

N A C H R I C H T E N

SCHUMACHER . T. 07732/971210 . FAX 07732/971211

........ WWW.GAUTSCHBRIEF.DE ........SCHÄFERHALDE 10 . 78315 RADOLFZELL-BODENSEE

Spitzentechnologiesteht auf dem Spiel

Die Fusionen nehmen kein Ende:Zurzeit tüftelt die Berufsgenossen-schaft (BG) Druck und Papierverarbei-tung an Details für den Zusammen-schluss mit der BG ETE (Energie TextilElektro). Bis Ende des Jahres soll da-raus eine mächtige Berufsgenossen-schaft mit rund 3,6 Millionen Versi-cherten entstehen. Die Fusionen sindVorgabe des Gesetzgebers mit demZiel, die gesetzliche Unfallversiche-rung zu reformieren und die Zahl derBerufsgenossenschaften von einst26 auf neun zu reduzieren.Ab 2010 wird die neue große

Berufsgenossenschaft ETE als gesetz-liche Unfallversicherung so unter-schiedliche Branchen wie Gas-,Fernwärme-, Wasser- und Abwasser-

versorgung, Feinmechanik und Elek-trotechnik, Textil- und Bekleidungs-industrie und zu guter Letzt alles vonder Druckerei bis zur Buchbinderei,von der Wellpappenherstellung biszur Fotografie und Grafik unter einemDach vereinen.Funktioniert das? Wichtig sei vor

allem, die eigenständige Präventions-arbeit zu erhalten, sagt Uwe Petersen,für ver.di stellvertretender Vorstands-vorsitzender der BG Druck und Papier-verarbeitung und Vertreter der Arbeit-nehmerseite. Er erklärt das an einemBeispiel: »Die Mitarbeiter des Strahlen-schutzes beraten in einem Atomkraft-werk zum Umgang mit ionisierenderStrahlung; wie aber mit Isopropanol inDruckereien gearbeitet werden muss

oder Fotografen Fingerverletzungenan Schneidegeräten verhindern kön-nen, dafür braucht es eben branchen-spezifisches Wissen.« Den Erhalt derbranchenspezifischen Präventionsar-beit hält er für unverzichtbar. Das seiunter den Fusionspartnern auch nichtstrittig, versichert Christian Sprottevon der BG Druck und Papierverarbei-tung. Derzeit wird vielmehr über Fusi-onsvertrag, Satzung und die Zahl derSitze in der Selbstverwaltung beraten.Ungewiss ist noch, mit welchen

Arbeitnehmervertretern die paritätischbesetzten Selbstverwaltungsorgane,Vertreterversammlung und Vorstand,besetzt werden. Weitere Informatio-nen zur Unfallversicherung unterwww.sopo.verdi.de. MICHAELA BÖHM

Berufsgenossenschaftenwollen 2010 fusionieren

U N F A L L V E R S I C H E R U N G

Seitenwand-Montage einer Druckmaschine im Werk

Wiesloch-Walldorf von Heidelberger: Der Weltmarktführer erhält

eine Staatsbürgschaft in Höhe von 550 Mio. Euro.

BG Druck und Papierverarbeitung geht mit Energie, Textil, Elektro zusammen

Die »Neue Westfälische« will inden nächsten zwei Jahren am StandortBielefeld 25 Mio. Euro in die DruckereiJ. D. Küster Nachf. + Presse-Druck GmbH& Co. KG investieren. Damit soll die Druck-maschinen- und Versandraum-Technikerneuert werden.

Die Neef+Stumme premium printingGmbH & Co. KG hat zum 1. Juni 2009 dasoperative Geschäft der Vorgängergesell-schaft übernommen, die Anfang des JahresInsolvenz anmelden musste. Geschäfts-führende Gesellschafter sind AndreasBauer und Dr. Dorothy Stumme.

Gegen staatliche Subventionenfür die Presse ausgesprochen hat sichder Präsident des Bundesverband Deut-scher Zeitungsverleger (BDZV), HelmutHeinen, der stattdessen »eine ernsthafteDebatte über die Reduzierung des Mehr-wertsteuersatzes für Presseerzeugnisse«forderte.

Wer immer pünktlich per eMail überdas Erscheinen der jeweiligen Internetver-sion von DRUCK+PAPIER informiert werdenmöchte, den nimmt die Redaktion in einenSpezialverteiler auf. Eine formlose Mittei-lung über [email protected] genügt.

Zum 18. Mal schreibt der Bundesver-band Druck und Medien (bvdm) den Wett-bewerb um die besten Geschäftspapiereund Formulare in Deutschland, Österreichund der Schweiz aus. Einsendeschluss istder 4. September 2009. Mehr unter:www.bvdm-online.de.

»So gelingt Ihr Online-Relaunch«lautet der Titel eines Seminars über Kon-zeption und Projektmanagement für denInternet-Aufritt am 24. und 25. September2009 im Darmstädter IFRA-Newsplex-Trai-ningszentrum Darmstadt Mehr unter www.ifra.com.

Einen Design-Preis für Ver-packungen hat die CCL Label GmbHins Leben gerufen. Prämiert werden Mar-kenideen und Verpackungsdesigns, die vonjungen Kreativen gestaltet wurden. Der1. Preis ist mit 2.000 Euro dotiert. Mehrunter www.ccl-label-award.de.

Foto:obs/HeidelbergerDruckmaschinenAG

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33 . 2009PAP IERVERARBE ITUNG

gehörigen des Mayr-Melnhof-Kon-zerns, kein schlechtes Wortspiel fürden Gedanken, durch die Werbungvon mehr Mitgliedern stärker zu wer-den.Auch bei Tetra Pak International

und bei Kimberly Clark wird es künftigglobale Netzwerke der Belegschafts-vertreter geben. Darauf einigten sichdie Delegierten, die bei den beidenVerpackungsriesen beschäftigt sind.Uni Graphical wird einen einheitlichenFragebogen zur Verfügung stellen, mitdessen Hilfe die betriebliche Realitätan den einzelnen Standorten einesKonzerns präzise zu erfassen und zuvergleichen ist – ein wichtiges Werk-zeug auf dem Weg zum Fernziel »ver-gleichbare Sozialstandards«.

Mitverantwortung für einenachhaltige ProduktionEine weitere Dimension des gewerk-schaftlichen Denkens und Handelnsbrachten vor allem Gewerkschafteraus Südafrika und Brasilien ein.In diesen Ländern kann die organi-sierte Arbeiterschaft allein nur be-

2. Internationale Gewerkschaftskonferenzvon Uni Graphical für den Verpackungssektor

baut Gegenmacht auf

Delegierte aus 28 Ländern der Welt trafen sich im Frühjahr in der Berliner Zentrale der

Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft zur 2. Internationalen Gewerkschaftskonferenz

für den Verpackungs- und Papierverarbeitungssektor. Veranstalter war Uni Graphical,

der weltweite Zusammenschluss einschlägiger Branchengewerkschaften. Von Austra-

lien bis Vietnam, von Brasilien bis Südafrika waren die rund 80 Belegschaftsvertrete-

rinnen und -vertreter angereist, die Europäer nicht zu vergessen.

sagt Michel Muller, der französischeVorsitzende von Uni Graphical. »In derPapierverarbeitung wurden in kurzerZeit viele kleine Betriebe zu Teilen vonmultinational agierenden Großkonzer-nen gemacht. Von der Struktur herbleiben es Kleinbetriebe. Unser Ziel istihre internationale Vernetzung, um somehr Druck auf die Unternehmenslei-tungen ausüben zu können.« Dergrenzüberschreitende Informations-austausch der Arbeitnehmerseite sollder erste Schritt sein auf dem Weg zumultinationalen Abkommen überSozialstandards zwischen Konzernenund Uni Graphical. Diese internatio-nale Gewerkschaftsstrategie »ist kom-pliziert, aber möglich«, macht Mullerallen Mitstreitern Mut.

Der Konzernspitzeein Dorn im AugeIn der Arbeitsgruppe Mayr-MelnhofPackaging gehören die Vertreter derrussischen Betriebsgewerkschaft zuden eifrigsten Verfechtern einer inter-nationalen Kooperation. Sie kämpfennoch um ihre vollen Rechte als organi-

Sie verdienen einen minimalen Grund-lohn plus Bonuszahlungen. Gesetzlichvorgeschriebene Nacht- und Wochen-endzuschläge orientieren sich amGrundlohn, Überstunden werden nichtbezahlt. Boni berechnen sich nachMenge und Qualität der Produktion.Wenn eine altersschwache Maschineaussetzt, wird sie flink zusammenge-flickt: Ausfallzeiten kann sich hierniemand leisten. »Weitermachen,einfach weitermachen« ist die Deviseder Beschäftigten von Mayr-MelnhofPackaging (MMP) in Sankt Petersburg.Als die russischen Arbeiter die Lageschildern, greifen sich ihre MMP-Kolle-gen aus Deutschland, Österreich,Spanien, Großbritannien und Tunesienan den Kopf: Darf das wahr sein, in»unserem« Konzern? Nur der betrieb-liche Gewerkschaftsvertreter des türki-schen MMP-Standorts nickt: Auchdort geriert sich der Faltschachtel-multi, mit Konzernsitz Wien, beinhart.Zweck und Ziel der Berliner Konfe-

renz ist, ein tragfähiges Netz zwischenjenen Delegierten zu knüpfen, dieBeschäftigte eines Konzerns vertreten,

sierte Arbeitnehmervertretung. Undsie wollen mit MMP einen Tarifvertragaushandeln, der auch die Interessender Zeitarbeiter umfasst. Das Wissen,welche Standards in anderen Zweig-stellen des Weltkonzerns üblich sind,ist dafür ein wichtiger Hebel. Außer-dem rechnen die russischen Gewerk-schafter damit, dass der Arbeitgeberihnen mit mehr Respekt begegnet,wenn sie auf den Rückhalt von ande-ren MMP-Belegschaften sowie UniGraphical bauen können.Dass alleine schon der Gedanken-

austausch der Arbeitnehmerseite derKonzernspitze ein Dorn im Auge ist,zeigte sich vor dem Treffen in Berlin:Fast alle MMP-Vertreter mussten sichihre Teilnahme an der internationalenGewerkschaftskonferenz bei der hei-mischen Geschäftsleitung erstreiten.Am Ende einer engagierten Diskussionübernimmt MMP-Eurobetriebsrats-vorsitzender Wolfgang Weinisch dieKoordination des beschlossenen»Global Network«. MMP soll es heißen– »More Members Power« – mehrDurchsetzungskraft für die Betriebsan-

More Members Power

grenzten Druck erzeugen. Politi-sche Relevanz im Kampf um mehrSicherheit am Arbeitsplatz oderbessere Entlohnung erzielen siegemeinsam mit anderen sozialenBewegungen.Deren Unterstützung gibt es

jedoch nicht zum Nulltarif, wie dieBrasilianer pointiert aufzeigten:Wenn Bauern vertrieben werden,um schnelles Geld mit Zellulosepro-dukten aus Eukalyptusholz zu ma-chen, können die Arbeiter in derPapierverarbeitung nicht mit derUnterstützung der Landlosenvereini-gung rechnen.Und wenn die Produktion gegen

Umweltstandards verstößt, ist auchkeine Solidarität der Ökobewegungzu erwarten. Mit anderen Worten:Es reicht nicht aus, wenn Gewerk-schaften und betriebliche Interes-senvertretungen lediglich für sozial-verträgliche Arbeitsbedingungeneintreten. Sie tragen auch Mitver-antwortung für eine nachhaltigeund gesellschaftsverträgliche Pro-duktion. HELGA BALLAUF

Der Wissenschaftler Robert Lambert (rechts) von Australia University sprach in Berlin zum Thema: »Krise des Kapita-

lismus und die globale Verpackungsindustrie – hin zu einer postneoliberalen Vision und Organisierungsstrategie«.

Fotos(9):StefanieHerbst

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4 3 . 2009 TAR IFPOL IT IK

280 Euro Einmalzahlung

im September 2009 –

2,0 Prozent mehr Einkom-

men zum 1. April 2010 –

Manteltarifvertrag gilt

20 Monate länger

Auf den ersten Blick ist das Ergebnis der

Lohn- und Gehaltsrunde 2009 für die Druck-

industrie und die Zeitungsbetriebe sicher

kein Anlass zu lautem Jubel: 280 Euro Ein-

malzahlung spätestens im September dieses

Jahres (Auszubildende: 130 Euro) und eine

tabellenwirksame Erhöhung der Einkommen

um 2,0 Prozent zum 1. April 2010. Aber ver.di

hat gleichzeitig durchsetzen können, dass

alle Regelungen des Manteltarifvertrags

unverändert bis in den Herbst des Jahres

2011 und damit 20 Monate länger gelten

als bis dahin vereinbart.

M A S S I V E W A R N S T R E I K S V O N M E H R A L S 5 . 0 0 0 B E S C H Ä F T I G T E N B R A C H T E N D E

Angesichts der wirtschaftlichen und politischen Großwet-terlage und der harten Haltung des Unternehmerverban-des in den ersten drei Verhandlungsrunden wissen dieallermeisten der bundesweit 170.000 Beschäftigten zuschätzen, dass mit dieser Festschreibung ein Stück mehrTarifsicherheit in stürmischen Zeiten geschaffen wordenist. Die Druck-Unternehmer hätten den Manteltarifvertragansonsten nämlich bereits zum 31. Dezember diesesJahres kündigen können und wollten das auch tun. Soaber sind die Bestimmungen zur Wochenarbeitszeit, zuUrlaub, Urlaubsgeld, tariflicher Jahresleistung, Zuschlägenund Besetzungsregelungen und alle anderen Regelungenvorerst nicht veränderbar und damit gesichert.Völlig klar ist dabei, dass der in der Nacht vom 2. auf

den 3. Juni 2009 vereinbarte Tarifabschluss am Verhand-lungstisch allein – also ohne die massiven Warnstreiks vonmehr als 5.000 Beschäftigten in bundesweit 74 Betrieben– nicht hätte erreicht werden können (siehe gegenüber-liegende Seite). Sie hatten in der Woche zuvor mit teil-weise mehrschichtigen Arbeitsniederlegungen deutlichgemacht, dass sie sich – auch und gerade vor dem Hinter-grund von Kurzarbeit und Insolvenzen in der Branche –nicht aufzwingen lassen wollten, was der Arbeitgeberver-band bvdm (Bundesverband Druck und Medien) bis dahinals Angebot unterbreitet hatte: eine Einmalzahlung von200 Euro frühestens im Oktober, die aber durch betrieb-liche Regelungen auf 100 Euro kürzbar sein sollte. Zum1. April 2010 sollte es dann eine Lohnerhöhung um1,4 Prozent geben, die aber – ebenfalls durch betrieblicheRegelungen – bis zum Ende des Jahres 2010 hätte auf-geschoben werden können.Großzügig, wie sie nun einmal sind, hatten die Unter-

nehmer auch angeboten, zusammen mit einer solchenLohnvereinbarung den Manteltarifvertrag bereits jetzt neuabzuschließen – unter einer Bedingung: Den Betriebenmüsse ermöglicht werden, die Arbeitszeit ohne Lohnaus-gleich zu verlängern und die Maschinenbesetzung zuverschlechtern. Die ver.di-Vertreterinnen und -Vertreteram Verhandlungstisch waren fassungslos, dass der Unter-nehmerverband zu einem Zeitpunkt die Arbeitszeit verlän-gern wollte, zu dem in einer Reihe von Betrieben Auslas-tungsprobleme bestehen und Kurzarbeit stattfindet oderangekündigt ist. Die Druck-Arbeitgeber hätten damitschulterzuckend in Kauf genommen, dass Tausende vonBeschäftigten ihren Arbeitsplatz verlieren.Der am 3. Juni 2009 vereinbarte Tarifvertrag enthält

nun aber nichts dergleichen: Für die Einmalzahlung imSeptember und die Lohn- und Gehaltserhöhung im April2010 gibt es keine betrieblichen Öffnungsklauseln zumVerschieben, Aussetzen, Kürzen oder Streichen. Die Ein-malzahlung darf auch nicht auf übertarifliche Leistungenangerechnet werden. Der tarifliche Wochenecklohn(Lohngruppe V) steigt zum 1. April 2010 um 2,0 Prozentauf 567,73 Euro. HENRIK MÜLLER

… und Axel Sprin… bei Bauer in Köln ...

Warnstreik bei Giesecke & Devrient ...

Mehr Tarifsicherhe

… bei Axel Springer in Berlin-Spandau, ...

Gute Leute

Beim Bundesvorstand der Vereinten Dienstleistungsgewerk-schaft ist im Fachbereich Medien, Kunst und Industrie dieStelle einer/eines

Tarifsekretärin/Tarifsekretärs

mit den Schwerpunkten Druckindustrie und Zeitungsverlage sowiePapierverarbeitung zu besetzen. ver.di wünscht sich eine Kollegin odereinen Kollegen, die/der über gute Branchenkenntnisse und Erfahrungenbei der Anwendung der Tarifverträge in Druckindustrie und Papierverar-beitung verfügt bzw. Interesse daran hat, sich diese Kenntnisse anzueig-nen. Sehr gute Kenntnisse des allgemeinen Arbeitsrechts, des Tarifrechtsund der Betriebsverfassung sind Voraussetzung. Kenntnisse zu Fragender beruflichen Bildung sind erwünscht. Hohe Eigenständigkeit undEigenverantwortung zeichnen ihr/sein Arbeitsgebiet aus. Der Arbeitsortist Berlin.

Die Aufgaben umfassen u. a. das Führen, Überprüfen und Bewertenvon Tarifverhandlungen, die Beratung von GBR-, KBR- und BR-Gremien,Konzernbetreuungen, Referent(inn)en- und Teamendentätigkeit in Se-minaren und die Beratung und Unterstützung in Fragen der beruflichenBildung.

Ansprechpartnerin für Interessentinnen und Interessenten ist beimver.di-Bundesvorstand, Ressort 4, die Kollegin Barbara Scheiter:[email protected], Telefon: 030/6956-2305.Bewerbungen sind zu richten an: ver.di-Bundesvorstand, ServiceCen-terPersonal, Bereich Bundesverwaltung/Bildungsstätten, Paula-Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin, Telefon: 030/6956-1551, Fax: -3257, eMail:[email protected]

N A C H R I C H T E N

Kurzarbeit in Druck-industrie und Papierver-arbeitung verdreifachtIm Mai 2009 haben 431 Unternehmen ausden Branchen Druckindustrie, Papierverar-beitung und Verlage für insgesamt 11.009Beschäftigte vorsorglich einen neuenAntrag auf Kurzarbeit aus wirtschaftlichenGründen (§ 170 SGB III) bei der Bundes-agentur für Arbeit (BA) gestellt. In welchemUmfang sich der Arbeitsanfall für dieBeschäftigten jeweils tatsächlich verringert,lässt sich an den Zahlen der BA zur tatsäch-lich abgerechneten Kurzarbeit im erstenQuartal 2009 ablesen.Demnach verdreifachte sich in der

Papier verarbeitenden Industrie die Zahl derKurzarbeiter/innen von Januar bis März undstieg auf 9.228. Im Schnitt fiel für jedenvon ihnen ein gutes Viertel der üblichenArbeitszeit weg. Im Druckgewerbe waren esmit 5.583 Beschäftigten im März auch etwadreimal so viele Betroffene wie im Januar;rund ein Drittel ihres Arbeitsvolumens fieljeweils weg. Im Verlagswesen betrifftKurzarbeit deutlich weniger Beschäftigte,die aber umfangmäßig stärker: Im Märzwaren es 628 bundesweit; zwei Fünftelihrer Arbeitszeit entfielen. Das heißt, dafürbekamen sie nur das reduzierte Kurz-arbeitergeld ausbezahlt. (hbf)

Werner Karry gestorbenIm Alter von 80Jahren ist am 16. Mai2009 in Marburg Wer-ner Karry gestorben,der von 1968 bis1989 als Gewerk-schaftssekretär derIndustriegewerkschaft

Druck und Papier in den Bezirken Gießen,Marburg und Fulda arbeitete. Zuvor warder gelernte Schriftsetzer länger als 20Jahre Maschinensetzer bei der »Oberhessi-schen Presse« in Marburg gewesen. Schonfrüh engagierte er sich in der Gewerk-schaftsarbeit, zunächst in der Gewerk-schaftsjugend, später u. a. als ehrenamt-licher Ortsvereinsvorsitzender und Mitglieddes Landesbezirksvorstands der IG Druckund Papier.Viele Jahre war Karry auch alternieren-

der Vorsitzender der Vertreterversammlungder AOK Marburg und ehrenamtlicherArbeitsrichter beim LandesarbeitsgerichtsFrankfurt/Main. 2004 erhielt er das Bun-desverdienstkreuz. Die Kondolenzadresse:Edeltraud Karry, Großseelheimer Straße 52,35039 Marburg.

Mit Holger Maltererverlässt ein Urgesteindie verdi-Bühne

Wenn der Begriff»gewerkschaftlichesUrgestein« nicht soabgedroschen wäre:Auf wen sollte erzutreffen, wenn nichtauf Holger Malterer?Nach mehr als 31

Jahren in hauptamtlichen Diensten hat derlangjährige Bezirkssekretär von Industrie-gewerkschaft Druck und Papier undIndustriegewerkschaft Medien, seit der ver.di-Gründung Bezirksgeschäftsführer derVereinten Dienstleistungsgewerkschaft inder schleswig-holsteinischen LandeshauptKiel, jetzt – mit 57 Jahren – die Ruhephaseseiner Altersteilzeit angetreten.In seiner Heimatstadt Hamburg lernte erbei Broschek Buchdrucker. Mit 26 Jahrenwurde Malterer – als frischgebackenerDipl.-Betriebswirt – Bezirkssekretär derDruckergewerkschaft in Kiel. Was folgte,war eine schier beispiellose Fülle vonAktivitäten und gewerkschaftspolitischenErfolgen: Neben der souveränen undzuverlässigen sozial- und tarifpolitischenBetreuung der Mitglieder und Betriebsräteseines Bezirks, der von der Landeshaupt-stadt bis an die dänische Grenze reichte,engagierte sich der quirlige Gewerkschafterauch überregional und bundesweit zumBeispiel in Fragen der beruflichen Bildung,des Leistungslohns in der Papierverarbei-tung und des Arbeits- und Gesundheits-schutzes. Bis heute ist er Vorstandsmitgliedder Berufsgenossenschaft Druck undPapierverarbeitung. Untrennbar mit demNamen Malterer verbunden sind zumBeispiel auch die segensreiche Branchenini-tiative zur Senkung des Einsatzes vongesundheitsschädlichen Lösemitten inDruckereien und der Erfolg des Graphi-schen Bildungswerks in Kiel und Flensburg.Als VS-Geschäftsführer kümmerte er sichliebevoll um die Interessen der Schriftstelle-rinnen und Schriftsteller in Schleswig-Hol-stein. Zu den Aufsehen erregenden Erfolgendes ver.di-Bezirksgeschäftsführers Maltererdürfte die erfolgreiche Rekommunalisierungder Kieler Verkehrsbetriebe gehören. Zuseiner Verabschiedung nannte ver.di-Lan-desleiter Rüdiger Timmermann ihn einen»Local Hero«. Seine Kolleginnen undKollegen sind gespannt darauf, mit welchenneuen Projekten der angehende Hobbyseg-ler schon bald wieder auf der Bildflächeerscheint. (hem)

… und beim Südd

… bei PD Pr

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3 . 2009 5TAR IFPOL IT IK

H T E N D E N D U R C H B R U C H

Foto:Bundesdruckerei

und Axel Springer in Essen ruhte die Arbeit. Ebenso bei DuMont Schauberg in Köln, ...

rheit in stürmischen Zeiten

ute – Gutes Geld!

Streikdemonstration in AugsburgIn der Zeit vom 19. bis 29. Mai 2009

haben sich bundesweit mehr als

5.000 Beschäftigte aus 74 Betrieben

an zum Teil mehrtägigen Warnstreiks

zur Unterstützung der ver.di-Tarif-

forderungen in der Druckindustrie

beteiligt.

Baden-Württemberg: Druckhaus Ulm-Oberschwaben, Ebner & Spiegel, beide Ulm;Druckhaus Ulm-Oberschwaben,Weingarten;DruckhausWaiblingen; Heilbronner Stimme,Heilbronn; Körner, Maichingen; MannheimerMorgen, Mannheim; Pressehaus Stuttgart,Druck, Infotechnik und PHV Service, alleStuttgart; Schlott, Freudenstadt; SDZ, PrintService und HerstellService Ostalb, alle Aalen;Ungeheuer und Ulmer, Ludwigsburg; Wal-cker, Isny; WS Druck- und Medienhaus, Böb-lingen.

Bayern: Bosch, Landshut; Der neue Tag,Weiden; C.H. Beck, Nördlingen; Giesecke &Devrient, Druckhaus Dessauerstrasse, Münch-ner Zeitungs-Verlag, Süddeutscher VerlagDruckzentrum Steinhausen, alle München;Pustet, Regensburg; Geiselberger, Altötting;Huhtamaki, Ronsberg; Main-Post, Stürtz,beideWürzburg; Oberbayerisches Volksblatt,Rosenheim; Presse-Druck & Verlags GmbH,Augsburg; Tagblatt, Schweinfurt; Schwann-Bagel, Oberschleißheim; Sebald, Nürnberg;Main-Echo, Aschaffenburg.

BERLIN-BRANDENBURG: Axel SpringerDruckhaus Spandau, BVZ Berliner Zeitungs-druck, beide Berlin.

Hamburg/Nord: Axel Springer Offset, Prino-vis, beide Ahrensburg; Bergedorfer Zeitung,Broschek, beide Hamburg; Clausen & Bosse,Leck; Dräger + Wullenwever, Lübeck; SchurPack, Büchen.

Hessen: Dierichs Zeitungsdruck, Kassel;Druck- und Verlagshaus (Frankfurter Rund-schau), Neu-Isenburg und Frankfurt/Main;Chesapeake, Neu-Isenburg; Echo, Darm-stadt; Societäts-Druckerei, Mörfelden undFrankfurt/Main; Westdeutsche Verlagsdru-ckerei, Mörfelden.

Niedersachsen/Bremen: Zeitungsverlag undDruckzentrum, Braunschweig; Bremer Tages-zeitungen, Bremen; Madsack, Hannover.

Nordrhein-Westfalen: Axel Springer, GerhardKaiser, beide Essen; Bauer, DuMont Schau-berg, beide Köln; Zeitungsdruck & Verlag,Bonn; Brimberg, Aachen; Gieselmann, KüsterPressedruck, PD-Pressedruck, alle Bielefeld;Gundlach, Oerlinghausen; J.C.C. Bruns, Min-den; RBD, Düsseldorf; RBD, Wuppertal;Schwann-Bagel, Mönchengladbach.

Rheinland-Pfalz/Saar: Mead Westvaco, Trier;Raiffeisendruckerei, Neuwied; SaarbrückerZeitung, Saarbrücken; VRM DruckzentrumMombach, Mainz; WWK-Druck, Landau.

Sachsen / Sachsen-Anhalt / Thüringen:Leipziger Verlags- und Druckereigesellschaft(Leipziger Volkszeitung), Wertpapierdruckerei,beide Leipzig.

Fotos: Werner Bachmeier (2), Jürgen Seidel (5),Christian von Polentz (2), Stephan Morgenstern, privat (2)

nd beim Süddeutscher Verlag in München. Auch beim Berliner Zeitungsdruck ... ... und der Frankfurter Rundschau, ...

… bei PD Pressedruck in Bielefeld, ... … und bei Pustet in Regensburg… bei der RBD in Wuppertal ...

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6 3 . 2009 ZE ITGESCH ICHTE

Vor 25 Jahren: Kampf fürdie 35-Stunden-Woche –ein Kampf um die Köpfe

Es ist ein Samstag im Juni 1984. EinLkw fährt vom Werksgelände undschafft es durchs Tor. Die erste Not-ausgabe, die im Druck- und Verlags-haus Frankfurt (»Frankfurter Rund-schau«) von Streikbrechern produziertworden ist, droht tatsächlich ausgelie-fert zu werden. Aber der Lasterkommt nicht weit. Immer mehr Men-schen versperren ihm den Weg. Schrittfür Schritt, ganz langsam, bewegensie sich die Straße hinunter, der Lkwkommt nur zentimeterweise voran.Die Polizei versucht vergebens, dieStreikenden abzudrängen, die schie-ben sich immer wieder auf die Straßeund singen »keiner schiebt uns weg«– nach der berühmten Melodie von»We shall not be moved«. Bis sichLeute direkt vor den Lkw auf dieStraße legen. Der Weg ist blockiert.Entnervt stellt der Fahrer den Motor ab.Die »aufmüpfigste unter den DGB-

Gewerkschaften«, wie die »Tageszei-tung« die IG Druck und Papier einmalnannte, ist in der elften, die IG Metallin der sechsten Streikwoche. IhreArbeitskämpfe werden als die härtes-ten in die Geschichte der Bundesrepu-blik Deutschland eingehen. Die IGDruck und Papier hat zu diesem Zeit-punkt ihre Taktik geändert und zuunbefristeten Schwerpunktstreiksaufgerufen. Auf Druck der Kollegenund Kolleginnen und als Reaktion aufdie Blockade der Unternehmer amVerhandlungstisch.Die ließen auch die zweite Schlich-

tung platzen. Der Vorschlag von KurtBiedenkopf war für die Arbeitgebervom Bundesverband Druck unan-nehmbar und der spätere sächsischeMinisterpräsident Biedenkopf derBlamierte. Erwin Ferlemann, damalsVorsitzender der IG Druck und Papier,wusste warum: »Die BDA war wiederim Hause.« Soll heißen: Der eigentli-che Drahtzieher war die Bundesverei-nigung der Deutschen Arbeitgeberver-

bände, die fast ständig imVerhandlungshotel präsent war undaufpasste, dass kein Unternehmerver-band aus dem 40-Stunden-Dogmaausscherte. »Lieber eine Woche Ar-beitskampf als eine Minute Arbeits-zeitverkürzung«, mit dem Spruch hatteschon Gesamtmetall-Chef DieterKirchner die Unternehmer glaubenmachen wollen, dass ein wenig Be-harrlichkeit genüge, damit die beidenGewerkschaften einknicken und dieArbeitszeitverkürzung bei vollemLohnausgleich für immer vom Tischwäre.Es ist weit nach Mitternacht, als

sich die Geschäftsleitung des Druck-und Verlagshauses Frankfurt beugt.Sämtliche Laster auf dem Werksge-lände müssen wieder entladen wer-den. Unter Beifall der Streikendenhieven Vorgesetzte Palette für Palettevom Wagen. Nur der eine Lkw, der esbereits durchs Werkstor geschafft hat,darf ausliefern. Doch der ist fast leer.Streiksympathisanten hatten die Gele-genheit genutzt, um die Notausgabeder »Bild der Frau« im Neu-IsenburgerWald zu entsorgen.

Beispielloser Feldzug gegenGewerkschaften und StreikendeNoch ahnt an diesem Samstag im Junikaum jemand, dass die IG Metall ihrenArbeitskampf in wenigen Tagen nacheinem sechswöchigen Streik durch63.000 Streikende mit einem Schlich-tungskompromiss beenden wird, denEinstieg in die Arbeitszeitverkürzungschafft und die IG Druck und Papierweitere zwei Wochen Arbeitskampfvor sich hat.Zwei Millionen Arbeitslose plus

eine in stiller Reserve, sinkende Real-löhne, eine scharfe Rezession und dieAblösung der sozialliberalen durcheine konservativ-liberale Bundesregie-rung – das waren die politischen undwirtschaftlichen Rahmenbedingungen

in den 80er Jahren. Und immer mehrArbeitsplätze drohten verloren zugehen. Durch neue Technologienreduzierte sich allein in der Druckin-dustrie die Zahl der Beschäftigteninnerhalb von zehn Jahren von mehrals 200.000 auf 165.000 im Jahr1983. Die 35-Stunden-Woche sollteArbeitsplätze sichern, wenn nichtsogar schaffen.Doch der Kampf um die Arbeits-

zeitverkürzung vollzog sich in jederHinsicht beispiellos: Die Unternehmerführten einen beispiellosen Feldzuggegen Gewerkschaften und Strei-kende, die Politik schlug sich in bei-spielloser Manier auf die Seite desKapitals, eifrig befeuert von den Me-dien. Und IG Metall und IG Druck undPapier agierten mit einer beispiellosvorbereiteten Kampagne für die Ar-beitszeitverkürzung bei vollem Lohn-ausgleich, begleitet von fantasievollenAktionen, unterstützt von Künstlern,Wissenschaftlern, von Kirchen, vonSolidaritätsstreiks. Weit mehr als eineTarifforderung, weit mehr als Beschäf-tigungssicherung: Es ging um dieVerfügungsgewalt der Unternehmerüber Arbeitskraft und Lebenszeit. DerKampf um die 35-Stunden-Woche wareiner um die Köpfe geworden.Plakataktionen, Umfragen, Inter-

views, Infostände in der Fußgänger-zone, die Unternehmen lassen nichtsunversucht, um die 35-Stunden-Wo-che und die Gewerkschaften zu dis-kreditieren. Sie malen sich ins Fäust-chen lachende Japaner an die Wand,denn Arbeitszeitverkürzung schaffeArbeitsplätze in Fernost, sie drohenmit Wirtschaftskrise und Arbeitslosig-keit und schüren Angst in der Bevöl-kerung. Flankiert von der Bundes-regierung, die nicht etwa die Tarif-autonomie respektiert, sondern sichoffen auf die Seite der Unternehmerschlägt. Bundeskanzler Helmut Kohlmacht den Anfang, als er im Novem-

ber 1983 auf einer Tagung der JungenUnion seine Meinung zur 35-Stunden-Woche kundtut: »Absurd, dumm undtöricht.« Zur Strategie der Politik ge-hörte auch das Blümsche Modell derVorruhestandsregelung; zuvor von denUnternehmern noch heftig abgelehnt,schien es jetzt geeignet, um Strei-kende zu verunsichern und die DGB-Gewerkschaften zu spalten, vondenen nur fünf der damals 17 die35-Stunden-Woche favorisierten.Unternehmer schreckten auch vorKriminalisierung der Streikenden nichtzurück. Die »Frankfurter AllgemeineZeitung« (FAZ) ließ tausende Plakate»gegen die menschenverachtendeGewalt« kleben. Die »Gewaltmaßnah-men« der IG Druck und Papier seienein Anschlag auf die unabhängigePresse. »Die Verunglimpfung unsererZiele in der Öffentlichkeit hat uns vorWut fast zerrissen«, erinnert sich HansScholz, damals Betriebsrat bei derFrankfurter Societätsdruckerei. Polizei-einsätze gegen Streikende und die

1984 wurde in der Druckindustrie der

Einstieg in die 35-Stunden-Woche

erkämpft, 2005 wurde sie verteidigt.

Ein Vierteljahrhundert ist es her,

dass Industriegewerkschaft

Druck und Papier und Industrie-

gewerkschaft Metall den Ein-

stieg in die 35-Stunden-Woche

erkämpften. Doch statt den

Durchbruch bei der Arbeitszeit-

verkürzung zu feiern, bleibt es

zum 25-jährigen Jubiläum in den

Gewerkschaften still. Ein

Rückblick auf den här-

testen Arbeitskampf

der IG Druck und Pa-

pier, verknüpft mit der

Frage, was übrig ge-

blieben ist vom einsti-

gen Erfolg.

Hetze in der Öffentlichkeit bliebennicht ohne Folgen: »Ich fahre euch alleum«, rief ein Fahrer und fuhr auf dieStreikenden der »Offenbach Post« los.Ein Kollege wurde schwer verletzt, eswar nicht der einzige in diesem Ar-beitskampf.Am Pressestandort Frankfurt mit

seinen beiden großen Zeitungsdrucke-reien eskalierte es an diesem Juniwo-chenende. Die vierseitige FAZ-Notaus-gabe wird unter Polizeieinsatz perHubschrauber trotz fehlender Geneh-migung aus dem Hof der Druckereiausgeflogen. Im Gedränge zwischenStreikenden und Polizisten haut je-mand Hans Scholz mit der Handkantean die Gurgel, andere werden gepacktund umgeworfen. Plötzlich fliegenKlorollen, Flugblätter und Luftballonsüber die Mauer, als die Streikendenversuchen, den Hubschrauber amLanden zu hindern. Und Abteilungslei-ter spritzen die Papierflut mit einemFeuerwehrschlauch weg. Was die FAZspäter lapidar als »vertikale Ausliefe-rung« bezeichnete, war eine insze-nierte Provokation und Machtdemons-tration eines Unternehmers.Ein kleiner Etappensieg und am

Ende die große Niederlage für dieUnternehmer: Mit 56.000 Streikendengelang der IG Druck und Papier nach13 Wochen Streik der Einstieg in die35-Stunden-Woche. Anders als bei derIG Metall wurde die Arbeitszeit aller-dings für jeden und nicht im Betriebs-durchschnitt auf 38,5 Stunden ver-kürzt. Um das zu erreichen, hatte dieIG Druck und Papier mit Unterstüt-zung des DGB und der anderen Ge-werkschaften, die dafür zwölf Millio-nen Mark locker machten, zweiWochen länger gestreikt Nicht andersin der Papierverarbeitung, auch dortwurde schließlich der Einstieg in dieFünf-Tage-Woche bei vollem Lohnaus-gleich erstreikt.

Notausgabe der FAZ perHubschrauber ausgeflogenAllerdings dauerte es noch elf Jahre,bis die ersten Drucker und Helfer inden Genuss der 35-Stunden-Wochekamen. Der Durchbruch in der Arbeits-zeitverkürzung ist noch heute einGrund zum Feiern, sagt Helmut Sei-fert, Arbeitszeitforscher beim Wirt-schafts- und SozialwissenschaftlichenInstitut (WSI) des DGB. Der Jubel fälltaber leise aus, denn in vielen Branchengibt es heutzutage Arbeitszeitverlän-gerungen, etwa das Pforzheimer Ab-kommen in der Metall- und Elektroin-dustrie, Öffnungsklauseln in derPapierverarbeitung, Rückkehr zur36,5-Stunden-Woche bei den Redak-teuren, als der Deutsche Journalisten-verband (DJV) die 35 kampflos her-gegeben hatte, durch unbezahlteMehrarbeit und vieles mehr. Im Ver-gleich zu 2001 ist die effektive Ar-beitszeit bei Vollzeitbeschäftigten imSchnitt auf 40,4 Stunden gestiegen.»Wir haben die Deutungshoheit überdie Arbeitszeit verloren«, sagt einehemaliges IG-Metall-Vorstands-mitglied.In der aktuellen Krise ist Arbeits-

zeitverkürzung jedoch en vogue,wenn auch als staatlich subventio-nierte Kurzarbeit. »Kein Mensch be-streitet jetzt noch, dass Arbeitszeitver-kürzung beschäftigungswirksam ist«,so Seifert. Das könnte sich als Chancefür die Gewerkschaften erweisen.Wenn der Abschwung anhält undUnternehmen, statt auf Kurzarbeit zusetzen, Belegschaften entlassen wol-len, sei dieser Zeitpunkt der richtige,um kurze Arbeitszeiten zu fordern, zu-mindest mit teilweisem Lohnausgleichfür untere Einkommensgruppen.

MICHAELA BÖHM

Es ging um die Verfügungsgewalt der Unternehmer über Arbeitskraft

und Lebenszeit

Z U M J U B I L Ä U M I S T E S U M D A S T H E M A A R B E I T S Z E I T V E R K Ü R Z U N G E I G E N A R T I G S T I L L

Archivfotos(2):WernerBachmeier

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3 . 2009 7DRUCK INDUSTR IE

500 Beschäftigte von »Darmstädter Echo« und Verlags-

gruppe Rhein-Main vor der betriebsbedingten Kündigung

Druckzentrum inRüsselsheim alstariffreie Zone?

V E R . D I F O R D E R T E I N E N S O Z I A L T A R I F V E R T R A G

Insgesamt 500 Druckerei-Beschäftig-ten steht die betriebsbedingte Kündi-gung zum 30. Juni 2010 bevor. Diebeiden Unternehmen haben sich zu-sammengetan, um in Rüsselsheim,geografisch in der Mitte zwischenMainz und Darmstadt gelegen, eingemeinsames Druckzentrum zu bauen(DRUCK+PAPIER berichtete). Dortsollen die 22 VRM-Titel (»MainzerAllgemeine«, »Wiesbadener Kurier«etc.) und das »Darmstädter Echo« aufneuen Maschinen von nur noch 200Beschäftigten gedruckt werden. Be-treiber des neuen Betriebs ist dieDruckzentrum Rhein-Main GmbH, ander beide Unternehmen beteiligt sind.An diese Adresse dürfen die Gekün-digten dann ihre Bewerbungen schi-cken, denn bisher sind alle Versuchegescheitert, eine Übernahme derBelegschaften aus Darmstadt undMainz-Mombach zu erreichen – oderwenigstens eine Quote und Vorrangfür die langjährig Beschäftigten.»Darüber lassen die nicht mit sich

reden«, sagt der Betriebsratsvorsit-zende der Medienhaus SüdhessenGmbH, Thomas Boyny. Vorgesprächeüber einen Sozialplan haben schonstattgefunden; ein neuer Verhand-lungstermin steht noch nicht fest. DieForderungen der Vereinten Dienstleis-tungsgewerkschaft für einen Sozialta-rifvertrag liegen der Geschäftsleitungvor – ein Ziel, für das auch gestreiktwerden kann. Vorläufig setzt ver.diaber noch in erster Linie auf Öffent-lichkeitsarbeit, um das Unternehmenzur Vernunft zu bringen.

Geschäftsleitung plant»sinnvollen Altersmix«In Mainz hat bereits die dritte Ver-handlungsrunde stattgefunden. Auchhier besteht bei der Geschäftsleitungkaum Interesse an der Weiterbeschäf-tigung der bisherigen Belegschaft.»Wir haben immer wieder versucht,den Betriebsübergang ins Gespräch zubringen, aber das Unternehmen willim neuen Druckzentrum die personel-len Altlasten nicht mehr haben«, soder VRM-Betriebsratsvorsitzende Dr.Alfred Roth. »Personelle Altlasten«und »Zuschlagsunwesen« sind Un-worte, an die Roth sich in diesemZusammenhang schon beinahe ge-wöhnt hat. Eine Transfergesellschaft,über die man sich geeinigt hat, sollden Beschäftigten für ein Jahr 90Prozent des letzten Jahresnettos be-

zahlen – nach Vorstellung von VRM-Geschäftsführer Detlef Hartmannohne Berücksichtigung der steuer-freien Zuschläge. GegenüberDRUCK+PAPIER betonte Hartmann,bei den Neueinstellungen sei ein»sinnvoller Altersmix« geplant. Eswerde keine Richtlinie über die Nicht-einstellung von älteren Mitarbeiterngeben. Betroffen sind in Mainz undDarmstadt Drucker, Aushilfen, Helferund Beschäftigte der Betriebsinstand-haltung und der Weiterverarbeitung– die meisten über 40 Jahre alt.

Den Verleger an seineVerantwortung erinnertSamstag in der Darmstädter Fußgän-gerzone. Unter ver.di-Sonnenschirmenliegen Unterschriftenlisten aus. Betrof-fene, Vertrauensleute und Unterstüt-zer sammeln Signaturen für die Über-nahme der Beschäftigten. Damit soll»Echo«-Verleger Dr. Hans-Peter Bach,der zugleich ehrenamtlicher Präsidentder Darmstädter Industrie- und Han-delskammer ist, an seine Verantwor-tung erinnert werden.»32 Jahre Nachtarbeit, 6 Jahre

Lohnverzicht, 10 Jahre Hartz IV« stehtauf dem T-Shirt von Winfried Boyny,

der nächstes Jahr 54 wird. Gemessenam gesetzlichen Renteneintrittsalter ister ein Arbeitnehmer in den bestenJahren – einer, der noch über zehnJahre arbeiten kann. Aber dass sichsein Alter auf einem Bewerbungs-schreiben nicht gut macht, ist einoffenes Geheimnis: »Ich bin zu alt,und außerdem Gewerkschafter. Diewollen sich jetzt junge Leute vomMarkt holen, die Tariflöhne gar nichtkennen.« Der Einsatz von Leiharbei-tern habe in den letzten Jahren immerwieder Arbeitskämpfe ins Leere laufenlassen. Im Versand, wo der gelernteMaurer und Bruder von BetriebsratThomas Boyny arbeitet, ist keiner ausder Kernbelegschaft jünger als 50Jahre.Betriebsratsmitglied Melanie Rei-

bold, die ihre Ausbildung zur Medien-gestalterin beim »Darmstädter Echo«absolviert hat, ist 27 Jahre alt – und»noch nicht betroffen«, sagt sie mitBetonung auf »noch«. Aber sie weiß,was der Wettbewerbsdruck für ihreGeneration bedeutet, die sich nochlange in der Arbeitswelt behauptenmuss. »Die anderen Arbeitgeber wer-den sehr genau beobachten, ob dertariflose Zustand durchsetzbar ist undob es ver.di gelingt, im neuen Druck-zentrum Fuß zu fassen.« Allerdings hatsie Verständnis für diejenigen, dieheute 50 sind und lieber zähneknir-schend einen tariflosen Zustand ak-zeptieren würden, als bis zur Rentemit Hartz IV auskommen zu müssen.

Die Zeitungen machen umdas Thema einen BogenDas »Darmstädter Echo« berichtet –natürlich – nicht über ihre Situation,die meisten anderen Zeitungen in derRegion auch nicht. Deshalb versuchendie Gewerkschafterinnen und Gewerk-schafter, mit Flugblättern und Info-ständen Öffentlichkeit herzustellen.Außerdem berichtet die Obdachlosen-zeitung »Straßengazette« ausführlichüber die Ereignisse rund um das neueDruckzentrum. Überall sonst findensich maximal ganz kleine Meldungen– und nichts über die Hintergründe.Die örtliche SPD-Arbeitsgemein-

schaft für Arbeitnehmerfragen hatunterdessen zum Anzeigenboykottaufgerufen, falls sich Verleger Bachnicht zur Tarifbindung bekennt. EinLichtblick für die Betroffenen ist auchdas Solidaritätskomitee, das sich inDarmstadt gegründet hat: Ende Maikamen erstmals rund 50 politischengagierte Menschen und Gewerk-schafter aus den unterschiedlichstenBranchen zusammen und treffen sichnun jeden zweiten Dienstag im Ge-werkschaftshaus, um über die weitereÖffentlichkeitsarbeit zu beraten. DieUnterstützung kommt sowohl vonLinkspartei und DKP als auch vonOberbürgermeister Walter Hoffmann(SPD) und aus kirchlichen Kreisen.

CLAUDIA WANGERIN

Vor den Toren der hessischen Opel-Stadt Rüsselsheim entsteht

ein neues Druckzentrum mit 200 Arbeitsplätzen – nach den Plä-

nen der Kapitaleigner ohne Tarifbindung. 143 Beschäftigte des

Medienhauses Südhessen (»Darmstädter Echo«) und 350 der

Verlagsgruppe Rhein-Main (VRM) aus Mainz dürfen sich darum

bewerben. Die meisten von ihnen müssen jedoch befürchten,

zum alten Eisen geworfen zu werden.

»Darmstädter-Echo-Verleger und IHK-

Präsident Dr. Hans-Peter Bach kappt 143

Arbeitsplätze. Einer ist meiner« steht auf

den ver.di-T-Shirts, mit denen die Gewerk-

schafter die südhessische Öffentlichkeit

auf ihre Probleme aufmerksam machen.

Foto:ClaudiaWangerin

Colordruck Pforzheim hatendgültig dichtgemachtDie Pforzheimer RollsenoffsetdruckereiColordruck hat zum 30. April 2009 endgül-tig dichtgemacht. 80 Beschäftigte verlorenihren Job. Mit dem Unternehmen war esseit geraumer Zeit bergab gegangen. ImSommer 2006 übernahm die ArquanaInternational Print & Media AG den Betrieb.Arquana war eine Ausgründung derPrivate-Equity-Gesellschaft Arques, die ein94-Prozent-Paket an ihre Druck-HoldingArquana weiterreichte. Der »Mini-Hedge-fonds« (»wallstreet:online«) veräußerteColordruck im Oktober 2007 an einen nichtnäher genannten »strategischen Investor«.In der Folge musste Colordruck PforzheimInsolvenz anmelden. Bei der Übernahmedurch Arquana hatte der Betrieb noch 225Beschäftigte gezählt. »Die Leute haben dieletzten Wochen und Monate noch mitVolldampf gearbeitet«, zitiert die »Pforzhei-mer Zeitung« den BetriebsratsvorsitzendenThomas Künkele: »Sie haben alles gegeben,sogar samstags und sonntags sind sieangetreten.« Gerettet haben dieser Einsatzund der Verzicht auf Tarifansprüche wederden Betrieb noch die Arbeitsplätze. (wj)

Verhaltene Prognosenfür die DruckindustrieKaffeesatzleserei, sich selbst erfüllendeProphezeiung oder wertvolle Orientierung:Prognosen über die weitere wirtschaftlicheEntwicklung sind mehr denn je Glaubenssa-che. Drei Institute haben jüngst Daten zurZukunft der Druck- und Medienindustrievorgelegt. Price Waterhouse Cooper (PWC)sieht einen weltweiten Einbruch bei derWerbung, der am schärfsten (minus 15Prozent) Zeitungen und Zeitschriften trifft.Bei der Außenwerbung dagegen soll esWachstum geben. Die deutsche Medien-industrie wird laut PWC dennoch pro Jahr0,8 Prozent mehr Umsatz machen.Das sieht das Institut Apenberg +

Partner anders: Die deutsche Druckbranchesoll demnach um 4,3 Prozent schrumpfenund würde damit im Vergleich zu denwirklichen Krisenbranchen mit einemblauen Auge davonkommen. Der Zeitschrif-tendruck werde am meisten leiden – daherrscht Übereinstimmung, sowohl mitPWC als auch mit dem Institut Pier 18(www.pier18.de). Dieses Haus prognosti-ziert für 2009 einen Umsatzrückgang in derdeutschen Druckindustrie um fünf Prozentund im kommenden Jahr um drei. BeiWerbe- und Geschäftsdrucksachen sowieMailings soll es kräftige Einbußen geben,Vorstufenleistungen sollen dagegen eherzunehmen. Druck- und Medienbetriebe,die wirtschaftlich gesund, technisch undorganisatorisch gut aufgestellt sind,werden laut Pier 18 von den Umwälzungenin der Branche sogar profitieren.Ein Lichtblick für innovative Unterneh-

men könnte der Aktionsplan sein, den dereuropäische Dachverband der Druckindust-rie »Intergraf« mit der EU-Kommissionausgehandelt hat: 40 konkrete Maßnah-men, um die Wettbewerbsfähigkeit derFirmen zu fördern, sind im Gespräch. Mehrdazu in der nächsten DRUCK+PAPIER. (hbf)

BG-Präventionspreiserneut ausgeschriebenDie Berufsgenossenschaft Druck undPapierverarbeitung schreibt erneut ihrenPräventionspreis aus. Bis zum 1. September2009 können sich ihre Mitgliedsbetriebemit praxisnahen Lösungen aus dem betrieb-lichen Arbeits- und Gesundheitsschutzbewerben. Auf die Sieger warten Preisgel-der in Höhe von 10.000 Euro sowie Sach-preise. Gesucht werden gute Ideen undLösungen, die helfen, Arbeitsplätze sichererund gesünder zu gestalten. Entscheidendfür eine Prämierung ist der positive Effektfür die Menschen in den Betrieben. DieTeilnahmeunterlagen sind im Internet unterwww.bgdp.de/praeventionspreis abrufbar.Weitere Informationen gibt es über dieTelefon-Hotline 0611/131-599. (ots)

N A C H R I C H T E NN A C H R I C H T E N

ver.di trauert umKonstantin »Konni« Fox

Ende Mai hatteer noch in fröh-licher Runde mitKollegen zusam-mengesessen, am21. Juni 2009starb er im Altervon 74 Jahrenplötzlich und

völlig überraschend in Erkrath bei Düssel-dorf: Konstantin »Konni« Fox, lange Jahrestellvertretender Landesbezirksvorsitzenderder Industriegewerkschaft Medien inNordrhein-Westfalen, über den sein KollegeFranz Kersjes in einem Nachruf schrieb.»Konni hat uns als Mensch und Gewerk-schafter viel gegeben. Seine Kollegialitätwar beispielhaft.« Konstantin Fox war mitBeginn seiner Lehrzeit als Schriftsetzer inseinem Geburtsort Hamm/Westfalen Jahr1950 der IG Druck und Papier beigetreten,engagierte sich recht bald ehrenamtlich inverschiedenen gewerkschaftlichen Funktio-nen und übernahm Verantwortung vorallem in der damaligen Maschinensetzer-sparte und im Ortsverein Düsseldorf. AlsBetriebsratsvorsitzender im technischenBetrieb der »Rheinischen Post« in Düssel-dorf und Mitglied der zentralen Tarifkom-mission für die Druckindustrie spielte er1978 eine zentrale Rolle im legendärenArbeitskampf um den segensreichenTarifvertrag zur Einführung und Anwen-dung rechnergesteuerter Textsysteme (RTS).1983 folgte die Wahl zum stellvertretendenLandesbezirksvorsitzenden, als der er bis1998 viermal von Delegiertenkonferenzenbestätigt wurde.

Burda: neue Rotationund KurzarbeitBurda hat sein neues Druckzentrum imbadischen Offenburg erweitert und nimmtin Kürze die zweite 3,68 Meter breiteTiefdruck-Rotation des italienischenHerstellers Cerutti in Betrieb. Sie ersetztzwei ältere Maschinen mit Druckbreitenvon jeweils 2,45 Meter, die abgebautwurden und bereits auf dem Seeweg inRichtung Indien sind. Ein weiterer Ausbaudes Druckzentrums, wie zunächst geplant,ist zurzeit kein Thema. Angesichts vonerheblichen Umsatz und Auftragsrückgän-gen wurde Ende Juni sogar Kurzarbeitangemeldet. Die Hälfte der 650 Beschäftig-ten (2005 waren es noch 950) könntedavon betroffen sein. (wj)

Bauer-Druck lehntÜbernahme des Druck-abschlusses abDie Geschäftsleitung von Bauer-Druck inKöln will die für die Druckindustrie verein-barte Tariferhöhung nicht übernehmen,sondern stattdessen längere Arbeitszeitenohne Lohn- und Gehaltsausgleich undverschlechterte Besetzungsregelungendurchsetzen, damit der Standort gesichertsei. »Die Verhandlungen sind gescheitert«,stellte Anton Same, Mitglied der Tarifkom-mission und seines Zeichens auch Betriebs-ratsvorsitzender von Bauer Köln fest: »DerArbeitgeber hat uns mitgeteilt, dass er auswirtschaftlichen Gründen den Abschlussnicht übernehmen könne.« Dagegenwehrten sich die Beschäftigten zunächstmit zwei Warnstreiks. (sil)

Auch bei KrankheitFeiertagszuschlägeSieht ein Arbeitsvertrag vor, dass dieArbeitnehmer für Arbeit an Sonn- oderFeiertagen steuerfreie Zuschläge erhalten,so gilt dies auch, wenn wegen einerErkrankung entsprechende Arbeitstageausfallen. Und das selbst dann, wenn fürdie Arbeit an Sonn- oder Feiertagen jeweilsein »Ersatzruhetag« gewährt wird (beiKrankheit eine entsprechend lange Zeit-gutschrift). So entschied das Bundes-arbeitsgericht unter dem Aktenzeichen5 AZR 89/08. (bs)

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8 3 . 2009 FORM + TECHN IK EXTRA

V Ö L L I G N E U E V E R F A H R E N E N T W I C K E L T

Die Serie »Sammeln – Erhalten – Speichern«

würden oftmals zur Vorbereitung aufweitere Stabilisierungsmaßnahmenangewandt.Die Technik des Papierspaltens gab

es bereits im 19. Jahrhundert. Schondamals trennte man die ineinanderverketteten Fasern eines Blattes inzwei hauchdünne Schichten. PerHand! Zur Restaurierung alter Buchsei-ten etc. wird dieses Verfahren aller-dings erst seit 1960 eingesetzt. Es istwie ein chirurgischer Eingriff ins Inneredes nur Millimeterbruchteile dickenPapiers. Bis heute wird die Papierspal-tung auch in Handarbeit angewandt,wenn der maschinelle Weg ungeeig-net ist.Die Papierspaltanlage im Leipziger

ZFB arbeitet im Wesentlichen in dengleichen Schritten wie bei der manuel-len Bearbeitung: Zuerst wird der altenBuchseite ein neuer Faserrand ver-setzt. Dann wandert Blatt für Blatt

zwischen zwei gelatinebeschichtetePapierbahnen. Die brüchigen Blätterwerden so aufgeweicht und in derMitte gespalten. Im nächsten Schrittfügt die Maschine ein sehr dünnes,aber reißfestes Japanpapier zwischendie Hälften der Originale ein. Zuletztdurchläuft die Seite ein speziellesEnzymbad, bei dem das Trägerpapierwieder entfernt wird. Das neue Blattist fertig.

Maschinelle Spaltungmittlerweile umstritten»Das Papierspaltungsverfahren istdas Wichtigste im Kampf gegen denVerfall alter Schriften«, behauptetCorinna Habermann. Darüberherrscht in der Fachwelt allerdingskeine Einigkeit: Viele namhafte Res-tauratoren halten die Zeit der ma-schinellen Papierspaltung für abge-laufen, weil es mittlerweile neue

zwischen Platten gepresst. Der Luft-druck, der normalerweise etwa 1.000Millibar beträgt, wird auf unter sechsMillibar reduziert. In diesem Vakuumentweicht das Eis, ohne zu tauen.Nach der Trocknung wird der Luft-druck in der Kammer allmählich wie-der angehoben und die Temperaturauf 20 Grad Celsius erhöht – ein Ver-fahren, das die alten Originale best-möglich schont und komplett durch-trocknet.Etliche Exemplare wurden danach

per Hand trocken weiterbearbeitet:Einbände und Seiten wurden von Rußund Wasserflecken befreit – ein zeit-aufwendiges und anspruchsvollesVerfahren. »25 Leute haben sich umdie wassergeschädigten Bücher ausder HAAB gekümmert«, so Haber-mann. Rund dreieinhalb Jahre dauertees, bis der nasse Bücherberg aus Wei-mar abgearbeitet war: Im Mai 2008verließen die letzten gefriergetrockne-ten Exemplare das ZFB.

Einzelstücke perHand restauriertNur einzelne beschädigte Schriftstückeverblieben im ZFB zur Weiterbehand-lung. Für die große Masse der soge-nannten »Aschebücher« aus Weimarwäre die weitere Restaurierung perHand zu zeitaufwendig und teuer.Viele Versuche wurden angestellt, umherauszufinden, wie das verbranntePapier zu rekonstruieren sei, so Haber-mann. Sie erklärt: „Spezielle Verfahrenzur Papierstabilisierung machen selbstaus Fragmenten wieder ein intaktesBlatt. Sie festigen das Papier mecha-nisch und verleihen ihm durch gleich-zeitige Entsäuerung auch langfristigechemische Stabilität. So werden beider Nassbehandlung Schmutzpartikel,Säuren und Abbauprodukte aus demPapier gespült. Anschließendes Nach-leimen festigt das alte Papier und gibtihm neue Flexibilität.« Diese Verfahren

Der Einsturz des Kölner Stadtarchivsund vor Jahren der Brand in der Wei-marer Herzoglichen Anna-Amalia-Bib-liothek zeigen, wie gefährdet dasversammelte Kulturgedächtnis einerNation trotz aller Vorsichts- und Si-cherungsmaßnahmen ist. In Bibliothe-ken und Sammlungen schlummernviele Millionen Bücher und andereSchriftstücke: Jahrhunderte alt, teil-weise aufwändig hergestellt undverziert. Sie sind unwiederbringlicheSchätze, und ihre Inhalte bewegenGenerationen von Menschen, be-schäftigen Wissenschaftler und ver-

helfen ihnen zu neuen Erkenntnissen.Allein in Deutschland sind einerSchätzung zufolge rund 60 MillionenSchriften vom Verfall bedroht. Bücher,Zeichnungen, Handschriften usw. fürkommende Generationen zu bewah-ren und das darin enthaltene Wissenund Gedankengut zu sichern, ist einenie endende Aufgabe voller Heraus-forderungen. Wie sich Spezialistendieser Aufgabe stellen und welcheTechnologien sie dabei nutzen, stelltDRUCK+PAPIER in dieser Serie vor,deren erster Teil als Titelgeschichteder Ausgabe 4/2008 erschienen ist.

Rund 80 betriebliche Interessenvertreter und Gewerkschafter aus

14 Ländern Europas und 30 Betrieben trafen sich im März fünf

Tage lang im norditalienischen Verona

Nach dem Brand in den Frost. Visite

im Zentrum für Bucherhaltung Leipzig.

Teil 2 der DRUCK+PAPIER Serie

»Sammeln – Erhalten – Speichern«

Rauch, Hitze und Feuer – so vermutet der Laie – setzten den

Büchern beim Brand 2004 in der Herzoglichen Anna-Amalia-Bib-

liothek (HAAB) in Weimar am meisten zu. Doch es war das Lösch-

wasser, das die größten Schäden anrichtete: Bei den dicht an

dicht in den Regalen stehenden Bänden erreichten die Flammen

nur den äußeren Rand. Das Wasser dagegen drang in die Bücher

ein, ließ die Einbände schrumpfen und teilweise steinhart, das

Papier wellig und anfällig für zerstörerischen Schimmel werden.

Nicht mehr zu retten?Nicht mehr zu retten?

Die Erstversorgung musste schnell er-folgen: Nach dem Brand wurden rund60.000 von Löschwasser geschädigteBücher auf schnellstem Wege zur Ge-friertrocknung ins Zentrum für Bucher-haltung (ZFB) nach Leipzig gebracht.So konnten nach dieser Erstbehand-lung aus fast allen der ehemals nassenoder verkohlten Klumpen, die der Laiefür unrettbar gehalten hätte, wiederansehnliche, voll nutzbare Bücherhergestellt werden.

Eine Mammutaufgabefür eine kleine Firma»Als unmittelbar nach dem Brand inWeimar die beschädigten Bücher inMassen bei uns anlandeten, war daseine schwierige Situation für uns«,erinnert sich VertriebsmitarbeiterinCorinna Habermann. Der Bücherbergaus der HAAB schien unüberschaubar.Die Verantwortlichen beim ZFB re-agierten schnell: Zusätzliche Räumewurden angemietet, Mitarbeiter ein-gestellt, Gefrieranlagen aufgestellt.Dann wurden die Bücher gesichtetund sortiert: Ledereinband, Pappeoder Pergament; klamm, feucht odernass. Stark verformte Bücher wurdenvorsichtig und soweit möglich in ihreursprüngliche Form gebracht.So konnten die beschädigten Ex-

emplare ohne Zeitverzug je nachSchadenskategorie tiefgefroren unddamit gegen Schimmelbildung unddas Verlaufen von Farben und Tintengeschützt werden. Diese Zwischenla-gerung bei minus 20 Grad Celsius warder erste und wichtigste Schritt. »Sohaben wir Zeit gewonnen, die für dieVorbereitung auf die weitere Restau-rierung nötig war«, erklärt die 27-jäh-rige studierte Übersetzerin.

Rettung per GefriertrocknungDie Gefriertrocknung ähnelt der Her-stellung von Instantkaffee: Die gefro-renen Bücher werden in der Anlage

Die Gefriertrockenanlage im ZFB Leipzig. Hier wurde ein Großteil dervom Löschwasser geschädigten Bücher aus der HAAB behandelt.

Mit viel Fingerspitzengefühl werden die beschädigten Einbändeund Buchrücken erneuert.

Technologien und Materialien gibt.Jedenfalls ist die Papierspaltanlage imZFB nicht geeignet, um die 28.000»Aschebücher« aus Weimar zu bear-beiten. Das liegt unter anderem da-ran, dass große Mengen gleichartiggeschädigter Bücher bzw. mit gleicherPapierzusammensetzung nötig sind,um die Leipziger Anlage wirtschaftlichbetreiben zu können. Schnell wardamit klar, dass dieses Verfahren fürdie Brandbücher aus Weimar zu zeit-aufwendig und teuer ist. In der HAAB-eigenen Restaurierungswerkstatt inLegefeld nahe Weimar haben diedortigen Spezialisten völlig neue Ver-fahren entwickelt, um den von Was-ser und Feuer geschädigten Bücher-berg auf hohem Qualitätsniveau zurestaurieren und nachhaltig vor demVerfall zu retten. Darüber mehr imnächsten Teil der DRUCK+PAPIER-Serie. GUNDULA LASCH

Der prachtvolle Rokokosaal der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar wurde nach dem Brand komplett saniert.

Fotos(3):ChristianeEisler/TransitLeipzig

Page 9: d+p 3-2009 RZ+file++...DRUCK+PAPIER Die Branchenzeitung   Nr. 3 | Juli 2009 | Jahrgang 147 BG-Fusion im Jahre 2010 Druck und Papierverarbeitung geht

3 . 2009 9RAT + TAT

Der bvdm stellte dabei die Zahl derBeschäftigten (172.170) der Azubi-Zahl (18.538) gegenüber. Eine Blitz-umfrage von DRUCK+PAPIER beieinigen Druck- und Verlagshäusernergab: Sie sind es nicht, die zu dieserguten Quote beim Fachkräftenach-wuchs beitragen; sie kommen bes-tenfalls auf einen Anteil von zwei bisfünf Prozent.Es müssen also die mittleren und

kleinen Betriebe überdurchschnittlichviel Nachwuchs ausbilden – gut,mäßig oder schlecht. Einer ZFA-Sta-tistik zufolge hatten 70 Prozent derDruck- und Medienunternehmen2008 zwischen einem und neunBeschäftigten.

vor. So gibt es im Betrieb Engpässe beider Stellenbesetzung. Die Konsequenz– mehr junge Leute ausbilden – ziehtdie Bertelsmann-Tochter bisher nicht.Der Kölner Zeitungsverlag von Du-Mont kommt jetzt auf eine Azubi-Quote von gut zwei Prozent – unddas, obwohl die Belegschaft ständiggeschrumpft ist, die Anzahl der Lehr-stellen aber gleich blieb.Im WAZ-Druck- und Verlagszen-

trum wird auf Druck des Betriebsratsseit Herbst 2007 wieder ausgebildet.Insgesamt kommt die WAZ-Medien-gruppe derzeit auf einen Anteil vondrei Prozent Auszubildenden. Die AxelSpringer AG dagegen meldet 304 Azu-bis auf rund 6100 Beschäftigte, also

Die Umfrage unter Betriebsräten undbei Öffentlichkeitsreferenten derDruck- und Verlagshäuser ergibt einäußerst zerklüftetes Bild der Ausbil-dungslandschaft. Beispiele: Ob Süd-deutscher Verlag, WAZ-Medien-gruppe, Springer-Konzern oderVerlagsgruppe DuMont Schauberg:Ausbildung findet in Einzelfirmen derKonzerne in kleinem Rahmen statt; einFeld für strategische Planung, einkonzernübergreifendes Thema ist dieNachwuchssicherung nicht.Bei Mohnmedia in Gütersloh wür-

den alle Auszubildenden nach derLehre übernommen, heißt es dort.Doch viele ziehen eine Weiterqualifi-zierung an Schule oder Hochschule

V O N L E H R E N D E N U N D L E R N E N D E N , Q U A L I T Ä T U N D Z A H L E N

eine Quote von fünf Prozent. Unein-heitlich ist die Lage auch, wenn mankleinere Häuser dazu nimmt. Im Verlagder »Siegener Zeitung« etwa wird überBedarf ausgebildet – sofern man daskurzfristig zu erwartende Auftrags-volumen als Basis nimmt. Andererseitssteigt das Durchschnittsalter der Be-legschaft ständig; mehr Jugendkönnte nicht schaden.In der Druckerei der »Leipziger

Volkszeitung« hat der Betriebsratdurchgesetzt, dass nach jahrelangerPause wieder ausgebildet wird – aller-dings zu schlechten Konditionen ineiner hauseigenen Leihfirma und ohneAussicht auf Übernahme.

HELGA BALLAUF

DRUCK+PAPIER-Stichwort:

Ausbildung Interessenvertretung:»JAV - Biss muss sein«So jedenfalls sieht das die Jugend- und Auszu-bildendenvertretung (JAV) der Berliner Bundes-druckerei im monatlichen Newsletter für die37 Azubis. Sie erfahren nicht nur hausinterneNeuigkeiten, sondern beispielsweise auch, wiejunge Leute in Berlin Bildungsurlaub für politi-sche Seminare in Anspruch nehmen können.Biss hat die JAV, wenn sie für eine noch bes-sere Ausbildungsqualität und für die Über-nahme nach dem Abschluss streitet, berichtetJAV-Vorsitzender Lorenz Kaminski. In derBundesdruckerei gelang für den aktuellenPrüfungsjahrgang zumindest eine Übernahmeauf Zeit. Dagegen konnte die JAV ein Mento-ringprogramm noch nicht durchsetzen: Es siehtvor, dass alle älteren Azubis Berufseinsteigerbetreuen und so die Ausbilder entlasten. Bisshat die JAV auch, wenn sie dafür sorgt, dassviele Azubis Gewerkschaftsmitglied werden.»Mitwirken können« - das ist dabei ein über-zeugendes Argument, sagt der gelernte Fach-informatiker Kaminski. (hbf)

Prüfungswiki für Druckerund Mediengestalter»Kennt sich jemand im elektrofotografischenDruck mit Flüssigtoner aus?« fragt die jungeFrau und fügt hinzu: »Mir konnten bisherleider weder mein Ausbilder, noch meineLehrer helfen...« Der Moderator rund umsPrüfungsthema »Digitaldruckverfahren« stelltihr eine Linksammlung zusammen. GroßerDank. Ein pfiffiger Mitleser will verstandenhaben, dass bestimmte Teilaspekte des Digital-drucks gar nicht prüfungsrelevant sind. »Alsoich werde das trotzdem lernen«, antwortet einanderer. Könnte ja im beruflichen Alltag eineRolle spielen... So läuft es ab im »Prüfungsvor-bereitungswiki« auf www.mediencommunity.de. Angehende Drucker/innen und Medienge-stalter/innen sind Nutzer und Gestalter glei-chermaßen und werden von den ModeratorenPeter Reichard und Thomas Hagenhofer aus-drücklich aufgefordert, »alle Beiträge kritischzu hinterfragen und zusätzlich auch andereQuellen (Fachliteratur) zu nutzen.« Ein gutesÜbungsfeld also fürs selbstgesteuerte Lernen.

Extreme Schwankungenin der PapierverarbeitungAlarm? Kein Alarm? Nach ZFA-Angaben hat dieZahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsver-träge für Verpackungsmittelmechaniker/innen(VPM) im Herbst 2008 um 13,97 Prozentgegenüber 2007 abgenommen. Dagegenhatten zwischen 2006 und 2007 die Neuein-stellungen um 14,6 Prozent zugenommen.Dass die krassen Ausschläge kein Alarmzei-chen sind, zeigt die Statistik aller Ausbildungs-verhältnisse in diesem Beruf: Von 2004 (1231Lehrstellen) an stieg die Zahl stetig und lag2008 bei 1415 Stellen. Seit Jahren gibt esbeim Verpackungsmittelmechaniker extremeSchwankungen bei den neuen Ausbildungsver-trägen - ohne dass Branchenkenner eineschlüssige Antwort darauf hätten. Offenbarspielen die Wirkungen von Konzernfusionenund Teilschließungen einerseits und gutenMarktaussichten der Papier und Pappe verar-beitenden Industrie andererseits zusammen.Weitere Ausbildungsberufe in der Papierverar-beitung sind: Drucker, Mediengestalter undFachinformatiker, Industriekaufleute, Industrie-mechaniker, Elektoniker und Mechatroniker.

Fotos(2):JürgenSeidelZu wenig Unternehmen betreiben eine

durchdachte NachwuchssicherungDurchschnittszahlen dienen der schnellen Orientierung –

und verschleiern doch oft die tatsächlichen Verhältnisse.

So meldeten die Arbeitgeber vom Bundesverband Druck

und Medien (bvdm) im Mai diesen Jahres: »Ausbildungsquote

der Druckindustrie lag 2008 bei überdurchschnittlichen

zehn Prozent«.

Strategie-wechselüberfällig

Auf sie kommt es an: die ausbildenden FachkräfteDer Chef ist auf Kundenakquise,währenddessen erklärt die technischversierte Kollegin der angehendenMediengestalterin die hauseigeneSoftware. – Am Leitstand der Zei-tungsrotation zeigt der Schichtführerdem Drucker-Azubi, auf welcheWerte es ankommt. – An der Stanz-maschine weist ein Maschinenführerden künftigen Verpackungsmittelme-chaniker in den Produktionsablaufein. – Ob in der kleinen Werbeagen-tur oder im Medienkonzern, vielmehr als mit dem formalen Ausbilderhaben die Azubis fast überall mit densogenannten »auszubildenden Fach-kräften« zu tun. Sie, die Berufserfah-renen, begleiten die Einsteiger maß-geblich durch den betrieblichenAlltag.»Ausbildende Fachkräfte – die

unbekannten Mitarbeiter« so hieß

auch in Klein- und MittelbetriebenMöglichkeiten, wie ausbildende Fach-kräfte ihre Kompetenzen weiterentwi-ckeln und einsetzen können.Das nächstliegende ist die Koope-

ration mit dem Betriebsrat in Ausbil-dungsfragen, als »Auskunftsperson«,

vor zehn Jahren eine Fachbroschüre:Der Titel könnte von heute sein. Denntatsächlich machen sie wenig Redenvon ihrer wichtigen Funktion. Und»von oben« wird ihre Erfahrung viel-leicht geschätzt, aber so gut wie niehonoriert. Tatsächlich gibt es aber

wie es im Jargon des Betriebsverfas-sungsgesetzes heißt. Wer Spaß an derArbeit mit den jungen Leuten findet,kann sich auf die Ausbilder-Eignungs-prüfung vorbereiten. Einige Kammernbieten inzwischen anspruchsvolleKurse, in denen Methoden des Selbst-lernens und der handlungsorientiertenWissensvermittlung ebenso eine Rollespielen wie Konfliktmanagement undMethoden der Personalführung.Einen Schritt weiter führt die Auf-

stiegsfortbildung »Berufspädagog/in«.Sie eröffnet Perspektiven, die überBetrieb und Branche hinausgehen, imBereich der Koordination und Organi-sation von Aus- und Weiterbildung inGroßunternehmen und Ausbildungs-verbünden, in der Team- und Bereichs-leitung, als Prozessbegleiter oder Bil-dungscoach (www.berufspaedagogen.net). (hbf)

Ausbildungsverhältnisse in ausgewähltenBereichen der Druck- und Medienwirtschaft

Der Anteil von Frauen in Ausbildungsberufender Druck- und Medienwirtschaft (2008)

Dazu gehören u.a.:1 Mediengestalter für Digital- und Printmedien, Fotografen, Mediengestalter Bild/Ton,Film- und Videoeditor, Fachkraft für Veranstaltungstechnik

2 Drucker, Siebdrucker3 Buchbinder, Verpackungsmittelmechaniker4 Medienkaufleute Digital und Print, Kaufleute für audiovisuelle Medien, Kaufleute fürMarketingkommunikation, Fachangestellte für Medien und Informationsdienste

Quelle: ZFA, 2009

200820072006

Kaufmännisches4Druckweiterverarbeitung3Drucktechnik2Mediengestaltung1

18.471

20.257

21.493

4.358

4.521

4.586

2.733

2.905

3.033

8.552

8.901

9.357

Mediengestalterinnen1

53,1 % 9,9 % 19 % 36,8 %DruckweiterverarbeitungDrucktechnik Gesamt

Zahl aller Azubi davon Frauen1 nur Digital und Print

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10 3 . 2009 HEADL INE

1 5 . L E I P Z I G E R T Y P O T A G E

FORM + TECHN IK

Fotos(2):Druckkunst-Museum

Foto:BertBostelmann

Möbel mit Kultstatus: der WellpappenhockerSicher, umweltfreundlich und echtkultig sitzen – jedenfalls nach Ein-schätzung des Verbandes der Well-pappenindustrie – die Besucherinnenund Besucher auf den Veranstaltun-gen des Deutschen EvangelischenKirchentags.Die Kirchentagshocker aus Karton

seien nicht nur längst Kultobjekt derevangelischen Kirchentage, heißt es ineiner Pressemitteilung, »sondern ent-sprechen auch noch allen Anforderun-gen an ein nachhaltiges Veranstal-tungsmanagement: Sie bestehenvollständig aus nachwachsendenRohstoffen und sind zu 100 Prozentrecycelbar.«

Seit 1975 gehören Wellpappenhockerzum Inventar der evangelischen Kir-chentage. Sie sind mobil, variabel,schnell aufzubauen und kostengüns-tig. Inzwischen hat sich eine richtigeFangemeinde um das Kultobjekt Well-pappenhocker gebildet – inklusiveeigener Website (www.papphocker.de). So konnten die Veranstalter in derVergangenheit zahlreiche Hocker nachGebrauch sogar an Fans verkaufen.Die übrigen lassen sich ganz einfachim Altpapier entsorgen und werdenso vollständig dem Stoffkreislauf wie-der zugeführt. Mehr zum MaterialWellpappe unter www.wellpappen-industrie.de.

Auf der Basis pflanzlicher Fasern, diehauptsächlich aus Bruch- und Durch-forstungsholz gewonnen würden,seien die Sitzmöbel aus Wellpappeechte Naturprodukte mit perfektenRecyclingeigenschaften: »80 Prozentder in Deutschland hergestellten Well-pappe bestehen aus Fasermaterial, dasbereits mehrfach wiederverwertetwurde. Selbst der Leim zum Verklebender einzelnen Papierbahnen bestehtaus nachwachsenden Rohstoffen,nämlich Mais-, Weizen- oder Kartoffel-stärke. ›Wellpappe – nachwachsendeRohstoffe, vollständiges Recycling‹lautet daher die Botschaft auf 15.000Wellpappenhockern.«

Seit 1975 immer dabei und inzwischen mit

Kultstatus belegt: Wellpappenhocker beim

Deutschen Evangelischen Kirchentag.

Was macht die Schriftauf der Schachtel?

Produkt- und Marketingmanager fürdas Unternehmen tätig. »Die Schrift istim wechselseitigen Zusammenhangmit den anderen Gestaltungselemen-ten ein imagebildendes Wiedererken-nungsmerkmal«, betonte er. Sie seider »Anker«, der das Konzept auf denPunkt bringen müsse. Deshalb habeman den bekannten Nivea-Schriftzugim Laufe der Jahrzehnte immer wiedernur minimal verändert und die Mar-kenfarbe dezent modifiziert.Das Spannungsfeld bewege sich

zwischen Kontinuität, Verharren undModernität, so Rühle in seinem Vor-trag. Hier immer wieder das richtigeMaß zu finden, sei eine Kunst, die vielErfahrung erfordere. »Die behutsamePflege der Schrift bzw. Marke erspartriskante Schritte«, weiß der erfahreneMarketingmanager. Der anhaltendeinternationale Erfolg der Marke gibtihm recht.Einen neuen Blick auf die Genera-

tion der sogenannten »Silver-Agers«– der Menschen jenseits der 50 – warfRainer Schneider, Inhaber der Werbe-agentur Markenteam aus Dresden.Bislang hatte die Werbeindustrie dieseZielgruppe weitgehend ausgeblendet.Schneider bezeichnet sie hingegen als»Generation Gold« und ist sich sicher,dass sie im Marketing von morgeneine wachsende Bedeutung erlangenwird. »Diese Zielgruppe wächst nichtnur zahlenmäßig, sie ist auch wegenihrer Kaufkraft, ihrer besonderen Prä-ferenzen und ihrer Verbrauchererfah-rung interessant«, so Schneider.Mit der richtigen Gesamtgestal-

tung von Verpackungen könne mandie »Generation Gold« erfolgreichansprechen. Leider sei das bislang nurselten der Fall, wie Schneiders Bei-spiele von schlecht lesbaren Produkt-informationen, verwirrender Gestal-tung oder komplizierter Handhabungzeigten. »Auf die besonderen Bedürf-

Wie groß das Interesse an diesenFragestellungen ist, bewies die hoheZahl von mehr als 80 Teilnehmerinnenund Teilnehmern – unter ihnen Grafi-ker und Designer, Druck-, Werbe- undMarketingfachleute, Wissenschaftler,Studentinnen und Studenten undinteressierte Laien. Veranstalter derTagung ist die Gesellschaft zur Förde-rung der Druckkunst Leipzig e.V.,deren Vorsitzender Ludwig Devrientsieben hochkarätige Referentinnenund Referenten vorstellen konnte,die in ihren Vorträgen rund um dasThema »Typografie und Verpackung– Was macht die Schrift auf derSchachtel?« unterschiedliche Aspektebeleuchteten. Sie zeigten positive wienegative Beispiele, diskutierten mitden Teilnehmer/innen. Durch dasProgramm führte der Grafik- undKommunikationsdesigner KlemensEhrlitzer.

Vorträge mitPerspektivwechselnBesonders anschaulich stellte ArminAngerer in seinem Vortrag das Tages-thema in einen internationalen Kon-text. Der für den Bereich ProductBranding und Packaging verantwort-liche Geschäftsführer der PeterSchmidt Group (Kunden sind u.a.Apollinaris, Hugo Boss, Beck’s) zeigte,welch hohen Anteil Schrift an derPopularität und Wirkmächtigkeit vonProdukten haben kann. Aber auchForm, Farbe und weitere Gestaltungs-elemente wie Fotos und Abbildungenin der richtigen Relation zueinandersind entscheidend.»Das Gesamtbild muss rund

sein«, so der Experte. Angerer prä-sentierte überzeugende Beispiele.»Woran denkt der deutsche Verbrau-cher, wenn er eine blaue Blech-schachtel sieht?«, fragte der Hambur-ger in die Runde. Form und Farbe

bestimmen hier den Wiedererken-nungswert.Beim weltweit größten Getränke-

hersteller Coca Cola sind es Schriftbildund Farben. Auch beim Snickers-Scho-koriegel funktioniert die Wiedererken-nung über den charakteristischenSchriftzug, ohne ihn wirklich lesen zumüssen. So ist es relativ einfach, mitabweichenden Botschaften wie zumBeispiel »satisfied« oder »Antihunger-kampagne« in der Snickers-typischenSchrift für besondere Werbegags zusorgen. Eine eindrückliche Präsenta-tion, die ohne viele Schnörkel vermit-telte, wie das Unterbewusstsein auf

nisse der Silver-Agers einzugehen,ohne sie zu diskriminieren, ist eineHerausforderung für Verpackungs-gestaltung, Produktentwicklung und-vermarktung«, so Schneider. Dennman habe es bei der »GenerationGold« keineswegs mit tatterigen Grei-sen zu tun, sondern mit einer dynami-schen, anspruchsvollen, gesundheits-bewussten und zahlungskräftigenKlientel. »Wer diesen AnsprüchenRechnung trägt, wird zukünftig amMarkt erfolgreich sein«, meinteSchneider.

Plattform für denMeinungsaustauschEinen weiteren internationalen Blickauf Typografie und Verpackung warfJulius Wiedemann. Der in Brasiliengeborene Grafikdesigner und Marke-tingexperte lebte und arbeitete inJapan und England, bevor er beimKölner Taschen-Verlag anheuerte. Erbrachte zahlreiche Beispiele, wie un-terschiedlich Kulturen und Märkte mitTypografie und Verpackungen umge-hen und welche Prioritäten dabeigesetzt werden. Er vermittelte ein-drücklich, dass es so etwas wie globalfunktionierende Gestaltungsmusternur in Einzelfällen geben kann.Am Ende des mit Informationen

und interessanten Perspektiven vollge-packten Tages, an dem dennoch ge-nügend Raum für Diskussionen undKontaktgespräche war, zeigte sich dieHausherrin hochzufrieden. »Mit deraktuellen Themensetzung ist es unsauch in diesem Jahr gelungen, eineVeranstaltung zu organisieren, dieweit über die Fachwelt hinaus interes-sant ist. Und für die Branchenvertreterbieten die Typotage eine perfektePlattform für den Meinungsaus-tausch«, resümierte Museumsdirekto-rin Dr. Susanne Richter zufrieden.

GUNDULA LASCH

Mehr als 80 Grafiker, Designer, Druck-, Werbe-

und Marketingfachleute, Wissenschaftler, Studen-

ten und interessierte Laien verfolgten die

hochkarätigen Vorträge.

Foto:obs/VDWe.V.

Fragen rund um das Verhältnis von Typografie und Verpackung

standen im Mittelpunkt der Leipziger Typotage, zu denen das

Leipziger Museum für Druckkunst zum mittlerweile 15. Mal

eingeladen hatte: Wie entscheidend ist die Typografie für den

Erfolg eines Produktes? Welche Rolle spielt die Schrift für die

Pflege einer Marke? Vor welche technischen Herausforderungen

stellt der Verpackungsdruck die Industrie?

Typografie hat einen hohenAnteil an Popularität und Wirk-mächtigkeit von Produkten

DRUCK+PAPIER aufneuer OffsetrotationBei der Darmstädter Alpha Print Medien AG(apm) ist eine neue Offsetrotation vom TypLithoman IV aufgestellt worden, auf derjetzt u. a. DRUCK+PAPIER, »ver.di PUBLIK«und all die anderen Periodika der VereintenDienstleistungsgewerkschaft produziertwerden. Die maximale Belegung ist auf32 Seiten A4 stehend ausgerichtet, die

Maschine hat vier Doppeldruckwerke mithalbautomatischem Plattenwechsel. DieBahnbreite beträgt minimal 380 mm,maximal 965 mm. Die Lithoman IV kannBedruckstoffstärken von 36 g/qm bis 120 g/qm verarbeiten, erreicht als höchsteLaufleistung 45000 Zylinderumdrehungenpro Stunde und weist durch Heißlufttrock-nung mit integrierter Abluftreinigung undWärmerückgewinnung eine hohe Energie-effizienz auf. Neben der Manroland-Ma-schine ist auch ein neuer CTP-Belichtervom Typ Lüscher X-Pose 260 UV installiertworden. Zum aktuellen Investitionspaketder apm AG im Volumen von 10 Mio. Eurogehören auch eine neue Fünf-Farben-Bogenoffsetmaschine (Manroland 705) undweitere Peripheriegeräte. (hem)

145.000 Tonnen Getränke-kartons verwertetTrotz Krisenstimmung auf den Sekundär-rohstoffmärkten werde »die bald 20jährigeErfolgsgeschichte des Recyclings vonGetränkekartons weitergehen«, zeigte sichReCarton-Geschäftsführer Prof. Dr. HartmutVogtmann bei der Vorstellung der Recyc-lingergebnisse des Jahres 2008 überzeugt.Die ReCarton GmbH ist ein Tochterunter-nehmen des Fachverbandes Kartonverpa-ckungen für flüssige Nahrungsmittel, indem die Firmen Tetra Pak, SIG Combiblocund Elopak vertreten sind. So seien imvergangenen Jahr rund 145.000 TonnenGetränkekartons erfasst und verwertetworden. »Das entsprach ziemlich genaudem Vorjahrergebnis. Die Recyclingquotelag unverändert bei 65 Prozent«, sagteVogtmann. Aus Getränkekartons werdenRohpapiere für Wellpappen, Faltschachtelnund Wickelhülsen hergestellt (ots)

Neue Web-to-Print-StudieMit der Produktstudie und Marktübersicht»Web-to-Print 09/10 – Anbieter, Dienst-leister + Lösungen« stellen der Bundes-verband Druck und Medien (bvdm) unddie Firma Zipcon-Consulting ihre zweiteStudie zum Web-to-Print-Markt vor, in der96 Produkte und Lösungen aus dem inDeutschland und dem europäischen Umfeldsowie Nordamerika erhältlichen Angebotanalysiert und auf ihren Anwendungszweckhin bewertet werden. Ein Expertenteam hatmarktrelevante Anwendungen recherchiert,getestet und klassifiziert. Damit biete dieStudie »eine einzigartige Marktübersichtund Entscheidungshilfe« für Web-to-Print-Strategien, so der bvdm in einer Presse-mitteilung. Die Studie kostet 690 Euro,in Kombination mit der Studie 2007 überGrundlagen und Marktdaten 890 Euro, je-weils zzgl. MwSt. und Porto/Versand. Mehrunter www.bvdm-online.de (pm)

M E L D U N G E N

das Zusammenspiel der Gestaltungs-elemente reagiert und wie Verpa-ckungsgestalter sich dies zunutzemachen.

Das Konzept auf denPunkt bringenWie man über Jahrzehnte ein Marken-bild pflegt und mit stetigen minimalenVeränderungsprozessen dennochmodern hält, erklärte Horst Rühle, derehemalige Leiter Corporate Identityder Beiersdorf AG, am Beispiel vonNivea. Fast 40 Jahre war Rühle als

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3 . 2009 11

Noch wenige Minuten. Er holt denTabak heraus, die Finger drehen eineZigarette, der Blick geht hoch, gleitetüber die Kollegen, bleibt nirgendwohängen, zwischen den Augenbrauentürmen sich zwei Falten, hektischnimmt er Zug für Zug.Endlich. Redezeit für Marcel

Bathis. »Liebe Kolleginnen und Kolle-gen«, Kunstpause, die Stimme senktsich, damit auch der Kollege davorne die »taz« beiseitelegt und diezwei da hinten ihr Privatgesprächeinstellen. Jetzt hören alle zu.Der linke Arm liegt lässig über demBauch, die Falten verschwindenebenso wie das Zappeln der Füße.Marcel Bathis genießt es zu reden.Er packt die Lohn- und Gehaltsrundein knappe Sätze, umreißt die aktuelleSituation beim Druck- und Verlags-haus Frankfurt am Main, noch einSchlenker zu Verleger NevenDuMont und zum Manteltarif.Aktuelles, Analytisches, Applaus.Fertig. Alles gesagt. Kein einzigesMal hat er auf seine Notizen ge-schaut. Dass Marcel Bathis in derNacht vor dem Warnstreik schlechtgeschlafen hat, ist den Kollegennicht aufgefallen. Aus Vorfreude,»dass es endlich losgeht«, und vorlauter Anspannung, »ob es auchklappt«.

Streikfolgen amKiosk zu erkennenDie Belegschaft des Druck- und Ver-lagshauses Frankfurt am Main ineinen Warnstreik zu führen, ist nichtmehr so einfach, seitdem sich dasangeschlagene Unternehmen voneinem Sanierungstarifvertrag in dennächsten schleppt. Trotzdem. Aufdie 300 Drucker und Helfer in Neu-Isenburg kann ver.di zählen. Einkurzer Warnstreik, dessen Folgen amnächsten Tag auch am Kiosk zu er-kennen sind: Die »Frankfurter Rund-schau« musste auf acht Seiten ver-zichten, das »Handelsblatt« auf eineaktuelle Ausgabe.Aber war es die richtige Streik-

taktik? Der richtige Zeitpunkt? Dastreibt Marcel Bathis um. Zu lasch, zu

kompromisslerisch, zu wenig radikal,solche Kritik trifft ihn tief. Die nichtnur bei Streiks kommt, sondern diegesamte Betriebsratsarbeit betrifft.Sein empfindlicher Punkt, »das istKritik von links«. Wenn ihn einer alsArbeitgeberknecht bezeichnet. Wennihm einer nicht abnimmt, dass er »imInteresse der Belegschaft gehandelt«hat. Kaum etwas nagt stärker an ihm.Dann wird der Kopf rot, die Stimmelaut, die Argumentation unsachlich.»Marcel ist ein Hitzkopf«, sagt einer.Das weiß er, aber »Einsicht reicht ebennicht für Veränderung«.

Erfolge bei innerbetrieb-lichen VerhandlungenDie Rolle als Betriebsrat sei doch keineeinfache, verteidigt er sich. Ob in derStreikleitung oder in der betrieblichenVerhandlungskommission. Das Druck-und Verlagshaus schreibt seit Jahrenrote Zahlen. Dennoch sei es in Ver-handlungen gelungen, dass nieman-dem betriebsbedingt gekündigt wird,die Tarifbindung für Druck und Redak-tion erhalten bleibt, das Unternehmennicht zerschlagen wird. Der Preis, dendie Belegschaft zu zahlen hat, ist derVerzicht auf Urlaubsgeld und tariflicheJahresleistung, wieder ein massiverPersonalabbau, es wird vielleicht nichtder letzte sein.Was ist vertretbar, was nicht?

Außenstehende haben leicht reden.Die einen glauben, das Unternehmenmit unbefristeten Streiks dazu zubringen, auf Einsparungen zu verzich-ten. Die anderen, es mit radikalemOutsourcing zu retten. Bathis schütteltden Kopf. Betriebsräte müssen dieInteressen aller Beschäftigten vertre-ten, nicht einiger weniger, und siemüssen Folgen abschätzen können.Kompromisse eingehen. Das sei ebenRealpolitik. »Oh Gott, wie ich dasWort hasse.« Klingt doch wie laschund kompromisslerisch.Als 20-Jähriger hätte Bathis eine

solche Argumentation nicht geduldet.Als er im Frankfurter Stadtschülerratdas Antifa-Referat leitete, Demosgegen den Golfkrieg mit organisierte,auf dem Römer vor Hunderten von

Leuten Reden hielt gegen den »wiedererstarkenden deutschen Imperialis-mus«. »Beseelt von seiner Mission«.In Erinnerung daran schleudert er dieFaust nach oben, die er grinsend aufhalbem Weg hängen lässt. Als jugend-licher Marxist habe er »mit demDegen statt dem Florett gefochten«.Hauptsache Treffer.

Der Grieche aus demArbeiterhaushaltEiner, der gut redet, politisch denkt,strategisch handelt. Hartnäckig, enga-giert, zielstrebig. Das erkennen auchsolche an, die schon mit ihm aneinan-dergerasselt sind. Über seine Stärkenmuss ihn keiner aufklären. Die kennter. Doch das Selbstbewusstsein ist ihmnicht angeboren.Ein aggressives Kind, sagte die

Grundschullehrerin. Mit lauter schlech-ten Kopfnoten. Sauber, pünktlich,

respektvoll, hilfsbereit, friedlich undordentlich, daran haperte es bei demZehnjährigen. Das Problemkind mitMigrationshintergrund ist nicht geeig-net fürs Gymnasium, findet die Lehre-rin. Ab auf die Hauptschule. Es istMarcels griechische Mutter, die nichtlockerlässt und auf die guten Leistun-gen verweist. Die Lehrerin gibt nach,Marcel geht aufs Gymnasium. Aberdie Selbstsicherheit der Kinder ausakademischen Elternhäusern, die fehlt

ihm. Als er einer kranken Mitschüle-rin Aufgabenblätter nach Hausebringt, bittet ihn deren Mutter zwarin den Flur, aber nicht an den Tisch,wo die Familie zu Mittag isst. Ge-kränkt verlässt er das Haus.Seine Mutter beruhigt ihn: So

sind die Deutschen eben. Die wollenallein essen. Doch Marcel verstehtdas anders. Die gut situierte Familiehat dem Griechen aus dem Arbeiter-haushalt den Platz am Tisch verwei-gert.

Geschätzt wegen seinerLebendigkeit und seinespolitischen GespürsMarcel Bathis fühlt sich als Arbeiter-kind, Mutter Küchenhilfe, Vater Per-foratortaster, trotzt gegen die»Bürgerlichen« und bewundert »Ar-beiterkinder«, die es geschafft ha-ben. Wie der Marxist, der so fundiertüber Lohn, Preis und Profit doziertund kein Hochschulprofessor ist, wieder junge Marcel zuerst glaubt, son-dern Arbeiter. Und fortan verschwin-den die »lustigen Disney-Taschenbü-cher« aus den Regalen und machenPlatz für marxistische Literatur. Oderein Betriebsrat, »der eloquent argu-mentiert, klug die Kräfteverhältnisseeinschätzt und knallhart gegenüberdem Arbeitgeber auftritt«. SeineIdeale zu vertreten, lernt Marcel, dasgeht auch, »ohne in jedem Satz einerevolutionäre Phrase einzubauen.«Der Degen ist längst dem Florett

gewichen, die Menschen, die ihmwichtig sind, schätzen ihn wegenseines Wissens, seiner Lebendigkeitund seines politischen Gespürs.Manchmal reicht ihm das nicht.Dann wurmt es ihn, wenn irgend-welche Redakteure bei seiner Redenachsichtig lächeln oder wenn ihnirgendeiner als zu lasch beschimpft.Am liebsten hätte er Anerkennungvon überall. Noch immer tritt er mitflatterndem Herzen und trockenemMund ans Rednerpult einer Betriebs-versammlung. Das währt aber nurkurz: »Wenn ich loslege, ist die Auf-regung verschwunden.«

MICHAELA BÖHM

PORTRÄT

D E R G E W E R K S C H A F T E R M A R C E L B A T H I S

Illustration:ThomasKlefisch

In einem Märchen der Brüder Grimmwird von einem Töpfchen erzählt, dasguten, süßen Brei kochen konnte. Dochwenn nicht alle Zeichen trügen, schlum-mern auch heutzutage in toten Gegen-ständen ungeahnte Fähigkeiten. Eineunscheinbare Adjektivendung macht esmöglich. Wird sie einem verkürzten Verbangehängt, entsteht ein Adjektiv. Dervon ihm näher bestimmte Gegenstandkann – Simsalabim – etwas tun, auchwenn er sich von seinem Wesen herpassiv verhält. Nehmen wir nur mal dieButter. Normalerweise muss sie derDinge harren, die da kommen. Siegelangt nicht von allein auf das Bröt-chen oder die Schnitte. Da muss schonjemand zum Messer greifen und sichwomöglich abmühen, wenn sie geradeaus dem Kühlschrank kommt. Glaubtman jedoch der Werbung und demreformfreudigen Duden, so kann dieButter die Arbeit ganz alleine tun, weilsie »streichfähig« sei.»fähig« drückt nämlich aus, dassjemand selber etwas Bestimmtes tunkann, hat also einen aktiven Sinn.Menschen sind arbeitsfähig, gehfähig,handlungsfähig. Tiere können schwimm-fähig sein. Welche Fähigkeit hat aberein Produkt wie die Butter? Dass sie sichstreichen lässt, das ist schlicht eineEigenschaft. Somit lautet das entspre-chende Adjektiv streichbar, auch wennes der Duden ignoriert. Die Endsilbe»bar« hat eine passive Bedeutung, trifftalso auf alles zu, was zwar zu nichtsfähig, aber zu manchem zu gebrauchenist. Waren können lieferbar sein,Materialien dehnbar, außergewöhnlicheBelastungen in der Steuererklärungabsetzbar, Maschinen abschreibbar,Waren exportierbar, fehlerhafte Erzeug-nisse reparierbar (reparabel), Textstellen

zitierbar, Kleidungsstücke tragbar,Adjektive steigerbar, Kräuter streubar.Nun ließe sich einwenden, die

Sache mit der Butter sei ein alter Hut,und auch Beispiele wie lieferfähig,dehnfähig, abzugsfähig seien sprachüb-lich. Doch wer so etwas gelten lässt,wird schwerlich dagegen argumentierenkönnen, wenn jemand sagen würde, einStoff sei strapazierfähig, ein Schlittenlenkfähig, ein Medikament verschrei-bungsfähig, ein PKW geländefähig (stattgeländegängig). Computer, Telefoneund andere technische Geräte wärennicht mehr für einen bestimmtenAnschluss tauglich oder geeignet,sondern eben »fähig«. Übrigens: Ichmöchte nie an essfähige Pilze geraten,sondern immer nur an essbare. Undmeiner Redaktion liefere ich keindruckfähiges, sondern ein druckbaresManuskript. DIETRICH LADE

Einer, der gut redet, politisch denkt und strate-

gisch handelt: Der Drucker Marcel Bathis, 37,

ist freigestellter stellvertretender Betriebsrats-

vorsitzender im Druck- und Verlagshaus Frankfurt

am Main (»Frankfurter Rundschau«), das zur Kölner

Verlagsgruppe DuMont Schauberg gehört.

Als stellvertretender Betriebs-

ratsvorsitzender der

»Frankfurter Rundschau«

auf dem schmalen Grat

zwischen Kampf und

Kompromiss

S P R A C H W A R T

Zu allem fähig

Politisch denken –strategisch handelnPolitisch denken –strategisch handeln

Foto:privat

Foto:StephanMorgestern

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12 3 . 2009

HAP Grieshaber war ein universalgebildeter, herausragender Hand-werker: Schriftsetzer, Typograf, Grafi-ker, Buchdrucker, später Hochschul-lehrer, zudem Maler und Zeichner,Herausgeber von Zeitschriften undBuchmacher. Er war aber auch einpolitischer Künstler: Die Nazis ver-femten seine Arbeiten und erteiltenihm Berufsverbot; das Druckerhand-werk erlernte er in dieser Zeit, weiler bei einer eventuellen Beschlag-nahme nicht nur ein Original besit-zen wollte. Er soll sich selber als»Partisan mit der Panflöte« bezeich-net haben, ein Unruhestifter undWiderständler mit den Mitteln derKunst, auch in der Demokratie.»Engel der Geschichte« hieß

seine Zeitschrift, in der von 1964 anin Zusammenarbeit mit Schriftstel-lern bis 1982 (er starb 1981) Stellungnahm. Grieshaber erhob seineStimme gegen die Folterregime inChile und Griechenland, arbeitete,damals unerhört, mitunter in derDDR und lobte die dortigen Möglich-keiten des Buchdrucks. Er setzteZitate, Gedichte und Stellungnahmenin grafische Kunst um. Er wusste,dass der Holzschnitt ein Propaganda-

machen und später ein eigenes Buch-druckatelier zu gründen. PolitischesEngagement und bildende Kunst ge-hen selten eine glückliche Verbindungein, im Werk HAP Grieshabers ist diesüberzeugend gelungen.«Nicht nur als politischer Künstler

war sich Grieshaber seiner Zeitgenos-senschaft bewusst. So setzte er sichzeitlebens mit Picasso auseinander;auf einem Holzschnitt-Porträt von1972 vermischt er seine eigenen Ge-sichtszüge mit denen Picassos. LionelFeininger und Paul Klee fühlte er sich

HAP Grieshaber zum 100. Geburtstag

P R E I S R Ä T S E L

A Z U R E E L I N I E

IF S P E S E L TL A B E L R L O I P E

L T O T A L E G XA L L T K O N T A K TL E I S T E B A R AM T E N T E A K U T

O M E N R E I S E AI Z U G N O R M A L

E N D E M I T B E M UU I B E I R A T PR E V U E P R E G E LO A R E I T E N L

Die Auflösung des letzten Rätsels:

Er war ein politischer Künstler und der bedeutendste Holz-

schneider des 20. Jahrhunderts; er ist ein Vorbild für viele

zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler; er war Drucker,

Schriftsetzer, Kalligraf und Illustrator und liebte auch das Wort.

Mit seinen meist großformatigen und farbenprächtigen Werken

gilt er als Erneuerer einer der ältesten Techniken der Welt; im

Holzschnitt verband er moderne Themen mit mythischen Über-

lieferungen. Am 15. Februar dieses Jahres wäre Helmut Andreas

Paul, genannt HAP, Grieshaber 100 Jahre alt geworden.

SPEKTRUM

mittel aus der Zeit der Bauernkriegewar: Durch ihn wurden künstlerischhochwertige politische Plakate, einebis dato vergessene Form der Agita-tion, in Deutschland populär.In seinen späteren Lebensjahren

schuf er der kubanischen Revolutioneine Mappe mit dem Titel »Herreißenddie Zukunft«, 1976 nicht gerade eineArbeit im Mainstream. Diese Haltungmacht ihn bis heute zum Vorbild fürden Gewerkschafter und Grafiker FritzBilz (DRUCK+PAPIER 1/2009): »Als ichdie ersten Holzschnitte von HAP Gries-haber sah, war ich wie erschlagen. Ichhabe erkannt, was man mit dieseralten Technik für ausdrucksstarke undmoderne Bilder schaffen kann. Ichhabe mich dann näher mit ihm be-schäftigt, und mich fasziniert nebenseinen Holzschnitten, dass er Zeitseines Lebens ein widerständigerMensch gewesen war.«Auch der Hamburger Grafiker

Klaus Raasch, der einen Großteil sei-nes Werkes im Holzschnitt fertigt(DRUCK+PAPIER 1/2008), belegt Gries-habers immensen Einfluss: »Das Buch›Grieshaber – der betroffene Zeitge-nosse‹ von 1978 war für mich dieInitialzündung, selbst Holzschnitte zu

Waagerecht: 2 Meeresalgen, 5 heftige Ab-neigung, 9 Titel arab. Fürsten, 10 Dauerbezugeiner Zeitung (Kzw.), 11 engl. Adelstitel, 14griech. Göttin der Verblendung, 16 Strafstoßbeim Fußball (ugs.), 18 Reifeprüfung (Kzw.),20 lat.: Erde, 22 dt. Spielkarte, 24 Inserat,27 Körperteil, 28 engl.: Öl, 29 nichtswürdigerKerl, 30 serifenlose Linear-Antiqua, 33 einge-legtes Hühnerprodukt, 35 Flughafen in Berlin,38 amerik. Kuckucksvogel, 39 wüstes Gelage,42 jugoslaw. Schelm, 45 alkoholisches Ge-tränk, 46 Gestalt aus »Die Fledermaus«, 47Turngerät, 48 Leben, Existieren, 49 Wut,Raserei.

Senkrecht: 1 Regierungsbehörde, 2 Zeit-schaltuhr, 3 Sittichpapagei, 4 Pferd, 5 Bein-kleid, 6 Gewässer, 7 Blattgemüse, 8 per-sönliche Note, Ausstrahlung, 12 franz.Männername, 13 kannenartiges Gefäß,15 Fernsprecher, 17 Wochentag, 19 Angestell-ter im öffentlichen Dienst, 21 ungezogenesKind, Wildfang, 23 Gartenblume, 25 Tierpark,26 makedon. Reiterabteilung, 31 griech. Stadtbei Patra, 32 Seemannsknoten, 33 pastösesHeilmittel, 34 röm. Grenzwall, 36 eingedickterFruchtsaft, 37 Haarkringel, 40 Zusammen-bruch, Verfall, 41 Nebenfluss der Donau,43 Westeuropäer, 44 alte Energie- undArbeitseinheit.

Ein Unruhestifter

und Widerständler

mit den Mitteln

der Kunst

verwandt, Max Beckmann hat ihnbeeinflusst. Grieshaber wird deshalbvon zeitgenössischen Kolleginnen undKollegen auch unabhängig von sei-nem politischen Engagement verehrt.Für die Kölner Grafikerin Jutta Vollmer(DRUCK+PAPIER 2/2003), ist er einAnreger: »Eine tiefere Auseinanderset-zung mit ihm führt zwangsläufigdazu, neben der klassischen Herange-hensweise die gewohnten Pfade zuverlassen und neue und ungewöhnli-che Materialien und Werkzeuge mit-einzubeziehen, er damals – ichheute.«HAP Grieshaber, der den Gewerk-

schaften und insbesondere der Indu-striegewerkschaft Druck und Papierstets nahestand, war einer der Initia-toren der VerwertungsgesellschaftBild-Kunst, die die Rechte von Künst-lern wahrnimmt. Ein jährlicher Preisder VG Bild-Kunst für junge Künstlerträgt deshalb seinen Namen. Auch dieBundesrepublik Deutschland ehrt denlebenslang Unangepassten: Zu seinem100. Geburtstag legte sie eine Son-derbriefmarke nach einem Entwurfdes Designers Thomas Serres ausHattingen auf (Abbildung). Die zeigtden fröhlich-bunten Farbholzschnitt

Eine sehrgute Über

sicht über

die gut 30Ausstellun

gen zum

100. Geburtstag von

HAP Griesha-

ber hält die Stadt R

eutlingenbereit:

www.reutlingen.de

. Laufende Aus-

stellungengibt es be

ispielsweise

im Dom- und Diözes

anmuseumin

Mainz bis27. Septe

mber 2009, im

Picasso-Museum in

Münster bis

16. August 2009, in

der Städtischen

Galerie Neues Schl

oss in Meersburg

bis 13. September 2

009.

»Grieshaber und die

DDR« heißt

eine Ausstellung im

Kunstmuseum

Spendhaus Reutling

en bis

20. September 200

9. »HAP

Grieshaber und die

Literaten

seiner Zeit« zeigt d

ie Stadtbiblio-

thek Reutlingen bis

5. Dezember

2009, »HAP Griesha

ber – Alb-

Bilder« die Galerie

Wilhelm

Kimmichin Lauterb

ach bis

zum 31. Januar 201

0.

Der Katalog zur be

reits

beendeten Ausstell

ung

»Grieshaber und die

Moderne«im

Museum Spendhaus

Reutlingen

ist im Verlag Hatje

und Cantz

erschienen: 192 Se

iten für

39,80 Euro (www.h

atjecantz.de).

Der Partisan mit der PanflöteGrafische Gestaltung: Thomas Serres,

Hattingen – Motiv: Der Feuervogel,

1961; HAP Grieshaber © VG Bild-

Kunst, Bonn 2008

1 2 3 4 5 6 7 8

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An unserem DRUCK+PAPIER-Preisrätsel könnenalle ver.di-Mitglieder teilnehmen. Bei den Lö-sungsworten, die sich in den gelben Kästchenergeben, handelt es sich diesmal um ein Be-griffspaar aus der Satzherstellung. Bitte dieseBegriffe auf einer Postkarte oder über dasInternet bis zum 11. August 2009 senden an:

Redaktion DRUCK+PAPIERc/o ver.di-BundesvorstandStichwort PreisrätselPaula-Thiede-Ufer 1010179 Berlin

Unter den Einsenderinnen und Einsendern derrichtigen Lösung verlosen wir – unter Aus-schluss des Rechtswegs – folgende Preise:1. Preis: Bücher, CDs und/oder DVDs aus demProgramm der Büchergilde Gutenberg im Wertvon 125 Euro2. Preis: eine Kiste ver.di-Rotwein (Lemberger)3. Preis: eine Kiste ver.di-Weißwein (Rivaner)4. und 5. Preis: je ein wunderschönes Me-mory-Spiel aus der Werkstatt des HamburgerKünstlers Bernd Heußinger6. bis 7. Preis: je ein Kilogramm ver.di-Kaffee(Hochland Arabica feinmild) aus fairem Handel

»Feuervogel«, Frauenvogel oderVogelfrau, und hat einen Wert von1,65 Euro, das Porto für eine soge-nannte »Warensendung Maxi bis 500g«, ein für private Zwecke eher unge-bräuchliches Format.Der Künstler HAP Grieshaber

wurde in Rot an der Rot in Ober-schwaben geboren und lebte undarbeitete lange Zeit in Reutlingen aufder Achalm, dem Reutlinger Haus-berg. Vor allem dort im SüdwestenDeutschlands ist er im öffentlichenRaum präsent; seinen Holzreliefs und-schnitten, Mosaiken, Wandmalereienund Glasfenstern begegnet man inRathäusern und Kirchen. Das Reutlin-ger Kunstmuseum »Spendhaus« ausdem 16. Jahrhundert bewahrt undzeigt Hunderte seiner Holzschnitteund Malereien aus allen Schaffens-phasen. ULLA LESSMANN