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Dr. Bernd Hansen & Professorin Dr. Hildegard Heidtmann „Hurra, gewonnen!“ „Mist, verloren!“ Pragmatik und Perspektive: Zwei Stiefkinder der Sprachheilpädagogik?

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Dr. Bernd Hansen & Professorin Dr. Hildegard Heidtmann

„Hurra, gewonnen!“ – „Mist, verloren!“

Pragmatik und Perspektive: Zwei Stiefkinder der

Sprachheilpädagogik?

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Gliederung

1. Einleitung

2. Teilaspekte der Pragmatik

3. Präsuppositionen, Perspektive und Theory of mind

4. Bilderbücher und Ideen zur Förderung

5. Diskussion

6. Abschluss

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1. Einleitung

ICF: WHO 2001

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1. Einleitung

Beispielsweise heißt es unter d3501:

„Eine Unterhaltung aufrecht erhalten: Einen Dialog oder

Gedankenaustausch durch zusätzliche Gedanken, Einführung eines

neuen Themas oder Wiederaufnahme eines vorangegangenen

Themas sowie durch abwechselndes Sprechen oder Geben von

Zeichen fortzusetzen und zu gestalten“

(ICF, DIMDI 2005, 102).

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1. Einleitung

Beispiel (vgl. Crystal, 1993, 279)

Es geht um den bevorstehenden Schulsporttag.

(1) S: Bei welchem Rennen würdest du gerne mitmachen?

(2) D: Ich wäre gerne am Sporttag in Rendsburg (= eine von der

Schule einige Kilometer entfernte Stadt).

(3) S: In Rendsburg?

(4) D: Ja.

(5) S: Was meinst du?

(6) D: Ich meine etwas.

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1. Einleitung

Beispiel (vgl. Crystal, 1993, 279) Fortsetzung

(7) D: Nein. In Kiel (=seine Schule) ist Sporttag.

(8) S: Was hat Rendsburg dann damit zu tun?

(9) D: Nichts.

(10) S: Warum hast du dann davon gesprochen?

(11) D: Ja, ich habe davon gesprochen.

(12) S: Warum hast du davon gesprochen?

(13) D: Ich weiß nicht.

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Was grammatisch, semantisch, phonologisch oder phonetisch

vollkommen richtig ist, kann pragmatisch unangemessen sein.

Pragmatik

• Anwendung von Sprache in der sozialen Interaktion

• Faktoren, die die Auswahl von Sprache bestimmen

• Auswirkungen, die diese Auswahl auf andere hat

1. Einleitung

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2. Teilaspekte der Pragmatik

• Verwirklichung von kommunikativen Absichten

• soziale Organisation von Gesprächen

• Sprachstil und Korrekturen

• Präsuppositionen, Perspektive und Theory of mind

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2. Verwirklichung kommunikativer Absichten

• Sprechakttheorie

Der Sprechakt setzt sich aus drei Teilakten zusammen:

• dem Äußerungsakt

• dem propositionalen Akt (Referenz und Prädikation)

• dem illokutiven Akt (kommunikative Absicht)

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2. Zur sozialen Organisation von Gesprächen

Beispiel

E: Kann ich Ihnen noch etwas zu essen oder zu trinken bringen?

K: Ja.

E: Was denn?

K: Beides.

E: Und was möchten Sie essen oder trinken?

K: Beides.

E: Und was denn zu trinken?

K: Alles.

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2. Zur sozialen Organisation von Gesprächen

Charakteristika von Gesprächen:

• das turn-taking (Sprecherwechsel)

• die Gesprächssequenz

• der Gesprächsbeginn

• Einführung bzw. Einigung auf einen Redegegenstand

• Opening up closing, d.h. das Ankündigen des Gesprächsendes

• Closing

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2. Sprachstil und Korrekturen

Korrekturen

• spontan

• elizitiert

• Selbstkorrektur

• Fremdkorrektur

Beispiele

Tom: Ein Autofage.................

Der Autokage/ein Autotschade/de Motakate.

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2. Sprachstil und Korrekturen

Thema des Gespräches: Hunde

Le: Ey, bei Transformers (FILM) gibt es echt, ähm.

J: Lennart, wir wollen nich über Transformers reden!

Kinder korrigieren die Bereiche, an denen sie „gerade arbeiten“.

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Beispiel: Lehrerin (L) und Schüler (S) in einer 1. Klasse

L: Was habt ihr gestern gemacht?

S: Wir waren mit dem Fußball im Freizeitcenter.

L: Was habt ihr da gemacht?

S: Wir waren eine andere Tür unten, wo die Profi sind und alles

andere war da nur in eine andere Tür. Und dann waren wir nur

dahin reingegangen, wo der war und.

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3. Präsuppositionen, Perspektive und Theory of mind

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3. Präsuppositionen, Perspektive und Theory of mind

Präsuppositionen

• gemeinsames Wissen, das als bekannt für beide

Kommunikationspartner/innen vorausgesetzt wird

gemeinsames Wissen :

• gemeinsames Betrachten von Aspekten der physischen Umwelt

• Teilhabe am allgemeinen Wissen über die Situation selbst oder

über den Kommunikationspartner

• Berücksichtigung des vorgehenden Diskurses

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Beispiel

DENNIS, MARCEL, NINA LIEGEN

DENNIS WLL SICH AUFSETZEN

Timo: Du bist!

Dennis: Ich.

Nina: Lass mich!

Dennis: Bitte ich.

Nina: Nein.

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3. Präsuppositionen, Perspektive und Theory of mind

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3. Präsuppositionen, Perspektive und Theory of mind

Perspektivenübernahme

• das Nachvollziehen von Zuständen wie Denken, Fühlen und

Wollen einer anderen Person,

• dass heißt von psychischen Zuständen und Prozessen

Theory of mind

• Fähigkeit, eigene und fremde Bewusstseinsvorgänge zum

Gegenstand des Nachdenkens zu machen

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3. Präsuppositionen, Perspektive und Theory of mind

Definition: „Theory of mind“

„Annahmen über Bewusstseinsvorgänge, von denen der „gesunde

Menschenverstand“ ausgeht, um Verhalten zu erklären:

• „desires“: Bedürfnisse, Wünsche, Motive, Absichten, Intentionen

• „beliefs“: Erwartungen, Meinungen, Ansichten, Überzeugungen über

Sachverhalte

• Wahrnehmungen

• Emotionen“

(Bischoff-Köhler 1998, 354)

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4. Bilderbücher und Ideen zur Förderung

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Bilderbücher

• Anton kann zaubern

• Der Grüffelo, Das Grüffelokind

• Der wilde Wombat

• Die Geschichte vom Löwen,

der nicht schreiben konnte

• Du hast angefangen! Nein,

du!

• Eine zauberhafte Nacht

• Fledolin verkehrt herum

• Hurra, gewonnen! Mist,

verloren!

• Josef Schaf will auch einen

Menschen

• Klar, dass Mama Anna/Ole

lieber hat

• Leon Pirat und der

Goldschatz

• So ein großes Ei

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4. Bilderbücher und Ideen zur Förderung

Aufgaben:

Welche kommunikativ-pragmatischen Aspekte sind in dem

Bilderbuch enthalten?

Wie kann das Bilderbuch zur Unterstützung der Entwicklung z.B.

von „Perspektive und Theory of mind“ eingesetzt werden?

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4. Bilderbücher und Ideen zur Förderung

Beispiel eines Piktogrammes

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5. Diskussion

Entwicklung einer Theory of mind (vgl. Bischoff-Köhler 1998)

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Enthusiasten

1. Lebensjahr Adäquate Bezugnahme auf soziale Signale, social referencing, Ausdruck der Mutter

2. Lebensjahr Phantasie- und Symbolspiel, Empathiefähigkeit

3. Lebensjahr Gebrauch mentalistischer Ausdrücke

Unterscheidung zwischen wirklichen und vorgestellten Objekten

Jemanden auf etwas aufmerksam machen, das er noch nicht gesehen hat

Voraussage, dass jemand weitersuchen wird, wenn er etwas nicht gefunden hat,

wo er es erwartete

Voraussage, dass jemand traurig sein wird, wenn ihm etwas nicht gelingt

Verständnis, dass eine andere Person etwas sehen kann, dass man selbst

gerade nicht sieht und umgekehrt. Erste Form räumlicher

Perspektivenübernahme.

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5. Diskussion

Entwicklung einer Theory of mind (vgl. Bischoff-Köhler 1998)

Fortsetzung

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Skeptiker:

Theory of mind

im

4. Lebensjahr

Erkennen falscher Meinungen

bewusste Täuschung, d. h. bei anderen gezielt eine falsche Meinung hervorrufen,

indem man ihnen entscheidende Informationen vorenthält oder ihnen falsche

Informationen liefert

echte Perspektivenübernahme, referentielle Kommunikation, d.h. Berücksichtigung

des Informationsstandes von anderen

Unterscheidung von Wirklichkeit und Schein

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Tom: Oh nee, mein Auto, ein Autofage.

Th: Ach, du willst Auto fahren, aber wer fährt denn jetzt den

Zug?

Tom: Nein.

Th: Was?

Tom: Nein, der Autokate/ein Autotschade/de Motakate.

Th: Oh, ein Motorschaden.

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6. Abschluss

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!