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Dienstag, 5. April 2011 Seite 5 INTERVIEW „Opposition ist Mist!“ Gegen die Spekulan- ten, gegen die Kern- energie und für mehr so- zialdemokra- tisches Ge- wicht in Eu- ropa: SPD- Chef Sigmar Gabriel mit Claus Pándi. Sigmar Gabriel, von 2005 bis 2009 deutscher Bundesminister für Um- welt und Reaktorsicher- heit, derzeit SPD-Vorsit- zender, möchte mit Kanz- ler Faymann jetzt den euro- paweiten Ausstieg aus der Kernenergie betreiben. „Gegen das Volk verloren“ Im „Krone“-Interview nennt der 51-jährige Ex- Gymnasiallehrer Gabriel dabei Zwentendorf als Bei- spiel: „Österreich ist das erste Land in Europa, das mit einer Volksabstim- mung aus der Atomenergie ausgestiegen ist. Darüber haben wir uns damals sehr gefreut. Das war 1978 be- merkenswert, dass die poli- tische und wirtschaftliche Klasse des Landes trotz al- ler ihrer Medien- und Fi- nanzmacht gegen die Be- völkerung verloren hat.“ „Eine Chance, die wir nützen müssen“ Umstritten ist allerdings das Instrument, eine EU- weite Bürgerinitiative ge- gen die Atomkraft – alleine deshalb, weil es diese Mög- lichkeit erst ab dem April 2012 geben wird. Das will Sigmar Gabriel freilich nicht gelten lassen. „Mit ei- ner solchen europäischen Volksinitiative bekommen ab dem nächsten Frühjahr die europäischen Bürger das Recht, ein politisches Thema auf die Tagesord- nung der Kommission zu setzen. Das ist eine Chan- ce, die wir nützen müssen. Denn was wir derzeit erle- ben, ist doch, dass die The- men, die Menschen wirk- lich interessieren, in Euro- pa überhaupt nicht debat- tiert werden. Damit wird Europa zu einer bürokrati- schen Organisation, die wie ein Treffen der Regierungs- chefs wirkt und als eine an- onyme europäische Büro- kratie erscheint und ein Ei- genleben führt.“ Anti-Atom-Gipfel im Herbst in Wien Spätestens im Herbst wollen Gabriel und Fay- mann in Wien jedenfalls ei- ne Anti-Kernenergie-Kon- ferenz mit Vertretern sämt- licher sozialdemokrati- scher Parteien in Europa und den Umweltorganisa- tionen abhalten. Auch im Kampf gegen die internationalen Speku- lanten wollen Faymann und Gabriel eine sozialde- mokratische Achse bilden. Auch hier mit der (noch nicht verwirklichten) Mög- lichkeit einer EU-weiten Bürgerinitiative. Skepsis wischt Gabriel weg: „War- um soll ich es in Europa nicht schaffen, Themen aufzugreifen und zu sagen, dafür stehen die Sozialde- mokraten. Bei der Finanz- transaktionssteuer werden SPD und SPÖ nicht alleine bleiben. Dafür braucht es die Gewerkschaften und al- le sozialen Parteien. Wir wollen kein Europa, das riskante Spielereien zulässt und wenn es schiefgeht, zahlen die Steuerzahler.“ „Die EU – ein Projekt des Establishments“ Dass es dabei auch um Wählermaximierung geht, stellt Gabriel erst gar nicht in Abrede: „Bei diesen Fra- gen will ich mit der Bevöl- kerung darüber reden und sie mobilisieren. Dafür stehe ich, und dafür werbe ich bei den nächsten Wah- len. Denn Europa war bis- lang allzu sehr ein Projekt des politischen Establish- ments. Wo das endet, ha- ben wir gemerkt.“ Keinen Zweifel lässt SPD-Chef Gabriel daran aufkommen, dass er die nächsten Wahlen gewin- nen und wieder in die Re- gierung will: „Opposition ist Mist. Wenn ich mich in der Opposition wohlfühlen würde, hieße das, Politik lieber zu kommentieren statt zu machen. Da wäre ich Journalist geworden.“ Am Wochenende war SPD-Chef Sigmar Gabriel auf Kurzbesuch bei Kanzler Faymann. Die beiden Po- litiker wollen eine neue sozialdemokratische Achse in Europa bilden. Das reicht von der Finanztransakti- onssteuer bis zur Anti-Atom-Initiative. Faymann und Gabriel wollen damit offenbar nicht nur wichtige The- men besetzen, sondern auch einen eher links orientier- ten Kurs wieder populär machen. Denn auch nach der Wirtschaftskrise kann sich die Sozialdemokratie nicht so recht behaupten. Laut Umfragen liegt die SPD derzeit zwischen 26 und 28 Prozent der Stimmen. Also ziemlich gleichauf wie hierzulande die SPÖ. SPD-Chef Sigmar Gabriel im Interview mit Claus Pándi über die Anti-AKW-Aktion, die Finanztransaktionssteuer und warum er Deutschland lieber regiert statt kommentiert. Fotos: Zwefo

„Opposition ist Mist!“

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SPD Chef Sigmar Gabriel im Interview mit Claus Pándi über die Anti-AKW-Aktion, die Finanztransaktionssteuer und warum er Deutschland lieber regiert statt kommentiert.

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Dienstag, 5. April 2011 Seite 5DINTERVIEW D

„Opposition istMist!“

Gegen dieSpekulan-ten, gegen

die Kern-energie undfür mehr so-

zialdemokra-tisches Ge-wicht in Eu-ropa: SPD-

Chef SigmarGabriel mit

Claus Pándi.

Sigmar Gabriel, von2005 bis 2009 deutscherBundesminister für Um-welt und Reaktorsicher-heit, derzeit SPD-Vorsit-zender, möchte mit Kanz-ler Faymann jetzt den euro-paweiten Ausstieg aus derKernenergie betreiben.

„Gegen dasVolk verloren“Im „Krone“-Interview

nennt der 51-jährige Ex-Gymnasiallehrer Gabrieldabei Zwentendorf als Bei-spiel: „Österreich ist daserste Land in Europa, dasmit einer Volksabstim-mung aus der Atomenergieausgestiegen ist. Darüberhaben wir uns damals sehrgefreut. Das war 1978 be-merkenswert, dass die poli-tische und wirtschaftlicheKlasse des Landes trotz al-ler ihrer Medien- und Fi-nanzmacht gegen die Be-völkerung verloren hat.“

„Eine Chance, diewir nützen müssen“Umstritten ist allerdings

das Instrument, eine EU-weite Bürgerinitiative ge-gen die Atomkraft – alleinedeshalb, weil es diese Mög-lichkeit erst ab dem April2012 geben wird. Das willSigmar Gabriel freilichnicht gelten lassen. „Mit ei-ner solchen europäischen

Volksinitiative bekommenab dem nächsten Frühjahrdie europäischen Bürgerdas Recht, ein politischesThema auf die Tagesord-nung der Kommission zusetzen. Das ist eine Chan-ce, die wir nützen müssen.Denn was wir derzeit erle-ben, ist doch, dass die The-men, die Menschen wirk-lich interessieren, in Euro-pa überhaupt nicht debat-tiert werden. Damit wirdEuropa zu einer bürokrati-schen Organisation, die wieein Treffen der Regierungs-chefs wirkt und als eine an-onyme europäische Büro-kratie erscheint und ein Ei-genleben führt.“

Anti-Atom-Gipfelim Herbst in WienSpätestens im Herbst

wollen Gabriel und Fay-mann in Wien jedenfalls ei-ne Anti-Kernenergie-Kon-ferenz mit Vertretern sämt-licher sozialdemokrati-scher Parteien in Europaund den Umweltorganisa-tionen abhalten.

Auch im Kampf gegendie internationalen Speku-lanten wollen Faymannund Gabriel eine sozialde-mokratische Achse bilden.Auch hier mit der (nochnicht verwirklichten) Mög-lichkeit einer EU-weitenBürgerinitiative. Skepsis

wischt Gabriel weg: „War-um soll ich es in Europanicht schaffen, Themenaufzugreifen und zu sagen,dafür stehen die Sozialde-mokraten. Bei der Finanz-transaktionssteuer werdenSPD und SPÖ nicht alleinebleiben. Dafür braucht esdie Gewerkschaften und al-le sozialen Parteien. Wirwollen kein Europa, dasriskante Spielereien zulässtund wenn es schiefgeht,zahlen die Steuerzahler.“

„Die EU – ein Projektdes Establishments“Dass es dabei auch um

Wählermaximierung geht,stellt Gabriel erst gar nichtin Abrede: „Bei diesen Fra-gen will ich mit der Bevöl-kerung darüber reden undsie mobilisieren. Dafürstehe ich, und dafür werbeich bei den nächsten Wah-len. Denn Europa war bis-lang allzu sehr ein Projektdes politischen Establish-ments. Wo das endet, ha-ben wir gemerkt.“

Keinen Zweifel lässtSPD-Chef Gabriel daranaufkommen, dass er dienächsten Wahlen gewin-nen und wieder in die Re-gierung will: „Oppositionist Mist. Wenn ich mich inder Opposition wohlfühlenwürde, hieße das, Politiklieber zu kommentierenstatt zu machen. Da wäreich Journalist geworden.“

Am Wochenende war SPD-Chef Sigmar Gabrielauf Kurzbesuch bei Kanzler Faymann. Die beiden Po-litiker wollen eine neue sozialdemokratische Achse inEuropa bilden. Das reicht von der Finanztransakti-onssteuer bis zur Anti-Atom-Initiative. Faymann undGabriel wollen damit offenbar nicht nur wichtige The-men besetzen, sondern auch einen eher links orientier-ten Kurs wieder populär machen. Denn auch nach derWirtschaftskrise kann sich die Sozialdemokratienicht so recht behaupten. Laut Umfragen liegt dieSPD derzeit zwischen 26 und 28 Prozent der Stimmen.Also ziemlich gleichauf wie hierzulande die SPÖ.

SPD-ChefSigmarGabriel imInterviewmitClausPándiüberdie Anti-AKW-Aktion, die Finanztransaktionssteuer undwarum er Deutschland lieber regiert statt kommentiert.

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