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Dr. Schulze-Bergmann 1 Didaktische Modelle seit 1945

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Didaktische Modelleseit 1945

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Was ist Didaktik?

Diese Frage ist nicht eindeutig zu beantworten, da es unterschiedliche

Auffassungen gibt.

Didaktik kann verstanden werden als • „die Wissenschaft und Lehre vom Lehren und Lernen überhaupt.“

( Dolch 1965)• die Theorie, die die Auswahlkriterien für Bildungsinhalte liefert

(Klafki 1975)• Didaktik als „ Theorie des Unterrichts“ (Heimann 1965)• „Anwendung psychologischer Lehr- und Lerntheorien“ (Roth 1976)• eine Theorie, die Lernprozesse wie kybernetisch gesteuerte Abläufe

versteht und beschreibt (F. von Cube 1976)

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Bildungsziel:Wie bestimme ich

Erziehungsleitbilder und davon abgeleitet Lernziele?

Stand der Theorie:Was weiß ich über

den Unterrichtsgegenstand?

Lernen:Wie werden Inhalte

vom Schüler erworben?

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Nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Diktatur steht die Erziehungswissenschaft vor der Frage, an welchen Theorien und Leitbildern sie sich orientieren soll. Die Lösung sind Theoreme aus der Aufklärung, mit denen die Bildung des Individuums und Leitbilder des Humanismus zu zentralen Bildungskategorien werden. Sie gelten politisch als unbelastet.Diese Aspekte werden nur zum Teil aus der Weimarer Zeit übernommenen, in der Pädagogik als Wissenschaft erstmals an den deutschen Universitäten etabliert wird. Weitaus gewichtiger ist der Rückgriff auf die Geisteswissenschaftliche Pädagogik, die sich auf W. Diltheys Verständnis von Gesellschaft und Kultur stützt und nicht selten in großer Nähe zu deutsch-nationalen Geschichts- interpretationen auftritt. Dieser Rückgriff erfolgt aus zwei Gründen:

a. die Generation der führenden Vertreter an den Universitäten und PH erhielt ihre Ausbildung in der Weimarer Republik,

b. andere konkurrierende Ansätze fehlen in den 50er Jahren.

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Der Wertehorizont der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik spiegelt bürgerliche Interessenlagen und versteht sich damit eher nicht volksbildend, sondern als elitäre Bildung. Für die Erhellung der Verhältnisse von individueller Lebenslage und gesellschaftlichen Machtverhältnissen kann diese Position wenig beitragen.

Tenorth fasst zusammen:„Allen philosophischen Reflexionen zum Trotz blieb es daher bei dem bekannten Ergebnis, dass die Vermittlung von Anspruch und Wirklichkeit in der Erziehung allein über die Praxis des Erziehers gelingen kann. Durch seine Haltung und seine Gestaltung des pädagoigischen Verhältnisses sollten auch weiterhin die unterschiedlichen Erwartungen von Kind und Gesellschaft versöhnt werden.“ (H.-E.Tenorth, München 1989, S. 122)

Damit aber war der Bildungserfolg in die Verantwortung der Lehrerschaft weitergegeben, deren politische und soziale Abhängigkeiten nicht weiter diskutiert wurden. Quelle: H.-E. Tenorth. „Pädagogisches Denken.“ In: D. Langewiesche, H.-E. Tenorth (Hg.) Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd. V, München 1989, S.111ff.

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"Im wissenschaftlichen Sinne ist unter normativer Didaktik (…) zu verstehen, nämlich ein System, das ausgeht von obersten vorpädagogischen Sinn-Normen über das menschliche Leben, über die Stellung des Menschen in der Welt oder über die Natur des Menschen, diese Normen dann auslegt auf Erziehungsziele, daraus alle Inhalte des Unterrichts ableitet, also den Lehrplan gewinnt und schließlich bis zu Methoden- und Erziehungsformen weiter differenziert, so daß eine in sich geschlossene Deduktionskette entsteht, die aussagt, wie die Wirklichkeit Unterricht sein sollte." (Blankertz, 1969)

Didaktische Modelle, die ihre Begriffe von ethisch-moralischen Prinzipien ableiten, werden normativ genannt

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ErichWeniger

1894-1961

Professor u. a. in

Göttingen

Wolfgang Klafki

1927 - em. 1992

Klaus Mollenhauer1928 -1998

Herwig Blankertz

1927 - 1983

HilbertMeyer1941-

em. 2009

Professor in

Oldenburg

seine Schüler

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Um den Bildungsbegriff zu präzisieren, unterscheidet Klafki

zwischen zwei Typen von Bildungstheorien:

a. Materiale Bildungstheorien =

sie legen fest, welche Inhalte als Bildungsinhalte definiert werden können. Für die Entscheidung werden a. Vorstellungen von einem enzyklopädischen Wissen oder b. von einem an der deutschen Klassik sich bildenden Individuum herangezogen.

a. Formale Bildungstheorien = beschreiben eine Reihe von Haltungen und Verfahrensweisen, die das Individuum erwerben muss, um am Leben (Arbeit + Öffentlichkeit) teilhaben zu können. Die Auswahl der Inhalte wird a. abgeleitet von der Vorstellung, dass der Bildungsgang personale geistige und seelische Kräfte entfaltet, b. dass Methoden des Wissenserwerbs erworben werden müssen.

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Bildungstheoretisches Modell

Klafki fordert vom Lehrer, sich vor jedem Unterricht Rechenschaft

abzugeben über den Bildungswert der ausgewählten Unterrichtsinhalte. Diese Überprüfung erfolgt entlang der Beantwortung

von 5 Fragen an den Unterrichtsinhalt:1. Was ist die Gegenwartsbedeutung?2. Was ist die Zukunkunftsbedeutung?3. Welche Struktur hat der Inhalt?4. Welche exemplarische Bedeutung hat der Inhalt?5. Wie kann der Inhalt dieser besonderen Lerngruppe

vermittelt werden?

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Die Unschärfe der zentralen Begriffe sind Anlass, diese didaktische Position zu kritisieren. Klafki reagiert darauf mit einem weiteren Entwurf (1985), den er kritisch-konstruktiv nennt.Kritisch bezieht sich auf Zielvorstellungen des Unterrichts, nach denen bestimmte Fähigkeiten auf Seiten der SuS herauszubilden sind, die in der schulischen Realität bisher eher nicht erreicht werden.Konstruktiv soll heißen, dass der Unterricht grundsätzlich an der Überwindung der bestehenden schulischen Verhältnisse arbeiten soll zu dem Ziel einer humaneren und demokratischeren Schule.In diesem Entwurf stellt Klafki den Begriff ‚Schlüsselproblem‘ vor, mit dem er aktuelle gesellschaftliche Probleme meint, z. B. : • die Friedensfrage• die Umweltfrage• die Verteilungsfrage von gesellschaftlichem Reichtum.Zu diesen Schlüsselproblemen muss jeder Unterricht Stellung nehmen.

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Nach W. Klafki 1985

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Der Unterricht soll an Schlüsselproblemen ausgerichtet sein und

dadurch soziale und moralische Einstellungen auf Seiten der SuS fördern.

Allgemeinbildung

Mitbestimmungs-

fähigkeit

Selbstbestimmungs-

fähigkeit

Solidaritätsfähigkeit

bilden sich durch

Unterricht mit

Schlüselproblemen

bilden sich durch Unterricht in allen Grunddimensionen

menschlicher Interessen

Der Bildungsgang durch die ausgewählten Inhalte führt zu

Einstellungen Fähigkeiten

Kompetenzen

wie

•Kritikbereitschaft•Argumentations-

bereitschaft

• Empathie• vernetzendes Denken• Offenheit

•Kritikfähigkeit•Argumentationsfähigkeit•Methodenkenntnis

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Kritik:Die bildungstheoretischen Positionen verlangen die Herleitung (Deduktion) der Bildungsziele unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Bedingungen. Sie stützen sich aber nicht auf eine Theorie der Gesellschaft, mit denen die ‚Schlüsselprobleme‘ begrifflich und strukturell erfasst werden können.Diese Schwäche wird von politisch links orientierten Wissenschaftlern aufgezeigt. Sie werfen dieser Pädagogik vor, wegen der fehlenden Gesellschaftstheorie keine Abgrenzung zum Faschismus gefunden zu haben. Die bildungstheoretischen Positionen gehen von einem Individuum aus, das den Bildungsgang durchläuft, um den erwünschten Reifegrad an Wissen und Einstellungen zu erreichen. Es fehlt aber noch an Theorien vom Lernen, von kommunikativen und sozio-moralischen Erwerbsprozessen (-> Kompetenzmodellen).

Siehe:

Jürgen Oelkers. “Pädagogische Reformen und Wandel der Erziehungswissenschaft.“ In: Chr. Führ, C.-L.Furck (Hg.) Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd.VI,erster Teilband, S. 217-243

Werner Jank, Hilbert Meyer.Didaktische Modelle.Berlin 2008 (8.Aufl.), Teil III, 7. Lektion, S. 203 – 239.Herbert Gudjons, Rainer Winkel(Hg.) Didaktische Theorien. Hamburg 2006 (12. Aufl.)

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Paul Heimann1901-1967

Gunter Otto1927-1997

Assistent bei Heimann in Berlin, später Professor in Hamburg

Wolfgang Schulz1929-1993

Assistent bei Heimann in Berlin,später Professor in Hamburg

Lerntheoretische Didaktik

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Entstehungszeit des ModellsDer Erziehungswissenschaftler Paul Heimann lehrt 1960 in Berlin. 1962 kritisiert er die bildunsgtheoretische Position im Rahmen des Aufsatzes „Didaktik als Theorie und Lehre“. 1965 erscheint unter Mitarbeit seiner beiden Assistenten, Gunther Otto und Wolfgang Schulz, das Buch „Unterricht - Analyse und Planung“.

EntstehungsanlassHeimann hielt die bisherige Lehrerausbildung für praxisfern. Dem Lehrer sollte keine Theorie vermittelt werden, die er dann später mehr oder weniger lückenhaft in der Praxis umsetzen konnte, vielmehr sollte das praktische Handeln selbst als „Praktikum“ in das Studium der Theorien integriert werden. Der Lehrer sollte selbst die Theoriebildung (im Sinne von „Anschauung von Praxis“) vollziehen. .

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1960 wird das „Didaktikum“ an der Pädagogischen Hochschule in Berlin eingeführt. Dabei handelt es sich um ein halbjähriges Praktikum.

Das zwingt Heimann, seine Gedanken bis hin zu einem didaktischen Modell auszuformen.

Ein zweiter Anlass ist die Kritik an Klafkis bildungstheoretischen Modell. Heimann hält den Bildungsbegriff für ungeeignet, als Dreh- und Angelpunkt von Unterrichtsplanung zu dienen. Er wirft den Vertretern dieser Didaktik „Stratosphärendenken“ vor. Die mit dem Bildungsbegriff umrissenen „subtilen Vorgänge“ spielten im Unterricht kaum eine Rolle. Die Zielbeschreibung für Bildungsgänge durch Unterricht wird zwar grundsätzlich gutgeheißen, jedoch sei es unzweckmäßig, darauf die Unterrichtsplanung aufzubauen. Dadurch werde ein Auseinanderfallen von Theorie und Praxis begünstigt.

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Theoretische Orientierung

Bei seiner Kritik bezieht sich Heimann auch auf eine andere Wissenschaftstheorie, nämlich auf die empirisch orientierte wissenschaftliche Arbeitsweise. Die empirische Vorgehensweise will intersubjektiv nachprüfbare Ergebnisse ermitteln. Sie ist zunächst einmal die wissenschaftliche Methode der Naturwissenschaft und Technik. Hier geht es um die Berechenbarkeit, Vorhersagbarkeit, Kontrollierbarkeit und Beherrschbarkeit von Ereignissen, Prozessen, Vorgängen.

Die Vorgehensweise in der empirischen Forschung ist bestimmt durch Beobachtung, Hypothesenbildung und Überprüfung im kontrollierten Experiment.

Eine empirische Ausrichtung der Erziehungswissenschaft etablierte sich von den 20er Jahren an zunächst in den USA, nicht unbeeinflusst durch die empirische Ausrichtung der deutschen Psychologie. Während der Zeit des Nazi-Regimes war die deutsche Wissenschaft isoliert, so dass deutsche Erziehungswissenschaftler wie Paul Heimann erst nach dem Krieg in den USA die dort inzwischen vollzogene „realistische Wende der Erziehungswissenschaft“ kennen lernten.

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Der LernbegriffHeimann führt aus, dass der Bildungsbegriff einer empirischen Kontrolle kaum zugänglich, weil er nicht beobachtbar sei. Beobachtbar seien hingegen Lehr- und Lerntätigkeiten. Heimann fordert deshalb, didaktische Modellbildung habe sich am Lernvorgang zu orientieren. Der Lernbegriff habe den Vorteil, schlicht, neutral und umfassend zu sein. Schlicht, weil er Diskussionen wie beim Bildungsbegriff überflüssig mache. Neutral, weil damit keine inhaltlichen Entscheidungen vorbedingt seien wie beim Bildungsbegriff. Umfassend sei der Lernbegriff, weil er die „Totalerfassung“ aller Vorgänge im Unterricht ermögliche. Die Orientierung am Lernvorgang lässt unterschiedliche Auffassungen von Lernprozessen im Sinne unterschiedlicher Lerntheorien zu.

Kritik: Mit der Operationalisierung des Bildungsbegriffs durch den Lernbegriffwerden aber nur bestimmte Bedeutungsanteile übernommen und im Berliner Modell verwendet. Es fehlen die normativen Anteile, mit denen die Soll-Vorstellungen von Erziehung beschrieben werden !

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Der Lehrer als selbständiger Theoriebildner

Statt Theorien oder Bruchstücke von Theorien (Theoreme) zu übernehmen, soll der Lehrer nach Heimann seine Theorie sich selbst erarbeiten.   Das bedeutet, dass Unterricht und Nachdenken über Unterricht, Engagement und Reflexion untrennbar miteinander verbunden sind. Die richtige Methode dazu sei die Methode des Vergleichs. Der Lehrer solle konkret erfahrene pädagogischen Prozesse mit bereits in Theorien gefassten Vorstellungen über pädagogisches Handeln und Gestalten vergleichen.

Heimann war davon überzeugt, dass der im Studium so ausgebildete Lehrer später keineswegs subjektiv-willkürlich unterrichten werde, sondern „die Verwirklichung moderner erziehungswissenschaftlicher, historisch-pädagogischer und bildungspsychologischer Erkenntnisse“ anstrebe. Die geforderte eigene Theoriebildung des Lehrers soll also keineswegs ein Freibrief für eine unprofessionelle, naive Praxis sein, sondern formuliert einen hohen Anspruch.

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Aufgrund seiner Forderung nach „Neutralität“ einer lerntheoretisch orientierten Didaktik kann Heimann nicht von Leitbildern oder Prinzipien ausgehen.

Bei der Überprüfung der unterrichtlichen Praxis stößt Heimann auf immer wiederkehrende Organisationsstrukturen.

Es handelt sich nach Heimann um sechs „Elementar-Strukturen“, ohne die konkreter Unterricht nicht denkbar ist. Sie bilden -inhaltlich variierend- das Gerüst jedes Unterrichts. Diese Strukturen sind:

-Intentionen,- Inhalte ,- Methoden ,- Medien sowie- anthropologisch-psychologische und - sozial-kulturelle Voraussetzungen

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Zielkategorie: Lernen, nicht ‚Bildung’

 

                                                                                            

Bedingungsfelder

Entscheidungs-felder

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Die ersten vier Elementar-Strukturen

bezeichnet Heimann als „Entscheidungsfelder“, weil der Lehrer hier konkrete Entscheidungen treffe, die einen Teil des je spezifischen Unterrichts ausmache.

Die letzten beiden Elementar-Strukturen bezeichnet er als „Bedingungsfelder“. Sie fassen die spezifischen Bedingungen zusammen, die der Lehrer für den Unterricht vorfindet.

Sozial-kulturelle Voraussetzungen meinen dabei Gegebenheiten wie Klassenzusammensetzung, Vorwissen, Interessen, Herkunft, Verhaltensweisen, Intelligenz, ferner die Ausstattung die Schule, den Lehrplan, die methodischen Formen, die bis zu dieser Zeit entwickelt wurden und bekannt sind u.a.

Anthropologisch-psychologische Voraussetzungen meinen den altersbedingten Entwicklungsstand der Schüler, ihr entsprechendes Leistungs- und Urteilsvermögen, aber auch das Können oder die Vorlieben des Lehrers und die Beziehungen zwischen Lehrer und Schülern.

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Unterrichtsplanung muss die Bedingungsfelder des Unterrichts beachten und Unterricht wirkt sich auf diese aus.

Für die Entscheidungsfelder gilt eine „Interdependenz“, eine gegenseitige Abhängigkeit.

Hier setzt Heimann sich noch einmal deutlich von dem bildungstheoretischen Modell ab, das von einer Priorität und Dominanz der Inhaltlichkeit des Unterrichts ausgeht.

So kann beispielsweise ein vorhandenes Medium der Kern des Planungsprozesses sein, von dem aus alle anderen Entscheidungen beeinflusst werde, z. B. welche Intentionen (Ziele) an welchen Inhalten realisiert werden sollen und welche Methoden (z. B. Kleingruppenarbeit, Klassendiskussion) zur Einpassung des Mediums dienen sollen.

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Berliner Modell

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Hamburger Modell

Dieser Ansatz wurde von Wolfgang Schulz entwickelt ( 1980). Er setzt sich deutlich vom Berliner Modell ab. Schulz unterscheidet bei der Unterrichtsplanung • langfristige Perspektivplanung,• mittelfristige Umrissplanung,• kurzfristige Prozessplanung,an diesen Planungen sollen SuS sowie Eltern teilhaben.

Den Begriff der Intention füllt er mit a. dem Erwerb solcher Kompetenzanteile, die zur individuellen und gesellschaftlichen Reproduktion als notwendig erachtet werden, dem Erwerb von Autonomie, also der nur möglichen Verfügung über sich selbst,b. dem Erwerb von Solidarität, also der Fähigkeit, nach verallgemeinerungsfähigen Normen zu handeln.

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Den Begriff der ‚Thematik‘ versteht er dahingehend, dass hier

Erfahrungsbereiche der SuS in der Schule gemeint sind:• Sacherfahrung,• Sozialerfahrung,• Gefühlserfahrung.

Schulz legt für die Unterrichtsplanung i.e.S. vier ‚Handlungsmomente‘ fest:• Unterrichtsziele• Vermittlungsvariable = Methoden und Medien• Ausgangslage der Lehrenden und Lernenden• Erfolgskontrolle

Diese vier Planungsmerkmale des Unterrichts bedingen sich gegenseitig,

die Bedingungen müssen möglichst genau beschrieben werden, dabei

wird die Rolle der Lehrkraft und die der SuS berücksichtigt.

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Intention + Thematik

Unterrichtsziel Ausgangslage

Erfolgskontrolle Vermittlungsvariable

Methodik + Medien

institutionelle Bedingungen

Produktions- und Herrschaftsverhältnisse

Hamburger Modell

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• Dieser Ansatz ist durch seinen Bezug auf ethisch-moralische Werte erneut normativ.

• Dieses Modell betont den erzieherischen Auftrag des Unterrichts stärker als das Berliner Modell.

• Die Autonomie der SuS ist Bildungsziel und soll seine Entwicklungsdynamik wesentlich durch partizipative Möglichkeiten im Unterricht erhalten.

• Unklar bleibt, wie die erwünschte Autonomie und der Erwerb von Solidarität curricular geplant und von den SuS erworben werden kann.

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Kritisch-kommunikative Didaktik nach

K.-H.Schäfer und Klaus Schaller (1971)Diese Position stützt sich auf Theorien, die kommunikative Prozesse analysieren. Dazu gehören z. B. Watzlawick, Beavin und Jackson mit ihrem Werk ‚Menschliche Kommunikation‘(1969).Dazu gehört auch Jürgen Habermas, der die Rahmenbedingungen menschlicher Kommunikation und Verständigung in seiner Diskursrethik analysiert hat (z. B. dgl. Erkenntnis und Interesse 1972).Mit dem Merkmal „kritisch“ bezieht sich der Ansatz auf die Position der kritischen Theorie der Frankfurter Schule, nach der eine interessenlose Erkenntnis der Welt nicht möglich sei (Horkheimer 1937).Nach Schaller soll der Unterricht eine optimale Information für die SuS ermöglichen, d. h. alle Informationen anbieten, die jetzt und zukünftig für das Leben des Schülers relevant sind/sein können.

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Diese Informationsbereitstellung könnte durch die elektronischen Medien zu einem vorläufigen Höhepunkt geführt worden sein. Schaller aber weist ausdrücklich darauf hin, dass es nicht nur um die Überfülle an Information geht, sondern zugleich um die Ermittlung von Sinn im Rahmen von Kommunikation zu dem Ziel einer zukünftigen Lebensführung, deren Qualität in dem Erhalt oder der Förderung, nicht aber der Beschädigung menschlicher Existenz, Mitmenschen wie Sachenwelt, besteht.

Die Lerngruppe steht im Mittelpunkt der didaktischen Überlegungen, weil sie über Informationen Ver-Handlungen führt. In dieser Perspektive verliert die Bildung des einzelnen Individuums an Bedeutung, weil die Dynamik des Bildunsgweges aus den kommunikativen Strukturen erwächst. Der Lehrkraft kommt die besondere Rolle des Moderators zu, der im Rahmen der Schulfachinhalte die SuS dazu auffordert und anleitet, die Inhalte nach ihrem Sinn zu befragen.

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Diese Position wird übernommen und ausgebaut und in einen Zusammenhang zu dem laufenden den Fachdiskurs gestellt mit der Folge, dass der Ansatz durch unterrichtsplanende Aspekte erweitert wird(R. Winkel 1987).

Das unterrichtliche Geschehen wird nach vier Aspekten geordnet:• Vermittlungsaspekt• Inhaltsaspekt• Beziehungsaspekt• störfaktorieller Aspekt.

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Auf folgende Fragen soll die Unterrichtsplanung Antwort geben:

1.Welche Voraussetzungen des Unterrichts sind zu beachten?2.Welche exemplarische Bedeutng hat der Inhalt? 3.Welche Unterrichtsstörungen sind zu erwarten?4.Welche Sachinformationen zum Unterrichtsinhalt sind zu

beachten?5. Welche Methoden sollen eingesetzt werden?6. Welche Mitbestimmungsmöglichkeiten sind gegeben?7. Welche Ergebnissicherung ist möglich?8. In welcher Weise werden Beziehungen, Gefühle und

Körperlichkeit angesprochen?9.Wie stellt sich das Verhältnis von Inhalt und Schule

/Gesellschaft dar?

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Der Aspekt der Unterrichtsstörungen wird aus diesem Entwurf

herausgelöst und wird von zahlreichen Autoren unterschiedlicher

Wissenschaften diskutiert.

K. Biller (1979) zum Beispiel hat zur Behebung von Störungen folgenden

Vorschlag gemacht:• Feststellen der Störsituation und deren genaue Beschreibung,• Sinnerschließen der Störung (Jede Störung besitzt eine verborgene • Botschaft),• Herauslösen von Störfaktoren aus der Situation,• Überprüfung der Stimmigkeit (=Plausibilität und Umsetzbarkeit).• Überprüfung der Maßnahme und ihrer Angemessenheit.

Dieser Ansatz stellt das Lehrerverhalten ebenso infrage wie das der SuS.Bei der Behebung von Störungen muss bedacht werden, ob die Lehrkraft sich inder Lage sieht, eigenes Verhalten planungsgemäß zu verändern!Hier schließen sich die Entwürfe für Streitschlichtung an, die nur einen Sinnmachen, wenn auch Lehrerverhalten zum Thema werden kann.

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Konstruktivistische Didaktik

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Informationstheoretische Didaktik von z. B. Felix von Cube (1967)

Dieser Ansatz versteht die unterrichtlichen Abläufe in Analogie zu

kybernetischen Steuerungsprozessen.

Er versucht, die einzelnen relevanten Steuerungsgrößen zu bestimmen und

zur Optimierung des Unterrichtverlaufes und zur Erreichung der

Unterrichtsziele aufeinander abzustimmen.

Die Zielerreichung ist Thema dieses Modells, nicht aber die begründete

Auswahl der Ziele.

Der in diesem Modell unterstellte Lernbegriff stützt sich auf die These, dass

Lernen wesentlich Informationsverarbeitung sei.

Gegenüber neuen Inhalten kann mit drei Typen von Lernen reagiert werden:

1. Wahrscheinlichkeitslernen = wahrscheinliches Auftreten von Zeichen erlernen

2. Speicherung = Abbau von Information und Aufbau von Redundanz

3. Superzeichenbildung = Klassen- und Gesetzbildung zur Optimierung der Informationsverarbeitung

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Informationstheoretische Didaktik

Unterrichtsplanung

Störungen, die von außen auf den Lernenden einwirken

Steuerung durch z. B. Medien

und Methoden

Lernkontrolle

Lernende

Lernzielbestimmung

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Dieser Ansatz ist insofern technizistisch, als er jede Orientierung an

normativen Größen außer Acht lässt.

Er unterstellt eine Reiz-Reaktions-Kette zwischen dem Lerngegenstand

und den SuS, die nicht kommunikativ, sondern technisch abläuft.

Der hier verwendete Lernbegriff ist dennoch beachtenswert:

Er verweist auf Eigenarten des Lernens, die wenige Jahre später von der

Kognitionspsychologie bestätigt werden.

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Zusammenfassung

Die einzelnen didaktischen Positionen und deren Modelle richten ihr Interesse auf unterschiedliche Strukturelemente der Modelle. Dort gewinnen sie an analytischer Tiefe und beschreiben die unterrichtlichen Prozesse in dem Maße plausibel, wie sie sich auf Theorien stützen können, die Teilaspekte des jeweiligen Modells erläutern können. Die Forschungen in den Bereichen • der pädagogischen Psychologie• der Lerntheorie und den Neurowissenschaften• kommunikativen und sozio-moralischen Entwicklungwaren in den 50er und 60er Jahren nicht bekannt oder erst in der Entstehung. Die didaktischen Modelle greifen also zurecht auf die ihnen zur Verfügung stehenden Bezugswissenschaften zurück. Dabei kommt ein Fachdiskurs in Gang, in dem – auch gegenseitigen Abgrenzung - z. T. polarisierende Entwürfe vorgelegt werden.