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Krperpsychotherapie
2014 Schattauer GmbH, Stuttgart 1
Editorial
KrperpsychotherapieIm Spannungsfeld zwischen Krper und Psychodynamik
Zeitgeme Psychotherapie zeichnet sich durch Offenheit und integrative Anstze ei-nerseits, durch strungsspezifische Indikations-stellung andererseits aus. Der Einbezug des Kr-pers in die Psychotherapie ist dabei in den letz-ten beiden Jahrzehnten in den entsprechenden wissenschaftlichen Fachkreisen forciert worden, zumal die Ergebnisse der Hirnforschung, der Psychotraumatologie und der neueren Sug-lingsforschung darauf hindeuten, dass Affekte, Gedanken und krpersprachliche Ausdruckfor-men auf das Engste miteinander verknpft sind. Andererseits finden sich in der Praxis eher selten psychodynamisch arbeitende Kollegen, die sich offen dazu bekennen, als Krperpsychothera-peuten im Rahmen der Richtlinie zu arbeiten.
Gesellschaftlich betrachtet ist das Verhltnis zum Krper ebenfalls eher als zwiespltig zu be-zeichnen: So kontrastiert ein eher medizinisch orientierter Umgang mit dem Krper in Krisen bzw. bei seelischen Erkrankungen mit Trends, den Krper unter Schnheitsaspekten zum Objekt zu machen. Obwohl der Krper Gefhle und mentale Prozesse stark beeinflusst, wird er weder in der ffentlichen Wahrnehmung, noch in der (psychodynamischen) Psychotherapie als integraler Bestandteil des Selbst aufgefasst (Lichtenberg et.al. 1991, 2000).
Unter Krperpsychotherapie, die nicht als eigenstndiges Verfahren nach PTG anerkannt ist (Thielen 2013), fallen sehr unterschiedliche Verhaltens- und Interaktionselemente, die wohl auch zuknftig kaum einheitlich in die verschie-denen psychotherapeutischen Verfahren, Me-thoden und Settings integriert werden knnen. Dazu gehren im Einzelnen: Umgang mit Kr-perkontakt und Berhrungselementen (vgl. Mo-ser in diesem Heft), Beobachtung von kulturell
berformter Gestik, Haltung, Mimik und Verhal-ten, die uere Erscheinung und das Krperbild (vgl. Joraschky et. al. in diesem Heft), Diagnostik von Krperausdrucksprozessen in mehr oder weniger strukturierten Bewegungsepisoden (vgl. Trautmann-Voigt in diesem Heft). Hierzu geh-ren auch Rituale und krpertherapeutische Kon-ventionen, die sich aus ganz unterschiedlichen Traditionen und Wurzeln speisen (vgl. Kth in diesem Heft). Je nach Schule wird auf bestimmte Verhaltens- und Interaktionselemente eingegan-gen, andere werden nicht oder kaum berck-sichtigt. Es liegt demzufolge keine bergeordne-te Systematik vor, wie krpersprachliche Aus-drucksformen bzw. Krperbungen, Erlebnis- und Achtsamkeitsprozesse und Handlungsdialo-ge in der Psychotherapie zu handhaben sind. Es finden sich international mehr als 200 verschie-dene Anstze der Krpertherapie bzw. Krper-psychotherapie.1 Dabei wird deren Bedeutung und Wirksamkeit als therapeutisches Kommuni-kationsmittel sehr unterschiedlich eingeschtzt (Marlock, Weiss 2006) (Abb. 1).
Wohin bewegt sich nun die psychodynami-sche Psychotherapie hierzulande unter der Per-spektive einer Integration des Krpers in ihre Methodik?
Evarts (1976) betonte bereits vor mehr als 35 Jahren in seinem Artikel Brain Mechanisms in Movement die Beziehung zwischen Motorik und Emotionen:
Die Implikationen der von mir beschriebe-nen Studien reichen in Gebiete der Psychologie und der Psychiatrie. Tatschlich erscheint es
1 Geuter unterscheidet Krpertherapie, als Behandlung mit Mitteln des Krpers von Krperpsychotherapie, der Be-handlung mit Mitteln des Krpers und der Seele (Geuter, 2013, 161168)
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2 Editorial
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3Editorial
mglich, dass man das Verstndnis des mensch-lichen Nervensystems in seinen komplexesten Funktionen bereichern wrde, wenn das Funk-tionieren des Gehirns eher aufgrund seines h-heren motorischen Outputs als aufgrund seines sensorischen Inputs analysiert wrde (Evarts, 1976, 223). Zwanzig Jahre spter vertritt der Neurobiologe Jaak Panksepp, indem er sich auf Damasio bezieht, eine hnliche These: Contra-ry to traditional thinking on the matter, the abo-ve analysis affirms that affective consciousness may be more (at least as) integrally linked in evolution to endogenous motor-related proces-ses than to incoming sensory ones [...] Emotio-nal systems appear to be much more concentra-ted in frontal motor/planning than posterior sen-sory/perceptual regions (Panksepp 1998, S. 122). Heute finden sich hierzulande zahlreiche Verffentlichungen zum Embodiment (Fogel 2013), zur Neurobiologie und Psychotherapie (Regg 2007, Deneke 2013) und zum Einbezug des Krpers in die Psychotraumatologie (z.B. Trautmann-Voigt, Voigt 2007, Vogt 2008).
Theoretische Bezugspunkte fr die Entwicklung von Interventionen, die krpersprachliches Han-deln in der psychodynamischen Therapiestunde bercksichtigen, sind jenseits aller technischen und methodischen berlegungen die folgenden: die neuere Hirnforschung mit der Entdeckung
der Spiegelvorgnge (Rizzalotti 2001), der Synchronisierung und der Neurobiologie des Fhl-Krpers (Damasio 2003);
die klinische Suglings- und Bindungsfor-schung mit der Hervorhebung der Bedeutung sicherer Bindungsmuster (Bolby 1979) der Feinfhligkeit und der Selbstreflexivitt der Bezugsorganisation sowie der aktiven Explo-rationsfrderung im Spiel (Winnicott 1987, Stern 1992, Fonagy et.al. 2002, 2004, 2006);
die Bedeutung von Gegenwrtigkeit/Acht-samkeit, Leiblichkeit, Rhythmus und Intensi-tt in der (Therapie-)Beziehung (Merleau-Ponty 1964, Stern 2005, Siegel 1986).
Der Krper speichert Erinnerungen in kodierter Form, z.B. als Muskelspannungen oder in mit Vorliebe genutzten Bewegungsformen. Gelufig