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619 (Aus dem thierphysiol. Institut der kgl. landwirthschaftl. [-Iochschule zu Berlin.) Ein Beitrag" zur Frage der Celluloseverdauung" im Darmeanale. Von Dr. Erich lliiller. Im Jahre 1897 hat K. Knauthe 1) in einer Publication, welche sich mit Untersuchungen tiber Verdauung und Stoffwechsel bei Fischen beschifftigte, fiber ein Cellulose auflSsendes und Zucker bildendes Enzym im Hepatopankreas und Diinndarminhalt des Karpfens berichtet. Da die damals angestellten Versuche nicht sehr zahlreich waren und andererseits ein derartiges Enzym etwas Ausser- gewShnliches war, traten allmfilig doch Bedenken und Zweifel auf~ ob dieses Enzym wirklich ein constanter Bestandtheil des Hepato- pankreas des Karpfens ware, oder ob nicht damals besondere Ver- haltnisse vorgelegen hgttten, welche diese enzymatische Wirkung her- vorgerufen oder begt~nstigt hatten. Ich kam desshalb gern dem Wunsche meines hochverehrten Lehrers, Herrn Professor Dr. Z u n t z, nach und unterzog den Befund yon K nauthe einer Nachprfifung. Inzwisehen batten W. Biedermann und P. Moritz ~) ein Cellulose auflSsendes und Zucker bildendes Enzym bei einem wirbel- losen Thiere -- der Helix pomatia -- gefunden und darilber aus- gezeichnete Untersuchungen verOffentlicht. Es lag nahe, auch diese Versuche zu wiederholen, und ich ffige das Resultat den vorher Er- w~thnten bei. Diese Berichte yon Knauthe und ,,Biedermann und Moritz" stehen insofern gesondert da, als die Forschungen fiber die Cellu- loseverdauung bei Pfianzenfressern, besonders die vorztiglichen und 1) K. Knauthe, Untersuehungen tiber Verdauung und Stoffwechsel bei Fischen. Zeitschr. f. Fischerei 5. Jahrg. S. 189. Herausg. yon C. Weigelt. 1897. 2) W. Biedermann und P. IVIoritz, Ueber ein Cellulose 15sendes Enzym im Lebersecret der Schnecke. Pfltiger's Archiv fiir die gesammte Physiologie Bd. 73 S. 219. 1898. 42*

Ein Beitrag zur Frage der Celluloseverdauung im Darmcanale

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(Aus dem thierphysiol. Institut der kgl. landwirthschaftl. [-Iochschule zu Berlin.)

E i n B e i t r a g " z u r F r a g e

d e r C e l l u l o s e v e r d a u u n g " i m D a r m e a n a l e .

Von

Dr. E r i c h l l i i l l e r .

Im Jahre 1897 hat K. K n a u t h e 1) in einer Publication, welche sich mit Untersuchungen tiber Verdauung und Stoffwechsel bei Fischen beschifftigte, fiber ein Cellulose auflSsendes und Zucker bildendes Enzym im Hepatopankreas und Diinndarminhalt des Karpfens berichtet. Da die damals angestellten Versuche nicht sehr zahlreich waren und andererseits ein derartiges Enzym etwas Ausser- gewShnliches war, traten allmfilig doch Bedenken und Zweifel auf~ ob dieses Enzym wirklich ein constanter Bestandtheil des Hepato- pankreas des Karpfens ware, oder ob nicht damals besondere Ver- haltnisse vorgelegen hgttten, welche diese enzymatische Wirkung her- vorgerufen oder begt~nstigt hatten. Ich kam desshalb gern dem Wunsche meines hochverehrten Lehrers, Herrn Professor Dr. Z u n t z, nach und unterzog den Befund yon K n a u t h e einer Nachprfifung.

Inzwisehen batten W. B i e d e r m a n n und P. M o r i t z ~) ein Cellulose auflSsendes und Zucker bildendes Enzym bei einem wirbel- losen Thiere - - der Helix pomatia - - gefunden und darilber aus- gezeichnete Untersuchungen verOffentlicht. Es lag nahe, auch diese Versuche zu wiederholen, und ich ffige das Resultat den vorher Er- w~thnten bei.

Diese Berichte yon K n a u t h e und , , B i e d e r m a n n und Mor i t z " stehen insofern gesondert da, als die Forschungen fiber die Cellu- loseverdauung bei Pfianzenfressern, besonders die vorztiglichen und

1) K. K n a u t h e , Untersuehungen tiber Verdauung und Stoffwechsel bei Fischen. Zeitschr. f. Fischerei 5. Jahrg. S. 189. Herausg. yon C. Weigelt . 1897.

2) W. B iede rmann und P. IVIoritz, Ueber ein Cellulose 15sendes Enzym im Lebersecret der Schnecke. Pf l t iger ' s Archiv fiir die gesammte Physiologie Bd. 73 S. 219. 1898.

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620 Er ich Maller :

sehr eingehenden Untersuehungen yon H. T a p p e i n e r 1), uns immer mehr damn gefahrt haben, bei den Pflanzenfressern eine huflSsung der Cellulose durch Gitrungsvorgi~nge, also durch Bakterienwirkung anzunehmen. Die Proc cte dieser CelluloseauflSsung sind Fettsi~uren und Gase, also KSrper, welche for den Stoffwechsel theils ganz ver- loren gehen, theils weniger werthvoll als Zucker sind. hn Verlaufe meiner eigenen Versuche bin ich auch noch dieser Frage nigher ge- treten und habe untersucht, ob nicht vielleicht beim Pflanzenfresser - - mein Versuchsthier war eine Ziege -- voriibergehend bei der Celluloseverdauung Zucker entsteht, welcher ja spater der Bakterien- wirkung der Garungsvorgi~nge wieder anheimfallen kann.

Ich mi~chte zuni~cbst ganz kurz hier das Resultat der W. B i e d e r - m a n n und P. Mor i tz ' schen Untersuchungen berichten. Diese beiden Forscher fanden das Cellulose auflSsende Enzym nur im obersten Dtinndarminhalt der Schnecke. Dieser stellt eine Mare, braungelbe Fltissigkeit dar. Feine Schnitte yon Mais, Reis, Kar- toffeln und anderen Frtichten wurden mit dem Inhalte des obersten Diinndarms einer Schnecke beschickt, langere Zeit sich selbst tiber- lassen und dann unter dem Mikroskope die Einwirkung untersucht. Nach einigen Stunden war das feine Cellulosenetz dieser Schnitte deutlich angefressen, und nach langerem Verweilen erfolgte eine vi~llige hufl0sung der Cellulose. Dieses celluloselSsende Enzym war jedoch nur wirksam ft~r frische, unpri~parierte Cellulose, ohne Ein- fiuss jedoch ftir chemisch behandelte Cellulose, wie Fliesspapier. Gleichfalls interessant war die Thatsache, dass die Lebersubstanz selbst oder ein Extract aus derselben unwirksam war. B i e d e r - m a n n schliesst daraus, dass das hypothetische Enzym sigh erst bei der Secretion bilde und desshalb erst im Dtinndarm zu finden sei.

Meine ~achprfifung der B i e d e r m a n n - M o r i t z ' s c h e n Ver- suche ergab Folgendes. Der oberste Abschnitt des Dtinndarms yon Gartenschnecken wurde in der yon B i e d e r m a n n ~) beschriebenen Weise an beiden Enden abgebunden, geSffnet und der Inhalt in einem PorzellanschMchen gesammelt. Nach Hinzuft~gung einer Spur Thymol wurden feine Schnitte yon Kartoffeln hineingethan und zur

1) H. T a p p e i n e r , Untersuchungen fiber die Ghrung der Cellulose, ins- besondere fiber deren LSsung im Darmcanale. Zeitschrift far Biologie Bd. 19 S. 228. 1883.

2) I. c. S. 238.

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Controle andere Schnitte derselben Kartoffel in mit Thymol versetz-

tern Wasser aufbewahrt. Die Wirkung war deutlich. Es zeigte sich unter dem Mikroskope, dass die bekannten gliinzenden Fasern des Cellulosenetzes na_.l wenigen -- etwa 6 - - Stunden angenagt aussahen; nach 24 Stunden war das gauze Netz aufgelSst; an seiner Stelle befand sich eine braungelbe, structurlose Masse, in welcher die fast unverletzten Sti~rkek5rner sehr gut zu erkennen waren. Ein weiterer Versuch zeigte die Bildung yon Zucker aus frischer Kar- toffelcellulose unter der Einwirkung des Diinndarminhaltes der Schnecke. Es wurden Kartoffeln rein zerrieben, und der Kartoffelbrei einer mehr- sttindigen u durch Rinderpankreas und im Anschluss daraa der Einwirkung yon Ptyalinum siccum - - M e r c k -- ausgesetzt. Auf diese Weise gelang es, aus dem Kartoffelbrei die Starke zu entfernen, und durch haufig wiederholtes Auswaschen eine reine Cellulose zu erhalten. Die Ausspiilung wurde so lange fortgesetzt, bis das Spill- wasser keine Zuckerreaction mehr zeigte. Nun wurde der Diinn- darminhalt einer Schnecke mit etwas Thymol und SodalSsung ver- setzt und eine Portion dieser Mischung mit einer kleinen Menge tier vorbereiteten Cellusose versetzt, eine andere sich selbst tiberlassen. Die Prafung auf Zucker wurde nur qualitativ ausgeftihrt, sie fiel in der Probe mit Cellulose deutlich positive in dem Controlversuch deutlich negativ aus.

Dfe hngabe yon B i e d e r m a n n tiber die Fahigkeit des Diinn- darminhaltes der Schnecke, Cellulose aufzuli~sen, und zwar unter Bildung yon Zucker, bestatigt sich danach. Auch die Annahme, dass es sich hierbei um die Wirkung eines unorganisirten Enzyms handelt, scheint zu Recht zu bestehen; denn das Thymol hatte eine Faulniss oder eine wesentliche Entwicklung yon Bakterien nicht zu Stande kommen lassen. Ich komme nun zu meinen Unter- suchungen tiber das Enzym im Hepatopankreas und Dtinndarm des Karpfens. K n a u t h e hatte gefunden, dass bei der Filtration von Hepatopankreasextract und Dtinndarminhalt yon Karpfen das Filtrir- papier zum Theil aufoeliist wurde. Er nahm desshalb an, class das Hepatopankreas des Karpfens einen KSrper, ein Enzym enthalte, welches im Stande ware, Cellulose aufzulSsen und dabei Zucker zu bilden. Die Versuche yon K n a u t h e wurden im Sommer angestellt, also zu einer Zeit, wo der Stoffwechsel der Fische ein reger ist.

Ich lasse nun meine eigenen Versuche folgen. Das Hepato- pankreas eines Karpfens, welcher li~ngere Zeit in einem gut dureh-

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622 Er ich Miiller:

liifteteu Wasserbassin geftittert war , wurde vorsichtig vom Darm

gelSst und yon dem anhaftenden Fet t befreit. Darauf wurde es mit

einer Scheere fein zerschnitten, in einem PorzellanmSrser zu einem

mSglichst feinen Brei ~ rrfihrt und schliesslich durch eine 3fach zu-

sammengelegte Mullschicht durchgepresst. Der so vorbereitete

Hepatopankreasextract stellte eine rothbraune, dickfiiissige und fast

gleichmi~ssige Masse dar. In gleicher Weise wurde die vorsichtig

yore obersten Dilnndarm abgekratzte Schleimhaut zum eigentlichen

Versuche hergerichtet. Es wurden nun yon beiden breifOrmigen

Fliissigkeiten etwa gleiche Portionen genau abgewogen, mit etwas

Thymol zur Verht~tung der Fi~ulniss und mit je 4 0 - - 6 0 ccm einer

0,5% igen SodalSsung versetzt. Je einer Portion wurde Fliesspapier,

welches auf constantes Gewicht gebracht und genau abgewogen war,

hinzugeffigt, wahrend die andere zur Controle ohne Fliesspapier

blieb. Diese Proben wurden dann im Wiirmeschrank bei 24 0 C.

5 - - 6 Stunden unter 5fterem Umschiitteln stehen gelassen, danach

nach schwacher Ansi~uerung mit Essigshure abgekocht, dutch Asbest

filtrirt und quantitativ auf ihren Zuckergehalt - - Titrat ion nach

F e h l i n g - - gepri~ft.

Versuch I am 4. Juni 1899.

Versuch a.

Angewandter Hepatopankreasextract . . . . . . . . 4,15 g Papiermenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1,312 g SodalSsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50,0 ccm

Diese Mischung wird sechs Stunden im Whrmeschrank gehalten, dann ab- gekocht~ filtrirt, auf 250 ccm aufgeffillt und titrirt.

Es werden davon 33,35 ccm fiir 20 ccm Fehl ing ' scher LSsung zar Titration verbraucht.

In 33,35 ccm sind also 50 mg Zucker, im ganzen Filtrat 0,3748 g Zucker enthalten.

V e r s u c h b (Controle.)

Hepatopankreasextract . . . . . . . . . . . . . . 4719 g SodalSsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50,0 ccm

Von dem auf 250 ccm aufgefikUten Filtrat entsprechen 33,02 ccm 20 ccm Fehling'scher Lfsung. Im ganzen Filtrat sind also 0,3786 g Zucker enthalten.

Berechnet man nach Versuch b die ftir Versuch a zu fordernde Zucker- menge, so ergeben sich 0,3749 g gegentiber der gefundenen Menge yon 0,3748 g Zucker; eine Zuekerbildung aus Cellulose hat nicht stattgefimden.

Das wieder gesammelte Papier wog: 1,315 g.

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Ein Beitrag zur Frage der Celluloseverdauung im Darmcanale. 623

Versueh II am 20. Jnni 1899.

Versuch a.

Angewandter Hepatopankreasextract . . . . . . . . 5,12 g Papiermenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1,2709 g SodalSsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60,0 ccm

Das Filtrat wird auf 300 ccm aufgefiillt. In 63,9 ccm sind 50 mg Zucker enthalten (20 ccm Feh l ing ' sche LSsung), im ganzen Filtrat 0,2347 g Zucker.

Versuch b (Controle).

Hepatopankreasextract . . . . . . . . . . . . . . 5,39 g Sodal6supg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60,0 ccm

Das Filtrat wird auf 250 ccm aufgeffillt. In 49,05 ccm sind 50 mg Zucker enthalten, im ganzen Filtrat 0,2548 g Zucker. Die fiir Versuch a zu fordernde Zuckermenge ist 0,2422 g Zucker gegenfiber der gefundenen yon 0,2347 g.

Das wieder gesammelte Papier wog: 1,2689 g.

Versuch III am 15. Juli 1900.

Versuch a.

Hepatopankreasextract . . . . . . . . . . . . . 3,16 g Papier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1,3462 g SodalSsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 ccm

Das Filtrat wird auf 500 ccm gebracht. In 129,12 ccm sind 50 mg Zucker (~0 ccm Feh l ing ' sche LSsung) enthalten, im ganzen Filtrat 0,1936 g Zucker.

Versuch b (Controle).

Hepatopankreasextract . . . . . . . . . . . . . . 3,49 g Sodaliisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40,0 ccm

Das Filtrat wird auf 500 ccm gebracht. In 118,09 ccm sind 50 mg Zucker (20 ccm Feh l ing ' s chc LSsung) ent-

halten, im ganzen Filtrat 0,2117 g Zucker. Die fiir Versuch a zu fordernde Zuckermenge ist 0,1917 g Zucker gegen-

fiber der wirklich gefundenen yon 0,1936 g. Das wieder gesammelte Papier wog: 1,3522 g.

Diese Versuche wurden noch h~iufig wiederhol t , das Resul ta t

war stets das g le iche: eine Zuckerbi ldung aus Cellulose oder ein

Verlust yon Pap ie r konnte un te r diesen Versuchsbedingungen nie-

mals festgestel l t werden. In den Proben mit Hepa topankreas land

sich immer Zucker , jedoch im Verhal tniss zur angewandten Substanz

die gleiche Menge , ob der Probe Pap ie r zugeftigt war oder nicht.

Die mi t Dt inndarminhal t angestel l ten Versuche waren stets negativ,

es fanden sich niemals quant i ta t iv nachweisbare Mengen yon Zueker .

h u f Grund des oben erw~hnten Befundes von B i e d e r m a n n ,

welcher nur eine Einwirkung auf fr ische, chemisch nicht pr i ipar i r te

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624 Erich Mtiller:

Cellulose bei seinen Versuchen gefunden hatte, wurden neuere Ver- suche in entsprechender Weise modificirt. An Stelle des Fliess- papieres wurde Heu, welches in der Pulvermiihle fein pulverisirt war, verwandt. Das : rgebniss war unter sonst gleiehen Versuchs- bedingungen das gleiche; es liess sich weder eine huflSsung der Cellulose noch eine Zuckerbildung nachweisen. Dann wurden diiune Schnitte yon rohen Kartoffeln, welche mit dem Rasiermesser her- gestellt waren, einestheils mit Hepatopankreasextract, andererseits mit D i i n n d a r m i n h a l t , um vielleicht alas in diesen abgesonderte Enzym nachweisen zu kiinnen, beschickt und langere Zeit, 6--24 Stunden, sich selbst tiberlassen. Zur Controle wurden Schnitte der- selben Kartoffel den gleichen Zeitraum in Wasser aufbewahrt. Die Einwirkung wurde unter dem Mikroskope yon Zeit zu Zeit gepriift. Es fund sich jedoch auch bier keine Aufl(isung der Cellulose; das feine, gl~inzende Cellulosenetz der Kartoffel zeigte sich auch nach vierundzwanzigsti]ndiger Einwirkung unversehrt. Schliesslich wurden, um die Versuchsbedingungen yon K n a u t h e genau nachzuahmeu, Hepatopankreasextract und Di]nndarminhalt durch gewOhnliches Filtrirpapier in tier Weise hindurchfiltrirt, dass das Filtrat Stunden lung immer yon ~Neuem auf alas Filter gegossen wurde und das Filter so wiederholt passirte. Der Erfolg blieb auch hier aus. Das Filtrirpapier zeigte sich in jeder Beziehung unverletzt und uu- besch~tdigt.

Diese Versuche zeigen, dass entweder die Beobachtung yon K n a u t h e auf einem Irrthum beruht, oder dass es uns~ trotzdem unsere Versuche durch Herrn K. K n a u t h e controlirt wurden~ nicht gegltickt ist~ die Versuchsbedingungen wiederzufinden, unter welchen das Hepatopankreas des Karpfens seine Cellulose aufli~sende und Zucker bildende Kraft entwickelt.

Ich gehe jetzt zu den Eingangs erwlihnten Untersuchungen fiber, welche sich mit dem Nachweis yon Zucker als einem vielleicht inter- medi~ren Stoffwechselproduct der Celluloseverdauung bei Pflanzen- fressern beschifftigen sollten.

Das Versuchsthier war eine Ziege. Es war yon vornherein an- zunehmen, dass, falls sich Zucker bildete, dieser im Pansen zuerst zu finden sein masste. Von dieser Ueberlegung ausgehend legten wir tier Ziege eine Pansenfistel an. Die Operation wurde in zwei Perioden ausgefiihrt. Das erste Mal wurde durch einen etwa 10 cm langen Schnitt, der anatomischen Lage des Pansens entsprechend,

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die Bauchhiihle erSffnet, der Pansen hervorgeholt und nach vor- sichtiger Anfrischung mit dem parietalen Bauchfell vernaht. Die Bauchwunde wurde dutch Tampons often gehalten. ~ach etwa 13 Tagen war die V~ wachsung des Pansens mit dem Bauchfell vollendet. 5~un wurde der Pansen in einer zweiten Operation er- 5ffnet und die Communication nach aussen durch eine gl~serne, ver- schlossene Dauercantile often gehalten. Es gelang, nach weiteren acht Tagen, nachdem die Wunde einige Tage geeitert hatte, die Wundfiiichen zur Heilung zu bringen, und es war nun leicht, reich- ]iche Mengen Panseninhalt ohne jede Beimischung zu gewinnen. Das Thier befand sich dabei wohl und gab reichlich Milch. Die Nahrung bestand aus Wiesenheu und Haler.

Die Versuchsanordnung war die folgende: Der Panseninhalt wurde in der Weise gewonnen, dass der Verschluss der Canille ge- 5ffnet wurde; es floss dann ohne jede weitere Manipulation eine reichliche Menge -- 300--500 ccm - - i n Form einer gelben, tchwer- fiilssigen Masse, in welcher Heufasern herumschwammen, heraus. Von dieter Fliissigkeit wurden 50--100 ccm (je nach der ge- wonnenen Menge) leicht angesiiuert - - die ursprtingliche Reaction war zumeist neutral oder nut ganz schwach tauer --, abgekocht und auf den eventuellen Zuckergehalt geprtlft. Eine zweite, gleich- grosse Probe wurde abgekocht, mit menschlichem Speichel oder mit Ptyalinum siccum von M ere k versetzt, im Brutschrank sechs Stunden bei 39 o C. unter h~tufigem Umschiitteln gehalten, filtrirt und gleich- falls auf Zucker untersucht. Dieter Versuch sollte die Frage ent- scheiden, ob im Panseninhalt Stoffe vorhanden sind, welche dutch ein diastatisches Ferment verzuckert werden kSnnen. Es ergab sich, dass der Panseninhalt zur Zeit der Probenahme immer sowohl von Zucker als auch von Starke und i~hnlichen, mit Speichel Zucker bildenden Substanzen frei war. Die dritte Probe endlich wurde unter den nat~rlichen Verhi~ltnissen m5glichtt entsprechenden Be- dingungen einer Nachgiirung unterworfen.

Wenn man bei solchen Nachgi~rungen~ wie sie ja namentlich T a p p e i n e r in vielfach variirter Form ausgefiihrt hat, zwar Auf- lSsung der Cellulose, aber keine Bildung yon Zucker, sondern nur tolche von niederen Fettsi~uren, Methan und Kohlensi~ure beobachtet, so kann dies darin teinen Grund haben, dais der anffmglich gebildete Zucker alsbald yon den Spaltpilzen weiter verandert wird. E s erschien desshalb nicht aussichtslos, in der Art zu ver-

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626 Erich Mfiller:

fahren, dass man den diffusibeln Zucker in dem Maasse, wie er etwa gebildet wurde, aus dem Bereich der Gi~run~'serreger ent- fernte, in analoger Weise, wie es iln Darmcanal durch die Resorp- tion geschehen dtirfte. Wir erstrebten dies dutch folgende Ein- richtung, welche zugleich gestattete, die Probe einmal bei einer der KSrperwiirme des Versuchsthieres entsprechenden constanten Tempe- ralur und unter Abschluss tier atmosphiirischen Luft zu halten, dann die sich voraussichtlich bei der Nach~'~trung entwickelnden Gase in geeigneter Weise abzufiihren.

Ein cylindrisches Glasgefitss mit einem Durchmesser yon 5 cm war an seinem oberen Ende mit einem engeren Ansatzsti~ck (Durch- messer 2 cm) verschmolzen. Die weitere - - untere - - Oeffaung war durch einen doppelt durchbohrten Gummistopfen, tiber welehen ein an seinem anderen Ende verschlossener Diffusionsschlauch gesttilpt war, verschlossen. Dieser befand sich frei im Innern des Glas- ~efiisses. Letzteres wurde mit Panseninhalt (175--200 ccm) gefi~llt, weleher so den Diffusionsschlauch umspiilte. Durch die doppelte Durchbohruno' des unteren Gummistopfens ftihrten zwei GiasrShren ill das hmere des Schlauches; die eine, die zuffihrende, mtindete direct unterhalb des oberen Verschlusses des Schlauches, die andere, die ableitende, direct oberhalb des unteren Gummistopfens. Die vorher erwi~hnte, obere und engere Oeffnung des Glasgefiisses war durch einen einfach durchbohrten Gummistopfen, durch dessen Oeffnung eine dicht unter demselben endigende GlasrShre fiihrte, versehlossen; die letztere war an ihrem freien Ende mit einem Gummischlauche versehen, welcher seinerseits in ein mit Wasser gefiilltes Gefiiss eintauchte. Dureh diese Vorrichtung batten einer- seits die sich bei der Garung bildenden Gase freien Abzug, anderer- seits war der Panseninhalt im Innern des Glasgefasses yon der atmosphiirischen Luft abgeschlossen. In den Diffussionssclllaueh wurde angew~irmte, physiologische KochsalzlSsung eingeleitet und iu bestimmten Zeitabschnitten wieder abgelassen. Bildete sich bei der Giirung Zucker~ so nmsste er in die zuckerfreie KochsalzlSsung im Diffusionschlauch tiberdiffundiren und konnte dem Nachweise nicht entgehen. Die Einftihrung tier KochsalzlSsung geschah aus einer in geringer H6he angebrachten Flasche, welche durch einen Gummi- schlauch mit der zufi~hrenden RiShre des Diffusionsschlauches ver- bunden war, die Ableitung durch einen dritten, mit der ableitenden RShre communicirenden Schlauch. Durch Klemmen waren die Zufuhr

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und der Abfiuss beliebig zu regeln. Der ganze Apparat wurde in einem Wasserbade - - einem etwa 20 Liter enthaltenden Kupfer- kessel - - bet ether constanten Temperatur yon 39~ ~ C. ge- halten. Die GRrung ~ lrde im Durchschnitt sechs Stunden unter- halten, die KochsalzlSsung wurde stt~ndlich gewechselt und in einem zur Ansiiuerung mit etwas Essigsaure beschickten Glasgefi~sse fiir die sp~tere Zuckerbestimmung aufbewahrt. Von Zeit zu Zeit wurde der Apparat geschiittelt, um den Panseninhalt zu mischen und alle Theile mit der Oberfii~che des Diffussionsschlauches in Berilhrung zu bringen. Es entwickelten sich thatsachlich reichlich Gase~ ent- sprechend den Erfahrungen yon T a p p e i n e r .

Das Ergebniss war, dass sich bet keiner der verschiedenen Versuchsanordnungen Zucker land. Die Versuche wurden mehrfach wiederholt, das R e s u l t a t war i m m e r das g l e i c h e , negat ive . Erwiihnen mi~chte ich noch, dass ich auch nach Abschluss der Gitrung den Pansenbrei aus dem Glasgefiisse auf seinen Zuckergehalt priifte. Ich konnte auch hier niemals Zucker nachweisen.

Einigermaassen iiberrasChend ist es, dass im Panseninhalt unserer Ziege bet Filtterung mit Heu und Haler niemals Zucker nachweisbar war; es waren auch niemals Haferkiirner oder Theile derselben, sondern nur Heufasern darin zu sehen. Es scheint, dass die Be- standtheile des Kiirnerfutters direct in den Labmagen befiirdert wurden. Es verdient wohl eine weitere Untersuchung, wie weit diese Art der Trennung, welche ja offenbar sehr zweckmiissi~ ist, well sie die Stiirke des KSrnerfutters den Garungserregern im Pansen entzieht, bet der Ziege und anderen Wiederkauern als Regel zu betrachten ist.

Die Angaben mancher frilheren Autoren, dass bet der Cellulose- auflBsung im Darmcanal der Pfianzenfresser Zucker entsteht oder wenigstens als Zwischenproduct gebildet wird, scheinen nach diesen Versuchen- zum Mindesten filr die Z i e g e - nicht zu Recht zu be- stehen. Vielmehr scheint die Cellulose, wenigstens die der Gramineen, far den Stoffwechsel nur die Bedeutung zu haben, welche ihr T a p pei n e r auf Grund seiner Versuche zugesprochen hat.