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Ein Beitrag zur Kenntnis der Regenerationsf ihigkeit der Seeigelstacheln. Von VpV r Jaroslav Krlzenecky. Aus dem Institat ffir al]gemeine Biologie und experimentelle Morpho- logie an der medizinisehen Fakult~tt der bShmischen Universifitt in Prag. Mit 1 Figur im Text und Tafel XXXVIII. Eingegangen am 28. Januar 1916. DaB die Seeigel ihr ~tuBeres Kalkskelett zu reparieren und aueh vollstandig zu regenerieren fi~hiff sind, wurde zum ersten Male yon v. MARTENS mitgeteilt: in einer Sitzung der Gesellscbaft naturfor- sehender Freunde in Berlin demonstrierte er 1879 einen Seeigel (_Psammechinus pulcherrimus), dessen HUlle naeh einer iiuBeren Ver- letzung verheilt war1). Seine Angabe hat spiiter bei einer anderen Art, niimlich Dorocidaris papillata, PRouno (1887) experimentell be- st~ttigt, indem er feststellte, daB, wenn man bei diesem Seeigel einen grSBeren Bezirk der Hautdecke verletzt hat, darunter eine mit der ~tuBeren Haut kontinuierliehe Membran gebildet wird, welehe yon den sogenannten >)braunen KSrperehen, gefi~rbt erscheint, wiihrend der verletzte Teil allm~thlich abgestoBen wird2). Aber frUher als fur das eigentliche Kalkskelett der Seeigel, dessen Verletzungen, wie a~s PRounos Angaben hervorgeht, dureh direktes Ausscheiden neuen Baumateriales yon seiten der unterhalb desselben befindlichen epithelartigen Gewebe sich reparieren, in ahn- lieher Weise also: wie dies z. B. auch ftir das chitinSse Insekten- l) Zit. PRZIBRAM, H., Experimental-Zoologie. II. Regeneration. 1909. S. 46. 2) Ebenda, wo auch die Originalabhandlung yon PROUHO angefiihrt ist, die mir unzug~tnglieh blieb.

Ein Beitrag zur Kenntnis der Regenerationsfähigkeit der Seeigelstacheln

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Ein Beitrag zur Kenntnis der Regenerationsf ihigkeit der Seeigelstacheln.

Von V p V r

Jaros lav Krlzenecky.

Aus dem Institat ffir al]gemeine Biologie und experimentelle Morpho- logie an der medizinisehen Fakult~tt der bShmischen Universifitt in Prag.

Mit 1 Figur im Text und Tafel XXXVIII.

Eingegangen am 28. Januar 1916.

DaB die Seeigel ihr ~tuBeres Kalkskelett zu reparieren und aueh vollstandig zu regenerieren fi~hiff sind, wurde zum ersten Male yon v. MARTENS mitgeteilt: in einer Sitzung der Gesellscbaft naturfor- sehender Freunde in Berlin demonstrierte er 1879 einen Seeigel (_Psammechinus pulcherrimus), dessen HUlle naeh einer iiuBeren Ver- letzung verheilt war1). Seine Angabe hat spiiter bei einer anderen Art, niimlich Dorocidaris papillata, PRouno (1887) experimentell be- st~ttigt, indem er feststellte, daB, wenn man bei diesem Seeigel einen grSBeren Bezirk der Hautdecke verletzt hat, darunter eine mit der ~tuBeren Haut kontinuierliehe Membran gebildet wird, welehe yon den sogenannten >)braunen KSrperehen, gefi~rbt erscheint, wiihrend der verletzte Teil allm~thlich abgestoBen wird2).

Aber frUher als fur das eigentliche Kalkskelett der Seeigel, dessen Verletzungen, wie a~s PRounos Angaben hervorgeht, dureh direktes Ausscheiden neuen Baumateriales yon seiten der unterhalb desselben befindlichen epithelartigen Gewebe sich reparieren, in ahn- lieher Weise also: wie dies z. B. auch ftir das chitinSse Insekten-

l) Zit. PRZIBRAM, H., Experimental-Zoologie. II. Regeneration. 1909. S. 46. 2) Ebenda, wo auch die Originalabhandlung yon PROUHO angefiihrt ist, die

mir unzug~tnglieh blieb.

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skelett yon VERHOEFF besehrieben wurde 1)~ war die Restitutionsi'ahig- keit fUr die Anhiinge des Skelettes, ni~mlich fur die Staeheln7 be- kannt geworden. Schon im Jahre 1847 beschrieb CARPENTER einige Echinus-Stacbeln, die sich anscheinend nach Verlust der Spitze re- pariert haben2). ~ach ibm hat im Jahre 1870 QUEKETT ein Exem- plar yon Echinus trigonarius beschrieben, dem, vielleicht dureh den BiB eines starkzithnigen Fisehes, eine Reihe yon Stacheln abgebro- chert waren, die alle eine zwar nieht vollsti~ndige, aber schon weit fortgeschrittene, konisehe Reparation zeigten3).

Mikroskopisch hat diesen ReparationsprozeB im Jahre 1870 W. B. CARPENTER bei Echinus miliaris, E. Flemmi~gii und E. trigo- narius untersueht. Dabei stellte er lest, dab die Reparation yon einer diffusen, protoplasmatischen Grundsubstanz im Innern der Stachel ausgeht and nicht, wie er frUher meinte, durch eine iiuflere Membran vermittelt wird. Das Regenerat der abgebrochenen Spitze w~ehst nach CARPEN'rER8 Untersuchungen aus der Bruchstelle als ein mit differenzierter ,Siiulenstruktur, ausgezeiehnetes konisches Gebilde heraus, w~thrend im Innern eine undifferenzierte Ablagerung, wie dieselbe fUr das ursprUngliehe Skelett der Eehinodermen im allge- meinen eharakteristiseh ist, ausschlieBlieh vorhanden war4).

Bei einer anderen Art, n~tmlich Dorocidaris papillata, untersuehte PnOUHO den Reparationsvorgang an den Staeheln und gelangte dabei zu etwas anderen Resultaten als CARl)ENTER. Naeh PRouder) ist nur ein w a c h s e n d e r Stachel der Reparation f~thig, welche dureh die umgebende Haut vermittelt wird; ein a u s g e w a e h s e n e r Staehel kann~ wenn er in der :Nahe der Spitze abgebroehen wird, nicht re- generieren; geschah der Abbrueh nahe der Basis, so wird der Rest --wahrseheinlieh dutch A u t o t o m i e - abgeworfen und aus dem Tuberkel entwiekelt sich ein neuer Stachel.

Diesen sparliehen Kenntnissen tiber die Reparations- bzw. Re- generationsvorg~thge am Kalkskelett der Eehiniden will ich den fol- genden Beitrag hinzuftigen.

Bei der zuP~tlligen Untersuchung eines yon mehreren Strongylo. centrotus purpuratus-Exemplaren~ die aus Triest stammten und in

:~) VERIIOEFF, C., Uber Wundheilung bei Carabus. Zoolog. Anzeiger. Bd. 19. 1896.

2) Zit. PRZIBRA•, H., 1. c. S. 45. 3) Ebenda. 4) Ebenda S. 46. 5) Zit. PRZIBRAM~ l. C. S. 46--47.

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unserem Institut sehon ein Jahr in gut gelUfteten Aquarien gehaiten wurden, babe ieh bemerkt, dab einige Staeheln naher oder weiter yon ihrem Ende versehm~tlert waren und mit einer helleren Spitze endeten, welche yon dem basalen, breiteren und dunkelbraunen Teile mehr oder minder seharf dureh eine meistens sehiefe, nut selten gerade Linie abgegrenzt "war. Dieser Befund, besonders die scharfe Abgrenzung der beiden Teile, erinnerte auffallig an "CARPENTERS Abbildung eines reparierten Staehels yon Echinus trigonarius,' wie diese sieh bei PRZIBRA~I (Tar. III, Abb. 7) reproduziert findet, so dab tier Gedanke: es midge sieh in diesem Falle auch um ~hnlich repa- rierte bzw. regenerierte Staeheln handeln, sehr nahe lag. Als ich nun aueh die Ubrigen Seeigel einer darauf bezUgliehen Untersuehung unterzog, land ieh, dab ~thnlieh gestaltete Staeheln bei ihnen keines- wegs selten sind, ja dab es bei mehreren Exemplaren sehr sehwer war, einen vollstttndig normalen Stachel aufzufinden.

Dabei habe ieh aueh solehe Stacheln gefunden, die zweifellos ahnen lassen, dab die Staeheln yon dem besehriebenen Aussehen wirklieh reparierte Staeheln vorstellen. AuBer zahlreiehen Staeheln, die in versehiedenen Hi, hen einfaeh abgebroehen waren, wobei die Bruehebene senkreeht oder noeh h~tufiger schief zur L~tngsaehse des Staehels lag, land ieh aueh solehe, bei welehen der Brnehebene eine kleine, manehmal kaum festzustellende~ helle und weiehe Spitze ent- stieg, wie dies auf der Tar. XXXVIII Fig. 1, 2, 3, 4 und 5 dargestellt ist. Dabei bleibt die Bruehstelle an ihren R~tndern unver~indert, so dal~ diese seharf wie bei den friseh abgebroehenen Staeheln erseheinen; die kleine Spitze w~tehst aus tier Mitte der Bruebebene heraus, gleich- gUltig ob diese senkreeht oder sehief zur L~tngsaehse des Staehels liegt. Dureh die "Lage der Bruehebene wird aueh die Waehstums- riehtung der Spitze nieht beeinfluBt. Dieselbe liegt stets in der zentralen L~tngsaehse des Staehels; es seheint also zweifellos hier die bekannte BARFURTnsehe Beobaehtung nieht zur Geltung zu kom- men. Das Seharfbleiben der R~tnder der Bruehebene bleibt bestehen, aueh wenn die neue (regenerierte) Spitze grbBer wird {vgl. Fig. 6, 7, 8 und 9 Tar. XXXVIII) und selbst mehr als die H~tlfte des 'alten Stumpfes erreieht.

Es seheint klar, dab man die kleinen, aus der Bruehebene herauswachsenden Spitzen als Regenerate der abgebroehenen Staehel- teile aufzufassen hat. Das Seharfbleiben der R~tnder der Bruehebene seheint aber nieht als Regel zu gelten: ieh babe aueh solehe Staeheln gefunden, bei welehen trotz der Kleinheit des Regenerates die R~tnder

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der Bruehstelle sehon abgerundet und nfit der Basis des regenerierten Spitzehens verbunden waren, so dab der Umrig des ganzen Staehels eine flieBende, wenn aueh gekrUmmte Linie darstellte, wie dies an Fig. 11 und 12 Taf. XXXVII[ zu ersehen ist. Die hier abgebildeten Staeheln bzw. Spitzea yon Staeheln sind noeh deswegen yon Interesse, weil es sieh bei ihnen um D o p p e l r e g e n e r a t e handelt, nttmlieh um Regenerate, welehe bei ihrem Auswaehsen zum Teil abgebroehen sind und yon neuem zu regenerieren begonnen haben. Solehe Fttlle sind Ubrigens keine seltene Erseheinung und an Fig. 13, 14, 15, 16, 17 und 18 Taf. XXXVIII sieht man ~thnliehe Doppelregenerate in ver- sehiedenen Entwieklungsstufen und von versehiedenen Distanzen der einzelnen Bruehstellen.

Aus diesen F~tllen getrt hervor, dab die Staeheln der Seeigel nieht nur naeh dem Abbreehen regenerationsf~thig sind, sondern dab diese Ftihigkeit weiterhin aueh den Regeneraten selbst zukommt und zweifellos aueh den ferneren Regeneraten der Regenerate, wie Fig. 19 Tar. XXXVIII tiberzeugend ergibt. Dieselbe stellt einen Staehel dar, der eine dreimalige Regeneration zeigt. Dieses T r i p e l r e g e n e r a t kam dadureh zustande, dab naeh Abbrueh der Spitze aus der Bruehebene ein Regenerat herausgewaehsen ist, das naeh neuerlieher Verletzung ein zweites Regenerat ausgebildet hat, welches dann naeh noehmaligem Abbrueh seiner Spitze eine neue regenerierte. Und es zeugt nichts dagegen, dab auch dieses dritte Regenerat neuer Regeneration f~ihig w~tre, so dab man sagen kann, dab die Regenerationsftthigkeit der Seeigelstaeheln fast grenzenlos sein ktinnte, wenn dies n~tig ware. Die Distanzen der einzelnen Abbruehstellen seheinen auf die Rege- nerationsftthigkeit keinen Einflufl zu haben. Aus dem Vorkommen der Tripelregenerate kann gesehlossen werden, dab die Regenerations- f~higkeit der Seeigelstacheln keine enge, vielmehr eine weit hinaus- gesehobene Grenze besitzt - - eine bei der leiehten Verletzungsm~g- liehkeit gewiB ganz zweekm~tl3ige Anpassung.

Was nun den eigentliehen RegenerationsprozeB anbetrifft, so kann ieh darUber foigendes mitteilen. Wie ieh sehon gesagt habe, und wie z. B. aus den Fig. 1--10 Tar. XXXVII[ klar hervorgeht, wiiehst das Regenerat aus der Mitre der Bruehebene heraus, gleiehviel ob diese senkreeht oder sehief zur L~ingsaehse des Staehels liegt, wobei die R~inder vielfaeh seharf bleiben. Erst sp~tter, naehdem die Re- generate eine betr~tehtliehe GreBe erreieht haben, versehwinden die seharfen R~tnder der Bruehstelle und bildet sieh eine Verbindungs- zone aus, welehe vom Rande der Bruehstelle ausgeht und sieh ver-

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jUngend in flieBender Linie in das Reg'enerat tibergeht. Dieser Vor- gang slJielt sich, wie ieh auf Grund der Vergleichung ether groBen Menge reffenerierter Stacheln versehiedener Entwieklungsgrade er- l~annt babe, auf die Weise ab, dab sieh die Basis des Regenerates wiihrend seines fortschreitenden Wachstums fortw~thrend verbreitert, Ibis sie die Rander der Bruehebene erreieht, wodurch die seharfen R~inder ausgeglichen werden nnd verschwinden. Dadurch entstehen Ge- bilde, wie sie z. B. auf der Tar. XXXVII[ Fig. 20 u. 21 dar~;estellt sind, bet welehen der alte Teil yon dem regenerierten auBer dem griiBeren Durehmesser nut dureh den dunkleren Ring, weleher sich in allen Fallen in der Umgebung der AbbruehstMle auf dem alten Reste aus-

I A B C D

Scb, em.~tische Darstollung des Verlaufes der Stachel- regeneration. A, B, U und D = oinzelne Stadien dteser

Regeneration. Nf~heres hierflber im Text.

bildet, abgegrenzt ist, sonst aber mit ihm ein kontinuier- liches Gebilde bildet.

Sehematiseh kann man sieh den ganzen Regenerationsvor- ffang ctwa so, wie el" in der nebenstehenden Textfiffur dar- gestellt ist, vorstellen: A zeigt den Zustand, in welchem das Regenerat als ein kleiner, spitziffer Auswuchs sich in der Mitre der Bruchebene ausge- bildet hat, in B ist dieser schon mehr ausgewachsen, so- wohl der L~tnge, wie aueh der Breite nach, C stellt einen

noeh wetter fortgesehrittenen Zustand der Regeneration dar, wobei die Basis des Regenerates sehon fast die Riinder der Bruehstelle er- reieht hat, weieher Vorgang in D sehon vollendet erseheint. - - Uber die ze i t l i ehen Eigensehaften dieses Vorganges kann ieh niehts aus- sagen, da ieh in dieser Hinsieht keine Untersuehangen ausgeftihrt babe. - -

Wie ieh sehon oben angefiihrt habe, gibt PI~OUHO an, dab bet Doroeidaris papitlata nur die w a e h s e n d e n S t a e h e l n der Regene- ration f'~thig stud, wogegen die ausgewaehsenen diese Fiihigkeit nieht mehr besitzen. Auf Grund meiner Erfahrungen an Stro~,gyloee~drotus purpuratus kann ieh Pltouttos Angabe fur diese Art nieht bestiitigen, denn ieb konnte einfaehe Regenerate, I)oppel- und Tripelregenerate nieht nur bet den.kleineren, also augenseheinlieh noch waehsenden,

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sondern aueh bei den grSBten, also sehon vollstandig ausgewaehsenen Staeheln konstatieren. - - Fast alle auf der dieser Arbeit beigeftigten Tar. XXXVIII dargestellten Abbildungen betreffen solche Stacheln. Und zwar zeig'ten diese ausgewaehsenen Staeheln nicht nur die gri~Beren Rege[mrate, die, wie eine Einwendung lauten ki~nnte, saint dem alten Reste w~ihrend seines Wachsrums auch batten weiter waehsen kiinnen, soudern aueh die kleinsten Regenerate, wie davon Fig. 1~ 2 und 4 Tar. XXXVIII (Fig. 3 betrifft einen jnngen, recht kleinen Stachel) Zeugnis ablegen kiinnen. Bei den Stacheln yon Strongylocentrolus purpurab~s bleibt wahrscheiulich - - so wage ich auf Grund der oben angeftihrten Tatsachen zu schlieBen - - die Generationsf~thigkeit nieht nur auf die Wachstumszeit beschrankt, sondern erhiilt sich auch spa- ter im ausgewachsenen Zustande.

Eine andere Frage ist, wie hoch der Stachel (yon der Basis ge- messen) abgebroehen werden darf~ um noch zu regeneriercn, bzw. in welehem Grade regenerieren die Stacheln in verschiedener Bruch- h(ihe? Es wurde l~i~mlich z. B. bei den Arthropoden scbon mehrere Male beobachtet, wie man aus den bisherigen Arbeiten entnehmen kann (obzwar die Autoren darauf nieht immer ausdrticklich aufmerk- sam maehen), dab die "Kraft und Vollkommenheit der Regeneration verlorengegangener Extremititten zu der Hiihe der Wunde - - die ~Htihe, bedeutet die Distallange yon der Insertion - - in direktem Verhalt,ds steht, dab also, je distaler yon der Insertion der verlolen- gegangene Teil irgendeines Organes lag, desto vollkommener und wahrseheinlich auch rascher seine Restitution stattfindetl). Was in dieser Hinsicht die Seeigelstache]n anbetrifft, so kann ich folgendes mitteilen: Die gr~il~te Mehrzahl der regenerierfen Stacheln wiesen Defekte nur an der Spitze auf und nut bei einigen wenigen war his die H~tlfte abgebrochen; in allen solchen Fiillen hat Regeneration stattgefunden und ich konnte unter den Regeneraten keine Unter- schiede in der Gri~Be des verlorengegangenen Teiles feststel]en. Mtiglicherweise traten in der Geschwind ig ' ke i t des Restitutionspro- zesses in dieser Beziehung irgendwelche Differenzen z u t a g e - diese Frage babe ich nicht verfolgt. DaB abet auch in der basalen HKlfte abgebrochene Stacheln zu regenerieren vermiigen, daven zeugt der in Fig. 22 Tar. XXXVIII abgebildete Stachel (d;e normale GrtiBe des Sta- ehels vor dem Abbreehen ist an dieser Abbildung" dutch die Pnnktlinie

It N~iher bespreche ieh (liese Regel in meiner Abhandlung: ,Eperimentelle und theoretische Untersnchun~'en fiber die Restitution der Insekteufliigel. Arch. f. Entw.-Mech. d. Org'. Bd. 39. tleft 2 u. 3. S. 200--201.

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angedeutet), welehen ieh jedoeh erst nach langem Suchen an einem Seeigel finden konnfe, denn obzwar, wie ich schon oben bemerkte~ die defekten und regenerierten Stacheln bei Seeigeln so h~ufig sind, dab es vielfaeh sehr sehwer ist, einen vollstfindig normalen aufzu- finden~ so betraf der Def.ekt bei alien Stacheln doch nur entweder und zwar meistens ihre Spitze, oder hiiehstens die distale Hiilfte. Staeheln, die in der basalen H~ilfte abgebroehen gewesen w~tren, waren an den lebenden Seeigeln 1) nut sehr selten zu finden, g[eieh- viel ob sie ein Regenerat zeigten oder regeneratlos waren.

Diese Tatsache lliBt sich dadurch erkliiren, dab die Stacheln nur in ihrer distalen H~tlfte einen Defekt erleiden ki~nnen 7 da sie yon den benachbarten geschUtzt sind~ so dab die sehiidigenden Eingriffe der Umgebung, welche die Defekte der Stacheln verursaehen~ ihre Basis nicht zu erreichen vermiJgen. Oder aber es liegt noeh eine Erkl~trungsmSglichkeit vor: PI~OUHO teilte niimlicb, wie ich sehon oben angeFtihrt habe~ mit, daB~ wenn bei Do~vcidaris papillata ein ausgewaehsener Staehel nahe der Basis abgebrochen ist, der Rest abgeworfen wird und ein neuer Stachel auf dem alten Tuberkel zur Entwicklung gelangt; nun w~ire es miiglieh, dab aneh bei Strongylo- centrotus purpuratus die in der basalen Hi~lfte abgebroehenen Staeheln in ahnlicher Weise wie bei Dorocidaris ~ vielleicht durch Auto- tomie , von deren Mechanismus wir aber bisher keine Ahnung haben - - abgeworfen werden und deswegen niemals Regenerate ansetzen kSnfien, wodurch sieh auch erkliiren l~tBt, warum ich am lebenden Seeigel niemals weiter als bis zur H~tlfte abgebroehene Stacheln finden konnte, wogegen unter den am Boden des Aquariums liegenden zahl- reichen Staeheln sich doch einige solche befanden.

DaB die Seeigel wirklich die Fiihigkeit besitzen, die in der unteren H~tlfte gebrochenen Staeheln abzuwerfen, wogegen sie d i e minder beseh~tdigten Staehetn beibehalten und regenerieren, davon hat reich folgende Beobachtung belehrt: wenn ich dem Seeigel einen Staehel mittels Pinzette niiher an der Basis abzubreehen versuehte~, beobaehtete ieh, dab in jedem Falle sofort naeh der Operation der zuriiekgebliebene Stumpf abfiel, wi~hrend Stacheln, welchen nur die Spitze abgebroehen wurde, zurUckbehalten blieben und sich wie die unverletzten regelmi~Big normal bewegten. DaB es sich bei meinem Vorgehen nicht etwa um ein AusreiBen des Stachels handelte, geht daraus hervor, dab bei der Operation der Stachel in dem Tuberkel

1) Wogegen am Boden der Aquarien solche in der basalen H~ilfte abge- brochene, nicht abet regenerierte St tcheln nicht selten waren; siehe noeh weiter.

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festhielt und erst, naehdem der Bruch vollendet worden war, auto- matisch abfiel. AuBerdem set angefUhrt, daB, wie ieh reich mehrere Male Uberzeugt habe, zum AusreiBen eines Staehels ohne Beseh~idi- gung desselben vielmehr Kraft n(itig ist, als zur L~idierung durch Bruch. Wenn bet der letzferen Operation der Staehel zuFttllig niiher an der Basis abgebrochen wird, so t':~tllt der Rest schon leicht, wie yon selbst, automatisch ab.

Auf Grund des eben Angeftihrten glaube ich reich zu dem SehluB berechtigt, dab den Stacheln der Seeigel in gewissem Grade die Fahigkeit der Autotomie zukommt. Was die diese Autotomie aus- liJsenden Reize anbetrifft, so haben wir eben einen kennen gelernt, nitmlieh eine sehwerere Verletzung des Stachels~ sein Abbrechen in de r basalen Hiilfte. Aber es werden wohl auch andere Reize die Autotomie der Stacheln ausli~sen. Gerade vor einem Jahre haben wir beobachten kiJnnen, dab den in den Institutsaquarien gezUchteten See- igeln auffiillig die Stacheln abfaIlen, so dab einige yon ihnen nach kurzer Zeit vollsti~ndig stachellos waren. Welche Ursache hier dem Staehelabwerfen zugrunde lag, kann ieh nieht sagen: die Aquarien waren fortwi~hrend ausgiebig gelUftet, die Seeigel wurden aueh regel- mi~Big mit Pferdefleiseh gefUttert und auch die Temperatur war kon- stant bet 18--20 ~ C gehalten, so dab in den ~iuBeren EinfiUssen - - n~imlich EinflUssen sch~td igender INatur - - die Ursache des Stachel- abwerfens sehwer zu suchen ware.

Dabei set ausdrUcklich bemetkt, dab die Seeigel nach Verlust ihrer Stacheln keineswegs zugrunde gingen, sondern wetter lebten, und Eier - - die Weibchen - - und Spermien - - die Mi~nnehen pro- duzierten; es kaun also in diesem Falls das Staehelabwerfen nicht als sine pr~imortale Erseheinung aufgefaBt werden, welche ja nach manchen Angaben in Aquarien vorkommen sell. AuBerdem kiinnen die Seeigel zugrunde gehen, ohne ihre Stacheln abzuwerfen, wovon folgendes Experiment zeugt: In sin mittelgroBes Aquarium gab ieh in reines, stetig und seit langem gelUftetes Seewasser einen Seeigel mit reieher Stachelbedeekung und dem Wasser habe ieh dann ein wenig" Ammoniak zugetan, weil yon manehen Seiten das Staehelab- werfen auf eine Anh~iufung" ammoniakaler Stoffweehselprodukte in ungeniigend geltifteten Aquarien als Ursache bezogen wird. Der See- igel fling zwar in 48 Stunden zugrunde, hat aber seine Staeheln yoU- r kommen beibehalten.

DaB das Staehelabwerfen bet den Seeigeln keine pr~imortale Er- seheinung zu sein braucht und auch den Tod des Tieres nicht zur

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Folge haben mnB, dafUr zeugt der Umstand, dab die Seeigel bach dem Verluste ihrer Stacheln diese wieder v o l l k o m m e n zu regene- rieren f~ihig sind. An unseren Exemplaren yon Strongylocentrotu~ purpuratus, yon welehen einige verloren haben, so dab sic ganz wit beobachten, dab ihnen nach

ihre Staehelbedeekung vollkommeI~ staehellos geblieben sind, konnten einigen Woehen neue Stacheln, und

zwar aus den alten Tuberkeln, auszuwachsen beginnen. Die alte Angabe Pt~ourios fUr Dorocidaris papillnta, dab niimlich bei dieser nach Abwerfen des Restes von abgebrochenen Stacheln auf (bzw. aus) den alten Tuberkeln sich neue entwickeln, ist jedenfal!s ver- trauensw,tirdiff und kann ich sic - - wie aus den obigen Ang'aben hervorgeht - - auch fur Strongyloeentrotus purpuratus bestii, tigen.

Bis zur vollkommeuen Ausbildunff babe ich die Erneuerung der abgeworfenen Stacbelbedeckung bei Strongyloccntrotus purpuratus nicht beobachten k(inuen, da die Seeigel im M~irz zu anderen Zweeken get(itet werden muBten. DaB abet die Erneuerung der Stachelbe- deckung die Vollkommenheit des ,'Normalzustandes erreichen kann, belehrte reich die Beobaehtung an einem Exemplar yon Stlw~gylo- centrotus liridus, welcher im M~trz 1914 die Stacheln abzuwerfen be- gann und Ende April vollst~indiff stachellos war. Trotzdem verhielt er sich zu dieser Zeit so wie vorher und nahm ebenso normal die ~ahrung" auf - - ein l~eweis, dab das Stachelabwerfen sein Leben in keiner Weise bedroht bat. Zum Beg'inn des Sommers haben wir be- obachten kiinnen, dab sich bei ihm neue Stacheln zu entwickeln beginnen. Diese neueu Stacheln wuchsen zwar langsam, aber trotz- dem regelm~tBig" weiter, bis sic die normale Grii[~e erreieht hatten, so dab heute, Ende Dezember 1914, das vor dreiviertel Jahr stachel- lose Tier sich durch eine neue, vollkommen normale, j a reiche Stacbel- bedeckung auszeiclmet. Daraus geht hervor, dab die Seeigel fitbig" sind, die - - wahrscbeinlich dutch Autotomie - - abgeworfene Stachel- bedeekung wieder yon neuem vollst~indig zu reg'enerieren.

Prag ' , im Januar 1915.

Erkl~irung dec Abbildungen, Tafel XXXVIII.

BezUglich der einzelnen Figuren ver.weise ieh ~uf den Text, wo alles Niitige angefiihrt worden ist. Nur eine Bemerkung hinsichdich dcr VergriiBerung sei gestattet: Fig. 4, 5. 6, 7, 8, 9, 10, 17, 18. 20, 21 und 22 sind um lt/.) der nafiir- lichen Gr(il3e vergriif3ert, alle iib~igen Figuren, n~imlieh 1, 2, 3, 11, 12, 13, 14, 15, 16 und 19 sind dreimal vergriiBert.

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Archly fi~r Entwicklungsmechanik. Bd. XLII . Tafel X X X V I l L

K ~i~ ene eke, Verlag yon Withehn Engelmann in Leipzig.