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(Aus dem Neurologischen Institut der Wiener Universit/~t [Prof. 0. Marburg] und der II. Medizinischen Abteilung [Prof. L. Braun] des Spitales der Israel. Kultus- gemeinde in Wien.) Ein Beitrag zur Kenntnis des Hemiballismus. Von Dr. Heinrich Uiberall und Dr. Vilma Samet-Ambrus. (Eingegangen am 18. September 1930.) Der folgenden Mitteilung liegt ein in Serienschnitten untersuchter Fall yon halbseitiger eigenartiger Hyperkinese, bei dem sich eine Blutung ins Corpus Luysi (C.L.) fand, zugrunde. Was uns zu dieser Mitteilung veranlaftt, ist nicht bloit die Seltenheit solcher Beobachtungen, sondern auch eine Reihe von Fragen, die nicht ganz gekl~rt sind: so die Frage, ob die Zusammenfassung derartiger F~tlle zu einem eigenen Krank- heitsbilde gerechtfertigt ist; im Zusammenhang mit dieser Frage muir auch die Bedeutung des auf Grund experimenteller (Karplus und Kreidl, Schrottenbach) und klinischer Beobachtungen (Gerstmann, Bresowsky, BSwing u. a.) als vegetatives Zentrum angesehenen (F. H. Levy) C.L. ffir die Motorik er6rtert werden. Auch ist die Rolle der in bisher beschriebenen ahnlichen Fallen vorgefundenen anderweitigen Lasionen des Gehirns (Kleist) unklar, und schliel31ich ist die Auffassung der in l~ede stehenden Hyperkinese als Ausfallserscheinung nur durch wenige Beobachtungen gestfitzt. Die geringe Anzahl der bisher mit- geteilten verwertbaren F~lle erschwert die LSsung aller dieser Fragen. Soweit uns bekannt ist, hat Grei//als erster eine Hyperkinese, wie sie auch in unserem Falle bestand, mit einer Lasion des C.L. in Beziehung gebracht. In seinem, obwohl gr56tenteils nur makroskopisch, so doch grfindlich untersuchten Falle bestand aul~er schmerzhaften Sensationen, die wahrscheinlich auf eine nachgewiesene Thalamusl~sion zu beziehen waren, RStung und Temperaturerh6hung der hyperkinetischen KSrper- hMfte, so da$ bier mSglicherweise gleichzeitig sowohl vegetative wie auch motorische StSrungen durch die L~sion des C.L. ausgel5st wurden. Sp~ter wurden noch einige solche Falle mitgeteilt, unseres Wissens aul3er dem Falle yon Grei//im ganzen etwa sieben. Es sind diejenigen yon Economo, O. Fischer, Jakob, Matzdor//, Wenderovi~, Spatz und

Ein Beitrag zur Kenntnis des Hemiballismus

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(Aus dem Neurologischen Institut der Wiener Universit/~t [Prof. 0. Marburg] und der II. Medizinischen Abteilung [Prof. L. Braun] des Spitales der Israel. Kultus-

gemeinde in Wien.)

Ein Beitrag zur Kenntnis des Hemiballismus.

Von Dr. Heinrich Uiberall und Dr. Vilma Samet-Ambrus.

(Eingegangen am 18. September 1930.)

Der folgenden Mitteilung liegt ein in Serienschnitten untersuchter Fall yon halbseitiger eigenartiger Hyperkinese, bei dem sich eine Blutung ins Corpus Luysi (C.L.) fand, zugrunde. Was uns zu dieser Mitteilung veranlaftt, ist nicht bloit die Seltenheit solcher Beobachtungen, sondern auch eine Reihe von Fragen, die nicht ganz gekl~rt sind: so die Frage, ob die Zusammenfassung derartiger F~tlle zu einem eigenen Krank- heitsbilde gerechtfertigt ist; im Zusammenhang mit dieser Frage muir auch die Bedeutung des auf Grund experimenteller (Karplus und Kreidl, Schrottenbach) und klinischer Beobachtungen (Gerstmann, Bresowsky, BSwing u. a.) als vegetatives Zentrum angesehenen (F. H. Levy) C.L. ffir die Motorik er6rtert werden. Auch ist die Rolle der in bisher beschriebenen ahnlichen Fallen vorgefundenen anderweitigen Lasionen des Gehirns (Kleist) unklar, und schliel31ich ist die Auffassung der in l~ede stehenden Hyperkinese als Ausfallserscheinung nur durch wenige Beobachtungen gestfitzt. Die geringe Anzahl der bisher mit- geteilten verwertbaren F~lle erschwert die LSsung aller dieser Fragen.

Soweit uns bekannt ist, hat Grei//als erster eine Hyperkinese, wie sie auch in unserem Falle bestand, mit einer Lasion des C.L. in Beziehung gebracht. In seinem, obwohl gr56tenteils nur makroskopisch, so doch grfindlich untersuchten Falle bestand aul~er schmerzhaften Sensationen, die wahrscheinlich auf eine nachgewiesene Thalamusl~sion zu beziehen waren, RStung und Temperaturerh6hung der hyperkinetischen KSrper- hMfte, so da$ bier mSglicherweise gleichzeitig sowohl vegetative wie auch motorische StSrungen durch die L~sion des C.L. ausgel5st wurden. Sp~ter wurden noch einige solche Falle mitgeteilt, unseres Wissens aul3er dem Falle yon Grei//im ganzen etwa sieben. Es sind diejenigen yon Economo, O. Fischer, Jakob, Matzdor//, Wenderovi~, Spatz und

H. Uiberall und V. Samet-Ambrus: Zur Kenntnis des Hemiballismus. 503

K. Scha]/er 1. Von den Fallen Jakobs ist mit Sicherheit als solcher der Fall 19 seiner Monographie aufzufassen, wahrend der Fall 32 klinisch nicht hier anzureihen ist, da es sieh in diesem FaUe nicht um ein Dauer- symptom handelte. Im FaUe Jakobs war das zeitweilige Auftreten der Hyperkinese gleichzeitig auf beiden Seiten erwahnenswert; dasselbe gilt wahrseheinlich auch ffir den Fall yon WenderoviS. ])iese Erscheinung wird yon Jakob durch die doppelseitige Beeinflussung beider KSrper- halften durch das C.L. erkl~rt, w~hrend Wenderovi6 ein l]bergreifen der Impulse auf dem Wege des Balkens auf die andere Hirnhalfte an- nimmt. Matzdor H berichtet in seinem Fall yon W~lz- und Drehbewe- gungen des ganzen KSrpers nach links; es lag eine Erweichung des rechten C.L. vor. Gleichzeitig bestand eine beiderseitige choreaahnliche Hyperkinese, und zwar links starker als rechts und ein Tremor der rechtsseitigen Extremit~ten. Der Fall yon Spatz ist nur anatomisch genauer besehrieben, wahrend der Fall Scha//ers uns nur aus einem kurzen Referat fiber seine Demonstration bekannt ist, ebenso ein Fall von Lloyd und Winkelmann, bei dem wir nicht ausschlieBen konnten, ob es sieh nicht bloB um eine Hemichorea gehandelt hat. Schlie$1ich m6chten wir hier noch den Fall von Pette erwahnen; in diesem war die Regio subthalamiea ladiert. Aus der kurzen Beschreibung ist eine Ver, letzung des C.L. nicht zu ersehen, doch wird sie ausdrficklich yon Matz- dor// nach miindlicher Mitteilung des Autors angegeben.

Diesen Fallen mSehten wir unseren eigenen Fall anreihen, dessen Krankengeschiehte wir im folgenden mitteilen.

A. L., 56j~hriger Rentner, kam am 22. XII. 1927 auf der II. medizin. Abt. zur Aufnahme. Die mit den AngehSrigen des Patienten aufgenommene Anamnese ergab: auSer Tbe. bei der Frau des Patienten und einem seiner Kinder belang- lose Familienanamnese. Der Patient sei bis vor 11 Jahren stets gesund gewesen. Damals bekam er eine Lungenentziindung mit hohem Fieber und deliranten Zu- st~nden und im Anschlul3 daran eine Nierenentzfindung, an der er bis zuletzt laborierte. Seither sei er aueh sehr nerv6s; er bekommt nach Aufregungen Ohn- machtsanf~lle, Schwindel, Kopfschmerzen und Herzklopfen. Am 18. XII., also vor 4 Tagen trat, ebenfaUs nach einer Aufregung, ein Schwindelanfall und eine kurz dauernde Bewul3tlosigkeit auf. Am n~chsten Tage traten allm~hlich, zu- n~chst im hnken Bein, dann auch im linken Arm Zuckungen auf. Im Arm sind sic seit 2 Tagen besonders intensiv. Im Schlaf sistieren sie. 1--2 Tage nach dem Beginn stellten sich im linken Unterschenkel Schmerzen ein. Gleichzeitig traten an den Streckseiten der linksseitigen :Extremit~ten rote Flecke auL Appetit, Schlaf, Stuhl und Urin waren angeblich bis zuletzt regelmi~$ig. Nicotin- und AlkoholgenuB werden negiert; fiber venerische A~fektionen ist nichts zu erfahren.

Status praesens (wegen der groBen motorischen Unruhe des i)atienten war eine liickenlose Durchuntersuchung trotz wiederholter Versuehe nieht mSglich):

1 Hierher scheint auch der yon Pelnar und Sikl kiirzlich publizierte Fall, dcr uns nach Abschlul3 unserer Mitteilung bekannt wurde, zu gehSren. Er stimmt in bezug auf die klinischen Erseheinungen und Verlauf, sowie die ibm zugrunde- liegenden Hirnl~sionen mit den iibrigen F~llen fiberein.

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504 H. Uiberall und V. Samet-Ambrus :

Blasser, ersch6pft aussehender Patient von mittelkr~ftigem Bau. Die Haut ist trocken und zeigt an den linksseitigen Extremit~ten hochrote grolle Flecke, an denen die Haut wie abgeschunden aussieht. Die R6tung ist nur auf den Streck- seiten zu finden. Am MaUeolus latcralis links eine Excoriation. Alle diese Haut- ver~nderungen machen den Eindruck yon Reibungseffekten. Die linke K6rper- h~lfte befindet sich in st~ndigen Jaktationen. Eine Untersuchung dcr inneren Organe ist infolgedessen unmSglich. Tachykardic. Blutdruck 220 mm Hg. In- continentia urinae et alvi; da aueh kcin Katheter eingefiihrt werden kann, ist Ham zwecks Untersuchung nicht zu gewinnen. Psychisch ist der Patient v611ig frci und unauff~llig bis auf eine ganz leichte Benommenheit, die auf Ermfidung und kurz vorher verabreichte Modiscopinjektion zu beziehen ist. Bei freier will- kiirlicher Bewegungsf~higkeit des ganzen KSrpcrs befindet sich sowohl die linke obere als auch die linke untcre Extremit~t in st~ndiger Bewegung. Es sind dies sehr heftige rhythmisehe, rasche, weir ausholende, etwas schleudernde, an willkiir- lithe erinnernde Bewegungen. Sie laufen gleichzeitig in beiden linksscitigen Ex- tremit~ten ab. In der oberen Extremit/~t linden sie nach verschicdenen Rich- tungen start: Beugung in eincm, kombiniert mit Streckung im anderen Gelenk und umgekehrt, Spreizcn und Kriimmen der Finger. In der unteren Extremit~t sind sie mehr einf6rmig: Beugung in allen Gelenken mit gleichzeitiger Supination des Ful~es, dann wieder Streckung. Diese Merkmale waren am 1. Tag nach der Spitalsaufnahme zu vcrzeichnen. Am 2. Tage ~nderte sich der Charakter der Bewegungen insofern, als sie wom6glich noch heftigcr wurden und ohne jede Unterbrechung anhielten, w~hrend am 1. Tage doch kleine Pausen, in denen eine somatisehe Untersuchung mSglich war, vorkamen. Die Bcwegungen in den kleinen Hand- und Fingergelenken verloren sieh und beschrankten sieh auf die groBen Gelenke, und zwar hauptsachlich auf die proximalen. Sie waren zu dieser Zeit recht eint6nig und erinnerten an weir ausholende Schl~ge. Der Patient lag dabei meist auf der rechten Seite. Diese un- willkiirlichen Bewegungen wurden dutch psychische Beanspruchung des Patienten oder Aufforderung zu Bewegungen nicht gesteigert. Andererseits lieBen sie sieh willkiirlich dutch den Patienten nicht unterdriicken. Die allgemeine motorische Unruhe und die Bewegungen in den rechtsseitigen Extremiti~ten waren deutlich nur reaktiv. Augen ~ullerlich nicht auff~llig, Motilit~t vSllig erhalten. Pupillcn stark untermittelweit (Morphiumwirkung). Lieht- und Naheinstellungsreaktion, sympathische Reaktion o.B. Alle Hirrmerven ,r intakt. Eine leichte Hyper- algesie der linken Gesichtsh~Ifte entsprechend einer leichten Hemihyperalgesie der ganzen linken KOrperh~lfte (s. unten). Auger den eingangs erw~hnten Haut- ver~nderungen war/~uBerlieh an den oberen Extremit/~ten nichts auff~llig; keine trophischen StSrungen nachweisbar. Leichte Druckempfindliehkeit der Musku- latur links. Die willkiirliche Beweglichkeit der oberen Extremit~ten war beider- seits erhalten, ebenso die motorisehe Kraft, die bei grober Prfifung beiderseits gleieh war. Unwillkiirliehe Bewegungen in der linken oberen Extrcmit~t (s. oben). Der Widerstand gegen passive Bewegungen war links deutlich geringer als rechts. Alle tie fen Reflexe ohne wesentliche Differenzen zwischen rechts und links. Keine Ataxie. Keine Adiadochokinesis. Die Empfindung passiver Bewegungen nnge- stSrt. Am Rumpf war auBer einer linksseitigen Hyperalgesie nichts Auff~lliges festzustellen. Die Bauchdeekenreflexe konnten teils infolge der Unruhe, teils wegen Spannung der Bauehdecken nicht ausgelSst werden. Cremasterreflexe waren beiderseits auslSsbar nnd gleich lebhaft. Die unteren Extremit/iten waren auBerlich auBer den beschriebenen Hautveranderungen o. B. Die willkiirliche Bewegliehkeit war beiderseits erhalten. Eine leichte Herabsetzung der motorischen Kraft in der linken unteren Extremit~t wurde vorgetauseht dureh Schmerzen bei Be-

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wegungen, die auf bei den bereits erw/ihnten unwillkfirlichen Bewegungen erlittene Kontusionen zu beziehen waren. Der Widerstand gegen passive Bewegungen links war deutlieh herabgesetzt, die Spannung der Sehnen jedoch beiderseits gleieh. Die tiefen Reflexe ohne Differenzen. Keine Kloni. Babinski und Oppenheim waren nicht festzustellen. Keine Ataxie. Die Empfindung passiver Bewegungen und Oberflachensensibilit/it wie an den oberen Extremitaten.

In den naehsten Tagen verfiel der Patient zusehends. Er sah sehr ersch~pft aus. An den gerSteten Hautstellen der linken KSrperh~lfte stellten sieh Excoriationen ein. Er sehlief und beruhigte sieh nur naeh Morphium-Scopolamin-Injektionen (Modiscop), w~hrend Scopolamin allein, Chloralhydrat 3 g per Klysma und Luminal unwirksam waren. Am 3. Tage seines Spitalaufenthaltes sistierte die Hyperkinese; er sehlief den ganzen Tag. ~ber der Lunge traten reiehlieh Rasselger~usehe und Trachealrasseln auf. Patient starb an demselben Tage.

Die klinisehe Diagnose lautete: linksseitiger Hemiballismus nach Hirnblutung. Hypertonie bei chronischer Nephritis.

Aus dem Obduktionsbefund (Dozent Th. Bauer): Hochgradige Arteriosklerose der basalen Gehirngef~13e, insbesondere der rechten Arteria vertebralis. Hydro- cephalus externus mhltigen Grades, internus h6heren Grades. Xltere apoplektische G'3rste im Bereiehe der reehtsseitigen Stammganglien an der Grenze zwischen innerer Kapsel und Putamen. Ohne weitere Zerlegung des Gehirns (es wurde nut ein horizontaler Schnitt in der HShe der Stammganglien gefiihrt) wird das- selbe zwecks mikroskopischer Untersuchung konserviert. Ansonsten war eine hoehgradige Atheromatose der Bauchaorta und eine arteriosklerotisehe Sehrumpf- niere m~$igen Grades naehweisbar.

Histologiseher Hirnbefund (Dozent E. Spiegel1): Zur histologisehen Unter- suehung lag das Gehirn vor, das dutch einen Horizontalschnitt dutch die Stamm- ganglien in eine dorsale und ventrale Halfte geteilt war. Es wurde der dorsale Teil in horizontaler Serie, der ventrale in frontaler gesehnitten. Die Praparate wurden mit H~malaun-Eosin naeh Nissl und einzelne Sehnitte nach Chromierung, naeh Weigert gef~rbt.

Beim Studium der horizontalen Serie finder sich auf tier reehten Seite im kranialsten Anteil des Putamens und des Globus pallidus ein maregelmhBig ge- formter Hohlraum. Dieser greift zum Teil auch auf den vorderen Sehenkel der Capsula interna in deren mittlerem Antefl fiber. In tier grSSten Ausdehnung mil3t der Diameter dieses Hohlraumes yon links naeh reehts 9 ram, yon vorn nach hinten 5 ram. Im Zentrum linden sich massenhaft mit Blutpigment be- ladene Freltzellen. Von seinem Rande strahlen Ztige yon Bindegewebe besonders im oralen Absehnitte in ihn ein, ihn septenartig unterteilend. Hier an tier oralen Peripherie linden sieh auch reiehlieh GitterzeUen mit dunldem, chromatinreiehem Kern. In der weiteren Naehbarschaft sind zahlreiehe GefaBe mit auffallend ver- diekter Wand, Pigmentzellen um die Adventitia und in den adventiziellen R~umen zu finden. Bei st~rkerer VergrSSerung l~Bt sieh ferner in tier yon pigmenterf011ten Frel3zellen durchsetzten, am H~malaun-Eosin-Pr~parat etwas heller gef~rbten Wand des Hohlraums eine reichliche Gliakernwucherung nachweisen. Bei Verfolgung der Serie nach abw/irts bemerkt man, dab der Hohlraum auf die laterale Peripherie des Nucleus caudatus, auf den dem vorderen Sehenkel der Capsula interna zu- gekehrten Absehnitt iibergreift. Weiterhin finden sieh im Putamen, insbesondere in seinem mittleren Drittel, nahe der Capsula externa ~thnliche, kleinere Herde, resp. in diesem Ganglion zerstreut, perivaseul~re Desintegrationen und Ansamm-

1 Herrn Dozenten Spiegel spreehen wir ftir die histologisehe Untersuehung des Falles unseren ergebensten Dank aus.

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lungen von Blutpigment und von Pseudokalk. Um einzelne Gef~Be lassen sich kleine Ansammlungen dichtgelagerter Corpora amylaeea nachweisen.

Auf den Frontalschnitten f~llt vor allem die hochgradige Verdickung der Wand der basalen Hirngef~13e, insbesondere der Intima, auf. Diese ist von De- generationsherden durchsetzt bzw. hyalin entartet. Der Wand dieser Gef~13e ist massenhaft Pseudokalk angelagert, an den ins Gehirn eindringenden Asten ist eine mehrfache Sehicht von Corpora amylacea naehweisbar. Die letzteren linden sich auch sonst reichlich an der ventralen Peripherie der Hirnsubstanz in der ge- wucherten Randglia. ~hnliehe Ver~nderungen wie die geschilderten sind auch im Bereich beider Linsenkerne, besonders im rechten an den Gef~flen nach- weisbar. Auch hier finden sich zerstreute Desintegrationsherde, auf der rechten Seite tiberdies der ventrale Ausli~ufer des obenerw~hnten, von Pigmentzellen durch- setzten ttohlraumes. Welter caudal t r i t t an Schnitten dureh das hintere Drittel des Thalamus im reehten Corpus subthalamicum eine machtige Blutung auf. Sie zerst6rt am Frontalschnitt fast zur G~nze dieses Ganglion. Ihr gr6flter Durch- messer f~llt mit demjenigen des Corpus Luysi zusammen. Sie hat in ihrem lateralen Abschnitt die gr613te dorsoventrale Ausdehnung, reicht hicr etwas fiber die Grenzen des Ganglion nach allen Richtungen hinaus und entsendet insbesondere zwei streifenf6rmige Auslaufer, die der Richtung der Fibrae perforantes folgen, in den Pes pedunculi. Nach medioventral zu verschmalert sich die Blutung immer mehr, so dab ihr dorsaler und ventraler Kontur sich unter einem spitzen Winkel treffen und die ventromediale Partie des Ganglions teilweise frei bleibt. An einzelnen Stellen ist bier eine Schiehtung des Blutes in konzentrischer Anordnung fcst- zustellen. Nach caudal zu geht die H~morrhagie etwas dorsal, durchsetzt die dorsalen Absehnitte der Substantia nigra yon dorsolateral nach medioventral, wobei sie gleichzeitig, insbesondere an ihrer dorsalen Peripherie in einzelne kleinere Herde zerf~llt. Hier tr i t t sie teilweise auf das Forelsche Feld Hz fiber und erreicht die ventrolaterale Peripherie des kranialen Abschnittes des Nucleus tuber, der aber h6chstens in seiner ~uBersten Umrandung getroffen ist. Das caudale Ende der Blutung finder sich an Schnitten durch die vorderen Vierhfigel bzw. die Com- missura posterior und liegt in der dorsolateralen Ecke der Substantia nigra.

An Sehnitten durch die Brficke sind unter dem Ventrikelboden im zentralen H6hlengrau medial vom Locus coeruleus sehr stark erweiterte Gef~fle zu finden; um einzelne derselben kleine Blutaustritte. Sonst finder man am Gehirn nur eine Verdickung bzw. Bindegewebswucherung an den weichen Hirnh~uten, besonders fiber dem Kleinhirn und die schon geschilderten Gef~flver~nderungen an den basalen GefaBen auch des fibrigen Hirnstammes.

Zusammen]assung: E t w a 24 S t u n d e n nach e inem le ichten apo- p lek t i schen Insu l t t r a t e n bei e inem 56j~hr igen K r a n k e n m i t hochgrad iger H y p e r t o n i e sehr heft ige unwil lk i i r l iche Bewegungen in be iden l inks- se i t igen E x t r e m i t ~ t e n auf. Sie waren r h y t h m i s c h wel t ausholend und un-

un te rb rochen ; es be te i l ig ten sich an ihnen die E x t r e m i t i i t e n im ganzen, im Sinne abwechse lnder Beugungen und S t reckungen einzelner Gelenke nach verschiedenen Rich tungen . Sie liefen gleichzei t ig in der oberen und un te ren

E x t r e m i t ~ t ab. Eine Beeinf lussung der Bewegungen d u t c h l~sychische Be- ansp ruchung des P a t i e n t e n oder wil lki i r l ich durch den P a t i e n t e n selbst liel~ sich n ich t feststellen. I m Schlafe s i s t ie r ten die Bewegungen, doch war das Einschlafen selbst durch dieselben hochgrad ig ges tSr t und nur nach Morph iumgaben mSglich. Die Bewegungen waren so a n d a u e r n d und

Ein Beitrag zur Kenntnis des Hemiballismus. 507

heftig, dab sie zu Excoriationen an den Streckseiten der befallenen Extremitaten fiihrten und eine derartige Ersch6pfung des Patienten be- dingten~ dab er vermutlieh an dieser naeh einwSehiger Dauer der Er- krankung gestorben ist. Neurologiseh lieB sich nur eine Herabsetzung des Muskeltonus der befallenen Extremitaten und eine leichte Hyperalgesie der linken KSrperh~lfte naehweisen. Die Untersuehung des Gehirns ergab eine grSBere ~ltere apoplektische Cyste im kranialsten Absehnitt des Putamen und des Globus pallidus rechts, mehrere kleinere ~ltere ~hn- liche Herde im mittleren ])rittel des Putamens derselben Seite, sowie kleine ])esintegrationsherde in den Linsenkernen beiderseits. ])as reehte C.L. war durch eine frisehe Blutung bis auf einen kleinen ventro- medialen Teil v611ig zerstSrt. Die Blutung reichte nach mehreren Riehtungen etwas fiber dieses Ganglion hinaus. So grill ein Auslaufer derselben ein wenig auf den Pes peduneuli fiber, tin anderer ladierte den dorsalen Absehnitt der Substantia nigra und reichte ins Forelsehe Feld H r

Eine Reihe von Zfigen ist den eingangs angeffihrten F~llen yon Hemiballismus und unserem Falle gemeinsam. Sie zwingen uns, ihre Sonderstellung anzuerkennen. Dies mSehten wir besonders betonen. ])enn obwohl Jakob die Eigenart derselben hervorgehoben hat, wird eine Scheidung dieser Hyperkinese als Hemiballismus der Hemi- chorea gegenfiber yon spateren Autoren vielfach nicht durchgeffihrt. Sowohl Gre///wie Economo und O. Fischer fassen sie als eine Hemi- chorea auf. Letzterer belegt sit zwar mit dem Namen Hemi- ballismus, doeh nur in dem frfiher fibliehen Sinne (v. Monakow), n/~m- lieh mit Rficksieht auf die groBe Amplitude der Bewegungen. Ebenso sprieht Wenderowig in seinem Falle yon einer Unterart yon Hemi- chorea, an einer andercn Stelle yon Hemichorca direkt. ])emgegenfiber ist hervorzuheben, dab diese Hyperkinese mehr ist als bloB ,,eine bis zum Hemiballismus gesteigerte Hemichorea" (Lothmar). Wenn aueh alle bisher mitgeteilten Falle sieh dureh ein besonderes AusmaB der Bewegungen ausgezeiehnet haben, so messen wir diesem Merkmale dennoch keine allzu groBe Bedeutung bei. Wichtiger erseheint uns die Tatsaehe, dab diese Bewegungen sich in ihrem Gesamteindruck yon den ehoreatischen unterscheiden, was die ])iagnose einer Lasion des C.L. in einigen solehen Fallen erm6glichte (Jakob, WenderoviS). Sie sind langsamer, wodurch sie den ffir die Chorea charakteristisehen Eindruck der Zuekung verlieren; sie laufen g leiehzeitig in ganzen Extremit~ten ab und erinnern dadureh und dureh ihren relativ lang- samen Ablauf an willkfirliche. Finden sie gleichzeitig in beiden Ex- tremit~ten start, so wird der Rumpf mitgezogen. Eigentliehe W~lz- bewegungen konnten, wenigstens in unserem Fall, nicht festgestellt werden.

508 H. Uiberall und V. Samet-Ambrus:

Auf Grund der Fi~lle Jakobs und seiner eigenen Beobachtung glaubt Matz- dor//bei der in Rede stehenden BewegungsstSrung 2 Komponenten unterscheiden zu miissen. Einmal w~lzende und drehende Bewegungen des Stammes und der Extremit~tengfirtel, die er als Hemiballismus, bei beiderseitiger Entwicklung als Ballismus bezeichnet. Die zweite Komponente IaBt er als Chorea dutch Herd- lasion auf. Sie entspricht der in den Extremitaten ablaufenden Hyperkinese. Dementsprechend lehnt er diejenigen eingangs von uns angefiihrten Hemiballismus- ~lle, die keine W~lzbewegungen aufwiesen, als Hemichorea ab. Sowohl die Eigen- art der letzteren Komponente, wie auch die anatomischen Befunde zwingen uns die Ursache derselben im C.L. zu suchen. Auch Matzdor// leugnet keineswegs, dab diese ,,Itemichorea" durch Lasionen des C.L. zustande kommt. Nun scheint uns aber die Aufstellung zweier Abarten yon Hyperkinese als Folge von Lasionen des C.L. doch zu weir zu gehen, ebenso wie es uns nicht angangig erscheint, die eigenartige Hyperkinese in den Extremit~ten als Hemichorea zu bezeichnen und sie derjenigen dutch andere Hirnl~sionen bedingten gleichzustellen. Wir glauben vielmehr, dab es sich bier lediglich um quantitative Unterschiede handelt: in dem einen Falle um Befallensein der Extremit~ten, in dem anderen der Muskulatur des Stammes, auf keinen Fall abet um z, wei BewegungsstSrungen.

Diese oben erw~hnten Eigenttimlichkeiten gehen auch aus den Besehreibungen anderer Autoren, wenn sie auch nicht besonders er- w~hnt werden, hervor. Lediglich Wenderovi~ sowie Jalcob weisen aul eine gewisse Stereotypie der Bewegungen als eine Besonderheit dieser Hyperkinese hin. Eine weitere Eigentiimlichkeit bildete der Umstand, dal~ ihnen der Charakter yon Mitbewegungen vSllig abging~ Dies gilt allerdings nur ffir unseren Fail und wahrscheinlich auch fiir den- jenigen Grei/]s, w~hrend in allen anderen derartigen F~llen eine Steige- rung der Bewegungen dureh psychische Beeinflussung des Patienten zu beobachten war. In der Mehrzahl der einschl~gigen F~lle finder sich ferner der ttinweis, dal~ die Bewegungen im Schlafe sistieren. Doeh scheint das Einschlafen durch immer wieder auftretende Bewegungen sehr erschwert zu sein, was Wenderovi~ besonders vermerkt und auch wir beobachten konnten.

]:)as Ausmail der Bewegungen, ihre Vehemenz, sowie die Schlaf- stSrung, die sie bedingen, wobei noch hinzukommt, dai] es sich durch- weg um ~ltere Leute handelt, fiihren raseh zur ErschSpfung und scheinen einen baldigen Eintr i t t des Todes weitgehend zu unterstiitzen. So starb die Patientin Grei//s 56 Tage, der Pat ient Economos 8 Tage, der Pat ient Jalcobs, Matzdor//s sowie der Wenderovi~s einen Monat nach Be- ginn des Hemiballismus. In unserem Falle erfolgte der Tod bereits nach einer Woche, im Falle Fischers naeh 4 Tagen. Die Todesursache war hier allerdings a.kuter Darmkatarrh . Diese Fi~lle bieten also fast ausnahmslos eine ungiinstige Prognose quoad vitam. Nur die Patientin Scha[/ers lebte 2 Jahre und litt ebensolange an der Hyperkinese. Dieser langen.Fortdauer der Hyperkinese ist eine prinzipielle Bedeutung bei der Entscheidung, ob es sich um eine Reiz- oder Ausfallserseheinung handelt, beizumessen, und wir mfissen der Ansicht Scha//ers beipfliehten,

Ein Beitrag zur Kenntnis des Hemiballismus. 509

der fiir seinen Fa l l auf Grund der Dauer der E r k r a n k u n g auf eine Aus- fal lserscheinung schlieBt.

Naeh den Unte rsuchungen yon Foix und Hillemand l iegt das C.L. gerade an einer Stelle, wo drei Gef~Bgebiete, das jenige der Ar t e r i a ehoroidea, der Ar t e r i a eerebri pos ter ior und der Ar te r i a comrnunieans pos ter ior e inander beri ihren. E inze lhe i ten konnten yon den genann ten Au to ren n ich t e rb rach t werden, doeh wurde die Gef~Bversorgung des C.L. dureh alle drei Ar te r i en angenommen. Daraus erkl~r t sieh auch das iuBers t sel tene Vorkommen von isol ier ten Erweichungen des C.L. und die Schwier igkei t , aus dem S tud ium der Gef~Bversorgung Schliisse auf die p r i m i r e Bedeu tung des C.L. ffir d ie E n t s t e hung des Hemiba l l i smus zu ziehen. Aber auch H~mor rhag ien ins C.L. s ind sehr selten. Sie k o m m e n stets nur bei I n d i v i d u e n m i t vor- geschr i t t ener Ar ter iosklerose der cerebra len Gef~Be, bei denen bere i ts

mehrere h i m o r r h a g i s c h e oder malacisehe anderwei t ige Herde vorhanden

sind, vor. D a r a u f i s t aueh die Unk la rhe i t bezfiglieh der Bedeu tung solcher gle iehzei t ig vo rhandener Herde als Ursache des Hemibal l i s - mus - - Kleist m a c h t sie daf i i r ve ran twor t l i eh - - zuri ickzufi ihren. Urn einen ~ b e r b l i c k in dieser F r a g e zu bekornrnen, wollen wir die ana tomischen Befunde der e inseh l ig igen F i l l e kurz s t re i fen:

Greifl besehreibt den Herd im C. L. folgendermaBen: Reehts (der HemibaUismus betraf die linke KSrperhilfte) lag ein Herd ,,zwischen dem Thalamus und dem HirnsehenkelfuB. Er betri/ft hauptsiehlich den Thalamus resp. dessert C. sub- thalamieum, greift aber mit einigen Zacken in den HirnsehenkelfuB ein. Er ist 1x/2 cm lang und 3/4 cm breit". AuBer diesem Herd war ein ganz kleiner im reehten Thalamus ganz nahe der Ventrikelwand, ferner ein linsengroBer im Ports links vorhanden. In der Rinde des reehten Occipitallappens uud der linken Klein- hirnhemisph~ire waren ebenfalls alte Herde nachweisbar. Im Falle Economos war eine frische Blutung vorhanden, die in der Gegend der Commissura posterior begann. Sie lag lateral yore Nucleus ruber in der Substantia nigra und in tier Haube und nahm den gr6Bten Tell tier Regio subthalamiea und des C.L. ein. Ventral drang sie ebenfalls in die Fasern des Pes pedunculi ein. Sie war etwa kirschkerngroB und lag kontralateral in bezug auf die betroffene K6rperhilfte. Dorsal war der Herd yon der Forelschen Haubenstrahlung begrenzt. Proximal reiehte er bis in die ventralen Thalamusabsehnitte etwas hinein.. AuBerdem land sich eine Narbe nach Erweiehung im linken Oceipitallappen und hochgradige Arteriosklerose der Hirngef~Be. Ebenfalls eine frische, erbsengroBe, sich nut auf das dem Hemiballismus kontralaterale C.L. beschrinkende Blutung lag im Falle Yischers vor. Die Pyramidenbahn war intakt, auBer diesem Herd fand sich eine Reihe yon Narben in der GroBhirnrinde. Das Kleinhirn war deutlieh atrophiseh, die rechte Kleinhirnhemisph/ire um etwa ein Viertel kleiner als die linke. In der Rinde der linken mehrere N a r b e n . - Ebenso wie in dem letzten waren auch im Falle 19 Jakobs die dutch schwere Arteriosklerose bedingten Ver/~nderungen recht ausgedehnt. Nebst einer Blutung ins reehte C.L. mit v611iger ZerstSrung dieses Ganglions, die etwa 3--4 Wochen alt war, land sich eine Reihe/~lterer Herde, da- yon einige in der linken inneren Kapset, mehrere kleinere im Verlaufe der fronto- ponto-eerebellaren Bahn, einige Narben in der Kleinhirnrinde ohne Verletzung des Dentatum. Im Striatum und Pallidum bestand ein Status cribratus beider-

510 H. Uiberall und V. Samet-Ambrus:

seits. Die Linsenkernschlinge und betr~chtliche Anteile des Thalamus zeigten Aufhellung. In der Grol3hirnrinde konnten chronische Ganglienzellenver~nderungen nachgewiesen werden. - - Anfiihren m6chten wir noch den Fall Wenderovi~s: bier war eine ca. 3--6 Monate alte Erweichung in den dem hinteren Schenkel der Capsula interna anliegenden Teilen der Regio subthalamica, ,,welche m~l~ig auch das C.L. l~dierte", vorhanden. Eine frische Erweichung land sich in der Gegend des gleichseitigen Cuneus vor. Die angenommene Entstehungszeit der letzteren f~llt ann~hernd mit dem Zeitpunkt des Beginns der Hyperkinese zusammen. Aul3erdem waren zahlreiche kleine Herde an vielen Stellen der Basalganglien beiderseits vorhanden. - - Das Gehirn im Falle Matzdor]fs wies ebenfalls aus- gebreitete senile Ver~nderungen und einen Status cribratus im Striatum, Nucleus lentiformis und Thalamus hauptsachlich rechts auf. Im linken Occipitallappen land sich ein grSBerer Erweichungsherd vor. Das Zentrum und die dorsalen Partien des rechten C.L. waren yon einem Erweichungsherd eingenommen. Die F~lle yon Scha]]er und S~atz sind, wie erw~hnt, bisher nut ganz kurz mitgeteilt worden, so daft sie hier nicht beriicksichtigt werden konnten.

Was die MSglichkeit der L~sion der fronto-ponto-cerebellaren Bahn als Ursaehe des Hemiballismus anbelangt, so muB auf Grund der vor- liegenden Zusammenstellung zugegeben werden, dab eine solche in den meisten der vorliegenden F~lle nicht ausgeschlossen werden kann. I m Falle Matzdor]]s lag wahrscheinlich eine St5rung dieser Bahn nicht vor. Dies vielleicht auch im Falle Pettes. Bedeutungsvoller als ein solcher Naehweis erscheint uns die Tatsaehe, dab in allen F~llen, bis auf denjenigen von Wenderovi~, nur bei dem das C.L. betreffenden Herd das Alter der Dauer der Hyperkinese entsprach. Hier mSchten wir aueh n. ochmals auf die Ver- schiedenheit der Erscheinungsform des Hemiballismus yon derjenigen der Hyperkinesen, die wir im Gefolge von Verletzungen der erw~hnten Bahn sehen, hinweisen. Auch zwei andere Fragen kSnnen auf Grund der ~bers icht obiger Befunde erSrtert werden. Einmal die Frage, ob es mSglich ist, dal~ durch eine Kombinat ion zweier Herde die in Rede stehende Hyperkinese zustande kommen k6nnte. Obwohl die Ver- ]etzungen sehr zahlreieh sind und ebenso zahlreich die Kombinations- m6gliehkeiten, finden wir keinerlei Gesetzm~Bigkeit und keine Wiederkehr zweier oder mehrerer irgendwie miteinander in Beziehung zu bringen- der L~sionen gleicher Lokalisation in mehreren der angefiihrten F~lle. Auch in einer anderen Richtung weisen die Befunde gemeinsame Ziige auf. Es handelt sich in allen F~llen um zahlreiche L~sionen, also um sehwer allgemein ver~nderte Gehirne, auf welchen Umstand weiter unten ausfiihrlieher eingegangen werden soll.

Dieser Gruppe von bisher zitierten F~llen, in welchen eine mehr oder weniger vollst~ndige Zerst6rung des C.L. kliniseh yon einer eigen- artigen Hyperkinese, dem Hemiballismus, gefolgt war, stehen die- jenigen F~lle gegeniiber, die trotz einer L~ision des C.L. keine Symptoms oder nur solche vasovegetativer Natur aufwiesen. Da die letzteren f/it unsere Fragestellung nach dem funktionellen Wert des C.L. yon einiger Bedeutung sind, wollen wir sie hier kurz anfiihren, wobei wir allerdings

Ein Beitrag zur Kenntnis des Hemiballismus. 511

nur die naeh der Publikation yon Karplus und Kreidl mitgeteilten FAIle, die also yon den Autoren selbst auf das C.L. bezogen werden, beriiek- sichtigen.

Gerstmann beschrieb einen solehen (allerdings autoptisch nieht verifizierten) Fall mit oeulopupill~ren Symptomen, die homolateral in bezug anf das betroffene C.L. lagen. Schrottenbach bezieht das Fehlen einer Reihe yon vasovegetativen Reaktionen auf psychische Reize ebenfalls auf eine Lasion des C.L. Aueh hier lag kein autoptiseher Befund vor, Bresowsky besehrieb Frotrusio bulbi bei einem Hemiplegiker und versuchte sie als Reizsymptom des C.L. dureh einen in der N~he gelegenen groBen Absce~, der dem Krankheitsbilde zugrunde lag, zu er- kl~ren, obwohl das C.L. anatomisch intakt gefunden wurde. Bei B6wing ent- spraeh einem groBen Herd, der unter anderem aueh das C.L. beseh~digt hat (,,die Zeichnung desselben war verwaschen"), eine kontralaterale I-Iemiplegie mit einer starken Hyperhidrosis der gel~hmten K6rperh~lfte. In einem zweiten Falle des- selben Autors fehlten bei anatomisch nachgewiesener L~sion des Thalamus und des C. subthalamieum irgendwelehe auf das letztere zu beziehenden Symptome. SchlieBlieh m6ehten wir hier den Fall Segalls erw~hnen, in dem eine sehr aus- gedehnte H~morrhagie in die Basalganglien mit Durchbruch in den 3. Ventrikel das C.L. in seinem dorsolateralen Anteil noeh mit betraf. Der Autor bezieht die klinisehen Symptome seines Falles - - Temperaturdifferenzen zwisehen beiden KSrperh~lften, abnorme Tr~nen- und Speiehelsekretion, verschiedene Reaktion beider Pupillen auf Atropin - - auf die L~sion des C.L., gibt aber selbst die M6glich- keit.zu, dab diese St6rungen aueh als Folge des Ventrikeldurehbruehes aufgefaBt werden kSnnten. Erw~hnenswert erseheint uns in diesem Zusammenhange auch der Fall von Bremme (Chorea bedingt dutch eine Krebsmetastase in einem Binde- arm, zum Teil aueh Bindearmkreuzung). Eine zweite Metastase betraf das eine C.L. Gleichzeitig bestand Hemihyperhidrosis und R6tung einer Gesichtshglfte. Doch wird der Lasion des C.L. als evtl. Ursaehe der letzterw~hnten Symptome keinerlei Beachtung geschenkt.

Unter den angefiihrten 5 FAllen fehlte in denjenigen Gerstmanns und Schrottenbachs ein autoptischer Befund, im Falle Bresovskys war das C.L. intakt, und bei Segall waren die Zerst6rungen der basalen Ganglien so ausgedehnt, dab dieser Fall lokalisatoriseh kaum verwert- bar ist. Nur im Falle B6wings sind die Verh~ltnisse einigermaBen ein- deutig. W~hrend die experimentellen Ergebnisse von Karplus und Kreidl sowie Schrottenbach eindeutig die Bedeutung des C.L. als eines wichtigen vegetativen Zentrums aufzeigen, sind die klinischen dies- beziigliehen Beobachtungen nur sp~rlich und nicht allzusehr beweis- krAftig. Und trotzdem wird diese Funktion der Region des C.L. all- gemein zugesprochen, wogegen die Ansichten beziiglieh der Bedeutung des C.L. fiir die Entstehung der Hyperkinesen geteilt sind. Den wichtig- sten bier erhobenen Einwand, dab in einer ganzen Reihe yon FAllen mit naehgewiesener L~sion des C.L. eine Hyperkinese fehlte, kann man ebensogut beziiglich der vegetativen StSrungen gelten lassen. Gerade die eingangs aufgezAhlten F~lle yon Hemiballismus zeigten bis auf den Fall Grei]]s trotz einer sicheren Verletzung des C.L. keine vegetativen St6rungen; andererseits gibt es in der Literatur F~lle, in denen eine

512 H. Uiberall und V. Samet-Ambrus:

Li~sion des C.L., die iiberhaupt keine Symptome machte, naehgewiesen wurde (oben zitierter Fall von B6wing u. a.). Die Unklarheit der hier obwaltenden Verhi~ltnisse wird durch die Tatsaehe vermehrt, dab sogar die Hemiathetose mit dem C.L. in Beziehung gebracht wurde. Der eine dieser F~tlle wurde von Hdinel mitgeteilt. Ein anderer yon van Woer- kom (zit. nach Lotmar). In beiden entwiekelte sich die Athetose in friihester Kindheit, was ihre Entstehung uns einigermal3en verst~ndlich macht. Auch das Zustandekommen yon vegetativen StSrungen ohne gleichzeitiges Auftreten von Hemiballismus liel3e sich durch Besehri~n- kung der L~sion nur auf einen Teil der Regio subthalamica resp. des C.L. erkl/~ren (Lotmar) und die zweifache Funktion des C.L., eine vegetative und eine motorische, durch verschiedene Lokalisation inner- halb des C.L. unserem Verstandnisse n~herbringen. Welehe Voraus- setzungen aber zum Zustandekommen yon BewegungsstSrungen als Folge ausgedehnter L~sionen des C.L. nStig sind, dartiber herrschen bisher keine klaren Vorstelhmgen. DaB aber solche Vorbedingungen angenommen werden miissen, dafiir spricht das Auftreten von Hemi- ballismus nur in einem Teil der nachgewiesenen schweren L~sionen des C.L. Ein aufmerksames Studium der vorliegenden Literatur gibt uns in dieser Hinsicht einige Hinweise z. So spricht fiir die Annahme eines besonderen Funktionszustandes des Gehirns als Voraussetzung fiir das Zustandekommen des Hemiballismus der Fall von Wenderovi~ mit der Deutliehkeit eines Experimentes. In diesem Falle war, im Gegensatz zu allen anderen, der Herd im C.L. ~Iteren Datums, whhrend ein im Cuneus befindlicher Herd in bezug auf sein Alter dem Zeitpunkt der Entstehung der Hyperkinese entspraeh. Wenderovi~ nimmt auch auf Grund dieses Befundes an, dal3 ,,die Entstehung eines Herdes" (ge- meint ist derjenige im Cuneus) ,,als provozierendes Moment fiir das Auftreten des Hemiballismus diente, dessen Entwicklung dureh einen ~lteren Herd" (in der Regio subthalamica) ,,vorbereitet war". Mit anderen Worten wurde durch das Hinzutreten einer Schadigung der Grol~hirnrinde der yon uns als Voraussetzung fiir die Entstehung des Hemiballismus postulierte Zustand des Gehirns hier naehtri~glich ge- schaffen. Ffir unsere Auffassung glauben wir aueh den sehon oben hervorgehobenen Umstand, dab es sieh in allen Fi~llen yon Hemiballis- mus um anderweitig schwer geseh~digte Gehirne handelt, anfiihren zu kSnnen. Durch unsere Vermutung, die bewul3t gewisse Analogien zu den Erkli~rungsversuchen der Hyperkinesen von Foerster aufweist, dab hier den Groi~hirnrindenimpulsen eine besondere Bedeutung einger~umt werden miisse, wird die Eigenart des Hemiballismus, und zwar die oben hervorgehobene ~hntichkeit mit willktirlichen Bewegungen, welt-

1 Auch Matzdor// diskutiert den EinfluB /~hnlicher Umstiinde, millt ihnen jedoch eine ganz andere Bedeutung bei.

Ein Beitrag zur Kenntnis des Hemiballismus. 513

gehend gekl~rt. Die Tatsache, dab wir derzeit noeh keine siehergestellte Verbindung zwischen einem dem C.L. fibergeordneten Zen t rum und dem letzteren kennen, aul]er derjenigen zwischen Pal l idum und C.L., ent- h~lt keinen Widerspruch gegen unsere Ansieht. Eine Reihe yon in die Gruppe der vasovegeta t iven Erscheinungen gehSrenden Ph~nomenen bei psychogenen Reakt ionen, wir erinnern hier nur an die Reakt ionen bei Sehreck, zeigen die Bedeutung des Grol~hirnrindeneinflusses auf den Sympath icus und das ihm fibergeordnete C.L. auf. I h r Zus t~ndekommen ist aueh an die In t ak the i t des C.L. gebunden (Schrottenbach). Ein klassischer Beweis der funktionellen Abh~ngigkeit des C.L. yon der GroB- hirnrinde ist weiter der Exst i rpat ionsversuch der Rinde der pr~zentralen Region yon Monalcow, in dessen Gefolge es zu einer Atrophie des C.L. kam. Auf Grund solcher und ~hnlicher Umst~nde (Literatur bei Gerst. mann) postulierte Gerstmann eine direkte Bahn zwisehen Grol~hirnrinde und C.L. und gab ihren Verlauf an. W e n n wir auch eine genauere An- gabe fiber diese Bahn auf Grund der derzeitigen Kenntnisse ffir ver- ~rfiht halten, so geht die Notwendigkei t der Annahme einer solchen aus dem oben Angefiihrten eindeutig hervor. E inen Hinweis in dieser Beziehung erhalten wir durch die besondere Eigenar t der beschriebenen t typerkinese, welche Eigenar t derselben gleiehzeitig eine Sonderstellung innerhalb der t typerk inesen der Choreagruppe einr~umt.

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