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IMAGINIERTE (NICHT-)ORTE EIN BESUCH IM »GLOBALEN DORF« OBERAMMERGAU Ein Essay von Anil K. Jain Angesichts der Entstehung eines globalen Medien-Raumes, der weltweiten Vernetzung und Durchdringung der Medien-Kanäle, sprach Marshall McLuhan – bereits in den 1960er Jahren – vom »globalen Dorf«, zu dem die Welt geworden sei (vgl. Understanding Media). Die inter- nationale (auch ökonomische) Vernetzung, die Transzendierung kultureller und politischer Grenzen, ist seitdem noch gewachsen, allerdings nimmt sie andere Formen an: Die Flüssigkeit des Kapitals bahnt sich Wege selbst in »entlegene« Regionen – und paßt dabei verstärkt auch, wo es im Sinne der Rendite notwendig erscheint, seine konkrete »Gestalt« an die lokalen Gege- benheiten an. Durch interaktive Medien wie das Internet wird eine direktere, wechselseitige Kommunikation und ein individualisierter Medien-Zugriff möglich, zugleich wird aber die Synchronität und die Konformität der Information, die das Fernsehzeitalter auszeichnete, zerstört (vgl. de Kerckhove: Jenseits des Globalen Dorfes sowie im Überblick Jain: Medien des Wandels) . Zudem dürfen wir nicht vergessen, daß – als integraler, funktionaler Bestandteil – trotz allem noch immer »Leerstellen«, »Löcher« im globalen Netzwerk existieren: Orte die ausgeschlossen bleiben, keinen Zugang finden zum »verflüssigten« Globalisierungs-Raum des Internet-Zeitalters (vgl. auch Bauman: Liquid Modernity in Verbindung mit Rifkin: The Age of Access). Man könnte – mit Saskia Sassen (1991) – behaupten: Es gibt »Global Cities«: Zentren, Knoten- punkte der globalen Netze, in denen die Ströme (der Information, der Waren und Dienst- leistungen etc.) sich »formieren« und von dort aus den globalen Raum infiltrieren. 1 Und es gibt – auf der anderen Seite – periphere Räume, die womöglich noch nicht einmal als Absatz- märkte von Interesse sind. Von diesen peripheren Regionen, den abgelegenen »Nestern« und vergessenen »Löchern« der Globalisierung, die, auf ihren konkreten Ort fixiert, von den weltweiten Netzwerken ausgeklammert bleiben, soll hier nur am Rande die Rede sein – allerdings nicht, weil sie nicht von Interesse wären. Vielmehr wird sich der Blick – gerade weil diese Ausschlüsse so zentral sind – auf ein tatsächlich globales Dorf (das oberbayerische Dorf »Oberammergau«) fokussieren, um herauszufinden, welche ausschließenden (und vereinnahmenden) Effekte die Dialektik der Globalisierung selbst auf jene konkreten Orte hat, die in ihrem Zentrum stehen. Worin besteht nun aber diese Dialektik genau?

EIN BESUCH IM GLOBALEN DORF BERAMMERGAU · aufspalten; es entstehen die separaten Sphären der »ethnoscapes«, »mediascapes«, »techno-scapes«, »financescapes« und »ideoscapes«,

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Page 1: EIN BESUCH IM GLOBALEN DORF BERAMMERGAU · aufspalten; es entstehen die separaten Sphären der »ethnoscapes«, »mediascapes«, »techno-scapes«, »financescapes« und »ideoscapes«,

IMAGINIERTE (NICHT-)ORTEEIN BESUCH IM raquoGLOBALEN DORFlaquo OBERAMMERGAU

Ein Essay von Anil K Jain

Angesichts der Entstehung eines globalen Medien-Raumes der weltweiten Vernetzung undDurchdringung der Medien-Kanaumlle sprach Marshall McLuhan ndash bereits in den 1960er Jahrenndash vom raquoglobalen Dorflaquo zu dem die Welt geworden sei (vgl Understanding Media) Die inter-nationale (auch oumlkonomische) Vernetzung die Transzendierung kultureller und politischerGrenzen ist seitdem noch gewachsen allerdings nimmt sie andere Formen an Die Fluumlssigkeitdes Kapitals bahnt sich Wege selbst in raquoentlegenelaquo Regionen ndash und paszligt dabei verstaumlrkt auchwo es im Sinne der Rendite notwendig erscheint seine konkrete raquoGestaltlaquo an die lokalen Gege-benheiten an Durch interaktive Medien wie das Internet wird eine direktere wechselseitigeKommunikation und ein individualisierter Medien-Zugriff moumlglich zugleich wird aber dieSynchronitaumlt und die Konformitaumlt der Information die das Fernsehzeitalter auszeichnete zerstoumlrt(vgl de Kerckhove Jenseits des Globalen Dorfes sowie im Uumlberblick Jain Medien des Wandels)Zudem duumlrfen wir nicht vergessen daszlig ndash als integraler funktionaler Bestandteil ndash trotz allemnoch immer raquoLeerstellenlaquo raquoLoumlcherlaquo im globalen Netzwerk existieren Orte die ausgeschlossenbleiben keinen Zugang finden zum raquoverfluumlssigtenlaquo Globalisierungs-Raum des Internet-Zeitalters(vgl auch Bauman Liquid Modernity in Verbindung mit Rifkin The Age of Access)

Man koumlnnte ndash mit Saskia Sassen (1991) ndash behaupten Es gibt raquoGlobal Citieslaquo Zentren Knoten-punkte der globalen Netze in denen die Stroumlme (der Information der Waren und Dienst-leistungen etc) sich raquoformierenlaquo und von dort aus den globalen Raum infiltrieren1 Und esgibt ndash auf der anderen Seite ndash periphere Raumlume die womoumlglich noch nicht einmal als Absatz-maumlrkte von Interesse sind Von diesen peripheren Regionen den abgelegenen raquoNesternlaquo undvergessenen raquoLoumlchernlaquo der Globalisierung die auf ihren konkreten Ort fixiert von den weltweitenNetzwerken ausgeklammert bleiben soll hier nur am Rande die Rede sein ndash allerdings nichtweil sie nicht von Interesse waumlren Vielmehr wird sich der Blick ndash gerade weil diese Ausschluumlsseso zentral sind ndash auf ein tatsaumlchlich globales Dorf (das oberbayerische Dorf raquoOberammergaulaquo)fokussieren um herauszufinden welche ausschlieszligenden (und vereinnahmenden) Effektedie Dialektik der Globalisierung selbst auf jene konkreten Orte hat die in ihrem Zentrum stehenWorin besteht nun aber diese Dialektik genau

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 2

1 DIE DIALEKTIK DER GLOBALISIERUNG UND IHRE VERWURZELUNG IN DER (OumlKONOMI-SCHEN) DYNAMIK DER MODERNE

Obwohl es bestimmte Aspekte der Globalisierung wie Fernhandel bereits in der Antike undim Mittelalter gegeben hat (vgl hierzu auch Wallerstein The Modern World-System S 15ffsowie Kap 2)2 ist Globalisierung ihrem Wesen nach doch eine Erscheinung der Epoche derModerne Und umgekehrt gilt wie Giddens bemerkt raquoModernity is inherently globalisinglaquo(The Consequences of Modernity S 63) Die treibende Kraft die hinter diesem Prozeszlig stecktund ihn in Gang haumllt ihm keine Grenzen auferlegt ja alle Grenzen nieder reiszligen laumlszligt kannman mit Marx und Engels im modernen Kapitalismus entdecken

raquoDie Bourgeoisie hat durch ihre Exploitation des Weltmarkts die Produktion und Konsumption aller Laumlnder

kosmopolitisch gestaltet [hellip] An die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbstgenuumlgsamkeit und Abge-

schlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr eine allseitige Abhaumlngigkeit der Nationen voneinander Und wie

in der materiellen so auch in der geistigen Produktion Die geistigen Erzeugnisse der einzelnen Nationen

werden Gemeingut Die nationale Einseitigkeit und Beschraumlnktheit wird mehr und mehr unmoumlglich [hellip]laquo

(Manifest der kommunistischen Partei S 34f)

Globalisierung bedeutet an dieses (vorausschauende) Verstaumlndnis des modernen Kapitalismusangelehnt also in ihrem Kern (raumlumliche) Expansion und man kann diese oumlkonomiegetriebeneExpansionsbewegung als (fortschrittliche zivilisierende) raquoEntwicklunglaquo als (Neo-)Imperialismusoder schlicht raquoneutrallaquo auffassen3 Fest steht nur es handelt sich offensichtlich um raquodie weltweiteVerbreitung zuvor lokal begrenzter oumlkonomischer politischer und kultureller Muster und diedarauf aufbauende Schaffung eines globalen Netzwerkslaquo (Jain Politik in der (Post-)ModereneS 73)

Mit der globalen Vernetzung entsteht aber ein reflexives Wechselverhaumlltnis zwischen demglobalen Raum und dem Lokalen Giddens macht diese raquoReziprozitaumltlaquo zum Kristallisationspunktseines Verstaumlndnisses von Globalisierung raquoGlobalisation can thus be defined as the intensificationof worldwide social relations which link distant localities in such a way that local happeningsare shaped by events occurring miles away and vice versalaquo (The Consequences of ModernityS 64) Deshalb wird Globalisierung heute zumeist raquodialektischlaquo konzeptionalisiert dh Globalisie-rung geht einher mit Prozessen der (Re-)Lokalisierung als Verstaumlrkung des lokales Bewuszligtseinsund Anpassung der globalen Stroumlme an lokale kulturelle Gegebenheiten Roland Robertsonbevorzugt entsprechend den (aus der Wirtschaftssprache entlehnten) Hybridbegriff der raquoGlokali-sierunglaquo (vgl Glocalization)

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 3

2 DER GRUNDWIDERSPRUCH DER GLOBALISIERUNG UND SEINE raquoKREATIVElaquo LOumlSUNG

Die Dialektik der Globalisierung spiegelt (damit) die allgemeine Dialektik der Moderne zwischenUniversalisierung und Fragmentisierung Integration und Differenzierung auf raumlumlicher Ebenendash und beinhaltet korrespondierende Widerspruumlche Genau die ausgreifende verallgemeinerndeuniversalistische Tendenz der Ordnung der Moderne zwingt naumlmlich mit der Realitaumlt konfrontiertzu Differenzierungen Das Allgemeine bringt ndash durch seine Widerspruumlche ndash das Besonderehervor Aumlhnlich verhaumllt es sich mit den Widerspruumlchen der Globalisierung

Es lassen sich einerseits bestimmte Tendenzen ausmachen daszlig sich die globalen Stroumlme (vonMenschen Bildern Apparaten Geld und Ideen etc) zunehmend in unverbundene Fluumlsseaufspalten es entstehen die separaten Sphaumlren der raquoethnoscapeslaquo raquomediascapeslaquo raquotechno-scapeslaquo raquofinancescapeslaquo und raquoideoscapeslaquo wie Appadurai aufzuzeigen versucht (vgl Disjunctureand Difference in the Global Cultural Economy)4 Der primaumlre und verbindende Antrieb derGlobalisierung bleibt dabei aber trotzdem die expansive Dynamik des Kapitalismus

Wenn man sich nun jedoch vergegenwaumlrtigt wie die kapitalistische Oumlkonomie funktioniertso ergibt sich ein grundlegender Widerspruch der Globalisierung Denn der Kapitalismus beruhtstark vereinfacht ausgedruumlckt auf der Ausbeutung von Differenz Es kann sich dabei etwa umein Machtgefaumllle (zwischen Kapital und Arbeit zwischen raquoErsterlaquo und raquoDritter Weltlaquo) einentechnologischen Vorsprung (vor der Konkurrenz) oder um kulturelle Differenzen handeln (dieExportchancen eroumlffnen oder neue Produktideen vermitteln) Verwirklicht wird der potentielleraquoMehrwertlaquo der sich durch solche Differenz realisieren laumlszligt in erster Linie durch ein Ausgreifenim Raum da nur durch Expansion die Erreichung raquokritischer Masselaquo bei der Produktion gesichertist und sich nur so neue noch ungesaumlttigte Maumlrkte erschlieszligen lassen Deshalb werden raumlumlicheDifferenzen zentral speziell fuumlr den fortgeschrittenen Kapitalismus und raquoohne lokale Unterschiedekoumlnnte Globalisierung nicht stattfindenlaquo (Jain Die raquoglobale Klasselaquo S 9) waumlre sie (zumindestoumlkonomisch) raquosinnloslaquo Dieser Umstand erklaumlrt einen guten Teil des neu erwachten Interessesfuumlr das Lokale und seine Besonderheit

Globalisierung als ein expansiver Prozeszlig bewirkt allerdings wie immer (oberflaumlchlich) lokalangepaszligt wo sie sich raquoannaumlherndlaquo verwirklicht dh den globalen Raum tatsaumlchlich ausfuumlllteine Homogenisierung eine ndash mitunter durchaus zwanghafte ndash Angleichung der globalen RaumlumeDer (fortgeschrittene nicht mehr national fixierte) Kapitalismus unterminiert also tendenzielldie Grundlage seiner Oumlkonomie (naumlmlich Differenz) durch seine globalisierende Dynamikdie schlieszliglich je mehr sie sich vollendet genau die fuumlr sein (notwendiges) raquoWachstumlaquo grund-

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legenden raumlumlichen Differenzen einebnet Wie kann dieses Dilemma dieser Widerspruchraquogeloumlstlaquo werden Es bleibt letztlich nur ein Ausweg Differenzen muumlssen kuumlnstlich generiertes muumlssen differente Raumlume imaginiert und kreiert werden die das oumlkonomische Beduumlrfnisnach (verwertbarer ausbeutbarer) Differenz befriedigen koumlnnen Die ausgreifende Bewegungder (oumlkonomischen) Globalisierung eliminiert also Differenz ndash durch ihre eigene Dynamikaber auch gezielt uumlberall dort wo Differenz als Abweichung aufscheint und Widerstaumlndigkeitentfaltet Und doch bleibt Differenz der Motor und die Grundlage von Globalisierung So werdenbestimmte raquonuumltzlichelaquo Formen von Differenz (wie Armut oder auch ein harmloses aber Interesseweckendes kulturelles raquoKoloritlaquo) wo sie zu entschwinden drohen kuumlnstlich und gewaltsamaufrecht erhalten oder gegebenenfalls auch kreativ erzeugt (vgl auch Jain Differences inDifference)

3 IMAGINIERTE (NICHT-)ORTE DIE FRAGE DES RAUMS UND DER ORTE IN DER GLOBALI-SIERUNGSDIALEKTIK

Durch Globalisierung wird also die Kategorie des Raumes (und seiner Differenzen) zu einerzentralen Kategorie Und dies betrifft keineswegs ausschlieszliglich die Sphaumlre der Oumlkonomiesondern die gesamte Kultur und Gesellschaft Es kommt wie Fredric Jameson angesichts dervon ihm diagnostizierten Dominanz der Raumlogik bemerkt zu einem Zusammenbruch derZeitlichkeit Dies wiederum fuumlhrt durch den Verlust an historischem Bewuszligtsein zu Phaumlnomenender raquoPastichisierunglaquo und der kulturellen raquoVerflachunglaquo Notgedrungen muszlig raquoein unserer Situationangemessenes Modell der [hellip] Kultur [hellip] die Frage des Raums zur wichtigsten Problemstellungmachenlaquo (Zur Logik der Kultur im Spaumltkapitalismus S 96) ndash um zu einem angemessenen Bildder sozialen und kulturellen Landschaften gelangen zu koumlnnen5

Diese (reale) Bedeutung des Raumes (und seiner Gefaumllle) die es konzeptionell zu spiegelngilt bedeutet allerdings keineswegs daszlig der konkrete Ort an tatsaumlchlicher Relevanz gewaumlnneIm raquospace of flowslaquo der Netzwerkgesellschaft verliert der Ort tendenziell seine Spezifik undBedeutung (vgl auch Castells The Rise of the Network Society) Denn ein spezifischer konkreterOrt der sich eine eigenstaumlndige Charakteristik bewahrt laumlszligt sich in das globale Netzwerk desfluiden Kapitals moumlglichweise nicht nahtlos integrieren entfaltet eventuell einen widerstaumlndigenraquoEigensinnlaquo (als raquoOrtssinnlaquo) Gefragt sind also Orte die raquounbestimmtlaquo die austauschbar sindsich frei (ver)formen und gestalten lassen Die Widerstaumlndigkeit des konkreten Ortes die sichdurch eine Verankerung in Geschichte und Kultur und aus der Verflechtung mit der konkretenLebenswelt der Menschen ergibt muszlig also durch die absorbierende und zugleich entbettende

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Kraft der Globalisierung aufgeloumlst werden um die Orte in das globale Netzwerk zu integrierenEs entstehen (hyper)reale Nicht-Orte

Nicht-Orte das sind wenn man Michel de Certeau folgt der diesen Begriff gepraumlgt hat (sym-bolische) Orte die zwar benannt werden koumlnnen einen Namen tragen aber keinen tatsaumlchlichoumlrtlichen Charakter (als strukturierter Handlungsraum) aufweisen Sie sind (urbane) Raumlumedes Voruumlbergehens ruhelose Plaumltze des Herumirrens der endlosen Suche der Abwesenheit(vgl Die Kunst zu Handeln S 197ff) Es sind wie Marc Augeacute ergaumlnzend und konkretisierendherausgestellt hat identitaumltslose Orte die keine realen Beziehungen zu anderen Orten aufweisenund keine raquoGeschichtelaquo besitzen es sind die rein zweckgebundenen Raumlume der Passagewie Wartehallen oder Autobahnen zu denen ihre raquoNutzerlaquo keine wirkliche Beziehung finden(vgl Orte und Nicht-Orte insb S 92f und S 110ff)

Ich will hier allerdings unter Nicht-Orten weniger solche rein funktionalen Orte der Passageverstehen sondern vielmehr raquohyperrealelaquo imaginierte raquoOrt-schaftenlaquo die aus ihrem (lebens-weltlichen) Kontext entbettet wurden um ihr Gesicht frei gestalten zu koumlnnen um ihre Differenzndash in Konkurrenz zu anderen Orten ndash positiv herauszustellen und zu inszenieren Denn dieseparadoxe Inszenierung der Differenz des konkreten Ortes ist es wozu die angleichende Dynamikder Globalisierung zwingt wenn der Ort seine Position im globalen Netzwerk behalten oderverbessern will

Die Nicht-Orte der Globalisierung sind folglich imaginierte Orte Sie sind nach bestimmtenVorstellungen erschaffen oder (um)gestaltet Sie haben zugleich realen und unwirklichen Charak-ter Aumlhnlich wie die vorgestellten Gemeinschaften der Nation im historischen Prozeszlig schlieszliglichraquoFormlaquo annahmen und zu einer die aktuelle Gegenwart noch immer bestimmenden raquoRealitaumltlaquowurden (vgl Anderson Die Erfindung der Nation) so stellen die imaginierten (Nicht-)Orteeine oumlrtliche Realitaumlt dar die ndash in der Inszenierung ihrer fiktiven Charakteristik ndash an raquoMomentumlaquogewinnt Ab einen gewissen Zeitpunkt sind diese imaginierten Orte also nicht nur die Spiegelungjener Vorstellung(en) die sie geformt haben sondern sie erreichen tatsaumlchlich sogar ein raquounvor-stellbareslaquo Ausmaszlig an Wirklichkeit

Sie muumlssen diese gesteigerte Form des raquoWirklichenlaquo annehmen um ihre Besonderheit glaub-wuumlrdig herausstellen zu koumlnnen um Kapital Investitionen oder Besucher etc erfolgreich anziehenand anbinden zu koumlnnen Zumeist verkleiden sie ihren raquoKunstcharakterlaquo dabei in einer Authen-tizitaumltsfiktion denn sonst wuumlrde der raquoZauber der Differenzlaquo nur schwer funktionieren6 Ihrevorgestellte Authentizitaumlt muumlssen sie auf die Spitze treiben sie sind glatte Raumlume ohne

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Verwerfungen ohne Reibungspunkte ohne Widerstandspotentiale Sie verdoppeln auf eineperfektionierte Weise ihre erdachte Wirklichkeit sie sind sie wirklicher als das Wirkliche eshandelt sich um hyperreale Simulakren von Orten (vgl zur hyperrealen Simulation BaudrillardDie Simulation)7

Als hyperreale Nicht-Orte sind sie dem Nicht-Ort der U-topie radikal entgegengesetzt Sieeliminieren alle alternativen Vorstellungen durch ihre Glaumltte ihre reibungslose Faktizitaumlt DieImagination der Utopie ist im imaginierten Nicht-Ort in Wirklichkeit erstarrt (und damit alsHorizont aufgegeben) oder wie Baudrillard ganz allgemein zur raquocondition postmodernelaquo bemerktraquoder Himmel der Utopie ist auf die Erde herabgekommenlaquo (Die fatalen Strategien S 85)

Die imaginierten (Nicht-)Orte inszenieren zwar durch Hyperrealitaumlt ihre Differenz zu anderenOrten aber sie sind auch keine Heterotopien8 Denn sie sind weder raquoandere Raumlumelaquo in demSinn daszlig sie das Andere das Abweichende umschlieszligen und eingrenzen wuumlrden wie etwaGefaumlngnisse oder raquoIrrenanstaltenlaquo noch sind sie Orte wo widerstaumlndige Praktiken ihren realenOrt und Raum der Entfaltung faumlnden Denn alles Inkompatible zu jenem raquoTraumlaquo den sieinszenieren um sich im globalen Differenzraum zu positionieren bleibt notwendig ausgeklam-mert wird aussortiert und ausgeschlossen Ihre Differenz geht so auf in Identitaumlt als Herraus-stellung eines Besonderen das aber in Uumlbereinstimmung mit dem Allgemeinen der Normdes Faktischen steht Sie sind Orte eines paradoxen auf Inszenierung von Differenz gegruumlndetenraquoIdentitaumltszwangslaquo (Adorno) den die oumlkonomiegetriebene Dynamik der Globalisierung bewirkt9

Die imaginierten (Nicht-)Orte teilen den ausschlieszligenden und differenten Charakter somitmit den peripheren Raumlumen nur ist deren Nichtigkeit und Differenz anderer Natur Dieperipheren marginalen Regionen im Raum der Globalisierung sind raquoanderslaquo da fuumlr sie andereRegeln und andere Standards gelten etwa weil sie als Orte benoumltigt werden wo kostenguumlnstigproduziert werden kann Diese Form der Differenz wird gewaltvoll etabliert und aufrecht erhalten(sei des durch neokoloniale Praktiken oder tarifaumlre Diskriminierungen etc) Die peripherenRegionen (unabhaumlngig von ihrer raquotatsaumlchlichenlaquo geographischen Lage) sind jedenfalls nur partiellintegriert in das Netzwerk der Globalisierung ndash dort wo sie als Produktionsstandort oderAbsatzmarkt fungieren Ansonsten sind sie ausgeschlossen und dieser Ausschluszlig gilt auchraquosymbolischlaquo dh sie sind als Gegenstand der Vorstellung nicht in das globalen Bewuszligtseinintegriert sie sind nicht existent

Die imaginierten Orte dagegen sind im globalen Bewuszligtsein und Raum (omni)praumlsent Siegehoumlren zu den privilegierten Raumlumen und muumlssen doch um ihr Privileg zu genieszligen den

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Preis der Anpassung zahlen Sie muumlssen ihre Besonderheit kreieren herausstellen und staumlndigneu erschaffen Und dabei muumlssen sie darauf bedacht sein daszlig sie ihre Besonderheit nichtdie Form der stoumlrenden Abweichung annimmt Der permanente Zwang zur hyperrealen Ins-zenierung und immer wieder neuen Erschaffung ihrer Differenz verhindert dabei daszlig sie zuwirk-lichen Orten werden Orten des Seins der Begegnung des Andersseins

4 DAS raquoGLOBALE DORFlaquo OBERAMMERGAU ALS IMAGINIERTER (NICHT-)ORT

Wie aber ist ein solcher imaginierter (Nicht-)Ort konkret vorzustellen Dies kann nur exemplarischgeschehen Als raquorealeslaquo Beispiel dient mir deshalb hier der oberbayerische Ort OberammergauEs handelt sich um ein raquoglobal villagelaquo ndash ein raquoWeltdorflaquo das seinen Platz in den raquoChartslaquo desDeutschland-Tourismus gefunden hat und dessen Ruhm als Alpenidylle und Passionsspiel-Schauplatz in raquoalle Weltlaquo vorgedrungen ist

Warum aber habe ich genau dieses und kein anderes Beispiel gewaumlhlt Mit dem Ort Oberam-mergau verbindet mich eine persoumlnliche Geschichte und Erinnerung in welcher der Eindruckeines unwirklichen Ortes zutiefst lebendig ist Es ist ein Ort an dem meine Mutter den groumlszligtenTeil ihrer Jugend verbracht hat den ich aus ihrer Erzaumlhlung erinnere und wo meine Groszligtantenoch heute lebt Ein Ort an dem ich sowohl die Absurditaumlt von Familienritualen wie die Uner-wuumlnschtheit als raquoandererlaquo erfahren durfte Ein Ort dessen Wege ich aus Langeweile erkundethabe und der mir schon als Kind wie eine Theaterkulisse erschien Heute ist mir bewuszligt warumdieser Eindruck entstand Oberammergau ist einer jener imaginierten (Nicht-)Orte von denenoben die Rede war

A) GESCHICHTE(N) FAKTEN UND FIKTIONEN DIE ERFINDUNG VON OBERAMMERGAU

Oberammergau nennt sich selbst gerne raquodas beruumlhmteste Dorf der Weltlaquo Im Jahr 910 alsder Ort zum ersten Mal urkundlich erwaumlhnt wurde handelte es sich aber noch um einenunbedeutenden Flecken im bayerischen Oberland Es liegt ca 90 km suumldwestlich von Muumlnchenauf 1136 oumlstlicher Laumlnge und 4736 noumlrdlicher Breite Die Gemeinde umfaszligt eine Gesamtflaumlchevon 3005 ha und hat derzeit ca 5000 Einwohner

Wie begreift und vor allem wie stellt sich dieser Ort dessen herausragende Besonderheiteinem nicht unbedingt sofort ins Auge springt selbst dar welche kreative Imagination liegt

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 8

ihm zugrunde In einem aktuellen Werbeprospekt der Gemeinde heiszligt es in dieser Hinsichtuumlberaus Aufschluszligreich

raquoDas Auge wird nicht statt Siehrsquo dir das an Die Haumluser die Geschichten erzaumlhlen die maumlrchenhaften Schloumlsser

die Berge mit denen das Land ausklingt Das ist dein Urlaub in Oberammergaulaquo

Und weiterhin heiszligt es

raquoWo kann man sich besser treffen als in einem Ort der es gewohnt ist die Welt zu Gast zu haben Einmal

im Jahrzehnt sind es die Passionsspiele die nach Oberammergau fuumlhren Zwischendurch sind die einzigartige

Verbindung aus Natur und Kultur oder das Schnitz- und Kunsthandwerk Anlass genug sich hier zu treffenlaquo

Offenbar will dieser Ort mit seiner sinnlich erfahrbaren Historie verfuumlhren Natur und Kulturverbinden sich zu einem touristischen Hybridraum der nicht nur visuelle Anreize bietet sondernauch Geschichten zu erzaumlhlen hat Und doch scheint es selbst im Prospekttext fast so als seidas raquonormalelaquo Leben in Oberammergau ein Stillstand eine Zwischenzeit eine Pause zwischenden Auffuumlhrungen des Passionsspiels

Das Passionsspiel das alle 10 Jahre in Oberammergau zur Darbietung gebracht wird ist alsozentral fuumlr die Imagination dieses Ortes fuumlr seine inszenierte Differenz und fiktionale IdentitaumltDas ganze Leben des Ortes dreht sich um die Passions-Auffuumlhrung (die gleichzeitig den Kernder Inszenierung des Ortes darstellt) Es ist der (temporaumlre) Fix-Punkt um den herum sichdie anderen wichtigen Elemente des herausgekehrten Selbstbildes gruppieren die Umgebungund Natur die Oberammergau mit vielen anderen Alpendoumlrfern teilen muszlig und die sichdeshalb nur schwer zur Inszenierung einer spezifischen Besonderheit nutzen laumlszligt nur einenadditiven raquoMehrwertlaquo darstellt Dann ist da das Kunsthandwerk die raquoLuumlftlmalereilaquo und dieSchnitzkunst fuumlr die der Ort bekannt ist Aber was den eigentlichen Kern der imaginiertenIdentitaumlt ausmacht ist eben das Passionsspiel

Doch bevor wir zu diesem Kern vorstoszligen Untersuchen wir welchen raquoimaginativenlaquo Beitragdas Kunsthandwerk leistet Die Legende behauptet daszlig die Tradition des Schnitzhandwerksin Oberammergau in das raquomagischelaquo Jahr 1111 gruumlndet ndash durch den Anstoszlig von vier Laienbruumlderndes nahen Klosters Rottenbuch In Dokumenten finden sich erste Erwaumlhnungen dieses Handwerksaber erst um das Jahr 1520 Der profane Grund fuumlr seine Entstehung war daszlig es sich um einsehr armes laumlndliches Gebiet handelte so daszlig die Bauern zur Existenzsicherung gezwungenwaren einen Nebenerwerb aufzunehmen Da das Schnitzhandwerk zu Hause auf den Houmlfen

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ausgeuumlbt werden konnte in der Umgebung reichlich Holz vorhanden war und eine gute Anbin-dung an Handelswege bestand etablierte sich in der Region eine in Familientradition fortgefuumlhrteraquoHeimindustrielaquo mit wechselhafter Konjunktur und seit dem 18 Jahrhundert in Schwung gehaltenvon sogenannten raquoVerlegernlaquo Zwischenhaumlndlern die sich ihren Profit durch raquoKnebelvertraumlgelaquound ein zu oumlkonomischer Abhaumlngigkeit fuumlhrendes Vorschuszlig-System auf niedrigem Entlohnungs-niveau sicherten Die Verleger sorgten allerdings dafuumlr daszlig man sich auch uumlberregional undim Ausland als Ort der raquoHerrgottsschnitzerlaquo einen Namen machte dh ndash neben Kinderspielzeugndash wurden in erster Linie Kruzifixe Krippen und Heiligenstatuen hergestellt (Vgl Heynald-GraefeOberammergauer Schnitzkunst sowie Groumlber Alte Oberammergauer Hauskunst)

Das Schnitzhandwerk praumlsentiert sich aktuell gereinigt von seiner raquoAumlrmlichkeitlaquo ist fuumlr dieca 150 ortsansaumlssigen Kunsthandwerker ein durchaus eintraumlgliches Geschaumlft und das Verlags-system gehoumlrt selbstverstaumlndlich der Vergangenheit an Gefertigt wird fuumlr den touristischenMarkt und das Angebot ist entsprechend diversifiziert Die Broschuumlre raquoKunsthandwerk inOberammergaulaquo faszligt treffend zusammen raquoSie koumlnnen Sakrales und Profanes finden DekorativesSkurriles in Faszligmalerei gestaltete Schnitzwerke oder traditionelle Hinterglasmalereilaquo (S 5)Mit anderen Worten Die Bandbreite reicht vom traditionalistischen Mimikry bis zum Touristen-kitsch (siehe Abb 1) Das kreierte Image der im Religioumlsen verankerten Tradition ndash mit merkantilenVerbeugungen vor dem Zeitgeist ndash paszligt sich dabei trefflich in die Imagination des Passions-spielsdorfes Die Tradition wird dabei gewissermaszligen neu erfunden Was aus der Not geborenwurde wird raquokunstgerechtlaquo in Szene geruumlckt von stoumlrenden Elementen gereinigt und alstouristisches raquoAushaumlngeschildlaquo genutzt Interessanterweise finden sich dabei auch Elementedes raquoOrientalismuslaquo10 insbesondere bei Krippenfiguren so daszlig es beispielsweise durchausnichts Ungewoumlhnliches ist als dekorativen Wegweiser ein houmllzernes Kamel auf dem Dorfplatzvorzufinden (siehe Abb 2)

Auch die raquoLuumlftlmalereilaquo ergaumlnzt ideal in das Bild das sich der Ort von sich selbst geschaffenhat um seine Besonderheit zu inszenieren Oberammergau ist keineswegs der einzige Ort andem die Fassaden traditionell mit Auszligenfresken verziert sind sondern dies ist eine im suumlddeutschenRaum durchaus verbreitete Form des Fassadenschmucks (vgl Rattelmuumlller Luumlftlmalerei inOberbayern) Allerdings hat Oberammergau immerhin einige spektakulaumlre Beispiele zu bietenDas beruumlhmteste und praumlchtigste ist das Pilatus-Haus das 177475 erbaut wurde (siehe Abb3) Es traumlgt diesen Namen nach dem Fresko raquoChristus vor Pilatuslaquo das eine ganze Hausseiteeinnimmt (siehe Abb 4) und von dem bekannten oumlrtlichen Kuumlnstler Franz Seraph Zwinck stammt(vgl auch Koch et al Franz Seraph Zwinck) Das Fresko fuumlgt sich in seiner Aussage nahtlos indie Passionsinszenierung des Ortes ein denn es stellt eine Szene dar die innerhalb der Passions-

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geschichte zentral ist Selbst der Aufbau des Freskos gleicht einer (barocken) Theaterkulisse Dabeiist auch hier der raquoOrientalismuslaquo auffaumlllig etwa indem die Juden (historisch unrichtig aber derdamaligen Orient-Begeisterung entsprechend) mit Turban dargestellt werden ndash ein raquoexotischeslaquoMotiv auf das man selbst in aktuellen Fremdenverkehrskatalogen noch gerne rekurriert (sieheAbb 5) Und das so (entfremdet) dargestellte raquoanderelaquo kommt denkbar schlecht weg handeltes sich doch bei der Szene um eine Art biblische Variante der Verschwoumlrungstheorie von derjuumldisch-kapitalistischen Weltverschwoumlrung bei der Judas mit dem juumldischen Establishment undder Weltmacht Rom (in Person des Statthalters Pilatus) gemeinsame Sache macht um Christuszu verraten Nicht alle Fresko-Darstellungen sind freilich so hochgradig ideologisch aufgeladensondern zeigen beispielsweise auch raquoharmloselaquo Musikantenszenen (siehe Abb 6) oder greifendas Passionsspiel-Thema als raquoZitatlaquo direkt auf (siehe Abb 7)

Wenn man den Ortskern durchschreitet so faumlllt die groszlige Ordnung und raquopeinlichelaquo Sauberkeitauf die trotz der Touristenstroumlme herrscht Alles geht raquowohlgeordnetlaquo zu und es finden sichkaum Ausreiszliger aus der Luumlftl-Idylle Allerdings gibt es durchaus fragwuumlrde miszliggluumlckte Versuchesowohl des raquoHistorismuslaquo sowie der Synthese mit der Moderne (siehe Abb 8 u 9) Und esfinden sich selbstverstaumlndlich ndash trotz aller Versuche einen moumlglichst raquoauthentischenlaquo Eindruckzu bewahren ndash Anzeichen von Globalisierung etwa wenn statt heimischer Gewaumlchse Agavendie Fassade zieren (siehe Abb 10) Der oumlffentliche Raum ist dabei ganz auf die Beduumlrfnissedes Tourismus zugeschnitten Man kann sich in einer ganzen Fuumllle von Straszligencafeacutes undGasthoumlfen mit traditioneller bayerischer Kost bewirten lassen Als ein etwas irritierender Fremd-koumlrper wirkt nur die kleine Touristenbahn die ohne Unterlaszlig ihre Runden im Dorf zieht umden Besuchern die Sehenswuumlrdigkeiten des Ortes naumlherzubringen (siehe Abb 11) Aber auchfuumlr den ndash zumeist betagten ndash Fuszliggaumlnger ist alles gut ausgeschildert und fuumlr ausreichend Parkplaumltzist beim Festspielhaus gesorgt das leicht uumlberdimensioniert wirkt und am Rand des Ortskernsliegt aber doch das eigentliche Zentrum darstellt (siehe Abb 12)

Denn die ganze Idee und Wirklichkeit von Oberammergau kreist wie erlaumlutert um die Passions-spiele Das spiegelt sich auch im Bewuszligtsein der Besucher und der Allgemeinheit wiederEine kleine Befragung zufaumlllig ausgewaumlhlter Passanten ergab die uumlberwiegende Mehrheit identi-fiziert den Ort alleine mit den Passionsspielen obwohl diese nur alle 10 Jahre stattfinden (vglFinkSchwarzer Die ewige Passion S 15f)11 Um deren Entstehung rankt sich eine Legendedie sich in verschiedenen Quellen bis ins 18 Jahrhundert zuruumlckverfolgen laumlszligt und noch heutegerne werbewirksam wiedergegeben wird Es galt als die Pest im Jahr 1633 schlieszliglich ihrenWeg ndash durch einen erkrankten Knecht der sich heimlich in den Ort einschlich ndash auch nachOberammergau gefunden und in kuumlrzester Zeit eine Reihe von Toten gekoste hatte ein Wunder

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zu bewirken Also besann man sich auf die Religion und gelobte alle zehn Jahre die LeidenChristi zur allgemeinen Laumluterung aufzufuumlhren ndash und um sich vor der Bedrohung der Pestin Zukunft geschuumltzt zu wissen Die historische Exaktheit dieser Version uumlber die Entstehungdes Passionsspiels kann angezweifelt werden allerdings gilt als relativ gesichert daszlig in etwain diesem Zeitraum die Pest tatsaumlchlich im Ort gewuumltet hatte und nur wenig spaumlter zum erstenmal eine Auffuumlhrung stattfand Mit seinem Christusspiel das als eine Art Tauschgeschaumlft Passiongegen Protektion gelten kann war Oberammergau freilich damit eher verspaumltet in anderenOrten auch der naumlheren Umgebung gab es aumlhnliches schon lange zuvor Allerdings hielt sichdiese Tradition in Oberammergau hartnaumlckiger ndash und das zum aktuellen oumlkonomischen Nutzen(Vgl ebd S 17ff sowie Shapiro Oberammergau S 101ndash136)

Uumlber das Oberammergauer Passionsspiel ist viel (wahrscheinlich zu viel) geschrieben wordendeshalb moumlchte ich hier nur auf einige Aspekte kurz eingehen die damit zu tun haben wiesich der Ort durch die Passionsspiele neu erfunden hat und sich dadurch als differenterbesonderer Ort praumlsentiert Die Tradition wird dafuumlr in durchaus kreativer Weise umgeformtund immer wieder an die neuen Erfordernisse der Zeit angepaszligt Dies zeigt sich einerseitsam Text Die aumllteste erhaltene Textfassung datiert auf das Jahr 1662 setzt sich zusammen ausverschiedenen Versatzstuumlcken anderer Passionsspiele war aber selbst bereits raquouumlberarbeitetlaquound ist lange nicht mehr im Gebrauch Im folgenden wurde der Text immer wieder erweitertund mit mehr dramatischen Elementen versehen Dies hatte zur Folge daszlig gerade die offizielleKirche und der Staat dem Passionsspieltreiben kritisch gegenuumlber eingestellt waren 1770 erfolgtegar ein (erstes) Auffuumlhrungsverbot Ende des 18 Jahrhunderts kam es deshalb zu raquoBereinigungenlaquoDie neuerliche Uumlberarbeitung durch den Ortspfarrer Daisenberger zu Beginn des 19 Jahrhundertsist im wesentlichen auch die Grundlage des heutigen Auffuumlhrungstextes es gab jedoch leichteModifikationen und Modernisierungen ndash insbesondere um den Text von seinen antisemitischenAnklaumlngen zu befreien (vgl FinkSchwarzer Die ewige Passion S 27ndash48 sowie Holzheimeret al Leiden schafft Passion S 39f u S 62ndash91)

Diese Untertoumlne waren freilich ndash auch das ein Zugestaumlndnis an den Zeitgeist ndash zur Zeit desNazismus durchaus noch prominent hervorgehoben Und so sind die Passionsspiele im Jahrdes 300jaumlhrigen Jubilaumlums 1934 auch eher ein dunkles Kapitel von dem man in Oberammergaulieber schweigt oder beschwichtigend ablenkt Hitler indes der die Festspiele (schon 1930)persoumlnlich besucht hatte war durchaus angetan und bemerkte raquo[hellip] kaum je sei die juumldischeGefahr am Beispiel des antiken roumlmischen Weltreiches so plastisch dargestellt worden wiein der Darstellung des Pontius Pilatus bei diesen Festspielen erscheine dieser doch als einrassisch und intelligenzmaumlszligig so uumlberlegener Roumlmer daszlig er wie ein Fels inmitten des juumldischen

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Geschmeiszliges und Gewimmels wirkelaquo (Pickert Hitlers Tischgespraumlche S 604f zitiert nachHolzheimer et al Leiden schafft Passion S 97)12

Lieber als an den Besucher Hitler erinnert man sich an so beruumlhmte Gaumlste wie Koumlnig LudwigII von Bayern Lady Churchil Eisenhower Henry Ford Thomas Mann Ferdinand de RothschildRabindranath Tagore Richard Wagner oder den Prince of Wales die Indikatoren fuumlr dieinternationale Bekanntheit des Oberammergauer Passionsspiels sind Insbesondere in denletzten Jahren hat es aufgrund dieser Internationalisierung auch Professionalisierungsbestrebungengegeben Obwohl die Darsteller sich noch immer aus den Dorfbewohnern rekrutieren alsoLaienspieler sind war der Spielleiter des Jahres 2000 (Szenen siehe Abb 13 u 14) ChristianStuumlckl ein versierten Theatermann der auch schon bei den Muumlnchner Kammerspielen inszenierte(vgl Holzheimer et al Leiden schafft Passion S 13f)

Um den Ansturm der touristischen Massen in den Festspieljahren bewaumlltigen zu koumlnnen muszligdas Festspielgebaumlude entsprechend groszlig dimensioniert sein Dabei wurde sogar auf die allgegen-waumlrtige Luumlftl-Romantik verzichtet Wir finden einen eher sachlich-modernen funktionalenZweck-Bau vor (siehe nochmals Abb 12) Finanziell sind die Passionsspiele regelmaumlszligig eingroszliger Erfolg die Einnahmen flieszligen in die Gemeindekasse und werden fuumlr touristische Infrastruk-turmaszlignahmen genutzt (vgl ebd S 247) Der Erfolg und die existentielle Wichtigkeit fuumlr denoumlrtlichen Tourismus sorgen uumlbrigens dafuumlr daszlig das Spiel eine staumlndige Streitquelle am Ortist raquoPassioniertlaquo gestritten wird beispielsweise uumlber die Spielleiterwahl und nicht zuletztBesetzungsfragen und dies auch mit basisdemokatischen Instrumenten wie dem Buumlrgerentscheid(vgl ebd S 250ndash273)

Angesichts dieser Omnipraumlsenz der Passionsspiele im oumlrtlichen Leben kann man den Eindruckgewinnen Nicht Oberammergau inszeniert die Passionsspiele sondern die Passionsspieleinszenieren Oberammergau Denn auch dieser (Nicht-)Ort ist zwar ein Ort an dem Lebenin den Wohnraumlumen und oumlffentlichen Plaumltzen raquotatsaumlchlichlaquo stattfindet allerdings ist es in weitenTeilen kein Leben fuumlr sich sondern zum Zweck der (hyperrealen) Inszenierung

B) WEGE IN DIE WIRKLICHKEIT

Die Passionsspiele sind also nicht nur eine Metapher des Ortes sondern vielmehr eine ArtBlaupause fuumlr Oberammergau das wie eine unwirkliche Kulisse ndash ausstaffiert mit froumlmmelndemSchnitzwerk und illusionaumlrer Luumlftlmalerei ndash fuumlr den Passionstourismus wirkt Wie koumlnnte dieser

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1 Diese urbanen Knotenpunkte ndash die worauf Sassen hinweist selbst globalisierte und lokalisierteSub-Strukturen aufweisen ndash konstituieren eine subkutane Machtstruktur dh es gibt kein raumlumlichgeschlossenes Zentrum mehr Oder wie Hardt und Negri formulieren it is raquoa decentred and deterri-torialising apparatus of rule that progressively incorporates the entire global realm with its openexpanding frontierslaquo (Empire S XII)

2 Von Wallerstein dem Begruumlnder der Weltsystemtheorie stammt die Unterscheidung zwischenZentrum Peripherie und Semiperipherie

3 Marx und Engels haben die Globalisierung des Kapitals trotz ihrer Kritik an Kapitalismus undImperialismus wohl in ersterem Sinne gelesen denn sie bemerken zur historischen Rolle der Bourgeoisiedurchaus anerkennend raquoDie Bourgeoisie reiszligt durch die rasche Verbesserung aller Produktions-instrumente durch die unendlich erleichterten Kommunikationen alle auch die barbarischsten []Nationen in die Zivilisationlaquo (Ebd S 35)

4 Appadurai sieht darum auch das Denken in Kategrien von Peripherie und Zentrum als uumlberholtan Und neben moumlglichen Tendenzen eines nationalistischen oder fundamentalistischen Regressessieht er auch Raumlume im System der globalen Stroumlme entstehen die fuumlr progressive transnationaleAllianzen genutzt werden koumlnnen und die die individuellen Horizonte erweitern (vgl ebd S 308)

5 In aumlhnlicher Weise stellte uumlbrigens Henri Lefebvre bereits in den 1970er Jahren heraus daszlig dasUumlberleben des Kapitalismus aktuell entscheidend von seiner Faumlhigkeit abhaumlngt den (globalen) Raum

Ort der sich selbst in seiner fiktionalen Geschichte imaginierend gefangen haumllt in die Wirklichkeitdes 21 Jahrhunderts gefuumlhrt werden Oder ist Oberammergau in dieser Wirklichkeit vielleichtzu sehr verankert und muumlszligte es nicht vor ihr vielmehr bewahrt werden um (wieder) zu einemraquorealenlaquo einem wirk-lichen Ort zu werden

Mit der hyperrealen Inszenierung seiner Differenz ist der Passionsspielort Oberammergautatsaumlchlich in der Wirklichkeit der Globalisierung angekommen ndash und wird von ihr absorbiertDa es sich aber wie dargelegt um einen dialektischen Prozeszlig handelt ist nicht auszuschlieszligendaszlig die Prozesse der Lokalisierung die Dynamik der oumlkonomischen Globalisierung nicht nurfunktional ergaumlnzen sondern herausfordern Daszlig eine solche raquolokalelaquo Herausforderung allerdingsvom globalen Dorf Oberammergau herruumlhren wird ist eher unwahrscheinlich Viel eher duumlrftesie wohl von den tatsaumlchlichen raquoDoumlrfernlaquo des globalen Raum ausgehen dort wo die Fixierungauf den Ort das u-topische Beduumlrfnis seiner Uumlberwindung erzeugt

ANMERKUNGEN

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zu umgreifen weshalb die raumlumliche Betrachtungsweise die historische notwendig ergaumlnzen muumlsse(vgl La production de lrsquoespace)

6 Eine Ausnahme bilden hier allerdings die raquovirtuellenlaquo Welten der Vergnuumlgungsparks wie raquoDisneyWorldlaquo oder Kunstlandschaften wie das raquoProjekt Edenlaquo

7 Die hyperreale Simulation steht damit im expliziten Gegensatz zum Symbolischen (und Meta-phorischen) das weniger das Reale verdoppelt als Vielmehr eine (u-topische) Alternative darstellt(vgl ders Der symbolische Tausch und der Tod sowie im Uumlberblick Jain Medien der AnschuungS 122ndash133)

8 Foucault versteht unter Heterotopien raquowirkliche Orte wirksame Orte die in die Einrichtung derGesellschaft hineingezeichnet sind sozusagen Gegenplazierungen und Widerlager tatsaumlchlich realisierteUtopien in denen die wirklichen Plaumltze innerhalb der Kultur gleichzeitig repraumlsentiert bestrittenund gewendet sind gewissermaszligen Orte auszligerhalb aller Orte wiewohl sie tatsaumlchlich geortet werdenkoumlnnenlaquo (Andere Raumlume S 68) Dabei unterscheidet er zwischen Krisenheterotopien (besondereRaumlume fuumlr Menschen in einer besonderen Lage) Abweichungsheterotopien (wo das Abweichendeinterniert wird) lllusionsheterotopien (die einen illusionaumlren Raum darstellen so daszlig der Eintrittin diesen Raum tatsaumlchlich ein Verlassen des Raumes ist) und Kompensationsheterotopien (die kom-pensatorisch auf begrenztem Raum ein Ideal in der defizitaumlren Realitaumlt verwirklichen)

9 Die imaginierten (Nicht-)Orte koumlnnen also auch nicht als Illusions- oder Kompensationheterotopiengelten denn sie sind nicht die begrenzte Wirklichkeit eines Traums oder illusionaumlrer Raum des Anderensie stehen nicht im Gegensatz zur Realitaumlt sondern verdoppeln diese in ihrem imaginierten Raum

10 Edward Said der diesen Begriff praumlgte bemerkt raquo[hellip] the Orient has helped to define Europe(or the West) as its contrasting image idea personality experience Yet none of this Orient is merelyimaginative The Orient is an integral part of European material civilization and culturelaquo (OrientalismS 2)

11 Um exakt zu sein 74 Der Rest antwortete raquoSchnitzereilaquo (8) raquoPassionsspiele und Schnitzereilaquo(3) raquoliegt in Bayernlaquo (2) raquoliegt in Oumlsterreichlaquo (2) raquoschon gehoumlrtlaquo (3) Nur 4 der Befragtenkannten den Ort nicht (vgl ebd)

12 Wohl kaum ein Zufall Ausgerechnet jenes Gaumlstebuch in das Hitler sich eingetragen hat istmerkwuumlrdigerweise verschwunden Fuumlr naumlhere Details zur NS-Geschichte und -Verstrickung derPassionsspiele und Oberammergau vgl auch Shapiro Oberammergau S 137-ndash186 sowie UtschneiderOberammergau im Dritten Reich insb S 100ndash109

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bull Jain Anil K Medien des Wandel ndash Transformationen der Oumlffentlichkeit Internet httpwwwpower-xsnetjainpubmediendeswandelspdf

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Abbildung 1 Abbildung 2

Abbildung 3 Abbildung 4

Abbildung 5 (Quelle Werbeprospekt) Abbildung 6

ABBILDUNGEN

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Abbildung 9 Abbildung 10

Abbildung 11 Abbildung 12

Abbildung 13 (Quelle Postkarten) Abbildung 14 (Quelle Postkarte)

Abbildung 7 Abbildung 8

INFORMATIONSBLATT

Autor(Innen) Anil K JainTitel Imaginierte (Nicht-)OrteUntertitel Ein Besuch im raquoglobalen Dorflaquo OberammergauJahr der Abfassung 2002VersionAktualisierungsdatum 04042006Originaler Download-Link httpwwwpower-xsnetjainpubimaginierteortepdfErste Druckveroumlffentlichung The Discourse of Sociological Practice Vol 6 No 12004

S 51ndash60 (Englische Version)

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Page 2: EIN BESUCH IM GLOBALEN DORF BERAMMERGAU · aufspalten; es entstehen die separaten Sphären der »ethnoscapes«, »mediascapes«, »techno-scapes«, »financescapes« und »ideoscapes«,

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1 DIE DIALEKTIK DER GLOBALISIERUNG UND IHRE VERWURZELUNG IN DER (OumlKONOMI-SCHEN) DYNAMIK DER MODERNE

Obwohl es bestimmte Aspekte der Globalisierung wie Fernhandel bereits in der Antike undim Mittelalter gegeben hat (vgl hierzu auch Wallerstein The Modern World-System S 15ffsowie Kap 2)2 ist Globalisierung ihrem Wesen nach doch eine Erscheinung der Epoche derModerne Und umgekehrt gilt wie Giddens bemerkt raquoModernity is inherently globalisinglaquo(The Consequences of Modernity S 63) Die treibende Kraft die hinter diesem Prozeszlig stecktund ihn in Gang haumllt ihm keine Grenzen auferlegt ja alle Grenzen nieder reiszligen laumlszligt kannman mit Marx und Engels im modernen Kapitalismus entdecken

raquoDie Bourgeoisie hat durch ihre Exploitation des Weltmarkts die Produktion und Konsumption aller Laumlnder

kosmopolitisch gestaltet [hellip] An die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbstgenuumlgsamkeit und Abge-

schlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr eine allseitige Abhaumlngigkeit der Nationen voneinander Und wie

in der materiellen so auch in der geistigen Produktion Die geistigen Erzeugnisse der einzelnen Nationen

werden Gemeingut Die nationale Einseitigkeit und Beschraumlnktheit wird mehr und mehr unmoumlglich [hellip]laquo

(Manifest der kommunistischen Partei S 34f)

Globalisierung bedeutet an dieses (vorausschauende) Verstaumlndnis des modernen Kapitalismusangelehnt also in ihrem Kern (raumlumliche) Expansion und man kann diese oumlkonomiegetriebeneExpansionsbewegung als (fortschrittliche zivilisierende) raquoEntwicklunglaquo als (Neo-)Imperialismusoder schlicht raquoneutrallaquo auffassen3 Fest steht nur es handelt sich offensichtlich um raquodie weltweiteVerbreitung zuvor lokal begrenzter oumlkonomischer politischer und kultureller Muster und diedarauf aufbauende Schaffung eines globalen Netzwerkslaquo (Jain Politik in der (Post-)ModereneS 73)

Mit der globalen Vernetzung entsteht aber ein reflexives Wechselverhaumlltnis zwischen demglobalen Raum und dem Lokalen Giddens macht diese raquoReziprozitaumltlaquo zum Kristallisationspunktseines Verstaumlndnisses von Globalisierung raquoGlobalisation can thus be defined as the intensificationof worldwide social relations which link distant localities in such a way that local happeningsare shaped by events occurring miles away and vice versalaquo (The Consequences of ModernityS 64) Deshalb wird Globalisierung heute zumeist raquodialektischlaquo konzeptionalisiert dh Globalisie-rung geht einher mit Prozessen der (Re-)Lokalisierung als Verstaumlrkung des lokales Bewuszligtseinsund Anpassung der globalen Stroumlme an lokale kulturelle Gegebenheiten Roland Robertsonbevorzugt entsprechend den (aus der Wirtschaftssprache entlehnten) Hybridbegriff der raquoGlokali-sierunglaquo (vgl Glocalization)

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2 DER GRUNDWIDERSPRUCH DER GLOBALISIERUNG UND SEINE raquoKREATIVElaquo LOumlSUNG

Die Dialektik der Globalisierung spiegelt (damit) die allgemeine Dialektik der Moderne zwischenUniversalisierung und Fragmentisierung Integration und Differenzierung auf raumlumlicher Ebenendash und beinhaltet korrespondierende Widerspruumlche Genau die ausgreifende verallgemeinerndeuniversalistische Tendenz der Ordnung der Moderne zwingt naumlmlich mit der Realitaumlt konfrontiertzu Differenzierungen Das Allgemeine bringt ndash durch seine Widerspruumlche ndash das Besonderehervor Aumlhnlich verhaumllt es sich mit den Widerspruumlchen der Globalisierung

Es lassen sich einerseits bestimmte Tendenzen ausmachen daszlig sich die globalen Stroumlme (vonMenschen Bildern Apparaten Geld und Ideen etc) zunehmend in unverbundene Fluumlsseaufspalten es entstehen die separaten Sphaumlren der raquoethnoscapeslaquo raquomediascapeslaquo raquotechno-scapeslaquo raquofinancescapeslaquo und raquoideoscapeslaquo wie Appadurai aufzuzeigen versucht (vgl Disjunctureand Difference in the Global Cultural Economy)4 Der primaumlre und verbindende Antrieb derGlobalisierung bleibt dabei aber trotzdem die expansive Dynamik des Kapitalismus

Wenn man sich nun jedoch vergegenwaumlrtigt wie die kapitalistische Oumlkonomie funktioniertso ergibt sich ein grundlegender Widerspruch der Globalisierung Denn der Kapitalismus beruhtstark vereinfacht ausgedruumlckt auf der Ausbeutung von Differenz Es kann sich dabei etwa umein Machtgefaumllle (zwischen Kapital und Arbeit zwischen raquoErsterlaquo und raquoDritter Weltlaquo) einentechnologischen Vorsprung (vor der Konkurrenz) oder um kulturelle Differenzen handeln (dieExportchancen eroumlffnen oder neue Produktideen vermitteln) Verwirklicht wird der potentielleraquoMehrwertlaquo der sich durch solche Differenz realisieren laumlszligt in erster Linie durch ein Ausgreifenim Raum da nur durch Expansion die Erreichung raquokritischer Masselaquo bei der Produktion gesichertist und sich nur so neue noch ungesaumlttigte Maumlrkte erschlieszligen lassen Deshalb werden raumlumlicheDifferenzen zentral speziell fuumlr den fortgeschrittenen Kapitalismus und raquoohne lokale Unterschiedekoumlnnte Globalisierung nicht stattfindenlaquo (Jain Die raquoglobale Klasselaquo S 9) waumlre sie (zumindestoumlkonomisch) raquosinnloslaquo Dieser Umstand erklaumlrt einen guten Teil des neu erwachten Interessesfuumlr das Lokale und seine Besonderheit

Globalisierung als ein expansiver Prozeszlig bewirkt allerdings wie immer (oberflaumlchlich) lokalangepaszligt wo sie sich raquoannaumlherndlaquo verwirklicht dh den globalen Raum tatsaumlchlich ausfuumlllteine Homogenisierung eine ndash mitunter durchaus zwanghafte ndash Angleichung der globalen RaumlumeDer (fortgeschrittene nicht mehr national fixierte) Kapitalismus unterminiert also tendenzielldie Grundlage seiner Oumlkonomie (naumlmlich Differenz) durch seine globalisierende Dynamikdie schlieszliglich je mehr sie sich vollendet genau die fuumlr sein (notwendiges) raquoWachstumlaquo grund-

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legenden raumlumlichen Differenzen einebnet Wie kann dieses Dilemma dieser Widerspruchraquogeloumlstlaquo werden Es bleibt letztlich nur ein Ausweg Differenzen muumlssen kuumlnstlich generiertes muumlssen differente Raumlume imaginiert und kreiert werden die das oumlkonomische Beduumlrfnisnach (verwertbarer ausbeutbarer) Differenz befriedigen koumlnnen Die ausgreifende Bewegungder (oumlkonomischen) Globalisierung eliminiert also Differenz ndash durch ihre eigene Dynamikaber auch gezielt uumlberall dort wo Differenz als Abweichung aufscheint und Widerstaumlndigkeitentfaltet Und doch bleibt Differenz der Motor und die Grundlage von Globalisierung So werdenbestimmte raquonuumltzlichelaquo Formen von Differenz (wie Armut oder auch ein harmloses aber Interesseweckendes kulturelles raquoKoloritlaquo) wo sie zu entschwinden drohen kuumlnstlich und gewaltsamaufrecht erhalten oder gegebenenfalls auch kreativ erzeugt (vgl auch Jain Differences inDifference)

3 IMAGINIERTE (NICHT-)ORTE DIE FRAGE DES RAUMS UND DER ORTE IN DER GLOBALI-SIERUNGSDIALEKTIK

Durch Globalisierung wird also die Kategorie des Raumes (und seiner Differenzen) zu einerzentralen Kategorie Und dies betrifft keineswegs ausschlieszliglich die Sphaumlre der Oumlkonomiesondern die gesamte Kultur und Gesellschaft Es kommt wie Fredric Jameson angesichts dervon ihm diagnostizierten Dominanz der Raumlogik bemerkt zu einem Zusammenbruch derZeitlichkeit Dies wiederum fuumlhrt durch den Verlust an historischem Bewuszligtsein zu Phaumlnomenender raquoPastichisierunglaquo und der kulturellen raquoVerflachunglaquo Notgedrungen muszlig raquoein unserer Situationangemessenes Modell der [hellip] Kultur [hellip] die Frage des Raums zur wichtigsten Problemstellungmachenlaquo (Zur Logik der Kultur im Spaumltkapitalismus S 96) ndash um zu einem angemessenen Bildder sozialen und kulturellen Landschaften gelangen zu koumlnnen5

Diese (reale) Bedeutung des Raumes (und seiner Gefaumllle) die es konzeptionell zu spiegelngilt bedeutet allerdings keineswegs daszlig der konkrete Ort an tatsaumlchlicher Relevanz gewaumlnneIm raquospace of flowslaquo der Netzwerkgesellschaft verliert der Ort tendenziell seine Spezifik undBedeutung (vgl auch Castells The Rise of the Network Society) Denn ein spezifischer konkreterOrt der sich eine eigenstaumlndige Charakteristik bewahrt laumlszligt sich in das globale Netzwerk desfluiden Kapitals moumlglichweise nicht nahtlos integrieren entfaltet eventuell einen widerstaumlndigenraquoEigensinnlaquo (als raquoOrtssinnlaquo) Gefragt sind also Orte die raquounbestimmtlaquo die austauschbar sindsich frei (ver)formen und gestalten lassen Die Widerstaumlndigkeit des konkreten Ortes die sichdurch eine Verankerung in Geschichte und Kultur und aus der Verflechtung mit der konkretenLebenswelt der Menschen ergibt muszlig also durch die absorbierende und zugleich entbettende

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Kraft der Globalisierung aufgeloumlst werden um die Orte in das globale Netzwerk zu integrierenEs entstehen (hyper)reale Nicht-Orte

Nicht-Orte das sind wenn man Michel de Certeau folgt der diesen Begriff gepraumlgt hat (sym-bolische) Orte die zwar benannt werden koumlnnen einen Namen tragen aber keinen tatsaumlchlichoumlrtlichen Charakter (als strukturierter Handlungsraum) aufweisen Sie sind (urbane) Raumlumedes Voruumlbergehens ruhelose Plaumltze des Herumirrens der endlosen Suche der Abwesenheit(vgl Die Kunst zu Handeln S 197ff) Es sind wie Marc Augeacute ergaumlnzend und konkretisierendherausgestellt hat identitaumltslose Orte die keine realen Beziehungen zu anderen Orten aufweisenund keine raquoGeschichtelaquo besitzen es sind die rein zweckgebundenen Raumlume der Passagewie Wartehallen oder Autobahnen zu denen ihre raquoNutzerlaquo keine wirkliche Beziehung finden(vgl Orte und Nicht-Orte insb S 92f und S 110ff)

Ich will hier allerdings unter Nicht-Orten weniger solche rein funktionalen Orte der Passageverstehen sondern vielmehr raquohyperrealelaquo imaginierte raquoOrt-schaftenlaquo die aus ihrem (lebens-weltlichen) Kontext entbettet wurden um ihr Gesicht frei gestalten zu koumlnnen um ihre Differenzndash in Konkurrenz zu anderen Orten ndash positiv herauszustellen und zu inszenieren Denn dieseparadoxe Inszenierung der Differenz des konkreten Ortes ist es wozu die angleichende Dynamikder Globalisierung zwingt wenn der Ort seine Position im globalen Netzwerk behalten oderverbessern will

Die Nicht-Orte der Globalisierung sind folglich imaginierte Orte Sie sind nach bestimmtenVorstellungen erschaffen oder (um)gestaltet Sie haben zugleich realen und unwirklichen Charak-ter Aumlhnlich wie die vorgestellten Gemeinschaften der Nation im historischen Prozeszlig schlieszliglichraquoFormlaquo annahmen und zu einer die aktuelle Gegenwart noch immer bestimmenden raquoRealitaumltlaquowurden (vgl Anderson Die Erfindung der Nation) so stellen die imaginierten (Nicht-)Orteeine oumlrtliche Realitaumlt dar die ndash in der Inszenierung ihrer fiktiven Charakteristik ndash an raquoMomentumlaquogewinnt Ab einen gewissen Zeitpunkt sind diese imaginierten Orte also nicht nur die Spiegelungjener Vorstellung(en) die sie geformt haben sondern sie erreichen tatsaumlchlich sogar ein raquounvor-stellbareslaquo Ausmaszlig an Wirklichkeit

Sie muumlssen diese gesteigerte Form des raquoWirklichenlaquo annehmen um ihre Besonderheit glaub-wuumlrdig herausstellen zu koumlnnen um Kapital Investitionen oder Besucher etc erfolgreich anziehenand anbinden zu koumlnnen Zumeist verkleiden sie ihren raquoKunstcharakterlaquo dabei in einer Authen-tizitaumltsfiktion denn sonst wuumlrde der raquoZauber der Differenzlaquo nur schwer funktionieren6 Ihrevorgestellte Authentizitaumlt muumlssen sie auf die Spitze treiben sie sind glatte Raumlume ohne

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Verwerfungen ohne Reibungspunkte ohne Widerstandspotentiale Sie verdoppeln auf eineperfektionierte Weise ihre erdachte Wirklichkeit sie sind sie wirklicher als das Wirkliche eshandelt sich um hyperreale Simulakren von Orten (vgl zur hyperrealen Simulation BaudrillardDie Simulation)7

Als hyperreale Nicht-Orte sind sie dem Nicht-Ort der U-topie radikal entgegengesetzt Sieeliminieren alle alternativen Vorstellungen durch ihre Glaumltte ihre reibungslose Faktizitaumlt DieImagination der Utopie ist im imaginierten Nicht-Ort in Wirklichkeit erstarrt (und damit alsHorizont aufgegeben) oder wie Baudrillard ganz allgemein zur raquocondition postmodernelaquo bemerktraquoder Himmel der Utopie ist auf die Erde herabgekommenlaquo (Die fatalen Strategien S 85)

Die imaginierten (Nicht-)Orte inszenieren zwar durch Hyperrealitaumlt ihre Differenz zu anderenOrten aber sie sind auch keine Heterotopien8 Denn sie sind weder raquoandere Raumlumelaquo in demSinn daszlig sie das Andere das Abweichende umschlieszligen und eingrenzen wuumlrden wie etwaGefaumlngnisse oder raquoIrrenanstaltenlaquo noch sind sie Orte wo widerstaumlndige Praktiken ihren realenOrt und Raum der Entfaltung faumlnden Denn alles Inkompatible zu jenem raquoTraumlaquo den sieinszenieren um sich im globalen Differenzraum zu positionieren bleibt notwendig ausgeklam-mert wird aussortiert und ausgeschlossen Ihre Differenz geht so auf in Identitaumlt als Herraus-stellung eines Besonderen das aber in Uumlbereinstimmung mit dem Allgemeinen der Normdes Faktischen steht Sie sind Orte eines paradoxen auf Inszenierung von Differenz gegruumlndetenraquoIdentitaumltszwangslaquo (Adorno) den die oumlkonomiegetriebene Dynamik der Globalisierung bewirkt9

Die imaginierten (Nicht-)Orte teilen den ausschlieszligenden und differenten Charakter somitmit den peripheren Raumlumen nur ist deren Nichtigkeit und Differenz anderer Natur Dieperipheren marginalen Regionen im Raum der Globalisierung sind raquoanderslaquo da fuumlr sie andereRegeln und andere Standards gelten etwa weil sie als Orte benoumltigt werden wo kostenguumlnstigproduziert werden kann Diese Form der Differenz wird gewaltvoll etabliert und aufrecht erhalten(sei des durch neokoloniale Praktiken oder tarifaumlre Diskriminierungen etc) Die peripherenRegionen (unabhaumlngig von ihrer raquotatsaumlchlichenlaquo geographischen Lage) sind jedenfalls nur partiellintegriert in das Netzwerk der Globalisierung ndash dort wo sie als Produktionsstandort oderAbsatzmarkt fungieren Ansonsten sind sie ausgeschlossen und dieser Ausschluszlig gilt auchraquosymbolischlaquo dh sie sind als Gegenstand der Vorstellung nicht in das globalen Bewuszligtseinintegriert sie sind nicht existent

Die imaginierten Orte dagegen sind im globalen Bewuszligtsein und Raum (omni)praumlsent Siegehoumlren zu den privilegierten Raumlumen und muumlssen doch um ihr Privileg zu genieszligen den

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Preis der Anpassung zahlen Sie muumlssen ihre Besonderheit kreieren herausstellen und staumlndigneu erschaffen Und dabei muumlssen sie darauf bedacht sein daszlig sie ihre Besonderheit nichtdie Form der stoumlrenden Abweichung annimmt Der permanente Zwang zur hyperrealen Ins-zenierung und immer wieder neuen Erschaffung ihrer Differenz verhindert dabei daszlig sie zuwirk-lichen Orten werden Orten des Seins der Begegnung des Andersseins

4 DAS raquoGLOBALE DORFlaquo OBERAMMERGAU ALS IMAGINIERTER (NICHT-)ORT

Wie aber ist ein solcher imaginierter (Nicht-)Ort konkret vorzustellen Dies kann nur exemplarischgeschehen Als raquorealeslaquo Beispiel dient mir deshalb hier der oberbayerische Ort OberammergauEs handelt sich um ein raquoglobal villagelaquo ndash ein raquoWeltdorflaquo das seinen Platz in den raquoChartslaquo desDeutschland-Tourismus gefunden hat und dessen Ruhm als Alpenidylle und Passionsspiel-Schauplatz in raquoalle Weltlaquo vorgedrungen ist

Warum aber habe ich genau dieses und kein anderes Beispiel gewaumlhlt Mit dem Ort Oberam-mergau verbindet mich eine persoumlnliche Geschichte und Erinnerung in welcher der Eindruckeines unwirklichen Ortes zutiefst lebendig ist Es ist ein Ort an dem meine Mutter den groumlszligtenTeil ihrer Jugend verbracht hat den ich aus ihrer Erzaumlhlung erinnere und wo meine Groszligtantenoch heute lebt Ein Ort an dem ich sowohl die Absurditaumlt von Familienritualen wie die Uner-wuumlnschtheit als raquoandererlaquo erfahren durfte Ein Ort dessen Wege ich aus Langeweile erkundethabe und der mir schon als Kind wie eine Theaterkulisse erschien Heute ist mir bewuszligt warumdieser Eindruck entstand Oberammergau ist einer jener imaginierten (Nicht-)Orte von denenoben die Rede war

A) GESCHICHTE(N) FAKTEN UND FIKTIONEN DIE ERFINDUNG VON OBERAMMERGAU

Oberammergau nennt sich selbst gerne raquodas beruumlhmteste Dorf der Weltlaquo Im Jahr 910 alsder Ort zum ersten Mal urkundlich erwaumlhnt wurde handelte es sich aber noch um einenunbedeutenden Flecken im bayerischen Oberland Es liegt ca 90 km suumldwestlich von Muumlnchenauf 1136 oumlstlicher Laumlnge und 4736 noumlrdlicher Breite Die Gemeinde umfaszligt eine Gesamtflaumlchevon 3005 ha und hat derzeit ca 5000 Einwohner

Wie begreift und vor allem wie stellt sich dieser Ort dessen herausragende Besonderheiteinem nicht unbedingt sofort ins Auge springt selbst dar welche kreative Imagination liegt

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 8

ihm zugrunde In einem aktuellen Werbeprospekt der Gemeinde heiszligt es in dieser Hinsichtuumlberaus Aufschluszligreich

raquoDas Auge wird nicht statt Siehrsquo dir das an Die Haumluser die Geschichten erzaumlhlen die maumlrchenhaften Schloumlsser

die Berge mit denen das Land ausklingt Das ist dein Urlaub in Oberammergaulaquo

Und weiterhin heiszligt es

raquoWo kann man sich besser treffen als in einem Ort der es gewohnt ist die Welt zu Gast zu haben Einmal

im Jahrzehnt sind es die Passionsspiele die nach Oberammergau fuumlhren Zwischendurch sind die einzigartige

Verbindung aus Natur und Kultur oder das Schnitz- und Kunsthandwerk Anlass genug sich hier zu treffenlaquo

Offenbar will dieser Ort mit seiner sinnlich erfahrbaren Historie verfuumlhren Natur und Kulturverbinden sich zu einem touristischen Hybridraum der nicht nur visuelle Anreize bietet sondernauch Geschichten zu erzaumlhlen hat Und doch scheint es selbst im Prospekttext fast so als seidas raquonormalelaquo Leben in Oberammergau ein Stillstand eine Zwischenzeit eine Pause zwischenden Auffuumlhrungen des Passionsspiels

Das Passionsspiel das alle 10 Jahre in Oberammergau zur Darbietung gebracht wird ist alsozentral fuumlr die Imagination dieses Ortes fuumlr seine inszenierte Differenz und fiktionale IdentitaumltDas ganze Leben des Ortes dreht sich um die Passions-Auffuumlhrung (die gleichzeitig den Kernder Inszenierung des Ortes darstellt) Es ist der (temporaumlre) Fix-Punkt um den herum sichdie anderen wichtigen Elemente des herausgekehrten Selbstbildes gruppieren die Umgebungund Natur die Oberammergau mit vielen anderen Alpendoumlrfern teilen muszlig und die sichdeshalb nur schwer zur Inszenierung einer spezifischen Besonderheit nutzen laumlszligt nur einenadditiven raquoMehrwertlaquo darstellt Dann ist da das Kunsthandwerk die raquoLuumlftlmalereilaquo und dieSchnitzkunst fuumlr die der Ort bekannt ist Aber was den eigentlichen Kern der imaginiertenIdentitaumlt ausmacht ist eben das Passionsspiel

Doch bevor wir zu diesem Kern vorstoszligen Untersuchen wir welchen raquoimaginativenlaquo Beitragdas Kunsthandwerk leistet Die Legende behauptet daszlig die Tradition des Schnitzhandwerksin Oberammergau in das raquomagischelaquo Jahr 1111 gruumlndet ndash durch den Anstoszlig von vier Laienbruumlderndes nahen Klosters Rottenbuch In Dokumenten finden sich erste Erwaumlhnungen dieses Handwerksaber erst um das Jahr 1520 Der profane Grund fuumlr seine Entstehung war daszlig es sich um einsehr armes laumlndliches Gebiet handelte so daszlig die Bauern zur Existenzsicherung gezwungenwaren einen Nebenerwerb aufzunehmen Da das Schnitzhandwerk zu Hause auf den Houmlfen

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 9

ausgeuumlbt werden konnte in der Umgebung reichlich Holz vorhanden war und eine gute Anbin-dung an Handelswege bestand etablierte sich in der Region eine in Familientradition fortgefuumlhrteraquoHeimindustrielaquo mit wechselhafter Konjunktur und seit dem 18 Jahrhundert in Schwung gehaltenvon sogenannten raquoVerlegernlaquo Zwischenhaumlndlern die sich ihren Profit durch raquoKnebelvertraumlgelaquound ein zu oumlkonomischer Abhaumlngigkeit fuumlhrendes Vorschuszlig-System auf niedrigem Entlohnungs-niveau sicherten Die Verleger sorgten allerdings dafuumlr daszlig man sich auch uumlberregional undim Ausland als Ort der raquoHerrgottsschnitzerlaquo einen Namen machte dh ndash neben Kinderspielzeugndash wurden in erster Linie Kruzifixe Krippen und Heiligenstatuen hergestellt (Vgl Heynald-GraefeOberammergauer Schnitzkunst sowie Groumlber Alte Oberammergauer Hauskunst)

Das Schnitzhandwerk praumlsentiert sich aktuell gereinigt von seiner raquoAumlrmlichkeitlaquo ist fuumlr dieca 150 ortsansaumlssigen Kunsthandwerker ein durchaus eintraumlgliches Geschaumlft und das Verlags-system gehoumlrt selbstverstaumlndlich der Vergangenheit an Gefertigt wird fuumlr den touristischenMarkt und das Angebot ist entsprechend diversifiziert Die Broschuumlre raquoKunsthandwerk inOberammergaulaquo faszligt treffend zusammen raquoSie koumlnnen Sakrales und Profanes finden DekorativesSkurriles in Faszligmalerei gestaltete Schnitzwerke oder traditionelle Hinterglasmalereilaquo (S 5)Mit anderen Worten Die Bandbreite reicht vom traditionalistischen Mimikry bis zum Touristen-kitsch (siehe Abb 1) Das kreierte Image der im Religioumlsen verankerten Tradition ndash mit merkantilenVerbeugungen vor dem Zeitgeist ndash paszligt sich dabei trefflich in die Imagination des Passions-spielsdorfes Die Tradition wird dabei gewissermaszligen neu erfunden Was aus der Not geborenwurde wird raquokunstgerechtlaquo in Szene geruumlckt von stoumlrenden Elementen gereinigt und alstouristisches raquoAushaumlngeschildlaquo genutzt Interessanterweise finden sich dabei auch Elementedes raquoOrientalismuslaquo10 insbesondere bei Krippenfiguren so daszlig es beispielsweise durchausnichts Ungewoumlhnliches ist als dekorativen Wegweiser ein houmllzernes Kamel auf dem Dorfplatzvorzufinden (siehe Abb 2)

Auch die raquoLuumlftlmalereilaquo ergaumlnzt ideal in das Bild das sich der Ort von sich selbst geschaffenhat um seine Besonderheit zu inszenieren Oberammergau ist keineswegs der einzige Ort andem die Fassaden traditionell mit Auszligenfresken verziert sind sondern dies ist eine im suumlddeutschenRaum durchaus verbreitete Form des Fassadenschmucks (vgl Rattelmuumlller Luumlftlmalerei inOberbayern) Allerdings hat Oberammergau immerhin einige spektakulaumlre Beispiele zu bietenDas beruumlhmteste und praumlchtigste ist das Pilatus-Haus das 177475 erbaut wurde (siehe Abb3) Es traumlgt diesen Namen nach dem Fresko raquoChristus vor Pilatuslaquo das eine ganze Hausseiteeinnimmt (siehe Abb 4) und von dem bekannten oumlrtlichen Kuumlnstler Franz Seraph Zwinck stammt(vgl auch Koch et al Franz Seraph Zwinck) Das Fresko fuumlgt sich in seiner Aussage nahtlos indie Passionsinszenierung des Ortes ein denn es stellt eine Szene dar die innerhalb der Passions-

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geschichte zentral ist Selbst der Aufbau des Freskos gleicht einer (barocken) Theaterkulisse Dabeiist auch hier der raquoOrientalismuslaquo auffaumlllig etwa indem die Juden (historisch unrichtig aber derdamaligen Orient-Begeisterung entsprechend) mit Turban dargestellt werden ndash ein raquoexotischeslaquoMotiv auf das man selbst in aktuellen Fremdenverkehrskatalogen noch gerne rekurriert (sieheAbb 5) Und das so (entfremdet) dargestellte raquoanderelaquo kommt denkbar schlecht weg handeltes sich doch bei der Szene um eine Art biblische Variante der Verschwoumlrungstheorie von derjuumldisch-kapitalistischen Weltverschwoumlrung bei der Judas mit dem juumldischen Establishment undder Weltmacht Rom (in Person des Statthalters Pilatus) gemeinsame Sache macht um Christuszu verraten Nicht alle Fresko-Darstellungen sind freilich so hochgradig ideologisch aufgeladensondern zeigen beispielsweise auch raquoharmloselaquo Musikantenszenen (siehe Abb 6) oder greifendas Passionsspiel-Thema als raquoZitatlaquo direkt auf (siehe Abb 7)

Wenn man den Ortskern durchschreitet so faumlllt die groszlige Ordnung und raquopeinlichelaquo Sauberkeitauf die trotz der Touristenstroumlme herrscht Alles geht raquowohlgeordnetlaquo zu und es finden sichkaum Ausreiszliger aus der Luumlftl-Idylle Allerdings gibt es durchaus fragwuumlrde miszliggluumlckte Versuchesowohl des raquoHistorismuslaquo sowie der Synthese mit der Moderne (siehe Abb 8 u 9) Und esfinden sich selbstverstaumlndlich ndash trotz aller Versuche einen moumlglichst raquoauthentischenlaquo Eindruckzu bewahren ndash Anzeichen von Globalisierung etwa wenn statt heimischer Gewaumlchse Agavendie Fassade zieren (siehe Abb 10) Der oumlffentliche Raum ist dabei ganz auf die Beduumlrfnissedes Tourismus zugeschnitten Man kann sich in einer ganzen Fuumllle von Straszligencafeacutes undGasthoumlfen mit traditioneller bayerischer Kost bewirten lassen Als ein etwas irritierender Fremd-koumlrper wirkt nur die kleine Touristenbahn die ohne Unterlaszlig ihre Runden im Dorf zieht umden Besuchern die Sehenswuumlrdigkeiten des Ortes naumlherzubringen (siehe Abb 11) Aber auchfuumlr den ndash zumeist betagten ndash Fuszliggaumlnger ist alles gut ausgeschildert und fuumlr ausreichend Parkplaumltzist beim Festspielhaus gesorgt das leicht uumlberdimensioniert wirkt und am Rand des Ortskernsliegt aber doch das eigentliche Zentrum darstellt (siehe Abb 12)

Denn die ganze Idee und Wirklichkeit von Oberammergau kreist wie erlaumlutert um die Passions-spiele Das spiegelt sich auch im Bewuszligtsein der Besucher und der Allgemeinheit wiederEine kleine Befragung zufaumlllig ausgewaumlhlter Passanten ergab die uumlberwiegende Mehrheit identi-fiziert den Ort alleine mit den Passionsspielen obwohl diese nur alle 10 Jahre stattfinden (vglFinkSchwarzer Die ewige Passion S 15f)11 Um deren Entstehung rankt sich eine Legendedie sich in verschiedenen Quellen bis ins 18 Jahrhundert zuruumlckverfolgen laumlszligt und noch heutegerne werbewirksam wiedergegeben wird Es galt als die Pest im Jahr 1633 schlieszliglich ihrenWeg ndash durch einen erkrankten Knecht der sich heimlich in den Ort einschlich ndash auch nachOberammergau gefunden und in kuumlrzester Zeit eine Reihe von Toten gekoste hatte ein Wunder

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 11

zu bewirken Also besann man sich auf die Religion und gelobte alle zehn Jahre die LeidenChristi zur allgemeinen Laumluterung aufzufuumlhren ndash und um sich vor der Bedrohung der Pestin Zukunft geschuumltzt zu wissen Die historische Exaktheit dieser Version uumlber die Entstehungdes Passionsspiels kann angezweifelt werden allerdings gilt als relativ gesichert daszlig in etwain diesem Zeitraum die Pest tatsaumlchlich im Ort gewuumltet hatte und nur wenig spaumlter zum erstenmal eine Auffuumlhrung stattfand Mit seinem Christusspiel das als eine Art Tauschgeschaumlft Passiongegen Protektion gelten kann war Oberammergau freilich damit eher verspaumltet in anderenOrten auch der naumlheren Umgebung gab es aumlhnliches schon lange zuvor Allerdings hielt sichdiese Tradition in Oberammergau hartnaumlckiger ndash und das zum aktuellen oumlkonomischen Nutzen(Vgl ebd S 17ff sowie Shapiro Oberammergau S 101ndash136)

Uumlber das Oberammergauer Passionsspiel ist viel (wahrscheinlich zu viel) geschrieben wordendeshalb moumlchte ich hier nur auf einige Aspekte kurz eingehen die damit zu tun haben wiesich der Ort durch die Passionsspiele neu erfunden hat und sich dadurch als differenterbesonderer Ort praumlsentiert Die Tradition wird dafuumlr in durchaus kreativer Weise umgeformtund immer wieder an die neuen Erfordernisse der Zeit angepaszligt Dies zeigt sich einerseitsam Text Die aumllteste erhaltene Textfassung datiert auf das Jahr 1662 setzt sich zusammen ausverschiedenen Versatzstuumlcken anderer Passionsspiele war aber selbst bereits raquouumlberarbeitetlaquound ist lange nicht mehr im Gebrauch Im folgenden wurde der Text immer wieder erweitertund mit mehr dramatischen Elementen versehen Dies hatte zur Folge daszlig gerade die offizielleKirche und der Staat dem Passionsspieltreiben kritisch gegenuumlber eingestellt waren 1770 erfolgtegar ein (erstes) Auffuumlhrungsverbot Ende des 18 Jahrhunderts kam es deshalb zu raquoBereinigungenlaquoDie neuerliche Uumlberarbeitung durch den Ortspfarrer Daisenberger zu Beginn des 19 Jahrhundertsist im wesentlichen auch die Grundlage des heutigen Auffuumlhrungstextes es gab jedoch leichteModifikationen und Modernisierungen ndash insbesondere um den Text von seinen antisemitischenAnklaumlngen zu befreien (vgl FinkSchwarzer Die ewige Passion S 27ndash48 sowie Holzheimeret al Leiden schafft Passion S 39f u S 62ndash91)

Diese Untertoumlne waren freilich ndash auch das ein Zugestaumlndnis an den Zeitgeist ndash zur Zeit desNazismus durchaus noch prominent hervorgehoben Und so sind die Passionsspiele im Jahrdes 300jaumlhrigen Jubilaumlums 1934 auch eher ein dunkles Kapitel von dem man in Oberammergaulieber schweigt oder beschwichtigend ablenkt Hitler indes der die Festspiele (schon 1930)persoumlnlich besucht hatte war durchaus angetan und bemerkte raquo[hellip] kaum je sei die juumldischeGefahr am Beispiel des antiken roumlmischen Weltreiches so plastisch dargestellt worden wiein der Darstellung des Pontius Pilatus bei diesen Festspielen erscheine dieser doch als einrassisch und intelligenzmaumlszligig so uumlberlegener Roumlmer daszlig er wie ein Fels inmitten des juumldischen

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Geschmeiszliges und Gewimmels wirkelaquo (Pickert Hitlers Tischgespraumlche S 604f zitiert nachHolzheimer et al Leiden schafft Passion S 97)12

Lieber als an den Besucher Hitler erinnert man sich an so beruumlhmte Gaumlste wie Koumlnig LudwigII von Bayern Lady Churchil Eisenhower Henry Ford Thomas Mann Ferdinand de RothschildRabindranath Tagore Richard Wagner oder den Prince of Wales die Indikatoren fuumlr dieinternationale Bekanntheit des Oberammergauer Passionsspiels sind Insbesondere in denletzten Jahren hat es aufgrund dieser Internationalisierung auch Professionalisierungsbestrebungengegeben Obwohl die Darsteller sich noch immer aus den Dorfbewohnern rekrutieren alsoLaienspieler sind war der Spielleiter des Jahres 2000 (Szenen siehe Abb 13 u 14) ChristianStuumlckl ein versierten Theatermann der auch schon bei den Muumlnchner Kammerspielen inszenierte(vgl Holzheimer et al Leiden schafft Passion S 13f)

Um den Ansturm der touristischen Massen in den Festspieljahren bewaumlltigen zu koumlnnen muszligdas Festspielgebaumlude entsprechend groszlig dimensioniert sein Dabei wurde sogar auf die allgegen-waumlrtige Luumlftl-Romantik verzichtet Wir finden einen eher sachlich-modernen funktionalenZweck-Bau vor (siehe nochmals Abb 12) Finanziell sind die Passionsspiele regelmaumlszligig eingroszliger Erfolg die Einnahmen flieszligen in die Gemeindekasse und werden fuumlr touristische Infrastruk-turmaszlignahmen genutzt (vgl ebd S 247) Der Erfolg und die existentielle Wichtigkeit fuumlr denoumlrtlichen Tourismus sorgen uumlbrigens dafuumlr daszlig das Spiel eine staumlndige Streitquelle am Ortist raquoPassioniertlaquo gestritten wird beispielsweise uumlber die Spielleiterwahl und nicht zuletztBesetzungsfragen und dies auch mit basisdemokatischen Instrumenten wie dem Buumlrgerentscheid(vgl ebd S 250ndash273)

Angesichts dieser Omnipraumlsenz der Passionsspiele im oumlrtlichen Leben kann man den Eindruckgewinnen Nicht Oberammergau inszeniert die Passionsspiele sondern die Passionsspieleinszenieren Oberammergau Denn auch dieser (Nicht-)Ort ist zwar ein Ort an dem Lebenin den Wohnraumlumen und oumlffentlichen Plaumltzen raquotatsaumlchlichlaquo stattfindet allerdings ist es in weitenTeilen kein Leben fuumlr sich sondern zum Zweck der (hyperrealen) Inszenierung

B) WEGE IN DIE WIRKLICHKEIT

Die Passionsspiele sind also nicht nur eine Metapher des Ortes sondern vielmehr eine ArtBlaupause fuumlr Oberammergau das wie eine unwirkliche Kulisse ndash ausstaffiert mit froumlmmelndemSchnitzwerk und illusionaumlrer Luumlftlmalerei ndash fuumlr den Passionstourismus wirkt Wie koumlnnte dieser

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1 Diese urbanen Knotenpunkte ndash die worauf Sassen hinweist selbst globalisierte und lokalisierteSub-Strukturen aufweisen ndash konstituieren eine subkutane Machtstruktur dh es gibt kein raumlumlichgeschlossenes Zentrum mehr Oder wie Hardt und Negri formulieren it is raquoa decentred and deterri-torialising apparatus of rule that progressively incorporates the entire global realm with its openexpanding frontierslaquo (Empire S XII)

2 Von Wallerstein dem Begruumlnder der Weltsystemtheorie stammt die Unterscheidung zwischenZentrum Peripherie und Semiperipherie

3 Marx und Engels haben die Globalisierung des Kapitals trotz ihrer Kritik an Kapitalismus undImperialismus wohl in ersterem Sinne gelesen denn sie bemerken zur historischen Rolle der Bourgeoisiedurchaus anerkennend raquoDie Bourgeoisie reiszligt durch die rasche Verbesserung aller Produktions-instrumente durch die unendlich erleichterten Kommunikationen alle auch die barbarischsten []Nationen in die Zivilisationlaquo (Ebd S 35)

4 Appadurai sieht darum auch das Denken in Kategrien von Peripherie und Zentrum als uumlberholtan Und neben moumlglichen Tendenzen eines nationalistischen oder fundamentalistischen Regressessieht er auch Raumlume im System der globalen Stroumlme entstehen die fuumlr progressive transnationaleAllianzen genutzt werden koumlnnen und die die individuellen Horizonte erweitern (vgl ebd S 308)

5 In aumlhnlicher Weise stellte uumlbrigens Henri Lefebvre bereits in den 1970er Jahren heraus daszlig dasUumlberleben des Kapitalismus aktuell entscheidend von seiner Faumlhigkeit abhaumlngt den (globalen) Raum

Ort der sich selbst in seiner fiktionalen Geschichte imaginierend gefangen haumllt in die Wirklichkeitdes 21 Jahrhunderts gefuumlhrt werden Oder ist Oberammergau in dieser Wirklichkeit vielleichtzu sehr verankert und muumlszligte es nicht vor ihr vielmehr bewahrt werden um (wieder) zu einemraquorealenlaquo einem wirk-lichen Ort zu werden

Mit der hyperrealen Inszenierung seiner Differenz ist der Passionsspielort Oberammergautatsaumlchlich in der Wirklichkeit der Globalisierung angekommen ndash und wird von ihr absorbiertDa es sich aber wie dargelegt um einen dialektischen Prozeszlig handelt ist nicht auszuschlieszligendaszlig die Prozesse der Lokalisierung die Dynamik der oumlkonomischen Globalisierung nicht nurfunktional ergaumlnzen sondern herausfordern Daszlig eine solche raquolokalelaquo Herausforderung allerdingsvom globalen Dorf Oberammergau herruumlhren wird ist eher unwahrscheinlich Viel eher duumlrftesie wohl von den tatsaumlchlichen raquoDoumlrfernlaquo des globalen Raum ausgehen dort wo die Fixierungauf den Ort das u-topische Beduumlrfnis seiner Uumlberwindung erzeugt

ANMERKUNGEN

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zu umgreifen weshalb die raumlumliche Betrachtungsweise die historische notwendig ergaumlnzen muumlsse(vgl La production de lrsquoespace)

6 Eine Ausnahme bilden hier allerdings die raquovirtuellenlaquo Welten der Vergnuumlgungsparks wie raquoDisneyWorldlaquo oder Kunstlandschaften wie das raquoProjekt Edenlaquo

7 Die hyperreale Simulation steht damit im expliziten Gegensatz zum Symbolischen (und Meta-phorischen) das weniger das Reale verdoppelt als Vielmehr eine (u-topische) Alternative darstellt(vgl ders Der symbolische Tausch und der Tod sowie im Uumlberblick Jain Medien der AnschuungS 122ndash133)

8 Foucault versteht unter Heterotopien raquowirkliche Orte wirksame Orte die in die Einrichtung derGesellschaft hineingezeichnet sind sozusagen Gegenplazierungen und Widerlager tatsaumlchlich realisierteUtopien in denen die wirklichen Plaumltze innerhalb der Kultur gleichzeitig repraumlsentiert bestrittenund gewendet sind gewissermaszligen Orte auszligerhalb aller Orte wiewohl sie tatsaumlchlich geortet werdenkoumlnnenlaquo (Andere Raumlume S 68) Dabei unterscheidet er zwischen Krisenheterotopien (besondereRaumlume fuumlr Menschen in einer besonderen Lage) Abweichungsheterotopien (wo das Abweichendeinterniert wird) lllusionsheterotopien (die einen illusionaumlren Raum darstellen so daszlig der Eintrittin diesen Raum tatsaumlchlich ein Verlassen des Raumes ist) und Kompensationsheterotopien (die kom-pensatorisch auf begrenztem Raum ein Ideal in der defizitaumlren Realitaumlt verwirklichen)

9 Die imaginierten (Nicht-)Orte koumlnnen also auch nicht als Illusions- oder Kompensationheterotopiengelten denn sie sind nicht die begrenzte Wirklichkeit eines Traums oder illusionaumlrer Raum des Anderensie stehen nicht im Gegensatz zur Realitaumlt sondern verdoppeln diese in ihrem imaginierten Raum

10 Edward Said der diesen Begriff praumlgte bemerkt raquo[hellip] the Orient has helped to define Europe(or the West) as its contrasting image idea personality experience Yet none of this Orient is merelyimaginative The Orient is an integral part of European material civilization and culturelaquo (OrientalismS 2)

11 Um exakt zu sein 74 Der Rest antwortete raquoSchnitzereilaquo (8) raquoPassionsspiele und Schnitzereilaquo(3) raquoliegt in Bayernlaquo (2) raquoliegt in Oumlsterreichlaquo (2) raquoschon gehoumlrtlaquo (3) Nur 4 der Befragtenkannten den Ort nicht (vgl ebd)

12 Wohl kaum ein Zufall Ausgerechnet jenes Gaumlstebuch in das Hitler sich eingetragen hat istmerkwuumlrdigerweise verschwunden Fuumlr naumlhere Details zur NS-Geschichte und -Verstrickung derPassionsspiele und Oberammergau vgl auch Shapiro Oberammergau S 137-ndash186 sowie UtschneiderOberammergau im Dritten Reich insb S 100ndash109

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Abbildung 1 Abbildung 2

Abbildung 3 Abbildung 4

Abbildung 5 (Quelle Werbeprospekt) Abbildung 6

ABBILDUNGEN

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Abbildung 9 Abbildung 10

Abbildung 11 Abbildung 12

Abbildung 13 (Quelle Postkarten) Abbildung 14 (Quelle Postkarte)

Abbildung 7 Abbildung 8

INFORMATIONSBLATT

Autor(Innen) Anil K JainTitel Imaginierte (Nicht-)OrteUntertitel Ein Besuch im raquoglobalen Dorflaquo OberammergauJahr der Abfassung 2002VersionAktualisierungsdatum 04042006Originaler Download-Link httpwwwpower-xsnetjainpubimaginierteortepdfErste Druckveroumlffentlichung The Discourse of Sociological Practice Vol 6 No 12004

S 51ndash60 (Englische Version)

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Page 3: EIN BESUCH IM GLOBALEN DORF BERAMMERGAU · aufspalten; es entstehen die separaten Sphären der »ethnoscapes«, »mediascapes«, »techno-scapes«, »financescapes« und »ideoscapes«,

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2 DER GRUNDWIDERSPRUCH DER GLOBALISIERUNG UND SEINE raquoKREATIVElaquo LOumlSUNG

Die Dialektik der Globalisierung spiegelt (damit) die allgemeine Dialektik der Moderne zwischenUniversalisierung und Fragmentisierung Integration und Differenzierung auf raumlumlicher Ebenendash und beinhaltet korrespondierende Widerspruumlche Genau die ausgreifende verallgemeinerndeuniversalistische Tendenz der Ordnung der Moderne zwingt naumlmlich mit der Realitaumlt konfrontiertzu Differenzierungen Das Allgemeine bringt ndash durch seine Widerspruumlche ndash das Besonderehervor Aumlhnlich verhaumllt es sich mit den Widerspruumlchen der Globalisierung

Es lassen sich einerseits bestimmte Tendenzen ausmachen daszlig sich die globalen Stroumlme (vonMenschen Bildern Apparaten Geld und Ideen etc) zunehmend in unverbundene Fluumlsseaufspalten es entstehen die separaten Sphaumlren der raquoethnoscapeslaquo raquomediascapeslaquo raquotechno-scapeslaquo raquofinancescapeslaquo und raquoideoscapeslaquo wie Appadurai aufzuzeigen versucht (vgl Disjunctureand Difference in the Global Cultural Economy)4 Der primaumlre und verbindende Antrieb derGlobalisierung bleibt dabei aber trotzdem die expansive Dynamik des Kapitalismus

Wenn man sich nun jedoch vergegenwaumlrtigt wie die kapitalistische Oumlkonomie funktioniertso ergibt sich ein grundlegender Widerspruch der Globalisierung Denn der Kapitalismus beruhtstark vereinfacht ausgedruumlckt auf der Ausbeutung von Differenz Es kann sich dabei etwa umein Machtgefaumllle (zwischen Kapital und Arbeit zwischen raquoErsterlaquo und raquoDritter Weltlaquo) einentechnologischen Vorsprung (vor der Konkurrenz) oder um kulturelle Differenzen handeln (dieExportchancen eroumlffnen oder neue Produktideen vermitteln) Verwirklicht wird der potentielleraquoMehrwertlaquo der sich durch solche Differenz realisieren laumlszligt in erster Linie durch ein Ausgreifenim Raum da nur durch Expansion die Erreichung raquokritischer Masselaquo bei der Produktion gesichertist und sich nur so neue noch ungesaumlttigte Maumlrkte erschlieszligen lassen Deshalb werden raumlumlicheDifferenzen zentral speziell fuumlr den fortgeschrittenen Kapitalismus und raquoohne lokale Unterschiedekoumlnnte Globalisierung nicht stattfindenlaquo (Jain Die raquoglobale Klasselaquo S 9) waumlre sie (zumindestoumlkonomisch) raquosinnloslaquo Dieser Umstand erklaumlrt einen guten Teil des neu erwachten Interessesfuumlr das Lokale und seine Besonderheit

Globalisierung als ein expansiver Prozeszlig bewirkt allerdings wie immer (oberflaumlchlich) lokalangepaszligt wo sie sich raquoannaumlherndlaquo verwirklicht dh den globalen Raum tatsaumlchlich ausfuumlllteine Homogenisierung eine ndash mitunter durchaus zwanghafte ndash Angleichung der globalen RaumlumeDer (fortgeschrittene nicht mehr national fixierte) Kapitalismus unterminiert also tendenzielldie Grundlage seiner Oumlkonomie (naumlmlich Differenz) durch seine globalisierende Dynamikdie schlieszliglich je mehr sie sich vollendet genau die fuumlr sein (notwendiges) raquoWachstumlaquo grund-

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legenden raumlumlichen Differenzen einebnet Wie kann dieses Dilemma dieser Widerspruchraquogeloumlstlaquo werden Es bleibt letztlich nur ein Ausweg Differenzen muumlssen kuumlnstlich generiertes muumlssen differente Raumlume imaginiert und kreiert werden die das oumlkonomische Beduumlrfnisnach (verwertbarer ausbeutbarer) Differenz befriedigen koumlnnen Die ausgreifende Bewegungder (oumlkonomischen) Globalisierung eliminiert also Differenz ndash durch ihre eigene Dynamikaber auch gezielt uumlberall dort wo Differenz als Abweichung aufscheint und Widerstaumlndigkeitentfaltet Und doch bleibt Differenz der Motor und die Grundlage von Globalisierung So werdenbestimmte raquonuumltzlichelaquo Formen von Differenz (wie Armut oder auch ein harmloses aber Interesseweckendes kulturelles raquoKoloritlaquo) wo sie zu entschwinden drohen kuumlnstlich und gewaltsamaufrecht erhalten oder gegebenenfalls auch kreativ erzeugt (vgl auch Jain Differences inDifference)

3 IMAGINIERTE (NICHT-)ORTE DIE FRAGE DES RAUMS UND DER ORTE IN DER GLOBALI-SIERUNGSDIALEKTIK

Durch Globalisierung wird also die Kategorie des Raumes (und seiner Differenzen) zu einerzentralen Kategorie Und dies betrifft keineswegs ausschlieszliglich die Sphaumlre der Oumlkonomiesondern die gesamte Kultur und Gesellschaft Es kommt wie Fredric Jameson angesichts dervon ihm diagnostizierten Dominanz der Raumlogik bemerkt zu einem Zusammenbruch derZeitlichkeit Dies wiederum fuumlhrt durch den Verlust an historischem Bewuszligtsein zu Phaumlnomenender raquoPastichisierunglaquo und der kulturellen raquoVerflachunglaquo Notgedrungen muszlig raquoein unserer Situationangemessenes Modell der [hellip] Kultur [hellip] die Frage des Raums zur wichtigsten Problemstellungmachenlaquo (Zur Logik der Kultur im Spaumltkapitalismus S 96) ndash um zu einem angemessenen Bildder sozialen und kulturellen Landschaften gelangen zu koumlnnen5

Diese (reale) Bedeutung des Raumes (und seiner Gefaumllle) die es konzeptionell zu spiegelngilt bedeutet allerdings keineswegs daszlig der konkrete Ort an tatsaumlchlicher Relevanz gewaumlnneIm raquospace of flowslaquo der Netzwerkgesellschaft verliert der Ort tendenziell seine Spezifik undBedeutung (vgl auch Castells The Rise of the Network Society) Denn ein spezifischer konkreterOrt der sich eine eigenstaumlndige Charakteristik bewahrt laumlszligt sich in das globale Netzwerk desfluiden Kapitals moumlglichweise nicht nahtlos integrieren entfaltet eventuell einen widerstaumlndigenraquoEigensinnlaquo (als raquoOrtssinnlaquo) Gefragt sind also Orte die raquounbestimmtlaquo die austauschbar sindsich frei (ver)formen und gestalten lassen Die Widerstaumlndigkeit des konkreten Ortes die sichdurch eine Verankerung in Geschichte und Kultur und aus der Verflechtung mit der konkretenLebenswelt der Menschen ergibt muszlig also durch die absorbierende und zugleich entbettende

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Kraft der Globalisierung aufgeloumlst werden um die Orte in das globale Netzwerk zu integrierenEs entstehen (hyper)reale Nicht-Orte

Nicht-Orte das sind wenn man Michel de Certeau folgt der diesen Begriff gepraumlgt hat (sym-bolische) Orte die zwar benannt werden koumlnnen einen Namen tragen aber keinen tatsaumlchlichoumlrtlichen Charakter (als strukturierter Handlungsraum) aufweisen Sie sind (urbane) Raumlumedes Voruumlbergehens ruhelose Plaumltze des Herumirrens der endlosen Suche der Abwesenheit(vgl Die Kunst zu Handeln S 197ff) Es sind wie Marc Augeacute ergaumlnzend und konkretisierendherausgestellt hat identitaumltslose Orte die keine realen Beziehungen zu anderen Orten aufweisenund keine raquoGeschichtelaquo besitzen es sind die rein zweckgebundenen Raumlume der Passagewie Wartehallen oder Autobahnen zu denen ihre raquoNutzerlaquo keine wirkliche Beziehung finden(vgl Orte und Nicht-Orte insb S 92f und S 110ff)

Ich will hier allerdings unter Nicht-Orten weniger solche rein funktionalen Orte der Passageverstehen sondern vielmehr raquohyperrealelaquo imaginierte raquoOrt-schaftenlaquo die aus ihrem (lebens-weltlichen) Kontext entbettet wurden um ihr Gesicht frei gestalten zu koumlnnen um ihre Differenzndash in Konkurrenz zu anderen Orten ndash positiv herauszustellen und zu inszenieren Denn dieseparadoxe Inszenierung der Differenz des konkreten Ortes ist es wozu die angleichende Dynamikder Globalisierung zwingt wenn der Ort seine Position im globalen Netzwerk behalten oderverbessern will

Die Nicht-Orte der Globalisierung sind folglich imaginierte Orte Sie sind nach bestimmtenVorstellungen erschaffen oder (um)gestaltet Sie haben zugleich realen und unwirklichen Charak-ter Aumlhnlich wie die vorgestellten Gemeinschaften der Nation im historischen Prozeszlig schlieszliglichraquoFormlaquo annahmen und zu einer die aktuelle Gegenwart noch immer bestimmenden raquoRealitaumltlaquowurden (vgl Anderson Die Erfindung der Nation) so stellen die imaginierten (Nicht-)Orteeine oumlrtliche Realitaumlt dar die ndash in der Inszenierung ihrer fiktiven Charakteristik ndash an raquoMomentumlaquogewinnt Ab einen gewissen Zeitpunkt sind diese imaginierten Orte also nicht nur die Spiegelungjener Vorstellung(en) die sie geformt haben sondern sie erreichen tatsaumlchlich sogar ein raquounvor-stellbareslaquo Ausmaszlig an Wirklichkeit

Sie muumlssen diese gesteigerte Form des raquoWirklichenlaquo annehmen um ihre Besonderheit glaub-wuumlrdig herausstellen zu koumlnnen um Kapital Investitionen oder Besucher etc erfolgreich anziehenand anbinden zu koumlnnen Zumeist verkleiden sie ihren raquoKunstcharakterlaquo dabei in einer Authen-tizitaumltsfiktion denn sonst wuumlrde der raquoZauber der Differenzlaquo nur schwer funktionieren6 Ihrevorgestellte Authentizitaumlt muumlssen sie auf die Spitze treiben sie sind glatte Raumlume ohne

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Verwerfungen ohne Reibungspunkte ohne Widerstandspotentiale Sie verdoppeln auf eineperfektionierte Weise ihre erdachte Wirklichkeit sie sind sie wirklicher als das Wirkliche eshandelt sich um hyperreale Simulakren von Orten (vgl zur hyperrealen Simulation BaudrillardDie Simulation)7

Als hyperreale Nicht-Orte sind sie dem Nicht-Ort der U-topie radikal entgegengesetzt Sieeliminieren alle alternativen Vorstellungen durch ihre Glaumltte ihre reibungslose Faktizitaumlt DieImagination der Utopie ist im imaginierten Nicht-Ort in Wirklichkeit erstarrt (und damit alsHorizont aufgegeben) oder wie Baudrillard ganz allgemein zur raquocondition postmodernelaquo bemerktraquoder Himmel der Utopie ist auf die Erde herabgekommenlaquo (Die fatalen Strategien S 85)

Die imaginierten (Nicht-)Orte inszenieren zwar durch Hyperrealitaumlt ihre Differenz zu anderenOrten aber sie sind auch keine Heterotopien8 Denn sie sind weder raquoandere Raumlumelaquo in demSinn daszlig sie das Andere das Abweichende umschlieszligen und eingrenzen wuumlrden wie etwaGefaumlngnisse oder raquoIrrenanstaltenlaquo noch sind sie Orte wo widerstaumlndige Praktiken ihren realenOrt und Raum der Entfaltung faumlnden Denn alles Inkompatible zu jenem raquoTraumlaquo den sieinszenieren um sich im globalen Differenzraum zu positionieren bleibt notwendig ausgeklam-mert wird aussortiert und ausgeschlossen Ihre Differenz geht so auf in Identitaumlt als Herraus-stellung eines Besonderen das aber in Uumlbereinstimmung mit dem Allgemeinen der Normdes Faktischen steht Sie sind Orte eines paradoxen auf Inszenierung von Differenz gegruumlndetenraquoIdentitaumltszwangslaquo (Adorno) den die oumlkonomiegetriebene Dynamik der Globalisierung bewirkt9

Die imaginierten (Nicht-)Orte teilen den ausschlieszligenden und differenten Charakter somitmit den peripheren Raumlumen nur ist deren Nichtigkeit und Differenz anderer Natur Dieperipheren marginalen Regionen im Raum der Globalisierung sind raquoanderslaquo da fuumlr sie andereRegeln und andere Standards gelten etwa weil sie als Orte benoumltigt werden wo kostenguumlnstigproduziert werden kann Diese Form der Differenz wird gewaltvoll etabliert und aufrecht erhalten(sei des durch neokoloniale Praktiken oder tarifaumlre Diskriminierungen etc) Die peripherenRegionen (unabhaumlngig von ihrer raquotatsaumlchlichenlaquo geographischen Lage) sind jedenfalls nur partiellintegriert in das Netzwerk der Globalisierung ndash dort wo sie als Produktionsstandort oderAbsatzmarkt fungieren Ansonsten sind sie ausgeschlossen und dieser Ausschluszlig gilt auchraquosymbolischlaquo dh sie sind als Gegenstand der Vorstellung nicht in das globalen Bewuszligtseinintegriert sie sind nicht existent

Die imaginierten Orte dagegen sind im globalen Bewuszligtsein und Raum (omni)praumlsent Siegehoumlren zu den privilegierten Raumlumen und muumlssen doch um ihr Privileg zu genieszligen den

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Preis der Anpassung zahlen Sie muumlssen ihre Besonderheit kreieren herausstellen und staumlndigneu erschaffen Und dabei muumlssen sie darauf bedacht sein daszlig sie ihre Besonderheit nichtdie Form der stoumlrenden Abweichung annimmt Der permanente Zwang zur hyperrealen Ins-zenierung und immer wieder neuen Erschaffung ihrer Differenz verhindert dabei daszlig sie zuwirk-lichen Orten werden Orten des Seins der Begegnung des Andersseins

4 DAS raquoGLOBALE DORFlaquo OBERAMMERGAU ALS IMAGINIERTER (NICHT-)ORT

Wie aber ist ein solcher imaginierter (Nicht-)Ort konkret vorzustellen Dies kann nur exemplarischgeschehen Als raquorealeslaquo Beispiel dient mir deshalb hier der oberbayerische Ort OberammergauEs handelt sich um ein raquoglobal villagelaquo ndash ein raquoWeltdorflaquo das seinen Platz in den raquoChartslaquo desDeutschland-Tourismus gefunden hat und dessen Ruhm als Alpenidylle und Passionsspiel-Schauplatz in raquoalle Weltlaquo vorgedrungen ist

Warum aber habe ich genau dieses und kein anderes Beispiel gewaumlhlt Mit dem Ort Oberam-mergau verbindet mich eine persoumlnliche Geschichte und Erinnerung in welcher der Eindruckeines unwirklichen Ortes zutiefst lebendig ist Es ist ein Ort an dem meine Mutter den groumlszligtenTeil ihrer Jugend verbracht hat den ich aus ihrer Erzaumlhlung erinnere und wo meine Groszligtantenoch heute lebt Ein Ort an dem ich sowohl die Absurditaumlt von Familienritualen wie die Uner-wuumlnschtheit als raquoandererlaquo erfahren durfte Ein Ort dessen Wege ich aus Langeweile erkundethabe und der mir schon als Kind wie eine Theaterkulisse erschien Heute ist mir bewuszligt warumdieser Eindruck entstand Oberammergau ist einer jener imaginierten (Nicht-)Orte von denenoben die Rede war

A) GESCHICHTE(N) FAKTEN UND FIKTIONEN DIE ERFINDUNG VON OBERAMMERGAU

Oberammergau nennt sich selbst gerne raquodas beruumlhmteste Dorf der Weltlaquo Im Jahr 910 alsder Ort zum ersten Mal urkundlich erwaumlhnt wurde handelte es sich aber noch um einenunbedeutenden Flecken im bayerischen Oberland Es liegt ca 90 km suumldwestlich von Muumlnchenauf 1136 oumlstlicher Laumlnge und 4736 noumlrdlicher Breite Die Gemeinde umfaszligt eine Gesamtflaumlchevon 3005 ha und hat derzeit ca 5000 Einwohner

Wie begreift und vor allem wie stellt sich dieser Ort dessen herausragende Besonderheiteinem nicht unbedingt sofort ins Auge springt selbst dar welche kreative Imagination liegt

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ihm zugrunde In einem aktuellen Werbeprospekt der Gemeinde heiszligt es in dieser Hinsichtuumlberaus Aufschluszligreich

raquoDas Auge wird nicht statt Siehrsquo dir das an Die Haumluser die Geschichten erzaumlhlen die maumlrchenhaften Schloumlsser

die Berge mit denen das Land ausklingt Das ist dein Urlaub in Oberammergaulaquo

Und weiterhin heiszligt es

raquoWo kann man sich besser treffen als in einem Ort der es gewohnt ist die Welt zu Gast zu haben Einmal

im Jahrzehnt sind es die Passionsspiele die nach Oberammergau fuumlhren Zwischendurch sind die einzigartige

Verbindung aus Natur und Kultur oder das Schnitz- und Kunsthandwerk Anlass genug sich hier zu treffenlaquo

Offenbar will dieser Ort mit seiner sinnlich erfahrbaren Historie verfuumlhren Natur und Kulturverbinden sich zu einem touristischen Hybridraum der nicht nur visuelle Anreize bietet sondernauch Geschichten zu erzaumlhlen hat Und doch scheint es selbst im Prospekttext fast so als seidas raquonormalelaquo Leben in Oberammergau ein Stillstand eine Zwischenzeit eine Pause zwischenden Auffuumlhrungen des Passionsspiels

Das Passionsspiel das alle 10 Jahre in Oberammergau zur Darbietung gebracht wird ist alsozentral fuumlr die Imagination dieses Ortes fuumlr seine inszenierte Differenz und fiktionale IdentitaumltDas ganze Leben des Ortes dreht sich um die Passions-Auffuumlhrung (die gleichzeitig den Kernder Inszenierung des Ortes darstellt) Es ist der (temporaumlre) Fix-Punkt um den herum sichdie anderen wichtigen Elemente des herausgekehrten Selbstbildes gruppieren die Umgebungund Natur die Oberammergau mit vielen anderen Alpendoumlrfern teilen muszlig und die sichdeshalb nur schwer zur Inszenierung einer spezifischen Besonderheit nutzen laumlszligt nur einenadditiven raquoMehrwertlaquo darstellt Dann ist da das Kunsthandwerk die raquoLuumlftlmalereilaquo und dieSchnitzkunst fuumlr die der Ort bekannt ist Aber was den eigentlichen Kern der imaginiertenIdentitaumlt ausmacht ist eben das Passionsspiel

Doch bevor wir zu diesem Kern vorstoszligen Untersuchen wir welchen raquoimaginativenlaquo Beitragdas Kunsthandwerk leistet Die Legende behauptet daszlig die Tradition des Schnitzhandwerksin Oberammergau in das raquomagischelaquo Jahr 1111 gruumlndet ndash durch den Anstoszlig von vier Laienbruumlderndes nahen Klosters Rottenbuch In Dokumenten finden sich erste Erwaumlhnungen dieses Handwerksaber erst um das Jahr 1520 Der profane Grund fuumlr seine Entstehung war daszlig es sich um einsehr armes laumlndliches Gebiet handelte so daszlig die Bauern zur Existenzsicherung gezwungenwaren einen Nebenerwerb aufzunehmen Da das Schnitzhandwerk zu Hause auf den Houmlfen

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ausgeuumlbt werden konnte in der Umgebung reichlich Holz vorhanden war und eine gute Anbin-dung an Handelswege bestand etablierte sich in der Region eine in Familientradition fortgefuumlhrteraquoHeimindustrielaquo mit wechselhafter Konjunktur und seit dem 18 Jahrhundert in Schwung gehaltenvon sogenannten raquoVerlegernlaquo Zwischenhaumlndlern die sich ihren Profit durch raquoKnebelvertraumlgelaquound ein zu oumlkonomischer Abhaumlngigkeit fuumlhrendes Vorschuszlig-System auf niedrigem Entlohnungs-niveau sicherten Die Verleger sorgten allerdings dafuumlr daszlig man sich auch uumlberregional undim Ausland als Ort der raquoHerrgottsschnitzerlaquo einen Namen machte dh ndash neben Kinderspielzeugndash wurden in erster Linie Kruzifixe Krippen und Heiligenstatuen hergestellt (Vgl Heynald-GraefeOberammergauer Schnitzkunst sowie Groumlber Alte Oberammergauer Hauskunst)

Das Schnitzhandwerk praumlsentiert sich aktuell gereinigt von seiner raquoAumlrmlichkeitlaquo ist fuumlr dieca 150 ortsansaumlssigen Kunsthandwerker ein durchaus eintraumlgliches Geschaumlft und das Verlags-system gehoumlrt selbstverstaumlndlich der Vergangenheit an Gefertigt wird fuumlr den touristischenMarkt und das Angebot ist entsprechend diversifiziert Die Broschuumlre raquoKunsthandwerk inOberammergaulaquo faszligt treffend zusammen raquoSie koumlnnen Sakrales und Profanes finden DekorativesSkurriles in Faszligmalerei gestaltete Schnitzwerke oder traditionelle Hinterglasmalereilaquo (S 5)Mit anderen Worten Die Bandbreite reicht vom traditionalistischen Mimikry bis zum Touristen-kitsch (siehe Abb 1) Das kreierte Image der im Religioumlsen verankerten Tradition ndash mit merkantilenVerbeugungen vor dem Zeitgeist ndash paszligt sich dabei trefflich in die Imagination des Passions-spielsdorfes Die Tradition wird dabei gewissermaszligen neu erfunden Was aus der Not geborenwurde wird raquokunstgerechtlaquo in Szene geruumlckt von stoumlrenden Elementen gereinigt und alstouristisches raquoAushaumlngeschildlaquo genutzt Interessanterweise finden sich dabei auch Elementedes raquoOrientalismuslaquo10 insbesondere bei Krippenfiguren so daszlig es beispielsweise durchausnichts Ungewoumlhnliches ist als dekorativen Wegweiser ein houmllzernes Kamel auf dem Dorfplatzvorzufinden (siehe Abb 2)

Auch die raquoLuumlftlmalereilaquo ergaumlnzt ideal in das Bild das sich der Ort von sich selbst geschaffenhat um seine Besonderheit zu inszenieren Oberammergau ist keineswegs der einzige Ort andem die Fassaden traditionell mit Auszligenfresken verziert sind sondern dies ist eine im suumlddeutschenRaum durchaus verbreitete Form des Fassadenschmucks (vgl Rattelmuumlller Luumlftlmalerei inOberbayern) Allerdings hat Oberammergau immerhin einige spektakulaumlre Beispiele zu bietenDas beruumlhmteste und praumlchtigste ist das Pilatus-Haus das 177475 erbaut wurde (siehe Abb3) Es traumlgt diesen Namen nach dem Fresko raquoChristus vor Pilatuslaquo das eine ganze Hausseiteeinnimmt (siehe Abb 4) und von dem bekannten oumlrtlichen Kuumlnstler Franz Seraph Zwinck stammt(vgl auch Koch et al Franz Seraph Zwinck) Das Fresko fuumlgt sich in seiner Aussage nahtlos indie Passionsinszenierung des Ortes ein denn es stellt eine Szene dar die innerhalb der Passions-

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geschichte zentral ist Selbst der Aufbau des Freskos gleicht einer (barocken) Theaterkulisse Dabeiist auch hier der raquoOrientalismuslaquo auffaumlllig etwa indem die Juden (historisch unrichtig aber derdamaligen Orient-Begeisterung entsprechend) mit Turban dargestellt werden ndash ein raquoexotischeslaquoMotiv auf das man selbst in aktuellen Fremdenverkehrskatalogen noch gerne rekurriert (sieheAbb 5) Und das so (entfremdet) dargestellte raquoanderelaquo kommt denkbar schlecht weg handeltes sich doch bei der Szene um eine Art biblische Variante der Verschwoumlrungstheorie von derjuumldisch-kapitalistischen Weltverschwoumlrung bei der Judas mit dem juumldischen Establishment undder Weltmacht Rom (in Person des Statthalters Pilatus) gemeinsame Sache macht um Christuszu verraten Nicht alle Fresko-Darstellungen sind freilich so hochgradig ideologisch aufgeladensondern zeigen beispielsweise auch raquoharmloselaquo Musikantenszenen (siehe Abb 6) oder greifendas Passionsspiel-Thema als raquoZitatlaquo direkt auf (siehe Abb 7)

Wenn man den Ortskern durchschreitet so faumlllt die groszlige Ordnung und raquopeinlichelaquo Sauberkeitauf die trotz der Touristenstroumlme herrscht Alles geht raquowohlgeordnetlaquo zu und es finden sichkaum Ausreiszliger aus der Luumlftl-Idylle Allerdings gibt es durchaus fragwuumlrde miszliggluumlckte Versuchesowohl des raquoHistorismuslaquo sowie der Synthese mit der Moderne (siehe Abb 8 u 9) Und esfinden sich selbstverstaumlndlich ndash trotz aller Versuche einen moumlglichst raquoauthentischenlaquo Eindruckzu bewahren ndash Anzeichen von Globalisierung etwa wenn statt heimischer Gewaumlchse Agavendie Fassade zieren (siehe Abb 10) Der oumlffentliche Raum ist dabei ganz auf die Beduumlrfnissedes Tourismus zugeschnitten Man kann sich in einer ganzen Fuumllle von Straszligencafeacutes undGasthoumlfen mit traditioneller bayerischer Kost bewirten lassen Als ein etwas irritierender Fremd-koumlrper wirkt nur die kleine Touristenbahn die ohne Unterlaszlig ihre Runden im Dorf zieht umden Besuchern die Sehenswuumlrdigkeiten des Ortes naumlherzubringen (siehe Abb 11) Aber auchfuumlr den ndash zumeist betagten ndash Fuszliggaumlnger ist alles gut ausgeschildert und fuumlr ausreichend Parkplaumltzist beim Festspielhaus gesorgt das leicht uumlberdimensioniert wirkt und am Rand des Ortskernsliegt aber doch das eigentliche Zentrum darstellt (siehe Abb 12)

Denn die ganze Idee und Wirklichkeit von Oberammergau kreist wie erlaumlutert um die Passions-spiele Das spiegelt sich auch im Bewuszligtsein der Besucher und der Allgemeinheit wiederEine kleine Befragung zufaumlllig ausgewaumlhlter Passanten ergab die uumlberwiegende Mehrheit identi-fiziert den Ort alleine mit den Passionsspielen obwohl diese nur alle 10 Jahre stattfinden (vglFinkSchwarzer Die ewige Passion S 15f)11 Um deren Entstehung rankt sich eine Legendedie sich in verschiedenen Quellen bis ins 18 Jahrhundert zuruumlckverfolgen laumlszligt und noch heutegerne werbewirksam wiedergegeben wird Es galt als die Pest im Jahr 1633 schlieszliglich ihrenWeg ndash durch einen erkrankten Knecht der sich heimlich in den Ort einschlich ndash auch nachOberammergau gefunden und in kuumlrzester Zeit eine Reihe von Toten gekoste hatte ein Wunder

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zu bewirken Also besann man sich auf die Religion und gelobte alle zehn Jahre die LeidenChristi zur allgemeinen Laumluterung aufzufuumlhren ndash und um sich vor der Bedrohung der Pestin Zukunft geschuumltzt zu wissen Die historische Exaktheit dieser Version uumlber die Entstehungdes Passionsspiels kann angezweifelt werden allerdings gilt als relativ gesichert daszlig in etwain diesem Zeitraum die Pest tatsaumlchlich im Ort gewuumltet hatte und nur wenig spaumlter zum erstenmal eine Auffuumlhrung stattfand Mit seinem Christusspiel das als eine Art Tauschgeschaumlft Passiongegen Protektion gelten kann war Oberammergau freilich damit eher verspaumltet in anderenOrten auch der naumlheren Umgebung gab es aumlhnliches schon lange zuvor Allerdings hielt sichdiese Tradition in Oberammergau hartnaumlckiger ndash und das zum aktuellen oumlkonomischen Nutzen(Vgl ebd S 17ff sowie Shapiro Oberammergau S 101ndash136)

Uumlber das Oberammergauer Passionsspiel ist viel (wahrscheinlich zu viel) geschrieben wordendeshalb moumlchte ich hier nur auf einige Aspekte kurz eingehen die damit zu tun haben wiesich der Ort durch die Passionsspiele neu erfunden hat und sich dadurch als differenterbesonderer Ort praumlsentiert Die Tradition wird dafuumlr in durchaus kreativer Weise umgeformtund immer wieder an die neuen Erfordernisse der Zeit angepaszligt Dies zeigt sich einerseitsam Text Die aumllteste erhaltene Textfassung datiert auf das Jahr 1662 setzt sich zusammen ausverschiedenen Versatzstuumlcken anderer Passionsspiele war aber selbst bereits raquouumlberarbeitetlaquound ist lange nicht mehr im Gebrauch Im folgenden wurde der Text immer wieder erweitertund mit mehr dramatischen Elementen versehen Dies hatte zur Folge daszlig gerade die offizielleKirche und der Staat dem Passionsspieltreiben kritisch gegenuumlber eingestellt waren 1770 erfolgtegar ein (erstes) Auffuumlhrungsverbot Ende des 18 Jahrhunderts kam es deshalb zu raquoBereinigungenlaquoDie neuerliche Uumlberarbeitung durch den Ortspfarrer Daisenberger zu Beginn des 19 Jahrhundertsist im wesentlichen auch die Grundlage des heutigen Auffuumlhrungstextes es gab jedoch leichteModifikationen und Modernisierungen ndash insbesondere um den Text von seinen antisemitischenAnklaumlngen zu befreien (vgl FinkSchwarzer Die ewige Passion S 27ndash48 sowie Holzheimeret al Leiden schafft Passion S 39f u S 62ndash91)

Diese Untertoumlne waren freilich ndash auch das ein Zugestaumlndnis an den Zeitgeist ndash zur Zeit desNazismus durchaus noch prominent hervorgehoben Und so sind die Passionsspiele im Jahrdes 300jaumlhrigen Jubilaumlums 1934 auch eher ein dunkles Kapitel von dem man in Oberammergaulieber schweigt oder beschwichtigend ablenkt Hitler indes der die Festspiele (schon 1930)persoumlnlich besucht hatte war durchaus angetan und bemerkte raquo[hellip] kaum je sei die juumldischeGefahr am Beispiel des antiken roumlmischen Weltreiches so plastisch dargestellt worden wiein der Darstellung des Pontius Pilatus bei diesen Festspielen erscheine dieser doch als einrassisch und intelligenzmaumlszligig so uumlberlegener Roumlmer daszlig er wie ein Fels inmitten des juumldischen

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Geschmeiszliges und Gewimmels wirkelaquo (Pickert Hitlers Tischgespraumlche S 604f zitiert nachHolzheimer et al Leiden schafft Passion S 97)12

Lieber als an den Besucher Hitler erinnert man sich an so beruumlhmte Gaumlste wie Koumlnig LudwigII von Bayern Lady Churchil Eisenhower Henry Ford Thomas Mann Ferdinand de RothschildRabindranath Tagore Richard Wagner oder den Prince of Wales die Indikatoren fuumlr dieinternationale Bekanntheit des Oberammergauer Passionsspiels sind Insbesondere in denletzten Jahren hat es aufgrund dieser Internationalisierung auch Professionalisierungsbestrebungengegeben Obwohl die Darsteller sich noch immer aus den Dorfbewohnern rekrutieren alsoLaienspieler sind war der Spielleiter des Jahres 2000 (Szenen siehe Abb 13 u 14) ChristianStuumlckl ein versierten Theatermann der auch schon bei den Muumlnchner Kammerspielen inszenierte(vgl Holzheimer et al Leiden schafft Passion S 13f)

Um den Ansturm der touristischen Massen in den Festspieljahren bewaumlltigen zu koumlnnen muszligdas Festspielgebaumlude entsprechend groszlig dimensioniert sein Dabei wurde sogar auf die allgegen-waumlrtige Luumlftl-Romantik verzichtet Wir finden einen eher sachlich-modernen funktionalenZweck-Bau vor (siehe nochmals Abb 12) Finanziell sind die Passionsspiele regelmaumlszligig eingroszliger Erfolg die Einnahmen flieszligen in die Gemeindekasse und werden fuumlr touristische Infrastruk-turmaszlignahmen genutzt (vgl ebd S 247) Der Erfolg und die existentielle Wichtigkeit fuumlr denoumlrtlichen Tourismus sorgen uumlbrigens dafuumlr daszlig das Spiel eine staumlndige Streitquelle am Ortist raquoPassioniertlaquo gestritten wird beispielsweise uumlber die Spielleiterwahl und nicht zuletztBesetzungsfragen und dies auch mit basisdemokatischen Instrumenten wie dem Buumlrgerentscheid(vgl ebd S 250ndash273)

Angesichts dieser Omnipraumlsenz der Passionsspiele im oumlrtlichen Leben kann man den Eindruckgewinnen Nicht Oberammergau inszeniert die Passionsspiele sondern die Passionsspieleinszenieren Oberammergau Denn auch dieser (Nicht-)Ort ist zwar ein Ort an dem Lebenin den Wohnraumlumen und oumlffentlichen Plaumltzen raquotatsaumlchlichlaquo stattfindet allerdings ist es in weitenTeilen kein Leben fuumlr sich sondern zum Zweck der (hyperrealen) Inszenierung

B) WEGE IN DIE WIRKLICHKEIT

Die Passionsspiele sind also nicht nur eine Metapher des Ortes sondern vielmehr eine ArtBlaupause fuumlr Oberammergau das wie eine unwirkliche Kulisse ndash ausstaffiert mit froumlmmelndemSchnitzwerk und illusionaumlrer Luumlftlmalerei ndash fuumlr den Passionstourismus wirkt Wie koumlnnte dieser

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1 Diese urbanen Knotenpunkte ndash die worauf Sassen hinweist selbst globalisierte und lokalisierteSub-Strukturen aufweisen ndash konstituieren eine subkutane Machtstruktur dh es gibt kein raumlumlichgeschlossenes Zentrum mehr Oder wie Hardt und Negri formulieren it is raquoa decentred and deterri-torialising apparatus of rule that progressively incorporates the entire global realm with its openexpanding frontierslaquo (Empire S XII)

2 Von Wallerstein dem Begruumlnder der Weltsystemtheorie stammt die Unterscheidung zwischenZentrum Peripherie und Semiperipherie

3 Marx und Engels haben die Globalisierung des Kapitals trotz ihrer Kritik an Kapitalismus undImperialismus wohl in ersterem Sinne gelesen denn sie bemerken zur historischen Rolle der Bourgeoisiedurchaus anerkennend raquoDie Bourgeoisie reiszligt durch die rasche Verbesserung aller Produktions-instrumente durch die unendlich erleichterten Kommunikationen alle auch die barbarischsten []Nationen in die Zivilisationlaquo (Ebd S 35)

4 Appadurai sieht darum auch das Denken in Kategrien von Peripherie und Zentrum als uumlberholtan Und neben moumlglichen Tendenzen eines nationalistischen oder fundamentalistischen Regressessieht er auch Raumlume im System der globalen Stroumlme entstehen die fuumlr progressive transnationaleAllianzen genutzt werden koumlnnen und die die individuellen Horizonte erweitern (vgl ebd S 308)

5 In aumlhnlicher Weise stellte uumlbrigens Henri Lefebvre bereits in den 1970er Jahren heraus daszlig dasUumlberleben des Kapitalismus aktuell entscheidend von seiner Faumlhigkeit abhaumlngt den (globalen) Raum

Ort der sich selbst in seiner fiktionalen Geschichte imaginierend gefangen haumllt in die Wirklichkeitdes 21 Jahrhunderts gefuumlhrt werden Oder ist Oberammergau in dieser Wirklichkeit vielleichtzu sehr verankert und muumlszligte es nicht vor ihr vielmehr bewahrt werden um (wieder) zu einemraquorealenlaquo einem wirk-lichen Ort zu werden

Mit der hyperrealen Inszenierung seiner Differenz ist der Passionsspielort Oberammergautatsaumlchlich in der Wirklichkeit der Globalisierung angekommen ndash und wird von ihr absorbiertDa es sich aber wie dargelegt um einen dialektischen Prozeszlig handelt ist nicht auszuschlieszligendaszlig die Prozesse der Lokalisierung die Dynamik der oumlkonomischen Globalisierung nicht nurfunktional ergaumlnzen sondern herausfordern Daszlig eine solche raquolokalelaquo Herausforderung allerdingsvom globalen Dorf Oberammergau herruumlhren wird ist eher unwahrscheinlich Viel eher duumlrftesie wohl von den tatsaumlchlichen raquoDoumlrfernlaquo des globalen Raum ausgehen dort wo die Fixierungauf den Ort das u-topische Beduumlrfnis seiner Uumlberwindung erzeugt

ANMERKUNGEN

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zu umgreifen weshalb die raumlumliche Betrachtungsweise die historische notwendig ergaumlnzen muumlsse(vgl La production de lrsquoespace)

6 Eine Ausnahme bilden hier allerdings die raquovirtuellenlaquo Welten der Vergnuumlgungsparks wie raquoDisneyWorldlaquo oder Kunstlandschaften wie das raquoProjekt Edenlaquo

7 Die hyperreale Simulation steht damit im expliziten Gegensatz zum Symbolischen (und Meta-phorischen) das weniger das Reale verdoppelt als Vielmehr eine (u-topische) Alternative darstellt(vgl ders Der symbolische Tausch und der Tod sowie im Uumlberblick Jain Medien der AnschuungS 122ndash133)

8 Foucault versteht unter Heterotopien raquowirkliche Orte wirksame Orte die in die Einrichtung derGesellschaft hineingezeichnet sind sozusagen Gegenplazierungen und Widerlager tatsaumlchlich realisierteUtopien in denen die wirklichen Plaumltze innerhalb der Kultur gleichzeitig repraumlsentiert bestrittenund gewendet sind gewissermaszligen Orte auszligerhalb aller Orte wiewohl sie tatsaumlchlich geortet werdenkoumlnnenlaquo (Andere Raumlume S 68) Dabei unterscheidet er zwischen Krisenheterotopien (besondereRaumlume fuumlr Menschen in einer besonderen Lage) Abweichungsheterotopien (wo das Abweichendeinterniert wird) lllusionsheterotopien (die einen illusionaumlren Raum darstellen so daszlig der Eintrittin diesen Raum tatsaumlchlich ein Verlassen des Raumes ist) und Kompensationsheterotopien (die kom-pensatorisch auf begrenztem Raum ein Ideal in der defizitaumlren Realitaumlt verwirklichen)

9 Die imaginierten (Nicht-)Orte koumlnnen also auch nicht als Illusions- oder Kompensationheterotopiengelten denn sie sind nicht die begrenzte Wirklichkeit eines Traums oder illusionaumlrer Raum des Anderensie stehen nicht im Gegensatz zur Realitaumlt sondern verdoppeln diese in ihrem imaginierten Raum

10 Edward Said der diesen Begriff praumlgte bemerkt raquo[hellip] the Orient has helped to define Europe(or the West) as its contrasting image idea personality experience Yet none of this Orient is merelyimaginative The Orient is an integral part of European material civilization and culturelaquo (OrientalismS 2)

11 Um exakt zu sein 74 Der Rest antwortete raquoSchnitzereilaquo (8) raquoPassionsspiele und Schnitzereilaquo(3) raquoliegt in Bayernlaquo (2) raquoliegt in Oumlsterreichlaquo (2) raquoschon gehoumlrtlaquo (3) Nur 4 der Befragtenkannten den Ort nicht (vgl ebd)

12 Wohl kaum ein Zufall Ausgerechnet jenes Gaumlstebuch in das Hitler sich eingetragen hat istmerkwuumlrdigerweise verschwunden Fuumlr naumlhere Details zur NS-Geschichte und -Verstrickung derPassionsspiele und Oberammergau vgl auch Shapiro Oberammergau S 137-ndash186 sowie UtschneiderOberammergau im Dritten Reich insb S 100ndash109

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Abbildung 1 Abbildung 2

Abbildung 3 Abbildung 4

Abbildung 5 (Quelle Werbeprospekt) Abbildung 6

ABBILDUNGEN

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Abbildung 9 Abbildung 10

Abbildung 11 Abbildung 12

Abbildung 13 (Quelle Postkarten) Abbildung 14 (Quelle Postkarte)

Abbildung 7 Abbildung 8

INFORMATIONSBLATT

Autor(Innen) Anil K JainTitel Imaginierte (Nicht-)OrteUntertitel Ein Besuch im raquoglobalen Dorflaquo OberammergauJahr der Abfassung 2002VersionAktualisierungsdatum 04042006Originaler Download-Link httpwwwpower-xsnetjainpubimaginierteortepdfErste Druckveroumlffentlichung The Discourse of Sociological Practice Vol 6 No 12004

S 51ndash60 (Englische Version)

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Page 4: EIN BESUCH IM GLOBALEN DORF BERAMMERGAU · aufspalten; es entstehen die separaten Sphären der »ethnoscapes«, »mediascapes«, »techno-scapes«, »financescapes« und »ideoscapes«,

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 4

legenden raumlumlichen Differenzen einebnet Wie kann dieses Dilemma dieser Widerspruchraquogeloumlstlaquo werden Es bleibt letztlich nur ein Ausweg Differenzen muumlssen kuumlnstlich generiertes muumlssen differente Raumlume imaginiert und kreiert werden die das oumlkonomische Beduumlrfnisnach (verwertbarer ausbeutbarer) Differenz befriedigen koumlnnen Die ausgreifende Bewegungder (oumlkonomischen) Globalisierung eliminiert also Differenz ndash durch ihre eigene Dynamikaber auch gezielt uumlberall dort wo Differenz als Abweichung aufscheint und Widerstaumlndigkeitentfaltet Und doch bleibt Differenz der Motor und die Grundlage von Globalisierung So werdenbestimmte raquonuumltzlichelaquo Formen von Differenz (wie Armut oder auch ein harmloses aber Interesseweckendes kulturelles raquoKoloritlaquo) wo sie zu entschwinden drohen kuumlnstlich und gewaltsamaufrecht erhalten oder gegebenenfalls auch kreativ erzeugt (vgl auch Jain Differences inDifference)

3 IMAGINIERTE (NICHT-)ORTE DIE FRAGE DES RAUMS UND DER ORTE IN DER GLOBALI-SIERUNGSDIALEKTIK

Durch Globalisierung wird also die Kategorie des Raumes (und seiner Differenzen) zu einerzentralen Kategorie Und dies betrifft keineswegs ausschlieszliglich die Sphaumlre der Oumlkonomiesondern die gesamte Kultur und Gesellschaft Es kommt wie Fredric Jameson angesichts dervon ihm diagnostizierten Dominanz der Raumlogik bemerkt zu einem Zusammenbruch derZeitlichkeit Dies wiederum fuumlhrt durch den Verlust an historischem Bewuszligtsein zu Phaumlnomenender raquoPastichisierunglaquo und der kulturellen raquoVerflachunglaquo Notgedrungen muszlig raquoein unserer Situationangemessenes Modell der [hellip] Kultur [hellip] die Frage des Raums zur wichtigsten Problemstellungmachenlaquo (Zur Logik der Kultur im Spaumltkapitalismus S 96) ndash um zu einem angemessenen Bildder sozialen und kulturellen Landschaften gelangen zu koumlnnen5

Diese (reale) Bedeutung des Raumes (und seiner Gefaumllle) die es konzeptionell zu spiegelngilt bedeutet allerdings keineswegs daszlig der konkrete Ort an tatsaumlchlicher Relevanz gewaumlnneIm raquospace of flowslaquo der Netzwerkgesellschaft verliert der Ort tendenziell seine Spezifik undBedeutung (vgl auch Castells The Rise of the Network Society) Denn ein spezifischer konkreterOrt der sich eine eigenstaumlndige Charakteristik bewahrt laumlszligt sich in das globale Netzwerk desfluiden Kapitals moumlglichweise nicht nahtlos integrieren entfaltet eventuell einen widerstaumlndigenraquoEigensinnlaquo (als raquoOrtssinnlaquo) Gefragt sind also Orte die raquounbestimmtlaquo die austauschbar sindsich frei (ver)formen und gestalten lassen Die Widerstaumlndigkeit des konkreten Ortes die sichdurch eine Verankerung in Geschichte und Kultur und aus der Verflechtung mit der konkretenLebenswelt der Menschen ergibt muszlig also durch die absorbierende und zugleich entbettende

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Kraft der Globalisierung aufgeloumlst werden um die Orte in das globale Netzwerk zu integrierenEs entstehen (hyper)reale Nicht-Orte

Nicht-Orte das sind wenn man Michel de Certeau folgt der diesen Begriff gepraumlgt hat (sym-bolische) Orte die zwar benannt werden koumlnnen einen Namen tragen aber keinen tatsaumlchlichoumlrtlichen Charakter (als strukturierter Handlungsraum) aufweisen Sie sind (urbane) Raumlumedes Voruumlbergehens ruhelose Plaumltze des Herumirrens der endlosen Suche der Abwesenheit(vgl Die Kunst zu Handeln S 197ff) Es sind wie Marc Augeacute ergaumlnzend und konkretisierendherausgestellt hat identitaumltslose Orte die keine realen Beziehungen zu anderen Orten aufweisenund keine raquoGeschichtelaquo besitzen es sind die rein zweckgebundenen Raumlume der Passagewie Wartehallen oder Autobahnen zu denen ihre raquoNutzerlaquo keine wirkliche Beziehung finden(vgl Orte und Nicht-Orte insb S 92f und S 110ff)

Ich will hier allerdings unter Nicht-Orten weniger solche rein funktionalen Orte der Passageverstehen sondern vielmehr raquohyperrealelaquo imaginierte raquoOrt-schaftenlaquo die aus ihrem (lebens-weltlichen) Kontext entbettet wurden um ihr Gesicht frei gestalten zu koumlnnen um ihre Differenzndash in Konkurrenz zu anderen Orten ndash positiv herauszustellen und zu inszenieren Denn dieseparadoxe Inszenierung der Differenz des konkreten Ortes ist es wozu die angleichende Dynamikder Globalisierung zwingt wenn der Ort seine Position im globalen Netzwerk behalten oderverbessern will

Die Nicht-Orte der Globalisierung sind folglich imaginierte Orte Sie sind nach bestimmtenVorstellungen erschaffen oder (um)gestaltet Sie haben zugleich realen und unwirklichen Charak-ter Aumlhnlich wie die vorgestellten Gemeinschaften der Nation im historischen Prozeszlig schlieszliglichraquoFormlaquo annahmen und zu einer die aktuelle Gegenwart noch immer bestimmenden raquoRealitaumltlaquowurden (vgl Anderson Die Erfindung der Nation) so stellen die imaginierten (Nicht-)Orteeine oumlrtliche Realitaumlt dar die ndash in der Inszenierung ihrer fiktiven Charakteristik ndash an raquoMomentumlaquogewinnt Ab einen gewissen Zeitpunkt sind diese imaginierten Orte also nicht nur die Spiegelungjener Vorstellung(en) die sie geformt haben sondern sie erreichen tatsaumlchlich sogar ein raquounvor-stellbareslaquo Ausmaszlig an Wirklichkeit

Sie muumlssen diese gesteigerte Form des raquoWirklichenlaquo annehmen um ihre Besonderheit glaub-wuumlrdig herausstellen zu koumlnnen um Kapital Investitionen oder Besucher etc erfolgreich anziehenand anbinden zu koumlnnen Zumeist verkleiden sie ihren raquoKunstcharakterlaquo dabei in einer Authen-tizitaumltsfiktion denn sonst wuumlrde der raquoZauber der Differenzlaquo nur schwer funktionieren6 Ihrevorgestellte Authentizitaumlt muumlssen sie auf die Spitze treiben sie sind glatte Raumlume ohne

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 6

Verwerfungen ohne Reibungspunkte ohne Widerstandspotentiale Sie verdoppeln auf eineperfektionierte Weise ihre erdachte Wirklichkeit sie sind sie wirklicher als das Wirkliche eshandelt sich um hyperreale Simulakren von Orten (vgl zur hyperrealen Simulation BaudrillardDie Simulation)7

Als hyperreale Nicht-Orte sind sie dem Nicht-Ort der U-topie radikal entgegengesetzt Sieeliminieren alle alternativen Vorstellungen durch ihre Glaumltte ihre reibungslose Faktizitaumlt DieImagination der Utopie ist im imaginierten Nicht-Ort in Wirklichkeit erstarrt (und damit alsHorizont aufgegeben) oder wie Baudrillard ganz allgemein zur raquocondition postmodernelaquo bemerktraquoder Himmel der Utopie ist auf die Erde herabgekommenlaquo (Die fatalen Strategien S 85)

Die imaginierten (Nicht-)Orte inszenieren zwar durch Hyperrealitaumlt ihre Differenz zu anderenOrten aber sie sind auch keine Heterotopien8 Denn sie sind weder raquoandere Raumlumelaquo in demSinn daszlig sie das Andere das Abweichende umschlieszligen und eingrenzen wuumlrden wie etwaGefaumlngnisse oder raquoIrrenanstaltenlaquo noch sind sie Orte wo widerstaumlndige Praktiken ihren realenOrt und Raum der Entfaltung faumlnden Denn alles Inkompatible zu jenem raquoTraumlaquo den sieinszenieren um sich im globalen Differenzraum zu positionieren bleibt notwendig ausgeklam-mert wird aussortiert und ausgeschlossen Ihre Differenz geht so auf in Identitaumlt als Herraus-stellung eines Besonderen das aber in Uumlbereinstimmung mit dem Allgemeinen der Normdes Faktischen steht Sie sind Orte eines paradoxen auf Inszenierung von Differenz gegruumlndetenraquoIdentitaumltszwangslaquo (Adorno) den die oumlkonomiegetriebene Dynamik der Globalisierung bewirkt9

Die imaginierten (Nicht-)Orte teilen den ausschlieszligenden und differenten Charakter somitmit den peripheren Raumlumen nur ist deren Nichtigkeit und Differenz anderer Natur Dieperipheren marginalen Regionen im Raum der Globalisierung sind raquoanderslaquo da fuumlr sie andereRegeln und andere Standards gelten etwa weil sie als Orte benoumltigt werden wo kostenguumlnstigproduziert werden kann Diese Form der Differenz wird gewaltvoll etabliert und aufrecht erhalten(sei des durch neokoloniale Praktiken oder tarifaumlre Diskriminierungen etc) Die peripherenRegionen (unabhaumlngig von ihrer raquotatsaumlchlichenlaquo geographischen Lage) sind jedenfalls nur partiellintegriert in das Netzwerk der Globalisierung ndash dort wo sie als Produktionsstandort oderAbsatzmarkt fungieren Ansonsten sind sie ausgeschlossen und dieser Ausschluszlig gilt auchraquosymbolischlaquo dh sie sind als Gegenstand der Vorstellung nicht in das globalen Bewuszligtseinintegriert sie sind nicht existent

Die imaginierten Orte dagegen sind im globalen Bewuszligtsein und Raum (omni)praumlsent Siegehoumlren zu den privilegierten Raumlumen und muumlssen doch um ihr Privileg zu genieszligen den

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Preis der Anpassung zahlen Sie muumlssen ihre Besonderheit kreieren herausstellen und staumlndigneu erschaffen Und dabei muumlssen sie darauf bedacht sein daszlig sie ihre Besonderheit nichtdie Form der stoumlrenden Abweichung annimmt Der permanente Zwang zur hyperrealen Ins-zenierung und immer wieder neuen Erschaffung ihrer Differenz verhindert dabei daszlig sie zuwirk-lichen Orten werden Orten des Seins der Begegnung des Andersseins

4 DAS raquoGLOBALE DORFlaquo OBERAMMERGAU ALS IMAGINIERTER (NICHT-)ORT

Wie aber ist ein solcher imaginierter (Nicht-)Ort konkret vorzustellen Dies kann nur exemplarischgeschehen Als raquorealeslaquo Beispiel dient mir deshalb hier der oberbayerische Ort OberammergauEs handelt sich um ein raquoglobal villagelaquo ndash ein raquoWeltdorflaquo das seinen Platz in den raquoChartslaquo desDeutschland-Tourismus gefunden hat und dessen Ruhm als Alpenidylle und Passionsspiel-Schauplatz in raquoalle Weltlaquo vorgedrungen ist

Warum aber habe ich genau dieses und kein anderes Beispiel gewaumlhlt Mit dem Ort Oberam-mergau verbindet mich eine persoumlnliche Geschichte und Erinnerung in welcher der Eindruckeines unwirklichen Ortes zutiefst lebendig ist Es ist ein Ort an dem meine Mutter den groumlszligtenTeil ihrer Jugend verbracht hat den ich aus ihrer Erzaumlhlung erinnere und wo meine Groszligtantenoch heute lebt Ein Ort an dem ich sowohl die Absurditaumlt von Familienritualen wie die Uner-wuumlnschtheit als raquoandererlaquo erfahren durfte Ein Ort dessen Wege ich aus Langeweile erkundethabe und der mir schon als Kind wie eine Theaterkulisse erschien Heute ist mir bewuszligt warumdieser Eindruck entstand Oberammergau ist einer jener imaginierten (Nicht-)Orte von denenoben die Rede war

A) GESCHICHTE(N) FAKTEN UND FIKTIONEN DIE ERFINDUNG VON OBERAMMERGAU

Oberammergau nennt sich selbst gerne raquodas beruumlhmteste Dorf der Weltlaquo Im Jahr 910 alsder Ort zum ersten Mal urkundlich erwaumlhnt wurde handelte es sich aber noch um einenunbedeutenden Flecken im bayerischen Oberland Es liegt ca 90 km suumldwestlich von Muumlnchenauf 1136 oumlstlicher Laumlnge und 4736 noumlrdlicher Breite Die Gemeinde umfaszligt eine Gesamtflaumlchevon 3005 ha und hat derzeit ca 5000 Einwohner

Wie begreift und vor allem wie stellt sich dieser Ort dessen herausragende Besonderheiteinem nicht unbedingt sofort ins Auge springt selbst dar welche kreative Imagination liegt

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 8

ihm zugrunde In einem aktuellen Werbeprospekt der Gemeinde heiszligt es in dieser Hinsichtuumlberaus Aufschluszligreich

raquoDas Auge wird nicht statt Siehrsquo dir das an Die Haumluser die Geschichten erzaumlhlen die maumlrchenhaften Schloumlsser

die Berge mit denen das Land ausklingt Das ist dein Urlaub in Oberammergaulaquo

Und weiterhin heiszligt es

raquoWo kann man sich besser treffen als in einem Ort der es gewohnt ist die Welt zu Gast zu haben Einmal

im Jahrzehnt sind es die Passionsspiele die nach Oberammergau fuumlhren Zwischendurch sind die einzigartige

Verbindung aus Natur und Kultur oder das Schnitz- und Kunsthandwerk Anlass genug sich hier zu treffenlaquo

Offenbar will dieser Ort mit seiner sinnlich erfahrbaren Historie verfuumlhren Natur und Kulturverbinden sich zu einem touristischen Hybridraum der nicht nur visuelle Anreize bietet sondernauch Geschichten zu erzaumlhlen hat Und doch scheint es selbst im Prospekttext fast so als seidas raquonormalelaquo Leben in Oberammergau ein Stillstand eine Zwischenzeit eine Pause zwischenden Auffuumlhrungen des Passionsspiels

Das Passionsspiel das alle 10 Jahre in Oberammergau zur Darbietung gebracht wird ist alsozentral fuumlr die Imagination dieses Ortes fuumlr seine inszenierte Differenz und fiktionale IdentitaumltDas ganze Leben des Ortes dreht sich um die Passions-Auffuumlhrung (die gleichzeitig den Kernder Inszenierung des Ortes darstellt) Es ist der (temporaumlre) Fix-Punkt um den herum sichdie anderen wichtigen Elemente des herausgekehrten Selbstbildes gruppieren die Umgebungund Natur die Oberammergau mit vielen anderen Alpendoumlrfern teilen muszlig und die sichdeshalb nur schwer zur Inszenierung einer spezifischen Besonderheit nutzen laumlszligt nur einenadditiven raquoMehrwertlaquo darstellt Dann ist da das Kunsthandwerk die raquoLuumlftlmalereilaquo und dieSchnitzkunst fuumlr die der Ort bekannt ist Aber was den eigentlichen Kern der imaginiertenIdentitaumlt ausmacht ist eben das Passionsspiel

Doch bevor wir zu diesem Kern vorstoszligen Untersuchen wir welchen raquoimaginativenlaquo Beitragdas Kunsthandwerk leistet Die Legende behauptet daszlig die Tradition des Schnitzhandwerksin Oberammergau in das raquomagischelaquo Jahr 1111 gruumlndet ndash durch den Anstoszlig von vier Laienbruumlderndes nahen Klosters Rottenbuch In Dokumenten finden sich erste Erwaumlhnungen dieses Handwerksaber erst um das Jahr 1520 Der profane Grund fuumlr seine Entstehung war daszlig es sich um einsehr armes laumlndliches Gebiet handelte so daszlig die Bauern zur Existenzsicherung gezwungenwaren einen Nebenerwerb aufzunehmen Da das Schnitzhandwerk zu Hause auf den Houmlfen

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ausgeuumlbt werden konnte in der Umgebung reichlich Holz vorhanden war und eine gute Anbin-dung an Handelswege bestand etablierte sich in der Region eine in Familientradition fortgefuumlhrteraquoHeimindustrielaquo mit wechselhafter Konjunktur und seit dem 18 Jahrhundert in Schwung gehaltenvon sogenannten raquoVerlegernlaquo Zwischenhaumlndlern die sich ihren Profit durch raquoKnebelvertraumlgelaquound ein zu oumlkonomischer Abhaumlngigkeit fuumlhrendes Vorschuszlig-System auf niedrigem Entlohnungs-niveau sicherten Die Verleger sorgten allerdings dafuumlr daszlig man sich auch uumlberregional undim Ausland als Ort der raquoHerrgottsschnitzerlaquo einen Namen machte dh ndash neben Kinderspielzeugndash wurden in erster Linie Kruzifixe Krippen und Heiligenstatuen hergestellt (Vgl Heynald-GraefeOberammergauer Schnitzkunst sowie Groumlber Alte Oberammergauer Hauskunst)

Das Schnitzhandwerk praumlsentiert sich aktuell gereinigt von seiner raquoAumlrmlichkeitlaquo ist fuumlr dieca 150 ortsansaumlssigen Kunsthandwerker ein durchaus eintraumlgliches Geschaumlft und das Verlags-system gehoumlrt selbstverstaumlndlich der Vergangenheit an Gefertigt wird fuumlr den touristischenMarkt und das Angebot ist entsprechend diversifiziert Die Broschuumlre raquoKunsthandwerk inOberammergaulaquo faszligt treffend zusammen raquoSie koumlnnen Sakrales und Profanes finden DekorativesSkurriles in Faszligmalerei gestaltete Schnitzwerke oder traditionelle Hinterglasmalereilaquo (S 5)Mit anderen Worten Die Bandbreite reicht vom traditionalistischen Mimikry bis zum Touristen-kitsch (siehe Abb 1) Das kreierte Image der im Religioumlsen verankerten Tradition ndash mit merkantilenVerbeugungen vor dem Zeitgeist ndash paszligt sich dabei trefflich in die Imagination des Passions-spielsdorfes Die Tradition wird dabei gewissermaszligen neu erfunden Was aus der Not geborenwurde wird raquokunstgerechtlaquo in Szene geruumlckt von stoumlrenden Elementen gereinigt und alstouristisches raquoAushaumlngeschildlaquo genutzt Interessanterweise finden sich dabei auch Elementedes raquoOrientalismuslaquo10 insbesondere bei Krippenfiguren so daszlig es beispielsweise durchausnichts Ungewoumlhnliches ist als dekorativen Wegweiser ein houmllzernes Kamel auf dem Dorfplatzvorzufinden (siehe Abb 2)

Auch die raquoLuumlftlmalereilaquo ergaumlnzt ideal in das Bild das sich der Ort von sich selbst geschaffenhat um seine Besonderheit zu inszenieren Oberammergau ist keineswegs der einzige Ort andem die Fassaden traditionell mit Auszligenfresken verziert sind sondern dies ist eine im suumlddeutschenRaum durchaus verbreitete Form des Fassadenschmucks (vgl Rattelmuumlller Luumlftlmalerei inOberbayern) Allerdings hat Oberammergau immerhin einige spektakulaumlre Beispiele zu bietenDas beruumlhmteste und praumlchtigste ist das Pilatus-Haus das 177475 erbaut wurde (siehe Abb3) Es traumlgt diesen Namen nach dem Fresko raquoChristus vor Pilatuslaquo das eine ganze Hausseiteeinnimmt (siehe Abb 4) und von dem bekannten oumlrtlichen Kuumlnstler Franz Seraph Zwinck stammt(vgl auch Koch et al Franz Seraph Zwinck) Das Fresko fuumlgt sich in seiner Aussage nahtlos indie Passionsinszenierung des Ortes ein denn es stellt eine Szene dar die innerhalb der Passions-

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geschichte zentral ist Selbst der Aufbau des Freskos gleicht einer (barocken) Theaterkulisse Dabeiist auch hier der raquoOrientalismuslaquo auffaumlllig etwa indem die Juden (historisch unrichtig aber derdamaligen Orient-Begeisterung entsprechend) mit Turban dargestellt werden ndash ein raquoexotischeslaquoMotiv auf das man selbst in aktuellen Fremdenverkehrskatalogen noch gerne rekurriert (sieheAbb 5) Und das so (entfremdet) dargestellte raquoanderelaquo kommt denkbar schlecht weg handeltes sich doch bei der Szene um eine Art biblische Variante der Verschwoumlrungstheorie von derjuumldisch-kapitalistischen Weltverschwoumlrung bei der Judas mit dem juumldischen Establishment undder Weltmacht Rom (in Person des Statthalters Pilatus) gemeinsame Sache macht um Christuszu verraten Nicht alle Fresko-Darstellungen sind freilich so hochgradig ideologisch aufgeladensondern zeigen beispielsweise auch raquoharmloselaquo Musikantenszenen (siehe Abb 6) oder greifendas Passionsspiel-Thema als raquoZitatlaquo direkt auf (siehe Abb 7)

Wenn man den Ortskern durchschreitet so faumlllt die groszlige Ordnung und raquopeinlichelaquo Sauberkeitauf die trotz der Touristenstroumlme herrscht Alles geht raquowohlgeordnetlaquo zu und es finden sichkaum Ausreiszliger aus der Luumlftl-Idylle Allerdings gibt es durchaus fragwuumlrde miszliggluumlckte Versuchesowohl des raquoHistorismuslaquo sowie der Synthese mit der Moderne (siehe Abb 8 u 9) Und esfinden sich selbstverstaumlndlich ndash trotz aller Versuche einen moumlglichst raquoauthentischenlaquo Eindruckzu bewahren ndash Anzeichen von Globalisierung etwa wenn statt heimischer Gewaumlchse Agavendie Fassade zieren (siehe Abb 10) Der oumlffentliche Raum ist dabei ganz auf die Beduumlrfnissedes Tourismus zugeschnitten Man kann sich in einer ganzen Fuumllle von Straszligencafeacutes undGasthoumlfen mit traditioneller bayerischer Kost bewirten lassen Als ein etwas irritierender Fremd-koumlrper wirkt nur die kleine Touristenbahn die ohne Unterlaszlig ihre Runden im Dorf zieht umden Besuchern die Sehenswuumlrdigkeiten des Ortes naumlherzubringen (siehe Abb 11) Aber auchfuumlr den ndash zumeist betagten ndash Fuszliggaumlnger ist alles gut ausgeschildert und fuumlr ausreichend Parkplaumltzist beim Festspielhaus gesorgt das leicht uumlberdimensioniert wirkt und am Rand des Ortskernsliegt aber doch das eigentliche Zentrum darstellt (siehe Abb 12)

Denn die ganze Idee und Wirklichkeit von Oberammergau kreist wie erlaumlutert um die Passions-spiele Das spiegelt sich auch im Bewuszligtsein der Besucher und der Allgemeinheit wiederEine kleine Befragung zufaumlllig ausgewaumlhlter Passanten ergab die uumlberwiegende Mehrheit identi-fiziert den Ort alleine mit den Passionsspielen obwohl diese nur alle 10 Jahre stattfinden (vglFinkSchwarzer Die ewige Passion S 15f)11 Um deren Entstehung rankt sich eine Legendedie sich in verschiedenen Quellen bis ins 18 Jahrhundert zuruumlckverfolgen laumlszligt und noch heutegerne werbewirksam wiedergegeben wird Es galt als die Pest im Jahr 1633 schlieszliglich ihrenWeg ndash durch einen erkrankten Knecht der sich heimlich in den Ort einschlich ndash auch nachOberammergau gefunden und in kuumlrzester Zeit eine Reihe von Toten gekoste hatte ein Wunder

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zu bewirken Also besann man sich auf die Religion und gelobte alle zehn Jahre die LeidenChristi zur allgemeinen Laumluterung aufzufuumlhren ndash und um sich vor der Bedrohung der Pestin Zukunft geschuumltzt zu wissen Die historische Exaktheit dieser Version uumlber die Entstehungdes Passionsspiels kann angezweifelt werden allerdings gilt als relativ gesichert daszlig in etwain diesem Zeitraum die Pest tatsaumlchlich im Ort gewuumltet hatte und nur wenig spaumlter zum erstenmal eine Auffuumlhrung stattfand Mit seinem Christusspiel das als eine Art Tauschgeschaumlft Passiongegen Protektion gelten kann war Oberammergau freilich damit eher verspaumltet in anderenOrten auch der naumlheren Umgebung gab es aumlhnliches schon lange zuvor Allerdings hielt sichdiese Tradition in Oberammergau hartnaumlckiger ndash und das zum aktuellen oumlkonomischen Nutzen(Vgl ebd S 17ff sowie Shapiro Oberammergau S 101ndash136)

Uumlber das Oberammergauer Passionsspiel ist viel (wahrscheinlich zu viel) geschrieben wordendeshalb moumlchte ich hier nur auf einige Aspekte kurz eingehen die damit zu tun haben wiesich der Ort durch die Passionsspiele neu erfunden hat und sich dadurch als differenterbesonderer Ort praumlsentiert Die Tradition wird dafuumlr in durchaus kreativer Weise umgeformtund immer wieder an die neuen Erfordernisse der Zeit angepaszligt Dies zeigt sich einerseitsam Text Die aumllteste erhaltene Textfassung datiert auf das Jahr 1662 setzt sich zusammen ausverschiedenen Versatzstuumlcken anderer Passionsspiele war aber selbst bereits raquouumlberarbeitetlaquound ist lange nicht mehr im Gebrauch Im folgenden wurde der Text immer wieder erweitertund mit mehr dramatischen Elementen versehen Dies hatte zur Folge daszlig gerade die offizielleKirche und der Staat dem Passionsspieltreiben kritisch gegenuumlber eingestellt waren 1770 erfolgtegar ein (erstes) Auffuumlhrungsverbot Ende des 18 Jahrhunderts kam es deshalb zu raquoBereinigungenlaquoDie neuerliche Uumlberarbeitung durch den Ortspfarrer Daisenberger zu Beginn des 19 Jahrhundertsist im wesentlichen auch die Grundlage des heutigen Auffuumlhrungstextes es gab jedoch leichteModifikationen und Modernisierungen ndash insbesondere um den Text von seinen antisemitischenAnklaumlngen zu befreien (vgl FinkSchwarzer Die ewige Passion S 27ndash48 sowie Holzheimeret al Leiden schafft Passion S 39f u S 62ndash91)

Diese Untertoumlne waren freilich ndash auch das ein Zugestaumlndnis an den Zeitgeist ndash zur Zeit desNazismus durchaus noch prominent hervorgehoben Und so sind die Passionsspiele im Jahrdes 300jaumlhrigen Jubilaumlums 1934 auch eher ein dunkles Kapitel von dem man in Oberammergaulieber schweigt oder beschwichtigend ablenkt Hitler indes der die Festspiele (schon 1930)persoumlnlich besucht hatte war durchaus angetan und bemerkte raquo[hellip] kaum je sei die juumldischeGefahr am Beispiel des antiken roumlmischen Weltreiches so plastisch dargestellt worden wiein der Darstellung des Pontius Pilatus bei diesen Festspielen erscheine dieser doch als einrassisch und intelligenzmaumlszligig so uumlberlegener Roumlmer daszlig er wie ein Fels inmitten des juumldischen

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Geschmeiszliges und Gewimmels wirkelaquo (Pickert Hitlers Tischgespraumlche S 604f zitiert nachHolzheimer et al Leiden schafft Passion S 97)12

Lieber als an den Besucher Hitler erinnert man sich an so beruumlhmte Gaumlste wie Koumlnig LudwigII von Bayern Lady Churchil Eisenhower Henry Ford Thomas Mann Ferdinand de RothschildRabindranath Tagore Richard Wagner oder den Prince of Wales die Indikatoren fuumlr dieinternationale Bekanntheit des Oberammergauer Passionsspiels sind Insbesondere in denletzten Jahren hat es aufgrund dieser Internationalisierung auch Professionalisierungsbestrebungengegeben Obwohl die Darsteller sich noch immer aus den Dorfbewohnern rekrutieren alsoLaienspieler sind war der Spielleiter des Jahres 2000 (Szenen siehe Abb 13 u 14) ChristianStuumlckl ein versierten Theatermann der auch schon bei den Muumlnchner Kammerspielen inszenierte(vgl Holzheimer et al Leiden schafft Passion S 13f)

Um den Ansturm der touristischen Massen in den Festspieljahren bewaumlltigen zu koumlnnen muszligdas Festspielgebaumlude entsprechend groszlig dimensioniert sein Dabei wurde sogar auf die allgegen-waumlrtige Luumlftl-Romantik verzichtet Wir finden einen eher sachlich-modernen funktionalenZweck-Bau vor (siehe nochmals Abb 12) Finanziell sind die Passionsspiele regelmaumlszligig eingroszliger Erfolg die Einnahmen flieszligen in die Gemeindekasse und werden fuumlr touristische Infrastruk-turmaszlignahmen genutzt (vgl ebd S 247) Der Erfolg und die existentielle Wichtigkeit fuumlr denoumlrtlichen Tourismus sorgen uumlbrigens dafuumlr daszlig das Spiel eine staumlndige Streitquelle am Ortist raquoPassioniertlaquo gestritten wird beispielsweise uumlber die Spielleiterwahl und nicht zuletztBesetzungsfragen und dies auch mit basisdemokatischen Instrumenten wie dem Buumlrgerentscheid(vgl ebd S 250ndash273)

Angesichts dieser Omnipraumlsenz der Passionsspiele im oumlrtlichen Leben kann man den Eindruckgewinnen Nicht Oberammergau inszeniert die Passionsspiele sondern die Passionsspieleinszenieren Oberammergau Denn auch dieser (Nicht-)Ort ist zwar ein Ort an dem Lebenin den Wohnraumlumen und oumlffentlichen Plaumltzen raquotatsaumlchlichlaquo stattfindet allerdings ist es in weitenTeilen kein Leben fuumlr sich sondern zum Zweck der (hyperrealen) Inszenierung

B) WEGE IN DIE WIRKLICHKEIT

Die Passionsspiele sind also nicht nur eine Metapher des Ortes sondern vielmehr eine ArtBlaupause fuumlr Oberammergau das wie eine unwirkliche Kulisse ndash ausstaffiert mit froumlmmelndemSchnitzwerk und illusionaumlrer Luumlftlmalerei ndash fuumlr den Passionstourismus wirkt Wie koumlnnte dieser

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1 Diese urbanen Knotenpunkte ndash die worauf Sassen hinweist selbst globalisierte und lokalisierteSub-Strukturen aufweisen ndash konstituieren eine subkutane Machtstruktur dh es gibt kein raumlumlichgeschlossenes Zentrum mehr Oder wie Hardt und Negri formulieren it is raquoa decentred and deterri-torialising apparatus of rule that progressively incorporates the entire global realm with its openexpanding frontierslaquo (Empire S XII)

2 Von Wallerstein dem Begruumlnder der Weltsystemtheorie stammt die Unterscheidung zwischenZentrum Peripherie und Semiperipherie

3 Marx und Engels haben die Globalisierung des Kapitals trotz ihrer Kritik an Kapitalismus undImperialismus wohl in ersterem Sinne gelesen denn sie bemerken zur historischen Rolle der Bourgeoisiedurchaus anerkennend raquoDie Bourgeoisie reiszligt durch die rasche Verbesserung aller Produktions-instrumente durch die unendlich erleichterten Kommunikationen alle auch die barbarischsten []Nationen in die Zivilisationlaquo (Ebd S 35)

4 Appadurai sieht darum auch das Denken in Kategrien von Peripherie und Zentrum als uumlberholtan Und neben moumlglichen Tendenzen eines nationalistischen oder fundamentalistischen Regressessieht er auch Raumlume im System der globalen Stroumlme entstehen die fuumlr progressive transnationaleAllianzen genutzt werden koumlnnen und die die individuellen Horizonte erweitern (vgl ebd S 308)

5 In aumlhnlicher Weise stellte uumlbrigens Henri Lefebvre bereits in den 1970er Jahren heraus daszlig dasUumlberleben des Kapitalismus aktuell entscheidend von seiner Faumlhigkeit abhaumlngt den (globalen) Raum

Ort der sich selbst in seiner fiktionalen Geschichte imaginierend gefangen haumllt in die Wirklichkeitdes 21 Jahrhunderts gefuumlhrt werden Oder ist Oberammergau in dieser Wirklichkeit vielleichtzu sehr verankert und muumlszligte es nicht vor ihr vielmehr bewahrt werden um (wieder) zu einemraquorealenlaquo einem wirk-lichen Ort zu werden

Mit der hyperrealen Inszenierung seiner Differenz ist der Passionsspielort Oberammergautatsaumlchlich in der Wirklichkeit der Globalisierung angekommen ndash und wird von ihr absorbiertDa es sich aber wie dargelegt um einen dialektischen Prozeszlig handelt ist nicht auszuschlieszligendaszlig die Prozesse der Lokalisierung die Dynamik der oumlkonomischen Globalisierung nicht nurfunktional ergaumlnzen sondern herausfordern Daszlig eine solche raquolokalelaquo Herausforderung allerdingsvom globalen Dorf Oberammergau herruumlhren wird ist eher unwahrscheinlich Viel eher duumlrftesie wohl von den tatsaumlchlichen raquoDoumlrfernlaquo des globalen Raum ausgehen dort wo die Fixierungauf den Ort das u-topische Beduumlrfnis seiner Uumlberwindung erzeugt

ANMERKUNGEN

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zu umgreifen weshalb die raumlumliche Betrachtungsweise die historische notwendig ergaumlnzen muumlsse(vgl La production de lrsquoespace)

6 Eine Ausnahme bilden hier allerdings die raquovirtuellenlaquo Welten der Vergnuumlgungsparks wie raquoDisneyWorldlaquo oder Kunstlandschaften wie das raquoProjekt Edenlaquo

7 Die hyperreale Simulation steht damit im expliziten Gegensatz zum Symbolischen (und Meta-phorischen) das weniger das Reale verdoppelt als Vielmehr eine (u-topische) Alternative darstellt(vgl ders Der symbolische Tausch und der Tod sowie im Uumlberblick Jain Medien der AnschuungS 122ndash133)

8 Foucault versteht unter Heterotopien raquowirkliche Orte wirksame Orte die in die Einrichtung derGesellschaft hineingezeichnet sind sozusagen Gegenplazierungen und Widerlager tatsaumlchlich realisierteUtopien in denen die wirklichen Plaumltze innerhalb der Kultur gleichzeitig repraumlsentiert bestrittenund gewendet sind gewissermaszligen Orte auszligerhalb aller Orte wiewohl sie tatsaumlchlich geortet werdenkoumlnnenlaquo (Andere Raumlume S 68) Dabei unterscheidet er zwischen Krisenheterotopien (besondereRaumlume fuumlr Menschen in einer besonderen Lage) Abweichungsheterotopien (wo das Abweichendeinterniert wird) lllusionsheterotopien (die einen illusionaumlren Raum darstellen so daszlig der Eintrittin diesen Raum tatsaumlchlich ein Verlassen des Raumes ist) und Kompensationsheterotopien (die kom-pensatorisch auf begrenztem Raum ein Ideal in der defizitaumlren Realitaumlt verwirklichen)

9 Die imaginierten (Nicht-)Orte koumlnnen also auch nicht als Illusions- oder Kompensationheterotopiengelten denn sie sind nicht die begrenzte Wirklichkeit eines Traums oder illusionaumlrer Raum des Anderensie stehen nicht im Gegensatz zur Realitaumlt sondern verdoppeln diese in ihrem imaginierten Raum

10 Edward Said der diesen Begriff praumlgte bemerkt raquo[hellip] the Orient has helped to define Europe(or the West) as its contrasting image idea personality experience Yet none of this Orient is merelyimaginative The Orient is an integral part of European material civilization and culturelaquo (OrientalismS 2)

11 Um exakt zu sein 74 Der Rest antwortete raquoSchnitzereilaquo (8) raquoPassionsspiele und Schnitzereilaquo(3) raquoliegt in Bayernlaquo (2) raquoliegt in Oumlsterreichlaquo (2) raquoschon gehoumlrtlaquo (3) Nur 4 der Befragtenkannten den Ort nicht (vgl ebd)

12 Wohl kaum ein Zufall Ausgerechnet jenes Gaumlstebuch in das Hitler sich eingetragen hat istmerkwuumlrdigerweise verschwunden Fuumlr naumlhere Details zur NS-Geschichte und -Verstrickung derPassionsspiele und Oberammergau vgl auch Shapiro Oberammergau S 137-ndash186 sowie UtschneiderOberammergau im Dritten Reich insb S 100ndash109

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bull Jain Anil K Medien der Anschauung ndash Theorie und Praxis der Metapher raquoedition fatallaquoMuumlnchen 2002 sowie Internet httpwwwedition-fataldeonlinebibisbn3935147066pdf

bull Jain Anil K Medien des Wandel ndash Transformationen der Oumlffentlichkeit Internet httpwwwpower-xsnetjainpubmediendeswandelspdf

bull Jain Anil K Politik in der (Post-)Moderne ndash Reflexiv-deflexive Modernisierung und die Diffusiondes Politischen raquoedition fatallaquo Muumlnchen 2000 sowie Internet httpwwwedition-fatalde-onlinebibisbn3935147007pdf

bull Jameson Fredric Zur Logik der Kultur in der Spaumltmoderne In Huyssen AndreasScherpeKlaus (Hg) Postmoderne S 45ndash102

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bull Wentz Martin (Hg) Stadt-Raumlume Campus FrankfurtNew York 1991

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Abbildung 1 Abbildung 2

Abbildung 3 Abbildung 4

Abbildung 5 (Quelle Werbeprospekt) Abbildung 6

ABBILDUNGEN

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Abbildung 9 Abbildung 10

Abbildung 11 Abbildung 12

Abbildung 13 (Quelle Postkarten) Abbildung 14 (Quelle Postkarte)

Abbildung 7 Abbildung 8

INFORMATIONSBLATT

Autor(Innen) Anil K JainTitel Imaginierte (Nicht-)OrteUntertitel Ein Besuch im raquoglobalen Dorflaquo OberammergauJahr der Abfassung 2002VersionAktualisierungsdatum 04042006Originaler Download-Link httpwwwpower-xsnetjainpubimaginierteortepdfErste Druckveroumlffentlichung The Discourse of Sociological Practice Vol 6 No 12004

S 51ndash60 (Englische Version)

Wer Passagen dieses Textes zitieren will moumlchte bitte auch falls eine Druckveroumlffentlichungvorhanden sein sollte die PDF-Version als Grundlage verwenden (VersionAktualisierungsdatumangeben) da die PDF-Version umfangreicher undoder aktualisiert und korrigiert sein koumlnnte

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Page 5: EIN BESUCH IM GLOBALEN DORF BERAMMERGAU · aufspalten; es entstehen die separaten Sphären der »ethnoscapes«, »mediascapes«, »techno-scapes«, »financescapes« und »ideoscapes«,

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Kraft der Globalisierung aufgeloumlst werden um die Orte in das globale Netzwerk zu integrierenEs entstehen (hyper)reale Nicht-Orte

Nicht-Orte das sind wenn man Michel de Certeau folgt der diesen Begriff gepraumlgt hat (sym-bolische) Orte die zwar benannt werden koumlnnen einen Namen tragen aber keinen tatsaumlchlichoumlrtlichen Charakter (als strukturierter Handlungsraum) aufweisen Sie sind (urbane) Raumlumedes Voruumlbergehens ruhelose Plaumltze des Herumirrens der endlosen Suche der Abwesenheit(vgl Die Kunst zu Handeln S 197ff) Es sind wie Marc Augeacute ergaumlnzend und konkretisierendherausgestellt hat identitaumltslose Orte die keine realen Beziehungen zu anderen Orten aufweisenund keine raquoGeschichtelaquo besitzen es sind die rein zweckgebundenen Raumlume der Passagewie Wartehallen oder Autobahnen zu denen ihre raquoNutzerlaquo keine wirkliche Beziehung finden(vgl Orte und Nicht-Orte insb S 92f und S 110ff)

Ich will hier allerdings unter Nicht-Orten weniger solche rein funktionalen Orte der Passageverstehen sondern vielmehr raquohyperrealelaquo imaginierte raquoOrt-schaftenlaquo die aus ihrem (lebens-weltlichen) Kontext entbettet wurden um ihr Gesicht frei gestalten zu koumlnnen um ihre Differenzndash in Konkurrenz zu anderen Orten ndash positiv herauszustellen und zu inszenieren Denn dieseparadoxe Inszenierung der Differenz des konkreten Ortes ist es wozu die angleichende Dynamikder Globalisierung zwingt wenn der Ort seine Position im globalen Netzwerk behalten oderverbessern will

Die Nicht-Orte der Globalisierung sind folglich imaginierte Orte Sie sind nach bestimmtenVorstellungen erschaffen oder (um)gestaltet Sie haben zugleich realen und unwirklichen Charak-ter Aumlhnlich wie die vorgestellten Gemeinschaften der Nation im historischen Prozeszlig schlieszliglichraquoFormlaquo annahmen und zu einer die aktuelle Gegenwart noch immer bestimmenden raquoRealitaumltlaquowurden (vgl Anderson Die Erfindung der Nation) so stellen die imaginierten (Nicht-)Orteeine oumlrtliche Realitaumlt dar die ndash in der Inszenierung ihrer fiktiven Charakteristik ndash an raquoMomentumlaquogewinnt Ab einen gewissen Zeitpunkt sind diese imaginierten Orte also nicht nur die Spiegelungjener Vorstellung(en) die sie geformt haben sondern sie erreichen tatsaumlchlich sogar ein raquounvor-stellbareslaquo Ausmaszlig an Wirklichkeit

Sie muumlssen diese gesteigerte Form des raquoWirklichenlaquo annehmen um ihre Besonderheit glaub-wuumlrdig herausstellen zu koumlnnen um Kapital Investitionen oder Besucher etc erfolgreich anziehenand anbinden zu koumlnnen Zumeist verkleiden sie ihren raquoKunstcharakterlaquo dabei in einer Authen-tizitaumltsfiktion denn sonst wuumlrde der raquoZauber der Differenzlaquo nur schwer funktionieren6 Ihrevorgestellte Authentizitaumlt muumlssen sie auf die Spitze treiben sie sind glatte Raumlume ohne

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Verwerfungen ohne Reibungspunkte ohne Widerstandspotentiale Sie verdoppeln auf eineperfektionierte Weise ihre erdachte Wirklichkeit sie sind sie wirklicher als das Wirkliche eshandelt sich um hyperreale Simulakren von Orten (vgl zur hyperrealen Simulation BaudrillardDie Simulation)7

Als hyperreale Nicht-Orte sind sie dem Nicht-Ort der U-topie radikal entgegengesetzt Sieeliminieren alle alternativen Vorstellungen durch ihre Glaumltte ihre reibungslose Faktizitaumlt DieImagination der Utopie ist im imaginierten Nicht-Ort in Wirklichkeit erstarrt (und damit alsHorizont aufgegeben) oder wie Baudrillard ganz allgemein zur raquocondition postmodernelaquo bemerktraquoder Himmel der Utopie ist auf die Erde herabgekommenlaquo (Die fatalen Strategien S 85)

Die imaginierten (Nicht-)Orte inszenieren zwar durch Hyperrealitaumlt ihre Differenz zu anderenOrten aber sie sind auch keine Heterotopien8 Denn sie sind weder raquoandere Raumlumelaquo in demSinn daszlig sie das Andere das Abweichende umschlieszligen und eingrenzen wuumlrden wie etwaGefaumlngnisse oder raquoIrrenanstaltenlaquo noch sind sie Orte wo widerstaumlndige Praktiken ihren realenOrt und Raum der Entfaltung faumlnden Denn alles Inkompatible zu jenem raquoTraumlaquo den sieinszenieren um sich im globalen Differenzraum zu positionieren bleibt notwendig ausgeklam-mert wird aussortiert und ausgeschlossen Ihre Differenz geht so auf in Identitaumlt als Herraus-stellung eines Besonderen das aber in Uumlbereinstimmung mit dem Allgemeinen der Normdes Faktischen steht Sie sind Orte eines paradoxen auf Inszenierung von Differenz gegruumlndetenraquoIdentitaumltszwangslaquo (Adorno) den die oumlkonomiegetriebene Dynamik der Globalisierung bewirkt9

Die imaginierten (Nicht-)Orte teilen den ausschlieszligenden und differenten Charakter somitmit den peripheren Raumlumen nur ist deren Nichtigkeit und Differenz anderer Natur Dieperipheren marginalen Regionen im Raum der Globalisierung sind raquoanderslaquo da fuumlr sie andereRegeln und andere Standards gelten etwa weil sie als Orte benoumltigt werden wo kostenguumlnstigproduziert werden kann Diese Form der Differenz wird gewaltvoll etabliert und aufrecht erhalten(sei des durch neokoloniale Praktiken oder tarifaumlre Diskriminierungen etc) Die peripherenRegionen (unabhaumlngig von ihrer raquotatsaumlchlichenlaquo geographischen Lage) sind jedenfalls nur partiellintegriert in das Netzwerk der Globalisierung ndash dort wo sie als Produktionsstandort oderAbsatzmarkt fungieren Ansonsten sind sie ausgeschlossen und dieser Ausschluszlig gilt auchraquosymbolischlaquo dh sie sind als Gegenstand der Vorstellung nicht in das globalen Bewuszligtseinintegriert sie sind nicht existent

Die imaginierten Orte dagegen sind im globalen Bewuszligtsein und Raum (omni)praumlsent Siegehoumlren zu den privilegierten Raumlumen und muumlssen doch um ihr Privileg zu genieszligen den

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Preis der Anpassung zahlen Sie muumlssen ihre Besonderheit kreieren herausstellen und staumlndigneu erschaffen Und dabei muumlssen sie darauf bedacht sein daszlig sie ihre Besonderheit nichtdie Form der stoumlrenden Abweichung annimmt Der permanente Zwang zur hyperrealen Ins-zenierung und immer wieder neuen Erschaffung ihrer Differenz verhindert dabei daszlig sie zuwirk-lichen Orten werden Orten des Seins der Begegnung des Andersseins

4 DAS raquoGLOBALE DORFlaquo OBERAMMERGAU ALS IMAGINIERTER (NICHT-)ORT

Wie aber ist ein solcher imaginierter (Nicht-)Ort konkret vorzustellen Dies kann nur exemplarischgeschehen Als raquorealeslaquo Beispiel dient mir deshalb hier der oberbayerische Ort OberammergauEs handelt sich um ein raquoglobal villagelaquo ndash ein raquoWeltdorflaquo das seinen Platz in den raquoChartslaquo desDeutschland-Tourismus gefunden hat und dessen Ruhm als Alpenidylle und Passionsspiel-Schauplatz in raquoalle Weltlaquo vorgedrungen ist

Warum aber habe ich genau dieses und kein anderes Beispiel gewaumlhlt Mit dem Ort Oberam-mergau verbindet mich eine persoumlnliche Geschichte und Erinnerung in welcher der Eindruckeines unwirklichen Ortes zutiefst lebendig ist Es ist ein Ort an dem meine Mutter den groumlszligtenTeil ihrer Jugend verbracht hat den ich aus ihrer Erzaumlhlung erinnere und wo meine Groszligtantenoch heute lebt Ein Ort an dem ich sowohl die Absurditaumlt von Familienritualen wie die Uner-wuumlnschtheit als raquoandererlaquo erfahren durfte Ein Ort dessen Wege ich aus Langeweile erkundethabe und der mir schon als Kind wie eine Theaterkulisse erschien Heute ist mir bewuszligt warumdieser Eindruck entstand Oberammergau ist einer jener imaginierten (Nicht-)Orte von denenoben die Rede war

A) GESCHICHTE(N) FAKTEN UND FIKTIONEN DIE ERFINDUNG VON OBERAMMERGAU

Oberammergau nennt sich selbst gerne raquodas beruumlhmteste Dorf der Weltlaquo Im Jahr 910 alsder Ort zum ersten Mal urkundlich erwaumlhnt wurde handelte es sich aber noch um einenunbedeutenden Flecken im bayerischen Oberland Es liegt ca 90 km suumldwestlich von Muumlnchenauf 1136 oumlstlicher Laumlnge und 4736 noumlrdlicher Breite Die Gemeinde umfaszligt eine Gesamtflaumlchevon 3005 ha und hat derzeit ca 5000 Einwohner

Wie begreift und vor allem wie stellt sich dieser Ort dessen herausragende Besonderheiteinem nicht unbedingt sofort ins Auge springt selbst dar welche kreative Imagination liegt

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 8

ihm zugrunde In einem aktuellen Werbeprospekt der Gemeinde heiszligt es in dieser Hinsichtuumlberaus Aufschluszligreich

raquoDas Auge wird nicht statt Siehrsquo dir das an Die Haumluser die Geschichten erzaumlhlen die maumlrchenhaften Schloumlsser

die Berge mit denen das Land ausklingt Das ist dein Urlaub in Oberammergaulaquo

Und weiterhin heiszligt es

raquoWo kann man sich besser treffen als in einem Ort der es gewohnt ist die Welt zu Gast zu haben Einmal

im Jahrzehnt sind es die Passionsspiele die nach Oberammergau fuumlhren Zwischendurch sind die einzigartige

Verbindung aus Natur und Kultur oder das Schnitz- und Kunsthandwerk Anlass genug sich hier zu treffenlaquo

Offenbar will dieser Ort mit seiner sinnlich erfahrbaren Historie verfuumlhren Natur und Kulturverbinden sich zu einem touristischen Hybridraum der nicht nur visuelle Anreize bietet sondernauch Geschichten zu erzaumlhlen hat Und doch scheint es selbst im Prospekttext fast so als seidas raquonormalelaquo Leben in Oberammergau ein Stillstand eine Zwischenzeit eine Pause zwischenden Auffuumlhrungen des Passionsspiels

Das Passionsspiel das alle 10 Jahre in Oberammergau zur Darbietung gebracht wird ist alsozentral fuumlr die Imagination dieses Ortes fuumlr seine inszenierte Differenz und fiktionale IdentitaumltDas ganze Leben des Ortes dreht sich um die Passions-Auffuumlhrung (die gleichzeitig den Kernder Inszenierung des Ortes darstellt) Es ist der (temporaumlre) Fix-Punkt um den herum sichdie anderen wichtigen Elemente des herausgekehrten Selbstbildes gruppieren die Umgebungund Natur die Oberammergau mit vielen anderen Alpendoumlrfern teilen muszlig und die sichdeshalb nur schwer zur Inszenierung einer spezifischen Besonderheit nutzen laumlszligt nur einenadditiven raquoMehrwertlaquo darstellt Dann ist da das Kunsthandwerk die raquoLuumlftlmalereilaquo und dieSchnitzkunst fuumlr die der Ort bekannt ist Aber was den eigentlichen Kern der imaginiertenIdentitaumlt ausmacht ist eben das Passionsspiel

Doch bevor wir zu diesem Kern vorstoszligen Untersuchen wir welchen raquoimaginativenlaquo Beitragdas Kunsthandwerk leistet Die Legende behauptet daszlig die Tradition des Schnitzhandwerksin Oberammergau in das raquomagischelaquo Jahr 1111 gruumlndet ndash durch den Anstoszlig von vier Laienbruumlderndes nahen Klosters Rottenbuch In Dokumenten finden sich erste Erwaumlhnungen dieses Handwerksaber erst um das Jahr 1520 Der profane Grund fuumlr seine Entstehung war daszlig es sich um einsehr armes laumlndliches Gebiet handelte so daszlig die Bauern zur Existenzsicherung gezwungenwaren einen Nebenerwerb aufzunehmen Da das Schnitzhandwerk zu Hause auf den Houmlfen

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ausgeuumlbt werden konnte in der Umgebung reichlich Holz vorhanden war und eine gute Anbin-dung an Handelswege bestand etablierte sich in der Region eine in Familientradition fortgefuumlhrteraquoHeimindustrielaquo mit wechselhafter Konjunktur und seit dem 18 Jahrhundert in Schwung gehaltenvon sogenannten raquoVerlegernlaquo Zwischenhaumlndlern die sich ihren Profit durch raquoKnebelvertraumlgelaquound ein zu oumlkonomischer Abhaumlngigkeit fuumlhrendes Vorschuszlig-System auf niedrigem Entlohnungs-niveau sicherten Die Verleger sorgten allerdings dafuumlr daszlig man sich auch uumlberregional undim Ausland als Ort der raquoHerrgottsschnitzerlaquo einen Namen machte dh ndash neben Kinderspielzeugndash wurden in erster Linie Kruzifixe Krippen und Heiligenstatuen hergestellt (Vgl Heynald-GraefeOberammergauer Schnitzkunst sowie Groumlber Alte Oberammergauer Hauskunst)

Das Schnitzhandwerk praumlsentiert sich aktuell gereinigt von seiner raquoAumlrmlichkeitlaquo ist fuumlr dieca 150 ortsansaumlssigen Kunsthandwerker ein durchaus eintraumlgliches Geschaumlft und das Verlags-system gehoumlrt selbstverstaumlndlich der Vergangenheit an Gefertigt wird fuumlr den touristischenMarkt und das Angebot ist entsprechend diversifiziert Die Broschuumlre raquoKunsthandwerk inOberammergaulaquo faszligt treffend zusammen raquoSie koumlnnen Sakrales und Profanes finden DekorativesSkurriles in Faszligmalerei gestaltete Schnitzwerke oder traditionelle Hinterglasmalereilaquo (S 5)Mit anderen Worten Die Bandbreite reicht vom traditionalistischen Mimikry bis zum Touristen-kitsch (siehe Abb 1) Das kreierte Image der im Religioumlsen verankerten Tradition ndash mit merkantilenVerbeugungen vor dem Zeitgeist ndash paszligt sich dabei trefflich in die Imagination des Passions-spielsdorfes Die Tradition wird dabei gewissermaszligen neu erfunden Was aus der Not geborenwurde wird raquokunstgerechtlaquo in Szene geruumlckt von stoumlrenden Elementen gereinigt und alstouristisches raquoAushaumlngeschildlaquo genutzt Interessanterweise finden sich dabei auch Elementedes raquoOrientalismuslaquo10 insbesondere bei Krippenfiguren so daszlig es beispielsweise durchausnichts Ungewoumlhnliches ist als dekorativen Wegweiser ein houmllzernes Kamel auf dem Dorfplatzvorzufinden (siehe Abb 2)

Auch die raquoLuumlftlmalereilaquo ergaumlnzt ideal in das Bild das sich der Ort von sich selbst geschaffenhat um seine Besonderheit zu inszenieren Oberammergau ist keineswegs der einzige Ort andem die Fassaden traditionell mit Auszligenfresken verziert sind sondern dies ist eine im suumlddeutschenRaum durchaus verbreitete Form des Fassadenschmucks (vgl Rattelmuumlller Luumlftlmalerei inOberbayern) Allerdings hat Oberammergau immerhin einige spektakulaumlre Beispiele zu bietenDas beruumlhmteste und praumlchtigste ist das Pilatus-Haus das 177475 erbaut wurde (siehe Abb3) Es traumlgt diesen Namen nach dem Fresko raquoChristus vor Pilatuslaquo das eine ganze Hausseiteeinnimmt (siehe Abb 4) und von dem bekannten oumlrtlichen Kuumlnstler Franz Seraph Zwinck stammt(vgl auch Koch et al Franz Seraph Zwinck) Das Fresko fuumlgt sich in seiner Aussage nahtlos indie Passionsinszenierung des Ortes ein denn es stellt eine Szene dar die innerhalb der Passions-

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geschichte zentral ist Selbst der Aufbau des Freskos gleicht einer (barocken) Theaterkulisse Dabeiist auch hier der raquoOrientalismuslaquo auffaumlllig etwa indem die Juden (historisch unrichtig aber derdamaligen Orient-Begeisterung entsprechend) mit Turban dargestellt werden ndash ein raquoexotischeslaquoMotiv auf das man selbst in aktuellen Fremdenverkehrskatalogen noch gerne rekurriert (sieheAbb 5) Und das so (entfremdet) dargestellte raquoanderelaquo kommt denkbar schlecht weg handeltes sich doch bei der Szene um eine Art biblische Variante der Verschwoumlrungstheorie von derjuumldisch-kapitalistischen Weltverschwoumlrung bei der Judas mit dem juumldischen Establishment undder Weltmacht Rom (in Person des Statthalters Pilatus) gemeinsame Sache macht um Christuszu verraten Nicht alle Fresko-Darstellungen sind freilich so hochgradig ideologisch aufgeladensondern zeigen beispielsweise auch raquoharmloselaquo Musikantenszenen (siehe Abb 6) oder greifendas Passionsspiel-Thema als raquoZitatlaquo direkt auf (siehe Abb 7)

Wenn man den Ortskern durchschreitet so faumlllt die groszlige Ordnung und raquopeinlichelaquo Sauberkeitauf die trotz der Touristenstroumlme herrscht Alles geht raquowohlgeordnetlaquo zu und es finden sichkaum Ausreiszliger aus der Luumlftl-Idylle Allerdings gibt es durchaus fragwuumlrde miszliggluumlckte Versuchesowohl des raquoHistorismuslaquo sowie der Synthese mit der Moderne (siehe Abb 8 u 9) Und esfinden sich selbstverstaumlndlich ndash trotz aller Versuche einen moumlglichst raquoauthentischenlaquo Eindruckzu bewahren ndash Anzeichen von Globalisierung etwa wenn statt heimischer Gewaumlchse Agavendie Fassade zieren (siehe Abb 10) Der oumlffentliche Raum ist dabei ganz auf die Beduumlrfnissedes Tourismus zugeschnitten Man kann sich in einer ganzen Fuumllle von Straszligencafeacutes undGasthoumlfen mit traditioneller bayerischer Kost bewirten lassen Als ein etwas irritierender Fremd-koumlrper wirkt nur die kleine Touristenbahn die ohne Unterlaszlig ihre Runden im Dorf zieht umden Besuchern die Sehenswuumlrdigkeiten des Ortes naumlherzubringen (siehe Abb 11) Aber auchfuumlr den ndash zumeist betagten ndash Fuszliggaumlnger ist alles gut ausgeschildert und fuumlr ausreichend Parkplaumltzist beim Festspielhaus gesorgt das leicht uumlberdimensioniert wirkt und am Rand des Ortskernsliegt aber doch das eigentliche Zentrum darstellt (siehe Abb 12)

Denn die ganze Idee und Wirklichkeit von Oberammergau kreist wie erlaumlutert um die Passions-spiele Das spiegelt sich auch im Bewuszligtsein der Besucher und der Allgemeinheit wiederEine kleine Befragung zufaumlllig ausgewaumlhlter Passanten ergab die uumlberwiegende Mehrheit identi-fiziert den Ort alleine mit den Passionsspielen obwohl diese nur alle 10 Jahre stattfinden (vglFinkSchwarzer Die ewige Passion S 15f)11 Um deren Entstehung rankt sich eine Legendedie sich in verschiedenen Quellen bis ins 18 Jahrhundert zuruumlckverfolgen laumlszligt und noch heutegerne werbewirksam wiedergegeben wird Es galt als die Pest im Jahr 1633 schlieszliglich ihrenWeg ndash durch einen erkrankten Knecht der sich heimlich in den Ort einschlich ndash auch nachOberammergau gefunden und in kuumlrzester Zeit eine Reihe von Toten gekoste hatte ein Wunder

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zu bewirken Also besann man sich auf die Religion und gelobte alle zehn Jahre die LeidenChristi zur allgemeinen Laumluterung aufzufuumlhren ndash und um sich vor der Bedrohung der Pestin Zukunft geschuumltzt zu wissen Die historische Exaktheit dieser Version uumlber die Entstehungdes Passionsspiels kann angezweifelt werden allerdings gilt als relativ gesichert daszlig in etwain diesem Zeitraum die Pest tatsaumlchlich im Ort gewuumltet hatte und nur wenig spaumlter zum erstenmal eine Auffuumlhrung stattfand Mit seinem Christusspiel das als eine Art Tauschgeschaumlft Passiongegen Protektion gelten kann war Oberammergau freilich damit eher verspaumltet in anderenOrten auch der naumlheren Umgebung gab es aumlhnliches schon lange zuvor Allerdings hielt sichdiese Tradition in Oberammergau hartnaumlckiger ndash und das zum aktuellen oumlkonomischen Nutzen(Vgl ebd S 17ff sowie Shapiro Oberammergau S 101ndash136)

Uumlber das Oberammergauer Passionsspiel ist viel (wahrscheinlich zu viel) geschrieben wordendeshalb moumlchte ich hier nur auf einige Aspekte kurz eingehen die damit zu tun haben wiesich der Ort durch die Passionsspiele neu erfunden hat und sich dadurch als differenterbesonderer Ort praumlsentiert Die Tradition wird dafuumlr in durchaus kreativer Weise umgeformtund immer wieder an die neuen Erfordernisse der Zeit angepaszligt Dies zeigt sich einerseitsam Text Die aumllteste erhaltene Textfassung datiert auf das Jahr 1662 setzt sich zusammen ausverschiedenen Versatzstuumlcken anderer Passionsspiele war aber selbst bereits raquouumlberarbeitetlaquound ist lange nicht mehr im Gebrauch Im folgenden wurde der Text immer wieder erweitertund mit mehr dramatischen Elementen versehen Dies hatte zur Folge daszlig gerade die offizielleKirche und der Staat dem Passionsspieltreiben kritisch gegenuumlber eingestellt waren 1770 erfolgtegar ein (erstes) Auffuumlhrungsverbot Ende des 18 Jahrhunderts kam es deshalb zu raquoBereinigungenlaquoDie neuerliche Uumlberarbeitung durch den Ortspfarrer Daisenberger zu Beginn des 19 Jahrhundertsist im wesentlichen auch die Grundlage des heutigen Auffuumlhrungstextes es gab jedoch leichteModifikationen und Modernisierungen ndash insbesondere um den Text von seinen antisemitischenAnklaumlngen zu befreien (vgl FinkSchwarzer Die ewige Passion S 27ndash48 sowie Holzheimeret al Leiden schafft Passion S 39f u S 62ndash91)

Diese Untertoumlne waren freilich ndash auch das ein Zugestaumlndnis an den Zeitgeist ndash zur Zeit desNazismus durchaus noch prominent hervorgehoben Und so sind die Passionsspiele im Jahrdes 300jaumlhrigen Jubilaumlums 1934 auch eher ein dunkles Kapitel von dem man in Oberammergaulieber schweigt oder beschwichtigend ablenkt Hitler indes der die Festspiele (schon 1930)persoumlnlich besucht hatte war durchaus angetan und bemerkte raquo[hellip] kaum je sei die juumldischeGefahr am Beispiel des antiken roumlmischen Weltreiches so plastisch dargestellt worden wiein der Darstellung des Pontius Pilatus bei diesen Festspielen erscheine dieser doch als einrassisch und intelligenzmaumlszligig so uumlberlegener Roumlmer daszlig er wie ein Fels inmitten des juumldischen

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Geschmeiszliges und Gewimmels wirkelaquo (Pickert Hitlers Tischgespraumlche S 604f zitiert nachHolzheimer et al Leiden schafft Passion S 97)12

Lieber als an den Besucher Hitler erinnert man sich an so beruumlhmte Gaumlste wie Koumlnig LudwigII von Bayern Lady Churchil Eisenhower Henry Ford Thomas Mann Ferdinand de RothschildRabindranath Tagore Richard Wagner oder den Prince of Wales die Indikatoren fuumlr dieinternationale Bekanntheit des Oberammergauer Passionsspiels sind Insbesondere in denletzten Jahren hat es aufgrund dieser Internationalisierung auch Professionalisierungsbestrebungengegeben Obwohl die Darsteller sich noch immer aus den Dorfbewohnern rekrutieren alsoLaienspieler sind war der Spielleiter des Jahres 2000 (Szenen siehe Abb 13 u 14) ChristianStuumlckl ein versierten Theatermann der auch schon bei den Muumlnchner Kammerspielen inszenierte(vgl Holzheimer et al Leiden schafft Passion S 13f)

Um den Ansturm der touristischen Massen in den Festspieljahren bewaumlltigen zu koumlnnen muszligdas Festspielgebaumlude entsprechend groszlig dimensioniert sein Dabei wurde sogar auf die allgegen-waumlrtige Luumlftl-Romantik verzichtet Wir finden einen eher sachlich-modernen funktionalenZweck-Bau vor (siehe nochmals Abb 12) Finanziell sind die Passionsspiele regelmaumlszligig eingroszliger Erfolg die Einnahmen flieszligen in die Gemeindekasse und werden fuumlr touristische Infrastruk-turmaszlignahmen genutzt (vgl ebd S 247) Der Erfolg und die existentielle Wichtigkeit fuumlr denoumlrtlichen Tourismus sorgen uumlbrigens dafuumlr daszlig das Spiel eine staumlndige Streitquelle am Ortist raquoPassioniertlaquo gestritten wird beispielsweise uumlber die Spielleiterwahl und nicht zuletztBesetzungsfragen und dies auch mit basisdemokatischen Instrumenten wie dem Buumlrgerentscheid(vgl ebd S 250ndash273)

Angesichts dieser Omnipraumlsenz der Passionsspiele im oumlrtlichen Leben kann man den Eindruckgewinnen Nicht Oberammergau inszeniert die Passionsspiele sondern die Passionsspieleinszenieren Oberammergau Denn auch dieser (Nicht-)Ort ist zwar ein Ort an dem Lebenin den Wohnraumlumen und oumlffentlichen Plaumltzen raquotatsaumlchlichlaquo stattfindet allerdings ist es in weitenTeilen kein Leben fuumlr sich sondern zum Zweck der (hyperrealen) Inszenierung

B) WEGE IN DIE WIRKLICHKEIT

Die Passionsspiele sind also nicht nur eine Metapher des Ortes sondern vielmehr eine ArtBlaupause fuumlr Oberammergau das wie eine unwirkliche Kulisse ndash ausstaffiert mit froumlmmelndemSchnitzwerk und illusionaumlrer Luumlftlmalerei ndash fuumlr den Passionstourismus wirkt Wie koumlnnte dieser

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1 Diese urbanen Knotenpunkte ndash die worauf Sassen hinweist selbst globalisierte und lokalisierteSub-Strukturen aufweisen ndash konstituieren eine subkutane Machtstruktur dh es gibt kein raumlumlichgeschlossenes Zentrum mehr Oder wie Hardt und Negri formulieren it is raquoa decentred and deterri-torialising apparatus of rule that progressively incorporates the entire global realm with its openexpanding frontierslaquo (Empire S XII)

2 Von Wallerstein dem Begruumlnder der Weltsystemtheorie stammt die Unterscheidung zwischenZentrum Peripherie und Semiperipherie

3 Marx und Engels haben die Globalisierung des Kapitals trotz ihrer Kritik an Kapitalismus undImperialismus wohl in ersterem Sinne gelesen denn sie bemerken zur historischen Rolle der Bourgeoisiedurchaus anerkennend raquoDie Bourgeoisie reiszligt durch die rasche Verbesserung aller Produktions-instrumente durch die unendlich erleichterten Kommunikationen alle auch die barbarischsten []Nationen in die Zivilisationlaquo (Ebd S 35)

4 Appadurai sieht darum auch das Denken in Kategrien von Peripherie und Zentrum als uumlberholtan Und neben moumlglichen Tendenzen eines nationalistischen oder fundamentalistischen Regressessieht er auch Raumlume im System der globalen Stroumlme entstehen die fuumlr progressive transnationaleAllianzen genutzt werden koumlnnen und die die individuellen Horizonte erweitern (vgl ebd S 308)

5 In aumlhnlicher Weise stellte uumlbrigens Henri Lefebvre bereits in den 1970er Jahren heraus daszlig dasUumlberleben des Kapitalismus aktuell entscheidend von seiner Faumlhigkeit abhaumlngt den (globalen) Raum

Ort der sich selbst in seiner fiktionalen Geschichte imaginierend gefangen haumllt in die Wirklichkeitdes 21 Jahrhunderts gefuumlhrt werden Oder ist Oberammergau in dieser Wirklichkeit vielleichtzu sehr verankert und muumlszligte es nicht vor ihr vielmehr bewahrt werden um (wieder) zu einemraquorealenlaquo einem wirk-lichen Ort zu werden

Mit der hyperrealen Inszenierung seiner Differenz ist der Passionsspielort Oberammergautatsaumlchlich in der Wirklichkeit der Globalisierung angekommen ndash und wird von ihr absorbiertDa es sich aber wie dargelegt um einen dialektischen Prozeszlig handelt ist nicht auszuschlieszligendaszlig die Prozesse der Lokalisierung die Dynamik der oumlkonomischen Globalisierung nicht nurfunktional ergaumlnzen sondern herausfordern Daszlig eine solche raquolokalelaquo Herausforderung allerdingsvom globalen Dorf Oberammergau herruumlhren wird ist eher unwahrscheinlich Viel eher duumlrftesie wohl von den tatsaumlchlichen raquoDoumlrfernlaquo des globalen Raum ausgehen dort wo die Fixierungauf den Ort das u-topische Beduumlrfnis seiner Uumlberwindung erzeugt

ANMERKUNGEN

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zu umgreifen weshalb die raumlumliche Betrachtungsweise die historische notwendig ergaumlnzen muumlsse(vgl La production de lrsquoespace)

6 Eine Ausnahme bilden hier allerdings die raquovirtuellenlaquo Welten der Vergnuumlgungsparks wie raquoDisneyWorldlaquo oder Kunstlandschaften wie das raquoProjekt Edenlaquo

7 Die hyperreale Simulation steht damit im expliziten Gegensatz zum Symbolischen (und Meta-phorischen) das weniger das Reale verdoppelt als Vielmehr eine (u-topische) Alternative darstellt(vgl ders Der symbolische Tausch und der Tod sowie im Uumlberblick Jain Medien der AnschuungS 122ndash133)

8 Foucault versteht unter Heterotopien raquowirkliche Orte wirksame Orte die in die Einrichtung derGesellschaft hineingezeichnet sind sozusagen Gegenplazierungen und Widerlager tatsaumlchlich realisierteUtopien in denen die wirklichen Plaumltze innerhalb der Kultur gleichzeitig repraumlsentiert bestrittenund gewendet sind gewissermaszligen Orte auszligerhalb aller Orte wiewohl sie tatsaumlchlich geortet werdenkoumlnnenlaquo (Andere Raumlume S 68) Dabei unterscheidet er zwischen Krisenheterotopien (besondereRaumlume fuumlr Menschen in einer besonderen Lage) Abweichungsheterotopien (wo das Abweichendeinterniert wird) lllusionsheterotopien (die einen illusionaumlren Raum darstellen so daszlig der Eintrittin diesen Raum tatsaumlchlich ein Verlassen des Raumes ist) und Kompensationsheterotopien (die kom-pensatorisch auf begrenztem Raum ein Ideal in der defizitaumlren Realitaumlt verwirklichen)

9 Die imaginierten (Nicht-)Orte koumlnnen also auch nicht als Illusions- oder Kompensationheterotopiengelten denn sie sind nicht die begrenzte Wirklichkeit eines Traums oder illusionaumlrer Raum des Anderensie stehen nicht im Gegensatz zur Realitaumlt sondern verdoppeln diese in ihrem imaginierten Raum

10 Edward Said der diesen Begriff praumlgte bemerkt raquo[hellip] the Orient has helped to define Europe(or the West) as its contrasting image idea personality experience Yet none of this Orient is merelyimaginative The Orient is an integral part of European material civilization and culturelaquo (OrientalismS 2)

11 Um exakt zu sein 74 Der Rest antwortete raquoSchnitzereilaquo (8) raquoPassionsspiele und Schnitzereilaquo(3) raquoliegt in Bayernlaquo (2) raquoliegt in Oumlsterreichlaquo (2) raquoschon gehoumlrtlaquo (3) Nur 4 der Befragtenkannten den Ort nicht (vgl ebd)

12 Wohl kaum ein Zufall Ausgerechnet jenes Gaumlstebuch in das Hitler sich eingetragen hat istmerkwuumlrdigerweise verschwunden Fuumlr naumlhere Details zur NS-Geschichte und -Verstrickung derPassionsspiele und Oberammergau vgl auch Shapiro Oberammergau S 137-ndash186 sowie UtschneiderOberammergau im Dritten Reich insb S 100ndash109

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Abbildung 1 Abbildung 2

Abbildung 3 Abbildung 4

Abbildung 5 (Quelle Werbeprospekt) Abbildung 6

ABBILDUNGEN

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Abbildung 9 Abbildung 10

Abbildung 11 Abbildung 12

Abbildung 13 (Quelle Postkarten) Abbildung 14 (Quelle Postkarte)

Abbildung 7 Abbildung 8

INFORMATIONSBLATT

Autor(Innen) Anil K JainTitel Imaginierte (Nicht-)OrteUntertitel Ein Besuch im raquoglobalen Dorflaquo OberammergauJahr der Abfassung 2002VersionAktualisierungsdatum 04042006Originaler Download-Link httpwwwpower-xsnetjainpubimaginierteortepdfErste Druckveroumlffentlichung The Discourse of Sociological Practice Vol 6 No 12004

S 51ndash60 (Englische Version)

Wer Passagen dieses Textes zitieren will moumlchte bitte auch falls eine Druckveroumlffentlichungvorhanden sein sollte die PDF-Version als Grundlage verwenden (VersionAktualisierungsdatumangeben) da die PDF-Version umfangreicher undoder aktualisiert und korrigiert sein koumlnnte

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Page 6: EIN BESUCH IM GLOBALEN DORF BERAMMERGAU · aufspalten; es entstehen die separaten Sphären der »ethnoscapes«, »mediascapes«, »techno-scapes«, »financescapes« und »ideoscapes«,

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Verwerfungen ohne Reibungspunkte ohne Widerstandspotentiale Sie verdoppeln auf eineperfektionierte Weise ihre erdachte Wirklichkeit sie sind sie wirklicher als das Wirkliche eshandelt sich um hyperreale Simulakren von Orten (vgl zur hyperrealen Simulation BaudrillardDie Simulation)7

Als hyperreale Nicht-Orte sind sie dem Nicht-Ort der U-topie radikal entgegengesetzt Sieeliminieren alle alternativen Vorstellungen durch ihre Glaumltte ihre reibungslose Faktizitaumlt DieImagination der Utopie ist im imaginierten Nicht-Ort in Wirklichkeit erstarrt (und damit alsHorizont aufgegeben) oder wie Baudrillard ganz allgemein zur raquocondition postmodernelaquo bemerktraquoder Himmel der Utopie ist auf die Erde herabgekommenlaquo (Die fatalen Strategien S 85)

Die imaginierten (Nicht-)Orte inszenieren zwar durch Hyperrealitaumlt ihre Differenz zu anderenOrten aber sie sind auch keine Heterotopien8 Denn sie sind weder raquoandere Raumlumelaquo in demSinn daszlig sie das Andere das Abweichende umschlieszligen und eingrenzen wuumlrden wie etwaGefaumlngnisse oder raquoIrrenanstaltenlaquo noch sind sie Orte wo widerstaumlndige Praktiken ihren realenOrt und Raum der Entfaltung faumlnden Denn alles Inkompatible zu jenem raquoTraumlaquo den sieinszenieren um sich im globalen Differenzraum zu positionieren bleibt notwendig ausgeklam-mert wird aussortiert und ausgeschlossen Ihre Differenz geht so auf in Identitaumlt als Herraus-stellung eines Besonderen das aber in Uumlbereinstimmung mit dem Allgemeinen der Normdes Faktischen steht Sie sind Orte eines paradoxen auf Inszenierung von Differenz gegruumlndetenraquoIdentitaumltszwangslaquo (Adorno) den die oumlkonomiegetriebene Dynamik der Globalisierung bewirkt9

Die imaginierten (Nicht-)Orte teilen den ausschlieszligenden und differenten Charakter somitmit den peripheren Raumlumen nur ist deren Nichtigkeit und Differenz anderer Natur Dieperipheren marginalen Regionen im Raum der Globalisierung sind raquoanderslaquo da fuumlr sie andereRegeln und andere Standards gelten etwa weil sie als Orte benoumltigt werden wo kostenguumlnstigproduziert werden kann Diese Form der Differenz wird gewaltvoll etabliert und aufrecht erhalten(sei des durch neokoloniale Praktiken oder tarifaumlre Diskriminierungen etc) Die peripherenRegionen (unabhaumlngig von ihrer raquotatsaumlchlichenlaquo geographischen Lage) sind jedenfalls nur partiellintegriert in das Netzwerk der Globalisierung ndash dort wo sie als Produktionsstandort oderAbsatzmarkt fungieren Ansonsten sind sie ausgeschlossen und dieser Ausschluszlig gilt auchraquosymbolischlaquo dh sie sind als Gegenstand der Vorstellung nicht in das globalen Bewuszligtseinintegriert sie sind nicht existent

Die imaginierten Orte dagegen sind im globalen Bewuszligtsein und Raum (omni)praumlsent Siegehoumlren zu den privilegierten Raumlumen und muumlssen doch um ihr Privileg zu genieszligen den

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Preis der Anpassung zahlen Sie muumlssen ihre Besonderheit kreieren herausstellen und staumlndigneu erschaffen Und dabei muumlssen sie darauf bedacht sein daszlig sie ihre Besonderheit nichtdie Form der stoumlrenden Abweichung annimmt Der permanente Zwang zur hyperrealen Ins-zenierung und immer wieder neuen Erschaffung ihrer Differenz verhindert dabei daszlig sie zuwirk-lichen Orten werden Orten des Seins der Begegnung des Andersseins

4 DAS raquoGLOBALE DORFlaquo OBERAMMERGAU ALS IMAGINIERTER (NICHT-)ORT

Wie aber ist ein solcher imaginierter (Nicht-)Ort konkret vorzustellen Dies kann nur exemplarischgeschehen Als raquorealeslaquo Beispiel dient mir deshalb hier der oberbayerische Ort OberammergauEs handelt sich um ein raquoglobal villagelaquo ndash ein raquoWeltdorflaquo das seinen Platz in den raquoChartslaquo desDeutschland-Tourismus gefunden hat und dessen Ruhm als Alpenidylle und Passionsspiel-Schauplatz in raquoalle Weltlaquo vorgedrungen ist

Warum aber habe ich genau dieses und kein anderes Beispiel gewaumlhlt Mit dem Ort Oberam-mergau verbindet mich eine persoumlnliche Geschichte und Erinnerung in welcher der Eindruckeines unwirklichen Ortes zutiefst lebendig ist Es ist ein Ort an dem meine Mutter den groumlszligtenTeil ihrer Jugend verbracht hat den ich aus ihrer Erzaumlhlung erinnere und wo meine Groszligtantenoch heute lebt Ein Ort an dem ich sowohl die Absurditaumlt von Familienritualen wie die Uner-wuumlnschtheit als raquoandererlaquo erfahren durfte Ein Ort dessen Wege ich aus Langeweile erkundethabe und der mir schon als Kind wie eine Theaterkulisse erschien Heute ist mir bewuszligt warumdieser Eindruck entstand Oberammergau ist einer jener imaginierten (Nicht-)Orte von denenoben die Rede war

A) GESCHICHTE(N) FAKTEN UND FIKTIONEN DIE ERFINDUNG VON OBERAMMERGAU

Oberammergau nennt sich selbst gerne raquodas beruumlhmteste Dorf der Weltlaquo Im Jahr 910 alsder Ort zum ersten Mal urkundlich erwaumlhnt wurde handelte es sich aber noch um einenunbedeutenden Flecken im bayerischen Oberland Es liegt ca 90 km suumldwestlich von Muumlnchenauf 1136 oumlstlicher Laumlnge und 4736 noumlrdlicher Breite Die Gemeinde umfaszligt eine Gesamtflaumlchevon 3005 ha und hat derzeit ca 5000 Einwohner

Wie begreift und vor allem wie stellt sich dieser Ort dessen herausragende Besonderheiteinem nicht unbedingt sofort ins Auge springt selbst dar welche kreative Imagination liegt

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ihm zugrunde In einem aktuellen Werbeprospekt der Gemeinde heiszligt es in dieser Hinsichtuumlberaus Aufschluszligreich

raquoDas Auge wird nicht statt Siehrsquo dir das an Die Haumluser die Geschichten erzaumlhlen die maumlrchenhaften Schloumlsser

die Berge mit denen das Land ausklingt Das ist dein Urlaub in Oberammergaulaquo

Und weiterhin heiszligt es

raquoWo kann man sich besser treffen als in einem Ort der es gewohnt ist die Welt zu Gast zu haben Einmal

im Jahrzehnt sind es die Passionsspiele die nach Oberammergau fuumlhren Zwischendurch sind die einzigartige

Verbindung aus Natur und Kultur oder das Schnitz- und Kunsthandwerk Anlass genug sich hier zu treffenlaquo

Offenbar will dieser Ort mit seiner sinnlich erfahrbaren Historie verfuumlhren Natur und Kulturverbinden sich zu einem touristischen Hybridraum der nicht nur visuelle Anreize bietet sondernauch Geschichten zu erzaumlhlen hat Und doch scheint es selbst im Prospekttext fast so als seidas raquonormalelaquo Leben in Oberammergau ein Stillstand eine Zwischenzeit eine Pause zwischenden Auffuumlhrungen des Passionsspiels

Das Passionsspiel das alle 10 Jahre in Oberammergau zur Darbietung gebracht wird ist alsozentral fuumlr die Imagination dieses Ortes fuumlr seine inszenierte Differenz und fiktionale IdentitaumltDas ganze Leben des Ortes dreht sich um die Passions-Auffuumlhrung (die gleichzeitig den Kernder Inszenierung des Ortes darstellt) Es ist der (temporaumlre) Fix-Punkt um den herum sichdie anderen wichtigen Elemente des herausgekehrten Selbstbildes gruppieren die Umgebungund Natur die Oberammergau mit vielen anderen Alpendoumlrfern teilen muszlig und die sichdeshalb nur schwer zur Inszenierung einer spezifischen Besonderheit nutzen laumlszligt nur einenadditiven raquoMehrwertlaquo darstellt Dann ist da das Kunsthandwerk die raquoLuumlftlmalereilaquo und dieSchnitzkunst fuumlr die der Ort bekannt ist Aber was den eigentlichen Kern der imaginiertenIdentitaumlt ausmacht ist eben das Passionsspiel

Doch bevor wir zu diesem Kern vorstoszligen Untersuchen wir welchen raquoimaginativenlaquo Beitragdas Kunsthandwerk leistet Die Legende behauptet daszlig die Tradition des Schnitzhandwerksin Oberammergau in das raquomagischelaquo Jahr 1111 gruumlndet ndash durch den Anstoszlig von vier Laienbruumlderndes nahen Klosters Rottenbuch In Dokumenten finden sich erste Erwaumlhnungen dieses Handwerksaber erst um das Jahr 1520 Der profane Grund fuumlr seine Entstehung war daszlig es sich um einsehr armes laumlndliches Gebiet handelte so daszlig die Bauern zur Existenzsicherung gezwungenwaren einen Nebenerwerb aufzunehmen Da das Schnitzhandwerk zu Hause auf den Houmlfen

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ausgeuumlbt werden konnte in der Umgebung reichlich Holz vorhanden war und eine gute Anbin-dung an Handelswege bestand etablierte sich in der Region eine in Familientradition fortgefuumlhrteraquoHeimindustrielaquo mit wechselhafter Konjunktur und seit dem 18 Jahrhundert in Schwung gehaltenvon sogenannten raquoVerlegernlaquo Zwischenhaumlndlern die sich ihren Profit durch raquoKnebelvertraumlgelaquound ein zu oumlkonomischer Abhaumlngigkeit fuumlhrendes Vorschuszlig-System auf niedrigem Entlohnungs-niveau sicherten Die Verleger sorgten allerdings dafuumlr daszlig man sich auch uumlberregional undim Ausland als Ort der raquoHerrgottsschnitzerlaquo einen Namen machte dh ndash neben Kinderspielzeugndash wurden in erster Linie Kruzifixe Krippen und Heiligenstatuen hergestellt (Vgl Heynald-GraefeOberammergauer Schnitzkunst sowie Groumlber Alte Oberammergauer Hauskunst)

Das Schnitzhandwerk praumlsentiert sich aktuell gereinigt von seiner raquoAumlrmlichkeitlaquo ist fuumlr dieca 150 ortsansaumlssigen Kunsthandwerker ein durchaus eintraumlgliches Geschaumlft und das Verlags-system gehoumlrt selbstverstaumlndlich der Vergangenheit an Gefertigt wird fuumlr den touristischenMarkt und das Angebot ist entsprechend diversifiziert Die Broschuumlre raquoKunsthandwerk inOberammergaulaquo faszligt treffend zusammen raquoSie koumlnnen Sakrales und Profanes finden DekorativesSkurriles in Faszligmalerei gestaltete Schnitzwerke oder traditionelle Hinterglasmalereilaquo (S 5)Mit anderen Worten Die Bandbreite reicht vom traditionalistischen Mimikry bis zum Touristen-kitsch (siehe Abb 1) Das kreierte Image der im Religioumlsen verankerten Tradition ndash mit merkantilenVerbeugungen vor dem Zeitgeist ndash paszligt sich dabei trefflich in die Imagination des Passions-spielsdorfes Die Tradition wird dabei gewissermaszligen neu erfunden Was aus der Not geborenwurde wird raquokunstgerechtlaquo in Szene geruumlckt von stoumlrenden Elementen gereinigt und alstouristisches raquoAushaumlngeschildlaquo genutzt Interessanterweise finden sich dabei auch Elementedes raquoOrientalismuslaquo10 insbesondere bei Krippenfiguren so daszlig es beispielsweise durchausnichts Ungewoumlhnliches ist als dekorativen Wegweiser ein houmllzernes Kamel auf dem Dorfplatzvorzufinden (siehe Abb 2)

Auch die raquoLuumlftlmalereilaquo ergaumlnzt ideal in das Bild das sich der Ort von sich selbst geschaffenhat um seine Besonderheit zu inszenieren Oberammergau ist keineswegs der einzige Ort andem die Fassaden traditionell mit Auszligenfresken verziert sind sondern dies ist eine im suumlddeutschenRaum durchaus verbreitete Form des Fassadenschmucks (vgl Rattelmuumlller Luumlftlmalerei inOberbayern) Allerdings hat Oberammergau immerhin einige spektakulaumlre Beispiele zu bietenDas beruumlhmteste und praumlchtigste ist das Pilatus-Haus das 177475 erbaut wurde (siehe Abb3) Es traumlgt diesen Namen nach dem Fresko raquoChristus vor Pilatuslaquo das eine ganze Hausseiteeinnimmt (siehe Abb 4) und von dem bekannten oumlrtlichen Kuumlnstler Franz Seraph Zwinck stammt(vgl auch Koch et al Franz Seraph Zwinck) Das Fresko fuumlgt sich in seiner Aussage nahtlos indie Passionsinszenierung des Ortes ein denn es stellt eine Szene dar die innerhalb der Passions-

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geschichte zentral ist Selbst der Aufbau des Freskos gleicht einer (barocken) Theaterkulisse Dabeiist auch hier der raquoOrientalismuslaquo auffaumlllig etwa indem die Juden (historisch unrichtig aber derdamaligen Orient-Begeisterung entsprechend) mit Turban dargestellt werden ndash ein raquoexotischeslaquoMotiv auf das man selbst in aktuellen Fremdenverkehrskatalogen noch gerne rekurriert (sieheAbb 5) Und das so (entfremdet) dargestellte raquoanderelaquo kommt denkbar schlecht weg handeltes sich doch bei der Szene um eine Art biblische Variante der Verschwoumlrungstheorie von derjuumldisch-kapitalistischen Weltverschwoumlrung bei der Judas mit dem juumldischen Establishment undder Weltmacht Rom (in Person des Statthalters Pilatus) gemeinsame Sache macht um Christuszu verraten Nicht alle Fresko-Darstellungen sind freilich so hochgradig ideologisch aufgeladensondern zeigen beispielsweise auch raquoharmloselaquo Musikantenszenen (siehe Abb 6) oder greifendas Passionsspiel-Thema als raquoZitatlaquo direkt auf (siehe Abb 7)

Wenn man den Ortskern durchschreitet so faumlllt die groszlige Ordnung und raquopeinlichelaquo Sauberkeitauf die trotz der Touristenstroumlme herrscht Alles geht raquowohlgeordnetlaquo zu und es finden sichkaum Ausreiszliger aus der Luumlftl-Idylle Allerdings gibt es durchaus fragwuumlrde miszliggluumlckte Versuchesowohl des raquoHistorismuslaquo sowie der Synthese mit der Moderne (siehe Abb 8 u 9) Und esfinden sich selbstverstaumlndlich ndash trotz aller Versuche einen moumlglichst raquoauthentischenlaquo Eindruckzu bewahren ndash Anzeichen von Globalisierung etwa wenn statt heimischer Gewaumlchse Agavendie Fassade zieren (siehe Abb 10) Der oumlffentliche Raum ist dabei ganz auf die Beduumlrfnissedes Tourismus zugeschnitten Man kann sich in einer ganzen Fuumllle von Straszligencafeacutes undGasthoumlfen mit traditioneller bayerischer Kost bewirten lassen Als ein etwas irritierender Fremd-koumlrper wirkt nur die kleine Touristenbahn die ohne Unterlaszlig ihre Runden im Dorf zieht umden Besuchern die Sehenswuumlrdigkeiten des Ortes naumlherzubringen (siehe Abb 11) Aber auchfuumlr den ndash zumeist betagten ndash Fuszliggaumlnger ist alles gut ausgeschildert und fuumlr ausreichend Parkplaumltzist beim Festspielhaus gesorgt das leicht uumlberdimensioniert wirkt und am Rand des Ortskernsliegt aber doch das eigentliche Zentrum darstellt (siehe Abb 12)

Denn die ganze Idee und Wirklichkeit von Oberammergau kreist wie erlaumlutert um die Passions-spiele Das spiegelt sich auch im Bewuszligtsein der Besucher und der Allgemeinheit wiederEine kleine Befragung zufaumlllig ausgewaumlhlter Passanten ergab die uumlberwiegende Mehrheit identi-fiziert den Ort alleine mit den Passionsspielen obwohl diese nur alle 10 Jahre stattfinden (vglFinkSchwarzer Die ewige Passion S 15f)11 Um deren Entstehung rankt sich eine Legendedie sich in verschiedenen Quellen bis ins 18 Jahrhundert zuruumlckverfolgen laumlszligt und noch heutegerne werbewirksam wiedergegeben wird Es galt als die Pest im Jahr 1633 schlieszliglich ihrenWeg ndash durch einen erkrankten Knecht der sich heimlich in den Ort einschlich ndash auch nachOberammergau gefunden und in kuumlrzester Zeit eine Reihe von Toten gekoste hatte ein Wunder

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zu bewirken Also besann man sich auf die Religion und gelobte alle zehn Jahre die LeidenChristi zur allgemeinen Laumluterung aufzufuumlhren ndash und um sich vor der Bedrohung der Pestin Zukunft geschuumltzt zu wissen Die historische Exaktheit dieser Version uumlber die Entstehungdes Passionsspiels kann angezweifelt werden allerdings gilt als relativ gesichert daszlig in etwain diesem Zeitraum die Pest tatsaumlchlich im Ort gewuumltet hatte und nur wenig spaumlter zum erstenmal eine Auffuumlhrung stattfand Mit seinem Christusspiel das als eine Art Tauschgeschaumlft Passiongegen Protektion gelten kann war Oberammergau freilich damit eher verspaumltet in anderenOrten auch der naumlheren Umgebung gab es aumlhnliches schon lange zuvor Allerdings hielt sichdiese Tradition in Oberammergau hartnaumlckiger ndash und das zum aktuellen oumlkonomischen Nutzen(Vgl ebd S 17ff sowie Shapiro Oberammergau S 101ndash136)

Uumlber das Oberammergauer Passionsspiel ist viel (wahrscheinlich zu viel) geschrieben wordendeshalb moumlchte ich hier nur auf einige Aspekte kurz eingehen die damit zu tun haben wiesich der Ort durch die Passionsspiele neu erfunden hat und sich dadurch als differenterbesonderer Ort praumlsentiert Die Tradition wird dafuumlr in durchaus kreativer Weise umgeformtund immer wieder an die neuen Erfordernisse der Zeit angepaszligt Dies zeigt sich einerseitsam Text Die aumllteste erhaltene Textfassung datiert auf das Jahr 1662 setzt sich zusammen ausverschiedenen Versatzstuumlcken anderer Passionsspiele war aber selbst bereits raquouumlberarbeitetlaquound ist lange nicht mehr im Gebrauch Im folgenden wurde der Text immer wieder erweitertund mit mehr dramatischen Elementen versehen Dies hatte zur Folge daszlig gerade die offizielleKirche und der Staat dem Passionsspieltreiben kritisch gegenuumlber eingestellt waren 1770 erfolgtegar ein (erstes) Auffuumlhrungsverbot Ende des 18 Jahrhunderts kam es deshalb zu raquoBereinigungenlaquoDie neuerliche Uumlberarbeitung durch den Ortspfarrer Daisenberger zu Beginn des 19 Jahrhundertsist im wesentlichen auch die Grundlage des heutigen Auffuumlhrungstextes es gab jedoch leichteModifikationen und Modernisierungen ndash insbesondere um den Text von seinen antisemitischenAnklaumlngen zu befreien (vgl FinkSchwarzer Die ewige Passion S 27ndash48 sowie Holzheimeret al Leiden schafft Passion S 39f u S 62ndash91)

Diese Untertoumlne waren freilich ndash auch das ein Zugestaumlndnis an den Zeitgeist ndash zur Zeit desNazismus durchaus noch prominent hervorgehoben Und so sind die Passionsspiele im Jahrdes 300jaumlhrigen Jubilaumlums 1934 auch eher ein dunkles Kapitel von dem man in Oberammergaulieber schweigt oder beschwichtigend ablenkt Hitler indes der die Festspiele (schon 1930)persoumlnlich besucht hatte war durchaus angetan und bemerkte raquo[hellip] kaum je sei die juumldischeGefahr am Beispiel des antiken roumlmischen Weltreiches so plastisch dargestellt worden wiein der Darstellung des Pontius Pilatus bei diesen Festspielen erscheine dieser doch als einrassisch und intelligenzmaumlszligig so uumlberlegener Roumlmer daszlig er wie ein Fels inmitten des juumldischen

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Geschmeiszliges und Gewimmels wirkelaquo (Pickert Hitlers Tischgespraumlche S 604f zitiert nachHolzheimer et al Leiden schafft Passion S 97)12

Lieber als an den Besucher Hitler erinnert man sich an so beruumlhmte Gaumlste wie Koumlnig LudwigII von Bayern Lady Churchil Eisenhower Henry Ford Thomas Mann Ferdinand de RothschildRabindranath Tagore Richard Wagner oder den Prince of Wales die Indikatoren fuumlr dieinternationale Bekanntheit des Oberammergauer Passionsspiels sind Insbesondere in denletzten Jahren hat es aufgrund dieser Internationalisierung auch Professionalisierungsbestrebungengegeben Obwohl die Darsteller sich noch immer aus den Dorfbewohnern rekrutieren alsoLaienspieler sind war der Spielleiter des Jahres 2000 (Szenen siehe Abb 13 u 14) ChristianStuumlckl ein versierten Theatermann der auch schon bei den Muumlnchner Kammerspielen inszenierte(vgl Holzheimer et al Leiden schafft Passion S 13f)

Um den Ansturm der touristischen Massen in den Festspieljahren bewaumlltigen zu koumlnnen muszligdas Festspielgebaumlude entsprechend groszlig dimensioniert sein Dabei wurde sogar auf die allgegen-waumlrtige Luumlftl-Romantik verzichtet Wir finden einen eher sachlich-modernen funktionalenZweck-Bau vor (siehe nochmals Abb 12) Finanziell sind die Passionsspiele regelmaumlszligig eingroszliger Erfolg die Einnahmen flieszligen in die Gemeindekasse und werden fuumlr touristische Infrastruk-turmaszlignahmen genutzt (vgl ebd S 247) Der Erfolg und die existentielle Wichtigkeit fuumlr denoumlrtlichen Tourismus sorgen uumlbrigens dafuumlr daszlig das Spiel eine staumlndige Streitquelle am Ortist raquoPassioniertlaquo gestritten wird beispielsweise uumlber die Spielleiterwahl und nicht zuletztBesetzungsfragen und dies auch mit basisdemokatischen Instrumenten wie dem Buumlrgerentscheid(vgl ebd S 250ndash273)

Angesichts dieser Omnipraumlsenz der Passionsspiele im oumlrtlichen Leben kann man den Eindruckgewinnen Nicht Oberammergau inszeniert die Passionsspiele sondern die Passionsspieleinszenieren Oberammergau Denn auch dieser (Nicht-)Ort ist zwar ein Ort an dem Lebenin den Wohnraumlumen und oumlffentlichen Plaumltzen raquotatsaumlchlichlaquo stattfindet allerdings ist es in weitenTeilen kein Leben fuumlr sich sondern zum Zweck der (hyperrealen) Inszenierung

B) WEGE IN DIE WIRKLICHKEIT

Die Passionsspiele sind also nicht nur eine Metapher des Ortes sondern vielmehr eine ArtBlaupause fuumlr Oberammergau das wie eine unwirkliche Kulisse ndash ausstaffiert mit froumlmmelndemSchnitzwerk und illusionaumlrer Luumlftlmalerei ndash fuumlr den Passionstourismus wirkt Wie koumlnnte dieser

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1 Diese urbanen Knotenpunkte ndash die worauf Sassen hinweist selbst globalisierte und lokalisierteSub-Strukturen aufweisen ndash konstituieren eine subkutane Machtstruktur dh es gibt kein raumlumlichgeschlossenes Zentrum mehr Oder wie Hardt und Negri formulieren it is raquoa decentred and deterri-torialising apparatus of rule that progressively incorporates the entire global realm with its openexpanding frontierslaquo (Empire S XII)

2 Von Wallerstein dem Begruumlnder der Weltsystemtheorie stammt die Unterscheidung zwischenZentrum Peripherie und Semiperipherie

3 Marx und Engels haben die Globalisierung des Kapitals trotz ihrer Kritik an Kapitalismus undImperialismus wohl in ersterem Sinne gelesen denn sie bemerken zur historischen Rolle der Bourgeoisiedurchaus anerkennend raquoDie Bourgeoisie reiszligt durch die rasche Verbesserung aller Produktions-instrumente durch die unendlich erleichterten Kommunikationen alle auch die barbarischsten []Nationen in die Zivilisationlaquo (Ebd S 35)

4 Appadurai sieht darum auch das Denken in Kategrien von Peripherie und Zentrum als uumlberholtan Und neben moumlglichen Tendenzen eines nationalistischen oder fundamentalistischen Regressessieht er auch Raumlume im System der globalen Stroumlme entstehen die fuumlr progressive transnationaleAllianzen genutzt werden koumlnnen und die die individuellen Horizonte erweitern (vgl ebd S 308)

5 In aumlhnlicher Weise stellte uumlbrigens Henri Lefebvre bereits in den 1970er Jahren heraus daszlig dasUumlberleben des Kapitalismus aktuell entscheidend von seiner Faumlhigkeit abhaumlngt den (globalen) Raum

Ort der sich selbst in seiner fiktionalen Geschichte imaginierend gefangen haumllt in die Wirklichkeitdes 21 Jahrhunderts gefuumlhrt werden Oder ist Oberammergau in dieser Wirklichkeit vielleichtzu sehr verankert und muumlszligte es nicht vor ihr vielmehr bewahrt werden um (wieder) zu einemraquorealenlaquo einem wirk-lichen Ort zu werden

Mit der hyperrealen Inszenierung seiner Differenz ist der Passionsspielort Oberammergautatsaumlchlich in der Wirklichkeit der Globalisierung angekommen ndash und wird von ihr absorbiertDa es sich aber wie dargelegt um einen dialektischen Prozeszlig handelt ist nicht auszuschlieszligendaszlig die Prozesse der Lokalisierung die Dynamik der oumlkonomischen Globalisierung nicht nurfunktional ergaumlnzen sondern herausfordern Daszlig eine solche raquolokalelaquo Herausforderung allerdingsvom globalen Dorf Oberammergau herruumlhren wird ist eher unwahrscheinlich Viel eher duumlrftesie wohl von den tatsaumlchlichen raquoDoumlrfernlaquo des globalen Raum ausgehen dort wo die Fixierungauf den Ort das u-topische Beduumlrfnis seiner Uumlberwindung erzeugt

ANMERKUNGEN

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zu umgreifen weshalb die raumlumliche Betrachtungsweise die historische notwendig ergaumlnzen muumlsse(vgl La production de lrsquoespace)

6 Eine Ausnahme bilden hier allerdings die raquovirtuellenlaquo Welten der Vergnuumlgungsparks wie raquoDisneyWorldlaquo oder Kunstlandschaften wie das raquoProjekt Edenlaquo

7 Die hyperreale Simulation steht damit im expliziten Gegensatz zum Symbolischen (und Meta-phorischen) das weniger das Reale verdoppelt als Vielmehr eine (u-topische) Alternative darstellt(vgl ders Der symbolische Tausch und der Tod sowie im Uumlberblick Jain Medien der AnschuungS 122ndash133)

8 Foucault versteht unter Heterotopien raquowirkliche Orte wirksame Orte die in die Einrichtung derGesellschaft hineingezeichnet sind sozusagen Gegenplazierungen und Widerlager tatsaumlchlich realisierteUtopien in denen die wirklichen Plaumltze innerhalb der Kultur gleichzeitig repraumlsentiert bestrittenund gewendet sind gewissermaszligen Orte auszligerhalb aller Orte wiewohl sie tatsaumlchlich geortet werdenkoumlnnenlaquo (Andere Raumlume S 68) Dabei unterscheidet er zwischen Krisenheterotopien (besondereRaumlume fuumlr Menschen in einer besonderen Lage) Abweichungsheterotopien (wo das Abweichendeinterniert wird) lllusionsheterotopien (die einen illusionaumlren Raum darstellen so daszlig der Eintrittin diesen Raum tatsaumlchlich ein Verlassen des Raumes ist) und Kompensationsheterotopien (die kom-pensatorisch auf begrenztem Raum ein Ideal in der defizitaumlren Realitaumlt verwirklichen)

9 Die imaginierten (Nicht-)Orte koumlnnen also auch nicht als Illusions- oder Kompensationheterotopiengelten denn sie sind nicht die begrenzte Wirklichkeit eines Traums oder illusionaumlrer Raum des Anderensie stehen nicht im Gegensatz zur Realitaumlt sondern verdoppeln diese in ihrem imaginierten Raum

10 Edward Said der diesen Begriff praumlgte bemerkt raquo[hellip] the Orient has helped to define Europe(or the West) as its contrasting image idea personality experience Yet none of this Orient is merelyimaginative The Orient is an integral part of European material civilization and culturelaquo (OrientalismS 2)

11 Um exakt zu sein 74 Der Rest antwortete raquoSchnitzereilaquo (8) raquoPassionsspiele und Schnitzereilaquo(3) raquoliegt in Bayernlaquo (2) raquoliegt in Oumlsterreichlaquo (2) raquoschon gehoumlrtlaquo (3) Nur 4 der Befragtenkannten den Ort nicht (vgl ebd)

12 Wohl kaum ein Zufall Ausgerechnet jenes Gaumlstebuch in das Hitler sich eingetragen hat istmerkwuumlrdigerweise verschwunden Fuumlr naumlhere Details zur NS-Geschichte und -Verstrickung derPassionsspiele und Oberammergau vgl auch Shapiro Oberammergau S 137-ndash186 sowie UtschneiderOberammergau im Dritten Reich insb S 100ndash109

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Abbildung 1 Abbildung 2

Abbildung 3 Abbildung 4

Abbildung 5 (Quelle Werbeprospekt) Abbildung 6

ABBILDUNGEN

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Abbildung 9 Abbildung 10

Abbildung 11 Abbildung 12

Abbildung 13 (Quelle Postkarten) Abbildung 14 (Quelle Postkarte)

Abbildung 7 Abbildung 8

INFORMATIONSBLATT

Autor(Innen) Anil K JainTitel Imaginierte (Nicht-)OrteUntertitel Ein Besuch im raquoglobalen Dorflaquo OberammergauJahr der Abfassung 2002VersionAktualisierungsdatum 04042006Originaler Download-Link httpwwwpower-xsnetjainpubimaginierteortepdfErste Druckveroumlffentlichung The Discourse of Sociological Practice Vol 6 No 12004

S 51ndash60 (Englische Version)

Wer Passagen dieses Textes zitieren will moumlchte bitte auch falls eine Druckveroumlffentlichungvorhanden sein sollte die PDF-Version als Grundlage verwenden (VersionAktualisierungsdatumangeben) da die PDF-Version umfangreicher undoder aktualisiert und korrigiert sein koumlnnte

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Preis der Anpassung zahlen Sie muumlssen ihre Besonderheit kreieren herausstellen und staumlndigneu erschaffen Und dabei muumlssen sie darauf bedacht sein daszlig sie ihre Besonderheit nichtdie Form der stoumlrenden Abweichung annimmt Der permanente Zwang zur hyperrealen Ins-zenierung und immer wieder neuen Erschaffung ihrer Differenz verhindert dabei daszlig sie zuwirk-lichen Orten werden Orten des Seins der Begegnung des Andersseins

4 DAS raquoGLOBALE DORFlaquo OBERAMMERGAU ALS IMAGINIERTER (NICHT-)ORT

Wie aber ist ein solcher imaginierter (Nicht-)Ort konkret vorzustellen Dies kann nur exemplarischgeschehen Als raquorealeslaquo Beispiel dient mir deshalb hier der oberbayerische Ort OberammergauEs handelt sich um ein raquoglobal villagelaquo ndash ein raquoWeltdorflaquo das seinen Platz in den raquoChartslaquo desDeutschland-Tourismus gefunden hat und dessen Ruhm als Alpenidylle und Passionsspiel-Schauplatz in raquoalle Weltlaquo vorgedrungen ist

Warum aber habe ich genau dieses und kein anderes Beispiel gewaumlhlt Mit dem Ort Oberam-mergau verbindet mich eine persoumlnliche Geschichte und Erinnerung in welcher der Eindruckeines unwirklichen Ortes zutiefst lebendig ist Es ist ein Ort an dem meine Mutter den groumlszligtenTeil ihrer Jugend verbracht hat den ich aus ihrer Erzaumlhlung erinnere und wo meine Groszligtantenoch heute lebt Ein Ort an dem ich sowohl die Absurditaumlt von Familienritualen wie die Uner-wuumlnschtheit als raquoandererlaquo erfahren durfte Ein Ort dessen Wege ich aus Langeweile erkundethabe und der mir schon als Kind wie eine Theaterkulisse erschien Heute ist mir bewuszligt warumdieser Eindruck entstand Oberammergau ist einer jener imaginierten (Nicht-)Orte von denenoben die Rede war

A) GESCHICHTE(N) FAKTEN UND FIKTIONEN DIE ERFINDUNG VON OBERAMMERGAU

Oberammergau nennt sich selbst gerne raquodas beruumlhmteste Dorf der Weltlaquo Im Jahr 910 alsder Ort zum ersten Mal urkundlich erwaumlhnt wurde handelte es sich aber noch um einenunbedeutenden Flecken im bayerischen Oberland Es liegt ca 90 km suumldwestlich von Muumlnchenauf 1136 oumlstlicher Laumlnge und 4736 noumlrdlicher Breite Die Gemeinde umfaszligt eine Gesamtflaumlchevon 3005 ha und hat derzeit ca 5000 Einwohner

Wie begreift und vor allem wie stellt sich dieser Ort dessen herausragende Besonderheiteinem nicht unbedingt sofort ins Auge springt selbst dar welche kreative Imagination liegt

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ihm zugrunde In einem aktuellen Werbeprospekt der Gemeinde heiszligt es in dieser Hinsichtuumlberaus Aufschluszligreich

raquoDas Auge wird nicht statt Siehrsquo dir das an Die Haumluser die Geschichten erzaumlhlen die maumlrchenhaften Schloumlsser

die Berge mit denen das Land ausklingt Das ist dein Urlaub in Oberammergaulaquo

Und weiterhin heiszligt es

raquoWo kann man sich besser treffen als in einem Ort der es gewohnt ist die Welt zu Gast zu haben Einmal

im Jahrzehnt sind es die Passionsspiele die nach Oberammergau fuumlhren Zwischendurch sind die einzigartige

Verbindung aus Natur und Kultur oder das Schnitz- und Kunsthandwerk Anlass genug sich hier zu treffenlaquo

Offenbar will dieser Ort mit seiner sinnlich erfahrbaren Historie verfuumlhren Natur und Kulturverbinden sich zu einem touristischen Hybridraum der nicht nur visuelle Anreize bietet sondernauch Geschichten zu erzaumlhlen hat Und doch scheint es selbst im Prospekttext fast so als seidas raquonormalelaquo Leben in Oberammergau ein Stillstand eine Zwischenzeit eine Pause zwischenden Auffuumlhrungen des Passionsspiels

Das Passionsspiel das alle 10 Jahre in Oberammergau zur Darbietung gebracht wird ist alsozentral fuumlr die Imagination dieses Ortes fuumlr seine inszenierte Differenz und fiktionale IdentitaumltDas ganze Leben des Ortes dreht sich um die Passions-Auffuumlhrung (die gleichzeitig den Kernder Inszenierung des Ortes darstellt) Es ist der (temporaumlre) Fix-Punkt um den herum sichdie anderen wichtigen Elemente des herausgekehrten Selbstbildes gruppieren die Umgebungund Natur die Oberammergau mit vielen anderen Alpendoumlrfern teilen muszlig und die sichdeshalb nur schwer zur Inszenierung einer spezifischen Besonderheit nutzen laumlszligt nur einenadditiven raquoMehrwertlaquo darstellt Dann ist da das Kunsthandwerk die raquoLuumlftlmalereilaquo und dieSchnitzkunst fuumlr die der Ort bekannt ist Aber was den eigentlichen Kern der imaginiertenIdentitaumlt ausmacht ist eben das Passionsspiel

Doch bevor wir zu diesem Kern vorstoszligen Untersuchen wir welchen raquoimaginativenlaquo Beitragdas Kunsthandwerk leistet Die Legende behauptet daszlig die Tradition des Schnitzhandwerksin Oberammergau in das raquomagischelaquo Jahr 1111 gruumlndet ndash durch den Anstoszlig von vier Laienbruumlderndes nahen Klosters Rottenbuch In Dokumenten finden sich erste Erwaumlhnungen dieses Handwerksaber erst um das Jahr 1520 Der profane Grund fuumlr seine Entstehung war daszlig es sich um einsehr armes laumlndliches Gebiet handelte so daszlig die Bauern zur Existenzsicherung gezwungenwaren einen Nebenerwerb aufzunehmen Da das Schnitzhandwerk zu Hause auf den Houmlfen

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ausgeuumlbt werden konnte in der Umgebung reichlich Holz vorhanden war und eine gute Anbin-dung an Handelswege bestand etablierte sich in der Region eine in Familientradition fortgefuumlhrteraquoHeimindustrielaquo mit wechselhafter Konjunktur und seit dem 18 Jahrhundert in Schwung gehaltenvon sogenannten raquoVerlegernlaquo Zwischenhaumlndlern die sich ihren Profit durch raquoKnebelvertraumlgelaquound ein zu oumlkonomischer Abhaumlngigkeit fuumlhrendes Vorschuszlig-System auf niedrigem Entlohnungs-niveau sicherten Die Verleger sorgten allerdings dafuumlr daszlig man sich auch uumlberregional undim Ausland als Ort der raquoHerrgottsschnitzerlaquo einen Namen machte dh ndash neben Kinderspielzeugndash wurden in erster Linie Kruzifixe Krippen und Heiligenstatuen hergestellt (Vgl Heynald-GraefeOberammergauer Schnitzkunst sowie Groumlber Alte Oberammergauer Hauskunst)

Das Schnitzhandwerk praumlsentiert sich aktuell gereinigt von seiner raquoAumlrmlichkeitlaquo ist fuumlr dieca 150 ortsansaumlssigen Kunsthandwerker ein durchaus eintraumlgliches Geschaumlft und das Verlags-system gehoumlrt selbstverstaumlndlich der Vergangenheit an Gefertigt wird fuumlr den touristischenMarkt und das Angebot ist entsprechend diversifiziert Die Broschuumlre raquoKunsthandwerk inOberammergaulaquo faszligt treffend zusammen raquoSie koumlnnen Sakrales und Profanes finden DekorativesSkurriles in Faszligmalerei gestaltete Schnitzwerke oder traditionelle Hinterglasmalereilaquo (S 5)Mit anderen Worten Die Bandbreite reicht vom traditionalistischen Mimikry bis zum Touristen-kitsch (siehe Abb 1) Das kreierte Image der im Religioumlsen verankerten Tradition ndash mit merkantilenVerbeugungen vor dem Zeitgeist ndash paszligt sich dabei trefflich in die Imagination des Passions-spielsdorfes Die Tradition wird dabei gewissermaszligen neu erfunden Was aus der Not geborenwurde wird raquokunstgerechtlaquo in Szene geruumlckt von stoumlrenden Elementen gereinigt und alstouristisches raquoAushaumlngeschildlaquo genutzt Interessanterweise finden sich dabei auch Elementedes raquoOrientalismuslaquo10 insbesondere bei Krippenfiguren so daszlig es beispielsweise durchausnichts Ungewoumlhnliches ist als dekorativen Wegweiser ein houmllzernes Kamel auf dem Dorfplatzvorzufinden (siehe Abb 2)

Auch die raquoLuumlftlmalereilaquo ergaumlnzt ideal in das Bild das sich der Ort von sich selbst geschaffenhat um seine Besonderheit zu inszenieren Oberammergau ist keineswegs der einzige Ort andem die Fassaden traditionell mit Auszligenfresken verziert sind sondern dies ist eine im suumlddeutschenRaum durchaus verbreitete Form des Fassadenschmucks (vgl Rattelmuumlller Luumlftlmalerei inOberbayern) Allerdings hat Oberammergau immerhin einige spektakulaumlre Beispiele zu bietenDas beruumlhmteste und praumlchtigste ist das Pilatus-Haus das 177475 erbaut wurde (siehe Abb3) Es traumlgt diesen Namen nach dem Fresko raquoChristus vor Pilatuslaquo das eine ganze Hausseiteeinnimmt (siehe Abb 4) und von dem bekannten oumlrtlichen Kuumlnstler Franz Seraph Zwinck stammt(vgl auch Koch et al Franz Seraph Zwinck) Das Fresko fuumlgt sich in seiner Aussage nahtlos indie Passionsinszenierung des Ortes ein denn es stellt eine Szene dar die innerhalb der Passions-

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geschichte zentral ist Selbst der Aufbau des Freskos gleicht einer (barocken) Theaterkulisse Dabeiist auch hier der raquoOrientalismuslaquo auffaumlllig etwa indem die Juden (historisch unrichtig aber derdamaligen Orient-Begeisterung entsprechend) mit Turban dargestellt werden ndash ein raquoexotischeslaquoMotiv auf das man selbst in aktuellen Fremdenverkehrskatalogen noch gerne rekurriert (sieheAbb 5) Und das so (entfremdet) dargestellte raquoanderelaquo kommt denkbar schlecht weg handeltes sich doch bei der Szene um eine Art biblische Variante der Verschwoumlrungstheorie von derjuumldisch-kapitalistischen Weltverschwoumlrung bei der Judas mit dem juumldischen Establishment undder Weltmacht Rom (in Person des Statthalters Pilatus) gemeinsame Sache macht um Christuszu verraten Nicht alle Fresko-Darstellungen sind freilich so hochgradig ideologisch aufgeladensondern zeigen beispielsweise auch raquoharmloselaquo Musikantenszenen (siehe Abb 6) oder greifendas Passionsspiel-Thema als raquoZitatlaquo direkt auf (siehe Abb 7)

Wenn man den Ortskern durchschreitet so faumlllt die groszlige Ordnung und raquopeinlichelaquo Sauberkeitauf die trotz der Touristenstroumlme herrscht Alles geht raquowohlgeordnetlaquo zu und es finden sichkaum Ausreiszliger aus der Luumlftl-Idylle Allerdings gibt es durchaus fragwuumlrde miszliggluumlckte Versuchesowohl des raquoHistorismuslaquo sowie der Synthese mit der Moderne (siehe Abb 8 u 9) Und esfinden sich selbstverstaumlndlich ndash trotz aller Versuche einen moumlglichst raquoauthentischenlaquo Eindruckzu bewahren ndash Anzeichen von Globalisierung etwa wenn statt heimischer Gewaumlchse Agavendie Fassade zieren (siehe Abb 10) Der oumlffentliche Raum ist dabei ganz auf die Beduumlrfnissedes Tourismus zugeschnitten Man kann sich in einer ganzen Fuumllle von Straszligencafeacutes undGasthoumlfen mit traditioneller bayerischer Kost bewirten lassen Als ein etwas irritierender Fremd-koumlrper wirkt nur die kleine Touristenbahn die ohne Unterlaszlig ihre Runden im Dorf zieht umden Besuchern die Sehenswuumlrdigkeiten des Ortes naumlherzubringen (siehe Abb 11) Aber auchfuumlr den ndash zumeist betagten ndash Fuszliggaumlnger ist alles gut ausgeschildert und fuumlr ausreichend Parkplaumltzist beim Festspielhaus gesorgt das leicht uumlberdimensioniert wirkt und am Rand des Ortskernsliegt aber doch das eigentliche Zentrum darstellt (siehe Abb 12)

Denn die ganze Idee und Wirklichkeit von Oberammergau kreist wie erlaumlutert um die Passions-spiele Das spiegelt sich auch im Bewuszligtsein der Besucher und der Allgemeinheit wiederEine kleine Befragung zufaumlllig ausgewaumlhlter Passanten ergab die uumlberwiegende Mehrheit identi-fiziert den Ort alleine mit den Passionsspielen obwohl diese nur alle 10 Jahre stattfinden (vglFinkSchwarzer Die ewige Passion S 15f)11 Um deren Entstehung rankt sich eine Legendedie sich in verschiedenen Quellen bis ins 18 Jahrhundert zuruumlckverfolgen laumlszligt und noch heutegerne werbewirksam wiedergegeben wird Es galt als die Pest im Jahr 1633 schlieszliglich ihrenWeg ndash durch einen erkrankten Knecht der sich heimlich in den Ort einschlich ndash auch nachOberammergau gefunden und in kuumlrzester Zeit eine Reihe von Toten gekoste hatte ein Wunder

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zu bewirken Also besann man sich auf die Religion und gelobte alle zehn Jahre die LeidenChristi zur allgemeinen Laumluterung aufzufuumlhren ndash und um sich vor der Bedrohung der Pestin Zukunft geschuumltzt zu wissen Die historische Exaktheit dieser Version uumlber die Entstehungdes Passionsspiels kann angezweifelt werden allerdings gilt als relativ gesichert daszlig in etwain diesem Zeitraum die Pest tatsaumlchlich im Ort gewuumltet hatte und nur wenig spaumlter zum erstenmal eine Auffuumlhrung stattfand Mit seinem Christusspiel das als eine Art Tauschgeschaumlft Passiongegen Protektion gelten kann war Oberammergau freilich damit eher verspaumltet in anderenOrten auch der naumlheren Umgebung gab es aumlhnliches schon lange zuvor Allerdings hielt sichdiese Tradition in Oberammergau hartnaumlckiger ndash und das zum aktuellen oumlkonomischen Nutzen(Vgl ebd S 17ff sowie Shapiro Oberammergau S 101ndash136)

Uumlber das Oberammergauer Passionsspiel ist viel (wahrscheinlich zu viel) geschrieben wordendeshalb moumlchte ich hier nur auf einige Aspekte kurz eingehen die damit zu tun haben wiesich der Ort durch die Passionsspiele neu erfunden hat und sich dadurch als differenterbesonderer Ort praumlsentiert Die Tradition wird dafuumlr in durchaus kreativer Weise umgeformtund immer wieder an die neuen Erfordernisse der Zeit angepaszligt Dies zeigt sich einerseitsam Text Die aumllteste erhaltene Textfassung datiert auf das Jahr 1662 setzt sich zusammen ausverschiedenen Versatzstuumlcken anderer Passionsspiele war aber selbst bereits raquouumlberarbeitetlaquound ist lange nicht mehr im Gebrauch Im folgenden wurde der Text immer wieder erweitertund mit mehr dramatischen Elementen versehen Dies hatte zur Folge daszlig gerade die offizielleKirche und der Staat dem Passionsspieltreiben kritisch gegenuumlber eingestellt waren 1770 erfolgtegar ein (erstes) Auffuumlhrungsverbot Ende des 18 Jahrhunderts kam es deshalb zu raquoBereinigungenlaquoDie neuerliche Uumlberarbeitung durch den Ortspfarrer Daisenberger zu Beginn des 19 Jahrhundertsist im wesentlichen auch die Grundlage des heutigen Auffuumlhrungstextes es gab jedoch leichteModifikationen und Modernisierungen ndash insbesondere um den Text von seinen antisemitischenAnklaumlngen zu befreien (vgl FinkSchwarzer Die ewige Passion S 27ndash48 sowie Holzheimeret al Leiden schafft Passion S 39f u S 62ndash91)

Diese Untertoumlne waren freilich ndash auch das ein Zugestaumlndnis an den Zeitgeist ndash zur Zeit desNazismus durchaus noch prominent hervorgehoben Und so sind die Passionsspiele im Jahrdes 300jaumlhrigen Jubilaumlums 1934 auch eher ein dunkles Kapitel von dem man in Oberammergaulieber schweigt oder beschwichtigend ablenkt Hitler indes der die Festspiele (schon 1930)persoumlnlich besucht hatte war durchaus angetan und bemerkte raquo[hellip] kaum je sei die juumldischeGefahr am Beispiel des antiken roumlmischen Weltreiches so plastisch dargestellt worden wiein der Darstellung des Pontius Pilatus bei diesen Festspielen erscheine dieser doch als einrassisch und intelligenzmaumlszligig so uumlberlegener Roumlmer daszlig er wie ein Fels inmitten des juumldischen

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Geschmeiszliges und Gewimmels wirkelaquo (Pickert Hitlers Tischgespraumlche S 604f zitiert nachHolzheimer et al Leiden schafft Passion S 97)12

Lieber als an den Besucher Hitler erinnert man sich an so beruumlhmte Gaumlste wie Koumlnig LudwigII von Bayern Lady Churchil Eisenhower Henry Ford Thomas Mann Ferdinand de RothschildRabindranath Tagore Richard Wagner oder den Prince of Wales die Indikatoren fuumlr dieinternationale Bekanntheit des Oberammergauer Passionsspiels sind Insbesondere in denletzten Jahren hat es aufgrund dieser Internationalisierung auch Professionalisierungsbestrebungengegeben Obwohl die Darsteller sich noch immer aus den Dorfbewohnern rekrutieren alsoLaienspieler sind war der Spielleiter des Jahres 2000 (Szenen siehe Abb 13 u 14) ChristianStuumlckl ein versierten Theatermann der auch schon bei den Muumlnchner Kammerspielen inszenierte(vgl Holzheimer et al Leiden schafft Passion S 13f)

Um den Ansturm der touristischen Massen in den Festspieljahren bewaumlltigen zu koumlnnen muszligdas Festspielgebaumlude entsprechend groszlig dimensioniert sein Dabei wurde sogar auf die allgegen-waumlrtige Luumlftl-Romantik verzichtet Wir finden einen eher sachlich-modernen funktionalenZweck-Bau vor (siehe nochmals Abb 12) Finanziell sind die Passionsspiele regelmaumlszligig eingroszliger Erfolg die Einnahmen flieszligen in die Gemeindekasse und werden fuumlr touristische Infrastruk-turmaszlignahmen genutzt (vgl ebd S 247) Der Erfolg und die existentielle Wichtigkeit fuumlr denoumlrtlichen Tourismus sorgen uumlbrigens dafuumlr daszlig das Spiel eine staumlndige Streitquelle am Ortist raquoPassioniertlaquo gestritten wird beispielsweise uumlber die Spielleiterwahl und nicht zuletztBesetzungsfragen und dies auch mit basisdemokatischen Instrumenten wie dem Buumlrgerentscheid(vgl ebd S 250ndash273)

Angesichts dieser Omnipraumlsenz der Passionsspiele im oumlrtlichen Leben kann man den Eindruckgewinnen Nicht Oberammergau inszeniert die Passionsspiele sondern die Passionsspieleinszenieren Oberammergau Denn auch dieser (Nicht-)Ort ist zwar ein Ort an dem Lebenin den Wohnraumlumen und oumlffentlichen Plaumltzen raquotatsaumlchlichlaquo stattfindet allerdings ist es in weitenTeilen kein Leben fuumlr sich sondern zum Zweck der (hyperrealen) Inszenierung

B) WEGE IN DIE WIRKLICHKEIT

Die Passionsspiele sind also nicht nur eine Metapher des Ortes sondern vielmehr eine ArtBlaupause fuumlr Oberammergau das wie eine unwirkliche Kulisse ndash ausstaffiert mit froumlmmelndemSchnitzwerk und illusionaumlrer Luumlftlmalerei ndash fuumlr den Passionstourismus wirkt Wie koumlnnte dieser

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1 Diese urbanen Knotenpunkte ndash die worauf Sassen hinweist selbst globalisierte und lokalisierteSub-Strukturen aufweisen ndash konstituieren eine subkutane Machtstruktur dh es gibt kein raumlumlichgeschlossenes Zentrum mehr Oder wie Hardt und Negri formulieren it is raquoa decentred and deterri-torialising apparatus of rule that progressively incorporates the entire global realm with its openexpanding frontierslaquo (Empire S XII)

2 Von Wallerstein dem Begruumlnder der Weltsystemtheorie stammt die Unterscheidung zwischenZentrum Peripherie und Semiperipherie

3 Marx und Engels haben die Globalisierung des Kapitals trotz ihrer Kritik an Kapitalismus undImperialismus wohl in ersterem Sinne gelesen denn sie bemerken zur historischen Rolle der Bourgeoisiedurchaus anerkennend raquoDie Bourgeoisie reiszligt durch die rasche Verbesserung aller Produktions-instrumente durch die unendlich erleichterten Kommunikationen alle auch die barbarischsten []Nationen in die Zivilisationlaquo (Ebd S 35)

4 Appadurai sieht darum auch das Denken in Kategrien von Peripherie und Zentrum als uumlberholtan Und neben moumlglichen Tendenzen eines nationalistischen oder fundamentalistischen Regressessieht er auch Raumlume im System der globalen Stroumlme entstehen die fuumlr progressive transnationaleAllianzen genutzt werden koumlnnen und die die individuellen Horizonte erweitern (vgl ebd S 308)

5 In aumlhnlicher Weise stellte uumlbrigens Henri Lefebvre bereits in den 1970er Jahren heraus daszlig dasUumlberleben des Kapitalismus aktuell entscheidend von seiner Faumlhigkeit abhaumlngt den (globalen) Raum

Ort der sich selbst in seiner fiktionalen Geschichte imaginierend gefangen haumllt in die Wirklichkeitdes 21 Jahrhunderts gefuumlhrt werden Oder ist Oberammergau in dieser Wirklichkeit vielleichtzu sehr verankert und muumlszligte es nicht vor ihr vielmehr bewahrt werden um (wieder) zu einemraquorealenlaquo einem wirk-lichen Ort zu werden

Mit der hyperrealen Inszenierung seiner Differenz ist der Passionsspielort Oberammergautatsaumlchlich in der Wirklichkeit der Globalisierung angekommen ndash und wird von ihr absorbiertDa es sich aber wie dargelegt um einen dialektischen Prozeszlig handelt ist nicht auszuschlieszligendaszlig die Prozesse der Lokalisierung die Dynamik der oumlkonomischen Globalisierung nicht nurfunktional ergaumlnzen sondern herausfordern Daszlig eine solche raquolokalelaquo Herausforderung allerdingsvom globalen Dorf Oberammergau herruumlhren wird ist eher unwahrscheinlich Viel eher duumlrftesie wohl von den tatsaumlchlichen raquoDoumlrfernlaquo des globalen Raum ausgehen dort wo die Fixierungauf den Ort das u-topische Beduumlrfnis seiner Uumlberwindung erzeugt

ANMERKUNGEN

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zu umgreifen weshalb die raumlumliche Betrachtungsweise die historische notwendig ergaumlnzen muumlsse(vgl La production de lrsquoespace)

6 Eine Ausnahme bilden hier allerdings die raquovirtuellenlaquo Welten der Vergnuumlgungsparks wie raquoDisneyWorldlaquo oder Kunstlandschaften wie das raquoProjekt Edenlaquo

7 Die hyperreale Simulation steht damit im expliziten Gegensatz zum Symbolischen (und Meta-phorischen) das weniger das Reale verdoppelt als Vielmehr eine (u-topische) Alternative darstellt(vgl ders Der symbolische Tausch und der Tod sowie im Uumlberblick Jain Medien der AnschuungS 122ndash133)

8 Foucault versteht unter Heterotopien raquowirkliche Orte wirksame Orte die in die Einrichtung derGesellschaft hineingezeichnet sind sozusagen Gegenplazierungen und Widerlager tatsaumlchlich realisierteUtopien in denen die wirklichen Plaumltze innerhalb der Kultur gleichzeitig repraumlsentiert bestrittenund gewendet sind gewissermaszligen Orte auszligerhalb aller Orte wiewohl sie tatsaumlchlich geortet werdenkoumlnnenlaquo (Andere Raumlume S 68) Dabei unterscheidet er zwischen Krisenheterotopien (besondereRaumlume fuumlr Menschen in einer besonderen Lage) Abweichungsheterotopien (wo das Abweichendeinterniert wird) lllusionsheterotopien (die einen illusionaumlren Raum darstellen so daszlig der Eintrittin diesen Raum tatsaumlchlich ein Verlassen des Raumes ist) und Kompensationsheterotopien (die kom-pensatorisch auf begrenztem Raum ein Ideal in der defizitaumlren Realitaumlt verwirklichen)

9 Die imaginierten (Nicht-)Orte koumlnnen also auch nicht als Illusions- oder Kompensationheterotopiengelten denn sie sind nicht die begrenzte Wirklichkeit eines Traums oder illusionaumlrer Raum des Anderensie stehen nicht im Gegensatz zur Realitaumlt sondern verdoppeln diese in ihrem imaginierten Raum

10 Edward Said der diesen Begriff praumlgte bemerkt raquo[hellip] the Orient has helped to define Europe(or the West) as its contrasting image idea personality experience Yet none of this Orient is merelyimaginative The Orient is an integral part of European material civilization and culturelaquo (OrientalismS 2)

11 Um exakt zu sein 74 Der Rest antwortete raquoSchnitzereilaquo (8) raquoPassionsspiele und Schnitzereilaquo(3) raquoliegt in Bayernlaquo (2) raquoliegt in Oumlsterreichlaquo (2) raquoschon gehoumlrtlaquo (3) Nur 4 der Befragtenkannten den Ort nicht (vgl ebd)

12 Wohl kaum ein Zufall Ausgerechnet jenes Gaumlstebuch in das Hitler sich eingetragen hat istmerkwuumlrdigerweise verschwunden Fuumlr naumlhere Details zur NS-Geschichte und -Verstrickung derPassionsspiele und Oberammergau vgl auch Shapiro Oberammergau S 137-ndash186 sowie UtschneiderOberammergau im Dritten Reich insb S 100ndash109

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 15

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Abbildung 1 Abbildung 2

Abbildung 3 Abbildung 4

Abbildung 5 (Quelle Werbeprospekt) Abbildung 6

ABBILDUNGEN

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Abbildung 9 Abbildung 10

Abbildung 11 Abbildung 12

Abbildung 13 (Quelle Postkarten) Abbildung 14 (Quelle Postkarte)

Abbildung 7 Abbildung 8

INFORMATIONSBLATT

Autor(Innen) Anil K JainTitel Imaginierte (Nicht-)OrteUntertitel Ein Besuch im raquoglobalen Dorflaquo OberammergauJahr der Abfassung 2002VersionAktualisierungsdatum 04042006Originaler Download-Link httpwwwpower-xsnetjainpubimaginierteortepdfErste Druckveroumlffentlichung The Discourse of Sociological Practice Vol 6 No 12004

S 51ndash60 (Englische Version)

Wer Passagen dieses Textes zitieren will moumlchte bitte auch falls eine Druckveroumlffentlichungvorhanden sein sollte die PDF-Version als Grundlage verwenden (VersionAktualisierungsdatumangeben) da die PDF-Version umfangreicher undoder aktualisiert und korrigiert sein koumlnnte

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ihm zugrunde In einem aktuellen Werbeprospekt der Gemeinde heiszligt es in dieser Hinsichtuumlberaus Aufschluszligreich

raquoDas Auge wird nicht statt Siehrsquo dir das an Die Haumluser die Geschichten erzaumlhlen die maumlrchenhaften Schloumlsser

die Berge mit denen das Land ausklingt Das ist dein Urlaub in Oberammergaulaquo

Und weiterhin heiszligt es

raquoWo kann man sich besser treffen als in einem Ort der es gewohnt ist die Welt zu Gast zu haben Einmal

im Jahrzehnt sind es die Passionsspiele die nach Oberammergau fuumlhren Zwischendurch sind die einzigartige

Verbindung aus Natur und Kultur oder das Schnitz- und Kunsthandwerk Anlass genug sich hier zu treffenlaquo

Offenbar will dieser Ort mit seiner sinnlich erfahrbaren Historie verfuumlhren Natur und Kulturverbinden sich zu einem touristischen Hybridraum der nicht nur visuelle Anreize bietet sondernauch Geschichten zu erzaumlhlen hat Und doch scheint es selbst im Prospekttext fast so als seidas raquonormalelaquo Leben in Oberammergau ein Stillstand eine Zwischenzeit eine Pause zwischenden Auffuumlhrungen des Passionsspiels

Das Passionsspiel das alle 10 Jahre in Oberammergau zur Darbietung gebracht wird ist alsozentral fuumlr die Imagination dieses Ortes fuumlr seine inszenierte Differenz und fiktionale IdentitaumltDas ganze Leben des Ortes dreht sich um die Passions-Auffuumlhrung (die gleichzeitig den Kernder Inszenierung des Ortes darstellt) Es ist der (temporaumlre) Fix-Punkt um den herum sichdie anderen wichtigen Elemente des herausgekehrten Selbstbildes gruppieren die Umgebungund Natur die Oberammergau mit vielen anderen Alpendoumlrfern teilen muszlig und die sichdeshalb nur schwer zur Inszenierung einer spezifischen Besonderheit nutzen laumlszligt nur einenadditiven raquoMehrwertlaquo darstellt Dann ist da das Kunsthandwerk die raquoLuumlftlmalereilaquo und dieSchnitzkunst fuumlr die der Ort bekannt ist Aber was den eigentlichen Kern der imaginiertenIdentitaumlt ausmacht ist eben das Passionsspiel

Doch bevor wir zu diesem Kern vorstoszligen Untersuchen wir welchen raquoimaginativenlaquo Beitragdas Kunsthandwerk leistet Die Legende behauptet daszlig die Tradition des Schnitzhandwerksin Oberammergau in das raquomagischelaquo Jahr 1111 gruumlndet ndash durch den Anstoszlig von vier Laienbruumlderndes nahen Klosters Rottenbuch In Dokumenten finden sich erste Erwaumlhnungen dieses Handwerksaber erst um das Jahr 1520 Der profane Grund fuumlr seine Entstehung war daszlig es sich um einsehr armes laumlndliches Gebiet handelte so daszlig die Bauern zur Existenzsicherung gezwungenwaren einen Nebenerwerb aufzunehmen Da das Schnitzhandwerk zu Hause auf den Houmlfen

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ausgeuumlbt werden konnte in der Umgebung reichlich Holz vorhanden war und eine gute Anbin-dung an Handelswege bestand etablierte sich in der Region eine in Familientradition fortgefuumlhrteraquoHeimindustrielaquo mit wechselhafter Konjunktur und seit dem 18 Jahrhundert in Schwung gehaltenvon sogenannten raquoVerlegernlaquo Zwischenhaumlndlern die sich ihren Profit durch raquoKnebelvertraumlgelaquound ein zu oumlkonomischer Abhaumlngigkeit fuumlhrendes Vorschuszlig-System auf niedrigem Entlohnungs-niveau sicherten Die Verleger sorgten allerdings dafuumlr daszlig man sich auch uumlberregional undim Ausland als Ort der raquoHerrgottsschnitzerlaquo einen Namen machte dh ndash neben Kinderspielzeugndash wurden in erster Linie Kruzifixe Krippen und Heiligenstatuen hergestellt (Vgl Heynald-GraefeOberammergauer Schnitzkunst sowie Groumlber Alte Oberammergauer Hauskunst)

Das Schnitzhandwerk praumlsentiert sich aktuell gereinigt von seiner raquoAumlrmlichkeitlaquo ist fuumlr dieca 150 ortsansaumlssigen Kunsthandwerker ein durchaus eintraumlgliches Geschaumlft und das Verlags-system gehoumlrt selbstverstaumlndlich der Vergangenheit an Gefertigt wird fuumlr den touristischenMarkt und das Angebot ist entsprechend diversifiziert Die Broschuumlre raquoKunsthandwerk inOberammergaulaquo faszligt treffend zusammen raquoSie koumlnnen Sakrales und Profanes finden DekorativesSkurriles in Faszligmalerei gestaltete Schnitzwerke oder traditionelle Hinterglasmalereilaquo (S 5)Mit anderen Worten Die Bandbreite reicht vom traditionalistischen Mimikry bis zum Touristen-kitsch (siehe Abb 1) Das kreierte Image der im Religioumlsen verankerten Tradition ndash mit merkantilenVerbeugungen vor dem Zeitgeist ndash paszligt sich dabei trefflich in die Imagination des Passions-spielsdorfes Die Tradition wird dabei gewissermaszligen neu erfunden Was aus der Not geborenwurde wird raquokunstgerechtlaquo in Szene geruumlckt von stoumlrenden Elementen gereinigt und alstouristisches raquoAushaumlngeschildlaquo genutzt Interessanterweise finden sich dabei auch Elementedes raquoOrientalismuslaquo10 insbesondere bei Krippenfiguren so daszlig es beispielsweise durchausnichts Ungewoumlhnliches ist als dekorativen Wegweiser ein houmllzernes Kamel auf dem Dorfplatzvorzufinden (siehe Abb 2)

Auch die raquoLuumlftlmalereilaquo ergaumlnzt ideal in das Bild das sich der Ort von sich selbst geschaffenhat um seine Besonderheit zu inszenieren Oberammergau ist keineswegs der einzige Ort andem die Fassaden traditionell mit Auszligenfresken verziert sind sondern dies ist eine im suumlddeutschenRaum durchaus verbreitete Form des Fassadenschmucks (vgl Rattelmuumlller Luumlftlmalerei inOberbayern) Allerdings hat Oberammergau immerhin einige spektakulaumlre Beispiele zu bietenDas beruumlhmteste und praumlchtigste ist das Pilatus-Haus das 177475 erbaut wurde (siehe Abb3) Es traumlgt diesen Namen nach dem Fresko raquoChristus vor Pilatuslaquo das eine ganze Hausseiteeinnimmt (siehe Abb 4) und von dem bekannten oumlrtlichen Kuumlnstler Franz Seraph Zwinck stammt(vgl auch Koch et al Franz Seraph Zwinck) Das Fresko fuumlgt sich in seiner Aussage nahtlos indie Passionsinszenierung des Ortes ein denn es stellt eine Szene dar die innerhalb der Passions-

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geschichte zentral ist Selbst der Aufbau des Freskos gleicht einer (barocken) Theaterkulisse Dabeiist auch hier der raquoOrientalismuslaquo auffaumlllig etwa indem die Juden (historisch unrichtig aber derdamaligen Orient-Begeisterung entsprechend) mit Turban dargestellt werden ndash ein raquoexotischeslaquoMotiv auf das man selbst in aktuellen Fremdenverkehrskatalogen noch gerne rekurriert (sieheAbb 5) Und das so (entfremdet) dargestellte raquoanderelaquo kommt denkbar schlecht weg handeltes sich doch bei der Szene um eine Art biblische Variante der Verschwoumlrungstheorie von derjuumldisch-kapitalistischen Weltverschwoumlrung bei der Judas mit dem juumldischen Establishment undder Weltmacht Rom (in Person des Statthalters Pilatus) gemeinsame Sache macht um Christuszu verraten Nicht alle Fresko-Darstellungen sind freilich so hochgradig ideologisch aufgeladensondern zeigen beispielsweise auch raquoharmloselaquo Musikantenszenen (siehe Abb 6) oder greifendas Passionsspiel-Thema als raquoZitatlaquo direkt auf (siehe Abb 7)

Wenn man den Ortskern durchschreitet so faumlllt die groszlige Ordnung und raquopeinlichelaquo Sauberkeitauf die trotz der Touristenstroumlme herrscht Alles geht raquowohlgeordnetlaquo zu und es finden sichkaum Ausreiszliger aus der Luumlftl-Idylle Allerdings gibt es durchaus fragwuumlrde miszliggluumlckte Versuchesowohl des raquoHistorismuslaquo sowie der Synthese mit der Moderne (siehe Abb 8 u 9) Und esfinden sich selbstverstaumlndlich ndash trotz aller Versuche einen moumlglichst raquoauthentischenlaquo Eindruckzu bewahren ndash Anzeichen von Globalisierung etwa wenn statt heimischer Gewaumlchse Agavendie Fassade zieren (siehe Abb 10) Der oumlffentliche Raum ist dabei ganz auf die Beduumlrfnissedes Tourismus zugeschnitten Man kann sich in einer ganzen Fuumllle von Straszligencafeacutes undGasthoumlfen mit traditioneller bayerischer Kost bewirten lassen Als ein etwas irritierender Fremd-koumlrper wirkt nur die kleine Touristenbahn die ohne Unterlaszlig ihre Runden im Dorf zieht umden Besuchern die Sehenswuumlrdigkeiten des Ortes naumlherzubringen (siehe Abb 11) Aber auchfuumlr den ndash zumeist betagten ndash Fuszliggaumlnger ist alles gut ausgeschildert und fuumlr ausreichend Parkplaumltzist beim Festspielhaus gesorgt das leicht uumlberdimensioniert wirkt und am Rand des Ortskernsliegt aber doch das eigentliche Zentrum darstellt (siehe Abb 12)

Denn die ganze Idee und Wirklichkeit von Oberammergau kreist wie erlaumlutert um die Passions-spiele Das spiegelt sich auch im Bewuszligtsein der Besucher und der Allgemeinheit wiederEine kleine Befragung zufaumlllig ausgewaumlhlter Passanten ergab die uumlberwiegende Mehrheit identi-fiziert den Ort alleine mit den Passionsspielen obwohl diese nur alle 10 Jahre stattfinden (vglFinkSchwarzer Die ewige Passion S 15f)11 Um deren Entstehung rankt sich eine Legendedie sich in verschiedenen Quellen bis ins 18 Jahrhundert zuruumlckverfolgen laumlszligt und noch heutegerne werbewirksam wiedergegeben wird Es galt als die Pest im Jahr 1633 schlieszliglich ihrenWeg ndash durch einen erkrankten Knecht der sich heimlich in den Ort einschlich ndash auch nachOberammergau gefunden und in kuumlrzester Zeit eine Reihe von Toten gekoste hatte ein Wunder

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zu bewirken Also besann man sich auf die Religion und gelobte alle zehn Jahre die LeidenChristi zur allgemeinen Laumluterung aufzufuumlhren ndash und um sich vor der Bedrohung der Pestin Zukunft geschuumltzt zu wissen Die historische Exaktheit dieser Version uumlber die Entstehungdes Passionsspiels kann angezweifelt werden allerdings gilt als relativ gesichert daszlig in etwain diesem Zeitraum die Pest tatsaumlchlich im Ort gewuumltet hatte und nur wenig spaumlter zum erstenmal eine Auffuumlhrung stattfand Mit seinem Christusspiel das als eine Art Tauschgeschaumlft Passiongegen Protektion gelten kann war Oberammergau freilich damit eher verspaumltet in anderenOrten auch der naumlheren Umgebung gab es aumlhnliches schon lange zuvor Allerdings hielt sichdiese Tradition in Oberammergau hartnaumlckiger ndash und das zum aktuellen oumlkonomischen Nutzen(Vgl ebd S 17ff sowie Shapiro Oberammergau S 101ndash136)

Uumlber das Oberammergauer Passionsspiel ist viel (wahrscheinlich zu viel) geschrieben wordendeshalb moumlchte ich hier nur auf einige Aspekte kurz eingehen die damit zu tun haben wiesich der Ort durch die Passionsspiele neu erfunden hat und sich dadurch als differenterbesonderer Ort praumlsentiert Die Tradition wird dafuumlr in durchaus kreativer Weise umgeformtund immer wieder an die neuen Erfordernisse der Zeit angepaszligt Dies zeigt sich einerseitsam Text Die aumllteste erhaltene Textfassung datiert auf das Jahr 1662 setzt sich zusammen ausverschiedenen Versatzstuumlcken anderer Passionsspiele war aber selbst bereits raquouumlberarbeitetlaquound ist lange nicht mehr im Gebrauch Im folgenden wurde der Text immer wieder erweitertund mit mehr dramatischen Elementen versehen Dies hatte zur Folge daszlig gerade die offizielleKirche und der Staat dem Passionsspieltreiben kritisch gegenuumlber eingestellt waren 1770 erfolgtegar ein (erstes) Auffuumlhrungsverbot Ende des 18 Jahrhunderts kam es deshalb zu raquoBereinigungenlaquoDie neuerliche Uumlberarbeitung durch den Ortspfarrer Daisenberger zu Beginn des 19 Jahrhundertsist im wesentlichen auch die Grundlage des heutigen Auffuumlhrungstextes es gab jedoch leichteModifikationen und Modernisierungen ndash insbesondere um den Text von seinen antisemitischenAnklaumlngen zu befreien (vgl FinkSchwarzer Die ewige Passion S 27ndash48 sowie Holzheimeret al Leiden schafft Passion S 39f u S 62ndash91)

Diese Untertoumlne waren freilich ndash auch das ein Zugestaumlndnis an den Zeitgeist ndash zur Zeit desNazismus durchaus noch prominent hervorgehoben Und so sind die Passionsspiele im Jahrdes 300jaumlhrigen Jubilaumlums 1934 auch eher ein dunkles Kapitel von dem man in Oberammergaulieber schweigt oder beschwichtigend ablenkt Hitler indes der die Festspiele (schon 1930)persoumlnlich besucht hatte war durchaus angetan und bemerkte raquo[hellip] kaum je sei die juumldischeGefahr am Beispiel des antiken roumlmischen Weltreiches so plastisch dargestellt worden wiein der Darstellung des Pontius Pilatus bei diesen Festspielen erscheine dieser doch als einrassisch und intelligenzmaumlszligig so uumlberlegener Roumlmer daszlig er wie ein Fels inmitten des juumldischen

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Geschmeiszliges und Gewimmels wirkelaquo (Pickert Hitlers Tischgespraumlche S 604f zitiert nachHolzheimer et al Leiden schafft Passion S 97)12

Lieber als an den Besucher Hitler erinnert man sich an so beruumlhmte Gaumlste wie Koumlnig LudwigII von Bayern Lady Churchil Eisenhower Henry Ford Thomas Mann Ferdinand de RothschildRabindranath Tagore Richard Wagner oder den Prince of Wales die Indikatoren fuumlr dieinternationale Bekanntheit des Oberammergauer Passionsspiels sind Insbesondere in denletzten Jahren hat es aufgrund dieser Internationalisierung auch Professionalisierungsbestrebungengegeben Obwohl die Darsteller sich noch immer aus den Dorfbewohnern rekrutieren alsoLaienspieler sind war der Spielleiter des Jahres 2000 (Szenen siehe Abb 13 u 14) ChristianStuumlckl ein versierten Theatermann der auch schon bei den Muumlnchner Kammerspielen inszenierte(vgl Holzheimer et al Leiden schafft Passion S 13f)

Um den Ansturm der touristischen Massen in den Festspieljahren bewaumlltigen zu koumlnnen muszligdas Festspielgebaumlude entsprechend groszlig dimensioniert sein Dabei wurde sogar auf die allgegen-waumlrtige Luumlftl-Romantik verzichtet Wir finden einen eher sachlich-modernen funktionalenZweck-Bau vor (siehe nochmals Abb 12) Finanziell sind die Passionsspiele regelmaumlszligig eingroszliger Erfolg die Einnahmen flieszligen in die Gemeindekasse und werden fuumlr touristische Infrastruk-turmaszlignahmen genutzt (vgl ebd S 247) Der Erfolg und die existentielle Wichtigkeit fuumlr denoumlrtlichen Tourismus sorgen uumlbrigens dafuumlr daszlig das Spiel eine staumlndige Streitquelle am Ortist raquoPassioniertlaquo gestritten wird beispielsweise uumlber die Spielleiterwahl und nicht zuletztBesetzungsfragen und dies auch mit basisdemokatischen Instrumenten wie dem Buumlrgerentscheid(vgl ebd S 250ndash273)

Angesichts dieser Omnipraumlsenz der Passionsspiele im oumlrtlichen Leben kann man den Eindruckgewinnen Nicht Oberammergau inszeniert die Passionsspiele sondern die Passionsspieleinszenieren Oberammergau Denn auch dieser (Nicht-)Ort ist zwar ein Ort an dem Lebenin den Wohnraumlumen und oumlffentlichen Plaumltzen raquotatsaumlchlichlaquo stattfindet allerdings ist es in weitenTeilen kein Leben fuumlr sich sondern zum Zweck der (hyperrealen) Inszenierung

B) WEGE IN DIE WIRKLICHKEIT

Die Passionsspiele sind also nicht nur eine Metapher des Ortes sondern vielmehr eine ArtBlaupause fuumlr Oberammergau das wie eine unwirkliche Kulisse ndash ausstaffiert mit froumlmmelndemSchnitzwerk und illusionaumlrer Luumlftlmalerei ndash fuumlr den Passionstourismus wirkt Wie koumlnnte dieser

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1 Diese urbanen Knotenpunkte ndash die worauf Sassen hinweist selbst globalisierte und lokalisierteSub-Strukturen aufweisen ndash konstituieren eine subkutane Machtstruktur dh es gibt kein raumlumlichgeschlossenes Zentrum mehr Oder wie Hardt und Negri formulieren it is raquoa decentred and deterri-torialising apparatus of rule that progressively incorporates the entire global realm with its openexpanding frontierslaquo (Empire S XII)

2 Von Wallerstein dem Begruumlnder der Weltsystemtheorie stammt die Unterscheidung zwischenZentrum Peripherie und Semiperipherie

3 Marx und Engels haben die Globalisierung des Kapitals trotz ihrer Kritik an Kapitalismus undImperialismus wohl in ersterem Sinne gelesen denn sie bemerken zur historischen Rolle der Bourgeoisiedurchaus anerkennend raquoDie Bourgeoisie reiszligt durch die rasche Verbesserung aller Produktions-instrumente durch die unendlich erleichterten Kommunikationen alle auch die barbarischsten []Nationen in die Zivilisationlaquo (Ebd S 35)

4 Appadurai sieht darum auch das Denken in Kategrien von Peripherie und Zentrum als uumlberholtan Und neben moumlglichen Tendenzen eines nationalistischen oder fundamentalistischen Regressessieht er auch Raumlume im System der globalen Stroumlme entstehen die fuumlr progressive transnationaleAllianzen genutzt werden koumlnnen und die die individuellen Horizonte erweitern (vgl ebd S 308)

5 In aumlhnlicher Weise stellte uumlbrigens Henri Lefebvre bereits in den 1970er Jahren heraus daszlig dasUumlberleben des Kapitalismus aktuell entscheidend von seiner Faumlhigkeit abhaumlngt den (globalen) Raum

Ort der sich selbst in seiner fiktionalen Geschichte imaginierend gefangen haumllt in die Wirklichkeitdes 21 Jahrhunderts gefuumlhrt werden Oder ist Oberammergau in dieser Wirklichkeit vielleichtzu sehr verankert und muumlszligte es nicht vor ihr vielmehr bewahrt werden um (wieder) zu einemraquorealenlaquo einem wirk-lichen Ort zu werden

Mit der hyperrealen Inszenierung seiner Differenz ist der Passionsspielort Oberammergautatsaumlchlich in der Wirklichkeit der Globalisierung angekommen ndash und wird von ihr absorbiertDa es sich aber wie dargelegt um einen dialektischen Prozeszlig handelt ist nicht auszuschlieszligendaszlig die Prozesse der Lokalisierung die Dynamik der oumlkonomischen Globalisierung nicht nurfunktional ergaumlnzen sondern herausfordern Daszlig eine solche raquolokalelaquo Herausforderung allerdingsvom globalen Dorf Oberammergau herruumlhren wird ist eher unwahrscheinlich Viel eher duumlrftesie wohl von den tatsaumlchlichen raquoDoumlrfernlaquo des globalen Raum ausgehen dort wo die Fixierungauf den Ort das u-topische Beduumlrfnis seiner Uumlberwindung erzeugt

ANMERKUNGEN

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zu umgreifen weshalb die raumlumliche Betrachtungsweise die historische notwendig ergaumlnzen muumlsse(vgl La production de lrsquoespace)

6 Eine Ausnahme bilden hier allerdings die raquovirtuellenlaquo Welten der Vergnuumlgungsparks wie raquoDisneyWorldlaquo oder Kunstlandschaften wie das raquoProjekt Edenlaquo

7 Die hyperreale Simulation steht damit im expliziten Gegensatz zum Symbolischen (und Meta-phorischen) das weniger das Reale verdoppelt als Vielmehr eine (u-topische) Alternative darstellt(vgl ders Der symbolische Tausch und der Tod sowie im Uumlberblick Jain Medien der AnschuungS 122ndash133)

8 Foucault versteht unter Heterotopien raquowirkliche Orte wirksame Orte die in die Einrichtung derGesellschaft hineingezeichnet sind sozusagen Gegenplazierungen und Widerlager tatsaumlchlich realisierteUtopien in denen die wirklichen Plaumltze innerhalb der Kultur gleichzeitig repraumlsentiert bestrittenund gewendet sind gewissermaszligen Orte auszligerhalb aller Orte wiewohl sie tatsaumlchlich geortet werdenkoumlnnenlaquo (Andere Raumlume S 68) Dabei unterscheidet er zwischen Krisenheterotopien (besondereRaumlume fuumlr Menschen in einer besonderen Lage) Abweichungsheterotopien (wo das Abweichendeinterniert wird) lllusionsheterotopien (die einen illusionaumlren Raum darstellen so daszlig der Eintrittin diesen Raum tatsaumlchlich ein Verlassen des Raumes ist) und Kompensationsheterotopien (die kom-pensatorisch auf begrenztem Raum ein Ideal in der defizitaumlren Realitaumlt verwirklichen)

9 Die imaginierten (Nicht-)Orte koumlnnen also auch nicht als Illusions- oder Kompensationheterotopiengelten denn sie sind nicht die begrenzte Wirklichkeit eines Traums oder illusionaumlrer Raum des Anderensie stehen nicht im Gegensatz zur Realitaumlt sondern verdoppeln diese in ihrem imaginierten Raum

10 Edward Said der diesen Begriff praumlgte bemerkt raquo[hellip] the Orient has helped to define Europe(or the West) as its contrasting image idea personality experience Yet none of this Orient is merelyimaginative The Orient is an integral part of European material civilization and culturelaquo (OrientalismS 2)

11 Um exakt zu sein 74 Der Rest antwortete raquoSchnitzereilaquo (8) raquoPassionsspiele und Schnitzereilaquo(3) raquoliegt in Bayernlaquo (2) raquoliegt in Oumlsterreichlaquo (2) raquoschon gehoumlrtlaquo (3) Nur 4 der Befragtenkannten den Ort nicht (vgl ebd)

12 Wohl kaum ein Zufall Ausgerechnet jenes Gaumlstebuch in das Hitler sich eingetragen hat istmerkwuumlrdigerweise verschwunden Fuumlr naumlhere Details zur NS-Geschichte und -Verstrickung derPassionsspiele und Oberammergau vgl auch Shapiro Oberammergau S 137-ndash186 sowie UtschneiderOberammergau im Dritten Reich insb S 100ndash109

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bull Jain Anil K Politik in der (Post-)Moderne ndash Reflexiv-deflexive Modernisierung und die Diffusiondes Politischen raquoedition fatallaquo Muumlnchen 2000 sowie Internet httpwwwedition-fatalde-onlinebibisbn3935147007pdf

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Abbildung 1 Abbildung 2

Abbildung 3 Abbildung 4

Abbildung 5 (Quelle Werbeprospekt) Abbildung 6

ABBILDUNGEN

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Abbildung 9 Abbildung 10

Abbildung 11 Abbildung 12

Abbildung 13 (Quelle Postkarten) Abbildung 14 (Quelle Postkarte)

Abbildung 7 Abbildung 8

INFORMATIONSBLATT

Autor(Innen) Anil K JainTitel Imaginierte (Nicht-)OrteUntertitel Ein Besuch im raquoglobalen Dorflaquo OberammergauJahr der Abfassung 2002VersionAktualisierungsdatum 04042006Originaler Download-Link httpwwwpower-xsnetjainpubimaginierteortepdfErste Druckveroumlffentlichung The Discourse of Sociological Practice Vol 6 No 12004

S 51ndash60 (Englische Version)

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Page 9: EIN BESUCH IM GLOBALEN DORF BERAMMERGAU · aufspalten; es entstehen die separaten Sphären der »ethnoscapes«, »mediascapes«, »techno-scapes«, »financescapes« und »ideoscapes«,

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ausgeuumlbt werden konnte in der Umgebung reichlich Holz vorhanden war und eine gute Anbin-dung an Handelswege bestand etablierte sich in der Region eine in Familientradition fortgefuumlhrteraquoHeimindustrielaquo mit wechselhafter Konjunktur und seit dem 18 Jahrhundert in Schwung gehaltenvon sogenannten raquoVerlegernlaquo Zwischenhaumlndlern die sich ihren Profit durch raquoKnebelvertraumlgelaquound ein zu oumlkonomischer Abhaumlngigkeit fuumlhrendes Vorschuszlig-System auf niedrigem Entlohnungs-niveau sicherten Die Verleger sorgten allerdings dafuumlr daszlig man sich auch uumlberregional undim Ausland als Ort der raquoHerrgottsschnitzerlaquo einen Namen machte dh ndash neben Kinderspielzeugndash wurden in erster Linie Kruzifixe Krippen und Heiligenstatuen hergestellt (Vgl Heynald-GraefeOberammergauer Schnitzkunst sowie Groumlber Alte Oberammergauer Hauskunst)

Das Schnitzhandwerk praumlsentiert sich aktuell gereinigt von seiner raquoAumlrmlichkeitlaquo ist fuumlr dieca 150 ortsansaumlssigen Kunsthandwerker ein durchaus eintraumlgliches Geschaumlft und das Verlags-system gehoumlrt selbstverstaumlndlich der Vergangenheit an Gefertigt wird fuumlr den touristischenMarkt und das Angebot ist entsprechend diversifiziert Die Broschuumlre raquoKunsthandwerk inOberammergaulaquo faszligt treffend zusammen raquoSie koumlnnen Sakrales und Profanes finden DekorativesSkurriles in Faszligmalerei gestaltete Schnitzwerke oder traditionelle Hinterglasmalereilaquo (S 5)Mit anderen Worten Die Bandbreite reicht vom traditionalistischen Mimikry bis zum Touristen-kitsch (siehe Abb 1) Das kreierte Image der im Religioumlsen verankerten Tradition ndash mit merkantilenVerbeugungen vor dem Zeitgeist ndash paszligt sich dabei trefflich in die Imagination des Passions-spielsdorfes Die Tradition wird dabei gewissermaszligen neu erfunden Was aus der Not geborenwurde wird raquokunstgerechtlaquo in Szene geruumlckt von stoumlrenden Elementen gereinigt und alstouristisches raquoAushaumlngeschildlaquo genutzt Interessanterweise finden sich dabei auch Elementedes raquoOrientalismuslaquo10 insbesondere bei Krippenfiguren so daszlig es beispielsweise durchausnichts Ungewoumlhnliches ist als dekorativen Wegweiser ein houmllzernes Kamel auf dem Dorfplatzvorzufinden (siehe Abb 2)

Auch die raquoLuumlftlmalereilaquo ergaumlnzt ideal in das Bild das sich der Ort von sich selbst geschaffenhat um seine Besonderheit zu inszenieren Oberammergau ist keineswegs der einzige Ort andem die Fassaden traditionell mit Auszligenfresken verziert sind sondern dies ist eine im suumlddeutschenRaum durchaus verbreitete Form des Fassadenschmucks (vgl Rattelmuumlller Luumlftlmalerei inOberbayern) Allerdings hat Oberammergau immerhin einige spektakulaumlre Beispiele zu bietenDas beruumlhmteste und praumlchtigste ist das Pilatus-Haus das 177475 erbaut wurde (siehe Abb3) Es traumlgt diesen Namen nach dem Fresko raquoChristus vor Pilatuslaquo das eine ganze Hausseiteeinnimmt (siehe Abb 4) und von dem bekannten oumlrtlichen Kuumlnstler Franz Seraph Zwinck stammt(vgl auch Koch et al Franz Seraph Zwinck) Das Fresko fuumlgt sich in seiner Aussage nahtlos indie Passionsinszenierung des Ortes ein denn es stellt eine Szene dar die innerhalb der Passions-

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geschichte zentral ist Selbst der Aufbau des Freskos gleicht einer (barocken) Theaterkulisse Dabeiist auch hier der raquoOrientalismuslaquo auffaumlllig etwa indem die Juden (historisch unrichtig aber derdamaligen Orient-Begeisterung entsprechend) mit Turban dargestellt werden ndash ein raquoexotischeslaquoMotiv auf das man selbst in aktuellen Fremdenverkehrskatalogen noch gerne rekurriert (sieheAbb 5) Und das so (entfremdet) dargestellte raquoanderelaquo kommt denkbar schlecht weg handeltes sich doch bei der Szene um eine Art biblische Variante der Verschwoumlrungstheorie von derjuumldisch-kapitalistischen Weltverschwoumlrung bei der Judas mit dem juumldischen Establishment undder Weltmacht Rom (in Person des Statthalters Pilatus) gemeinsame Sache macht um Christuszu verraten Nicht alle Fresko-Darstellungen sind freilich so hochgradig ideologisch aufgeladensondern zeigen beispielsweise auch raquoharmloselaquo Musikantenszenen (siehe Abb 6) oder greifendas Passionsspiel-Thema als raquoZitatlaquo direkt auf (siehe Abb 7)

Wenn man den Ortskern durchschreitet so faumlllt die groszlige Ordnung und raquopeinlichelaquo Sauberkeitauf die trotz der Touristenstroumlme herrscht Alles geht raquowohlgeordnetlaquo zu und es finden sichkaum Ausreiszliger aus der Luumlftl-Idylle Allerdings gibt es durchaus fragwuumlrde miszliggluumlckte Versuchesowohl des raquoHistorismuslaquo sowie der Synthese mit der Moderne (siehe Abb 8 u 9) Und esfinden sich selbstverstaumlndlich ndash trotz aller Versuche einen moumlglichst raquoauthentischenlaquo Eindruckzu bewahren ndash Anzeichen von Globalisierung etwa wenn statt heimischer Gewaumlchse Agavendie Fassade zieren (siehe Abb 10) Der oumlffentliche Raum ist dabei ganz auf die Beduumlrfnissedes Tourismus zugeschnitten Man kann sich in einer ganzen Fuumllle von Straszligencafeacutes undGasthoumlfen mit traditioneller bayerischer Kost bewirten lassen Als ein etwas irritierender Fremd-koumlrper wirkt nur die kleine Touristenbahn die ohne Unterlaszlig ihre Runden im Dorf zieht umden Besuchern die Sehenswuumlrdigkeiten des Ortes naumlherzubringen (siehe Abb 11) Aber auchfuumlr den ndash zumeist betagten ndash Fuszliggaumlnger ist alles gut ausgeschildert und fuumlr ausreichend Parkplaumltzist beim Festspielhaus gesorgt das leicht uumlberdimensioniert wirkt und am Rand des Ortskernsliegt aber doch das eigentliche Zentrum darstellt (siehe Abb 12)

Denn die ganze Idee und Wirklichkeit von Oberammergau kreist wie erlaumlutert um die Passions-spiele Das spiegelt sich auch im Bewuszligtsein der Besucher und der Allgemeinheit wiederEine kleine Befragung zufaumlllig ausgewaumlhlter Passanten ergab die uumlberwiegende Mehrheit identi-fiziert den Ort alleine mit den Passionsspielen obwohl diese nur alle 10 Jahre stattfinden (vglFinkSchwarzer Die ewige Passion S 15f)11 Um deren Entstehung rankt sich eine Legendedie sich in verschiedenen Quellen bis ins 18 Jahrhundert zuruumlckverfolgen laumlszligt und noch heutegerne werbewirksam wiedergegeben wird Es galt als die Pest im Jahr 1633 schlieszliglich ihrenWeg ndash durch einen erkrankten Knecht der sich heimlich in den Ort einschlich ndash auch nachOberammergau gefunden und in kuumlrzester Zeit eine Reihe von Toten gekoste hatte ein Wunder

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zu bewirken Also besann man sich auf die Religion und gelobte alle zehn Jahre die LeidenChristi zur allgemeinen Laumluterung aufzufuumlhren ndash und um sich vor der Bedrohung der Pestin Zukunft geschuumltzt zu wissen Die historische Exaktheit dieser Version uumlber die Entstehungdes Passionsspiels kann angezweifelt werden allerdings gilt als relativ gesichert daszlig in etwain diesem Zeitraum die Pest tatsaumlchlich im Ort gewuumltet hatte und nur wenig spaumlter zum erstenmal eine Auffuumlhrung stattfand Mit seinem Christusspiel das als eine Art Tauschgeschaumlft Passiongegen Protektion gelten kann war Oberammergau freilich damit eher verspaumltet in anderenOrten auch der naumlheren Umgebung gab es aumlhnliches schon lange zuvor Allerdings hielt sichdiese Tradition in Oberammergau hartnaumlckiger ndash und das zum aktuellen oumlkonomischen Nutzen(Vgl ebd S 17ff sowie Shapiro Oberammergau S 101ndash136)

Uumlber das Oberammergauer Passionsspiel ist viel (wahrscheinlich zu viel) geschrieben wordendeshalb moumlchte ich hier nur auf einige Aspekte kurz eingehen die damit zu tun haben wiesich der Ort durch die Passionsspiele neu erfunden hat und sich dadurch als differenterbesonderer Ort praumlsentiert Die Tradition wird dafuumlr in durchaus kreativer Weise umgeformtund immer wieder an die neuen Erfordernisse der Zeit angepaszligt Dies zeigt sich einerseitsam Text Die aumllteste erhaltene Textfassung datiert auf das Jahr 1662 setzt sich zusammen ausverschiedenen Versatzstuumlcken anderer Passionsspiele war aber selbst bereits raquouumlberarbeitetlaquound ist lange nicht mehr im Gebrauch Im folgenden wurde der Text immer wieder erweitertund mit mehr dramatischen Elementen versehen Dies hatte zur Folge daszlig gerade die offizielleKirche und der Staat dem Passionsspieltreiben kritisch gegenuumlber eingestellt waren 1770 erfolgtegar ein (erstes) Auffuumlhrungsverbot Ende des 18 Jahrhunderts kam es deshalb zu raquoBereinigungenlaquoDie neuerliche Uumlberarbeitung durch den Ortspfarrer Daisenberger zu Beginn des 19 Jahrhundertsist im wesentlichen auch die Grundlage des heutigen Auffuumlhrungstextes es gab jedoch leichteModifikationen und Modernisierungen ndash insbesondere um den Text von seinen antisemitischenAnklaumlngen zu befreien (vgl FinkSchwarzer Die ewige Passion S 27ndash48 sowie Holzheimeret al Leiden schafft Passion S 39f u S 62ndash91)

Diese Untertoumlne waren freilich ndash auch das ein Zugestaumlndnis an den Zeitgeist ndash zur Zeit desNazismus durchaus noch prominent hervorgehoben Und so sind die Passionsspiele im Jahrdes 300jaumlhrigen Jubilaumlums 1934 auch eher ein dunkles Kapitel von dem man in Oberammergaulieber schweigt oder beschwichtigend ablenkt Hitler indes der die Festspiele (schon 1930)persoumlnlich besucht hatte war durchaus angetan und bemerkte raquo[hellip] kaum je sei die juumldischeGefahr am Beispiel des antiken roumlmischen Weltreiches so plastisch dargestellt worden wiein der Darstellung des Pontius Pilatus bei diesen Festspielen erscheine dieser doch als einrassisch und intelligenzmaumlszligig so uumlberlegener Roumlmer daszlig er wie ein Fels inmitten des juumldischen

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Geschmeiszliges und Gewimmels wirkelaquo (Pickert Hitlers Tischgespraumlche S 604f zitiert nachHolzheimer et al Leiden schafft Passion S 97)12

Lieber als an den Besucher Hitler erinnert man sich an so beruumlhmte Gaumlste wie Koumlnig LudwigII von Bayern Lady Churchil Eisenhower Henry Ford Thomas Mann Ferdinand de RothschildRabindranath Tagore Richard Wagner oder den Prince of Wales die Indikatoren fuumlr dieinternationale Bekanntheit des Oberammergauer Passionsspiels sind Insbesondere in denletzten Jahren hat es aufgrund dieser Internationalisierung auch Professionalisierungsbestrebungengegeben Obwohl die Darsteller sich noch immer aus den Dorfbewohnern rekrutieren alsoLaienspieler sind war der Spielleiter des Jahres 2000 (Szenen siehe Abb 13 u 14) ChristianStuumlckl ein versierten Theatermann der auch schon bei den Muumlnchner Kammerspielen inszenierte(vgl Holzheimer et al Leiden schafft Passion S 13f)

Um den Ansturm der touristischen Massen in den Festspieljahren bewaumlltigen zu koumlnnen muszligdas Festspielgebaumlude entsprechend groszlig dimensioniert sein Dabei wurde sogar auf die allgegen-waumlrtige Luumlftl-Romantik verzichtet Wir finden einen eher sachlich-modernen funktionalenZweck-Bau vor (siehe nochmals Abb 12) Finanziell sind die Passionsspiele regelmaumlszligig eingroszliger Erfolg die Einnahmen flieszligen in die Gemeindekasse und werden fuumlr touristische Infrastruk-turmaszlignahmen genutzt (vgl ebd S 247) Der Erfolg und die existentielle Wichtigkeit fuumlr denoumlrtlichen Tourismus sorgen uumlbrigens dafuumlr daszlig das Spiel eine staumlndige Streitquelle am Ortist raquoPassioniertlaquo gestritten wird beispielsweise uumlber die Spielleiterwahl und nicht zuletztBesetzungsfragen und dies auch mit basisdemokatischen Instrumenten wie dem Buumlrgerentscheid(vgl ebd S 250ndash273)

Angesichts dieser Omnipraumlsenz der Passionsspiele im oumlrtlichen Leben kann man den Eindruckgewinnen Nicht Oberammergau inszeniert die Passionsspiele sondern die Passionsspieleinszenieren Oberammergau Denn auch dieser (Nicht-)Ort ist zwar ein Ort an dem Lebenin den Wohnraumlumen und oumlffentlichen Plaumltzen raquotatsaumlchlichlaquo stattfindet allerdings ist es in weitenTeilen kein Leben fuumlr sich sondern zum Zweck der (hyperrealen) Inszenierung

B) WEGE IN DIE WIRKLICHKEIT

Die Passionsspiele sind also nicht nur eine Metapher des Ortes sondern vielmehr eine ArtBlaupause fuumlr Oberammergau das wie eine unwirkliche Kulisse ndash ausstaffiert mit froumlmmelndemSchnitzwerk und illusionaumlrer Luumlftlmalerei ndash fuumlr den Passionstourismus wirkt Wie koumlnnte dieser

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1 Diese urbanen Knotenpunkte ndash die worauf Sassen hinweist selbst globalisierte und lokalisierteSub-Strukturen aufweisen ndash konstituieren eine subkutane Machtstruktur dh es gibt kein raumlumlichgeschlossenes Zentrum mehr Oder wie Hardt und Negri formulieren it is raquoa decentred and deterri-torialising apparatus of rule that progressively incorporates the entire global realm with its openexpanding frontierslaquo (Empire S XII)

2 Von Wallerstein dem Begruumlnder der Weltsystemtheorie stammt die Unterscheidung zwischenZentrum Peripherie und Semiperipherie

3 Marx und Engels haben die Globalisierung des Kapitals trotz ihrer Kritik an Kapitalismus undImperialismus wohl in ersterem Sinne gelesen denn sie bemerken zur historischen Rolle der Bourgeoisiedurchaus anerkennend raquoDie Bourgeoisie reiszligt durch die rasche Verbesserung aller Produktions-instrumente durch die unendlich erleichterten Kommunikationen alle auch die barbarischsten []Nationen in die Zivilisationlaquo (Ebd S 35)

4 Appadurai sieht darum auch das Denken in Kategrien von Peripherie und Zentrum als uumlberholtan Und neben moumlglichen Tendenzen eines nationalistischen oder fundamentalistischen Regressessieht er auch Raumlume im System der globalen Stroumlme entstehen die fuumlr progressive transnationaleAllianzen genutzt werden koumlnnen und die die individuellen Horizonte erweitern (vgl ebd S 308)

5 In aumlhnlicher Weise stellte uumlbrigens Henri Lefebvre bereits in den 1970er Jahren heraus daszlig dasUumlberleben des Kapitalismus aktuell entscheidend von seiner Faumlhigkeit abhaumlngt den (globalen) Raum

Ort der sich selbst in seiner fiktionalen Geschichte imaginierend gefangen haumllt in die Wirklichkeitdes 21 Jahrhunderts gefuumlhrt werden Oder ist Oberammergau in dieser Wirklichkeit vielleichtzu sehr verankert und muumlszligte es nicht vor ihr vielmehr bewahrt werden um (wieder) zu einemraquorealenlaquo einem wirk-lichen Ort zu werden

Mit der hyperrealen Inszenierung seiner Differenz ist der Passionsspielort Oberammergautatsaumlchlich in der Wirklichkeit der Globalisierung angekommen ndash und wird von ihr absorbiertDa es sich aber wie dargelegt um einen dialektischen Prozeszlig handelt ist nicht auszuschlieszligendaszlig die Prozesse der Lokalisierung die Dynamik der oumlkonomischen Globalisierung nicht nurfunktional ergaumlnzen sondern herausfordern Daszlig eine solche raquolokalelaquo Herausforderung allerdingsvom globalen Dorf Oberammergau herruumlhren wird ist eher unwahrscheinlich Viel eher duumlrftesie wohl von den tatsaumlchlichen raquoDoumlrfernlaquo des globalen Raum ausgehen dort wo die Fixierungauf den Ort das u-topische Beduumlrfnis seiner Uumlberwindung erzeugt

ANMERKUNGEN

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zu umgreifen weshalb die raumlumliche Betrachtungsweise die historische notwendig ergaumlnzen muumlsse(vgl La production de lrsquoespace)

6 Eine Ausnahme bilden hier allerdings die raquovirtuellenlaquo Welten der Vergnuumlgungsparks wie raquoDisneyWorldlaquo oder Kunstlandschaften wie das raquoProjekt Edenlaquo

7 Die hyperreale Simulation steht damit im expliziten Gegensatz zum Symbolischen (und Meta-phorischen) das weniger das Reale verdoppelt als Vielmehr eine (u-topische) Alternative darstellt(vgl ders Der symbolische Tausch und der Tod sowie im Uumlberblick Jain Medien der AnschuungS 122ndash133)

8 Foucault versteht unter Heterotopien raquowirkliche Orte wirksame Orte die in die Einrichtung derGesellschaft hineingezeichnet sind sozusagen Gegenplazierungen und Widerlager tatsaumlchlich realisierteUtopien in denen die wirklichen Plaumltze innerhalb der Kultur gleichzeitig repraumlsentiert bestrittenund gewendet sind gewissermaszligen Orte auszligerhalb aller Orte wiewohl sie tatsaumlchlich geortet werdenkoumlnnenlaquo (Andere Raumlume S 68) Dabei unterscheidet er zwischen Krisenheterotopien (besondereRaumlume fuumlr Menschen in einer besonderen Lage) Abweichungsheterotopien (wo das Abweichendeinterniert wird) lllusionsheterotopien (die einen illusionaumlren Raum darstellen so daszlig der Eintrittin diesen Raum tatsaumlchlich ein Verlassen des Raumes ist) und Kompensationsheterotopien (die kom-pensatorisch auf begrenztem Raum ein Ideal in der defizitaumlren Realitaumlt verwirklichen)

9 Die imaginierten (Nicht-)Orte koumlnnen also auch nicht als Illusions- oder Kompensationheterotopiengelten denn sie sind nicht die begrenzte Wirklichkeit eines Traums oder illusionaumlrer Raum des Anderensie stehen nicht im Gegensatz zur Realitaumlt sondern verdoppeln diese in ihrem imaginierten Raum

10 Edward Said der diesen Begriff praumlgte bemerkt raquo[hellip] the Orient has helped to define Europe(or the West) as its contrasting image idea personality experience Yet none of this Orient is merelyimaginative The Orient is an integral part of European material civilization and culturelaquo (OrientalismS 2)

11 Um exakt zu sein 74 Der Rest antwortete raquoSchnitzereilaquo (8) raquoPassionsspiele und Schnitzereilaquo(3) raquoliegt in Bayernlaquo (2) raquoliegt in Oumlsterreichlaquo (2) raquoschon gehoumlrtlaquo (3) Nur 4 der Befragtenkannten den Ort nicht (vgl ebd)

12 Wohl kaum ein Zufall Ausgerechnet jenes Gaumlstebuch in das Hitler sich eingetragen hat istmerkwuumlrdigerweise verschwunden Fuumlr naumlhere Details zur NS-Geschichte und -Verstrickung derPassionsspiele und Oberammergau vgl auch Shapiro Oberammergau S 137-ndash186 sowie UtschneiderOberammergau im Dritten Reich insb S 100ndash109

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bull Jain Anil K Differences in Difference ndash A raquoCognitive Mappinglaquo of the Landscape of OthernessInternet httpwwwpower-xsnetjainpubdifferencesindifferencepdf

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bull Jain Anil K Medien der Anschauung ndash Theorie und Praxis der Metapher raquoedition fatallaquoMuumlnchen 2002 sowie Internet httpwwwedition-fataldeonlinebibisbn3935147066pdf

bull Jain Anil K Medien des Wandel ndash Transformationen der Oumlffentlichkeit Internet httpwwwpower-xsnetjainpubmediendeswandelspdf

bull Jain Anil K Politik in der (Post-)Moderne ndash Reflexiv-deflexive Modernisierung und die Diffusiondes Politischen raquoedition fatallaquo Muumlnchen 2000 sowie Internet httpwwwedition-fatalde-onlinebibisbn3935147007pdf

bull Jameson Fredric Zur Logik der Kultur in der Spaumltmoderne In Huyssen AndreasScherpeKlaus (Hg) Postmoderne S 45ndash102

bull Kerckhove Derrick de Jenseits des Globalen Dorfes ndash Infragestellung der OumlffentlichkeitIn Maresch Rudolf (Hg) Medien und Oumlffentlichkeit S 135ndash148

bull Koch LaurentiusBuchwieser AnneliesGrawe Frederic Franz Seraph Zwinck - Der Luumlftlmalervon Oberammergau Freundeskreis Pilatushaus Oberammergau 1986

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tionsbruumlche Klaus Boer Verlag Muumlnchen 1996bull Marx KarlEngels Friedrich Ausgewaumlhlte Werke Gondrom Verlag Bindlach 1987bull Marx KarlEngels Friedrich Manifest der Kommunistischen Partei In Dies Ausgewaumlhlte

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1964bull Oberammergau Tourismus (Hg) Oberammergau Oberammergau (keine Jahresangabe)bull Rifkin Jeremy The Age of Access ndash The New Culture of Hypercapitalism TarcherPutnam

New York 2000bull Rattelmuumlller Paul E Luumlftlmalerei in Oberbayern Suumlddeutscher Verlag Muumlnchen 1981bull Robertson Roland Glocalization ndash Time-Space and Homogeneity-Heterogeneity In Feather-

stone MikeLash ScottRobertson Roland (Hg) Global Modernities S 25ndash44bull Said Edward Orientalism Vintage Books New York 1978bull Sassen Saskia The Global City ndash New York London Tokyo Princeton University Press

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bull Utschneider Ludwig Oberammergau im Dritten Reich (1933ndash1945) Schriftenreihe desHistorischen Vereins Oberammergau 1999 eV Band 1 Oberammergau 2000

bull Wallerstein Immanuel The Modern World System ndash Capitalist Agriculture and the Originsof the European World Economy in the Sixteenth Century Academic Press New YorkLondon1974

bull Welsch Wolfgang (Hg) Wege aus der Moderne ndash Schluumlsseltexte der Postmoderne-DiskussionActa humaniora Weinheim 1987

bull Wentz Martin (Hg) Stadt-Raumlume Campus FrankfurtNew York 1991

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Abbildung 1 Abbildung 2

Abbildung 3 Abbildung 4

Abbildung 5 (Quelle Werbeprospekt) Abbildung 6

ABBILDUNGEN

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Abbildung 9 Abbildung 10

Abbildung 11 Abbildung 12

Abbildung 13 (Quelle Postkarten) Abbildung 14 (Quelle Postkarte)

Abbildung 7 Abbildung 8

INFORMATIONSBLATT

Autor(Innen) Anil K JainTitel Imaginierte (Nicht-)OrteUntertitel Ein Besuch im raquoglobalen Dorflaquo OberammergauJahr der Abfassung 2002VersionAktualisierungsdatum 04042006Originaler Download-Link httpwwwpower-xsnetjainpubimaginierteortepdfErste Druckveroumlffentlichung The Discourse of Sociological Practice Vol 6 No 12004

S 51ndash60 (Englische Version)

Wer Passagen dieses Textes zitieren will moumlchte bitte auch falls eine Druckveroumlffentlichungvorhanden sein sollte die PDF-Version als Grundlage verwenden (VersionAktualisierungsdatumangeben) da die PDF-Version umfangreicher undoder aktualisiert und korrigiert sein koumlnnte

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Page 10: EIN BESUCH IM GLOBALEN DORF BERAMMERGAU · aufspalten; es entstehen die separaten Sphären der »ethnoscapes«, »mediascapes«, »techno-scapes«, »financescapes« und »ideoscapes«,

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geschichte zentral ist Selbst der Aufbau des Freskos gleicht einer (barocken) Theaterkulisse Dabeiist auch hier der raquoOrientalismuslaquo auffaumlllig etwa indem die Juden (historisch unrichtig aber derdamaligen Orient-Begeisterung entsprechend) mit Turban dargestellt werden ndash ein raquoexotischeslaquoMotiv auf das man selbst in aktuellen Fremdenverkehrskatalogen noch gerne rekurriert (sieheAbb 5) Und das so (entfremdet) dargestellte raquoanderelaquo kommt denkbar schlecht weg handeltes sich doch bei der Szene um eine Art biblische Variante der Verschwoumlrungstheorie von derjuumldisch-kapitalistischen Weltverschwoumlrung bei der Judas mit dem juumldischen Establishment undder Weltmacht Rom (in Person des Statthalters Pilatus) gemeinsame Sache macht um Christuszu verraten Nicht alle Fresko-Darstellungen sind freilich so hochgradig ideologisch aufgeladensondern zeigen beispielsweise auch raquoharmloselaquo Musikantenszenen (siehe Abb 6) oder greifendas Passionsspiel-Thema als raquoZitatlaquo direkt auf (siehe Abb 7)

Wenn man den Ortskern durchschreitet so faumlllt die groszlige Ordnung und raquopeinlichelaquo Sauberkeitauf die trotz der Touristenstroumlme herrscht Alles geht raquowohlgeordnetlaquo zu und es finden sichkaum Ausreiszliger aus der Luumlftl-Idylle Allerdings gibt es durchaus fragwuumlrde miszliggluumlckte Versuchesowohl des raquoHistorismuslaquo sowie der Synthese mit der Moderne (siehe Abb 8 u 9) Und esfinden sich selbstverstaumlndlich ndash trotz aller Versuche einen moumlglichst raquoauthentischenlaquo Eindruckzu bewahren ndash Anzeichen von Globalisierung etwa wenn statt heimischer Gewaumlchse Agavendie Fassade zieren (siehe Abb 10) Der oumlffentliche Raum ist dabei ganz auf die Beduumlrfnissedes Tourismus zugeschnitten Man kann sich in einer ganzen Fuumllle von Straszligencafeacutes undGasthoumlfen mit traditioneller bayerischer Kost bewirten lassen Als ein etwas irritierender Fremd-koumlrper wirkt nur die kleine Touristenbahn die ohne Unterlaszlig ihre Runden im Dorf zieht umden Besuchern die Sehenswuumlrdigkeiten des Ortes naumlherzubringen (siehe Abb 11) Aber auchfuumlr den ndash zumeist betagten ndash Fuszliggaumlnger ist alles gut ausgeschildert und fuumlr ausreichend Parkplaumltzist beim Festspielhaus gesorgt das leicht uumlberdimensioniert wirkt und am Rand des Ortskernsliegt aber doch das eigentliche Zentrum darstellt (siehe Abb 12)

Denn die ganze Idee und Wirklichkeit von Oberammergau kreist wie erlaumlutert um die Passions-spiele Das spiegelt sich auch im Bewuszligtsein der Besucher und der Allgemeinheit wiederEine kleine Befragung zufaumlllig ausgewaumlhlter Passanten ergab die uumlberwiegende Mehrheit identi-fiziert den Ort alleine mit den Passionsspielen obwohl diese nur alle 10 Jahre stattfinden (vglFinkSchwarzer Die ewige Passion S 15f)11 Um deren Entstehung rankt sich eine Legendedie sich in verschiedenen Quellen bis ins 18 Jahrhundert zuruumlckverfolgen laumlszligt und noch heutegerne werbewirksam wiedergegeben wird Es galt als die Pest im Jahr 1633 schlieszliglich ihrenWeg ndash durch einen erkrankten Knecht der sich heimlich in den Ort einschlich ndash auch nachOberammergau gefunden und in kuumlrzester Zeit eine Reihe von Toten gekoste hatte ein Wunder

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zu bewirken Also besann man sich auf die Religion und gelobte alle zehn Jahre die LeidenChristi zur allgemeinen Laumluterung aufzufuumlhren ndash und um sich vor der Bedrohung der Pestin Zukunft geschuumltzt zu wissen Die historische Exaktheit dieser Version uumlber die Entstehungdes Passionsspiels kann angezweifelt werden allerdings gilt als relativ gesichert daszlig in etwain diesem Zeitraum die Pest tatsaumlchlich im Ort gewuumltet hatte und nur wenig spaumlter zum erstenmal eine Auffuumlhrung stattfand Mit seinem Christusspiel das als eine Art Tauschgeschaumlft Passiongegen Protektion gelten kann war Oberammergau freilich damit eher verspaumltet in anderenOrten auch der naumlheren Umgebung gab es aumlhnliches schon lange zuvor Allerdings hielt sichdiese Tradition in Oberammergau hartnaumlckiger ndash und das zum aktuellen oumlkonomischen Nutzen(Vgl ebd S 17ff sowie Shapiro Oberammergau S 101ndash136)

Uumlber das Oberammergauer Passionsspiel ist viel (wahrscheinlich zu viel) geschrieben wordendeshalb moumlchte ich hier nur auf einige Aspekte kurz eingehen die damit zu tun haben wiesich der Ort durch die Passionsspiele neu erfunden hat und sich dadurch als differenterbesonderer Ort praumlsentiert Die Tradition wird dafuumlr in durchaus kreativer Weise umgeformtund immer wieder an die neuen Erfordernisse der Zeit angepaszligt Dies zeigt sich einerseitsam Text Die aumllteste erhaltene Textfassung datiert auf das Jahr 1662 setzt sich zusammen ausverschiedenen Versatzstuumlcken anderer Passionsspiele war aber selbst bereits raquouumlberarbeitetlaquound ist lange nicht mehr im Gebrauch Im folgenden wurde der Text immer wieder erweitertund mit mehr dramatischen Elementen versehen Dies hatte zur Folge daszlig gerade die offizielleKirche und der Staat dem Passionsspieltreiben kritisch gegenuumlber eingestellt waren 1770 erfolgtegar ein (erstes) Auffuumlhrungsverbot Ende des 18 Jahrhunderts kam es deshalb zu raquoBereinigungenlaquoDie neuerliche Uumlberarbeitung durch den Ortspfarrer Daisenberger zu Beginn des 19 Jahrhundertsist im wesentlichen auch die Grundlage des heutigen Auffuumlhrungstextes es gab jedoch leichteModifikationen und Modernisierungen ndash insbesondere um den Text von seinen antisemitischenAnklaumlngen zu befreien (vgl FinkSchwarzer Die ewige Passion S 27ndash48 sowie Holzheimeret al Leiden schafft Passion S 39f u S 62ndash91)

Diese Untertoumlne waren freilich ndash auch das ein Zugestaumlndnis an den Zeitgeist ndash zur Zeit desNazismus durchaus noch prominent hervorgehoben Und so sind die Passionsspiele im Jahrdes 300jaumlhrigen Jubilaumlums 1934 auch eher ein dunkles Kapitel von dem man in Oberammergaulieber schweigt oder beschwichtigend ablenkt Hitler indes der die Festspiele (schon 1930)persoumlnlich besucht hatte war durchaus angetan und bemerkte raquo[hellip] kaum je sei die juumldischeGefahr am Beispiel des antiken roumlmischen Weltreiches so plastisch dargestellt worden wiein der Darstellung des Pontius Pilatus bei diesen Festspielen erscheine dieser doch als einrassisch und intelligenzmaumlszligig so uumlberlegener Roumlmer daszlig er wie ein Fels inmitten des juumldischen

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Geschmeiszliges und Gewimmels wirkelaquo (Pickert Hitlers Tischgespraumlche S 604f zitiert nachHolzheimer et al Leiden schafft Passion S 97)12

Lieber als an den Besucher Hitler erinnert man sich an so beruumlhmte Gaumlste wie Koumlnig LudwigII von Bayern Lady Churchil Eisenhower Henry Ford Thomas Mann Ferdinand de RothschildRabindranath Tagore Richard Wagner oder den Prince of Wales die Indikatoren fuumlr dieinternationale Bekanntheit des Oberammergauer Passionsspiels sind Insbesondere in denletzten Jahren hat es aufgrund dieser Internationalisierung auch Professionalisierungsbestrebungengegeben Obwohl die Darsteller sich noch immer aus den Dorfbewohnern rekrutieren alsoLaienspieler sind war der Spielleiter des Jahres 2000 (Szenen siehe Abb 13 u 14) ChristianStuumlckl ein versierten Theatermann der auch schon bei den Muumlnchner Kammerspielen inszenierte(vgl Holzheimer et al Leiden schafft Passion S 13f)

Um den Ansturm der touristischen Massen in den Festspieljahren bewaumlltigen zu koumlnnen muszligdas Festspielgebaumlude entsprechend groszlig dimensioniert sein Dabei wurde sogar auf die allgegen-waumlrtige Luumlftl-Romantik verzichtet Wir finden einen eher sachlich-modernen funktionalenZweck-Bau vor (siehe nochmals Abb 12) Finanziell sind die Passionsspiele regelmaumlszligig eingroszliger Erfolg die Einnahmen flieszligen in die Gemeindekasse und werden fuumlr touristische Infrastruk-turmaszlignahmen genutzt (vgl ebd S 247) Der Erfolg und die existentielle Wichtigkeit fuumlr denoumlrtlichen Tourismus sorgen uumlbrigens dafuumlr daszlig das Spiel eine staumlndige Streitquelle am Ortist raquoPassioniertlaquo gestritten wird beispielsweise uumlber die Spielleiterwahl und nicht zuletztBesetzungsfragen und dies auch mit basisdemokatischen Instrumenten wie dem Buumlrgerentscheid(vgl ebd S 250ndash273)

Angesichts dieser Omnipraumlsenz der Passionsspiele im oumlrtlichen Leben kann man den Eindruckgewinnen Nicht Oberammergau inszeniert die Passionsspiele sondern die Passionsspieleinszenieren Oberammergau Denn auch dieser (Nicht-)Ort ist zwar ein Ort an dem Lebenin den Wohnraumlumen und oumlffentlichen Plaumltzen raquotatsaumlchlichlaquo stattfindet allerdings ist es in weitenTeilen kein Leben fuumlr sich sondern zum Zweck der (hyperrealen) Inszenierung

B) WEGE IN DIE WIRKLICHKEIT

Die Passionsspiele sind also nicht nur eine Metapher des Ortes sondern vielmehr eine ArtBlaupause fuumlr Oberammergau das wie eine unwirkliche Kulisse ndash ausstaffiert mit froumlmmelndemSchnitzwerk und illusionaumlrer Luumlftlmalerei ndash fuumlr den Passionstourismus wirkt Wie koumlnnte dieser

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 13

1 Diese urbanen Knotenpunkte ndash die worauf Sassen hinweist selbst globalisierte und lokalisierteSub-Strukturen aufweisen ndash konstituieren eine subkutane Machtstruktur dh es gibt kein raumlumlichgeschlossenes Zentrum mehr Oder wie Hardt und Negri formulieren it is raquoa decentred and deterri-torialising apparatus of rule that progressively incorporates the entire global realm with its openexpanding frontierslaquo (Empire S XII)

2 Von Wallerstein dem Begruumlnder der Weltsystemtheorie stammt die Unterscheidung zwischenZentrum Peripherie und Semiperipherie

3 Marx und Engels haben die Globalisierung des Kapitals trotz ihrer Kritik an Kapitalismus undImperialismus wohl in ersterem Sinne gelesen denn sie bemerken zur historischen Rolle der Bourgeoisiedurchaus anerkennend raquoDie Bourgeoisie reiszligt durch die rasche Verbesserung aller Produktions-instrumente durch die unendlich erleichterten Kommunikationen alle auch die barbarischsten []Nationen in die Zivilisationlaquo (Ebd S 35)

4 Appadurai sieht darum auch das Denken in Kategrien von Peripherie und Zentrum als uumlberholtan Und neben moumlglichen Tendenzen eines nationalistischen oder fundamentalistischen Regressessieht er auch Raumlume im System der globalen Stroumlme entstehen die fuumlr progressive transnationaleAllianzen genutzt werden koumlnnen und die die individuellen Horizonte erweitern (vgl ebd S 308)

5 In aumlhnlicher Weise stellte uumlbrigens Henri Lefebvre bereits in den 1970er Jahren heraus daszlig dasUumlberleben des Kapitalismus aktuell entscheidend von seiner Faumlhigkeit abhaumlngt den (globalen) Raum

Ort der sich selbst in seiner fiktionalen Geschichte imaginierend gefangen haumllt in die Wirklichkeitdes 21 Jahrhunderts gefuumlhrt werden Oder ist Oberammergau in dieser Wirklichkeit vielleichtzu sehr verankert und muumlszligte es nicht vor ihr vielmehr bewahrt werden um (wieder) zu einemraquorealenlaquo einem wirk-lichen Ort zu werden

Mit der hyperrealen Inszenierung seiner Differenz ist der Passionsspielort Oberammergautatsaumlchlich in der Wirklichkeit der Globalisierung angekommen ndash und wird von ihr absorbiertDa es sich aber wie dargelegt um einen dialektischen Prozeszlig handelt ist nicht auszuschlieszligendaszlig die Prozesse der Lokalisierung die Dynamik der oumlkonomischen Globalisierung nicht nurfunktional ergaumlnzen sondern herausfordern Daszlig eine solche raquolokalelaquo Herausforderung allerdingsvom globalen Dorf Oberammergau herruumlhren wird ist eher unwahrscheinlich Viel eher duumlrftesie wohl von den tatsaumlchlichen raquoDoumlrfernlaquo des globalen Raum ausgehen dort wo die Fixierungauf den Ort das u-topische Beduumlrfnis seiner Uumlberwindung erzeugt

ANMERKUNGEN

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 14

zu umgreifen weshalb die raumlumliche Betrachtungsweise die historische notwendig ergaumlnzen muumlsse(vgl La production de lrsquoespace)

6 Eine Ausnahme bilden hier allerdings die raquovirtuellenlaquo Welten der Vergnuumlgungsparks wie raquoDisneyWorldlaquo oder Kunstlandschaften wie das raquoProjekt Edenlaquo

7 Die hyperreale Simulation steht damit im expliziten Gegensatz zum Symbolischen (und Meta-phorischen) das weniger das Reale verdoppelt als Vielmehr eine (u-topische) Alternative darstellt(vgl ders Der symbolische Tausch und der Tod sowie im Uumlberblick Jain Medien der AnschuungS 122ndash133)

8 Foucault versteht unter Heterotopien raquowirkliche Orte wirksame Orte die in die Einrichtung derGesellschaft hineingezeichnet sind sozusagen Gegenplazierungen und Widerlager tatsaumlchlich realisierteUtopien in denen die wirklichen Plaumltze innerhalb der Kultur gleichzeitig repraumlsentiert bestrittenund gewendet sind gewissermaszligen Orte auszligerhalb aller Orte wiewohl sie tatsaumlchlich geortet werdenkoumlnnenlaquo (Andere Raumlume S 68) Dabei unterscheidet er zwischen Krisenheterotopien (besondereRaumlume fuumlr Menschen in einer besonderen Lage) Abweichungsheterotopien (wo das Abweichendeinterniert wird) lllusionsheterotopien (die einen illusionaumlren Raum darstellen so daszlig der Eintrittin diesen Raum tatsaumlchlich ein Verlassen des Raumes ist) und Kompensationsheterotopien (die kom-pensatorisch auf begrenztem Raum ein Ideal in der defizitaumlren Realitaumlt verwirklichen)

9 Die imaginierten (Nicht-)Orte koumlnnen also auch nicht als Illusions- oder Kompensationheterotopiengelten denn sie sind nicht die begrenzte Wirklichkeit eines Traums oder illusionaumlrer Raum des Anderensie stehen nicht im Gegensatz zur Realitaumlt sondern verdoppeln diese in ihrem imaginierten Raum

10 Edward Said der diesen Begriff praumlgte bemerkt raquo[hellip] the Orient has helped to define Europe(or the West) as its contrasting image idea personality experience Yet none of this Orient is merelyimaginative The Orient is an integral part of European material civilization and culturelaquo (OrientalismS 2)

11 Um exakt zu sein 74 Der Rest antwortete raquoSchnitzereilaquo (8) raquoPassionsspiele und Schnitzereilaquo(3) raquoliegt in Bayernlaquo (2) raquoliegt in Oumlsterreichlaquo (2) raquoschon gehoumlrtlaquo (3) Nur 4 der Befragtenkannten den Ort nicht (vgl ebd)

12 Wohl kaum ein Zufall Ausgerechnet jenes Gaumlstebuch in das Hitler sich eingetragen hat istmerkwuumlrdigerweise verschwunden Fuumlr naumlhere Details zur NS-Geschichte und -Verstrickung derPassionsspiele und Oberammergau vgl auch Shapiro Oberammergau S 137-ndash186 sowie UtschneiderOberammergau im Dritten Reich insb S 100ndash109

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 15

LITERATUR

bull Anderson Benedict Die Erfindung der Nation ndash Zur Karriere eines erfolgreichen KonzeptsCampus FrankfurtNew York 1988

bull Appadurai Arjun Disjuncture and Difference in the Global Cultural Economy In FeatherstoneMike (Hg) Global Culture S 295ndash310

bull Augeacute Marc Orte und Nicht-Orte ndash Voruumlberlegungen zu einer Ethnologie der EinsamkeitS Fischer Verlag Frankfurt 1994

bull Baudrillard Jean Die fatalen Strategien Matthes amp Seitz Verlag Muumlnchen 1985bull Baudrillard Jean Die Simulation In Welsch Wolfgang (Hg) Wege aus der Moderne S

153ndash162bull Baudrillard Jean Der symbolische Tausch und der Tod Matthes amp Seitz Verlag Muumlnchen 1982

bull Bauman Zygmunt Liquid Modernity Polity Press Cambridge 2000bull Castells Manuel The Rise of the Network Society Blackwell CambridgeOxford 1996bull Certeau Michel de Kunst des Handelns Merve Verlag Berlin 1988bull Featherstone Mike (Hg) Global Culture ndash Nationalism Globalization and Modernity Sage

Publications LondonNewbury ParkNew Delhi 1995bull Featherstone MikeLash ScottRobertson Roland (Hg) Global Modernities Sage Publications

LondonNewbury ParkNew Delhi 1995bull Fink RomanSchwarzer Horst Die ewige Passion ndash Phaumlnomen Oberammergau Econ Verlag

DuumlsseldorfWien 1970bull Foucault Michael Andere Raumlume In Wentz Martin (Hg) Stadt-Raumlume S 65ndash72bull Frauenliste eVVerkehrs- und Reisebuumlro Oberammergau (Hg) Kunsthandwerk Oberam-

mergau Oberammergau 1999bull Giddens Anthony The Consequences of Modernity Stanford University Press Stanford

1990bull Groumlber Karl Alte Oberammergauer Hauskunst Rosenheimer Verlagshaus Rosenheim

1980bull Hardt MichaelNegri Antonio Empire Harvard University Press Cambridge 2000bull Heynold-Graefe Blida Oberammergauer Schnitzkunst Deutsches Verlagshaus Bong Muumlnchen

1950bull Holzheimer Gerd ua (Hg) Leiden schafft Passionen ndash Oberammergau und sein Spiel A1

Verlag Muumlnchen 2000bull Huyssen AndreasScherpe Klaus (Hg) Postmoderne ndash Zeichen eines kulturellen Wandels

Rowohlt Reinbek 1986

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 16

bull Jain Anil K Differences in Difference ndash A raquoCognitive Mappinglaquo of the Landscape of OthernessInternet httpwwwpower-xsnetjainpubdifferencesindifferencepdf

bull Jain Anil K Die raquoglobale Klasselaquo ndash Die Verfuumlgungsgewalt uumlber den (globalen) Raum alsneue Dimension der Klassenstrukturierung In Angermuumlller JohannesBunzmann Katharina-Rauch Christina (Hg) Reale Fiktionen fiktive Realitaumlten Lit Verlag Hamburg 2000 S 51ndash68sowie Internet httpwwwpower-xsnetjainpubglobaleklassepdf

bull Jain Anil K Medien der Anschauung ndash Theorie und Praxis der Metapher raquoedition fatallaquoMuumlnchen 2002 sowie Internet httpwwwedition-fataldeonlinebibisbn3935147066pdf

bull Jain Anil K Medien des Wandel ndash Transformationen der Oumlffentlichkeit Internet httpwwwpower-xsnetjainpubmediendeswandelspdf

bull Jain Anil K Politik in der (Post-)Moderne ndash Reflexiv-deflexive Modernisierung und die Diffusiondes Politischen raquoedition fatallaquo Muumlnchen 2000 sowie Internet httpwwwedition-fatalde-onlinebibisbn3935147007pdf

bull Jameson Fredric Zur Logik der Kultur in der Spaumltmoderne In Huyssen AndreasScherpeKlaus (Hg) Postmoderne S 45ndash102

bull Kerckhove Derrick de Jenseits des Globalen Dorfes ndash Infragestellung der OumlffentlichkeitIn Maresch Rudolf (Hg) Medien und Oumlffentlichkeit S 135ndash148

bull Koch LaurentiusBuchwieser AnneliesGrawe Frederic Franz Seraph Zwinck - Der Luumlftlmalervon Oberammergau Freundeskreis Pilatushaus Oberammergau 1986

bull Lefebvre Henri La production de lrsquoespace Anthropos Paris 1974bull Maresch Rudolf (Hg) Medien und Oumlffentlichkeit ndash Positionierungen Symptome Simula-

tionsbruumlche Klaus Boer Verlag Muumlnchen 1996bull Marx KarlEngels Friedrich Ausgewaumlhlte Werke Gondrom Verlag Bindlach 1987bull Marx KarlEngels Friedrich Manifest der Kommunistischen Partei In Dies Ausgewaumlhlte

Werke S 31ndash57bull McLuhan Marshall Understanding Media ndash The Extensions of Man McGraw-Hill New York

1964bull Oberammergau Tourismus (Hg) Oberammergau Oberammergau (keine Jahresangabe)bull Rifkin Jeremy The Age of Access ndash The New Culture of Hypercapitalism TarcherPutnam

New York 2000bull Rattelmuumlller Paul E Luumlftlmalerei in Oberbayern Suumlddeutscher Verlag Muumlnchen 1981bull Robertson Roland Glocalization ndash Time-Space and Homogeneity-Heterogeneity In Feather-

stone MikeLash ScottRobertson Roland (Hg) Global Modernities S 25ndash44bull Said Edward Orientalism Vintage Books New York 1978bull Sassen Saskia The Global City ndash New York London Tokyo Princeton University Press

Princeton 1991

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 17

bull Shapiro James Oberammergau ndash The Troubling Story of the Worldrsquos Most Famous PassionPlay Pantheon Books New York 2000

bull Utschneider Ludwig Oberammergau im Dritten Reich (1933ndash1945) Schriftenreihe desHistorischen Vereins Oberammergau 1999 eV Band 1 Oberammergau 2000

bull Wallerstein Immanuel The Modern World System ndash Capitalist Agriculture and the Originsof the European World Economy in the Sixteenth Century Academic Press New YorkLondon1974

bull Welsch Wolfgang (Hg) Wege aus der Moderne ndash Schluumlsseltexte der Postmoderne-DiskussionActa humaniora Weinheim 1987

bull Wentz Martin (Hg) Stadt-Raumlume Campus FrankfurtNew York 1991

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 18

Abbildung 1 Abbildung 2

Abbildung 3 Abbildung 4

Abbildung 5 (Quelle Werbeprospekt) Abbildung 6

ABBILDUNGEN

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 19

Abbildung 9 Abbildung 10

Abbildung 11 Abbildung 12

Abbildung 13 (Quelle Postkarten) Abbildung 14 (Quelle Postkarte)

Abbildung 7 Abbildung 8

INFORMATIONSBLATT

Autor(Innen) Anil K JainTitel Imaginierte (Nicht-)OrteUntertitel Ein Besuch im raquoglobalen Dorflaquo OberammergauJahr der Abfassung 2002VersionAktualisierungsdatum 04042006Originaler Download-Link httpwwwpower-xsnetjainpubimaginierteortepdfErste Druckveroumlffentlichung The Discourse of Sociological Practice Vol 6 No 12004

S 51ndash60 (Englische Version)

Wer Passagen dieses Textes zitieren will moumlchte bitte auch falls eine Druckveroumlffentlichungvorhanden sein sollte die PDF-Version als Grundlage verwenden (VersionAktualisierungsdatumangeben) da die PDF-Version umfangreicher undoder aktualisiert und korrigiert sein koumlnnte

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werden

Page 11: EIN BESUCH IM GLOBALEN DORF BERAMMERGAU · aufspalten; es entstehen die separaten Sphären der »ethnoscapes«, »mediascapes«, »techno-scapes«, »financescapes« und »ideoscapes«,

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 11

zu bewirken Also besann man sich auf die Religion und gelobte alle zehn Jahre die LeidenChristi zur allgemeinen Laumluterung aufzufuumlhren ndash und um sich vor der Bedrohung der Pestin Zukunft geschuumltzt zu wissen Die historische Exaktheit dieser Version uumlber die Entstehungdes Passionsspiels kann angezweifelt werden allerdings gilt als relativ gesichert daszlig in etwain diesem Zeitraum die Pest tatsaumlchlich im Ort gewuumltet hatte und nur wenig spaumlter zum erstenmal eine Auffuumlhrung stattfand Mit seinem Christusspiel das als eine Art Tauschgeschaumlft Passiongegen Protektion gelten kann war Oberammergau freilich damit eher verspaumltet in anderenOrten auch der naumlheren Umgebung gab es aumlhnliches schon lange zuvor Allerdings hielt sichdiese Tradition in Oberammergau hartnaumlckiger ndash und das zum aktuellen oumlkonomischen Nutzen(Vgl ebd S 17ff sowie Shapiro Oberammergau S 101ndash136)

Uumlber das Oberammergauer Passionsspiel ist viel (wahrscheinlich zu viel) geschrieben wordendeshalb moumlchte ich hier nur auf einige Aspekte kurz eingehen die damit zu tun haben wiesich der Ort durch die Passionsspiele neu erfunden hat und sich dadurch als differenterbesonderer Ort praumlsentiert Die Tradition wird dafuumlr in durchaus kreativer Weise umgeformtund immer wieder an die neuen Erfordernisse der Zeit angepaszligt Dies zeigt sich einerseitsam Text Die aumllteste erhaltene Textfassung datiert auf das Jahr 1662 setzt sich zusammen ausverschiedenen Versatzstuumlcken anderer Passionsspiele war aber selbst bereits raquouumlberarbeitetlaquound ist lange nicht mehr im Gebrauch Im folgenden wurde der Text immer wieder erweitertund mit mehr dramatischen Elementen versehen Dies hatte zur Folge daszlig gerade die offizielleKirche und der Staat dem Passionsspieltreiben kritisch gegenuumlber eingestellt waren 1770 erfolgtegar ein (erstes) Auffuumlhrungsverbot Ende des 18 Jahrhunderts kam es deshalb zu raquoBereinigungenlaquoDie neuerliche Uumlberarbeitung durch den Ortspfarrer Daisenberger zu Beginn des 19 Jahrhundertsist im wesentlichen auch die Grundlage des heutigen Auffuumlhrungstextes es gab jedoch leichteModifikationen und Modernisierungen ndash insbesondere um den Text von seinen antisemitischenAnklaumlngen zu befreien (vgl FinkSchwarzer Die ewige Passion S 27ndash48 sowie Holzheimeret al Leiden schafft Passion S 39f u S 62ndash91)

Diese Untertoumlne waren freilich ndash auch das ein Zugestaumlndnis an den Zeitgeist ndash zur Zeit desNazismus durchaus noch prominent hervorgehoben Und so sind die Passionsspiele im Jahrdes 300jaumlhrigen Jubilaumlums 1934 auch eher ein dunkles Kapitel von dem man in Oberammergaulieber schweigt oder beschwichtigend ablenkt Hitler indes der die Festspiele (schon 1930)persoumlnlich besucht hatte war durchaus angetan und bemerkte raquo[hellip] kaum je sei die juumldischeGefahr am Beispiel des antiken roumlmischen Weltreiches so plastisch dargestellt worden wiein der Darstellung des Pontius Pilatus bei diesen Festspielen erscheine dieser doch als einrassisch und intelligenzmaumlszligig so uumlberlegener Roumlmer daszlig er wie ein Fels inmitten des juumldischen

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 12

Geschmeiszliges und Gewimmels wirkelaquo (Pickert Hitlers Tischgespraumlche S 604f zitiert nachHolzheimer et al Leiden schafft Passion S 97)12

Lieber als an den Besucher Hitler erinnert man sich an so beruumlhmte Gaumlste wie Koumlnig LudwigII von Bayern Lady Churchil Eisenhower Henry Ford Thomas Mann Ferdinand de RothschildRabindranath Tagore Richard Wagner oder den Prince of Wales die Indikatoren fuumlr dieinternationale Bekanntheit des Oberammergauer Passionsspiels sind Insbesondere in denletzten Jahren hat es aufgrund dieser Internationalisierung auch Professionalisierungsbestrebungengegeben Obwohl die Darsteller sich noch immer aus den Dorfbewohnern rekrutieren alsoLaienspieler sind war der Spielleiter des Jahres 2000 (Szenen siehe Abb 13 u 14) ChristianStuumlckl ein versierten Theatermann der auch schon bei den Muumlnchner Kammerspielen inszenierte(vgl Holzheimer et al Leiden schafft Passion S 13f)

Um den Ansturm der touristischen Massen in den Festspieljahren bewaumlltigen zu koumlnnen muszligdas Festspielgebaumlude entsprechend groszlig dimensioniert sein Dabei wurde sogar auf die allgegen-waumlrtige Luumlftl-Romantik verzichtet Wir finden einen eher sachlich-modernen funktionalenZweck-Bau vor (siehe nochmals Abb 12) Finanziell sind die Passionsspiele regelmaumlszligig eingroszliger Erfolg die Einnahmen flieszligen in die Gemeindekasse und werden fuumlr touristische Infrastruk-turmaszlignahmen genutzt (vgl ebd S 247) Der Erfolg und die existentielle Wichtigkeit fuumlr denoumlrtlichen Tourismus sorgen uumlbrigens dafuumlr daszlig das Spiel eine staumlndige Streitquelle am Ortist raquoPassioniertlaquo gestritten wird beispielsweise uumlber die Spielleiterwahl und nicht zuletztBesetzungsfragen und dies auch mit basisdemokatischen Instrumenten wie dem Buumlrgerentscheid(vgl ebd S 250ndash273)

Angesichts dieser Omnipraumlsenz der Passionsspiele im oumlrtlichen Leben kann man den Eindruckgewinnen Nicht Oberammergau inszeniert die Passionsspiele sondern die Passionsspieleinszenieren Oberammergau Denn auch dieser (Nicht-)Ort ist zwar ein Ort an dem Lebenin den Wohnraumlumen und oumlffentlichen Plaumltzen raquotatsaumlchlichlaquo stattfindet allerdings ist es in weitenTeilen kein Leben fuumlr sich sondern zum Zweck der (hyperrealen) Inszenierung

B) WEGE IN DIE WIRKLICHKEIT

Die Passionsspiele sind also nicht nur eine Metapher des Ortes sondern vielmehr eine ArtBlaupause fuumlr Oberammergau das wie eine unwirkliche Kulisse ndash ausstaffiert mit froumlmmelndemSchnitzwerk und illusionaumlrer Luumlftlmalerei ndash fuumlr den Passionstourismus wirkt Wie koumlnnte dieser

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 13

1 Diese urbanen Knotenpunkte ndash die worauf Sassen hinweist selbst globalisierte und lokalisierteSub-Strukturen aufweisen ndash konstituieren eine subkutane Machtstruktur dh es gibt kein raumlumlichgeschlossenes Zentrum mehr Oder wie Hardt und Negri formulieren it is raquoa decentred and deterri-torialising apparatus of rule that progressively incorporates the entire global realm with its openexpanding frontierslaquo (Empire S XII)

2 Von Wallerstein dem Begruumlnder der Weltsystemtheorie stammt die Unterscheidung zwischenZentrum Peripherie und Semiperipherie

3 Marx und Engels haben die Globalisierung des Kapitals trotz ihrer Kritik an Kapitalismus undImperialismus wohl in ersterem Sinne gelesen denn sie bemerken zur historischen Rolle der Bourgeoisiedurchaus anerkennend raquoDie Bourgeoisie reiszligt durch die rasche Verbesserung aller Produktions-instrumente durch die unendlich erleichterten Kommunikationen alle auch die barbarischsten []Nationen in die Zivilisationlaquo (Ebd S 35)

4 Appadurai sieht darum auch das Denken in Kategrien von Peripherie und Zentrum als uumlberholtan Und neben moumlglichen Tendenzen eines nationalistischen oder fundamentalistischen Regressessieht er auch Raumlume im System der globalen Stroumlme entstehen die fuumlr progressive transnationaleAllianzen genutzt werden koumlnnen und die die individuellen Horizonte erweitern (vgl ebd S 308)

5 In aumlhnlicher Weise stellte uumlbrigens Henri Lefebvre bereits in den 1970er Jahren heraus daszlig dasUumlberleben des Kapitalismus aktuell entscheidend von seiner Faumlhigkeit abhaumlngt den (globalen) Raum

Ort der sich selbst in seiner fiktionalen Geschichte imaginierend gefangen haumllt in die Wirklichkeitdes 21 Jahrhunderts gefuumlhrt werden Oder ist Oberammergau in dieser Wirklichkeit vielleichtzu sehr verankert und muumlszligte es nicht vor ihr vielmehr bewahrt werden um (wieder) zu einemraquorealenlaquo einem wirk-lichen Ort zu werden

Mit der hyperrealen Inszenierung seiner Differenz ist der Passionsspielort Oberammergautatsaumlchlich in der Wirklichkeit der Globalisierung angekommen ndash und wird von ihr absorbiertDa es sich aber wie dargelegt um einen dialektischen Prozeszlig handelt ist nicht auszuschlieszligendaszlig die Prozesse der Lokalisierung die Dynamik der oumlkonomischen Globalisierung nicht nurfunktional ergaumlnzen sondern herausfordern Daszlig eine solche raquolokalelaquo Herausforderung allerdingsvom globalen Dorf Oberammergau herruumlhren wird ist eher unwahrscheinlich Viel eher duumlrftesie wohl von den tatsaumlchlichen raquoDoumlrfernlaquo des globalen Raum ausgehen dort wo die Fixierungauf den Ort das u-topische Beduumlrfnis seiner Uumlberwindung erzeugt

ANMERKUNGEN

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 14

zu umgreifen weshalb die raumlumliche Betrachtungsweise die historische notwendig ergaumlnzen muumlsse(vgl La production de lrsquoespace)

6 Eine Ausnahme bilden hier allerdings die raquovirtuellenlaquo Welten der Vergnuumlgungsparks wie raquoDisneyWorldlaquo oder Kunstlandschaften wie das raquoProjekt Edenlaquo

7 Die hyperreale Simulation steht damit im expliziten Gegensatz zum Symbolischen (und Meta-phorischen) das weniger das Reale verdoppelt als Vielmehr eine (u-topische) Alternative darstellt(vgl ders Der symbolische Tausch und der Tod sowie im Uumlberblick Jain Medien der AnschuungS 122ndash133)

8 Foucault versteht unter Heterotopien raquowirkliche Orte wirksame Orte die in die Einrichtung derGesellschaft hineingezeichnet sind sozusagen Gegenplazierungen und Widerlager tatsaumlchlich realisierteUtopien in denen die wirklichen Plaumltze innerhalb der Kultur gleichzeitig repraumlsentiert bestrittenund gewendet sind gewissermaszligen Orte auszligerhalb aller Orte wiewohl sie tatsaumlchlich geortet werdenkoumlnnenlaquo (Andere Raumlume S 68) Dabei unterscheidet er zwischen Krisenheterotopien (besondereRaumlume fuumlr Menschen in einer besonderen Lage) Abweichungsheterotopien (wo das Abweichendeinterniert wird) lllusionsheterotopien (die einen illusionaumlren Raum darstellen so daszlig der Eintrittin diesen Raum tatsaumlchlich ein Verlassen des Raumes ist) und Kompensationsheterotopien (die kom-pensatorisch auf begrenztem Raum ein Ideal in der defizitaumlren Realitaumlt verwirklichen)

9 Die imaginierten (Nicht-)Orte koumlnnen also auch nicht als Illusions- oder Kompensationheterotopiengelten denn sie sind nicht die begrenzte Wirklichkeit eines Traums oder illusionaumlrer Raum des Anderensie stehen nicht im Gegensatz zur Realitaumlt sondern verdoppeln diese in ihrem imaginierten Raum

10 Edward Said der diesen Begriff praumlgte bemerkt raquo[hellip] the Orient has helped to define Europe(or the West) as its contrasting image idea personality experience Yet none of this Orient is merelyimaginative The Orient is an integral part of European material civilization and culturelaquo (OrientalismS 2)

11 Um exakt zu sein 74 Der Rest antwortete raquoSchnitzereilaquo (8) raquoPassionsspiele und Schnitzereilaquo(3) raquoliegt in Bayernlaquo (2) raquoliegt in Oumlsterreichlaquo (2) raquoschon gehoumlrtlaquo (3) Nur 4 der Befragtenkannten den Ort nicht (vgl ebd)

12 Wohl kaum ein Zufall Ausgerechnet jenes Gaumlstebuch in das Hitler sich eingetragen hat istmerkwuumlrdigerweise verschwunden Fuumlr naumlhere Details zur NS-Geschichte und -Verstrickung derPassionsspiele und Oberammergau vgl auch Shapiro Oberammergau S 137-ndash186 sowie UtschneiderOberammergau im Dritten Reich insb S 100ndash109

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 15

LITERATUR

bull Anderson Benedict Die Erfindung der Nation ndash Zur Karriere eines erfolgreichen KonzeptsCampus FrankfurtNew York 1988

bull Appadurai Arjun Disjuncture and Difference in the Global Cultural Economy In FeatherstoneMike (Hg) Global Culture S 295ndash310

bull Augeacute Marc Orte und Nicht-Orte ndash Voruumlberlegungen zu einer Ethnologie der EinsamkeitS Fischer Verlag Frankfurt 1994

bull Baudrillard Jean Die fatalen Strategien Matthes amp Seitz Verlag Muumlnchen 1985bull Baudrillard Jean Die Simulation In Welsch Wolfgang (Hg) Wege aus der Moderne S

153ndash162bull Baudrillard Jean Der symbolische Tausch und der Tod Matthes amp Seitz Verlag Muumlnchen 1982

bull Bauman Zygmunt Liquid Modernity Polity Press Cambridge 2000bull Castells Manuel The Rise of the Network Society Blackwell CambridgeOxford 1996bull Certeau Michel de Kunst des Handelns Merve Verlag Berlin 1988bull Featherstone Mike (Hg) Global Culture ndash Nationalism Globalization and Modernity Sage

Publications LondonNewbury ParkNew Delhi 1995bull Featherstone MikeLash ScottRobertson Roland (Hg) Global Modernities Sage Publications

LondonNewbury ParkNew Delhi 1995bull Fink RomanSchwarzer Horst Die ewige Passion ndash Phaumlnomen Oberammergau Econ Verlag

DuumlsseldorfWien 1970bull Foucault Michael Andere Raumlume In Wentz Martin (Hg) Stadt-Raumlume S 65ndash72bull Frauenliste eVVerkehrs- und Reisebuumlro Oberammergau (Hg) Kunsthandwerk Oberam-

mergau Oberammergau 1999bull Giddens Anthony The Consequences of Modernity Stanford University Press Stanford

1990bull Groumlber Karl Alte Oberammergauer Hauskunst Rosenheimer Verlagshaus Rosenheim

1980bull Hardt MichaelNegri Antonio Empire Harvard University Press Cambridge 2000bull Heynold-Graefe Blida Oberammergauer Schnitzkunst Deutsches Verlagshaus Bong Muumlnchen

1950bull Holzheimer Gerd ua (Hg) Leiden schafft Passionen ndash Oberammergau und sein Spiel A1

Verlag Muumlnchen 2000bull Huyssen AndreasScherpe Klaus (Hg) Postmoderne ndash Zeichen eines kulturellen Wandels

Rowohlt Reinbek 1986

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 16

bull Jain Anil K Differences in Difference ndash A raquoCognitive Mappinglaquo of the Landscape of OthernessInternet httpwwwpower-xsnetjainpubdifferencesindifferencepdf

bull Jain Anil K Die raquoglobale Klasselaquo ndash Die Verfuumlgungsgewalt uumlber den (globalen) Raum alsneue Dimension der Klassenstrukturierung In Angermuumlller JohannesBunzmann Katharina-Rauch Christina (Hg) Reale Fiktionen fiktive Realitaumlten Lit Verlag Hamburg 2000 S 51ndash68sowie Internet httpwwwpower-xsnetjainpubglobaleklassepdf

bull Jain Anil K Medien der Anschauung ndash Theorie und Praxis der Metapher raquoedition fatallaquoMuumlnchen 2002 sowie Internet httpwwwedition-fataldeonlinebibisbn3935147066pdf

bull Jain Anil K Medien des Wandel ndash Transformationen der Oumlffentlichkeit Internet httpwwwpower-xsnetjainpubmediendeswandelspdf

bull Jain Anil K Politik in der (Post-)Moderne ndash Reflexiv-deflexive Modernisierung und die Diffusiondes Politischen raquoedition fatallaquo Muumlnchen 2000 sowie Internet httpwwwedition-fatalde-onlinebibisbn3935147007pdf

bull Jameson Fredric Zur Logik der Kultur in der Spaumltmoderne In Huyssen AndreasScherpeKlaus (Hg) Postmoderne S 45ndash102

bull Kerckhove Derrick de Jenseits des Globalen Dorfes ndash Infragestellung der OumlffentlichkeitIn Maresch Rudolf (Hg) Medien und Oumlffentlichkeit S 135ndash148

bull Koch LaurentiusBuchwieser AnneliesGrawe Frederic Franz Seraph Zwinck - Der Luumlftlmalervon Oberammergau Freundeskreis Pilatushaus Oberammergau 1986

bull Lefebvre Henri La production de lrsquoespace Anthropos Paris 1974bull Maresch Rudolf (Hg) Medien und Oumlffentlichkeit ndash Positionierungen Symptome Simula-

tionsbruumlche Klaus Boer Verlag Muumlnchen 1996bull Marx KarlEngels Friedrich Ausgewaumlhlte Werke Gondrom Verlag Bindlach 1987bull Marx KarlEngels Friedrich Manifest der Kommunistischen Partei In Dies Ausgewaumlhlte

Werke S 31ndash57bull McLuhan Marshall Understanding Media ndash The Extensions of Man McGraw-Hill New York

1964bull Oberammergau Tourismus (Hg) Oberammergau Oberammergau (keine Jahresangabe)bull Rifkin Jeremy The Age of Access ndash The New Culture of Hypercapitalism TarcherPutnam

New York 2000bull Rattelmuumlller Paul E Luumlftlmalerei in Oberbayern Suumlddeutscher Verlag Muumlnchen 1981bull Robertson Roland Glocalization ndash Time-Space and Homogeneity-Heterogeneity In Feather-

stone MikeLash ScottRobertson Roland (Hg) Global Modernities S 25ndash44bull Said Edward Orientalism Vintage Books New York 1978bull Sassen Saskia The Global City ndash New York London Tokyo Princeton University Press

Princeton 1991

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 17

bull Shapiro James Oberammergau ndash The Troubling Story of the Worldrsquos Most Famous PassionPlay Pantheon Books New York 2000

bull Utschneider Ludwig Oberammergau im Dritten Reich (1933ndash1945) Schriftenreihe desHistorischen Vereins Oberammergau 1999 eV Band 1 Oberammergau 2000

bull Wallerstein Immanuel The Modern World System ndash Capitalist Agriculture and the Originsof the European World Economy in the Sixteenth Century Academic Press New YorkLondon1974

bull Welsch Wolfgang (Hg) Wege aus der Moderne ndash Schluumlsseltexte der Postmoderne-DiskussionActa humaniora Weinheim 1987

bull Wentz Martin (Hg) Stadt-Raumlume Campus FrankfurtNew York 1991

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 18

Abbildung 1 Abbildung 2

Abbildung 3 Abbildung 4

Abbildung 5 (Quelle Werbeprospekt) Abbildung 6

ABBILDUNGEN

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 19

Abbildung 9 Abbildung 10

Abbildung 11 Abbildung 12

Abbildung 13 (Quelle Postkarten) Abbildung 14 (Quelle Postkarte)

Abbildung 7 Abbildung 8

INFORMATIONSBLATT

Autor(Innen) Anil K JainTitel Imaginierte (Nicht-)OrteUntertitel Ein Besuch im raquoglobalen Dorflaquo OberammergauJahr der Abfassung 2002VersionAktualisierungsdatum 04042006Originaler Download-Link httpwwwpower-xsnetjainpubimaginierteortepdfErste Druckveroumlffentlichung The Discourse of Sociological Practice Vol 6 No 12004

S 51ndash60 (Englische Version)

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ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 12

Geschmeiszliges und Gewimmels wirkelaquo (Pickert Hitlers Tischgespraumlche S 604f zitiert nachHolzheimer et al Leiden schafft Passion S 97)12

Lieber als an den Besucher Hitler erinnert man sich an so beruumlhmte Gaumlste wie Koumlnig LudwigII von Bayern Lady Churchil Eisenhower Henry Ford Thomas Mann Ferdinand de RothschildRabindranath Tagore Richard Wagner oder den Prince of Wales die Indikatoren fuumlr dieinternationale Bekanntheit des Oberammergauer Passionsspiels sind Insbesondere in denletzten Jahren hat es aufgrund dieser Internationalisierung auch Professionalisierungsbestrebungengegeben Obwohl die Darsteller sich noch immer aus den Dorfbewohnern rekrutieren alsoLaienspieler sind war der Spielleiter des Jahres 2000 (Szenen siehe Abb 13 u 14) ChristianStuumlckl ein versierten Theatermann der auch schon bei den Muumlnchner Kammerspielen inszenierte(vgl Holzheimer et al Leiden schafft Passion S 13f)

Um den Ansturm der touristischen Massen in den Festspieljahren bewaumlltigen zu koumlnnen muszligdas Festspielgebaumlude entsprechend groszlig dimensioniert sein Dabei wurde sogar auf die allgegen-waumlrtige Luumlftl-Romantik verzichtet Wir finden einen eher sachlich-modernen funktionalenZweck-Bau vor (siehe nochmals Abb 12) Finanziell sind die Passionsspiele regelmaumlszligig eingroszliger Erfolg die Einnahmen flieszligen in die Gemeindekasse und werden fuumlr touristische Infrastruk-turmaszlignahmen genutzt (vgl ebd S 247) Der Erfolg und die existentielle Wichtigkeit fuumlr denoumlrtlichen Tourismus sorgen uumlbrigens dafuumlr daszlig das Spiel eine staumlndige Streitquelle am Ortist raquoPassioniertlaquo gestritten wird beispielsweise uumlber die Spielleiterwahl und nicht zuletztBesetzungsfragen und dies auch mit basisdemokatischen Instrumenten wie dem Buumlrgerentscheid(vgl ebd S 250ndash273)

Angesichts dieser Omnipraumlsenz der Passionsspiele im oumlrtlichen Leben kann man den Eindruckgewinnen Nicht Oberammergau inszeniert die Passionsspiele sondern die Passionsspieleinszenieren Oberammergau Denn auch dieser (Nicht-)Ort ist zwar ein Ort an dem Lebenin den Wohnraumlumen und oumlffentlichen Plaumltzen raquotatsaumlchlichlaquo stattfindet allerdings ist es in weitenTeilen kein Leben fuumlr sich sondern zum Zweck der (hyperrealen) Inszenierung

B) WEGE IN DIE WIRKLICHKEIT

Die Passionsspiele sind also nicht nur eine Metapher des Ortes sondern vielmehr eine ArtBlaupause fuumlr Oberammergau das wie eine unwirkliche Kulisse ndash ausstaffiert mit froumlmmelndemSchnitzwerk und illusionaumlrer Luumlftlmalerei ndash fuumlr den Passionstourismus wirkt Wie koumlnnte dieser

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 13

1 Diese urbanen Knotenpunkte ndash die worauf Sassen hinweist selbst globalisierte und lokalisierteSub-Strukturen aufweisen ndash konstituieren eine subkutane Machtstruktur dh es gibt kein raumlumlichgeschlossenes Zentrum mehr Oder wie Hardt und Negri formulieren it is raquoa decentred and deterri-torialising apparatus of rule that progressively incorporates the entire global realm with its openexpanding frontierslaquo (Empire S XII)

2 Von Wallerstein dem Begruumlnder der Weltsystemtheorie stammt die Unterscheidung zwischenZentrum Peripherie und Semiperipherie

3 Marx und Engels haben die Globalisierung des Kapitals trotz ihrer Kritik an Kapitalismus undImperialismus wohl in ersterem Sinne gelesen denn sie bemerken zur historischen Rolle der Bourgeoisiedurchaus anerkennend raquoDie Bourgeoisie reiszligt durch die rasche Verbesserung aller Produktions-instrumente durch die unendlich erleichterten Kommunikationen alle auch die barbarischsten []Nationen in die Zivilisationlaquo (Ebd S 35)

4 Appadurai sieht darum auch das Denken in Kategrien von Peripherie und Zentrum als uumlberholtan Und neben moumlglichen Tendenzen eines nationalistischen oder fundamentalistischen Regressessieht er auch Raumlume im System der globalen Stroumlme entstehen die fuumlr progressive transnationaleAllianzen genutzt werden koumlnnen und die die individuellen Horizonte erweitern (vgl ebd S 308)

5 In aumlhnlicher Weise stellte uumlbrigens Henri Lefebvre bereits in den 1970er Jahren heraus daszlig dasUumlberleben des Kapitalismus aktuell entscheidend von seiner Faumlhigkeit abhaumlngt den (globalen) Raum

Ort der sich selbst in seiner fiktionalen Geschichte imaginierend gefangen haumllt in die Wirklichkeitdes 21 Jahrhunderts gefuumlhrt werden Oder ist Oberammergau in dieser Wirklichkeit vielleichtzu sehr verankert und muumlszligte es nicht vor ihr vielmehr bewahrt werden um (wieder) zu einemraquorealenlaquo einem wirk-lichen Ort zu werden

Mit der hyperrealen Inszenierung seiner Differenz ist der Passionsspielort Oberammergautatsaumlchlich in der Wirklichkeit der Globalisierung angekommen ndash und wird von ihr absorbiertDa es sich aber wie dargelegt um einen dialektischen Prozeszlig handelt ist nicht auszuschlieszligendaszlig die Prozesse der Lokalisierung die Dynamik der oumlkonomischen Globalisierung nicht nurfunktional ergaumlnzen sondern herausfordern Daszlig eine solche raquolokalelaquo Herausforderung allerdingsvom globalen Dorf Oberammergau herruumlhren wird ist eher unwahrscheinlich Viel eher duumlrftesie wohl von den tatsaumlchlichen raquoDoumlrfernlaquo des globalen Raum ausgehen dort wo die Fixierungauf den Ort das u-topische Beduumlrfnis seiner Uumlberwindung erzeugt

ANMERKUNGEN

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 14

zu umgreifen weshalb die raumlumliche Betrachtungsweise die historische notwendig ergaumlnzen muumlsse(vgl La production de lrsquoespace)

6 Eine Ausnahme bilden hier allerdings die raquovirtuellenlaquo Welten der Vergnuumlgungsparks wie raquoDisneyWorldlaquo oder Kunstlandschaften wie das raquoProjekt Edenlaquo

7 Die hyperreale Simulation steht damit im expliziten Gegensatz zum Symbolischen (und Meta-phorischen) das weniger das Reale verdoppelt als Vielmehr eine (u-topische) Alternative darstellt(vgl ders Der symbolische Tausch und der Tod sowie im Uumlberblick Jain Medien der AnschuungS 122ndash133)

8 Foucault versteht unter Heterotopien raquowirkliche Orte wirksame Orte die in die Einrichtung derGesellschaft hineingezeichnet sind sozusagen Gegenplazierungen und Widerlager tatsaumlchlich realisierteUtopien in denen die wirklichen Plaumltze innerhalb der Kultur gleichzeitig repraumlsentiert bestrittenund gewendet sind gewissermaszligen Orte auszligerhalb aller Orte wiewohl sie tatsaumlchlich geortet werdenkoumlnnenlaquo (Andere Raumlume S 68) Dabei unterscheidet er zwischen Krisenheterotopien (besondereRaumlume fuumlr Menschen in einer besonderen Lage) Abweichungsheterotopien (wo das Abweichendeinterniert wird) lllusionsheterotopien (die einen illusionaumlren Raum darstellen so daszlig der Eintrittin diesen Raum tatsaumlchlich ein Verlassen des Raumes ist) und Kompensationsheterotopien (die kom-pensatorisch auf begrenztem Raum ein Ideal in der defizitaumlren Realitaumlt verwirklichen)

9 Die imaginierten (Nicht-)Orte koumlnnen also auch nicht als Illusions- oder Kompensationheterotopiengelten denn sie sind nicht die begrenzte Wirklichkeit eines Traums oder illusionaumlrer Raum des Anderensie stehen nicht im Gegensatz zur Realitaumlt sondern verdoppeln diese in ihrem imaginierten Raum

10 Edward Said der diesen Begriff praumlgte bemerkt raquo[hellip] the Orient has helped to define Europe(or the West) as its contrasting image idea personality experience Yet none of this Orient is merelyimaginative The Orient is an integral part of European material civilization and culturelaquo (OrientalismS 2)

11 Um exakt zu sein 74 Der Rest antwortete raquoSchnitzereilaquo (8) raquoPassionsspiele und Schnitzereilaquo(3) raquoliegt in Bayernlaquo (2) raquoliegt in Oumlsterreichlaquo (2) raquoschon gehoumlrtlaquo (3) Nur 4 der Befragtenkannten den Ort nicht (vgl ebd)

12 Wohl kaum ein Zufall Ausgerechnet jenes Gaumlstebuch in das Hitler sich eingetragen hat istmerkwuumlrdigerweise verschwunden Fuumlr naumlhere Details zur NS-Geschichte und -Verstrickung derPassionsspiele und Oberammergau vgl auch Shapiro Oberammergau S 137-ndash186 sowie UtschneiderOberammergau im Dritten Reich insb S 100ndash109

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 15

LITERATUR

bull Anderson Benedict Die Erfindung der Nation ndash Zur Karriere eines erfolgreichen KonzeptsCampus FrankfurtNew York 1988

bull Appadurai Arjun Disjuncture and Difference in the Global Cultural Economy In FeatherstoneMike (Hg) Global Culture S 295ndash310

bull Augeacute Marc Orte und Nicht-Orte ndash Voruumlberlegungen zu einer Ethnologie der EinsamkeitS Fischer Verlag Frankfurt 1994

bull Baudrillard Jean Die fatalen Strategien Matthes amp Seitz Verlag Muumlnchen 1985bull Baudrillard Jean Die Simulation In Welsch Wolfgang (Hg) Wege aus der Moderne S

153ndash162bull Baudrillard Jean Der symbolische Tausch und der Tod Matthes amp Seitz Verlag Muumlnchen 1982

bull Bauman Zygmunt Liquid Modernity Polity Press Cambridge 2000bull Castells Manuel The Rise of the Network Society Blackwell CambridgeOxford 1996bull Certeau Michel de Kunst des Handelns Merve Verlag Berlin 1988bull Featherstone Mike (Hg) Global Culture ndash Nationalism Globalization and Modernity Sage

Publications LondonNewbury ParkNew Delhi 1995bull Featherstone MikeLash ScottRobertson Roland (Hg) Global Modernities Sage Publications

LondonNewbury ParkNew Delhi 1995bull Fink RomanSchwarzer Horst Die ewige Passion ndash Phaumlnomen Oberammergau Econ Verlag

DuumlsseldorfWien 1970bull Foucault Michael Andere Raumlume In Wentz Martin (Hg) Stadt-Raumlume S 65ndash72bull Frauenliste eVVerkehrs- und Reisebuumlro Oberammergau (Hg) Kunsthandwerk Oberam-

mergau Oberammergau 1999bull Giddens Anthony The Consequences of Modernity Stanford University Press Stanford

1990bull Groumlber Karl Alte Oberammergauer Hauskunst Rosenheimer Verlagshaus Rosenheim

1980bull Hardt MichaelNegri Antonio Empire Harvard University Press Cambridge 2000bull Heynold-Graefe Blida Oberammergauer Schnitzkunst Deutsches Verlagshaus Bong Muumlnchen

1950bull Holzheimer Gerd ua (Hg) Leiden schafft Passionen ndash Oberammergau und sein Spiel A1

Verlag Muumlnchen 2000bull Huyssen AndreasScherpe Klaus (Hg) Postmoderne ndash Zeichen eines kulturellen Wandels

Rowohlt Reinbek 1986

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 16

bull Jain Anil K Differences in Difference ndash A raquoCognitive Mappinglaquo of the Landscape of OthernessInternet httpwwwpower-xsnetjainpubdifferencesindifferencepdf

bull Jain Anil K Die raquoglobale Klasselaquo ndash Die Verfuumlgungsgewalt uumlber den (globalen) Raum alsneue Dimension der Klassenstrukturierung In Angermuumlller JohannesBunzmann Katharina-Rauch Christina (Hg) Reale Fiktionen fiktive Realitaumlten Lit Verlag Hamburg 2000 S 51ndash68sowie Internet httpwwwpower-xsnetjainpubglobaleklassepdf

bull Jain Anil K Medien der Anschauung ndash Theorie und Praxis der Metapher raquoedition fatallaquoMuumlnchen 2002 sowie Internet httpwwwedition-fataldeonlinebibisbn3935147066pdf

bull Jain Anil K Medien des Wandel ndash Transformationen der Oumlffentlichkeit Internet httpwwwpower-xsnetjainpubmediendeswandelspdf

bull Jain Anil K Politik in der (Post-)Moderne ndash Reflexiv-deflexive Modernisierung und die Diffusiondes Politischen raquoedition fatallaquo Muumlnchen 2000 sowie Internet httpwwwedition-fatalde-onlinebibisbn3935147007pdf

bull Jameson Fredric Zur Logik der Kultur in der Spaumltmoderne In Huyssen AndreasScherpeKlaus (Hg) Postmoderne S 45ndash102

bull Kerckhove Derrick de Jenseits des Globalen Dorfes ndash Infragestellung der OumlffentlichkeitIn Maresch Rudolf (Hg) Medien und Oumlffentlichkeit S 135ndash148

bull Koch LaurentiusBuchwieser AnneliesGrawe Frederic Franz Seraph Zwinck - Der Luumlftlmalervon Oberammergau Freundeskreis Pilatushaus Oberammergau 1986

bull Lefebvre Henri La production de lrsquoespace Anthropos Paris 1974bull Maresch Rudolf (Hg) Medien und Oumlffentlichkeit ndash Positionierungen Symptome Simula-

tionsbruumlche Klaus Boer Verlag Muumlnchen 1996bull Marx KarlEngels Friedrich Ausgewaumlhlte Werke Gondrom Verlag Bindlach 1987bull Marx KarlEngels Friedrich Manifest der Kommunistischen Partei In Dies Ausgewaumlhlte

Werke S 31ndash57bull McLuhan Marshall Understanding Media ndash The Extensions of Man McGraw-Hill New York

1964bull Oberammergau Tourismus (Hg) Oberammergau Oberammergau (keine Jahresangabe)bull Rifkin Jeremy The Age of Access ndash The New Culture of Hypercapitalism TarcherPutnam

New York 2000bull Rattelmuumlller Paul E Luumlftlmalerei in Oberbayern Suumlddeutscher Verlag Muumlnchen 1981bull Robertson Roland Glocalization ndash Time-Space and Homogeneity-Heterogeneity In Feather-

stone MikeLash ScottRobertson Roland (Hg) Global Modernities S 25ndash44bull Said Edward Orientalism Vintage Books New York 1978bull Sassen Saskia The Global City ndash New York London Tokyo Princeton University Press

Princeton 1991

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 17

bull Shapiro James Oberammergau ndash The Troubling Story of the Worldrsquos Most Famous PassionPlay Pantheon Books New York 2000

bull Utschneider Ludwig Oberammergau im Dritten Reich (1933ndash1945) Schriftenreihe desHistorischen Vereins Oberammergau 1999 eV Band 1 Oberammergau 2000

bull Wallerstein Immanuel The Modern World System ndash Capitalist Agriculture and the Originsof the European World Economy in the Sixteenth Century Academic Press New YorkLondon1974

bull Welsch Wolfgang (Hg) Wege aus der Moderne ndash Schluumlsseltexte der Postmoderne-DiskussionActa humaniora Weinheim 1987

bull Wentz Martin (Hg) Stadt-Raumlume Campus FrankfurtNew York 1991

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 18

Abbildung 1 Abbildung 2

Abbildung 3 Abbildung 4

Abbildung 5 (Quelle Werbeprospekt) Abbildung 6

ABBILDUNGEN

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 19

Abbildung 9 Abbildung 10

Abbildung 11 Abbildung 12

Abbildung 13 (Quelle Postkarten) Abbildung 14 (Quelle Postkarte)

Abbildung 7 Abbildung 8

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Autor(Innen) Anil K JainTitel Imaginierte (Nicht-)OrteUntertitel Ein Besuch im raquoglobalen Dorflaquo OberammergauJahr der Abfassung 2002VersionAktualisierungsdatum 04042006Originaler Download-Link httpwwwpower-xsnetjainpubimaginierteortepdfErste Druckveroumlffentlichung The Discourse of Sociological Practice Vol 6 No 12004

S 51ndash60 (Englische Version)

Wer Passagen dieses Textes zitieren will moumlchte bitte auch falls eine Druckveroumlffentlichungvorhanden sein sollte die PDF-Version als Grundlage verwenden (VersionAktualisierungsdatumangeben) da die PDF-Version umfangreicher undoder aktualisiert und korrigiert sein koumlnnte

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strengstens untersagt Als kommerzielle Verwendung gilt jegliche Art der Publikation und Redistribution die die Erhebung

von Gebuumlhren irgendwelcher Art oder die Zahlung von Geld (oder Geld-Aumlquivalenten) impliziert undoder zu

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Autorenschaft und falls zutreffend uumlber bestehende Druckveroumlffentlichungen duumlrfen nicht entfernt oder veraumlndert

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1 Diese urbanen Knotenpunkte ndash die worauf Sassen hinweist selbst globalisierte und lokalisierteSub-Strukturen aufweisen ndash konstituieren eine subkutane Machtstruktur dh es gibt kein raumlumlichgeschlossenes Zentrum mehr Oder wie Hardt und Negri formulieren it is raquoa decentred and deterri-torialising apparatus of rule that progressively incorporates the entire global realm with its openexpanding frontierslaquo (Empire S XII)

2 Von Wallerstein dem Begruumlnder der Weltsystemtheorie stammt die Unterscheidung zwischenZentrum Peripherie und Semiperipherie

3 Marx und Engels haben die Globalisierung des Kapitals trotz ihrer Kritik an Kapitalismus undImperialismus wohl in ersterem Sinne gelesen denn sie bemerken zur historischen Rolle der Bourgeoisiedurchaus anerkennend raquoDie Bourgeoisie reiszligt durch die rasche Verbesserung aller Produktions-instrumente durch die unendlich erleichterten Kommunikationen alle auch die barbarischsten []Nationen in die Zivilisationlaquo (Ebd S 35)

4 Appadurai sieht darum auch das Denken in Kategrien von Peripherie und Zentrum als uumlberholtan Und neben moumlglichen Tendenzen eines nationalistischen oder fundamentalistischen Regressessieht er auch Raumlume im System der globalen Stroumlme entstehen die fuumlr progressive transnationaleAllianzen genutzt werden koumlnnen und die die individuellen Horizonte erweitern (vgl ebd S 308)

5 In aumlhnlicher Weise stellte uumlbrigens Henri Lefebvre bereits in den 1970er Jahren heraus daszlig dasUumlberleben des Kapitalismus aktuell entscheidend von seiner Faumlhigkeit abhaumlngt den (globalen) Raum

Ort der sich selbst in seiner fiktionalen Geschichte imaginierend gefangen haumllt in die Wirklichkeitdes 21 Jahrhunderts gefuumlhrt werden Oder ist Oberammergau in dieser Wirklichkeit vielleichtzu sehr verankert und muumlszligte es nicht vor ihr vielmehr bewahrt werden um (wieder) zu einemraquorealenlaquo einem wirk-lichen Ort zu werden

Mit der hyperrealen Inszenierung seiner Differenz ist der Passionsspielort Oberammergautatsaumlchlich in der Wirklichkeit der Globalisierung angekommen ndash und wird von ihr absorbiertDa es sich aber wie dargelegt um einen dialektischen Prozeszlig handelt ist nicht auszuschlieszligendaszlig die Prozesse der Lokalisierung die Dynamik der oumlkonomischen Globalisierung nicht nurfunktional ergaumlnzen sondern herausfordern Daszlig eine solche raquolokalelaquo Herausforderung allerdingsvom globalen Dorf Oberammergau herruumlhren wird ist eher unwahrscheinlich Viel eher duumlrftesie wohl von den tatsaumlchlichen raquoDoumlrfernlaquo des globalen Raum ausgehen dort wo die Fixierungauf den Ort das u-topische Beduumlrfnis seiner Uumlberwindung erzeugt

ANMERKUNGEN

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 14

zu umgreifen weshalb die raumlumliche Betrachtungsweise die historische notwendig ergaumlnzen muumlsse(vgl La production de lrsquoespace)

6 Eine Ausnahme bilden hier allerdings die raquovirtuellenlaquo Welten der Vergnuumlgungsparks wie raquoDisneyWorldlaquo oder Kunstlandschaften wie das raquoProjekt Edenlaquo

7 Die hyperreale Simulation steht damit im expliziten Gegensatz zum Symbolischen (und Meta-phorischen) das weniger das Reale verdoppelt als Vielmehr eine (u-topische) Alternative darstellt(vgl ders Der symbolische Tausch und der Tod sowie im Uumlberblick Jain Medien der AnschuungS 122ndash133)

8 Foucault versteht unter Heterotopien raquowirkliche Orte wirksame Orte die in die Einrichtung derGesellschaft hineingezeichnet sind sozusagen Gegenplazierungen und Widerlager tatsaumlchlich realisierteUtopien in denen die wirklichen Plaumltze innerhalb der Kultur gleichzeitig repraumlsentiert bestrittenund gewendet sind gewissermaszligen Orte auszligerhalb aller Orte wiewohl sie tatsaumlchlich geortet werdenkoumlnnenlaquo (Andere Raumlume S 68) Dabei unterscheidet er zwischen Krisenheterotopien (besondereRaumlume fuumlr Menschen in einer besonderen Lage) Abweichungsheterotopien (wo das Abweichendeinterniert wird) lllusionsheterotopien (die einen illusionaumlren Raum darstellen so daszlig der Eintrittin diesen Raum tatsaumlchlich ein Verlassen des Raumes ist) und Kompensationsheterotopien (die kom-pensatorisch auf begrenztem Raum ein Ideal in der defizitaumlren Realitaumlt verwirklichen)

9 Die imaginierten (Nicht-)Orte koumlnnen also auch nicht als Illusions- oder Kompensationheterotopiengelten denn sie sind nicht die begrenzte Wirklichkeit eines Traums oder illusionaumlrer Raum des Anderensie stehen nicht im Gegensatz zur Realitaumlt sondern verdoppeln diese in ihrem imaginierten Raum

10 Edward Said der diesen Begriff praumlgte bemerkt raquo[hellip] the Orient has helped to define Europe(or the West) as its contrasting image idea personality experience Yet none of this Orient is merelyimaginative The Orient is an integral part of European material civilization and culturelaquo (OrientalismS 2)

11 Um exakt zu sein 74 Der Rest antwortete raquoSchnitzereilaquo (8) raquoPassionsspiele und Schnitzereilaquo(3) raquoliegt in Bayernlaquo (2) raquoliegt in Oumlsterreichlaquo (2) raquoschon gehoumlrtlaquo (3) Nur 4 der Befragtenkannten den Ort nicht (vgl ebd)

12 Wohl kaum ein Zufall Ausgerechnet jenes Gaumlstebuch in das Hitler sich eingetragen hat istmerkwuumlrdigerweise verschwunden Fuumlr naumlhere Details zur NS-Geschichte und -Verstrickung derPassionsspiele und Oberammergau vgl auch Shapiro Oberammergau S 137-ndash186 sowie UtschneiderOberammergau im Dritten Reich insb S 100ndash109

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 15

LITERATUR

bull Anderson Benedict Die Erfindung der Nation ndash Zur Karriere eines erfolgreichen KonzeptsCampus FrankfurtNew York 1988

bull Appadurai Arjun Disjuncture and Difference in the Global Cultural Economy In FeatherstoneMike (Hg) Global Culture S 295ndash310

bull Augeacute Marc Orte und Nicht-Orte ndash Voruumlberlegungen zu einer Ethnologie der EinsamkeitS Fischer Verlag Frankfurt 1994

bull Baudrillard Jean Die fatalen Strategien Matthes amp Seitz Verlag Muumlnchen 1985bull Baudrillard Jean Die Simulation In Welsch Wolfgang (Hg) Wege aus der Moderne S

153ndash162bull Baudrillard Jean Der symbolische Tausch und der Tod Matthes amp Seitz Verlag Muumlnchen 1982

bull Bauman Zygmunt Liquid Modernity Polity Press Cambridge 2000bull Castells Manuel The Rise of the Network Society Blackwell CambridgeOxford 1996bull Certeau Michel de Kunst des Handelns Merve Verlag Berlin 1988bull Featherstone Mike (Hg) Global Culture ndash Nationalism Globalization and Modernity Sage

Publications LondonNewbury ParkNew Delhi 1995bull Featherstone MikeLash ScottRobertson Roland (Hg) Global Modernities Sage Publications

LondonNewbury ParkNew Delhi 1995bull Fink RomanSchwarzer Horst Die ewige Passion ndash Phaumlnomen Oberammergau Econ Verlag

DuumlsseldorfWien 1970bull Foucault Michael Andere Raumlume In Wentz Martin (Hg) Stadt-Raumlume S 65ndash72bull Frauenliste eVVerkehrs- und Reisebuumlro Oberammergau (Hg) Kunsthandwerk Oberam-

mergau Oberammergau 1999bull Giddens Anthony The Consequences of Modernity Stanford University Press Stanford

1990bull Groumlber Karl Alte Oberammergauer Hauskunst Rosenheimer Verlagshaus Rosenheim

1980bull Hardt MichaelNegri Antonio Empire Harvard University Press Cambridge 2000bull Heynold-Graefe Blida Oberammergauer Schnitzkunst Deutsches Verlagshaus Bong Muumlnchen

1950bull Holzheimer Gerd ua (Hg) Leiden schafft Passionen ndash Oberammergau und sein Spiel A1

Verlag Muumlnchen 2000bull Huyssen AndreasScherpe Klaus (Hg) Postmoderne ndash Zeichen eines kulturellen Wandels

Rowohlt Reinbek 1986

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bull Jain Anil K Differences in Difference ndash A raquoCognitive Mappinglaquo of the Landscape of OthernessInternet httpwwwpower-xsnetjainpubdifferencesindifferencepdf

bull Jain Anil K Die raquoglobale Klasselaquo ndash Die Verfuumlgungsgewalt uumlber den (globalen) Raum alsneue Dimension der Klassenstrukturierung In Angermuumlller JohannesBunzmann Katharina-Rauch Christina (Hg) Reale Fiktionen fiktive Realitaumlten Lit Verlag Hamburg 2000 S 51ndash68sowie Internet httpwwwpower-xsnetjainpubglobaleklassepdf

bull Jain Anil K Medien der Anschauung ndash Theorie und Praxis der Metapher raquoedition fatallaquoMuumlnchen 2002 sowie Internet httpwwwedition-fataldeonlinebibisbn3935147066pdf

bull Jain Anil K Medien des Wandel ndash Transformationen der Oumlffentlichkeit Internet httpwwwpower-xsnetjainpubmediendeswandelspdf

bull Jain Anil K Politik in der (Post-)Moderne ndash Reflexiv-deflexive Modernisierung und die Diffusiondes Politischen raquoedition fatallaquo Muumlnchen 2000 sowie Internet httpwwwedition-fatalde-onlinebibisbn3935147007pdf

bull Jameson Fredric Zur Logik der Kultur in der Spaumltmoderne In Huyssen AndreasScherpeKlaus (Hg) Postmoderne S 45ndash102

bull Kerckhove Derrick de Jenseits des Globalen Dorfes ndash Infragestellung der OumlffentlichkeitIn Maresch Rudolf (Hg) Medien und Oumlffentlichkeit S 135ndash148

bull Koch LaurentiusBuchwieser AnneliesGrawe Frederic Franz Seraph Zwinck - Der Luumlftlmalervon Oberammergau Freundeskreis Pilatushaus Oberammergau 1986

bull Lefebvre Henri La production de lrsquoespace Anthropos Paris 1974bull Maresch Rudolf (Hg) Medien und Oumlffentlichkeit ndash Positionierungen Symptome Simula-

tionsbruumlche Klaus Boer Verlag Muumlnchen 1996bull Marx KarlEngels Friedrich Ausgewaumlhlte Werke Gondrom Verlag Bindlach 1987bull Marx KarlEngels Friedrich Manifest der Kommunistischen Partei In Dies Ausgewaumlhlte

Werke S 31ndash57bull McLuhan Marshall Understanding Media ndash The Extensions of Man McGraw-Hill New York

1964bull Oberammergau Tourismus (Hg) Oberammergau Oberammergau (keine Jahresangabe)bull Rifkin Jeremy The Age of Access ndash The New Culture of Hypercapitalism TarcherPutnam

New York 2000bull Rattelmuumlller Paul E Luumlftlmalerei in Oberbayern Suumlddeutscher Verlag Muumlnchen 1981bull Robertson Roland Glocalization ndash Time-Space and Homogeneity-Heterogeneity In Feather-

stone MikeLash ScottRobertson Roland (Hg) Global Modernities S 25ndash44bull Said Edward Orientalism Vintage Books New York 1978bull Sassen Saskia The Global City ndash New York London Tokyo Princeton University Press

Princeton 1991

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 17

bull Shapiro James Oberammergau ndash The Troubling Story of the Worldrsquos Most Famous PassionPlay Pantheon Books New York 2000

bull Utschneider Ludwig Oberammergau im Dritten Reich (1933ndash1945) Schriftenreihe desHistorischen Vereins Oberammergau 1999 eV Band 1 Oberammergau 2000

bull Wallerstein Immanuel The Modern World System ndash Capitalist Agriculture and the Originsof the European World Economy in the Sixteenth Century Academic Press New YorkLondon1974

bull Welsch Wolfgang (Hg) Wege aus der Moderne ndash Schluumlsseltexte der Postmoderne-DiskussionActa humaniora Weinheim 1987

bull Wentz Martin (Hg) Stadt-Raumlume Campus FrankfurtNew York 1991

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Autor(Innen) Anil K JainTitel Imaginierte (Nicht-)OrteUntertitel Ein Besuch im raquoglobalen Dorflaquo OberammergauJahr der Abfassung 2002VersionAktualisierungsdatum 04042006Originaler Download-Link httpwwwpower-xsnetjainpubimaginierteortepdfErste Druckveroumlffentlichung The Discourse of Sociological Practice Vol 6 No 12004

S 51ndash60 (Englische Version)

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zu umgreifen weshalb die raumlumliche Betrachtungsweise die historische notwendig ergaumlnzen muumlsse(vgl La production de lrsquoespace)

6 Eine Ausnahme bilden hier allerdings die raquovirtuellenlaquo Welten der Vergnuumlgungsparks wie raquoDisneyWorldlaquo oder Kunstlandschaften wie das raquoProjekt Edenlaquo

7 Die hyperreale Simulation steht damit im expliziten Gegensatz zum Symbolischen (und Meta-phorischen) das weniger das Reale verdoppelt als Vielmehr eine (u-topische) Alternative darstellt(vgl ders Der symbolische Tausch und der Tod sowie im Uumlberblick Jain Medien der AnschuungS 122ndash133)

8 Foucault versteht unter Heterotopien raquowirkliche Orte wirksame Orte die in die Einrichtung derGesellschaft hineingezeichnet sind sozusagen Gegenplazierungen und Widerlager tatsaumlchlich realisierteUtopien in denen die wirklichen Plaumltze innerhalb der Kultur gleichzeitig repraumlsentiert bestrittenund gewendet sind gewissermaszligen Orte auszligerhalb aller Orte wiewohl sie tatsaumlchlich geortet werdenkoumlnnenlaquo (Andere Raumlume S 68) Dabei unterscheidet er zwischen Krisenheterotopien (besondereRaumlume fuumlr Menschen in einer besonderen Lage) Abweichungsheterotopien (wo das Abweichendeinterniert wird) lllusionsheterotopien (die einen illusionaumlren Raum darstellen so daszlig der Eintrittin diesen Raum tatsaumlchlich ein Verlassen des Raumes ist) und Kompensationsheterotopien (die kom-pensatorisch auf begrenztem Raum ein Ideal in der defizitaumlren Realitaumlt verwirklichen)

9 Die imaginierten (Nicht-)Orte koumlnnen also auch nicht als Illusions- oder Kompensationheterotopiengelten denn sie sind nicht die begrenzte Wirklichkeit eines Traums oder illusionaumlrer Raum des Anderensie stehen nicht im Gegensatz zur Realitaumlt sondern verdoppeln diese in ihrem imaginierten Raum

10 Edward Said der diesen Begriff praumlgte bemerkt raquo[hellip] the Orient has helped to define Europe(or the West) as its contrasting image idea personality experience Yet none of this Orient is merelyimaginative The Orient is an integral part of European material civilization and culturelaquo (OrientalismS 2)

11 Um exakt zu sein 74 Der Rest antwortete raquoSchnitzereilaquo (8) raquoPassionsspiele und Schnitzereilaquo(3) raquoliegt in Bayernlaquo (2) raquoliegt in Oumlsterreichlaquo (2) raquoschon gehoumlrtlaquo (3) Nur 4 der Befragtenkannten den Ort nicht (vgl ebd)

12 Wohl kaum ein Zufall Ausgerechnet jenes Gaumlstebuch in das Hitler sich eingetragen hat istmerkwuumlrdigerweise verschwunden Fuumlr naumlhere Details zur NS-Geschichte und -Verstrickung derPassionsspiele und Oberammergau vgl auch Shapiro Oberammergau S 137-ndash186 sowie UtschneiderOberammergau im Dritten Reich insb S 100ndash109

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LITERATUR

bull Anderson Benedict Die Erfindung der Nation ndash Zur Karriere eines erfolgreichen KonzeptsCampus FrankfurtNew York 1988

bull Appadurai Arjun Disjuncture and Difference in the Global Cultural Economy In FeatherstoneMike (Hg) Global Culture S 295ndash310

bull Augeacute Marc Orte und Nicht-Orte ndash Voruumlberlegungen zu einer Ethnologie der EinsamkeitS Fischer Verlag Frankfurt 1994

bull Baudrillard Jean Die fatalen Strategien Matthes amp Seitz Verlag Muumlnchen 1985bull Baudrillard Jean Die Simulation In Welsch Wolfgang (Hg) Wege aus der Moderne S

153ndash162bull Baudrillard Jean Der symbolische Tausch und der Tod Matthes amp Seitz Verlag Muumlnchen 1982

bull Bauman Zygmunt Liquid Modernity Polity Press Cambridge 2000bull Castells Manuel The Rise of the Network Society Blackwell CambridgeOxford 1996bull Certeau Michel de Kunst des Handelns Merve Verlag Berlin 1988bull Featherstone Mike (Hg) Global Culture ndash Nationalism Globalization and Modernity Sage

Publications LondonNewbury ParkNew Delhi 1995bull Featherstone MikeLash ScottRobertson Roland (Hg) Global Modernities Sage Publications

LondonNewbury ParkNew Delhi 1995bull Fink RomanSchwarzer Horst Die ewige Passion ndash Phaumlnomen Oberammergau Econ Verlag

DuumlsseldorfWien 1970bull Foucault Michael Andere Raumlume In Wentz Martin (Hg) Stadt-Raumlume S 65ndash72bull Frauenliste eVVerkehrs- und Reisebuumlro Oberammergau (Hg) Kunsthandwerk Oberam-

mergau Oberammergau 1999bull Giddens Anthony The Consequences of Modernity Stanford University Press Stanford

1990bull Groumlber Karl Alte Oberammergauer Hauskunst Rosenheimer Verlagshaus Rosenheim

1980bull Hardt MichaelNegri Antonio Empire Harvard University Press Cambridge 2000bull Heynold-Graefe Blida Oberammergauer Schnitzkunst Deutsches Verlagshaus Bong Muumlnchen

1950bull Holzheimer Gerd ua (Hg) Leiden schafft Passionen ndash Oberammergau und sein Spiel A1

Verlag Muumlnchen 2000bull Huyssen AndreasScherpe Klaus (Hg) Postmoderne ndash Zeichen eines kulturellen Wandels

Rowohlt Reinbek 1986

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 16

bull Jain Anil K Differences in Difference ndash A raquoCognitive Mappinglaquo of the Landscape of OthernessInternet httpwwwpower-xsnetjainpubdifferencesindifferencepdf

bull Jain Anil K Die raquoglobale Klasselaquo ndash Die Verfuumlgungsgewalt uumlber den (globalen) Raum alsneue Dimension der Klassenstrukturierung In Angermuumlller JohannesBunzmann Katharina-Rauch Christina (Hg) Reale Fiktionen fiktive Realitaumlten Lit Verlag Hamburg 2000 S 51ndash68sowie Internet httpwwwpower-xsnetjainpubglobaleklassepdf

bull Jain Anil K Medien der Anschauung ndash Theorie und Praxis der Metapher raquoedition fatallaquoMuumlnchen 2002 sowie Internet httpwwwedition-fataldeonlinebibisbn3935147066pdf

bull Jain Anil K Medien des Wandel ndash Transformationen der Oumlffentlichkeit Internet httpwwwpower-xsnetjainpubmediendeswandelspdf

bull Jain Anil K Politik in der (Post-)Moderne ndash Reflexiv-deflexive Modernisierung und die Diffusiondes Politischen raquoedition fatallaquo Muumlnchen 2000 sowie Internet httpwwwedition-fatalde-onlinebibisbn3935147007pdf

bull Jameson Fredric Zur Logik der Kultur in der Spaumltmoderne In Huyssen AndreasScherpeKlaus (Hg) Postmoderne S 45ndash102

bull Kerckhove Derrick de Jenseits des Globalen Dorfes ndash Infragestellung der OumlffentlichkeitIn Maresch Rudolf (Hg) Medien und Oumlffentlichkeit S 135ndash148

bull Koch LaurentiusBuchwieser AnneliesGrawe Frederic Franz Seraph Zwinck - Der Luumlftlmalervon Oberammergau Freundeskreis Pilatushaus Oberammergau 1986

bull Lefebvre Henri La production de lrsquoespace Anthropos Paris 1974bull Maresch Rudolf (Hg) Medien und Oumlffentlichkeit ndash Positionierungen Symptome Simula-

tionsbruumlche Klaus Boer Verlag Muumlnchen 1996bull Marx KarlEngels Friedrich Ausgewaumlhlte Werke Gondrom Verlag Bindlach 1987bull Marx KarlEngels Friedrich Manifest der Kommunistischen Partei In Dies Ausgewaumlhlte

Werke S 31ndash57bull McLuhan Marshall Understanding Media ndash The Extensions of Man McGraw-Hill New York

1964bull Oberammergau Tourismus (Hg) Oberammergau Oberammergau (keine Jahresangabe)bull Rifkin Jeremy The Age of Access ndash The New Culture of Hypercapitalism TarcherPutnam

New York 2000bull Rattelmuumlller Paul E Luumlftlmalerei in Oberbayern Suumlddeutscher Verlag Muumlnchen 1981bull Robertson Roland Glocalization ndash Time-Space and Homogeneity-Heterogeneity In Feather-

stone MikeLash ScottRobertson Roland (Hg) Global Modernities S 25ndash44bull Said Edward Orientalism Vintage Books New York 1978bull Sassen Saskia The Global City ndash New York London Tokyo Princeton University Press

Princeton 1991

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 17

bull Shapiro James Oberammergau ndash The Troubling Story of the Worldrsquos Most Famous PassionPlay Pantheon Books New York 2000

bull Utschneider Ludwig Oberammergau im Dritten Reich (1933ndash1945) Schriftenreihe desHistorischen Vereins Oberammergau 1999 eV Band 1 Oberammergau 2000

bull Wallerstein Immanuel The Modern World System ndash Capitalist Agriculture and the Originsof the European World Economy in the Sixteenth Century Academic Press New YorkLondon1974

bull Welsch Wolfgang (Hg) Wege aus der Moderne ndash Schluumlsseltexte der Postmoderne-DiskussionActa humaniora Weinheim 1987

bull Wentz Martin (Hg) Stadt-Raumlume Campus FrankfurtNew York 1991

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bull Anderson Benedict Die Erfindung der Nation ndash Zur Karriere eines erfolgreichen KonzeptsCampus FrankfurtNew York 1988

bull Appadurai Arjun Disjuncture and Difference in the Global Cultural Economy In FeatherstoneMike (Hg) Global Culture S 295ndash310

bull Augeacute Marc Orte und Nicht-Orte ndash Voruumlberlegungen zu einer Ethnologie der EinsamkeitS Fischer Verlag Frankfurt 1994

bull Baudrillard Jean Die fatalen Strategien Matthes amp Seitz Verlag Muumlnchen 1985bull Baudrillard Jean Die Simulation In Welsch Wolfgang (Hg) Wege aus der Moderne S

153ndash162bull Baudrillard Jean Der symbolische Tausch und der Tod Matthes amp Seitz Verlag Muumlnchen 1982

bull Bauman Zygmunt Liquid Modernity Polity Press Cambridge 2000bull Castells Manuel The Rise of the Network Society Blackwell CambridgeOxford 1996bull Certeau Michel de Kunst des Handelns Merve Verlag Berlin 1988bull Featherstone Mike (Hg) Global Culture ndash Nationalism Globalization and Modernity Sage

Publications LondonNewbury ParkNew Delhi 1995bull Featherstone MikeLash ScottRobertson Roland (Hg) Global Modernities Sage Publications

LondonNewbury ParkNew Delhi 1995bull Fink RomanSchwarzer Horst Die ewige Passion ndash Phaumlnomen Oberammergau Econ Verlag

DuumlsseldorfWien 1970bull Foucault Michael Andere Raumlume In Wentz Martin (Hg) Stadt-Raumlume S 65ndash72bull Frauenliste eVVerkehrs- und Reisebuumlro Oberammergau (Hg) Kunsthandwerk Oberam-

mergau Oberammergau 1999bull Giddens Anthony The Consequences of Modernity Stanford University Press Stanford

1990bull Groumlber Karl Alte Oberammergauer Hauskunst Rosenheimer Verlagshaus Rosenheim

1980bull Hardt MichaelNegri Antonio Empire Harvard University Press Cambridge 2000bull Heynold-Graefe Blida Oberammergauer Schnitzkunst Deutsches Verlagshaus Bong Muumlnchen

1950bull Holzheimer Gerd ua (Hg) Leiden schafft Passionen ndash Oberammergau und sein Spiel A1

Verlag Muumlnchen 2000bull Huyssen AndreasScherpe Klaus (Hg) Postmoderne ndash Zeichen eines kulturellen Wandels

Rowohlt Reinbek 1986

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bull Jain Anil K Politik in der (Post-)Moderne ndash Reflexiv-deflexive Modernisierung und die Diffusiondes Politischen raquoedition fatallaquo Muumlnchen 2000 sowie Internet httpwwwedition-fatalde-onlinebibisbn3935147007pdf

bull Jameson Fredric Zur Logik der Kultur in der Spaumltmoderne In Huyssen AndreasScherpeKlaus (Hg) Postmoderne S 45ndash102

bull Kerckhove Derrick de Jenseits des Globalen Dorfes ndash Infragestellung der OumlffentlichkeitIn Maresch Rudolf (Hg) Medien und Oumlffentlichkeit S 135ndash148

bull Koch LaurentiusBuchwieser AnneliesGrawe Frederic Franz Seraph Zwinck - Der Luumlftlmalervon Oberammergau Freundeskreis Pilatushaus Oberammergau 1986

bull Lefebvre Henri La production de lrsquoespace Anthropos Paris 1974bull Maresch Rudolf (Hg) Medien und Oumlffentlichkeit ndash Positionierungen Symptome Simula-

tionsbruumlche Klaus Boer Verlag Muumlnchen 1996bull Marx KarlEngels Friedrich Ausgewaumlhlte Werke Gondrom Verlag Bindlach 1987bull Marx KarlEngels Friedrich Manifest der Kommunistischen Partei In Dies Ausgewaumlhlte

Werke S 31ndash57bull McLuhan Marshall Understanding Media ndash The Extensions of Man McGraw-Hill New York

1964bull Oberammergau Tourismus (Hg) Oberammergau Oberammergau (keine Jahresangabe)bull Rifkin Jeremy The Age of Access ndash The New Culture of Hypercapitalism TarcherPutnam

New York 2000bull Rattelmuumlller Paul E Luumlftlmalerei in Oberbayern Suumlddeutscher Verlag Muumlnchen 1981bull Robertson Roland Glocalization ndash Time-Space and Homogeneity-Heterogeneity In Feather-

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Princeton 1991

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bull Jain Anil K Politik in der (Post-)Moderne ndash Reflexiv-deflexive Modernisierung und die Diffusiondes Politischen raquoedition fatallaquo Muumlnchen 2000 sowie Internet httpwwwedition-fatalde-onlinebibisbn3935147007pdf

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bull Lefebvre Henri La production de lrsquoespace Anthropos Paris 1974bull Maresch Rudolf (Hg) Medien und Oumlffentlichkeit ndash Positionierungen Symptome Simula-

tionsbruumlche Klaus Boer Verlag Muumlnchen 1996bull Marx KarlEngels Friedrich Ausgewaumlhlte Werke Gondrom Verlag Bindlach 1987bull Marx KarlEngels Friedrich Manifest der Kommunistischen Partei In Dies Ausgewaumlhlte

Werke S 31ndash57bull McLuhan Marshall Understanding Media ndash The Extensions of Man McGraw-Hill New York

1964bull Oberammergau Tourismus (Hg) Oberammergau Oberammergau (keine Jahresangabe)bull Rifkin Jeremy The Age of Access ndash The New Culture of Hypercapitalism TarcherPutnam

New York 2000bull Rattelmuumlller Paul E Luumlftlmalerei in Oberbayern Suumlddeutscher Verlag Muumlnchen 1981bull Robertson Roland Glocalization ndash Time-Space and Homogeneity-Heterogeneity In Feather-

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bull Utschneider Ludwig Oberammergau im Dritten Reich (1933ndash1945) Schriftenreihe desHistorischen Vereins Oberammergau 1999 eV Band 1 Oberammergau 2000

bull Wallerstein Immanuel The Modern World System ndash Capitalist Agriculture and the Originsof the European World Economy in the Sixteenth Century Academic Press New YorkLondon1974

bull Welsch Wolfgang (Hg) Wege aus der Moderne ndash Schluumlsseltexte der Postmoderne-DiskussionActa humaniora Weinheim 1987

bull Wentz Martin (Hg) Stadt-Raumlume Campus FrankfurtNew York 1991

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bull Shapiro James Oberammergau ndash The Troubling Story of the Worldrsquos Most Famous PassionPlay Pantheon Books New York 2000

bull Utschneider Ludwig Oberammergau im Dritten Reich (1933ndash1945) Schriftenreihe desHistorischen Vereins Oberammergau 1999 eV Band 1 Oberammergau 2000

bull Wallerstein Immanuel The Modern World System ndash Capitalist Agriculture and the Originsof the European World Economy in the Sixteenth Century Academic Press New YorkLondon1974

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ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 18

Abbildung 1 Abbildung 2

Abbildung 3 Abbildung 4

Abbildung 5 (Quelle Werbeprospekt) Abbildung 6

ABBILDUNGEN

ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 19

Abbildung 9 Abbildung 10

Abbildung 11 Abbildung 12

Abbildung 13 (Quelle Postkarten) Abbildung 14 (Quelle Postkarte)

Abbildung 7 Abbildung 8

INFORMATIONSBLATT

Autor(Innen) Anil K JainTitel Imaginierte (Nicht-)OrteUntertitel Ein Besuch im raquoglobalen Dorflaquo OberammergauJahr der Abfassung 2002VersionAktualisierungsdatum 04042006Originaler Download-Link httpwwwpower-xsnetjainpubimaginierteortepdfErste Druckveroumlffentlichung The Discourse of Sociological Practice Vol 6 No 12004

S 51ndash60 (Englische Version)

Wer Passagen dieses Textes zitieren will moumlchte bitte auch falls eine Druckveroumlffentlichungvorhanden sein sollte die PDF-Version als Grundlage verwenden (VersionAktualisierungsdatumangeben) da die PDF-Version umfangreicher undoder aktualisiert und korrigiert sein koumlnnte

Weitere Texte von Anil K Jain sowie weitere Informationen unter httpwwwpower-xsnetjainE-Mail-Kontak jainpower-xsnet

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Jegliche kommerzielle Verwendung ist ohne die vorherige ausdruumlckliche Genehmigung durch den Autordie AutorInnen

strengstens untersagt Als kommerzielle Verwendung gilt jegliche Art der Publikation und Redistribution die die Erhebung

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Der Text darf in keinem Fall ohne Genehmigung in irgend einer Weise veraumlndert werden Informationen uumlber die

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ANIL K JAIN IMAGINIERTE ORTE 19

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