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EIN HAUS URBANER ARBEITSPLATZQUALITÄTEN Die neue Unternehmenszentrale kommt als Backsteinblock daher und entpuppt sich im Inneren als großzügig ausgeführtes Volumen. Dabei werden vor allem die Mitarbeiter mit unterschiedlichen Aufenthaltsqualitäten wie einer Stadtloggia, die sich zum Wasser öffnet, einer Schweizer Molkerei oder einem indischen Ruhezimmer verwöhnt. Text Claus Käpplinger Fotos HG Esch

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EIN HAUS URBANER ARBEITSPLATZQUALITÄTEN

Die neue Unternehmenszentrale kommt als Backsteinblock daher und entpuppt sich im Inneren als großzügig ausgeführtes Volumen. Dabei werden vor allem die Mitarbeiter mit unterschiedlichen Aufenthaltsqualitäten wie einer Stadtloggia, die sich zum Wasser öffnet, einer Schweizer Molkerei oder einem indischen Ruhezimmer verwöhnt.

Text Claus KäpplingerFotos HG Esch

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PROJEKTE78 domus 27 September / Oktober 2017

Vorhergehende Seiten: Die neue Unternehmenszentrale eines Hamburger Konzern fällt durch den direkten Wasserzugang und einen übergroßen Stadtbalkon auf, der sich in der Mitte des Gebäudes öffnet.

Diese Seiten: Ganz in Hamburger Tradition hüllt sich das Gebäude in ein Kleid aus Backstein. In direkter Nachbarschaft befinden sich das Spiegel-Gebäude und das Internationale Maritime Museum.

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GEWERS PUDEWILLPROJEKTE80 81domus 27 September / Oktober 2017 domus 27 September / Oktober 2017

Diese Seiten: Inmitten von acht Vollgeschossen öffnen sich drei zu einem großen Balkon mit Blick zum Wasser und erhellen gleichzeitig den Innenhof. Die Öffnung zeigt in Richtung

Brooktorhafen und schafft eine Verbindung zwischen der Stadt und dem Atrium. Selbst innen liegende Räume können so einen Blick auf den Hafen erhaschen.

Im vielfarbigen KleidGlocal im besten Sinne des Wortes, nämlich lokal und global ist das neue Hauptgebäude eines weltweit agierenden Hamburger Unternehmens des Energiesektors in Hamburgs HafenCity, das von den Berliner Architekten Gewers Pudewill geschaffen wurde und das HafenCity Umweltzeichen Gold erhielt. Eingestellt zwischen den früheren Brooktorhafen und den neu entstandenen Lohsepark knüpft das mächtige Gebäude mit seinem vielfarbigen Kleid an Hamburgs Tradition der backsteinernen Kontorhäuser an. Zugleich ist es Ausdruck eines Wandels der Bürokultur, hin zu mehr Urbanität und situativen Arbeitsplatzangeboten.

Überraschende EinschnitteZur Stadt hin überwiegt zuerst der Eindruck eines weiteren großen Büroquaders mit allzu hartem Steinkleid und gleichförmig strengen Fensterachsen, wie sie heute allerorten entstehen. Doch dieser Eindruck täuscht. Das 75 Meter lange, 41 Meter breite und knapp 38 Meter hohe Gebäude erweist sich schon bald als ein Baukörper mit überraschenden Einschnitten und Gestaltungselementen. Zwei sehr unterschiedliche Seiten besitzen klare Fensterachsen, die eine streng orthogonale

QUERSCHNITT

0 10M

GRUNDRISS ZWEITES OBERGESCHOSS

0 10M

3 3

2

15

4 4

StadtloggiaTeeküche EinzelbürosOpen-Space-BürosBistro

12345

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GEWERS PUDEWILLPROJEKTE82 83domus 27 September / Oktober 2017 domus 27 September / Oktober 2017

und eine dynamisch diagonale Fensterlaibung erhielten, um das Licht der Sonne sehr tief in das Haus und über die Fassade streichen zu lassen. Die ungewöhnlichen Klinker sind mit nur 4 Zentimetern Höhe, aber 11,5–49 Zentimetern Länge extrem schmal. Sie sind im wilden Verband gesetzt und geben dem Haus eine vielgliedrige, fast schillernde Präsenz im Stadtraum. Die 21 verschiedenen Farbtöne und Texturen der Klinker – hervorgegangen aus einem Salzkohlebrandverfahren bei extrem hohen Temperaturen – reflektieren oder brechen das Licht unterschiedlich. An die Hamburger Tradition der Backsteinfassade wurde angeknüpft, nicht ohne diese selbstbewusst zu transformieren und neu zu interpretieren.

Großzügig empfangenGroße Schaufenster für kleine Ladeneinheiten öffnen das Erdgeschoss zur Stadt. Dort lädt auch ein zweigeschossiger Einschnitt mit einem völlig unerwartet durchlässigen Foyer zum Betreten des Hauses ein, das sich immer wieder an sehr überraschenden Stellen zur Stadt hin öffnet. Eher einer Hotelhalle als einem Bürohaus ähnelt das Eingangsfoyer. Es ist extrem breit geschnitten und implantiert einen weiten Cinemascope-Horizont ins

Haus. Viele Reminiszenzen an das Meer und die Schifffahrt fallen ins Auge, etwa eine große, schwungvolle Treppenspindel oder Schiffsmodelle, die in die Wände eingelassen sind. Fließende Übergänge von außen nach innen betonen die helle Materialität, Galeriestege und hinterleuchtete transluzente Wände unter einem filigranen Oberlicht vermitteln das Gefühl, willkommen zu sein.

Zum Wohl der MitarbeiterDer Bauherr wünschte sich für sein expandierendes Unternehmen dezidiert Räume zum Verweilen und für den informellen Austausch. Während des Planungsprozesses wuchs es von 500 auf über 650 Mitarbeiter an. Ursprünglich war er es in der Innenstadt ansässig, jetzt zog es an den Rand der Hafencity. Was die Mitarbeiter am neuen Ort an Stadtleben vermissen könnten, soll nun das Haus selbst bieten – eine Vielzahl unterschiedlicher Orte und Sichtverbindungen, um die Arbeitsplatzqualität zu verbessern und zugleich die Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen zu stärken. Wünsche, die Georg Gewers und Henry Pudewill architektonisch kongenial erfüllen konnten. In zwei- und dreihüftigen Büroflügeln, in

Linke Seite: Empfangsbereich. Diese Seite oben links: Mitarbeiterrestaurant. Oben rechts: Konferenzraum. Unten links und rechts: In der neuen Unternehmenszentrale

gibt es verschiedenen Kulturen zugeordnete Teeküchen, die die Mitarbeiter zum Verweilen und Austauschen einladen. Hier sind die indische und alpenländliche Teeküche zu sehen.

GRUNDRISS ERDGESCHOSS

0 10M

1

2

3

MitarbeiterrestaurantFoyer Konferenz

123

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GEWERS PUDEWILLPROJEKTE84 85domus 27 September / Oktober 2017 domus 27 September / Oktober 2017

die ein Mix von Einzel- und Teambüros einzog, wurden für die verschiedenen Abteilungen abwechslungsreiche Raumfolgen geschaffen. Doch darauf beschränkt sich das Raumprogramm nicht. Ein Mitarbeiterrestaurant, Fitnesscenter, ein elternbetreuter Kinderspiel- und Ruheraum, Besprechungsräume und nicht zuletzt eine große Stadtloggia ergänzen es.

Vielfältige KulturräumeEntschieden bunt, aber fern kurzlebiger Modernität, platzierten die Architekten zehn großzügige Teeküchen in die Innenecken ihres Hausblocks. Sie sind jeweils einem Kulturraum gewidmet und stehen visuell miteinander in Beziehung: ein amerikanischer Diner, ein chinesischer Teebaldachin, ein indisches Ruhezimmer oder eine skandinavische Hütte – eine Hommage an all jene Regionen, in denen das Unternehmen aktiv ist. Die Räume der Begegnung und des Austauschs, die bewusst mit der dominanten hanseatischen Rationalität brechen wurden von den Mitarbeitern rasch angenommen. In die Etagen eingestellt sind die teilweise transparenten Think-Tank-Räume der Abteilungen, die jeweils eine andere Perspektiven auf die HafenCity bieten. Das

große Mitarbeiterrestaurant wurde zum Wasser, zum Brooktorhafen hin, platziert. Es verzichtet auf jegliche Hierarchien. Große Makramee-Raumteiler zonieren einladende Raumnischen.

Eine Stadtloggia zum WasserAn das Restaurant grenzen eine Außengalerie und ein offener Fahrstuhl an. Von hier kann man direkt auf ein Schiff wechseln. Der deutliche Bezug zum Wasser war für die Standortwahl des Bauherrn entscheidendes Kriterium. Zum Wasser hin besitzt die neue Unternehmenszentrale nun auch den wohl faszinierendsten Raum, eine 500 Quadrat-meter große Stadtloggia. Über dem zweiten Geschoss und unter einer 41 Meter weit spannenden Brückenkonstruktion für das fünfte bis siebte Geschoss erstreckt sich an der Rückseite des Gebäudes eine weite Stadtloggia, ein großes Fenster zum Wasser und zur Innenstadt, aber auch zum nahen Spiegel-Haus von Henning Larsen. In Verbindung mit einem italienischen Café bildet dieser Ort zweifellos das Herz wie auch das Icon der neuen Unternehmenszentrale, ein Bild für eine Unternehmenskultur der fließenden Übergänge und des offenen Austauschs – glocal im besten Sinne des Wortes.

Oben: Eine weitere Teeküche ist im skandinavischen Stil eingerichtet. Rechte Seite: Eine Wendeltreppe

verleiht dem markanten Bau weiche Formen und ergänzt den Innenraum um ein skulpturales Element.

GEWERS PUDEWILL ARCHITEKTEN

Name Georg Gewers Geboren1962WerdegangArchitekturstudium in Aachen, Paris und Stuttgart; Berufserfahrung bei Foster Associates, London; Becker, Gewers Kühn und Kühn, Berlin; 2008 Gründung Gewers Pudewill, Berlin

Name Henry PudewillGeboren1967WerdegangArchitekturstudium in Weimar; Berufserfahrung bei Hebel AG, München; Henn Architekten, München/Berlin; 2008 Gründung Gewers Pudewill, Berlin

Projekte (Auswahl)Markenhochhaus Volkswagen AG in Wolfsburg, Revitalisierung Verwaltungshochhaus; Zentrale Mercedes-Benz-Vertrieb Deutschland in Berlin;Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS in Hermsdorf; Erweiterung Porsche Kundenzentrum in Leipzig; BER Flughafen Berlin-Brandenburg, vier Gebäude für die Sicherheits und Bodenverkehrsdienste; Seniorenzentrum „Regine Hildebrandt“ in Bernau bei Berlin; Columbiadamm Wohngebäude mit angeschlossenem Gewerbebau in Berlin; Stadthaus Linienstraße in Berlin; Centogene AG – Genetisches Diagnostikzentrum in Rostock; Wohnanlage Joachimstraße/Lindenstraße in Berlin

Preise2017: Winner ICONIC Awards 2017 Unternehmenszentrale HafenCity in Hamburg2015: Winner ICONIC Awards 2015Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme, Hermsdorf und Technologiezentrum B/S/H/ Hausgeräte in Berlin2014: Thüringer Staatspreis für Architektur und Städtebau, Anerkennung für Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS in Hermsdorf2009: BDA-Preis Berlin, lobende Erwähnung für den Umbau und die Modernisierung des Admiralspalasts in Berlin

Neubau einer Unternehmenszentrale in Hamburg ArchitekturGewers PudewillMitarbeiter, ProjektbeteiligteGeorg Gewers, Christoph Hesse, Marcel Heyn, Antje Kalus, Daniela Kinzel, Kevin Krüske, Jan Parth, Sabrina Pinkes, Henry Pudewill, Jörn WähnertBauleitungGKK Ingenieurgesellschaft für HochbauLandschaftsarchitekturST raum a.TragwerksplanungIngenieurbüro Dr. BinnewiesTGA-PlanungIngenieurgesellschaft W33BGF/BRI25.960 m²/87.918 m³Wettbewerb2012Entwurfs- und Planungsphase01/2012 – 05/2014Bauphase05/2014 – 08/2016Fertigstellung08/2016

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DE € 10,00 / CH CHF 12,00 / AT € 10,00

UNTERNEHMENSZENTRALE MÜNCHEN HENNING LARSEN BÜROGEBÄUDE HAMBURG GEWERS PUDEWILLSTIFTUNG FELTRINELLI MAILAND HERZOG & DE MEURON RATHAUS UND VERWALTUNG IN BELGIEN TONY FRETTONPROJEKTENTWICKLUNG IN ÖSTERREICH MONICA FÖRSTERDESIGN MIT TECHNISCHEM BEZUG MARC NEWSON DIE ZUKUNFT DES ESSENS FOOD DESIGN

027 DIE STADT UND DER MENSCH

September / Oktober2017

ISSN 2195-7681

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