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(Aus der Zoologischen AnstMt der Universit~t Basel.) EIN NEUER RtJ~SSELTYPUS BEI EINEM K/I_FER. BIOLOGISCHE UND MORPttOLOGISCHE BEOBACHTUNGEN AN LEPTOPALPUS ROSTRATUS F° Von EDUARD HANI3SCHIN (Basel). Mit 4 Textabbildungen. (Eingegangen am 20. Dezember 1928o) ~3ei allen Insekten, welehe ibre Nahrung auf eutropen und hemi- tropen Bltiten helen, finden wir eine starke weehselseitige Anpassung der ~undteile an den B1/itenbesueh. Maxille oder Labium, in vielen Fgtlen aueh alle Mundteile, zeigen eine starke Verliingerung, welehe den Tieren gestattet, ihren Nahrungsbedarf insbesondere in solehen t~liiten zu decken, deren Bliitenkelehtiefe eben gerade der L/~nge ihrer Mund- werkzeuge entsprieht. Es entsteht der Insektenriissel. Dieser l~iissel tritt nun abet in den versehiedensten Insektenfamilien und Ordnungen e~uf, ohne dab dabei eine verwand~sehaltliehe Bindung der Tr~ger not- wendig w/ire, mit andern Worten, er ist ein polyphyletisehes Organ im weitesten Sinne. Dies mag sieh aueh in der differenten Anteilnahme der Mundteile am Aufbaue des giissels in den versehiedenen Insektenordnungen zeigen, bei welehen wir bliitenbesuehende Formen, insbesondere nektarsaugende Arten antreffen. Im Prinzip wird dabei immer ein mehr oder weniger weit gesehlossenes g0hr gebildet, in welches die Mundteile emgelagert werden (Diptera, Rhy~chota) oder an welches sieh einzelne derselben als Riisselseheide anlagern (Hymenoptera, Lepidoptera). Gleiehzeitig erfolgt aber ein durehgreifender I~eduktionsprozeB. Das Saugrohr selbst wird dabei der Reihe naeh veto Labrum bis zum Labium gebildet. Fiir die obenerwghnten Hauptgruppen nektarsaugender Insekten m6gen dabei im wesen~liehen die VerhMtnisse im Riisselbau tabellariseh skizziert werden. (Siehe Tabelle S. 514.) Wghrend bei all den erwghnten Insektenordnungen die leekende e, der saugende Nahrungsaufnahme die t~egel ist, oder aber sieh mit der stetigen Anpassung an den Bliitenbesueh ausbildet (Hymenoptera) linden wir bei der reiehsten Ordnung der rezenten Formen, bei den Coleoptera

Ein neuer rüsseltypus bein einem käfer

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Page 1: Ein neuer rüsseltypus bein einem käfer

(Aus der Zoologischen AnstMt der Universit~t Basel.)

EIN NEUER RtJ~SSELTYPUS BEI EINEM K/I_FER.

BIOLOGISCHE UND MORPttOLOGISCHE BEOBACHTUNGEN AN LEPTOPALPUS ROSTRATUS F°

Von

EDUARD HANI3SCHIN (Basel).

Mit 4 Textabbildungen. (Eingegangen am 20. Dezember 1928o)

~3ei allen Insekten, welehe ibre Nahrung auf eutropen und hemi- tropen Bltiten helen, finden wir eine starke weehselseitige Anpassung der ~undtei le an den B1/itenbesueh. Maxille oder Labium, in vielen Fgtlen aueh alle Mundteile, zeigen eine starke Verliingerung, welehe den Tieren gestattet , ihren Nahrungsbedarf insbesondere in solehen t~liiten zu decken, deren Bliitenkelehtiefe eben gerade der L/~nge ihrer Mund- werkzeuge entsprieht. Es entsteht der Insektenriissel. Dieser l~iissel t r i t t nun abet in den versehiedensten Insektenfamilien und Ordnungen e~uf, ohne dab dabei eine verwand~sehaltliehe Bindung der Tr~ger not- wendig w/ire, mit andern Worten, er ist ein polyphyletisehes Organ im weitesten Sinne.

Dies mag sieh aueh in der differenten Anteilnahme der Mundteile am Aufbaue des giissels in den versehiedenen Insektenordnungen zeigen, bei welehen wir bliitenbesuehende Formen, insbesondere nektarsaugende Arten antreffen. I m Prinzip wird dabei immer ein mehr oder weniger weit gesehlossenes g 0 h r gebildet, in welches die Mundteile emgelagert werden (Diptera, Rhy~chota) oder an welches sieh einzelne derselben als Riisselseheide anlagern (Hymenoptera, Lepidoptera). Gleiehzeitig erfolgt aber ein durehgreifender I~eduktionsprozeB. Das Saugrohr selbst wird dabei der Reihe naeh veto Labrum bis zum Labium gebildet. Fiir die obenerwghnten Hauptgruppen nektarsaugender Insekten m6gen dabei im wesen~liehen die VerhMtnisse im Riisselbau tabellariseh skizziert werden. (Siehe Tabelle S. 514.)

W g h r e n d bei all den erwghnten Insektenordnungen die leekende e, der saugende Nahrungsaufnahme die t~egel ist, oder aber sieh mit der stetigen Anpassung an den Bliitenbesueh ausbildet (Hymenoptera) linden wir bei der reiehsten Ordnung der rezenten Formen, bei den Coleoptera

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514 Ed. IIandschin:

Labrum

Mandibel

Mazille

I .... Diptera

Saugrohr

Stechborsten oft reduziert

Stechborsten vielfaeh fehlend odor nur dutch

Palpus ver- treten

Stechborste

Riisselseheide

Hemiptera

Deckel

Saugrohr und Speichelkanal, zugleich aber Stechborsten

Stechborsten

Hymenoptera

Deckel

normM, kauend

Riisselscheide (Galea) PMpen und Lacinia oft weit reduziert

Zepidoptera

rudiment~r rudiment~r

Palpus und La- cinia rudimen- t~r. Galea wird

Saugrohr.

Hypopharynx 0 0 0

Labium Riisselscheide Saugrohr (Glos. Nur Palpen als sa) Paraglossa Rfisselscheide mit steigender Anpassung an den Bliitenbe- such reduziert.I

Palpen lang

nur eine kleine Gruppe, welehe sieh zur Aufnahme yon Nektar speziali- siert hat. Es sind dies die Genera Nemognatha ILLIG, und Leptopalpus GoEs, unter den Lytt inae der Familie der Meloidae. - - Der Fall der ersteren ist schon lange bekannt und hat infolge der Ausbildung eines Schmetterlingsriissels unter den Khfern stets eine Rolle gespielt. Wghrend Labrum, lV[andibel und Labium in normMer Ausbildung vorhanden sind hat sieh die Maxille zu einem, der Proboscis der Lepidopteren anMogen Organe ausgebildet, welehem ebenfalls die Laeinia fehlt, die Galea abet zum Saugrohr ausgewachsen ist. Als prinzipiellen Unterschied ist bloB das Auftreten eines starken PMpus maxillaris hervorzuheben. Die meisten Arten des etwa 3 0 4 0 Formen zS, hlenden Genus :Vemo- gnatha gehSren nun dem neotropisehen Faunengebiete an und nur wenige greifen in die aethiopisehe Region und die Mittelmeergebiete fiber. Da die einzelnen Spezies in ihrem Auftreten dazu oft sehr lokalisiert und zeitlieh besehri~nkt sind, gelangen selten Individuen zur Untersuehung oder gar zu direkter Bcobachtung im Leben. DeshMb war meine Freude um so grSgcr, als ieh anlgglich einer Exkursion in Marokko im Frfih- ling 1923 Kgfer dieser Gruppe bei der Nahrungsaufnahme beobachten und sammeln konnte.

Auf einer Uferwiese des Oued Sebou in der N/~he yon Kenitra land ieh am 1. IV. einen K~fer zahlreich beim Besnehe einer Centaureaart, den ieh, naeh den langen, abstehenden MundgliedmaBen, die er yon Zeit zu Zeit immer wieder in der Tiefe der einzelnen Blfiten nach der Art der Bienen versenkte, oberflSehlich betraehtet ffir Nemognatha hielt.

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Ein neuer g/isseltypns bei einem Ki~fer. 515

Mit weitgespreizten Vorderbeinen sagen oft 2 - -3 Kgfer auf einer Blfite und fiihrten beim Herausziehen der langen I~fissel aus den tiefrShrigen Seheibenbliiten eigenartig wippende B~wegungen mit dem K6rper aus. In der Ruhe und aueh bei get6teten Individuen nahm der I~tissel stets eine eharakteristisehe Lage ein. Er wird naeh Art des Hemipteren- riissels auf die •auehseite der Tiere eingesehlagen, kommt so zwisehen die Coxen der Bzine zu liegen und reieht his hinten zum dri t ten Ab- dominalsegment.

Bei der Verarbeitung des Materiales stellte es sieh nun heraus, dag der g/issel gegliedert war, dab ieh somit nieht Nemognatha beim ]31fiten- besuehe beobaehtete, die ja dutch ihren Sehmetterlingsrfissel zum vorn- herein gr6geres Interesse beanspruehen durfte, sondern dab ieh die mediterrane

Leptopalpus rostratus F. 1792.

vet mir hatte. Eine genaue Naehprfifung der morlohologisehen Befunde war deshatb angezeigt.

Wie der Name der Tiere sehon aussagt, sind sie dureh die langen sehmalen Palpen gekennzeiehnet, ja es wird dureh die Artbezeiehnung das Vorhandensein des rtisselartigen Gebildes hervorgehoben. Doeh finden sieh in der Li teratur nirgends Angaben fiber die Lebensweise oder fiber die Nahrungsaufnahme der Tiere ~and so kam es, dab man wohl den Sehmetterlingsrfissel yon Nemognathcb kennen lernte, die noeh viel eigentfimliehere Bildung des Saugrfissels yon Leptopalpus aber nieht. Dazu kommt in der I~egel eine falsehe Darstellung der Verh/iltnisse in Abbildungen des KSfers oder seiner Mundteile. So linden ~fir z. B. noeh bei HOULBER~ die Palpen wie die Ffihler vet dem Kopfe ausgebreitet, der klassisehen Prgparierungsmethode der K~fer entsl0reehend. Aber ~uch dort, we Detailbetraehtungen fiber die Art angestellt wurden, wie z. B. in LucAs und BEAUt~EGARD begntigte man sieh mit einer mehr oder weniger exakten B~sehreibung der einzelnen Mundteile. Man be- arbeitete eben totes Museumsmaterial und unterlieB es, Beobaehtungen am lebenden Tiere einzuholen. A]lerdings mSgen einige natfirliehe Sehwierigkeiten dabei verantworttich gemaeht werden, Vie]e dieser Meloiden treten, wie sehon erwghnt, nur kurze Zeit, oft lokMisiert und dann sehwarmweise auf, so dab eben der Zufa]l bei einer direkten Beobachtung immer eine groBe Rolle spielt.

Summariseh betraehtet besitzt Leptopalpus einen typischen Lyttiden- ]cop[, der sieh dureh seine breiten, hinter den Augen vortretenden Wangen auszeiehnet. Das Collum ist s tark abgesetzt und der Kopf im ganzen immer etwa um ein Drittel breiter als der fast quadratische Halsschild. Weir vorne liegen die Facettenaugen und vor denselben inserieren die einfaehen, filiformen elfgliedrigen Antennen. Besonders auffallend mfissen nur die ]angen, viergliedrigen Maxillarpalpen bezeiehnet werden,

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welehe den Ffihlern oft an L~nge gleich kommen k6nnen. - - Sie sind jedoeh nieht, ohne weitere PrS~paration der Tiere siehtbar und in der g~gel auf die Unterseite des K6rpers eingesehlagen. Beide Palpen liegen sieh dabei eng an.

Deekel und Basis der Mundteile, Labrum und Labium bieten in ihrem Baue keine Besonderl~,iten. Sie sind augerordentlieh einfaeh

und fiir die ganze Gruppe als typiseh zu bezeiehnen.

Das Labrum sehlieBt als l)eekel die Mundteile yon oben ab. Es ist ganzrandig und weis~ bloit an seiner Innenseite 15rags der Mediane eine starke, feine Beborstung auf. Ein eigentlieher Epipharynx fehlt jedoeh.

Das Labium ist relatlv klein. Glossen und Paraglossen sind versehmolzen und bilden zusammen jederseits der )£it- telaehse einen einheitliehen, reich beborsteten Lobus. Diese Zweiteilung der Glossa ist eine Eigenart der blfitenbesuehen- den Arten der Familie. Sie be- ginnt als Andeutung bei Myla- bris, gewinnt an St~rke bei Zonitis und Sitaris und leitet mit Leptopalpus zur vSlligen Aufspaltung bei Nemognatha fiber. Hinter der Glossa inse- riert der dreigliedrige Pa]pus labialis, dessen Endglied be- senders lung ist und durch die Anwesenheit yon zwei grol3en Komplexen yon Sinnesborsten

Abb. 1. Kopf yon Leptol)alp~s rostrcttt~s F. von unten, a U f f ~ l l t . Die eine dieser Orup-

pen tiegt terminal und stellt sieh als feinhiiutige Culotte dar, die mit ~ul3erst feinen, abet kurzen und aufreehtstehenden Sinneshaaren besetzt ist. Die zweite Gruppe liegt im letzten Drittel des Gtiedes. Sie besteht aus einer Anzahl Sensillae ampullaeeae, welehe in Form eines dunklen, naeh vorne ge6ffneten Hufeisens erscheinen. In der Mitre des Organs erhebt sieh eine 15mgere, abstehende Borste. Uber die physiologisehe Bedeutung

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Ein neuer Riisseltypus bei einem K~fer. 517

des Organs ist nichts bekannt. Doch tr i t t dasselbe in analoger Aus- bildung auch bei andern Genera auf und ist auch an den ~Iaxillarpalpen anzutreffen.

Der t Iypopharynx fehlt. N~here Beachtung verdienen schon die M a n d i b e l n , die weir fiber

die fibrigen Mundteile abstehen nnd etwa doppelt so lang sind als das Labrum, das sie basal verdeckt. Von oben betrachtet sind sie einem gleichsehenkligen Dreieck zu vergleichen, dessen ttShe etwa das doppelte der Basis betr~gt. Der spitze apikale Z~hnteiI ist nach innen gebogen. Er bleibt unaufgeteilt, einfach. Der 3/[olarteil ist welt an die Basis ver- lagert und besteht aus einer rundlichen, mit zahlreichen ChitinhSckern bedeckten Platte, welche VOlt einem Saume yon feinen BSrstchen um- geben ist. Diese Borstenzone setzt sich nach oben gegen den Zahnteil hin in eine weich- hiiutige Zone fort auf welcher die fingerartig bewegliche Laeinia mobilis inseriert. (Inter- maxillaire yon BEAIrl~EC~il~I); Prostheka yon KIRBY.) Es hat dieses ftir die g~nze Familie eh~rakteristische Organ vielfach zu Diskussio- nen Anlal3 gegeben. W/~hrend viele Autoren in demselben einen innern Anhang, ihnlich der Lacinia der ~axillen sehen wollen, und damit die Ableitung der ~andibel ebenfalls auf einen zweireihigen Urtypus der )£undteile zurfickfiih- ren, sehen andere in diesem Anhange die Oe~. Prostheka i. Ohne in diese Diskussion einzu- greifen sei betont, daI3 die Prostheka oder M. Postmola, wie sie vielfach auch bezeichnet wird, Abb. 2. Mandibel von sich auch bier vorfindet. Sie ist als kleiner, Lel~tol)at)?us ~'ostratus F.

weichhi~utiger Anhang yon beilf6rmiger Gestalt direkt unter dem Molar- tell zu suchen. Ihre Fliche ist dicht mit nach hinten gerichteten Borsten

i Nach der Annahme yon Sm~I~ u. a. h~ben wir in den 3Iandibeln Bildungen vor uns, welche den inneren ~axill~ren oder labialen Skleriten gleichzusetzen sind. die sich aber durch Verwachsung in:iolge mechanischer Inanspruchnahnle zu einem einheitlichen Stiick reduziert haben. Es wiirde in diesem Falle der Anhang der 3Ieloiden der Lctcinic~ der ~axillen oder den Glossen des Labiums (Lobus internus) gleic~hzusetzen sein. ~¢Iolar~eil und Zahnteil der 5/[~ndibel entspr/ichen der Sub- gale~ und Galen (Paraglossen) wihrend die Palpen fehlen wiirden.

Dieser Ansicht stehen die morphologisch-phylogenetischen Untersuchungen yon C~i~IPTO~ scharf gegeniiber. Er zeigt dutch Analogiebeweis an Hand eines grol]en Vergleichsmateriales, dab ~{olar nnd Zahntefl zusammengeh6ren und ein einheitliches Sttick darstellen wie z. B. die Lacinia der Niaxillen. Die Lacinia too- bills, wie nach seiner Bennennung der Anhang zu bezeichnen ist, stellt eine Neu- erwerbung dar, die mit keinem Teile der iibrigen )Iundgliedm~f3en homologisiert werden duff.

Z. f. Morphol. u. Okol. d. Tiere Bd. 14. 3 4

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5 1 8 Ed. H a n d s c h i n :

besetzt und dabei reieht sie zum gr6gten Teile in den Oesophag hinein, vor welchem die Reibplat ten der Mandibeln stehen. Bei dem gegen- seitigen Reiben der Plat ten (zerkleinern yon Pollen) werden kMne Mengen der Nahrung yon den Spitzen der Prostheka gepaekt und dureh die Bewegung beider Teile gegeneinander dureh die naeh hinten ge- richteten Borsten in den Oesophag gesehoben.

Wenn dieser kleine Tell der Man- dibel aueh yon versehiedenen Auto-

F ten gesehen nnd abgebildet wurde, so war seine Deutung doeh ent- weder eine falsehe oder man hat ihm iiberhaupt keine Beaehtung ge- sehenkt. Meist wurde er einfaeh als Teil der Laeinia mobilis betraehtet und somit eo ipso der , ,Prostheka" zugewiesen, damit aber fiir eine weitere Betraehtung erledigt. Beide Teile sind aber voneinander getrennt und naeh Funktion und Entstehung versebieden. Es sei noeh betont, dab der freie Anhang der Laeinia mobilis eine reiehe Beborstung auf- weist, niemals aber zweigliedrig ist, wie sie z. B. LUI~AS auf pl. 34, fig. 7a darstellt.

Von der Innenseite betraehtet stellt die Mandibel einen groBen L6ffel dar, in dessen Lumen die

s t - Lacinia mobilis frei hineinragt. Am interessantesten ist nun die

Ausbildung der Maxillen. I m we- - - - - - - ~ ~ ) sentliehen sind dieselben yon

BE~V~EGA~D riehtig erfagt worden, ~ ~ ~ w/ihrend die Abbildungen yon

Abb. 3. Basa l te i le der hlaxi l le yon LUOAS wiederum als fehlerhaft zu Lepto~valpus rost~'atus F.

bezeiehnen sind. Vor Mlem fallen die auBerordentlieh verli~ngerten viergliedrigen Palpen auf, die mit dem Palpifer zusammen so lung werden als die Antennen. Ihr erstes freies Glied erreicht nur Bin Siebentel des zweiten und unterseheidet sich yon den tibrigen dadurch, dab es auf der Innenseite vSllig kahl ist. Glied 2 - - 4 hingegen tragen einen diehten nach innen gerichteten Haartilz, der in der Mitre eine Art l~inne bildet. Am Ende des letzten Gliedes finden wir wie am letzten Gliede des Labialpalpus ein apikales

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Ein neuer Riisseltypus bei einem K~ifer. 519

Sinnespolster und ein subterminales hufeisenartiges Organ aus flasehen- f6rmigen Sinneszellen. Lacinia und Galea sind vorhanden, die erstere ist sehr lang und dieht behaart . Die Galea sitzt auf einer stark ent- wiekelten Subgalea, die hier jedoch nieht zu einem eigenen freien Ab- sehnitte ausgebi ldet is twiebeiLyt taoderMylabris . DieGaleais t kurz, frei und gegen das kolbenartig verdiekte Ende hin dieht und lang beborstet. Subgalea und Palpifer sind der GrSBe yon Pall)us und Galea entspreehend ausgebildet. Niemals ist die Galea aber dreigliedrig und zugesl)itzt oder die Laeinia bezahnt, mi t einem Digitus versehen wie in den Abbildungen v o n L U C A S .

Die besondere Eigenart dieser 5'Iaxille liegt nun neben der Pall)enl~nge in der spezifisehen Pall)enbesehaffenheit, in der diehten rinnenartigen Behaarung derselben auf der Innenseite. :Beson- dere Beaehtung verdient dabei das erste Pall)en- glied, das uns durch seine Ktirze und Kahlheit aufgefallen ist. An der Basis sowohl als apical zeichnet es sieh ferner durch sehr stark ausgebil- dete Conjunktivae aus; es hat demnaeh die Be- " wegung des ganzen Al)l)arates zu vermitteln. Dureh enges Anlegen an die Galea, die auf der Augenseite ebenfalls keine besondere Beborstung zeigt, werden die beiclen Palpenhiil/ten zusammen- gebracht und zu einem Rohre geschlossen. Dieses Rohr 8etzt sieh abet his zur Basis der Laeinia /oft, indem die Borstenbesiitze der inneren Mundteile in einer_Flueht sieh an die]enige der Palpen angliedern. Dies kann aber nur ermSglieht werden, wenn das

Abb. 4. Schematische Dar- erste Pall)englied sieh auf die HShe der Galea stellung'des Saugriissels yon verk/irzt und derselben gegenfiber keinen Haar- 5el)topaTpus. besatz aufweist. Meehanisehe Voraussetzung nnd morl)hologiseher Be- fund deeken sieh also.

Die Deutung dieses Organs ist naeh den direkten :Beobachtungen am lebenden Tiere eine einfaehe. Es hat sieh bei Leptopalpus ein eigent- licher Ri~ssel aus den Maxillarpalpen herausgebildet, mit denen das Tier imstande ist, den Nelctar aus den Tie/en der Bliiten herau/zuholen. Diese Modifikation des Pall)us maxillaris zu einem Organ der Nahrungsauf- nahme ist um so auffallender, als bei den n~ehst Verwandten, bei Nemo- gnatha es die Galea der Maxillen ist, welche den Riissel bildet, und well bis heute noeh bei lceinem Inselct die Au/3enanMinge der Maxillen in diesem Sinne in den Dienst der Ern~ihrung getreten sin& DaB BEaVREGARI) diese Beziehung des Pall)us zur Nahrungsaufnahme vermute t hat, geht aus einer J~uBerung hervor, die aber offenbar iibersehen wurde. Er

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sehreibt p. 56. ,,Je signalerai encore en passant le curieux palpe de Leptopalpus rostratus support6 par un long palpig~re et form6 de quatre articles dont les trois derniers tr~s allong6s a bord externe un peu convexe e t a bord interne garni d'une brosse de polls donnent a la machoire une grande longeur 1. Rien de semblable ne s 'observe chez les Nemognathes auxquels Lacordaire a r6uni le Leptopalpus. Chez les Nemognathes en effet, l'allongement de la maehoire est d4 au developpement singulier du Gal& tandis-que chez Leptopalpus il tient ~ l'allongement du palpe. Ces earact~res, comme le dit fort bien Fairemaire paraissent motiver suffi- samment la sdparation de ces deux genres clue Laeordaire rdunit." Der eigentfimliehe Palpus diente also in erster Linie nur dem Systematiker zur Trennung seiner Genera, und wenn aueh spiiter noch betont wird (p. 402), dab die Form besonders auffalle ,,par la longueur eonsid6rable du palpe maxillaire qui forme une filament allong6e, le plus souvent applique, contre la /ace ventrale du thorax ou il s'~tend ]usqu'~ la base et m~me au-dela des pattes post&ieures", so wird doeh nirgends auf die m6g- liche Funktion dieses Rfissels hingewiesen. Dies ist um so auffallender, als beinahe in jedem untersuehten Maxillarpa]pus Pollenk6rner einzeln oder in Klumpen anzutreffen sind, die beim Besueh yon Centaurea auf- genommen werden. Sie werden wahrscheinlich dutch gegenseitige kleine Bewegungen der Riisselhglften in die MundhShle gebracht, wghrend der Nektar durch Kapil larat t rakt ion zwisehen den Haaren des Borsten- besatzes im geschlossenen Rohre in die H6he steigt. Die Hauptver - arbeitung des Pollens dtirfte aber mit Hilfe der Mandibeln erfolgen, die beim Einsenken des Rfissels auf die H6he der Antheren der Blfiten zu liegen kommen.

Wie bei Nemognatha, so ist auch bier der Riissel nut als Hilfsorgan zu bezeiehnen und in diesem Simle yon demjenigen der Schmetterlinge zu unterscheiden. Dort werden, wie aus der Tabelle einleitend hervor- gehoben worden sind, alle andern Mundteile reduziert und die eigent- liehe Proboscis bMbt allein zur Aufnahme der Nahrung und als letzter Teil der Mundgliedmal~en erhalten. Der Fall des Lyttidenriissels von Nemognatha oder aueh der neue Riisseltylous yon Leptopalpus steht nach der Entwieklung ganz auf der StuIe des Saugriissels der Hymenop- teren, wo ebenfalls Mandibeln und Maxillen erhalten bleiben und bei der Nahrungsauinahme und Verarbeitung ganz spezielle l~ollen zuge- teilt erhalten. Nur ist hier die Spezialisierung noch in keiner Weise fortgesehritten, so dab eben keine Festlegung und Fixierung des eigent- lichen Riissels auf nur einen speziellen Teil der Maxillen stat tgefunden hat. In diesem Sinne wgren die ,,Kgferrfissel" in der Tabelle vor die- jenige der Hymenopteren zu stellen, da die iibrigen Mundteile noch keinerlei Reduktionen aufweisen. Dies t r i t t jedoch bei den Hymeno-

1 Von mir ausgezeiehnet.

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p t e r en sehon ein und zeigt sich in we i tes tem Umfange bei den Schmet t e r - i ingen. Al le Teile b le iben bier j edoch frei und in d iesem Sinne b i lden sie einen seharfen GegensaLz zu den be iden ers ten Ka tego r i en der Tabelle , den D ip t e r en und R h y n c h o t e n , wo jeweilen neben dem Saugrohre die t%fisselscheide einen in tegr ie renden :Bestandtei l des Rfissels ausmach t und in welche al le f ibrigen ~undgl iedmat3ens t f ieke eingelegt werden. Es i s t selbstverst~indlich, d~8 d a m i t blol~ ein verg le ichend morpho- logiseher Befund fes tgelegt wird, der zu keiner le i phylogene t i schen Schlfissen fiber die E n t s t e h u n g des l%iissels berecht ig t . I m m e r h i n dfirf te das Beispie l k l a r zeigen, dab an den verseh iedens ten P u n k t e n im I~- sek ten oder Tierre iche eben Gleiches morphologiseh erre icht werden kann , wenn die meeh~nische und biologische Beanspruchung , Voraus- set zung ffir eine solche die gleiche ist .

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