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REPORTAGE Stark Turbulent D1-M Ein TARKES Stückchen TARKES Stückchen Ein Sie ist ein Unikat – und auch sonst ziemlich einmalig: Diese D1-M gibt es kein zweites Mal. Der kleine Taildragger hat ein bewegtes Leben hinter sich, heute wird er in Schleswig-Holstein liebevoll gepflegt

Ein TARKES Stückchen - fliegermagazin.de · nach wenigen Flügen und einem kleinen Roll- Hut auf: Für kältere Tage wird dringend empfohlen, mit geschlossener Haube zu fliegen –

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REPORTAGE

Stark Turbulent D1-M EinTARKESStückchenTARKESStückchen

Ein

Sie ist ein Unikat – und auch sonst ziemlicheinmalig: Diese D1-M gibt es kein zweitesMal. Der kleine Taildragger hat ein bewegtes Leben hinter sich, heute wird er inSchleswig-Holstein liebevoll gepflegt

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1955 der Motorflug in Deutschland wieder er-laubt war, die Baupläne für die »Druine D.31«des französischen Flugzeugkonstrukteurs Ro-ger Druine in die Hand bekam. Stark, eigentlichRadio-Mechaniker und Besitzer eines kleinenRadiogeschäfts in Minden, vor allem aber pas-sionierter Segelflieger, war von der Holzkon-struktion so begeistert, dass er Baupläne undNachbau-Lizenz erwarb. Und einen Flugzeug-baumeister (so was gab’s damals noch!) als Mit-streiter anheuerte: Otto Buchheister.

Doch ehe das Luftfahrt-Bundesamt (LBA) sei-nen Segen zum Bau der ersten »Stark-Turbu-

lent« gab, mussten zahlreiche Änderungen ander Druinschen Ursprungs-Konstruktion vor-genommen werden. Die ersehnte LBA-Geneh-migung kam 1956.

Im Keller von Starks Geschäft entstand derPrototyp, der am 20. Juli 1956 seinen Erstflugabsolvierte – mit einem modifizierten, 26 PSstarken VW-Käfer-Motor. Zwar war der LBA-Sachverständige, der selbst eine Runde auf derD-EJON flog, schwer angetan von dem kleinenFlieger. Doch ehe das Ja zur Serienfertigung ge-geben wurde, musste der Motor »richtig« luft-fahrttauglich gemacht werden. Oberstes Gebot:zwei unabhängige Zündsysteme. So wurde ausdem Volkswagen-Boxer der 45 PS leistende »Sta-mo 1400« (der später auch in zahlreichen ande-ren Flugzeugmustern lief), und die ehemaligeBauplan-Französin startete als zertifizierte Stark-Turbulent ins Serienleben. (Später nahm sichauch die britische Rollason Aircraft and EnginesLtd. der Druine-Pläne an und fertigte den Ein-sitzer als »Rollason D31« ebenfalls unter Lizenz.)

Insgesamt 36 Exemplare produzierte die StarkFlugzeugbau GmbH, einige Maschinen wurdensogar in die USA und nach Australien verkauft.1963 schloss das Unternehmen seineTore für immer – zu groß war dieKonkurrenz billiger Gebraucht-flugzeuge aus Amerika.

Gerd Waldecks D-EFUFverließ die Mindener Stark-Hallen im Februar 1959 alsfünfzehntes Exemplar mit derWerknummer 115. »Luxusaus-führung; Farbe: gelb« steht inder Auftragsbestätigung. Preis:14900 Mark.

Ihr Kennzeichen hat sie übrigens seit der Erst-zulassung – obwohl der kleine Einsitzer ein äu-ßerst bewegtes Leben hinter sich hat: – eine um-fangreiche Dokumentation, inklusive handge-schriebener Briefe der Vorbesitzer, gibt ihrewechselvolle Geschichte wieder.

Der erste Schicksalsschlag ereilte das kleineSpornrad-Flugzeug nach zweieinhalb Jahren. IhrPilot kam bei der Landung zu kurz, setzte auf ei-nem unbefestigten Streifen vor der Bahn hartauf und überschlug sich. Fahrwerk und Flächebekamen dabei soviel ab, dass sie erneuert wer-den mussten. Finanzielle Streitigkeiten der Eig-ner mit der Stark-Flugzeugbau ließen diese Ar-beiten drei Jahre währen.

Danach verliert sich für elf Jahre die Spur derD-EFUF, ehe sich 1975 ein Luftfahrt-Journalistihrer annimmt und ihr in Bonn-Hangelar einneues Zuhause gibt. Leider währt diese innigeFreundschaft nur ganze vier Monate, da ihr Eig-ner den Einsitzer auf Dauer zu einsam fand. DieStark landet zunächst in Wipperfürth, dann inMönchengladbach, wo der neue Besitzer sienach wenigen Flügen und einem kleinen Roll-

Hut auf: Für kältere Tage wird dringend empfohlen, mit geschlossener Haube zu fliegen – die Stark Turbulent hat nicht mal eine Heizung

Wundervoll deutsch: die Trimmung kenntnur» kopfl.«(astig ) und »schwzl.«

Die Haube öffnet nach rechts undgibt so den Einstieg frei – für Kleine.1,90-Piloten haben keine Chance

ULs haben’s leichter: Mehr als das Bade-Gepäck ist nicht drin. Ein gutes Argument

für Solo-Trips

ULs haben’s leichter: Mehr als das Bade-Gepäck ist nicht drin. Ein gutes Argument

für Solo-Trips

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REPORTAGEText und Fotos: Claudia Stock

Zugegeben, sie sieht ein bisschen aus wiezu heiß gewaschen. Zu klein, um ein»richtiges« Flugzeug zu sein, zu groß für

ein Scale-Modell. Dennoch sind Bemerkungenwie »Was ist das denn? Ein Modellflugzeug?«nicht selten, wenn Gerd Waldeck seinen Tief-decker in Itzehoe aus dem Hangar zieht.

Zieht? Eigentlich muss man sagen: trägt, dennzuerst hebt der 48-Jährige das Heck hoch undlotst es vorsichtig um die Streben einer PiperCub herum, ehe er den zierlichen Taildraggernach draußen schiebt.

Mit der PA-18 teilt sich der kleine gelbe Vogelden Hangar-Platz. Insofern war seine Größequasi das »Einstellungskriterium« Nummer eins:Wenn schon ein zweites Flugzeug, dann sollte esmit auf denselben Stellplatz passen. Und das tutsie, die Stark Turbulent D1-M: Sie hockt so per-fekt unter der Fläche der Piper, dass man sich anGlucke und Küken erinnert fühlt.

Eigentlich wollte Gerd Waldeck kein zweitesFlugzeug. Wozu auch – eins reicht schließlich.Doch dann stolperte der Berufspilot aus Hitz-husen bei Hamburg über die falsche Kleinan-zeige. Und mit der kam die Erinnerung: »Ichwar ungefähr vier Jahre alt, als ich mit der Starkzum ersten Mal Bekanntschaft machte, am Flug-platz Hartenholm«, erzählt Gerd.

»Diese erste Begegnung weckte den Traum inmir, solch ein Flugzeug zu fliegen.«

Vier Jahrzehnte später war diese Gelegenheitalso zum Greifen nah. »Mein Verstand sagtenein, mein Bauch schmerzte, und trotzdem warich entschlossen«, sagt Gerd und legt fast trotzignach: »Was wäre das für eine Welt, wenn jeder

nur rationell und vernünftig denken würde?«Schnell war der Handel perfekt und Gerd stolzerBesitzer einer Stark Turbulent D1-M, »ohne sieauch nur einmal geflogen zu haben ...« EinerD1-M? Nein: derD1-M. Denn das Maschinchenist ein Unikat in Deutschland, wahrscheinlichsogar in ganz Europa: Es ist die einzige »M«.Der Buchstabe verrät das Triebwerk: ein SauerSE 1800 E2S mit 54 PS. Ursprünglich war dieTurbulent mit einem Stamo 1400 unterwegs.

Stamo steht für Stark-Motor und ist eine Ent-wicklung des Mindener Tüftlers Wilhelm Stark,der, kaum dass nach dem Zweiten Weltkrieg

Im Panel herrscht karge Zweckmäßigkeit. Der simple Aufbau zeugt von der Nach-kriegszeit: nehmen, was da ist. Neuere Instrumente kamen mit den Jahren hinzu

Oh, ein Käfer! Primer nach Volkswagen-Art: Der Choke-Knopf ist original VW

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deutschen Luftfahrthistorie nach dem ZweitenWeltkrieg. Außerdem bietet sie in Relation zuder niedrigen Triebwerkleistung gute Flugleis-tungen.«

Apropos: Wie fliegt sie denn nun? Ein Blickauf das filigrane Maschinchen lässt ahnen, dasseiniges an Fingerspitzengefühl erforderlich ist,

um sie heil rauf- und wieder runterzu-bringen. Und ein Griff an denKnüppel verrät schon am Boden,dass die Stark Turbulent einhochagiles Leichtgewicht ist.

Auch Gerd Waldeck –, demmit 8000 Hubschrauber- und5600 Flächenstunden reichlichErfahrung zur Verfügung steht– Spornradflugzeuge wie etwadie Do-27 inklusive – räumt ein: » Dieses Flugzeug will, zumindest bei

Spannweite: 7,15 mFlügelfläche: 8,5 m2

Länge: 5,35 mHöhe: 1,80 m (Spornlage)Leermasse: 245 kgMTOM: 360 kgZuladung: 115 kgTankvolumen: 40 l, ausfliegbar: 38,5 lMotor/Leistung: Sauer SE 1800 E29/54 PSVerbrauch: 10 l/hPropeller: MT 137 L100-1AVs: 75 km/hVReise: 150 km/h

Vne: 210 km/hSteigrate: 880 ft/minStartrollstrecke: 150 mStartstrecke: 350 mLanderollstrecke: 150 mLandestrecke: 350 mReichweite: 3,5 Std./520 kmHersteller: Flugzeugwerk

Stark KG, Minden, Westfalen

Baujahr: 1958Werknummer: 115Erstflug: Januar 1959

TECHNISCHE DATEN STARK TURBULENT D1-M

Ein bisschen wie Mutter und Kind: Die Stark Turbulent passt perfekt unter die »Fittiche« der PA-18. Die beiden teilen sich denselben Stellplatz

Improvisationstalent: Die Tankanzeige ist eineauf einen Korken geschraubte Fahrradspeichefür 50 Cent – der Originalstab saß fest: Rost.Gerd: »Weil sie so schön billig war, hab ichgleich noch drei weitere gekauft und sie auf Lager gelegt.«

Trotz Doppel-Magnetzündung gab das LBA nach dem Umbau auf den Sauer Motor

nur den VVZ-Segen

Trotz Doppel-Magnetzündung gab das LBA nach dem Umbau auf den Sauer Motor

nur den VVZ-Segen

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REPORTAGEschaden im Hangar stehen lässt, mit dem Plan,sie in der Diele seines Hauses aufzuhängen ...Dazu kommt es zum Glück nie. Statt dessensteht sich der kleine Flieger die Reifen platt.

Erst 1991 kommt die D-EFUF wieder in dieLuft – mit einem frischen Triebwerk: Der neueBesitzer rüstet den Tiefdecker vom 45 PS-Stamoauf einen 54 PS starken Sauer um. Bei einemMTOM von 360 Kilo schon ein Quantensprung ...Der neue Halter versucht alles, um eine endgül-tige Verkehrszulassung zu bekommen. DemErstflug am 30. Juli 1993 auf dem FlugplatzBohmte folgen weitere 24 Erprobungsflüge.Dann erlischt das Interesse. Die Stark steht zweiweitere Jahre im Hangar, ehe im Herbst 1996ein neuer Besitzer die »Testflüge« fortsetzt.

Die Berichte der Flugerprobung waren alledurchweg positiv. Dennoch erteilte das LBA nureine VVZ, und die D-EFUF ist ab sofort mitdem Experimental-»Stempel« unterwegs.

Vielleicht deshalb wechselt das Flugzeug imJahr 2000 erneut sein »Herrchen«. Der geht nichtunbedingt pfleglich mit ihr um. Und so ver-bringt Gerd Waldeck, nachdem er den Tail-dragger vor dreieinhalb Jahren erworben hat,ziemlich viel Zeit im Hangar – mit Basteln. »Dievermeintlich normale Geruchsbelästigung durchKraftstoff entpuppte sich als mangelhaft abge-dichteter Riss im Tank«, sagt Gerd. Um dieSchweißarbeiten kümmerte sich der LTB Go-molzig. »Doch der Ein- und Ausbau gestaltetesich als mehrstündige Puzzlearbeit«, erzähltGerd. »Ich verstand danach, weshalb der Tanknur abgedichtet war …«

Ein unruhiger Motorlauf erklärte sich durchZündkerzen, deren zulässige Betriebszeit um einVielfaches überschritten war, der Zylinderkopf-

temperatur-Geber hatte sich längst verabschie-det: »Der Pflegezustand dieser Maschine warecht sch ...«, so Gerd trocken. »Wenn ich dieBastel- mit der Flugzeit vergleiche, steht dies inkeinem Verhältnis. Aber für mich ist es das wert,ich bewahre damit ein Stück Geschichte. DieStark ist ein originelles, gut aussehendes Teil der

Gegen Heck-Meck – und Kopflastigkeit: Zwei Kilogramm wiegt die Bleiplatte an derSpornradfeder. Dennoch gilt selbst beim Rollen: »Knüppel an den Bauch!«

Nichts für Dicke: Wer größerund schwerer ist als GerdWaldeck (1,76 Meter, 74 Kilo)hat in der Stark ein Platz problem

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Start und Landung, geflogen werden! Aufpas-sen muss man auch beim Überziehen, da dieTurbulent recht kopflastig ist – zwei Kilo Bleiam Sporn zeugen davon – und sie keine Über-ziehwarnung hat. Bei 80 km/h nimmt sie danneinfach die Nase herunter, um wieder Fahrt auf-zuholen. Für mich hat dies als Konsequenz, die-ses Flugzeug bei der Landung niemals aushun-gern zu lassen.«

Gerd, Hubschrauberpilot bei der Bundespo-lizei und daher das gelegentliche Erbsenzählenvon Berufs wegen gewöhnt, hat sich der D-EFUFdenn auch sehr behutsam genähert: »Erst nachumfangreichen Rollversuchen, wo mir die rechtdirekte Seitensteuerung positiv auffiel, ging eszum ersten Mal in die Luft. Dann folgten dieausschließlich Platzrunden – peinlichst genaudie Handbuchwerte abfliegend. Zum Glück hat Itzehoe auch eine Grasbahn, denn die in derFlugerprobung aufgeführten gutmütigen Landeeigenschaften, mit keinerlei Ausbrech-tendenz, kann ich nun wirklich nicht be-stätigen!«

Mit anderen Worten: Die niedliche Kleine isteine echte Zicke. Gerd beschreibt diese Charak-tereigenschaft allerdings gelassen als »eine Ruder-folgsamkeit, die einfach klasse ist.« Und fügthinzu: »Man kann mit wenigen Handgriffen dieHaube lösen und oben ohne fliegen – Vergnügenpur! Das zieht zwar unheimlich und kostet umdie fünf km/h Reise, macht aber enorm vielSpaß! Sie fliegt geradeaus. Sie ist stabil. Beim

Herumturnen zeigt die Maschine ihre ganzeWendigkeit.« Er gibt jedoch zu: »Durch das ge-ringe Gewicht ist die aufgebaute Fahrt bei Kur-ven auch unheimlich schnell wieder abgebaut.Da muss man vorsichtig sein.«

Es sieht ganz so aus, als habe die D-EFUF ih-ren Alterswohnsitz gefunden. Und einen spätenLiebhaber: Gerd will sie noch einmal neu betu-chen. »Nicht heute und auch nicht morgen. Aberdie Kopien der Originalpläne von Stark werdenmir dabei helfen, diese unverfälschte Turbulentam Himmel zu halten. Ein echter Hingucker istsie ja ...« Sagt’s und tätschelt ihr den Rumpf. ■

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REPORTAGE

Hier wird geboxt – deutlich zu sehen aus der Käferperspektive (rechts).

Gerd Waldeck spendierte seiner Starkneue Ventildeckel vom VW-

Ersatzteilhändler – edel verchromt

Fliegender Roadster:Die Haube ist mit wenigen Handgriffenabgenommen und ermöglicht so das totale Cabrio-Gefühl

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