66
Ein Themenheft der

Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

  • Upload
    others

  • View
    5

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

Ein Themenheft der

Page 2: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

„Gebt den Kindern das Kommando ...“

Kolpingjugend und Politik

Herausgeber:Kolpingwerk Deutschland

Redaktion:Petra Prigge, Andreas Finke, Kirstin Kettrup, Mathias Owerrin

Graphische Gestaltung/ Illustration:Atelier Zalfen, Marmagen

Druck:Druck Center Meckenheim

Themenheft 12 der

Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, Fax: 0221/20701-38, Email: [email protected], http: //www.kolping.de/jugend

Gefördert aus Mitteln des Kinder- und Jugendplans des BMFSFJ.

Kolpingwerk Deutschland

Page 3: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

„Gebt den Kindern das Kommando ...“

Inhalt

3

Vorwort 5

1. Einleitung 6

2. Grundlagen 72.1 Politik - eine Begriffsbestimmung 72.2 Politische Weltanschauungen 122.3 Aufgaben und Rolle der Parteien in Deutschland 20

3. Jugend und Politik 253.1 Jugendpolitik 253.2 Jugend und direkte Demokratie 283.3 In Berlin mitmischen!!! 34

4. Kolpingjugend und Politik 384.1 Was hat Kolpingjugend mit Politik zu tun? 384.2 Wie handelt die Kolpingjugend politisch? 434.3 Praxisbeispiele 45

Erschienene Themenhefte 66

Page 4: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

Vorwort der Bundesleitung

„Gebt den Kindern das Kommando ...“ 5

Köln, im Dezember 2001

Die Bundesleitung der Kolpingjugend

Christiane Mittermaier Brigitte Scharlau Mathias OwerrinBundesleiterin Bundesleiterin Bundesleiter

Bundespräses Alois Schröder Wolfgang Vorwerk Andreas FinkePastorale Begleitperson Bundesleiter Bundesjugendsekretär

„Leben, Lehre und Auftrag Jesu Christi sind für uns Grundlage und Orientierung.“ „AdolphKolping und sein Einsatz für den Menschen sind Vorbild für unser Denken und Handeln.“ „Wirübernehmen für uns selbst und für andere Verantwortung. Wir setzen uns für die Interessenvon Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein.“

Dies sind ein paar der Aussagen aus den Leitsätzen, auf die sich die Kolpingjugend unlängstauf ihrer Bundeskonferenz verständigt hat. Entgegen einer allgemein festzustellenden Poli-tikverdrossenheit engagiert sich Kolpingjugend auch politisch, wie z.B. in der AG Jugend undPolitik, und unternimmt so konkrete Schritte, die Anliegen Jugendlicher in der Gesellschaftzur Sprache zu bringen. Was alles zur Politik gehört und wie Politik sogar Spass machenkann, wollen wir u.a. mit diesem Themenheft zeigen. Mit den Leitsätzen und dem dahinterstehenden Engagement vieler Mitglieder der Kolpingjugend wollen wir zeigen, dass es wich-tig ist, mitzuwirken, mit zu reden und mit zu gestalten bei dem, was jedes Kind und jedenJugendlichen betrifft.

Trotz zunehmender Individualisierungsprozesse, gesellschaftlicher und sozialer Schwierig-keiten und demographischer Entwicklungen, die u.a. ein politisch wirksames EngagementJugendlicher erschweren, wollen wir mit diesem Themenheft ein Zeichen setzen und Hilfengeben, damit wir auch in Zukunft „handeln statt behandelt zu werden“.

Ein besonderer Dank gilt an dieser Stelle den Verfassern von themenspezifischen Beiträgenin diesem Heft. Dies sind: Gaby Hagmans, BDKJ-Bundesvorsitzende, Dr. Michael Hanke, Bun-dessekretär im Kolpingwerk Deutschland, Josef König, Referent an der BDKJ-Bundesstelleund Michael Effler, Sprecher der Initiative „Mehr Demokratie e.V.“

Möge dieses Themenheft ein Beitrag zu einem Brückenschlag zwischen Jugendlichen undPolitik sein, so dass auch in Zukunft die Interessen von Kindern und Jugendlichen von die-sen selbst und für sie wirksam vertreten werden.

Page 5: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

6 „Gebt den Kindern das Kommando ...“

1. Einleitung

1. Einleitung

„Politik ist das tägliche Leben“ – so einfachund doch umfassend könnte man Politikbeschreiben. Politik wirkt in viele Bereichendes öffentlichen und privaten Lebens hin-ein. Vor allem das Leben in einer Gruppeoder Gemeinschaft setzt Regelungen undVereinbarungen voraus, die gemeinsamund vor dem Hintergrund eines politischenGrundverständnisses getroffen werden.Doch trotz der Tatsache, dass wir an jedemTag mit den Konsequenzen politischer Ent-scheidungen konfrontiert sind, sind wir unsoft nicht über die Zusammenhänge bewusst.

In diesem Themenheft sollen Einblicke ge-geben werden in das, was Politik alles um-fasst, wie sich das Verständnis von Politiküber die Jahrhunderte bis zur Gegenwart

entwickelt hat und welche verschiedenenAnsichten es darüber gibt, wie sich das Le-ben in einer Gemeinschaft gestalten sollte.Ein besonderer Blick gilt der Jugendpolitikund den vielfältigen Möglichkeiten, wie Ju-gendliche sich in Entscheidungsprozesseunserer Gesellschaft einbringen können.

Nicht zuletzt möchte die Arbeitshilfe dar-stellen, in welchen Bereichen Kolpingju-gend und Kolpingwerk politisch mitarbei-ten, wo wir mitmischen und auf welcheWeise wir versuchen, unsere Meinung ein-zubringen. Die aufgeführten Praxisbeispielesind dabei nur einige Schlaglichter – dieVielfalt politischer Arbeit in der Kolpingju-gend geht weit darüber hinaus.

Page 6: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

2. Grundlagen

2.1 Politik - eine Begriffsbestimmung

„Gebt den Kindern das Kommando ...“ 7

Was ist eigentlich Politik?

Die Begriffe „Politik“ und „politisch“ leitensich vom griechischen Wort „polis“ (Burg,Fels, Stadt, Gemeinwesen, Staat) ab. Die Be-zeichnung „polis“ steht für einen griechi-schen Stadtstaat in der Zeit von 800 bis400 v. Chr. Bei den Stadtstaaten handeltees sich um kleine, überschaubare und au-tonome Einheiten, die sich jeweils auf eineAnsiedlung mit dazugehörigem Territoriumbezogen. Jede „Polis“ verstand sich als Ge-meinschaft ihrer Einwohner, wobei der Be-griff Vollbürger sich auf Männer bestimmterGesellschaftsschichten bezog. Frauen undSklaven zählten demnach nicht als Vollbürger.

Kennzeichen für eine „polis“ waren:

n Selbstverwaltung mit festgelegten Rech-ten und Pflichten für jeden Bürger;

n Unterscheidung und Abgrenzung ge-genüber den übrigen Stadtstaaten inGriechenland;

n Tendenz zur Gleichheit der Rechte undPflichten aller Bürger;

n Gemeinsame Beschlussfassung über alleBelange der „polis“;

n Gemeinsame Verteidigung der „polis“ imKriegsfall;

n Unabhängigkeit von anderen Stadtstaaten.

2. Grundlagen

Der heute verwendete Begriff „Politik“ gehtüber diese Merkmale noch hinaus. Er be-zeichnet jegliche Art der Einflussnahmeund Gestaltung sowie die Durchsetzungvon Forderungen und Zielen, sei es in pri-vaten oder öffentlichen Bereichen. So um-fasst er zum einen die Staatskunst, das Öf-fentliche bzw. das, was alle BürgerInnen be-trifft und verpflichtet, im weiteren Sinne dasHandeln des Staates und das Handeln instaatlichen Angelegenheiten. Zum anderenbezieht „Politik“ die aktive Teilnahme an derGestaltung und Regelung menschlicher Ge-meinwesen ein.

Bezogen auf moderne Staatswesen, be-zeichnet Politik ein aktives Handeln, das

n auf die Beeinflussung staatlicher Macht

n den Erwerb von Führungspositionen und

n die Ausübung von Regierungsverantwor-tung zielt.

(Quelle: Diplomarbeit Mathias Owerrin, 2001)

Page 7: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

8 „Gebt den Kindern das Kommando ...“

2. Grundlagen

Eine Reise durch die Geschich-te des Politikverständnisses

Der Begriff „polis“, der als Ursprung für un-ser heutiges Politikverständnis dient, wirdauf den Philosophen, Logiker und Naturfor-scher Aristoteles (384-322 v.Chr.) zurück-geführt. In seinem „Modell der Verständi-gung“ ist die polis auf die Gleichheit derBürger (vgl. „Was ist eigentlich Politik?“) ge-gründet. Die für die Polis verbindlichen Ent-scheidungen mussten sich aus zwanglosenVerständigungsprozessen zwischen freienund gleichen Männern ergeben. Der Über-zeugungskraft der besseren Argumentefolgten Vorschläge, die den Bürgern Ent-scheidungen ermöglichen sollten. Aristote-les trat mit seinen Aussagen wie z.B. demKernsatz „Der Staat aber ist eine Gemein-schaft von Gleichen, die gemeinsam zuentscheiden haben“ in Opposition zu Pla-ton (griechischer Philosoph, 427-347 v.Chr.).Dieser vertrat die Ansicht, dass Politik dasRegieren durch eine berufene, herausra-gende Einzelperson bezeichne. AristotelesAnnahme folgend, wonach Politik ihrem ei-gentlichen Wesen nach die Herrschaft Glei-cher über Gleiche ist, sind auch die jewei-ligen Herrschaftsmandate zeitlich befristet.Im Prinzip verlangt eine solche Politik desGemeinwesens eine demokratische Verfas-sung, die die Volksherrschaft regelt.

Das „Heilsmodell“ nach Augustinus (be-deutender Kirchenlehrer des Abendlandes,354-430 n.Chr.) stellt - entgegen den Leh-ren der Antike - politisches Handeln als dieAusrichtung an der Erfüllung der GeboteGottes dar. Politik ist nach augustinischerLehre nur zu rechtfertigen, wenn sie einen

Beitrag zur endzeitlichen Erlösung desMenschen leistet. Die Funktion der Politikbesteht demnach einzig darin, der Idee dergöttlichen Gerechtigkeit zu dienen. DiesemPolitikverständnis liegt auch die Annahmezugrunde, dass der Staat einerseits durch„das Böse“ mitgeprägt ist, es andererseitsdadurch, dass er der Erlösungshoffnungdient, schafft, „das Böse“ auszugleichen.

Mehr als ein Jahrtausend später erstellteder italienische Politiker und Geschichts-schreiber Niccolò Machiavelli (1469-1527)das „Modell von Macht“. Es beschreibt Poli-tik als „die Gesamtheit der Techniken fürdie Aufrichtung und Erhaltung staatlicherMacht um jeden Preis“. Das Gemeinwesenkann nicht durch den unmündigen Bürgergeleitet werden. Für den Herrscher ist Poli-tik reine Technik der Macht, die auch demZwecke einer gesicherten Ordnung dient.Politik reduziert sich innerhalb dieses Mo-dells auf Machthandeln und die Geschick-lichkeit zum Erfolg.

Vor einigen Jahren veröffentlichte KarlWolfgang Deutsch (US-amerikanischer Po-litologe österreichischer Herkunft, 1912-1992) schließlich sein „Informations-Mo-dell“. Er versteht Politik als Steuerungsein-heit. Sie hat dafür zu sorgen, dass Informa-tionen von allen und zu allen Gesell-schaftsteilen gelangen können. Der politi-sche Prozess ist somit ein Steuerungsvor-gang zur Informationsverarbeitung. DiesesModell nach Deutsch will somit gesell-schaftliche Konflikte (ohne den Einsatz vonMacht und ohne Zwang) regeln.

Page 8: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

2. Grundlagen

Prof. Dr. Ulrich von Alemann (zeitgenössi-scher Politikwissenschaftler, geb. 1944) de-finiert Politik als eine Verknüpfung der vierGrundbegriffe Konflikt, Interesse, Macht undKonsens mit dem Begriff der Öffentlichkeit.Dabei greift er auf die ursprünglichen Deu-tungen von Aristoteles zurück, der das Öf-fentliche (politikos) von dem privaten Haus-halt (oikos) klar unterschied. Von AlemannsDefinition lautet: „Politik ist öffentlicherKonflikt von Interessen unter den Bedin-gungen von Machtgebrauch und Konsens-bedarf.“ In Anlehnung an den englischen Sprach-raum unterscheidet die moderne Poli-tikwissenschaft die so verstandene Politik

in drei politische Dimensionen, die unter-schiedliche Aspekte von Politik umfassen:

Die „Polity“-DimensionDas politische Handeln ist durch institutio-nelle Strukturen und Formen, wie z. B. Ver-fassungs- und Rechtsnormen, vorgegeben.Ferner fallen unter diese Formen der Politikauch die Institutionen selbst, wie z. B. Ver-waltung, Parlament, Regierung und Gerich-te. Die institutionellen Strukturen gebenden politischen Akteuren den verbindlichenHandlungsrahmen vor und schreiben dieMachtverhältnisse fest. So ergeben sichOrdnungen, politische Verfahren etc. (z.B.grundgesetzliche Regelungen zum Schutz

„Gebt den Kindern das Kommando ...“ 9

Was verstehen heutige Politikwissenschaftler unter Politik?

Page 9: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

2. Grundlagen

von Minderheiten). Die Legitimität einer„polity“ ist am größten, wenn sie das Ergeb-nis von langfristigen Entscheidungen ist.Auch die Demokratie als Regierungsformfällt unter den Begriff „polity“.

Die „Politics“-Dimension Politics bezeichnet den aktiven, durch Ver-handlung, Tausch und Kompromisse, durchMacht, Konflikt und Konsens gekennzeich-neten Prozess der politischen Gestaltung.Dieses machtpolitische Kräftemessen fin-det zwischen einzelnen Politikern, Gruppie-rungen wie Parteien, Fraktionen, Verbändenund Gewerkschaften statt.

(Quelle: Diplomarbeit Mathias Owerrin, 2001)

10 „Gebt den Kindern das Kommando ...“

Die „Policy“-DimensionPolicy bezeichnet den inhaltlichen (denmateriellen) Teil von Politik, wie er im Deut-schen üblicherweise durch verschiedenePolitikbereiche angegeben wird (z.B. Wirt-schafts-, Umwelt-, Verkehrspolitik). Sie um-fasst die Phase der Formulierung politischdefinierter Probleme und die Durchführungvon Handlungsprogrammen, um diese zulösen. Die Problemlösungsansätze basierenin der Regel auf Partei- und Regierungspro-grammen, Absichten und Zielen, personel-len, materiellen und ideellen Interessen so-wie auf der Verteilung von Finanzmitteln.Policy-Analyse bezeichnet den Teil der poli-tikwissenschaftlichen Forschung, der sichmit den inhaltlichen, sachlichen Fragen derentsprechenden Politiken beschäftigt.

(Quelle: Diplomarbeit Mathias Owerrin, 2001;

Das Politiklexikon, Schubert/Klein, Verlang Dietz, 2001, S. 222/223/229)

Page 10: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

2. Grundlagen

„Gebt den Kindern das Kommando ...“ 11

Und was ist Politik nun konkret?

Um Politik lebensnah zu erklären, muss man eine notwendige Unterteilung in „Politik im en-geren Sinne“ und „Politik im weiteren Sinne“ treffen. Politik im engeren Sinne ist alles Handeln, das sich um gesamtgesellschaftliche Regelun-gen bemüht. Der engere Politikbegriff regelt die allgemeinen Verhältnisse, ermöglicht das Zu-sammenleben in einer Gesellschaft und bestimmt die Beziehungen zu anderen Gesell-schaften. Zugeordnet werden diesem Begriff auch die staatlichen Institutionen, die verbind-lich das Zusammenleben und Miteinanderauskommen von Menschen und gesellschaftli-chen Gruppen organisieren.

Dahingehend verzichtet der „erweiterte Politikbegriff“ (= Politik im weiteren Sinne) auf die All-gemeingültigkeit. In diesem Zusammenhang geht es vielmehr um gemeinsame Bewältigungzwischenmenschlicher Situationen in unterschiedlichen Gesellschaftsgruppen. Es handeltsich auch um politisches Handeln, jedoch ist das Politische nicht der wichtigste Zweck. DieSchulklasse, der Verein und zum Beispiel die Kolpingjugend bewegen sich in ihrem eigenenMiteinanderauskommen im erweiterten Politikbereich.

(Quelle: Diplomarbeit Mathias Owerrin, 2001)

Page 11: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

12 „Gebt den Kindern das Kommando ...“

2. Grundlagen

2.2 Politische Weltanschauungen

Page 12: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

2. Grundlagen

Kommunismus

Kommunismus ist a.) eine sozial-philoso-phische Utopie, b.) eine politisch-ökonomi-sche Lehrmeinung und Ideologie und c.) ei-ne politische Bewegung und Herrschafts-form.Grundlegende Idee des Kommunismus istdie Abschaffung des privaten Eigentumsund die Bildung von Gemeineigentum.

Kommunismus als sozial-philosophische Utopie

Der Kommunismus knüpft u.a. an die Ge-rechtigkeitsideen Platons (vgl. „Eine Reisedurch die Geschichte des Politikverständ-nisses“) und an das Urchristentum an, aberauch an Utopisten (z.B. Thomas Morus,englischer Staatsmann und Humanist,1478-1535) und utopische Sozialisten (z.B.Charles Fourier, französischer Sozialphilo-soph, 1772-1837). In ihrem Denken ist dasIdeal eine dörfliche Gemeinschaft, die ge-meinsam über alle zum Lebensunterhaltnotwendigen Produktionsmittel (Boden, Tie-re, Häuser, ...) verfügt, praktisch alle Dingeherstellt und gerecht untereinander verteilt.

„Gebt den Kindern das Kommando ...“ 13

Wenn man über Politik spricht, ist es uner-lässlich, sich die verschiedenen Formen an-zusehen, wie weltanschauliches Denken inpolitisches Handeln umgesetzt wird. AlsGrundlage dienen hier verschiedene Ideo-logien. Eine Ideologie ist die Lehre von den Ideen,d.h. der wissenschaftliche Versuch, die un-terschiedlichen Vorstellungen über Sinnund Zweck des Lebens, die Bedingungenund Ziele des Zusammenlebens etc. zuordnen. Aus diesen Bemühungen entstan-den historisch unterschiedliche Denkschu-len.Im politischen Sinne dienen Ideologien zurBegründung und Rechtfertigung politischenHandelns. Ideologien sind daher immer ei-

ne Kombination von bestimmten Weltan-schauungen (Kommunismus, Konservatis-mus, Liberalismus, Sozialismus), die jeweilseine spezifische Art des Denkens und desWertsetzens bedingen, und eine Kombinati-on von bestimmten Interessen und Absich-ten, die i.d.R. eigenen (selten: uneigennützi-gen) Zielen dienen, d.h. neben der Idee undWeltanschauung auch den Wunsch (unddie Kraft) zur konkreten politischen und so-zialen Umsetzung ausdrücken.Ideologien sind wesentlicher Teil politischerOrientierung; sie sind sowohl Notwendig-keit als auch Begrenzung politischen Han-delns.

(Quelle: Das Politiklexikon, Schubert/Klein, Verlang Dietz, 2001, S. 135-136)

Nachfolgend wird ein kurzer Einblick in die vier grundlegenden Weltanschauungen gegeben:

Page 13: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

2. Grundlagen

Kommunismus als politisch-ökonomische Lehrmeinung und Ideologie

Die Kritik am Kapitalismus (= Wirtschafts-ordnung, in der der Faktor Kapital im Ver-gleich zu anderen Wirtschaftsfaktorenüberproportionale Bedeutung hat) steht imMittelpunkt. Als Vordenker gilt der deutscheRechtswissenschaftler und Philosoph KarlMarx (1818-1883). Der Kapitalismus wirdals die letzte Stufe einer Reihe von voran-gegangenen Ausbeutungsverhältnissen„des Menschen durch den Menschen“ dar-gestellt. Demzufolge übernimmt in kapitali-stischen Gesellschaften eine (gesellschaft-lich) kleine Gruppe alles verfügbare Eigen-tum und beutet eine zunehmende Zahl vonBesitzlosen (= Proletarier) aus. Dies führt zumassenhafter Armut und Verelendung derbreiten Bevölkerungsgruppen. Ziel derKommunisten ist es, durch eine Revolutiondes Proletariats das Privateigentum abzu-schaffen, damit der technische Fortschrittallen Menschen zugute kommt. Dass eshierbei auch zu einer Machtanhäufung ei-ner kleinen Elite kommt, die über die Ver-teilung der Mittel bestimmt und damit letzt-endlich zu einer unkontrollierten Herr-schaftsausübung wie in den politischen Sy-stemen der untergegangenen Sowjetunionoder der DDR kann an dieser Stelle nur an-gedeutet, allerdings nicht vertieft werden.

Kommunismus als politische Bewegung und Herrschaftsform

Der Grundgedanke der kommunistischenIdeologie wird variiert und weiterentwickelt,um beispielsweise

n den konkreten politischen Kampf um dieMacht zu gewinnen (Marxismus-Leninis-mus),

n die kommunistische Herrschaft zu festi-gen (Stalinismus),

n den Kommunismus an außereuropäi-sche Kontexte anzupassen (Maoismus),

n der Vorherrschaft der Sowjetunion aus-zuweiten (Titoismus).

Mit dem Ende der Sowjetunion als Schutz-macht des Kommunismus sind die kom-munistischen Bewegungen weltweit zu ei-nem Stillstand gekommen, und der Kom-munismus wird als Lehrmeinung nur nochselten vertreten.

Die Kommunistische Partei Deutschlands(KPD) wurde 1919 und in den zwanzigerJahren nach der Vereinigung mit dem lin-ken Flügel der Unabhängigen Sozialdemo-kratischen Partei Deutschlands (USPD) zurMassenpartei der Weimarer Republik. Meh-rere Versuche der gewaltsamen Machtü-bernahme bzw. zur Errichtung und Unter-stützung von Räterepubliken scheiterten(1919-1923). In der Zeit der Weltwirtschafts-krise bis 1932 wuchs die KPD zur dritt-stärksten Partei. 1933 wurde die Partei ver-boten, ihre Mitglieder verfolgt. Im drittenReich forderte u.a. der Widerstand unzähli-ge Opfer. Unmittelbar nach Ende des Zwei-ten Weltkrieges wurde die Partei wiederge-gründet.

s In der Sowjetisch Besetzten Zone (derehemaligen DDR) schlossen sich 1946 dieKPD und – gezwungenermaßen – die SPDzur Sozialistischen Einheitspartei (SED) zu-

14 „Gebt den Kindern das Kommando ...“

Page 14: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

2. Grundlagen

sammen. Die SED verweigerte sich den seitMitte der achtziger Jahre in der UdSSR ein-geleiteten Reformen. Erst im Rahmen derWende 1989 nannte sie sich in SED-PDS(Partei des demokratischen Sozialismus)um. 1990 wurde die PDS zur Nachfolgepar-tei.

s Im westlichen Teil Deutschlands war dieKPD nach dem zweiten Weltkrieg an eini-gen Landesregierungen beteiligt und zwi-schen 1949 und 1953 gehörten Mitgliederdem Deutschen Bundestag an. 1956 wurdedie KPD vom Bundesverfassungsgericht fürverfassungswidrig erklärt und aufgelöst.1968 wurde die Partei als DKP (DeutscheKommunistische Partei) neugegründet.

(Quelle: Das Politiklexikon, Schubert/Klein, Verlang Dietz, 2001, S. 158-159)

Konservatismus

Der Konservatismus, auch Konservativis-mus genannt, hebt die Stärken der Traditio-nen hervor, bewahrt bzw. stärkt die herr-schende politische Ordnung und schütztdie vorgegebene Verteilung von Macht undReichtum vor Kritik. Die drei wichtigstenPrinzipien des Konservatismus sind daherIdentität, Sicherheit und Kontinuität.Der politische Konservatismus entstand alsGegenbewegung zu den Ideen der Auf-klärung und der Prinzipien von Vernunft

und Kritik. Gegen diese setzt er auf dieFestigung und den Vorrang des Glaubensund eine damit verbundene (göttliche oderweltliche) Ordnung, die – im Gegensatz zurForderung nach Gleichheit in der Französi-schen Revolution – das hierarchische Ele-ment betont. Aus konservativer Sicht bildenGesellschaften ein organisatorischesGanzes, in dem die Einzelnen (= Individuen)und die sozialen Gruppen ihre unterschied-lichen Aufgaben zum Nutzen aller zu erfül-len haben und die Gesellschaft als Ganzesdurch Gewohnheiten und Gebräuche zu-sammengehalten wird. Insofern ist eineOrdnung in unterschiedlichen Schichten, inder eine Elite genauso notwendig ist wieMittel- und Unterschicht, eine notwendigegesellschaftliche Bedingung. Fortschritt undVeränderungen werden nicht grundsätzlichausgeschlossen, bedürfen zunächst aberallgemeiner Zustimmung und Bewährung.Bei aller Vielfalt ist ein positives Verhältniszum Umgang mit der Macht und der Ausü-bung von Macht ein wesentliches Elementkonservativen Denkens.

Der spezifische deutsche Konservatismuswurde entscheidend durch zwei politischeErgebnisse der Amtszeit Otto von Bism-arcks (Gründer und erster Kanzler 1871,des Deutschen Reiches, 1815-1898) ge-prägt:

n Er entschärfte den Konflikt zwischenWirtschaftsliberalismus und Arbeiterbe-wegung (d.h. die Soziale Frage) durch dasVerbot der Sozialdemokratie („Soziali-stengesetz“) und den Aufbau eines kon-servativen Sozial- und Versorgungsstaa-tes („Sozialgesetzgebung“).

„Gebt den Kindern das Kommando ...“ 15

Page 15: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

2. Grundlagen

Liberalismus

Im Liberalismus steht die Freiheit des ein-zelnen Menschen im Vordergrund und wirdjede Form des geistigen, politischen undstaatlichen Zwangs abgelehnt. Die vierwichtigsten Prinzipien des Liberalismussind:

n das Recht auf Selbstbestimmung auf derBasis von Vernunft und Einsicht,

n die Beschränkung politischer Macht,

n die Freiheit gegenüber dem Staat und

n die Selbstregulierung der Wirtschaft aufder Basis persönlichen Eigentums.

Als eine Hauptströmung der Moderne gehtder Liberalismus auf zentrale Ideen derAufklärung zurück. Zu unterscheiden sindpolitischer und wirtschaftlicher Liberalis-mus.

Politischer Liberalismus

Der politische Liberalismus zielt auf dieFreiheit des Individuums (z.B. Glaubens-,Meinungsfreiheit) und auf die Beschrän-kung politischer Herrschaft nach demGrundsatz, dass die Reichweite staatlicherGewalt durch die Freiheit des Individuums(= des Einzelnen) begrenzt wird, dessen

16 „Gebt den Kindern das Kommando ...“

n Es gelang ihm, eine Entscheidung destraditionellen Konfliktes zwischen Kircheund Staat um die Vorherrschaft in derGesellschaft zugunsten des Staates her-beizuführen.

Die dauerhafte Lösung des zentralen ge-sellschaftlichen Konfliktes sicherte inDeutschland langfristig die Autorität desantiliberalen Staates und festigte wesent-lich die konservative Staatsidee. Die demo-kratischen Institutionen wurden daher inDeutschland vergleichsweise spät und ineiner Krisensituation (Ende des ErstenWeltkrieges) errichtet. Der deutsche Kon-servatismus stützte die Demokratie derWeimarer Republik nur in der kurzen Stabi-litätsphase, tendierte ansonsten zu auto-ritären Lösungen und stimmte 1933 für dasErmächtigungsgesetz Hitlers, mit dem derReichstag auf seine Rechte verzichtete undder nationalsozialistischen Machtergreifungden Weg ebnete. Trotz späterer Beteiligung am Widerstandhatte der Konservatismus nach dem Zwei-ten Weltkrieg nur geringe Bedeutung. Dazutrug auch die schnelle Entwicklung vonCDU und CSU zu Volksparteien bei, die daskonservative Element zwar aufnahmen,aber mit den christlich-sozialen, wirtschaft-lich-liberalen und insbesondere den tech-nisch-fortschrittlichen Strömungen verban-den. Heute trägt der deutsche Konservatis-mus die demokratischen Institutionen mit,was u.a. durch die langandauernde Präsenzgemäßigter konservativer Regierungen be-einflusst wurde.

(Quelle: Das Politiklexikon, Schubert/Klein, Verlang Dietz, 2001, S. 170)

Page 16: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

2. Grundlagen

te/Ende des 19. Jahrhunderts).

Der Liberalismus war im 19. Jh. eine welt-weite politische Bewegung des aufstreben-den Bürgertums, die allerdings in Deutsch-land weitgehend machtlos blieb. In der so-genannten Deutschen Revolution 1848scheiterte das Bürgertum bei dem Versuch,eine politische Führungsrolle in Deutsch-land zu übernehmen. Die industrielle Ent-wicklung in Deutschland und der Aufbaudes Wirtschaftsliberalismus fanden auf derBasis eines konservativen (obrigkeitsstaatli-chen) Staatsverständnisses und des Aus-baus eines konservativen (Sozial-)Staatesstatt. In der Weimarer Republik zerfiel derpolitisch gespaltene Liberalismus weitge-hend. Er gewann erst nach dem ZweitenWeltkrieg mit der Gründung der FDP als li-beraler Partei wieder an Bedeutung, diesich weniger aus der Größe der (vergleichs-weise kleinen) Wählerbasis, sondern durchdie langandauernde Regierungsbeteiligungerklärte.Wirtschaftspolitisch wandte sich der Libe-ralismus nach dem Zweiten Weltkrieg vomLaissez-faire ab und wies dem Staat Aufga-ben zu, die notwendigen Rahmenbedingun-gen für einen freien Wettbewerb zu schaffenund durch regulierende Eingriffe in die wirt-schaftlichen Prozesse dafür zu sorgen, dassder Wettbewerb aufrechterhalten bleibt.

Der Liberalismus ist heute keine geschlos-sene Weltanschauung, sondern stellt ehereine große „Denkfamilie“ dar, die auch kon-träre (politische und ökonomische) Vorstel-lungen und Flügel umfasst. Dies wird bei-spielsweise durch die Vielfalt liberaler Par-teien in der EU deutlich, vor allem aber

„Gebt den Kindern das Kommando ...“ 17

Freiheit aber dort endet, wo die Freiheit ei-nes anderen Individuums beeinträchtigtwird. Aus der Sicht der Liberalen wird daherkeineswegs die Notwendigkeit des Staatesbestritten, vielmehr sollen die Ziele des Li-beralismus durch die Institutionen desRechtsstaates (z.B. Grundgesetz, Verfas-sung) sowie durch staatlich garantierteRechtssicherheit (zu der auch das staatli-che Gewaltmonopol zählt) erreicht werden. Zu den wichtigsten politischen Etappen derEntwicklung des Liberalismus zählt u.a. dieErklärung der Menschenrechte währendder französischen Revolution (1789). In Eu-ropa setzten sich seitdem (unterschiedlichschnell) die Individualrechte durch, und esetablierte sich das gesetzte Recht als Basispolitischen Handelns. Das Prinzip der Ge-waltenteilung nach Charles de Montes-quieu (französischer Staatsphilosoph undSchriftsteller, 1689-1755) wurde zum zen-tralen Element moderner Staatsverfassun-gen und Regierungsformen.

Wirtschaftlicher Liberalismus

Seit den wegweisenden Arbeiten von AdamSmith (schottischer Nationalökonom undMoralphilosoph, 1723-1790) betrachtet derwirtschaftliche Liberalismus das Privatei-gentum (v.a. Produktionsmittel), den freienWettbewerb und den Freihandel als grund-legende Voraussetzung für die Schaffunggesellschaftlichen Wohlstandes. Tatsächlichführte die wirtschaftliche Liberalisierung zudynamischen Industrialisierungsprozessenund der Entwicklung eines (privaten) kapi-talistischen Wirtschaftssystems. Als Folgemuss man aber auch die Verelendung brei-ter Teile der Bevölkerung einordnen (Mit-

Page 17: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

2. Grundlagen

Der Begriff Sozialismus kommt im erstenDrittel des 19. Jahrhunderts auf und wird –zumeist in Kreisen der (besitzlosen) Hand-werkerschaft – mit nicht-kapitalistischenWirtschafts- und Gesellschaftssystemenverbunden, in denen genossenschaftliche(= wirtschaftlicher Zusammenschluss einerkleineren Gruppe), gesellschaftliche oderstaatliche Eigentumsverhältnisse vorherr-schen. Diese Vorstellungen basieren auffrühchristlichen Motiven, antiker Lehrmei-nung und frühbürgerlichen Sozialutopienüber neue, menschlichere Formen des Zu-sammenlebens sowie der gemeinsamenProduktion und Versorgung. Einen raschenAufschwung erfährt der Sozialismus in derZeit der Industrialisierung (Ende des 18. Jh.),in der er zur Bewegung gegen die massen-hafte soziale Verelendung und die Ausbeu-tung der Arbeiterschaft wird. National undkulturell unterschiedliche Varianten des So-zialismus entstehen: In Deutschland ent-wickelt sich eine breite Arbeiterbewegung,die sowohl eine starke gewerkschaftlicheInteressensvertretung als auch – gegenü-ber dem autoritären Staat – eine politischprägende Organisation (SPD) hervorbringt. Mit der Entwicklung zur Massenbewegungvertieft sich auch die theoretische Diskussi-on, die zunächst vom Marxismus (vgl. Kom-munismus) dominiert wird und um dieJahrhundertwende in eine heftige Kontro-verse zwischen Marxismus und Reformis-mus mündet. Dabei verstärken sich zweiHautströmungen:

18 „Gebt den Kindern das Kommando ...“

auch durch die Unterschiede zwischendem europäischen und dem US-amerika-nischen Liberalismus, wo liberal in ersterLinie immer noch für die Achtung der Bür-gerrechte, die öffentliche Kontrolle wirt-schaftlicher Macht und für soziale Verbes-serungen steht.

(Quelle: Das Politiklexikon, Schubert/Klein,Verlang Dietz, 2001, S. 179-180)

Sozialismus

Der Sozialismus zielt darauf ab, eine solida-rische Gesellschaft zu schaffen, in der dieGrundwerte Freiheit und Gleichheit verwirk-licht werden. Eine zentrale Rolle nimmt da-bei die Veränderung der privatkapitalisti-schen Wirtschaftsordnung ein, die nach so-zialistischem Verständnis der Grund für so-ziale und ökonomische Abhängigkeit istund der persönlichen und gesellschaftli-chen Unabhängigkeit entgegensteht. DerSozialismus entstammt dem aufkläreri-schen Denken (17./18. Jahrhundert, u.a.Französische Revolution). Er wendet sichgegen die einseitige Überhöhung individu-eller Freiheitsrechte und gegen das Privat-eigentum. Traditionell gibt es sehr unter-schiedliche Ausprägungen des Sozialismus;der Grundgedanke – die Abschaffung derHerrschaft von Menschen über Menschen– trug wesentlich zu seiner internationalenVerbreitung bei.

Page 18: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

2. Grundlagen

ter dessen Diktatur der Arbeiterklassedie Produktionsmittel verstaatlicht undder Wirtschaftsprozess zentraler staatli-cher Planung und Lenkung unterworfenist.In der Bundesrepublik Deutschland hat -ten neo-marxistische Ideen noch Einflussauf die Studentenbewegung Ende dersechziger Jahre.

(Quelle: Das Politiklexikon, Schubert/Klein, Verlang Dietz, 2001, S. 268-269)

„Gebt den Kindern das Kommando ...“ 19

Der Reformsozialismus

Der Reformsozialismus wird v.a. von weitenTeilen der Gewerkschaftsbewegungen ver-folgt. Angestrebt wird eine schrittweise Ver-änderung und Verbesserung der politi-schen, sozialen und wirtschaftlichen Ver-hältnisse.

Der revolutionäre Sozialismus

Ziel ist ein gewaltsamer politischer Umsturzmit einem politisch (und in der Übergangs-phase gegebenenfalls diktatorisch) kontrol-lierten, radikalen Neuanfang in Wirtschaftund Gesellschaft. Bereits 1864 wurde mitder sog. 1. Internationale versucht, die Ar-beiterbewegung auch international zu eini-gen. Unüberbrückbare ideologische Span-nungen und nationale Bindungen führtenjedoch zu ihrem Zerfall, zu Neu- und Ge-gengründungen (2./3./4. Internationale).Nach der russischen Revolution und derSpaltung der Arbeiterbewegung inDeutschland (1917) entwickeln sich– nebenzahlreichen regional begrenzten Formen -zwei sich widersprechende Varianten, diebesonders nach dem Zweiten Weltkriegden Begriff Sozialismus verwenden:

n Der freiheitliche, demokratische Sozialis-mus der Sozialdemokratie, der sich vomMarxismus abwendet, die Interessen ei-ner vielschichtigen Arbeiterschaft vertrittund weite Bevölkerungsschichten mitder Entwicklung des demokratischenWohlfahrtsstaates anspricht.

n Der autoritäre, marxistisch-leninistischeStaatssozialismus der Sowjetunion, un-

Page 19: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

20 „Gebt den Kindern das Kommando ...“

Parteien in Deutschland haben in verfas-sungsrechtlicher Hinsicht eine hervorgeho-bene Bedeutung. Zurückliegende Erfahrun-gen mit den Parteien in der Weimarer Re-publik, die nicht unwesentlich den Nieder-gang der Republik selbst und damit dasAufkommen der Nationalsozialisten (NSD-AP) bis hin zum totalitären Dritten Reich mitzu verantworten hatten, legten es nahe,nach 1945 einen anderen Weg einzuschla-gen. Das Ergebnis der Überlegungen imParlamentarischen Rat und in Folge derHerausarbeitung im Grundgesetz der Bun-desrepublik Deutschland kann sich sehenlassen: Artikel 21 des Grundgesetzes unddas Parteiengesetz vom 24. Juli 1967 bil-den nun den (verfassungs-)rechtlichen Rah-men, innerhalb dessen Parteien inDeutschland ihren Aufgaben nachkommenkönnen. Dabei genießen Parteien ein Privi-leg, welches vergleichbare Demokratienweltweit so nicht kennen. Bislang musstenauf Antrag der jeweiligen Bundesregierun-gen erst zweimal politische Parteien inDeutschland durch Beschluss des Bundes-verfassungsberichtes verboten werden:1952 die neonazistische SozialistischeReichspartei (SRP) und 1956, nach einemvier Jahr lang andauernden Verfahren, dieKommunistische Partei Deutschlands(KPD). Ob ein angestrebtes Verbot der Na-tionaldemokratischen Partei Deutschlands(NPD) vor dem Bundesverfassungsgericht –als dem zuständigen Gericht für ein Partei-enverbot – Erfolg haben wird, bleibt abzu-warten.

2. Grundlagen

Gemessen an der verfassungsrechtlichenStellung und Bedeutung der Parteien zeigtvon den gut 60 Millionen wahlberechtigtenBürgerinnen und Bürgern in der Bundesre-publik Deutschland nur eine Minderheit In-teresse an einer tatsächlichen Mitglied-schaft in einer der im Deutschen Bundes-tag vertretenen Parteien. Dabei verteilensich die knapp 1,8 Millionen Parteimitglie-der auf die im Deutschen Bundestag ver-tretenen Parteien mit Stand 1998 in etwawie folgt:

Christlich Demokratische Union(CDU) 626.342

Christlich Soziale Union (CSU) 178.755

Sozialdemokratische Partei Deutschlands(SPD) 775.036

Bündnis 90 / Die Grünen51.812

Freie Demokratische Partei Deutschlands(F.D.P) 67. 897

Partei des Demokratischen Sozialismus(PDS) 94.627

Dabei zeigt die Entwicklung der Mitglied-schaft in den Parteien eher eine rückläufi-ge Tendenz: waren es 1994 noch knappzwei Millionen Mitglieder, so verringertesich die Zahl der tatsächlich aufgeführten

2.3 Aufgaben und Rolle der Parteien in Deutschland

Page 20: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

2. Grundlagen

Mitglieder bis 1998 um weitere 200.000 aufnun knapp 1,8 Millionen. Der Trend ist auchim Jahr 2001 eher rückläufig. Dabei fälltauf, dass sich gerade junge Erwachsenezurückhalten und auf eine tatsächliche Mit-gliedschaft in einer Partei verzichten. DieGründe hierfür sind vielfältig. Oftmals wirddabei genannt, dass wenig Interesse daranbesteht, zu Wahlkampfzeiten ausschließlichPlakate zu kleben und viele – oftmals we-nig ergebnisreiche – Stunden an den Part-eiständen in Fußgängerzonen oder sonsti-

gen öffentlich bedeutsamen Plätzen in denStädten zu verbringen. Jugendliche undjunge Erwachsene bevorzugen eine be-stimmte Form des Engagements, welchesnicht unbedingt und in erster Linie in denetablierten Parteien die Regel ist.

Trotz des nicht gerade überwältigend starkausgeprägten Organisationsgrades in denParteien regelt Artikel 21 des Grundgeset-zes die Stellung, Aufgabe und Funktion vonParteien in Deutschland:

„Gebt den Kindern das Kommando ...“ 21

„Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit.

Ihre Gründung ist frei.“

Page 21: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

2. Grundlagen

Die Mitwirkung an der Willensbildung er-folgt dabei auf sehr unterschiedliche Artund Weise und bezieht sich auf alle Gebie-te des öffentlichen Lebens. Parteien neh-men auf die Gestaltung der öffentlichenMeinung Einfluss, sie fördern die aktive Teil-nahme der Bürgerinnen und Bürger am po-litischen Leben, sie befähigen zur Übernah-me von öffentlicher Verantwortung und sor-gen mit dafür, dass es auch öffentlichenStreit über Grundfragen des Politischenschlechthin gibt. Sie wirken dabei oftmalspolitisierend in dem Sinne, dass zunächsteinfache Sachverhalte in den Rang des Po-litischen gehoben werden.Aus dem verfassungsrechtlich formuliertenAuftrag der Parteien, bei der Willensbil-dung des Volkes begrenzt „mit zu wirken“,hat sich durch die politische Praxis eingleichsam äußerst bedenklicher Omnipo-tenzanspruch insbesondere der großenVolksparteien entwickelt. Parteien habenden „vorpolitischen Raum“ für sich ent-deckt. Dies führt in aller Regel dazu, das mitHilfe wechselseitig vereinbarter „Quotierun-gen“ Aufgaben und Funktionen im öffentli-chen Leben so verteilt werden, dass alle ir-gendwie zum Zuge kommen. Von besonde-rem parteipolitischen Interesse ist dabeivorrangig der gesamte Bereich der Öffentli-chen Verwaltung sowohl auf Kommunaler-,Landes- und Bundesebene. Dabei zeigt essich, dass gerade bei der Besetzung vonhohen Funktionen in der Öffentlichen Ver-waltung eine Mitgliedschaft in einer dergroßen Volksparteien von Vorteil sein kann.Zwischenzeitlich ist übliche und gängigePraxis, dass einvernehmlich geregelt ist,welche Partei bei welcher Besetzung dennauch immer zu berücksichtigen ist.

In den Blick des parteipolitischen Interes-ses sind nicht nur die öffentliche Verwal-tung sondern auch weit darüber hinaus vorallem die gesellschaftlichen Bereiche, diezunächst nicht im engeren Sinne politischwirken, gerückt. Dazu zählen natürlichMandatsträgerInnen aller nur erdenklichensozialen, geselligen und sportlichen Vereineund (halb-)staatlichen Einrichtungen eben-so wie Schul- und Elternpflegschaften imBildungsbereich. Im Ergebnis bedeutet dieszumeist, dass der zunächst unpolitischeBereich, bedingt durch das jeweilige partei-politische Interesse gleichsam „politisiert“wird, um so den Einflussbereich abzusi-chern. Über die genannten Bereiche hinaus istden Parteien wichtig, ihre Einflussmöglich-keiten im gesamten Bereich der Medien zunutzen. In der von den Medien bestimmtenpolitischen Landschaft ist es für die Partei-en schlechterdings von eminent großer Be-deutung, über die jeweiligen Medienstruk-turen ihren Einfluss abzusichern. Beson-ders bemerkbar macht sich dies bei Wahl-en in die Rundfunkräte und bei Wahlen fürdie jeweiligen Intendanten der jeweiligenSendeanstalten.

Parteien in Deutschland wirken an der Wil-lenbildung des Volkes damit weit über dasnotwendige Maß hinaus nicht nur mit, siebilden heute die dominante Kraft. Von da-her ist es nicht falsch festzustellen, dass inder parlamentarischen Demokratie, diedarauf setzt, dass Parteien für ein ausge-wogenes Gleichgewicht sorgen, letztendlichnur und nahezu ausschließlich über dieMitgliedschaft in einer Partei Einfluss aus-geübt werden kann.

22 „Gebt den Kindern das Kommando ...“

Page 22: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

2. Grundlagen

Mitwirkung an der Willensbildung machtsich jedoch nicht nur daran fest, in welcherArt und Weise Einfluss auf das öffentlicheGeschehen ausgeübt wird. Vorrangige Auf-gabe der Parteien ist es – und dies be-gründet mit ihre eigentliche Funktion – mitprogrammatischen Aussagen im Wettbe-werb der politischen Meinungen und Auf-fassungen nicht nur für eine Mitgliedschaftzu werben, sondern gerade und insbeson-dere vor Wahlen die Wahlentscheidungenzu beeinflussen. Während die jeweiligenParteiprogramme eher Aussagen ingrundsätzlicher Hinsicht treffen und gleich-sam der jeweiligen Partei das jeweiligeImage geben, sind Wahlprogramme eherdafür gedacht, für einen überschaubarenZeitraum die jeweiligen politischen Absich-ten für die Wählerinnen und Wähler trans-parent zu machen. Dabei gestaltet sich diesfür Volksparteien im klassischen Sinne beiweitem schwieriger als für Richtungspar-teien, die vorrangig Rücksicht auf ihr engbegrenztes WählerInnenspektrum nehmenmüssen. Ebenso kann festgestellt werden,dass sich die Parteiprogramme der großenVolksparteien in zentralen politischen Fra-gen zunehmend kaum mehr voneinanderunterscheiden, weil heutzutage – im Zei-

chen der Globalisierung und weltweiten In-terdependenzen – eine Vielzahl von den zuregelnden politischen Angelegenheitennicht mehr durch „einfache Antworten“ zulösen sind. Hinzu kommt, dass mit demWegfall der Ost-West-Konfrontation derideologische Nährboden für den Wettbe-werb unterschiedlicher Wirtschafts- undGesellschaftskonzeptionen entfallen ist.Trotzdem geben weiterhin Parteiprogram-me Auskunft über die jeweiligen Politikkon-zepte. Sie bilden immer dann die Grundla-ge für Verhandlungen mit anderen Parteien,sofern diese aufgrund der Wahlentschei-dungen gezwungen sind, zur Bildung einerregierungsfähigen Mehrheit Koalitioneneinzugehen.

Eine überaus wichtige Rolle fällt den Partei-en zu, wenn sie bei der Aufstellung vonBewerberinnen und Bewerbern an denWahlen in Bund, Land und Gemeinden ineinem parteiinternen Verfahren festlegen,wer dafür geeignet ist und mit Aussicht aufErfolg den Wählerinnen und Wählern prä-sentiert werden soll. Sie bestimmen gleich-sam parteiintern den politischen Nach-wuchs und damit letztendlich, wer gegen-wärtig und zukünftig zur politischen Klasse

„Gebt den Kindern das Kommando ...“ 23

Page 23: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

2. Grundlagen

zählt oder zählen darf. Mit Rücksicht aufvielfältige und wahlentscheidende Erforder-nisse neigen die Parteien zwischenzeitlichzur Quotierung von aussichtsreichen Li-stenplätzen, die durch die Wählerinnen undWähler im Grunde genommen nicht mehrkorrigiert werden können. Dabei kommtden Parteien das bundesdeutsche Wahlsy-stem, welches eine Mischung aus Perso-nen- und Listenwahl ist (Erst- und Zweit-stimme), weitgehend entgegen. Bedingt da-durch gilt die Hälfte der zukünftigen Mit-glieder des Deutschen Bundestages und inden Länderparlamenten schon als gewählt,bevor die Wählerinnen und Wähler über-haupt ihre Stimmen abgegeben haben.Dieses, nach den gesetzlichen Wahlvor-schriften auch so gewollte Verfahren, ver-setzt die Parteien in eine überaus macht-volle Position: sie bestimmen im hohenMaße selbst, wer der politischen Klasse an-gehören darf.

Fasst man die verfassungsrechtlichen undeinfachgesetzlichen Rahmenbedingungenfür das Wirken der Parteien in Deutschlandzusammen, kann folgendes Fazit gezogenwerden:

Parteien in Deutschland haben eine ge-genüber anderen gesellschaftlichen Ak-teuren (Vereinen, Verbänden) hervorgeho-bene Stellung. Sie prägen mit dem An-spruch, auf allen Gebieten des öffentli-chen Lebens die Willensbildung zu beein-flussen, den vorpolitischen Raum ebensowie das politische Geschehen in den Par-lamenten. Bei der Rekrutierung der ge-genwärtigen und zukünftigen politischenKlasse nehmen sie eine Schlüsselfunktion

ein. Sie sorgen damit im Ergebnis für einestabile politische Situation in Deutsch-land.

Sofern Jugendliche und junge Erwachseneüber das jugendverbandliche Engagementund Wirken hinaus politisch gestaltend Ein-fluss nehmen wollen, ist der Weg über dieMitgliedschaft in den Parteien aussichts-reich. Es empfiehlt sich, darauf hin die Pro-gramme der Parteien zu vergleichen unddamit eine Entscheidung für eine Mitglied-schaft zu erleichtern.

Josef KönigBDKJ Bundesstelle

24 „Gebt den Kindern das Kommando ...“

Page 24: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

3. Jugend und Politik

„Gebt den Kindern das Kommando ...“ 25

Jugendpolitik versteht sich als die Interes-senvertretung von Kindern und Jugendli-chen. Dies übernehmen in einem katholi-schen Jugendverband wie die Kolpingju-gend Kinder und Jugendliche selbst. In de-mokratischen Entscheidungsprozessenmachen sie deutlich, was ihnen wichtig ist,was unter den Nägeln brennt und welchenGestaltungsbedarf sie sehen, damit Ent-scheidungen auf den unterschiedlichstenEbenen getroffen werden, die in ihrem Sin-ne sind. Dies kann auf der kommunalenEbene das Eintreten für eine ausreichendeAnzahl an Kinderspielplätzen, eines eige-nen Jugendraumes, einer Skaterbahn oderder Unterstützung der Stadt bei einer ge-planten Aktion sein.

Dabei sind Jugendverbände selbst in ihrerStruktur bereits Träger von Politik. Der her-ausragende Vorteil eines Verbandes wie derKolpingjugend besteht nämlich darin, dass

3. Jugend und Politik

die Gruppe vor Ort mit ihrem Anliegen nichtalleine bleiben muss, sondern dieses auchauf die Bezirks-, Kreis- oder Diözesanebeneoder durch deren VertreterInnen auch aufdie Bundesebene gebracht werden kann.Das breite Netzwerk an Jugendverbändenund deren Zusammenschlüssen, von demGaby Hagmans in ihrem Beitrag in diesemHeft sprechen wird, hilft, die Stimme vonKindern und Jugendlichen hörbar zu ma-chen und sie wirksam zu vertreten. Durchden Zusammenschluss und die Verbindungvon Jugendlichen in einem Verband ge-winnt ihre Stimme eine gewisse, größereStärke.

Dabei verstehen wir Jugendpolitik in einemengeren und einem weiteren Sinne. In ei-nem engeren Sinne geht es um die Ausge-staltung des Kinder- und Jugendhilfegeset-zes (KJHG) und um entsprechende Förde-rungsinstrumente, die helfen, es in die

3.1 Jugendpolitik

Page 25: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

3. Jugend und Politik

Wirklichkeit zu übertragen. Dies sind aufder Bundesebene der Kinder- und Jugend-plan des Bundes, auf Ebene der Bundes-länder die entsprechenden Landesjugend-pläne, die einer entsprechenden Ausgestal-tung bedürfen, damit freie Träger der Ju-gendhilfe und Kreis- Landes- und der Bun-desjugendring über entsprechende selbst-gestaltete Möglichkeiten verfügen können,Interessen von Kindern und Jugendlichenzu bündeln, zu verstärken, zu fördern undumzusetzen. Dies betrifft aber auch Fragender rechtlichen Stellung von Stadtjugen-dringen, Jugendparlamenten, Fragen da-nach, wo Jugendliche ihre Interessen wirk-sam zur Geltung bringen können, Themenwie die Zweigliedrigkeit des Jugendamtesetc. Teilweise entwickeln sich diese Fragenzu Spezialistenthemen, die aber dennochvon entscheidender Bedeutung sind für dieKinderstufen- und Jugendarbeit in unse-rem Lande und damit für die Möglichkeit,dass Kinder und Jugendliche eigenständi-ge, selbstbestimmte und wirksame Selbst-entfaltungsprozesse entwickeln können.

Die Kolpingjugend versteht Jugendpolitikallerdings noch umfassender bzw. im wei-teren Sinne, nämlich als Querschnittspoli-tik. Hierunter fallen vielfältige politische Fra-gestellungen, die Jugendliche in besonde-rer Weise betreffen. Obwohl ein direkterRückschluss möglicherweise schwer fällt,ist hiermit beispielsweise eine Rentenpoli-tik gemeint, die gesellschaftliche Lastenzwischen der älteren aber eben auch aufdie jüngere Generation verteilt. Jugendpoli-tik berührt in diesem Verständnis fernerdas Feld der Arbeitsmarktpolitik, weil vonArbeitsmarktfragen und von Arbeitslosigkeit

in besonderer Weise auch Jugendliche be-troffen sind. Der Jugendpolitik geht es umFragen der Generationengerechtigkeit, derFrage nach einer Gestaltung Europas, alsonach einem Europa, in dem Kinder und Ju-gendliche entsprechend ihre Interessenund Bedürfnisse zur Geltung bringen undumgesetzt sehen können. Gemeint sind da-mit auch Fragen der Bildungspolitik, weil eseben auch und gerade Kinder und Jugend-liche sind, die ein Recht auf eine umfas-sende Bildung haben. Es geht um Familien-politik, die verhindert, dass Kinder, wie der-zeit der Fall, zunehmend zum Armutsrisikofür Eltern werden. Es geht um Fragen desUmweltschutzes, weil es die kommendeGeneration ist, auf deren Kosten wir leben.Zu berücksichtigen sind aber auch – unddies hat der 11. September in erschrecken-der Weise gezeigt – wieder verstärkt Fragender Sicherheitspolitik, weil Kinder und Ju-gendliche ein Recht auf eine sichere Ent-wicklung und auf ein Leben in Frieden oh-ne Bedrohung haben. Es geht um das The-ma der Einen-Welt bzw. der Entwicklungs-politik, weil es im besonderen Interesse vonKindern und Jugendlichen ist im Zuge ei-nes intensiveren Zusammenwachsens derWelt gerecht, gleichberechtigt und dialogof-fen den Menschen der ganzen Welt zu be-gegnen. Diese und viele andere Themensind wichtige Fragestellungen im Bereicheiner Jugendpolitik als Querschnittspolitik,bei der es darum geht, Kindern und Ju-gendlichen einen angemessenen und zu-kunftsfähigen sowie gerechten Rahmenzum Aufwachsen, Hineinwachsen und Le-ben in unserer Welt zu ermöglichen.

Natürlich können nicht alle Fragestellungen

26 „Gebt den Kindern das Kommando ...“

Page 26: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

3. Jugend und Politik

und alle Themen von einer Jugendgruppeallein und primär behandelt werden. Wich-tig, um ein wirksames Sprachrohr für dieInteressen von Kindern und Jugendlichenzu sein ist aber, Jugendlichen an so kon-kreten Handlungsfeldern wie möglich be-reits vor Ort für Möglichkeiten und Notwen-digkeiten zur Gestaltung ihrer unmittelba-ren Lebensumwelt zu sensibilisieren unddie Verbundenheit in einem Jugendver-band wie der Kolpingjugend zu stärken, da-mit sie auch zukünftig ein wichtiges und

viel gehörtes Sprachrohr für die Interessenvon Kindern und Jugendlichen auf Bezirks-,Kreis-, Diözesan-, Landes-, Regional- oderaber auch auf der Bundesebene sein kann.Diese Verbindung nicht zu pflegen heißtden Jugendverband und damit seine Mög-lichkeiten und Bestimmungen, für die er daist, zu schwächen. Auf Schwerpunkte desHandelns der Kolpingjugend im Bereich derJugendpolitik haben wir uns in den Leitsät-zen verständigt.

„Gebt den Kindern das Kommando ...“ 27

Page 27: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

28 „Gebt den Kindern das Kommando ...“

Das bestehende politische System der re-präsentativen Demokratie ist weder zur Lö-sung der drängendsten Probleme geeignetnoch bietet es jungen Menschen ausrei-chende Möglichkeiten, sich politisich zu be-teiligen. Deshalb bedarf es einer Frischzel-lenkur für die Demokratie. Der Kern dieserAuffrischung stellt die direkte Demokratiedar, die gerade jungen Menschen bessereChancen der Partizipation bietet. Die direk-te Demokratie kann wiederum Anlass bzw.der Weg sein, um weitere Formen der Bür-gerbeteiligung für junge Menschen durch-zusetzen.

Die Krise der repräsentativen Demokratie

Häufig genug wird behauptet, unsere realexistierende Demokratie lasse genügendSpielraum für die Mitbestimmung des Ein-zelnen. Mit der Stimmabgabe bei einerWahl wird die Souveränität eines jedenMenschen auf Zeit einer Partei übertragen,in der Hoffnung, diese werde schon im Sin-ne des Wählers bzw. der Wählerin entschei-den. Außerdem gebe es jetzt schon genü-gend Möglichkeiten der Einflussnahme z.B.durch aktive Parteiarbeit, durch die Beteili-gung an Anhörungen, Bürgerfragestunden,Petitionen, Demonstrationen etc. Der Ge-sellschaft wirklich wichtige Fragen würdenohnehin früher oder später von den Partei-en und Parlamenten aufgegriffen.

3. Jugend und Politik

Doch die Realität sieht meistens andersaus. Die Parteien ähneln sich immer mehr,so dass eine tatsächlich Aus“WAHL“ immerschwerer fällt. Bei vielen Fragen handelt ei-ne Partei anders als es sich ihre Wählerin-nen und Wähler wünschen. Dies ist auf-grund der vielen Entscheidungen auch garnicht anders möglich. Das System der Re-präsentation stößt ganz automatisch anseine Grenzen. Bei wichtigen politischenFragen, z.B. Auslandseinsätzen der Bundes-wehr, findet sich die Zerrissenheit der Ge-sellschaft im Parlament kaum wieder. Dieaktive Mitarbeit in Parteien schreckt auf-grund der verkrusteten Strukturen viele ab.Schon zahlenmäßig bietet diese Optionkeine wirkliche Alternative, weil die wichtig-sten Entscheidungen ohnehin nur von ei-nem kleinen Führungszirkel in den Parteiengetroffen werden.

Auch die internen Abläufe der von der Re-gierung dominierten parlamentarischenDemokratie trüben den „schönen Scheinder Demokratie“ (Hans-Herbert von Arnim).Die wirklich inhaltlich spannenden Debat-ten finden hinter verschlossenen Türenstatt; Bundestags- und Landtagsdebattensind nur noch ritualisierte Schaulaufen fürdie Öffentlichkeit, die Entscheidungen sindlängst gefallen. Zahlreiche Zwänge engendas „freie“ Mandat des/der Abgeordnetenein. Der Fraktionszwang sorgt dafür, dassAbgeordnete sich im Normalfall der Mehr-heitsmeinung ihrer Abgeordnetenkollegin-nen und -kollegen anschließen; der Koaliti-

3.2 Jugend und direkte Demokratie

Page 28: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

3. Jugend und Politik

onszwang dafür, dass eine ganze Fraktionbzw. Partei Dinge mitträgt, die sie eigentlichfür grundsätzlich falsch hält. Und die engeEinbindung in internationale Organisatio-nen wie NATO, WTO oder EU schränken denHandlungsspielraum der gesamten Bun-desrepublik Deutschland weiter ein. Undwenn diese ganzen Zwänge immer nochnicht das gewünschte Ergebnis garantieren,dann wird noch nicht einmal vor einemMissbrauch des Grundgesetzes wie im Fal-le der bisher einmaligen Verknüpfung einerSachfrage (Bundeswehreinsatz in Afghani-stan) mit einer Machtfrage (Vertrauensfrage)zurückgeschreckt.

Viele Menschen wenden sich deshalb ab.Die meisten nur von der Vorstellung, mit ih-rer Stimmabgabe wirklich etwas bewirkenzu können; viele werden zu Stamm- zuWechselwählern, immer mehr wählen garnicht mehr, einige wenden sich radikalenParteien zu und – bisher noch wenige – ge-hen der Demokratie insgesamt verloren.Bei jungen Menschen können all diese Ten-denzen bereits beobachtet werden: dieWahlbeteiligung von Erst- bzw. Wählern un-ter 30 Jahren liegt deutlich unter der ande-rer Wählergruppen, der Anteil jugendlicherbzw. junger Parteimitglieder ist sehr geringund die Bereitschaft zur Wahl rechtsradika-ler Parteien signifikant hoch. Zudem arbei-ten junge Menschen lieber in zeitlich undsachlich klar umrissenen Projekten mit, beidenen sie sich ein günstiges Verhältnis zwi-schen Aufwand und Ertrag ihres politischenEngagements erhoffen.

Vision Mitbestimmung – die Chance der direkten Demokratie

Diese beschriebenen Defekte des politi-schen Systems sind nicht durch kleinereKorrekturen oder gar durch die Gründungneuer Parteien behebbar. Andererseits sindauch keine utopischen revolutionären For-derungen vonnöten. Eine klare Alternativeist bereits in unserem Verfassungssystemangelegt – direkte Demokratie.

Damit ist gemeint, dass die Bürgerinnenund Bürger selbst Politik machen, indemsie in einem Volksentscheid direkt Gesetzebeschließen oder andere Entscheidungentreffen können. Dies funktioniert so, dasseine Bürgerinitiative oder ein Verein einenbestimmten Vorschlag oder einen Gesetz-entwurf ausarbeiten und dafür die Unter-schriften eines bestimmten Anteiles derWahlberechtigten sammeln müssen (Volks-initiative). Ist dies gelungen, beschäftigt sichdas Parlament mit dem Vorschlag – eskann ihn annehmen oder ablehnen undwenn es das Verfahren zulässt auch einenKompromiss mit den Initiatoren finden. Kommt es zu keiner Annahme und zu kei-nem Kompromiss, können die Initiatorendas Volksbegehren einleiten. Auch hiermüssen wieder Unterschriften gesammeltwerden, allerdings erheblich mehr als beider Volksinitiative, weil das Volksbegehrensicherstellen soll, dass ein Thema genü-gend Rückhalt in der Bevölkerung hat, dassdarüber ein Volksentscheid stattfindenkann. Bei dem abschließenden Volksent-scheid wird dann darüber entschieden, ob

„Gebt den Kindern das Kommando ...“ 29

Page 29: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

3. Jugend und Politik

der Vorschlag bzw. der Gesetzentwurf ange-nommen wird oder nicht. Wird er ange-nommen, tritt er verbindlich in Kraft, als obdas Parlament diese Entscheidung getrof-fen hätte. Zentrale Entscheidungen wie Ver-fassungsänderungen oder wichtige interna-tionale Verträge (z.B. eine europäische Ver-fassung) sollten obligatorisch abgestimmtwerden, d.h. hier findet in jedem Fall eineVolksabstimmung statt, die Vorstufen Volks-initiative und Volksbegehren sind nicht er-forderlich.

In Art. 20 des Grundgesetzes ist direkte De-mokratie bereits durch die Aussage „AlleStaatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wirddurch Wahlen und Abstimmungen ... aus-

geübt“ angelegt. Dadurch wird im übrigenauch klargestellt, dass direkte Demokratienicht die repräsentative Demokratie ersetzt,sondern dass beide Formen nebeneinan-der koexistieren können. Allerdings fehlt aufBundesebene eine konkrete Ausgestaltungder direkten Gesetzgebung durch das Volk,während alle 16 Bundesländer mittlerweiledie Möglichkeit des Volksentscheides inihren Verfassungen verankert haben. Aufkommunaler Ebene ist dieses Instrument inallen Bundesländern außer Berlin vorhanden.

Direkte Demokratie ist eine demokratischeSelbstverständlichkeit. Wieso wird denWählerinnen und Wählern die äußerst ver-antwortungsvolle Aufgabe zugetraut, die

30 „Gebt den Kindern das Kommando ...“

Page 30: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

3. Jugend und Politik

richtige Partei bzw. die richtige Person aus-wählen zu können, nicht aber eine be-stimmte Sachfrage zu entscheiden? Wennnun einmal eine Grundsatzentscheidungfür die Demokratie gefallen ist (und das istauch gut so, um einen derzeit sehr po-pulären Spruch aufzugreifen), dann kanndas Vertrauen in den Bürger nicht bei Wahl-en positiv, bei Abstimmungen aber negativeingestuft werden.

Neben diesem grundsätzlichen (und kaumwiderlegbaren) Argument ist der zweitezentrale Grund für direkte Demokratie dieMöglichkeit der Mitbestimmung. Wie bereitsoben geschildert, bietet das Wahlrecht kei-ne Möglichkeit der direkten Entscheidungüber Sachfragen, was vor allem dann är-gerlich ist, wenn die jeweils gewählte Parteisich in der Opposition befindet bzw. als Re-gierungspartei nicht das tut, wofür sie ge-wählt worden ist. Direkte Demokratie bietetdie Möglichkeit, das Parlament dort zu kor-rigieren, wo es nicht mehr repräsentativhandelt und neue Impulse aus der Gesell-schaft aufzunehmen und auf die politischeTagesordnung zu setzen.

Die weiter oben beschriebenen Zwänge derrepräsentativen Demokratie gibt es in derdirekten Demokratie nicht. Einzig und alleindie Sachentscheidung steht im Vorder-grund, bei einem Volksentscheid gibt eskeinen Koalitions- oder Fraktionszwang.Taktik und Strategie spielen im Vergleichzum parlamentarischen System nur eineuntergeordnete Rolle. Lobbyinteressen wer-den zurückgedrängt (ein ganzes Volk kannnicht gekauft werden, einzelne Politiker undBeamte schon eher).

Doch was ist mit den Gefahren der direktenDemokratie, vor denen in politischen Dis-kussionen immer wieder gewarnt wird?Steht wirklich die Wiedereinführung der To-dessstrafe an, wenn das Volk direkt ab-stimmt? Nein, dies ist schon rechtlich nichtmöglich. Volksentscheide können nur zuThemen stattfinden, über die auch das Par-lament abstimmen darf. Die Todesstrafe istvölkerrechtsverbindlich abgeschafft wordenund verstößt nach herrschender Meinunggegen Art. 1 des Grundgesetzes („Die Wür-de des Menschen ist unantastbar“). Davoneinmal abgesehen, gab es entgegen leidersehr weit verbreiteten Fehlannahmen nurein einziges mal in der Geschichte derBundesrepublik Deutschland eine Mehrheitfür die Einführung der Todesstrafe – imHerbst 1977, als der Terror der RAF die Re-publik in Atem hielt.

Doch was ist mit Volksbegehren oder Volks-entscheiden über Minderheitenfragen?Würde das Volk nicht tendenziell die Rech-te von Minderheiten, von Ausländern, Asyl-bewerbern, sozial Schwachen etc. be-schneiden? Hier muss zunächst darauf hin-gewiesen werden, dass eine Volksinitiativevom Bundesverfassungsgericht auf seineVereinbarkeit mit dem Grundgesetz über-prüft werden kann. Wenn bestimmte Gren-zen überschritten werden, z.B. der ge-schützte Wesensgehalt von Grundrechtenoder das Rechtsstaatsgebot, dann kann ei-ne solche Volksinitiative nicht zugelassenwerden. Außerdem ist es für die Betreiber„radikaler“ Initiativen erheblich schwerer, dieerforderlichen Unterschriften zu sammeln. Was aber, wenn eine diskriminierendeVolksinitiative zulässig ist, das Volksbegeh-

„Gebt den Kindern das Kommando ...“ 31

Page 31: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

3. Jugend und Politik

ren geschafft wird und es zur Abstimmungkommt? So etwas kann natürlich nichtgrundsätzlich ausgeschlossen werden, eswird aber nach all den Erfahrungen, die wiraus den Bundesländern, der deutschen Ge-schichte sowie aus dem In- und Auslandkennen, eher die Ausnahme bleiben undnur selten Erfolg haben. In der konservati-ven Schweiz sind z.B. alle Anti-Ausländer-Volksentscheide gescheitert, ein Versuchzur Einführung der Todesstrafe für Drogen-dealer ist bereits bei der Unterschriften-sammlung steckengeblieben. Davon einmalabgesehen ist es besser, wenn ein vorhan-dener Unmut in der Bevölkerung ein Ventilfindet als wenn dies unter den Teppich ge-kehrt wird. Eine offene Diskussion auchüber scheinbar unangenehme Themenkann eine bereinigende Wirkung habenund den Initiatoren minderheitenfeindli-cher Volksbegehren evtl. auch ihre Isolationin der Gesellschaft verdeutlichen.

Sind die Menschen nicht überfordert damit,komplexe Sachverhalte zu beurteilen undzu entscheiden? Können sie nicht zu leichtvon den Medien manipuliert werden? Die-ses Argument kann genauso gegen dasWahlrecht angeführt werden. Allerdings istdort die Medienberichterstattung weit um-fangreicher und die diskutierten Themenerheblich komplexer als bei einem Volks-entscheid. Dort wird über einen einzigenSachverhalt entscheiden; dies sollte mün-digen Bürgerinnen und Bürgern in einerDemokratie zugemutet werden können. Umdie Macht der Medien eindämmen zu kön-nen, kann nach Schweizer Vorbild vor ei-nem Volksentscheid eine Informationsbro-schüre an die Bürgerinnen und Bürger ver-

schickt werden, in der neben einer allge-meinverständlichen Zusammenfassung desAbstimmungsthemas auch die jeweiligenPro- und Contra-Argumente gleichberech-tigt aufgeführt werden.

Die Chance, die sich gerade jungen Men-schen bei direkter Demokratie bietet, istder Projektcharakter. Wer eine Volksinitiati-ve startet und bis zum Volksentscheiddurchbringt, der hat ein zeitlich und sach-lich klar umrissenes Projekt, für das er odersie sich einsetzt. Es handelt sich nicht umhochtrabende, aber überwiegend folgenlo-se Diskussionen über ganz große Verände-rungen, sondern um einen verbindlichenWeg, direkt politische Entscheidungen mit-zugestalten, ohne sich zwingend einer poli-tischen Partei anschließen zu müssen.Ganz konkret kann natürlich auch versuchtwerden, jugendpolitische Entscheidungenauf diese Art und Weise zu treffen. Z.B.könnte auf kommunaler Ebene der Aufbaueines Jugendclubs auf den Weg gebrachtbzw. die geplante Schließung eines solchenClubs verhindert werden. Auf Landes- oderBundesebene könnten Volksinitiativen zurSenkung des Wahlalters auf den Weg ge-bracht werden.

32 „Gebt den Kindern das Kommando ...“

Page 32: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

3. Jugend und Politik

Direkte Demokratie wirkt aber bereits da-durch, dass es sie gibt. Die politischen Re-präsentanten müssen sich mehr Mühe ge-ben, ihre Politik verständlich zu machenund das ständige Gespräch mit den Men-schen suchen. Und umgekehrt sehen auchdiese sich veranlasst, sich mehr um politi-sche Fragen zu kümmern, weil ihnen mehrVerantwortung zufällt. Deswegen werdenbeide Seiten die vielfältigen, teilweise be-reits vorhandenen Formen unverbindlicher,aber gleichwohl ergiebiger Bürgerbeteili-gung nutzen:

n Befragungen und Anhörungen werdenstärker angeboten und genutzt

n beratende Gremien wie Beiräte oderRunde Tische werden wichtiger

n die direkte Demokratie kann Anlass oderauch Weg sein, um Jugendräte oder Ju-gendparlamente einzurichten

n Bürgerbüros und Freiwilligenzentren kön-nen Engagement wecken

n kommunale Haushalte können nachdem Vorbild von Porto Alegre in partizi-pativer Form aufgestellt werden

n selbst komplizierte Fragen können miteinem Bürgergutachten gelöst werden

Ohne funktionierende direktdemokratischeElemente werden diese „weichen“ Instru-mente aber im wesentlichen eine Spielwie-se bleiben, für die sich die Politiker, Partei-en und Parlamente nicht ernsthaft interes-sieren werden, weil ihnen im Falle derNichtbeachtung ja keine ernsthaften Kon-sequenzen drohen. Eine ernstzunehmendeBürgerbeteiligung wird es ohne direkte De-mokratie nicht geben. Gerade junge Men-schen sollten sich dafür einsetzen.

Michael EflerMitglied im Bundesvorstand von Mehr Demokratie e.V.

www.mehr-demokratie.de

„Gebt den Kindern das Kommando ...“ 33

Durch direkte Demokratie zu mehr Beteiligung

Page 33: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

Mittlerweile haben wir uns schon alle dar-an gewöhnt: Die Bundesregierung und dasParlament haben ihren Sitz in Berlin bezo-gen. Das Parlament ist erst vor zwei Jahrenumgezogen. Wenige erinnern sich noch andie heißen Diskussionen um die Frage desRegierungssitzes. Doch diese empfundene Selbstverständ-lichkeit ist nur an der Oberfläche so, dar-unter existiert viel Unmut und Chaos. Fastalle Ministerien auf der Bundesebene sind

geteilt: die Leitung des Hauses und dieGrundsatzreferate sitzen in Berlin, weitereReferate und die Administration in Bonn.Nach wie vor pendeln viele Mitarbeiterin-nen und Mitarbeiter von Berlin ins Rhein-land. Die Wege in Berlin zwischen den Re-gierungsgebäuden und zu den Lobbyistensind weiter als in Bonn. Dies sind nur eini-ge praktische Hindernisse, die die Politik inBerlin bestimmen und teilweise behindern.Daneben entsteht in Berlin eine andere Dy-

34 „Gebt den Kindern das Kommando ...“

3. Jugend und Politik

3.3 In Berlin mitmischen!!!

Page 34: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

3. Jugend und Politik

„Gebt den Kindern das Kommando ...“ 35

namik in den politischen Abläufen als diesin der doch recht beschaulichen StadtBonn noch der Fall war: Die meisten Orga-nisationen, Lobbyisten, Stiftungen und Me-dienzentralen haben ihren Sitz nach Berlinverlegt oder zumindest eine Hauptstadtver-tretung eingerichtet. Dies führt zu einerKonzentration der politischen Prozesse aufdie Bundeshauptstadt, die teilweise die Si-tuation über Berlin hinaus auszublendendroht.Die Medien sind in den letzten Jahren zahl-reicher geworden, was zu einer bemerkbarhöheren Anzahl an Journalisten und Korre-spondenten in Berlin führt, die einen stär-keren Konkurrenzkampf um exklusive Infor-mationen eingehen müssen. Auf der einenSeite reagiert die Politik mit einer stärkerenHinwendung zu den Medien, auf der ande-ren Seite bemühen sich die Politiker undPolitikerinnen um Orte, an denen sie ge-schützt vor den Medien diskutieren können.Die informellen Gespräche gewinnen eineneue Bedeutung.

Es wäre noch viel zu sagen über die be-sondere Situation der Bundespolitik in Ber-lin, für einen katholischen Jugendverbandist eine Komponente noch wichtig zu er-wähnen: die Situation der katholischen Kir-che und der katholischen Jugendverbändein der Bundeshauptstadt. Die katholischeKirche hat in Berlin nicht die Bedeutung,die ihr noch im Rheinland zukommt. IhreStrukturen sind schwächer und die Anzahlder Katholiken und Katholikinnen geringerim Vergleich zu anderen Diözesen. Im Um-feld Berlins stellt sich die Situation ähnlichdar. Dies trifft natürlich auch die katholi-schen Jugendverbände, die in den Diaspo-

ragebieten des Ostens wenig ausgeprägtsind. Darüber hinaus nimmt die Akzeptanzund die Bedeutung der Kirchen in der Ge-sellschaft ab. Dies alles hat Einfluss auf dieBundespolitik in dem Sinne, dass die ka-tholische Kirche mit ihren Vertretern undVertreterinnen aktiver auf die Politiker undPolitikerinnen zugehen müssen und die Be-deutung der Arbeit in den Kirchen für dieMenschen, die Gesellschaft und die Politikdarlegen müssen.

Dies sind nur einige Schlaglichter auf dieSituation am neuen Regierungssitz. Die ka-tholischen Jugendverbände sind ebenfallsAkteure in dieser politischen Landschaftund mischen sich gemäß ihrem Selbstver-ständnis als Interessenvertretung von Kin-dern und Jugendlichen in die Politik ein.Doch auch wir merken die Auswirkungender oben beschriebenen Veränderungen inden politischen Prozessen. Auch wir erle-ben eine schwindende Akzeptanz unsererArbeit und einen erhöhten Rechtfertigungs-druck.

Die Jugendverbände ziehen die richtigenKonsequenzen aus dieser Situation, in demsie mehr in Berlin präsent sind, wie z.B. dieKolpingjugend mit der JugendpolitischenPraxiswoche, die KSJ mit der Sommeraka-demie und die KLJB mit ihren politischenGesprächen im Rahmen der Grünen Wo-che. Auch die BDKJ-Hauptversammlung hatmit ihrer Entscheidung auf Einrichtung ei-nes Büros in Berlin die jugendpolitische In-teressenvertretung verstärkt. Der BDKJ-Bundesvorstand verfolgt das Ziel, die Arbeitder katholischen Jugendverbände in derBundespolitik stärker zu präsentieren und

Page 35: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

mehr Einfluss auf politische Entschei-dungsprozesse zu nehmen.

Was heißt das konkret? Ein Mitglied des BD-KJ-Bundesvorstandes, derzeit Gaby Hag-mans, hat seinen Sitz nach Berlin verlegtund wird dort in der jugendpolitischen Ar-beit von dem neu zugeschnittenen Referat„Jugend- und Frauenpolitik“ unterstützt.Über das Büro in Berlin verstärkt der BDKJ-Bundesvorstand seine Kontakte zu Parla-ment, Regierung und Parteien. Dies bedeu-tet eine Vielzahl an offiziellen Treffen mitVertreterinnen und Vertretern dieser Orga-nisationen und Institutionen, wie z.B. An-hörungen, Konferenzen, Spitzengespräche,Podiumsdiskussionen etc., aber auch viele

3. Jugend und Politik

36 „Gebt den Kindern das Kommando ...“

informelle, wie z.B. Parlamentarische Aben-de, Netzwerktreffen u.a.m. Diese letztge-nannte Form der Lobbyarbeit ist schwer inRechenschaftsberichten darzulegen, ist je-doch für die Kontaktarbeit unerlässlich undgewinnt in Berlin zunehmend an Bedeu-tung. Seine Kontakte nutzt der BDKJ-Bundesvor-stand, um Schwerpunkte und Positionender katholischen Jugendverbände zu trans-portieren, aber auch, um der Politik bera-tend und unterstützend zur Seite zu stehen– z.B. in konkreten Gesetzgebungsverfah-ren, wie derzeit bei der Erstellung des Frei-willigengesetzes aber auch bei jugendpoli-tischen Initiativen, wie der großen Anfragezur Jugendpolitik und dem daraus folgen-

Page 36: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

3. Jugend und Politik

des BDKJ mit dem DBJR gegeben, da GabyHagmans für weitere zwei Jahre als Vorsit-zende des DBJR wiedergewählt wurde.

In aller Kürze waren hier nur ein paarSchlaglichter auf die Arbeit des BDKJ-Bun-desvorstandes in Berlin und auf die Einord-nung in die Bundespolitik möglich. Ich wür-de Euch/Ihnen gerne mehr erzählen, be-sucht mich/besuchen Sie mich doch malin Berlin: BDKJ-Bundesvorstand, Büro Ber-lin, Chausseestr. 128 a, 10115 Berlin,030/2887895-0

Gaby HagmansBDKJ-Bundesvorsitzende

DBJR-Vorsitzende

„Gebt den Kindern das Kommando ...“ 37

den Entschließungsantrag. Gleichzeitig er-möglicht eine gute Kontaktarbeit, Informa-tionen frühzeitig zu bekommen und Infor-mationen direkt und schnell weiterzuge-ben. So sind schon im Vorfeld öffentlicherDiskussionen viele Gespräche zwischen Po-litikerinnen und Politerkern und den Lobby-isten gelaufen und gegensätzliche Positio-nen teilweise geglättet.

Neben der Kontaktarbeit ist eine inhaltlicheProfilierung notwendig, die die Schwer-punktsetzung des BDKJ auf der Bundese-bene deutlich macht. Derzeit konzentriertsich der BDKJ in der nationalen Jugendpo-litik stark auf sozial- und arbeitsmarktpoli-tische Themen sowie in einem weiterenSchwerpunkt auf die engere Jugendhilfepo-litik.

Der BDKJ ist Mitglied im Deutschen Bundes-jugendring. Die Arbeit in den Gremien desDBJR (Deutscher Bundesjugendring) nimmtviel Raum in der jugendpolitischen Interes-senvertretung des BDKJ-Bundesvorstandesein. Der DBJR ist eine Arbeitsgemeinschaftvon 22 Jugendverbänden auf Bundesebeneund den 16 Landesjugendringen. Er vertrittzum einen die Intereressen dieser Jugend-organisationen und zum anderen die Inter-essen der Kinder und Jugendlichen inDeutschland. Der DBJR ist damit neben derDeutschen Sportjugend die größte Lobby-organisation für Kinder und Jugendliche. Erhat einen festen Platz in vielen jugendpoli-tisch wichtigen Gremien, wie z.B. den mei-sten bilateralen Jugendräten im internatio-nalen Jugendaustausch und in der Mitglie-derversammlung des Deutschen Jugendin-stitutes. Derzeit ist eine starke Verzahnung

Page 37: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

4. Kolpingjugend und Politik

4.1 Was hat die Kolpingjugend mit Politik zu tun?

38 „Gebt den Kindern das Kommando ...“

Vorbemerkung oder: „Vorsicht mit Begrifflichkeiten“

Der 1846 entstandene katholische Gesel-lenverein, aus dem 1850 ein Verband wur-de – das heutige Kolpingwerk – war mitseiner Zielgruppe lediger männlicherHandwerksgesellen im Alter von etwa 18-30 nach heutigem Verständnis ein Jugend-verband. Tatsächlich verstand er sich abervon seiner Mitgliedschaft her als „Standes-verein“. Erst gegen Ende des 19. Jahrhun-derts ist eine eigenständige katholische Ju-gendbewegung entstanden, was im Gesel-lenverein zu heftigen Debatten um „Zustän-digkeiten“ resp. „Abgrenzungen“ führte.Im Zusammenhang mit der Machtergrei-fung des Nationalsozialismus in Deutsch-land kam es zu tiefgreifenden Veränderun-gen im Verband: Neben den traditionellenGesellenverein (später Gruppe „Kolping“ ge-nannt) trat die Gruppe „Altkolping“, gebil-det aus ehemaligen Mitgliedern, die verhei-ratet waren und/oder eine selbständigeExistenz begründet hatten.Vor diesem Hintergrund entwickelte sichnach dem Zweiten Weltkrieg eine eigen-ständige Jugendverbandsarbeit im Kolping-werk. Neben die Gruppe Kolping (späterGruppe Kolping / Junge Erwachsene) tratdie Gruppe Jungkolping; beide Gruppen

4. Kolpingjugend und Politik

bildeten nun die Kolpingjugend, die heutealle Mitglieder bis zur Vollendung des 30.Lebensjahres umfasst.

Ausgangslage

Wandernde Gesellen ohne festen Wohnsitzund ohne berufliche/ gesellschaftliche Eta-blierung resp. Verwurzelung, dazu in einemgesellschaftlich relativ „bescheidenen“ Sta-tus, was etwa Einkommen, Bildung und An-sehen betraf. So stellt sich die traditionelleMitgliedschaft im katholischen Gesellenver-ein dar. Da war unter den gegebenen Um-ständen kein Ansatz/ keine echte Chancefür konkretes, nachhaltiges politisches Wir-ken/ Engagement gegeben, nachdem Poli-tik in dieser Zeit mehr oder weniger aus-schließlich eine Sache des etablierten Bür-gertums war. Das, was möglich war und entsprechendpraktiziert wurde, war eine im weitestenSinne verstandene politische Bildung unter

Page 38: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

4. Kolpingjugend und Politik

der kolping’schen Devise des „tüchtigenBürgers“. Klarer Akzent war in diesem Zu-sammenhang die Zielperspektive desselbständigen Handwerksmeisters, der imRahmen der gegebenen Möglichkeiten ge-sellschaftliche und damit auch politischeMitverantwortung übernehmen sollte.Der Geselle sollte etwas aus sich machen,erst einmal mit seinem eigenen Werdegangin Beruf und Familie zurechtkommen, ehedaran zu denken war, sich irgendwie poli-tisch zu betätigen, soweit dies überhauptrelevant war. Insofern musste der Akzentauf der „Staatsbürgerkunde“ liegen, d.h. Er-ziehung zum „braven“, gehorsamen Staats-bürger, der den zuständigen Kräften undAutoritäten ihr Feld überließ. Wichtig dabeiist die traditionelle Analogie gesellschaftli-cher und kirchlicher Strukturen, Erfahrun-gen, Verhaltens- und Orientierungsmuster!Kolping: Für den Gesellen (Handwerker) istPolitik nicht der „Beruf“!

Politik im Sinne von parlamentarischer Ar-beit war als weitestgehend ehrenamtlichesund unentgeltliches „Geschäft“ denenüberlassen, die es sich von Bildung und Be-sitz her leisten konnten. Akzeptanz im po-litischen Leben fand nur der, der auch ingesellschaftlicher Hinsicht „oben“ mit dabeiwar! Die unteren Schichten, so die Erfah-rung, machten höchstens Revolution! ImÜbrigen galt in Preußen bis 1918 das Drei-Klassen-Wahlrecht, das einkommens-schwächeren Bevölkerungsschichten nureine begrenzte Teilhabe am politischen Le-ben ermöglichte. Insgesamt muss zudemauch eine gewisse Distanz der katholischenKirche, d.h. auch der Katholiken zum weit-hin liberal geprägten Staat und damit auch

zum politischen „Geschäft“ gesehen werden.Staatlicherseits (speziell auf Preußen hingesehen) bestanden Misstrauen und Sorgegegenüber allen katholischen Initiativenund Aktivitäten. Zudem herrschte eine ge-nerelle Angst vor allen freien bürgerlichenKräften/ Initiativen mit unmittelbarer ge-sellschaftlicher (politischer) Relevanz.

Gesellenverein und Politik

Über viele Jahrzehnte hinweg war die „Be-handlung politischer Angelegenheiten“ imGesellenverein satzungsmäßig ausdrück-lich verboten. Dieses sogenannte „Politik-Verbot“ ist nur vor dem Hintergrund allerrelevanten Faktoren verständlich; es bedeu-tet in keinem Falle einen „unpolitischen“Kolping- bzw. Gesellenverein! Tatsächlichging es „nur“ darum, risikoreiche Bestim-mungen des preußischen Vereinsgesetzeszu umschiffen.In der Praxis der Verbandsarbeit war, wieerwähnt, die im weitesten Sinne verstan-dene politische Bildung ein wichtiger undunverzichtbarer Kernbestandteil der Bil-dungsarbeit. Nach dem sog. „Kulturkampf“der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts kampolitischen Themen im Gesellenverein

„Gebt den Kindern das Kommando ...“ 39

Page 39: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

4. Kolpingjugend und Politik

zwangsläufig eine wachsende Bedeutungzu. Da begann mit der einschlägigen Sozi-algesetzgebung der Aufbau neuer sozialerSicherungssysteme, da entstand eine un-abhängige, zunächst nachdrücklich soziali-stisch geprägte Gewerkschaftsbewegung,da entfaltete sich die katholische Sozialleh-re und entwickelte sich eine selbstbewus-ste katholische Sozialbewegung, und dakam es schließlich zu neuen Regelungenim Bereich des Handwerks (Handwerksord-nung) – alles Themen von mehr oder weni-ger unmittelbarer Bedeutung für die Mit-glieder des katholischen Gesellenvereins,an denen dieser nicht vorbeigehen konnte.Im Rahmen seiner Möglichkeiten hat derVerband versucht, seine Mitglieder zum en-gagierten Mittun im Bereich relevanter ge-sellschaftlicher und politischer Mitwir-kungsmöglichkeiten anzuregen und zu be-fähigen, und dies immer sowohl mit der ge-botenen „Rücksicht“ auf gegebene Macht-verhältnisse als auch im Kontext aktuellerMeinungsbildungsprozesse im katholi-schen „Lager“.

Chance und Herausforderungzum Engagement

Mit der Weimarer Republik existierte nach1918 in Deutschland erstmalig eine wirkli-

che Demokratie mit entsprechend breitenMitwirkungsmöglichkeiten der Bürger. DasKolpingwerk hat diese Chance genutzt undseine Bildungsarbeit entsprechend ausge-richtet. Damit ging eine „Emanzipation“ derLaien in der Verbandsleitung einher: Nachrund 70 Jahren einer mehr oder wenigeralleinigen Dominanz der Präsides auf derüberörtlichen Ebene wurde den Vertreternder Mitglieder durch die Generalversamm-lung des Jahres 1921 (wieder) das Rechtzur aktiven Mitwirkung in den grundlegen-den Verbandsangelegenheiten eingeräumt.1928 entsteht ein eigenständiger deutscherZentralverband im Kolpingwerk, der 1929seine erste Zentralversammlung durch-führt, die aus den Diözesanpräsides undden Diözesansenioren (Vertreter der Mit-glieder) besteht. Mit der Machtergreifung des Nationalsozia-lismus, der vom Gesellenverein ebenso wievom gesamten bürgerlichen Lager „unter-schätzt“ worden war, beginnt eine Zeit derzunehmenden Unterdrückung. Ein katholi-scher „Standesverein“ mit der ausdrückli-chen Maßgabe der im weitesten Sinne ver-standenen politischen Interessenvertretung– speziell im Handwerk – passte nicht zumAlleinvertretungsanspruch der neuen Macht-haber. Der Verband wurde in seinen Wirk-möglichkeiten nach und nach auf den reli-giös-kirchlichen Bereich beschränkt; imZweiten Weltkrieg kam die Verbandsarbeitweitestgehend zum Erliegen.In dieser Situation kam es durch die deut-sche Zentralversammlung 1933 zu einergrundlegenden Neuformierung des Verban-des: Neben den traditionellen Gesellenver-ein trat, wie eingangs erwähnt, die Gruppe„Altkolping“, gebildet aus ehemaligen Mit-

40 „Gebt den Kindern das Kommando ...“

Page 40: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

4. Kolpingjugend und Politik

gliedern. Das gemeinsame „Dach“ dieserbeiden Gruppen bildete nun die Kolpingsfa-milie.

Wandel und Öffnung

Tiefgreifende Wandlungsprozesse habensich im Kolpingwerk nach 1945 vollzogen,genauer gesagt der Übergang vom einsti-gen Gesellenverein zur heutigen Kolpings-familie, die in der Regel pfarrbezogen ar-beitet und die offen ist für Jungen undMädchen, Männer und Frauen aus allen Al-tersbereichen und Berufen. In diesem Zu-sammenhang ist auch die heutige Kolping-jugend entstanden, geprägt vor allem durchdas Entstehen der Gruppe Jungkolping inden 60er Jahren, die letztlich erst dem Kol-

pingwerk das Spezifikum eines (auch) Ju-gendverbandes zugeführt hat.Mit der Entstehung der BundesrepublikDeutschland haben sowohl die politischeBildung als Bestandteil der Verbandsarbeitals auch die Wahrnehmung einer politi-schen Interessenvertretung durch den Ver-band neue Chancen bekommen, die kon-sequent genutzt wurden. Tatsächlich ver-fügt unsere Gesellschaft ja über ein außer-ordentlich breites Spektrum an politischenund gesellschaftlichen Mitwirkungsmög-lichkeiten, wie es so nie zuvor bestandenhat. In der Konsequenz haben Mitglieder desKolpingwerkes – und auch aus den Reihender Kolpingjugend – wichtige Aufgaben inallen einschlägigen Bereichen der politi-schen und gesellschaftlichen Mitwirkungund Mitverantwortung übernommen, vonder Politik in der ganzen Bandbreite zwi-schen der kommunalen und der Bundes-ebene über die Mitwirkung im Handwerkbis hin zur sozialen Selbstverwaltung, zumEngagement in der Arbeitswelt als Be-triebs- oder Personalräte und zum ehren-amtlichen Dienst im Arbeits- und Sozialge-richtswesen.

Wohin geht die Reise?

Heute müssen wir uns allerdings fragen,wie es mit dem Thema „Kolpingjugend (Kol-pingwerk) und Politik“ aussieht, wie es hierweitergehen soll oder kann. In der gesamt-gesellschaftlichen „Großwetterlage“ ist vielvon „Politikverdrossenheit“ und/ oder vom„Rückzug ins Private“ die Rede. Das politi-sche Engagement des Kolpingwerkes wird,

„Gebt den Kindern das Kommando ...“ 41

Page 41: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

4. Kolpingjugend und Politik

so die Ergebnisse der Mitgliederbefragungvon 1999, als nicht besonders wichtig ein-geschätzt. Ehrenamtliches Engagement impolitischen und gesellschaftlichen Raumist, so scheint es, eher auf „spontane“ Akti-vitäten gerichtet als auf den zugegeben„mühsamen“ Prozess des Mittuns im sozu-sagen „normalen“ politischen Alltag in sei-ner spezifischen Verfasstheit. Und den-noch bleibt eben dieser „Alltag“ der ent-scheidende Ansatzpunkt für ein nachhalti-ges politisches Wirken engagierter Kolping-Mitglieder, wenn wir es ernst meinen mitdem Motto des Kolping-Jugendtages 1973,das da lautete: „Handeln – nicht behandeltwerden“.Einfache Antworten auf derartige Fragenund Herausforderungen kann es nicht ge-ben, erst recht keine Patentrezepte. Viel-leicht kann ein Gedanke Adolph Kolpingszum Schluss als hilfreicher Impuls dienen:„Wir sollen und müssen in dieser Welt ohne

Rücksicht auf Lohn und Anerkennung,selbst ohne Rücksicht auf momentanenSieg oder Niederlage, für jedes gute Rechteintreten und dasselbe verteidigen, weildas eine Forderung des Gewissens ist. Wirleben einmal in keiner Zeit der Ruhe, desGehenlassens, der tatenlosen Ergebenheit,und müssten uns schämen, auf ich weißnicht welche wunderbare Hilfe des Him-mels zu vertrauen, dabei aber selber dieHände in den Schoß zu legen oder sich mitder faden Ausrede zu behelfen, es nutzedoch nichts! Nein, das Nichtstun nutztnichts; das Geschehenlassen ohne Wider-spruch ist da vom Bösen, wo man noch dieFreiheit und Gelegenheit hat, Widersprucherheben zu können.“

Michael Hanke

Bundessekretär des Kolpingwerkes

42 „Gebt den Kindern das Kommando ...“

Page 42: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

„Gebt den Kindern das Kommando ...“ 43

Die Kolpingjugend ist in ihrem täglichenHandeln bemüht, sich auf verschiedeneWeise politisch einzubringen. Dabei sindvor allem zwei Wege dominierend: die poli-tische Interessensvertretung und die politi-sche Bildung.

Politische Interessensvertretung

Die Leitungen der Kolpingjugendsind auf allen Ebenen des Kol-pingwerkes bemüht, die Interes-sen von Kindern und Jugendlichenzu vertreten – speziell stehen hier invielen Bereichen die Interessen der eige-nen Mitglieder im Vordergrund. Die Orte,an denen die Anliegen der Jugend ein-gebracht werden, sind dabei sehr viel-fältig. Die Vertretung im Vorstand derKolpingsfamilie oder des Kolpingwer-kes gehört hier ebenso dazu, wie dieLobbyarbeit im Pfarrgemeinderatoder Sachausschuss Jugend einerKirchengemeinde, dem BDKJ, ei-nem Jugendhilfeausschuss odereinem Jugendring. Immer dann,wenn es gilt, Partei für Kinder undJugendliche zu ergreifen, ihren Lebensraumzu sichern, spezielle Projekte zu unterstüt-zen oder einfach „nur“ die Anliegen jungerMenschen in die Diskussion einzubringen,handelt es sich um politische Interessens-vertretung. Auch das Engagement von ein-zelnen Jugendlichen in Parteien, Interes-sensverbänden und nicht zuletzt der Mitar-beit in Kolpingjugend und Kolpingwerk darf

4. Kolpingjugend und Politik

hier nicht vergessen werden.Welche Themen sich die einzelnen Kolping-jugend-Gruppen dabei „vornehmen“, ent-scheiden sie selber. Dabei gilt der Leit-spruch Adolf Kolpings „Die Nöte der Zeitwerden Euch lehren, was zu tun ist“.Wichtige Politikbereiche, mit denen sich dieKolpingjugend in weiten Teilen Deutsch-lands beschäftigt, sind Jugendpolitik, Aus-

4.2 Wie handelt die Kolpingjugend politisch?

Page 43: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

4. Kolpingjugend und Politik

bildung und Arbeit(-slosigkeit), Rechtsextre-mismus und Fremdenfeindlichkeit, Eine-Welt-Arbeit und Kirchenpolitik. Dieses wirdauch durch die Schwerpunkte auf der Bun-desebene deutlich, die zum einen dieLehrstellenbörse betreibt, zum anderensich in Arbeitsgruppen mit den Themen„Jugend und Politik“, „Jugend und Kirche“,„internationale Jugendfragen“ beschäftigt.Durch die Aktion „Wer Mut zeigt, machtMut“ bezieht die Kolpingjugend zudemdeutlich Stellung gegen Ausländerfeindlich-keit, Gewalt und Fremdenhass.

Politische Bildung

Die politische Interessensvertretung geht invielen Bereichen in die politische Bildungüber. Sie benötigt die Bildungsarbeit aberauch als Grundlage für eine Vertretung aufdem Boden von vorhandenem Fachwissen.Unter politischer Bildung werden im Allge-meinen die Bemühungen verstanden, Men-schen politische Kenntnisse und Einsichtenzu vermitteln, das Interesse auf politischeZusammenhänge zu lenken, ihre Urteils-kraft zu stärken und gegebenenfalls ihr po-litisches Engagement zu fördern.Auch in diesem Bereich ist die Kolpingju-gend und überdies das Kolpingwerk alsGanzes auf vielfältige Weise tätig. Das be-ginnt bei der Gruppenstunde, in der sichdie Leitung bemüht, den Kindern und Ju-gendlichen bestimmte Themen (auch destäglichen Lebens) näher zu bringen. Infor-mationsstände und Präsentationen zu Ar-beitsschwerpunkten (z.B. Partnerschaftenmit Kolpingsfamilien in anderen Teilen derWelt) gehören ebenso zur politischen Bil-dung wie Studienteile auf Diözesan- oder

Bundeskonferenzen, thematische Veran-staltungen und Seminare. Der Bereich derkolpingeigenen Bildungswerke hat sich u.a.die politische Bildung zu einem seinerSchwerpunkte gemacht.Politische Bildung muss nicht immer etwasmit dem, was man meistens als „Politik“ be-zeichnet, zu tun haben. Schon die Beschäf-tigung mit der eigenen Verbandsgeschichteund -gegenwart fällt in diesen Bereich.Wenn wir darüber sprechen, warum unserVerband demokratisch aufgebaut ist undwie diese Demokratie gelebt wird (z.B. beider Wahl von JugendvertreterInnen, der ge-meinsamen Festlegung der Themen für dienächsten Gruppenstunden usw.), bilden wiruns gegenseitig politisch weiter. Selbst dieFestlegung der Leitsätze und die Art undWeise, wie alle Ebenen der Kolpingjugendzu Ihrer Entstehung beigetragen haben, warpolitisch. Sowohl die verbandlichen Struk-turen als solche als auch das Engagementin ihnen sind Demokratieschule und be-fähigen zum gesellschaftlichen Engage-ment.

Und das tollste dabei ist, dass wir uns inunserer politischen Bildung und unsererpolitischen Interessensvertretung nicht nurauf uns selber beziehen, sondern die Men-schen außerhalb des Kolpingwerkes einbe-ziehen und daran teilhaben lassen – undso zur demokratischen und weltoffenen(gesellschaftlichen und kirchlichen) Ge-meinschaft in unserer Umgebung „im Klei-nen“ und in unserem Lande und der Welt„im Großen“ beitragen.

44 „Gebt den Kindern das Kommando ...“

Page 44: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

„Gebt den Kindern das Kommando ...“ 45

Auf den folgenden Seiten findet Ihr zahlreiche Praxisbeispiele aus verschiedenen Diözesan-verbänden der Kolpingjugend und dem Bundesverband. Sie sollen Anregungen sein, wieman sich mit Politik im Allgemeinen oder mit speziellen politischen Themen befassen kann.Die meisten Ideen lassen sich auch auf andere Themenbereiche übertragen. Nachahmun-gen und Weiterentwicklungen sind unbedingt gewollt - damit wir alle weiterhin das „bunteGesicht der Kolpingjugend“ durch vielfältige Gruppenstunden, Aktionen und Projekte mit-prägen.

4. Kolpingjugend und Politik

4.3 Praxisbeispiele Praxis

Polit-Parcours

(Der Polit-Parcours wurde vom Arbeitskreis Jugendpolitik der Kolpingjugend im DVAugsburg entwickelt. Vorgestellt werden einige beispielhafte Stationen. Der kom-plette Parcours ist bei der Kolpingjugend im DV Augsburg erhältlich.)

Ziel: spielerische Auseinandersetzung mit politischen Themen und Or-ganen.

Zeit: je nach Anzahl der Stationen mind. 2-3 Stunden.

Material: Parcours mit vorbereiteten StationenLaufzettel für die StationenFarbige Namensschilder entsprechend den Parteien

Beschreibung: Die Teilnehmerinnen werden in Gruppen aufgeteilt. Die Gruppen-mitglieder besuchen gemeinsam alle Stationen des Parcours. Fürjede Station hat die Gruppe eine festgelegte Zeit. Jede Gruppe er-hält einen Laufzettel für die Stationen. An den Stationen muss dieGruppe eine bestimmte Aufgabe lösen.

Ablauf: 1. Station: Werbeagentur der ParteiDie Gruppe soll in begrenzter Zeit für ihre Partei ein Plakat oder ei-ne Homepage-Seite zur Motivierung und Werbung von Jugendli-chen entwerfen.

Page 45: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

4. Kolpingjugend und Politik

Material: Papier, unterschiedliche Mal- und Zeichenutensilien

2. Station: WahlbüroJede Teilnehmerin/jeder Teilnehmer versetzt sich in die Situationeiner Bürgerin, eines Bürgers der Schweiz (direkte Demokratie) underhält einen Stimmzettel, auf dem sie/ er in einer bestimmten Zeitpersönlich, mit Unterschrift, über einige aktuelle Fragen in der Po-litik entscheiden muss. Ein Wahlzettel mit Informationen wird ver-teilt (einige ausgewählte Abstimmungen aus der Schweiz, z.B. Ein-bürgerung, Gehalt Abgeordnete; ein Gesetz). Anschließend tau-schen sich die Teilnehmer/innen darüber aus, wie es ihnen ergan-gen ist und stellen diese beiden Formen der Demokratie gegenüber.

Material: Stimmzettel, Stifte, Schaubild, evtl. Aufkleber mit Schwei-zer Flagge

3. Station: Zum Adler!Die Gruppe soll auf einem Arbeitsblatt zu verschiedenen „Stamm-tischparolen“, die im Raum verteilt auf Plakaten geschrieben sind,Gegenargumente und Reaktionen finden.

Material: „Stammtischparolen“ (Hilfe: Buch „Argumentationshilfengegen Stammtischparolen“, Bundeszentrale für politische Bildung);Arbeitsblätter, Stifte

4. Station: Gesetzes-DschungelIn einem Raum verteilt sind Gegenstände und auf Karten dabei Ver-weise auf Gesetze. Einige Gegenstände und Gesetzestexte existie-ren nicht. Die Gruppe muss die falschen Punkte finden.

Material: Gegenstände mit dazugehörigen Gesetzestexten, Papier,Liste mit richtigen Gesetzen und Quellenangaben, Stifte

46 „Gebt den Kindern das Kommando ...“

Page 46: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

4. Kolpingjugend und Politik

Jugendpolitische Praxiswoche

Zweimal wurde von der Kolpingjugend Deutschland in den letzten beiden Jahren ei-ne Jugendpolitische Praxiswoche im Deutschen Bundestag durchgeführt. Eine Wo-che lang haben Jugendliche und junge Erwachsene die Bundespolitik „hautnah“ er-lebt. Dieses gelang vor allem dadurch, dass Kolpingbrüder und -schwestern, die demBundestag als Abgeordnete angehören, Praktikumsplätze für die TeilnehmerInnenzur Verfügung gestellt haben. Die PraktikantInnen hatten somit die Gelegenheit, anArbeitsgruppen und Ausschusssitzungen teilzunehmen, zu Empfängen, Anhörungenund Lobbyistenanhörungen mitzugehen und die Arbeit in einem Abgeordnetenbürokennen zu lernen. Daneben gehörten Besuche von Plenarsitzungen im Bundestagund im Bundesrat, Diskussionen mit Abgeordneten zu jugendpolitischen und mitVertreterInnen des BDKJ und des Katholischen Büros zu kirchenpolitischen Themenzum Programm. Zu den Highlights zählten die Gespräche mit dem Bundestagsprä-sidenten, Wolfgang Thierse (im ersten Jahr), und seinem Stellvertreter, Rudolf Seiters(im zweiten Jahr).

Eine Einführung in Aufgaben und Arbeit des Deutschen Bundestages, ein Planspielund Besichtigungen von historischen Stätten Berlins rundeten die Woche ab.

Die jugendpolitische Praxiswoche der Kolpingjugend soll auch in den nächsten Jah-ren durchgeführt werden. Einige Diözesan- und Landesverbände beabsichtigen, die-se Veranstaltung auch auf die Landesparlamente hin anzubieten.

„Gebt den Kindern das Kommando ...“ 47

Page 47: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

4. Kolpingjugend und Politik

48 „Gebt den Kindern das Kommando ...“

„Wer wird Bundestagsprofi?“

(Das Spiel ist von Petra Prigge für die 2. Jugendpolitischen Praxiswoche der Kol-pingjugend entwickelt worden. Auszugsweise stellen wir hier einige Fragen vor. Daskomplette Spiel steht im Internet unter www.kolping.de/jugend „Kolpingjugend undPolitik“ zur Verfügung.)

Ziel: Einführung in Aufbau und Arbeitsweise des Deutschen Bundesta-ges (Stand: 2001)

Zeit: ca. 1,5 bis 2 Stunden

Gruppen: 3 gleichgroße und „gleichstarke“ Gruppen (je ca. 5-10 Personen)

Material: Overheat-Projektor, 45 Fragen auf Folien, Folienstift, Punktetafel,3x3 Joker-Karten

Ablauf: Der ersten Person aus Gruppe 1 wird von der Spielleitung dieerste Frage gestellt, die diese alleine beantworten muss. Wirddie Frage richtig beantwortet, bekommt Gruppe 1 100 Punkte,wird sie falsch beantwortet, bekommt sie keine. Danach spie-len die jeweils erste Person aus Gruppe 2 und 3 nacheinanderjeweils nach den gleichen Regeln um 100 Punkte. Die zweiteRunde beginnt bei der zweiten Person in Gruppe 1, die um 200Punkte spielt u.s.w. Insgesamt gibt es 15 Runden, also 45 Fra-gen. Die Gruppe, die am Ende die meisten Punkte hat, gewinntdas Spiel.

Joker: Jeder Gruppe stehen 3 Joker zur Verfügung (möglichstfarblich zu unterscheiden), die jeweils nur einmal eingesetztwerden können:

n Telefonjoker: eine Person aus der eigenen Gruppe darf befragtwerden;

n Publikumsjoker: die ganze Gruppe überlegt gemeinsam;

n 50:50-Joker: die Spielleitung streicht zwei falsche Antworten;

Page 48: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

4. Kolpingjugend und Politik

„Gebt den Kindern das Kommando ...“ 49

Beispielfragen:1.) Was ist das höchste Amt in der Bundesrepublik?

A: Bundeskanzler/inB: Bundespräsident/inC: Bundestagspräsident/inD: Bundesratspräsident/in

2.) Wie heißt der amtierende Bundesratspräsident? (11/01-10/02)A: Kurt BeckB: Wolfgang ThierseC: Johannes RauD: Klaus Wowereit

3.) Wer wählt den/die Bundespräsidenten/in?A: BundestagB: BundesratC: BundesversammlungD: Bundesregierung

4.) Wie heißt der/die Bundesminister/in für Familie, Senioren, Frauen und Jugend?A: Anke EymerB: Claudia NolteC: Dr. Christine BergmannD: Dr. Angela Merkel

5.) Was ist der Petitonsausschuss?A: Ausschuss, der sich mit Verletzungen des Tierschutzes beschäftigt. B: Ausschuss, der sich mit der doppelten Staatsbürgerschaft sowie Ein- und

Ausbürgerung beschäftigt.C: Ausschuss, der sich mit den Unterschieden der Rechtssprechung in den

Bundesländern beschäftigt.D: Ausschuss, der sich mit Bitten und Beschwerden der Bürgerinnen und

Bürger der Bundesrepublik beschäftigt.

6.) Was sind Direktmandate?A: Abgeordnete, die durch die Erststimme direkt vom Wahlkreis gewählt

werden.

Page 49: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

4. Kolpingjugend und Politik

50 „Gebt den Kindern das Kommando ...“

B: Abgeordnete, die über die Landesliste direkt gewählt werden.C: Abgeordnete, die durch die Zweitstimme direkt vom Wahlkreis gewählt wer-

den.D: Abgeordnete, die durch die Partei direkt gewählt werden.

7.) Was ist der „Hammelsprung“?Form der Abstimmung, bei der...A: ... die Abgeordneten über ihren Stuhl springen müssen.B: ... die Abgeordneten den Saal verlassen und durch bestimmte Türen wie-

der betreten müssen.C: ... die Abgeordneten mit farbigen Stimmkarten abstimmen müssen.D: ... die Abgeordneten den Saal durch bestimmte Türen verlassen müssen.

Page 50: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

4. Kolpingjugend und Politik

„Gebt den Kindern das Kommando ...“ 51

Plan- und Simulationsspiel Bundestag

(Das folgende Spiel wurde von Mathias Owerrin und Andreas Finke für die 1. Ju-gendpolitische Praxiswoche entwickelt. Es handelt sich um ein Simulationsmodelvon Entscheidungsfindungen im politischen Raum. Das Spiel baut auf politische unddemokratische Grundkenntnisse auf.)

Ziel: Verdeutlichung von (partei-)politischen Prozessen und politi-scher Meinungs- und Willensbildung am Beispiel DeutscherBundestag.

Zeit: ca. 3-4 Stunden

Gruppen: eine Gruppengröße von 15-30 Personen scheint am sinnvoll-sten zu sein, allerdings ist sicherlich auch eine höhere Mitspieler-zahl möglich.

Material: Stifte, Papier, Schilder mit den Namen der Parteien

Ablauf: Ausgangssituation:Die TeilnehmerInnen versetzen sich in die Rollen von Abgeord-neten des Deutschen Bundestages. Die Teilnehmer des Spiels er-halten die Aufgabe, jeweils einen politischen Antrag zu formulieren.Die Jugendlichen werden Parteien zugeordnet, so dass Fraktionenentstehen. Die Aufteilung erfolgt gemäß dem gegenwärtigen Ver-hältnis der Zusammensetzung des Deutschen Bundestages. Wich-tig dabei ist, dass die „Regierungskoalition“ eine Stimmenmehrheiterhält. (Die Aufteilung muss nur tendenziell der derzeitigen Situati-on entsprechen. Wichtig ist, dass jeder Fraktion mindestens zwei„PolitikerInnen“ angehören.)Ziel der Simulation ist es, insgesamt vier Anträge in die ab-schließende Plenardebatte einzubringen, diese den „PolitikerIn-nen“ im Plenum politisch argumentierend vorzustellen und ei-ne Entscheidung über Anträge im Parlament herbeizuführen.

Spielphase 1: FraktionsphaseJede/r „PolitikerIn“ hat seinen/ ihren Antrag für sich vorberei-

Page 51: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

4. Kolpingjugend und Politik

52 „Gebt den Kindern das Kommando ...“

tet. Die TeilnehmerInnen finden sich in den jeweiligen Fraktio-nen zusammen und diskutieren ihre einzubringenden Anträge.Ziel der Fraktionssitzungen ist es, Entscheidungen herbeizu-führen, welche Anträge in das „Parlament“ eingebracht werden.Hierbei sollen die beiden großen Fraktionen sich auf jeweils zweiAnträge einigen. Die übrigen Parteien haben die Möglichkeit, nur ei-nen Antrag in die Versammlung einzubringen. Für diese Phasesind 40 Minuten vorgesehen. Die Fraktionen haben die Möglichkeit,interfraktionelle Absprachen zu treffen. Allerdings muss diese Va-riation bei der Spielleitung angemeldetwerden, da die Spielleitungnur solche Treffen einberufen kann.

Spielphase 2: PlenumsausspracheDie „PolitikerInnen“ treffen sich wieder im Plenum. Der/ die„BundestagspräsidentIn“, dargestellt durch eine/n LeiterIn, lei-tet die Versammlung. Die Fraktionen stellen ihre Anträge kurzvor (Anhörung). Der/ die „BundestagspräsidentIn“ entscheidetnun über die Anträge und lässt für die Plenumsdebatte insge-samt nur vier Anträge zu. Für diese Phase sind ungefähr 20 Mi-nuten im Plenum eingeplant.

Spielphase 3: Strategiephase in den FraktionenDie „PolitikerInnen“ finden sich wieder in den Fraktionen zu-sammen. Eine Strategie für die anschließende Debatte soll ab-gesprochen werden. Hierbei kommt es besonders darauf an,SprecherIn und Inhalte abzustimmen. Dies gilt sowohl für dieVorstellung des eigenen Antrags als auch für die weiteren Anträge,die behandelt werden. Als weitere wichtige Aufgabe der Fraktions-zusammenkünfte sollen Absprachen über Positionen zu den weite-ren Anträgen getroffen werden. Für diese Phase sind 30 Minuteneingeplant. Auch hier besteht die Möglichkeit von interfraktionellenZusammenkünften unter Berücksichtigung der Spielleitung.

Spielphase 4: PlenarsitzungDie „PolitikerInnen“ finden sich wieder in der Plenarsitzung zu-sammen. Der/ die „BundestagspräsidentIn“ eröffnet und leitetdie Sitzung. Die „FraktionssprecherInnen“ stellen die Anträge

Page 52: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

4. Kolpingjugend und Politik

„Gebt den Kindern das Kommando ...“ 53

vor. Zu jedem Antrag haben die anderen Parteien das Recht aufGegenrede. Die Redezeiten sind jeweils durch den/ die „Bundes-tagspräsidentIn“ vorzeitig zu beschränken. Bevor der jeweilige An-trag zur Abstimmung kommt, hat der Antragsteller das Wort. DieAnträge sind bei einfacher Mehrheit beschlossen. Die Möglichkeitder Rücknahme, Vertagung oder der Abänderung und Erweiterungbesteht, wenn sie aus der Debatte der „PolitikerInnen“ selber ent-stehen. Für diese Phase sind 30-45 Minuten vorgesehen.

Spielphase 5: RollenreflexionDie Plenardebatte wird durch den/ die „BundestagspräsidentIn“beendet. Die TeilnehmerInnen bleiben in ihren „PolitikerInnen“-Rollen und reflektieren ihre persönlichen Empfindungen kurz inder Großgruppe. (Zeit: ca. 15 Minuten)

Spielphase 6: Spielunterbrechung und Auswertung der Spiel-leitungWährend des gesamten Spiels hat die Leitung die Funktion derBeobachtung der politischen Prozesse. Sie analysiert kurz denSpielverlauf und stimmt sich für die kommenden Wortbeiträgebezüglich ihrer Beobachtungen ab. Leitfragen im „Feed BackCharakter“ sind: Wie wurde gestritten? - Wie wurde argumentiert? -Haben sich alle in den politischen Prozess eingebracht? - Wie hatdie Regierungskoalition zusammen gearbeitet? - Gab es überpar-teiliche Absprachen? - Welches Bild hat die Opposition abgegeben?- Welchen Eindruck haben die einzelnen Politiker gemacht? - Wieist gegebenenfalls Konsens entstanden? (Zeit: ca. 20 Minuten)

Spielphase 7: BeobachtungenDie TeilnehmerInnen schildern (außerhalb ihrer PolitikerInnen-rollen), was sie innerhalb des Spiels beobachtet haben. Die Lei-tung ergänzt die Beobachtungen und stellt zusammenfassendVergleiche her. Das gesamte Spiel wird gemeinsam reflektiertund bewertet. (Zeit: ca. 20 Minuten)

Page 53: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

4. Kolpingjugend und Politik

54 „Gebt den Kindern das Kommando ...“

„Komm’ un’ W@hl“-Quiz

(Die Arbeitshilfe „Komm´ un´ W@hl“ wurde von der BDKJ-LandesarbeitsgemeinschaftNiedersachsen zur Kommunalwahl 2001 in Niedersachsen erstellt. Das ausgesuch-te Quiz findet Ihr in der Arbeitshilfe – und weitere gute Ideen dazu... Die Kolpingju-gend im DV Osnabrück hilft Euch bei Interesse gerne weiter!)

Ziel: Kennen lernen und Auseinandersetzen mit politischen Positionenund deren Zuordnung zu bestimmten PolitikerInnen.

Material: Aussagen und Statements von PolitikerInnen aus der Region ausInterviews, Zeitungen, Veröffentlichungen oder von lokalen Wahl-veranstaltungen.

Beschreibung: Schreibt aus den gesammelten Materialien aussagekräftige undmarkante Positionen der PolitikerInnen auf Karteikarten. Gebt eineListe mit allen Namen der PolitikerInnen, von denen ihr Aussagenhabt, vor. Jetzt bildet zwei Gruppen und befragt euch gegenseitig,wer welche Position vertritt. Versucht außerdem, die Positionen be-stimmten Parteien zuzuordnen. Begründet eure Zuordnung.

Page 54: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

4. Kolpingjugend und Politik

„Gebt den Kindern das Kommando ...“ 55

Wahlentscheidungshilfe

Die Kolpingjugend im DV Aachen hat die Wahlentscheidungshilfe „Wer die Wahlhat...“ zur Landtagswahl 2000 in Nordrhein-Westfalen erstellt. Gefördert wurde dieBroschüre aus Mitteln des Landesjugendrings NRW im Rahmen des Projektes „Poli-tik begreifen“. Bestellen könnt ihr sie unter www.kolpingjugend-dv-aachen.de. Aufder Homepage der Aktion (www.politik-begreifen.de) ist zudem die gesamte Wahl-entscheidungshilfe online zu lesen (Ihr müsst Euch durch folgende Links vorwärtsklicken: Projekte k Wildcard k Kolpingjugend Aachen, Wahlentscheidungshilfe).

Die Wahlentscheidungshilfe hat zwei Teile, die unterschiedliche Arten der Vorberei-tung benötigten: Der erste Teil erklärt das nordrhein-westfälische Wahlsystem. Hierwurde aus unterschiedlichen Quellen zusammengetragen, wie sich der Landtag zu-sammensetzt, was Direktmandate, die Landesreserveliste, Überhang-/ Ausgleichs-mandate und die 5%-Hürde sind, wer wahlberechtigt ist, auf welche Arten gewähltwerden kann, wann und wo die Wahl stattfindet, wie ein Stimmzettel aussieht, wieviele Kreuze jeder machen darf, wer gewählt werden kann, wie sich das Wahlergeb-nis errechnet und wie sich der Landtag in der vorherigen Legislaturperiode zusam-mengesetzt hat.

Im zweiten Teil der Wahlentscheidungshilfe geht es um die Positionen der zur Wahlstehenden Parteien. Hierzu wurde ein Fragebogen entwickelt, der an die Parteien mitder Bitte um Beantwortung verschickt wurde (die Aachener haben sich dabei aufCDU/CSU, SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen und PDS beschränkt, wobei die SPDkeine Antworten zurückgeschickt hat). Die Meinungen der Parteien zu den 32 Fragenaus den Themenfeldern Bildungs- und Arbeitspolitik, Jugendpolitik, Familienpolitik,Drogenpolitik, Umweltpolitik und Verkehrspolitik wurden nun bunt gewürfelt und inunterschiedlicher Reihenfolge den Leserinnen und Lesern präsentiert. Für die Le-senden gab es folgende Aufgabenstellung:

n Nimm Dir einen Zettel, einen Stift und eine kleine Weile Zeit.

n Lies Dir die erste Frage und die dazugehörigen Antworten in Ruhe durch.

n Entscheide, welche Antwort mit Deinen Vorstellungen am ehesten überein-stimmt.

n Notiere den Buchstaben mit der Zahl der Frage auf Deinem Blatt.

n Gefallen Dir mehrere Antworten, kannst Du Dir auch mehrere Buchstaben notieren.

Page 55: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

4. Kolpingjugend und Politik

n Ist Dir keine Antwort recht, notiere nichts.

n Gehe bei jeder der folgenden Fragen nach dem gleichen Prinzip vor.

n Bist Du am Ende des Fragenkataloges angekommen, so wende Dich der letztenSeite des Heftes zu. Hier findest Du in einer Tabelle die Zuordnung der Antwortenzu den Parteien.

n Markiere dort, welche(n) Buchstaben Du Dir bei den einzelnen Fragen auf DeinemBlatt notiert hast.

n Vergleiche, in wie vielen Punkten Du mit den einzelnen Parteien einer Meinungbist.

n Solltest Du mit einer Partei überdurchschnittlich viele Übereinstimmungen haben,solltest Du ernsthaft darüber nachdenken, dieser Partei bei der nächsten WahlDeine Stimme zu geben.

n Schneiden mehrere Parteien gleich gut ab, entscheide nach den Antworten in denBereichen, die Dir besonders wichtig sind.

56 „Gebt den Kindern das Kommando ...“

Page 56: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

4. Kolpingjugend und Politik

„Gebt den Kindern das Kommando ...“ 57

Wer Mut zeigt, macht Mut!

„Wer Mut zeigt, macht Mut!“ ist eine Aktion der Kolpingjugend im KolpingwerkDeutschland in Kooperation mit der Kolpingjugend im Landesverband Bayern. MitPlakaten, auf denen drei junge Menschen ihre Erfahrungen mit Fremdenhass, Intole-ranz und Gewalt in ihrem persönlichen Umfeld darstellen (Samira, Martin und Adem),will die Kolpingjugend deutlich machen, dass es wichtig ist, Zivilcourage zu zeigenund Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit, Ausländerhass und Gewalt setzen.

Es ist mit der Würde von Menschen nicht vereinbar, dass manche glauben, sie seienetwas Besseres. Die Kolpingjugend will deutlich machen, dass jeder Mensch AbbildGottes ist. Fremdenfeindlichkeit ist letztlich Menschenfeindlichkeit und das nimmtsie nicht hin. Zum anderen möchte unser Verband Anregungen an die Hand geben,sich mit diesem Thema auseinander zu setzen, sensibel zu werden für fremden-feindliche und rechtsextremistische Entwicklungen im eigenen Umfeld.

Es ist das Ziel, dass über die Plakate gesprochen wird, wenn in Gruppenstundenüberlegt wird, welche Aktionen dazu gestartet werden können und jede und jederMut zeigt, wenn die Würde von Menschen mit Füßen getreten wird. Schließlich solldazu motiviert werden, Zivilcourage zu zeigen, in der Gewissheit, dass Mut Kreise zie-hen kann.

Außer den Plakaten gibt es noch Postkarten mit den drei Motiven, der (Fernseh-)Spotund eine Kurzdokumentation werden in Kürze fertiggestellt und an die Kolpingju-gend auf allen Ebenen verteilt.

Wer mehr über die Aktion erfahren möchte, kann alles (auch über Unterstützer derAktion) unter www.mut-zeigen.de erfahren.

Page 57: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

4. Kolpingjugend und Politik

58 „Gebt den Kindern das Kommando ...“

Skaten für Jobs

Die Kolpingjugend im DV Fulda hat zum Thema „Aktionen gegen Jugendarbeitslosig-keit“ einen „Inline Day“ unter dem Motto „Skaten für Jobs“ veranstaltet. Teilgenom-men haben rund 300 jugendliche und erwachsene SkaterInnen. Die Strecke war 19km lang und führte von Fulda nach Schmalnau. Mit dieser Aktion konnte das ThemaJugendarbeitslosigkeit in den Mittelpunkt des öffentlichen Bewusstseins gerufenwerden. Die Startgelder fließen mit in die Finanzierung einer Lehrstelle ein, die einelokale Firma zur Verfügung gestellt hatte.

Zum Start kamen u.a. die VertreterInnen der Stadt, die die Aktion als Schirmherrenbegleiteten. Das Rahmenprogramm bestand aus Info-Tafeln des Arbeitsamtes, derFirma, die die Lehrstelle zur Verfügung stellt, und des Kolpingwerkes.

Am Abend schloss sich ein Jugendgottesdienst unter dem Thema „Solidarität mitden Opfern der Terrorkatastrophe in den USA und den jugendlichen Arbeitslosen“ an.Abgerundet wurde der Tag durch ein Benefizkonzert in einer Mehrzweckhalle, bei dereine Rock- und Soul-Big-Band einheizte.

Die Sponsorengelder und der Reinerlös der gesamten Aktion werden ebenfalls zurFinanzierung der zusätzlich geschaffenen Lehrstelle zur Ausbildung als Bürokauffrauverwendet.

Weitere Informationen zum „Inliner Day“ findet Ihr im Internet unter www.kolping-dv-fulda.de.

Zum gleichen Thembenbereich hat der DV Fulda eine Podiumsdiskussion zum The-ma „Jugend ohne Jobs“ durchgeführt. Übergeordnetes Thema waren Ursachen, Fol-gen und Lösungsansätze zur Problematik der Jugendarbeitslosigkeit. Insbesonderedie Fragen des Publikums sollten im Zentrum der Veranstaltung stehen. Jede/r Teil-nehmerIn sollte die Möglichkeit erhalten, Fragen an die auf dem Podium vertretenenPersonen zu stellen. Eingeladen dazu waren vier PolitikerInnen unterschiedlicher Par-teien.

Page 58: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

4. Kolpingjugend und Politik

„Gebt den Kindern das Kommando ...“ 59

Projekt Ausbildungsstelle

Mit dem „Projekt Ausbildungsstelle“ finanziert die Kolpingjugend im DV Essen einenzusätzlichen Ausbildungsplatz für eine benachteiligte junge Person. Die Ausbil-dungsstelle wurde im Verwaltungsbereich des Kolping-Berufsbildungswerkes EssengGmbH, einer Einrichtung zur beruflichen Erstausbildung und Rehabilitation lernbe-hinderter junger Menschen, eingerichtet.Die Kolpingjugend hat sich verpflichtet, die Ausbildungskosten in Höhe von ca.73.000 DM aufzubringen (was sie übrigens zum Ende des Jahres 2001 schon fast ge-schafft hat!)

Hier drei beispielhafte Aktionen:

Event ’99Im Oktober 1999 erfolgte der offizielle Startschuss für das Projekt mit dem Event ’99,„48 Stunden volle Platte – Anstellen fürs Einstellen“. Jugendliche spielten ein ganzesWochenende hindurch ohne Unterbrechung Tischtennis. Jede gespielte Minute wur-de dabei von Freunden, Verwandten oder Firmen gesponsert.

ArbeitsplätzchenBei Festen und Veranstaltungen verkaufte die Kolpingjugend selbstgebackene „Ar-beitsplätzchen“. Die Zutaten waren auf dem Etikett nachzulesen: Engagement, Mut,Risikobereitschaft, Pflichtbewusstsein, ein offenes Ohr, Sensibilität, ein QuäntchenGlück und „Flagge zeigen“ in Zeiten hoher Jugendarbeitslosigkeit.

ArbeitsLoseÜber einen längeren Zeitraum hinweg wurden Lose – eben ArbeitsLose – verkauft.Es wurden immer interessante Sofortgewinne (Kullis, Luftballons...) und tolle Haupt-preise (Essen mit der Diözesanleitung...) vergeben. Zur Versteigerung kamen schließ-lich Tischtennisschläger, die von dem Bundesarbeitsminister a.D. Dr. Norbert Blümim Rahmen seiner persönlichen Unterstützung der Aktion unterzeichnet wurden.

Page 59: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

Spielekette „Agenda 21“

(Die Spielekette wurde von Christine Roth und Daniela Ziegler aus der Kolpingju-gend im DV Würzburg erarbeitet. Weitere Informationen dazu sind dort erhältlich.)

Ziel: Die Spielekette dient dazu, Kindern und Jugendlichen die Ent-stehung und Inhalte der Agenda 21 verständlich zu machen. Sieist eine sinnvolle Aneinanderreihung von sechs Spielen, die mitein-ander verknüpft sind. Die unerwünschten Folgen des Fortschritts,der Industrialisierung äußern sich in der Umweltverschmutzung, imAussterben vieler Tier- und Pflanzenarten, durch zunehmende All-ergien bei den Menschen etc. Diese Entwicklung macht vielenMenschen Angst, doch trotzdem ist es bisher nicht gelungen, eineweltweite Initiative dagegen zu starten. Zu viele unterschiedliche Interessen stehen sich gegenüber und zu selten kommt das wahreAusmaß dieser Bedrohung im Alltag zum Tragen.

Ablauf: Spiel 1: Steinchen-Jenga Ein Korb wird am Wollfaden an einem Baum o.ä. in gut erreich-barer Höhe aufgehängt. Alle Mitspieler suchen sich Steinchen,die etwa die Größe von Murmeln haben, und stellen sich im Kreisum den Korb. Nun legt der Reihe nach jeder Mitspieler einen Steinin den Korb, bis der Wollfaden reißt, und der Korb herunterfällt. DerMitspieler, bei dem der Faden reißt, hat verloren. Der/ die Spiellei-terIn verdeutlicht den MitspielerInnen, dass nicht der EinzelneSchuld hat am Reißen des Fadens. Alle MitspielerInnen haben ihrenTeil dazu beigetragen. Verlierer sind alle, da das Spiel aus ist undnicht mehr neu gespielt werden kann, weil der Faden gerissen ist.

Ähnlich wurde die Situation auf der Erde Ende der 80er Jahregesehen. An der Krise, in der die Welt sich befindet, ist nicht eineinzelner Staat oder die Industrienationen oder die Entwicklungs-länder Schuld, sondern alle tragen ihren Teil dazu bei. Auch dassdas Gleichgewicht in der Welt nicht stimmte, wurde erkannt. Die Vereinten Nationen (UN) beriefen im Jahre 1992 die UN-Konfe-renz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro ein, an der 179Staaten teil nahmen. Die Interessen dieser vielen Staaten unter-

4. Kolpingjugend und Politik

60 „Gebt den Kindern das Kommando ...“

Page 60: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

4. Kolpingjugend und Politik

„Gebt den Kindern das Kommando ...“ 61

schieden sich in höchstem Maße. Trotz aller Schwierigkeiten gelanges am Ende, zu einer Einigung zu kommen.

Material: ein kleiner Korb, Wollfaden, Steinchen oder Murmeln

Spiel 2: Dirigenten-SpielEin oder zwei Mitspieler sind die „Dirigenten“ und begeben sichaußer Hörweite der Gruppe. Die Spielleitung verteilt unter demRest der Gruppe Teile des folgenden Satzes: „Lasst uns – aufhören– gegeneinander - zu arbeiten - und anfangen - gemeinsam - füreine - zukunftsfähige - Welt - einzutreten!“ Je nach Anzahl der Mit-spieler kann der Satz auch anders gestückelt werden oder es wer-den bei mehr als 10 Mitspielern mehrere Leute zusammengestellt,die gemeinsam einen Satteil sagen. Nun werden die Dirigentenwieder herbeigeholt. Sobald sie in Hörweite geraten, fangen alle an,ihren Satzteil zu sagen und immerzu zu wiederholen. Die Dirigen-ten haben nun die Aufgabe, die einzelnen Satzteile in eine sinnvol-le Reihenfolge zu bringen. Sobald alle in einer Reihe stehen unddie Dirigenten meinen, dass sie ihre Aufgabe richtig erledigt haben,folgt die Probe aufs Exempel: Alle sind ruhig und der Reihe nachsagt jeder seinen Satzteil auf. Evtl. müssen die Dirigenten dannnoch einmal umstellen und korrigieren, bis der gesuchte Satz ge-funden ist.

Am Ende der Konferenz von Rio sind die 179 Staaten sich alsoeinig: Sie wollen gemeinsam für eine zukunftsfähige Welt eintretenund unterzeichnen alle die „Agenda 21“. „Agenda“ kommt vom La-teinischen „agere“, das bedeutet „machen, tun“ und die Zahl „21“steht für das 21. Jahrhundert. „Agenda 21“ das ist also das, was im21. Jahrhundert zu tun ist. Die Agenda 21 ist also nicht nur ein Ver-trag, sondern ein Handlungsprogramm für das nächste – unserneues – Jahrhundert. Einzigartig an der Agenda 21 ist der neue,umfassende Ansatz. Zum ersten Mal wurde die enge Verknüpfungvon Umweltschutz, Wirtschaftspolitik und Sozial- bzw. Entwick-lungspolitik betont. Klar wurde, dass ein echter Erfolg nur entste-hen kann, wenn alle Hand in Hand vorgehen.

Page 61: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

4. Kolpingjugend und Politik

Spiel 3: 3-Kräfte-SpielDie Mitspieler werden in drei etwa gleichgroße Gruppen aufge-teilt. Jede Gruppe bekommt ein Seil und knüpft es an den Ring,der um den Stock liegt. Nun stellen sich die Gruppen im 120° Win-kel zueinander um den Stock auf. Sie haben jetzt die Aufgabe, dieSeile zu spannen und dann gemeinsam den Ring nach oben zu be-fördern, ohne dass dieser den Stock berührt. Wenn der Ring denStock berührt, beginnen die Mannschaften von Neuem, bis die Auf-gabe geschafft und der Ring befreit ist.

Die drei Mannschaften in dem Spiel stehen symbolisch für die dreiBereiche der Agenda 21: Umweltschutz, Wirtschaftspolitik und So-ziale Gerechtigkeit. Sie müssen im Gleichgewicht bleiben, um einezukunftsfähige Welt zu ermöglichen. Wenn ein Bereich die Über-macht gewinnt, kann das gesamte System nicht funktionieren.Die Agenda 21 ist mehr als nur ein abstraktes Staatenprogramm,das nur die Politiker angeht. Alle Bürger sind davon betroffen, undalle sind aufgefordert, sich aktiv an diesem Aktionsprogramm zubeteiligen.

Material: 3 gleichlange und gleichstarke Seile, ein Stock oderPflock, der in die Erde gerammt ist oder in einem Topf mit Sand o.ä.steckt, ein Ring oder Reifen.

Spiel 4: Zeitungsinsel-SpielJeder Mitspieler erhält eine Zeitungsdoppelseite und alle verteilensich im Raum bzw. auf dem Platz. Alle stellen sich auf ihre Zeitung,die einzelne Inseln darstellen. Natürlich wollen die Teilnehmernicht so isoliert stehen bleiben, sondern aufeinander zugehen kön-nen. Dazu müssen Deiche gebaut werden. D.h. alle Mitspieler be-nutzen Teile ihrer Zeitungsseite, reißen diese ab und legen Deicheauf die anderen zu. Ziel ist es, dass alle sich gegenseitig erreichenund auf ihrer Insel besuchen können. Dies wird durch den Spiellei-ter überprüft, der immer wieder Mitspieler dazu auffordert, sich ge-genseitig zu besuchenoder Platz zu tauschen.

Alle haben mitgemacht und sich beteiligt, um die „Bürger“ un-

62 „Gebt den Kindern das Kommando ...“

Page 62: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

4. Kolpingjugend und Politik

tereinander zu vernetzen und zusammenzubringen. Entstandenist ein Netzwerk, das gemeinsames und effektives Handeln ermög-licht. Dies kann nur gelingen, wenn alle mitmachen und sich kei-ner ausklinkt und wenn jeder etwas abgibt.

Material: Zeitungen

Spiel 5: Wandernder LuftballonDie Mitspieler teilen sich in zwei Gruppen auf, die sich in Reihengegenüber auf den Boden setzen, so dass jede/jeder eine/n Part-nerIn hat. Am besten ziehen alle ihre Schuhe aus. Nun bekommtdas erste Pärchen einen Luftballon, der symbolisch für die Erdesteht, zwischen die Fußsohlen geklemmt. Dieser Luftballon mussnun von Pärchen zu Pärchen weitergegeben werden bis ans Endeder Reihe. Natürlich darf dabei der Ballon weder platzen noch aufden Boden fallen.

Gemeinsam haben wir es geschafft, unsere Erde eine Zeit langaufrecht zu erhalten. Hätte jedoch nur einer aus dieser Kette seineAufgabe nicht erfüllt, hätte das Experiment nicht gelingen können.Und wir mussten dabei sehr vorsichtig und umsichtig mit unsererWelt umgehen. Auch in unserem Alltag müssen wir darauf achten,dass wir sorgsam mit unserer Welt umgehen, um sie zu erhalten.

Material: Luftballon(s)

Spiel 6: Rücken-ScrabbleJe nach Größe wird das Spiel in der gesamten Gruppe oder inKleingruppen gespielt. Die Gruppen sollten möglichst aus je siebenMitgliedern bestehen. Jedem Gruppenmitglied wird nun ein Zettelmit möglichst je zwei der folgenden Buchstaben am Rücken befe-stigt: NA-CH-HA-LT-IG-KE-IT. Die Gruppen haben nun die Aufgabe,möglichst schnell herauszufinden, welches Wort sich auf ihrenRücken befindet und sich so aufzustellen, dass das Wort zu lesen ist.

Nachhaltigkeit: Dieses Wort stammt aus der Forstwirtschaft undbedeutet, es werden nur so viele Bäume abgeholzt, wie problem-

„Gebt den Kindern das Kommando ...“ 63

Page 63: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

4. Kolpingjugend und Politik

los nachwachsen können. Übertragen auf die Agenda 21 bedeutetdas, wir sollen lernen, so verantwortungsvoll mit den vorhandenenRessourcen (Öl, Gas, Wasser, Luft, Artenvielfalt usw.) umzugehen,dass unsere Kinder und Enkelkinder noch genügend Rohstoffe zurVerfügung haben.

Material: Papier, Stifte, Klebeband oder Sicherheitsnadeln

64 „Gebt den Kindern das Kommando ...“

Page 64: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

4. Kolpingjugend und Politik

„Gebt den Kindern das Kommando ...“ 65

„Fair testen!“

(Das folgende Spiel hat der AK Öffentlichkeitsarbeit der Kolpingjugend im DV Würz-burg im Jahr 2001 für ein Jugendfestival vorbereitet.)

Ziel: Die Teilnehmenden kommen miteinander ins Gespräch über fairgehandelte, ökologische und regionale Lebensmittel.

Material: Augenbinden, unterschiedliche Lebensmittel (siehe Ablauf), ggf.Zettel und Stifte, um Eindrücke festzuhalten

Ablauf: Blind werden in den jeweiligen Kategorien getestet:ein „Billigprodukt“ein Markenproduktein fair gehandeltes/ ökologisches/ regionales Produkt

Die Probanden müssen erkennen, was was ist. Automatisch kommtman dabei in ein Gespräch über Vorstellungen von den verschie-denen Produkten.Beispiele für solche Produkte sind Gummibärchen, Nuss-nou-gat-Creme, Kekse, Flips, Vollmilchschokolade, Cashew-Kerne.

Quellen zu verschiedenen politischen ThemenPositionen der Kolpingjugend zu verschiedenen politischen Themen, Berichte über Veran-staltungen und Links auf politische Internetseiten findet ihr im Internet unter www.kol-ping.de/jugend „Kolpingjugend und Politik“.Interessant ist auch das Heft „Was ist Politik?“ von Gerhart Maier, Themen im Unterricht, Ar-beitsheft 13 (1998), herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung.

Page 65: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

In dieser Reihe bisher erschienen

In dieser Reihe bisher erschienen sind:

Themenheft 1: Jugendarbeitslosigkeit

Eine fast alltägliche Geschichte?

Themenheft 2: Spiritualität heute

Impulse und praktische Tipps für die Gruppenarbeit

Themenheft 3: Mitgliederoffensive:

Neuen Herausforderungen offensiv begegnen

Themenheft 4: Erlassjahr 2000

Entwicklung braucht Entschuldung

Themenheft 5: Geradeaus und dann rechts...

Rechtsextremismus und Jugendgewalt

Themenheft 6: Adolph Kolping

Vom Schuster, der nicht bei seinen Leisten blieb

Themenheft 7: Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein

Offene Formen von Jugendarbeit

Themenheft 8: Wo nichts ist, kann noch was werden

Junge Erwachsene begleiten

Themenheft 9: Express yourself - only for GIRLS

Mädchenarbeit im Kolpingwerk

Themenheft 10: Leben erleben

Erlebnispädagogische Elemente in der Arbeit mit Gruppen

Themenheft 11: Generationen

Generationenübergreifende Arbeit

66 „Gebt den Kindern das Kommando ...“

Page 66: Ein Themenheft der · Referat Jugendarbeit, Kolpingplatz 5 - 11, 50667 Köln Tel.: 0221/20701-169, ... schreiber Niccolò Machiavelli(1469-1527) das „Modell von Macht“. Es beschreibt

Kolping in 12 Sätzen

- Wir laden ein und machen Mut zur Gemeinschaft.

- Wir handeln im Auftrag Jesu Christi.

- Wir nehmen uns Adolph Kolping zum Vorbild.

- Wir sind in der Kirche zu Hause.

- Wir sind eine generationsübergreifende familienhafte Gemeinschaft.

- Wir prägen als katholischer Sozialverband die Gesellschaft mit.

- Wir begleiten Menschen in ihrer persönlichen und beruflichen Bildung.

- Wir eröffnen Perspektiven für junge Menschen.

- Wir vertreten ein christliches Arbeitsverständnis.

- Wir verstehen uns als Anwalt für Familie.

- Wir spannen ein weltweites Netz der Partnerschaft.

- Wir leben verantwortlich und handeln solidarisch.

Kolping in 12 Sätzen

„Gebt den Kindern das Kommando ...“ 67