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Das Magazin zur Russlandhilfe des Caritasverbandes für die Diözese Osnabrück e.V. Nr. 45 Dezember 2014 Bischof Bode in Russland Bischof Bode in Russland

Eine Kuh für Marx, Nr.45

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Titelthema: Bischof Bode in Russland.

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  • Das Magazin zur Russlandhilfe des Caritasverbandes fr die Dizese Osnabrck e.V.

    Nr. 45 Dezember 2014

    Bischof Bode in RusslandBischof Bode in Russland

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 3

    Editorial

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 3

    Liebe Leserinnen und Leser! Mge Gott Ihnen Gesund-heit und ein langes Leben schenken. Ihre Hilfe bedeutet mir sehr viel, denn sie be-wahrt uns vor Hunger und Klte. Vielen Dank dafr von mir und meinen Kindern! So beginnt der Dankesbrief einer alleinerziehenden Mut-ter aus Marx an der Wolga mit ihren drei Shnen (13, 8 und 1 Jahre alt). Sie schreibt weiter: Wir wohnen in einer Wohnung ohne Wasser und Toilette Die Kinder bentigen Klei-dung und Schuhe sie wachsen schnell. Und dann mssen sie auch noch er-nhrt werden. An mich selber denke ich schon gar nicht mehr. Die Kinder sind oft krank und wenn einer krank ist, werden es auch die An-deren. Ihre Hilfe ist fr uns ein Hoffnungsschimmer Vielen Dank fr ihre groe Hilfe! Die politische Lage in Russ-land, die Frage, ob man Pu-tinversteher sei oder nicht, berlagert den Blick auf die Lebenssituation vieler be-drftiger und in Not befindli-cher Menschen in Russland. Eine-Kuh-fr-Marx nimmt sich ihnen mit Ihrer Hilfe wei-terhin an und verliert sie nicht aus den Augen. Sie gehen uns nicht unter im Stimmen-gewirr um Sanktionen und Strafmanahmen. Denn so ist das leider viel zu oft. Die Bevlkerung ist in der Regel das Opfer politischer Konflik-te.

    Allein die sich zuspitzende wirtschaftliche Lage vieler am Rande der Gesellschaft lebender Bewohner Russ-lands ist besorgniserregend. Sie lsst nicht selten Men-schen besonders Familien und Rentner in existenziel-le Bedrngnis geraten. Der Rubel ist in diesem Jahr von 1:40 auf 1:60 gegenber dem Euro gefallen. Anhand der Preise fr Lebensmittel im Vergleich von 2013 zu 2014 (Stand 09/2014) will ich dies veranschaulichen:

    Milch: 2013: 30 Rubel 2014: 55 Rubel

    10 Eier: 2013: 28 Rubel

    2014: 52 Rubel

    Kg Zucker: 2013: 21 Rubel 2014: 35 Rubel

    Butter: 2013: 40 Rubel

    2014: 75 Rubel

    Kg Kartoffeln: 2013:12 Rubel 2014:24 Rubel

    Laib Brot: 2013: 17 Rubel

    2014: 36 Rubel Fleisch ist bis zu 50 Prozent teurer geworden, fr Obst und Gemse gilt das gleiche. Jetzt im Winter sind die Prei-se weiterhin stark steigend. Mit groer Besorgnis, aber auch viel Tatendrang werden wir mit unseren russischen Partnern alles daran setzen, auch in Zukunft viele Men-schen zu untersttzen, damit

    sie eine Lebensperspektive haben. Fr Ihre Untersttzung im nun zu Ende gehenden Jahr bedanke ich mich besonders herzlich. Ihre Spendenbereit-schaft hat auch in diesem Jahr nicht nachgelassen. Viele von Ihnen sind schon sehr lange mit uns verbun-den. Dies ist ein starkes Zei-chen Ihres Vertrauens in un-sere Arbeit. Dafr sage ich DANKE! Ich wnsche Ihnen ein ge-segnetes Weihnachtsfest sowie Zufriedenheit und Ge-sundheit im kommenden Jahr. Ihr Ottmar Steffan

    Foto: Jannis Steffan.

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/20144

    Inhaltsverzeichnis

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 4

    Editorial .................................................................................................................................................... 3

    Gruworte der Bischfe

    In der Weite Russlands christliche Nhe .................................................................................................. 5

    Ich habe einen Bruder kennengelernt, der sich fr das interessiert, was uns wichtig ist. .......................... 7

    Bischof Bode in Russland

    Besuch bei Tante Beate mit Bischof Bode ............................................................................................. 9

    Katholiken in Russland wie leben sie als Minderheit? .......................................................................... 13

    Herzlich, handfest, frhlich, zupackend .................................................................................................. 19

    Kuh-Projekt

    ber 470 Kuh-Spenden .......................................................................................................................... 20

    Plakat - Bischof Bode in Russland....22

    Spielplatzbau in Barnaul

    Ein Spielplatz fr Barnaul Wo die Freundschaft stark ist, gibt es gute Dinge ..................................... 24

    Friedensworkcamp im Kaukasus

    Die Sprache der Frsche oder wie wir mit den eigenen Hnden Frieden schaffen ................................. 29

    Familienhilfe

    Hilfe tut Not! ........................................................................................................................................... 32

    Ende gut alles gut!? ............................................................................................................................. 33

    Klosterbauer-Einsatz

    Klosterbauer im Einsatz in Uljanowsk ..................................................................................................... 34

    Friedensarbeit

    Der Ukraine-Russland-Konflikt ............................................................................................................... 37

    Kurznachrichten

    Augenblick mal ...................................................................................................................................... 39

    Zahlen, Zahlen, Zahlen...40

    Impressum - Spendenformular

    Wir ber uns ........................................................................................................................................... 42

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 5

    Gruworte der Bischfe

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 5

    In der Weite Russlands christliche Nhe Gruwort von Dr. Franz-Josef Bode

    Eine Kuh fr Marx Im-mer wieder habe ich die span-nenden Berichte ber die Ak-tion, die dieser Zeitung den Namen gegeben hat, gelesen. Ebenso die interessanten In-formationen ber ein mir un-bekanntes Land. Da wurde es hchste Zeit, dass ich selbst einmal die guten Frchte un-serer Russlandhilfe in Augen-schein nahm und Bischof Pi-ckel besuchte. Im Juli war ich eine Woche in seinem Bistum. Ich habe Orte

    der Zuwendung zu Notleiden-den besucht und Projekte, an denen seit zehn Jahren auch junge Leute aus unserem Bis-tum im Freiwilligendienst mit-wirken (bisher 44); ich bin Menschen begegnet, die sich verantwortlich fr die rtliche Caritas einsetzen; ich habe Ge-denkorte des 2. Weltkriegs auf-gesucht (,Stalingrad), und auch ein Zusammentreffen mit der russisch-orthodoxen Kirche und der Besuch einer Moschee wa-ren sehr beeindruckend. Der or-

    thodoxe Erzbischof von Kasan hat uns sehr freundlich empfan-gen und mir ein wertvolles Ab-bild der berhmten Muttergottes von Kasan geschenkt. Der Mufti der tatarischen Muslime lud uns zum abendlichen Fastenbrechen im Monat Ramadan ein. Die Mauer des schnen Kreml (Burgbereich) von Kasan um-fasst eine riesige Moschee und eine wunderbare orthodoxe Kir-che. Die katholische Kirche bemht sich dort um gute Kon-takte zu den orthodoxen Mit-

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/20146

    Gruworte der Bischfe

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 6

    christen wie zu den Muslimen. Aber auch viele Fragende und von Religion Entfremdete su-chen in der katholischen Kirche Heimat und finden zu Glaube und Taufe. Meistens hren wir von Russ-land nur in schwierigen politi-schen Zusammenhngen und Auseinandersetzungen. Dabei vergessen wir manchmal die Menschen vor Ort in ihrer Ar-mut und Not, vergessen auch die, die in den groen Weiten des Landes als kleine Gruppen den katholischen Glauben leben. Wichtig war mir die persnliche Begegnung mit den Menschen und ihrer Situation. Und ebenso wichtig ist mir die Wertscht-zung einer Solidaritt und Hilfe, die in der Caritas von Osnab-rck besonders durch Ottmar Steffan und Sabine Hahn be-achtlich gewachsen ist. Wie ich

    auch bei anderen Reisen zu-letzt nach Indien erleben durf-te, brauchen wir diesen Blick in die weltweite Kirche, vor allem dorthin, wo sich Menschen un-ter schweren Bedingungen und in kleinen Zahlen um einen le-bendigen Glauben bemhen. Dieser Glaube hat mich in Russ-land tief beeindruckt, zumal er in hervorragender Weise Litur-gie, Katechese und Zuwendung zu den Armen miteinander ver-bindet. Zwischen der groen orthodo-xen Kirche, den tatarischen Muslimen und den vielen, de-nen der Glaube in den Jahren der Sowjetherrschaft verloren gegangen ist, wirkt die winzige Gruppe der Katholiken 20.000 in einem Gebiet doppelt so gro wie Deutschland intensiv. Sie st die Saat des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe ins Land. In vielen Herknften und

    Nationen lebt diese Kirche das Evangelium, einfach und den Menschen zugewandt, wie unser Papst Franziskus es sich so sehr fr unsere Kirche wnscht. Auch Frau Dr. Regina Wildgru-ber, die sich um die weltweiten Beziehungen unserer Dizese besonders auch durch die jun-gen Freiwilligen kmmert, konnte sich von der guten Zu-sammenarbeit unseres Bistums und Russlands berzeugen. Und Schwester Karola von Kloster Nette hatte Gelegenheit, die Be-ziehung ihres Ordens zu den Schwestern in der Dizese Sara-tow zu vertiefen. In der Weite Russlands viel menschliche Nhe, in der Klte Russlands viel menschliche Wrme, in der (Sommer-)Hitze Russlands gute Orte des Aufat-mens. Danke fr dieses Erleb-nis. Bischof Dr. Franz-Josef Bode

    Bischof Bode (rechts) u. Pater Diogenes (links) zu Gast beim Mufti von Kazan. Fotos (S. 5 und 6): Ottmar Steffan.

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 7

    Gruworte der Bischfe

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 7

    Ich habe einen Bruder kennengelernt, der sich fr das interessiert, was uns wichtig ist. Gruwort von Bischof Clemens Pickel

    Vom 19. bis 21. Juli hatte ich seltenen Besuch in Saratow. Selten weil sich Auslnder in Russland wirklich nicht oft in unsere sdrussische Provinz verirren. Auslnder besuchen Moskau und Sankt Peters-burg, also die Stdte, die noch mit Direktflgen zu erreichen sind, die auf Touristen einge-stellt sind, in denen man Geld verdienen kann und von de-

    nen wir scherzhaft tiefsinnig sagen, dass sie nicht Russland sind. Selten war jener Besuch aber auch, weil es das erste Mal seit unserer ungeschriebenen, jetzt 16jhrigen Bistumspartnerschaft war, dass Bischof Bode persn-lich dabei war. Zu viert stiegen sie am Morgen aus dem Zug, der ungewhnlicher Weise zu

    frh eintraf. Schwester Karola von den Netter Schwestern war hauptschlich dabei, weil ihre Gemeinschaft Schwestern bei uns im Bistum untersttzt. Frau Wildgruber war von Berufs we-gen dabei, aber auch mit dem Herzen. Der Vierte im Bunde war natrlich Ottmar Steffan, dem wir die Initialzndung vor 16 Jahren verdanken, und vieles mehr.

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/20148

    Gruworte der Bischfe

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 8

    Ich muss zugeben, dass ich die deutschen Bischfe wenig ken-ne, und dass ich viel fter ber sie lese, als dass ich ihnen be-gegne. Sogar mit Bischof Bode war es so, trotz der inzwischen vielfltigen Beziehungen in sein Bistum. Erst durch jene Tage in Saratow und Marx haben wir uns persnlicher kennengelernt. Und darber freue ich mich sehr. Denn ... Ich habe einen Mitbruder (das ist Kirchendeutsch), ich habe einen Bruder kennengelernt, der sich fr das interessierte, was uns wichtig ist. Das war sehr schn. Journalisten, aber auch Christen aus den eigenen Rei-hen, schauen oft nur auf die Verwaltungsfhigkeiten (und vermeintlichen -fehler) der Bi-schfe. Ich durfte in aller Ruhe einen Mann erleben, der Geist-licher ist, der Geist und Humor

    hat, dem der Andere wichtig ist, und nicht etwa von Berufs we-gen. Solche Begegnungen ma-chen auch mich wieder auf-merksamer, denn der Alltags-trott kann einen mit der Zeit schon manchmal unbemerkt ablenken. Kurz es ging herzlich zu in je-nen Tagen, die nebenbei auch Hoffnungen bestrkten, denen man wenn man das Leben hier in Russland gewohnt ist ei-gentlich und trotz allem nicht traut: nmlich, dass es weiter geht, konkret mit unserer Bis-tumspartnerschaft, die nie ein Strohfeuer sein sollte. Der Be-such unserer Gste hier an der Wolga (alle besuchten Stdte lagen am Flu) war wie eine Erneuerung des Versprechens, in Verbindung zu bleiben. Und das war viel deutlicher als ein

    geschriebener Vertrag. Danke von Herzen. Clemens Pickel

    Ein Stndchen fr die Bischfe: die Kinder des Marxer Kinderzentrums Bethlehem. Fotos (S.7 und 8): Ottmar Steffan.

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 9

    Gruworte der Bischfe

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 8

    Ich muss zugeben, dass ich die deutschen Bischfe wenig ken-ne, und dass ich viel fter ber sie lese, als dass ich ihnen be-gegne. Sogar mit Bischof Bode war es so, trotz der inzwischen vielfltigen Beziehungen in sein Bistum. Erst durch jene Tage in Saratow und Marx haben wir uns persnlicher kennengelernt. Und darber freue ich mich sehr. Denn ... Ich habe einen Mitbruder (das ist Kirchendeutsch), ich habe einen Bruder kennengelernt, der sich fr das interessierte, was uns wichtig ist. Das war sehr schn. Journalisten, aber auch Christen aus den eigenen Rei-hen, schauen oft nur auf die Verwaltungsfhigkeiten (und vermeintlichen -fehler) der Bi-schfe. Ich durfte in aller Ruhe einen Mann erleben, der Geist-licher ist, der Geist und Humor

    hat, dem der Andere wichtig ist, und nicht etwa von Berufs we-gen. Solche Begegnungen ma-chen auch mich wieder auf-merksamer, denn der Alltags-trott kann einen mit der Zeit schon manchmal unbemerkt ablenken. Kurz es ging herzlich zu in je-nen Tagen, die nebenbei auch Hoffnungen bestrkten, denen man wenn man das Leben hier in Russland gewohnt ist ei-gentlich und trotz allem nicht traut: nmlich, dass es weiter geht, konkret mit unserer Bis-tumspartnerschaft, die nie ein Strohfeuer sein sollte. Der Be-such unserer Gste hier an der Wolga (alle besuchten Stdte lagen am Flu) war wie eine Erneuerung des Versprechens, in Verbindung zu bleiben. Und das war viel deutlicher als ein

    geschriebener Vertrag. Danke von Herzen. Clemens Pickel

    Ein Stndchen fr die Bischfe: die Kinder des Marxer Kinderzentrums Bethlehem. Fotos (S.7 und 8): Ottmar Steffan.

    Bischof Bode in Russland

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 9

    Besuch bei Tante Beate mit Bischof Bode Mehrmals im Jahr fhrt Ottmar Steffan nach Russland. Von Berufs wegen, denn er ist beim Dizesancaritasverband Osteuropareferent. Mit Bischof Franz-Josef Bode hatte er diesmal einen prominenten Begleiter.

    von Matthias Petersen

    Wenn Ottmar Steffan in Marx an der Wolga ist, dann darf ein Besuch bei Tante Beate nicht fehlen. Beate Fix und Ottmar Steffan kennen sich seit die Osnabrcker Caritas Hilfestellung in Sdrussland leistet. Natrlich muss auch Bischof Bode Beate Fix kennenlernen. Mit dabei sind noch Regina

    Wildgruber, die die Abteilung Weltkirche im Bischflichen Generalvikariat leitet und deshalb auch den Kontakt zu den jungen Leuten sucht, die als Freiwillige des Bistums in der ganzen Welt unterwegs sind. Auerdem Schwester Karola von den Netter Schwestern, die zurzeit argen-tinische Schwestern in Ul-

    janowsk und Kasan unter-sttzen. Tante Beate hat aufgetischt, wie sie es immer tut, wenn Be-such kommt. Es ist diese Gast-freundschaft, die der Gruppe berall in Russland begegnet und die Bischof Bode nach sei-ner Rckkehr besonders hervor-hebt. Beate Fix gehrt zur Gruppe der Russlanddeutschen,

    Esst Kinder, esst hungrig geht bei Tante Beate keiner vom Tisch. Foto: Ottmar Steffan.

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/201410

    Bischof Bode in Russland

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 10

    die ein hartes Leben hinter sich haben. Glcklich lebten sie An-fang der 1930er Jahre in einer eigenen Republik an der Wolga, gelangten am Ende des Zweiten Weltkriegs mit den deutschen Truppen Richtung Westen, wurden von den Sowjets aber nach Sibirien deportiert. Nach Stalins Ende durften sie spter irgendwo in der UdSSR neu be-ginnen. Nach dem Fall des Ei-sernen Vorhangs siedelten viele nach Deutschland ber. Wer Russland besucht, dem begegnet die Geschichte dieser Russlanddeutschen unmittelbar, der erkennt, wie viel sie gelitten

    haben, sagt Bischof Bode. Dort waren sie die Deutschen, hier bei uns dann die Russen, fgt er hinzu. berhaupt sei das Land gar nicht weit entfernt, nur wenige Flugstunden. Und dann ist man schon mittendrin in der Geschichte und der Kultur des Landes und Europas. Berhrend der Auftakt zur Rei-se. In Wolgograd, dem frheren Stalingrad, ist die erste Station. Hier sind Hunderttausende Sol-daten im Zweiten Weltkrieg ge-fallen. Die Gste besuchen ei-nen Soldatenfriedhof und der Bischof denkt an aktuelle Kon-flikte in der Ukraine und im

    Heiligen Land. Eigentlich hat die Menschheit aus der Ge-schichte nichts gelernt, sagt er, und die Fassungslosigkeit und die Ohnmacht sind ihm deutlich anzumerken. Dann der Blick in die Stadt, auf ihre Hochhuser. Sie haben die Stdte selbst zur Steppe ge-macht, urteilt der Bischof. An der Bauweise sehe man deut-lich, dass der Mensch als Indi-viduum gar nicht mehr ernstge-nommen werde. Doch direkt kommt Bode auf das Engage-ment der kleinen katholischen Gemeinde zu sprechen. Von einer Handvoll Leuten wird

    Eine nachdenkliche Regina Wildgruber findet auf den Gedenksteinen in der Steppe bei Wolgograd ihren Familiennamen ein-gemeielt. Foto: Ottmar Steffan.

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 11

    Bischof Bode in Russland

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 11

    Menschen geholfen, das sind echte Zeichen der Menschlich-keit. Sie leisten etwas, was sonst kaum getan wird. Die Caritas hat in mehreren Stdten Zentren fr Kinder und Mtter einge-richtet, auerdem kmmert sie sich um Obdachlose. Weiter geht es zu Bischof Cle-mens Pickel. Seit Anfang der 90er Jahre ist der Geistliche, der aus dem Bistum Dresden-Meien stammt, im Osten aktiv. Zuerst war er Kaplan in Tad-schikistan, dann Pfarrer in Marx, bald darauf wurde er zum Bischof ernannt. Schnell nahm er Kontakt nach Deutschland

    auf und suchte Untersttzer. Es ist schn zu sehen, wie er unter den Menschen lebt, welches Gespr er fr die Menschen hat, sagt Bischof Bode und lobt zugleich Pickels Einsatz fr Li-turgie, Gebet und Katechese, fr die Zuwendung zu Armen und Kranken. Das ist ein gutes Zu-sammenspiel, damit hat er vielerorts Gemeinden gebildet. Und noch etwas lobt der Amts-bruder aus Osnabrck: Der ganze Einsatz wird nicht an die groe Glocke gehngt. In Russland ist alles extrem: Im Winter sinken die Temperaturen bis zu minus 40 Grad, im Som-

    mer sind es 30 bis 35 Grad. Das alles ohne lange bergangszei-ten. Das prgt die Menschen, sagt Bischof Bode. Sie mssen viel aushalten. Viel aushalten muss auch die kleine Gemeinde in Stepnoje, einem Dorf in der Steppe, eine runde Autostunde von Marx entfernt. In den 1990er Jahre wurde es errichtet, als der Strom der Sptaussiedler nach Deutschland immer grer wur-de. Das Dorf sollte ein Anreiz sein, in Russland zu bleiben und nicht auszusiedeln. Heute ist es ein Dorf ohne Perspektive. Wer hier lebt, will so schnell wie mglich weg. Zuerst verlassen die Mnner den Ort, denn Ar-beit gibt es hier nicht. Sie zie-hen in die Stdte, Mtter und Kinder bleiben zurck. Die blau gestrichene Kapelle auf dem trostlosen Dorfplatz scheint heute zu strahlen. Zwei Bischfe zusammen am Altar das war fr die Menschen in Stepnoje sicherlich ein besonde-res Erlebnis, sagt Bischof Bo-de. Es ist Sonntag und es wird das Evangelium vom Senfkorn gelesen. Die Gemeindemit-glieder bringen hier die Saat aus; es sind viele kleine Senf-krner, lobt der Bischof den Einsatz. In Uljanowsk erlebt Bischof Bode eine Priestergruppe aus Argentinien. Er ist erstaunt, dass sie sich ganz bewusst aus La-teinamerika verabschiedet ha-ben, um eine Zeit in Russland zu leben. Sie setzen sich sehr fr die Menschen ein, lobt er und erwhnt auch die Ordens-schwestern, die vielerorts in Russland aktiv sind: Sie bilden

    Welche Perspektive haben diese Kinder aus dem Wolgadorf Stepnoje wohl? Foto: Ottmar Steffan.

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/201412

    Bischof Bode in Russland

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 12

    fr die Menschen einen festen Anziehungspunkt und schaffen viel Vertrauen. Offiziell geht es dann bei der letzten Station der Reise zu, der Bischof tritt in vollem Ornat auf. In Kasan gilt es, Erzbischof Anastasij gegenberzutreten, der die russisch-orthodoxe Kir-che vertritt. Abends geht es dann zum Mufti, denn Kasan ist die Hauptstadt der Tataren, die

    wiederum muslimisch geprgt sind. 1,3 Millionen Menschen leben hier, sie kommen gut mit-einander aus, ein schnes Bild fr das Miteinander der Religi-onen und Konfessionen. Bischof Bode betet vor dem Bild der Muttergottes, das Papst Johan-nes Paul II. der orthodoxen Kir-che zurckgegeben hat. Russland bleibt das Land der Gegenstze. Klte im Winter,

    Hitze im Sommer. Die Hitze hat der Bischof jetzt erlebt. Ob er noch einmal nach Russland wol-le? Er wiegt mit dem Kopf und sagt: "Russland im Winter wr-de mich sicherlich auch reizen. Er darf damit rechnen, dass ihn Ottmar Steffan bald wieder zur Mitreise einldt.

    Andchtig znden Bischof Bode und Pater Diogenes ihre Kerzen vor dem Abbild der Kazaner Madonna an. Foto: Ottmar Steffan.

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 13

    Bischof Bode in Russland

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 13

    Katholiken in Russland wie leben sie als Minderheit?

    Regina Wildgruber, die Bischfliche Beauftragte fr die Weltkirche im Bistum Osnabrck, hat das Bistum Sdrussland besucht und mit Menschen gesprochen, fr die ihre Religion eine besondere Sprache ist.

    Morgenandachten vom 1. bis 6. September 2014: Katholiken in Russland von Dr. Regina Wildgruber, Osnabrck, auf NDR Info und NDR Kultur (www.ndr.de/kirche)

    Montag, 1. September Diaspora Katholiken in Russland, gibt es die berhaupt? Das fragen mich Freunde und Bekannte, bevor ich zu meiner Reise in das katholische Bistum Sdrussland aufbreche. Katholiken in Russ-land? Die Frage ist nicht ganz unberechtigt. Bei Russland denkt man doch eher an die rus-sisch-orthodoxe Kirche mit ih-ren farbenprchtigen Gewn-dern, den feierlichen Gottes-

    diensten und den beeindrucken-den, mehrstimmigen Gesngen. Nur ein verschwindend kleiner Teil der Bevlkerung in diesem riesigen Land gehrt der katho-lischen Kirche an. Seit Anfang der 90er-Jahre gibt es Kontakte zwischen dem Bistum Osnab-rck und dem Bistum Sdruss-land. Es ist eines der insgesamt vier katholischen Bistmer in Russland. Zum Bistum gehren Stdte wie Wolgograd, Saratow, Marx, Uljanowsk oder Samara. Wer hier fr die Kirche arbeitet, muss gerne Auto fahren.

    Die ersten Katholiken in dieser Region waren Deutsche, die sich vor ber 200 Jahren auf Einladung der Zarin Katharina an der Wolga niederlieen. Auf den fruchtbaren Bden weit im Osten Europas wollten sie Landwirtschaft betreiben. Nach dem Ende der sowjetischen Wolgarepublik 1941 mussten die Deutschen diese Gebiete verlassen. Ihre evangelischen und katholischen Kirchen blie-ben zurck und wurden anders genutzt, etwa als Lagerhalle. Vor 25 Jahren kehrten einige

    Die katholische Kirchengemeinde in Uljanowsk reiht sich zum Gruppenfoto mit den Osnabrcker Gsten auf. Foto: Ottmar Steffan.

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/201414

    Bischof Bode in Russland

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 14

    Russlanddeutsche an die Wolga zurck. Sie waren eine Keim-zelle fr die heutige katholische Kirche in Sdrussland. Andere Gemeinden bestehen mehrheit-lich aus Armeniern. Manche Frauen und Mnner sind katho-lisch, weil sie aus litauischen, polnischen oder ukrainischen Familien stammen. Und manche haben sich erst in den vergan-genen Jahren der katholischen Kirche angeschlossen. Hinzu kommen Ordensleute und Pries-ter aus Polen, Deutschland, Ita-lien, der Slowakei, der Ukraine, aus Indonesien, Peru und Ar-gentinien. Bei meinem Besuch in Sdruss-land begegne ich einer bunten Kirche mit unterschiedlichsten sprachlichen, kulturellen und spirituellen Traditionen, einer Kirche, die sich in einer extre-men Minderheitensituation nicht abgrenzt und zurckzieht, son-dern sichtbar mitten unter den Menschen lebt. Es ist eine Kir-che, die bei den Menschen ist, die am Rand stehen, bei Kin-dern, deren Familien zerbre-chen, bei alten Menschen, die mit der Pflege ihrer Angehri-gen berfordert sind. Eine Kir-che, die unaufdringlich, aber klar von der Hoffnung Zeugnis gibt, die sie erfllt. Dienstag, 2. September Namen ber Namen Familiennamen ben auf mich eine besondere Faszination aus. In einer Rubrik unserer Zeitung wird jeden Tag ein Familienna-me aus der Region vorgestellt. Ich erfahre, was der Name be-deutet, worauf er zurckgeht und wo er herkommt. Einer un-berblickbaren Zahl an Namen bin ich vor kurzem in einem

    ganz anderen Zusammenhang begegnet: Auf einer Reise durch das sdliche Russland konnte ich das heutige Wolgograd be-suchen. Vor gut 80 Jahren trug die Stadt einen anderen Namen: Stalingrad. Er ist verbunden mit einer Schlacht zwischen der Deutschen Wehrmacht und der Roten Armee im Winter 1942/43. In ihrem Verlauf ver-loren ber 70.0000 Menschen ihr Leben. Vor den Toren der Stadt liegt heute ein Friedhof fr die toten deutschen Soldaten. Ihre ber-reste wurden auf einem Feld be-stattet, das von einem groen Mauerrund umgeben ist. Darauf eingraviert: Namen. Die meisten der toten Soldaten konnten nicht mehr bestattet werden. Ihre Namen finden sich auf groen Steinwrfeln, hunderte, tausen-de von Namen. Der Wind fegt ber die trockene Steppe. Wir schreiten an den Steinen ent-lang, berhren sie, lesen die Namen. Alltgliche Namen, vertraute, ungewhnliche, man-che auch skurril. Und kein ein-ziger in unserer kleinen Besu-chergruppe, der nicht den Na-men der eigenen Familie auf den Steinen vor Wolgograd fin-det. Was hat es fr einen Sinn, tausende und abertausende Na-men von Menschen aufzu-schreiben, die seit ber 70 Jah-ren tot sind? An einem Ort, den kaum ein Mensch besuchen kann, der die Toten gekannt hat, sie geliebt und um sie geweint hat? Meinen eigenen Familiennamen dort zu lesen, mitten in der sdrussi-schen Steppe, hat mich sehr be-rhrt. Die beiden jungen Mn-ner, deren Namen und Lebens-daten auf den Steinen vor Wol-gograd eingraviert sind, waren

    nicht mit mir verwandt. Ich wei nichts ber ihre kurze Le-bensgeschichte. Trotzdem habe ich ihre Namen fotografiert und sie so auf der Speicherkarte meiner Kamera nach Hause ge-tragen (s. Foto S. 10). Die Namen mitten in der Un-wirtlichkeit der Steppe sind ein stummer Protest gegen die men-schenverachtende Maschinerie des Krieges. Sie finden sich nicht damit ab, dass ein einzig-artiger Mensch in der anonymen Masse der Gefallenen untergeht. Sie sind fr mich Mahnmal und Zeugen der unverhandelbaren Wrde des Menschen. Mittwoch, 3. September Besondere Sprache Die alte Ordensfrau erzhlt und erzhlt und ich kann mich kaum aus ihrem Bann reien. Schon im Gottesdienst war sie mir aufgefallen: ihre vom Alter et-was gebeugte Gestalt, das Ge-sicht voller Runzeln, die hell-wachen blauen Augen. Und jetzt sitze ich beim Kaffeetrin-ken nach der Sonntagsmesse im Stdtchen Marx an der Wolga neben ihr und lausche fasziniert: Die Kindheit hat sie in einem deutschen Dorf in der Ukraine verbracht, whrend des Krieges ist sie nach Brandenburg umge-zogen, danach mit der Familie nach Sibirien deportiert worden. Von dort kam sie, wie viele an-dere Russlanddeutsche auch, nach Tadschikistan. Und als dort der Brgerkrieg ausbrach, zog sie schlielich an die Wolga, in die ehemaligen deutschsprachigen Gebiete. Ihr russlanddeutscher Dialekt hat einen Klang, den ich so nie zu-vor gehrt habe. Sie erzhlt un-glaubliche Geschichten, ber

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 15

    Bischof Bode in Russland

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 15

    die Zeit in Sibirien, als die Fa-milie kurz vor dem Hungertod stand. Sie knnte noch ganz an-dere erzhlen, ber das Glaubensleben der Russland-deutschen und ber ihr Leben als Ordensfrau im Untergrund. Als junge Frau hat sie sich heimlich der Ordensgemein-schaft angeschlossen, niemand durfte davon wissen. Tagsber haben die Schwestern in ganz normalen Berufen gearbeitet, in Fabriken, als Krankenschwes-tern oder Schneiderinnen. Nachts haben sie sich getroffen um zusammen zu beten, Gottes-

    dienst zu feiern und den Glau-ben weiterzugeben. Die katholi-sche Kirche existierte in der Sowjetunion als verborgenes Netzwerk. Noch heute, mit weit ber 80 Jahren, strahlt diese Schwester eine positive Kraft aus, der man sich kaum entzie-hen kann: bodenstndig, uner-schrocken, humorvoll. Wie die Schwestern in Marx hat auch der tschechische Philosoph und Priester Tomas Halik die Erfahrung des Christseins im Untergrund gemacht. Heute setzt er sich in seinen Bchern damit auseinander, welche Rolle

    Glaube und Religion in einer skularen Gesellschaft spielen knnen. Fr Tomas Halik ist Religion eine besondere Spra-che. Menschen, die mit ihr ver-traut sind, knnen mit ihrer Hil-fe formulieren, was sie existen-tiell bewegt und sich darber austauschen. Im Sprachraum ei-ner Religion ist es mglich, ver-bindliche Ausdrucksformen fr Freude und Hoffnung, Trauer und Angst zu finden. Die Schwestern in Marx haben ihr Leben dafr eingesetzt, dass diese Sprache nicht verloren geht. Sie haben Menschen er-mutigt, diese Sprache zu spre-chen, ihre Sprachfhigkeit zu erhalten und die Sprache der Religion als Alphabet des Le-bens an ihre Kinder weiterzuge-ben. Donnerstag, 4. September Mahl halten Das Haus hatte ich mir ganz an-ders vorgestellt. Ich hatte eher eine Wohnung in einem Plat-tenbau vor Augen. Ich bin mehr als berrascht, als ich nun das erste Mal die Unterkunft der Freiwilligen besuche, die Jahr fr Jahr aus dem Bistum Osnab-rck nach Wolgograd kommen: Vor mir steht kein Wohnblock mit vielen Stockwerken und ei-ner anonymen Fassade, sondern ein altes Haus mit einem groen Nutzgarten. Im Inneren fhrt ei-ne Holztreppe nach oben, an den hohen Decken ist Stuck zu erkennen. Hier lebt die Gemeinschaft Jo-hannes XXIII., eine kleine geist-liche Bewegung aus Italien. Zur Hausgemeinschaft in Wol-gograd gehren neben dem Hausleiter drei weitere Mnner und der junge Mann aus unse-

    Regina Wildgruber ist von Schwester Flora und ihrer Lebensgeschichte beein-druckt. Foto: Ottmar Steffan.

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/201416

    Bischof Bode in Russland

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 16

    rem Bistum. Heute Abend ist die Tischrunde gro: Auer uns Besuchern aus Deutschland ist auch noch die Gemeinschaft aus dem 200 Kilometer entfernten Elista zum Essen gekommen. Wir sitzen zusammen am gro-en Tisch auf der Veranda und essen sditalienische Pasta mit Tomaten, Basilikum und einer krftigen Prise Knoblauch: Frauen und Mnner, Menschen mit und ohne Behinderung, Russen, Italiener und Deutsche, ein ehemaliger Straftter, der sein halbes Leben im Gefngnis verbracht hat und unser junger Freiwilliger, der ein Jahr seiner Lebenszeit fr einen sozialen Dienst hergeschenkt hat. Das Gesprch geht hin und her, ber Gott und die Welt. Nach dem Essen spielt ein junger Musiker ein modernes Stck auf der Fl-te. Vor fnf Jahren wurde er ge-tauft und gehrt seitdem zum Freundeskreis der Gemein-

    schaft, die den Namen des gti-gen Papstes trgt. So muss es sich angefhlt ha-ben, wenn Jesus Mahl gehalten hat, denke ich. Es war eine hn-lich bunt zusammen gesetzte Runde, die sich um einen Tisch versammelt hat. Im Evangelium fordert Jesus seine Jngerinnen und Jnger auf, fr das Reich Gottes alles hinter sich zu las-sen: Brder und Schwestern, Vater und Mutter. Und er ver-spricht ihnen, dass sie all das, was sie aufgegeben haben, um ein Vielfaches zurckbekom-men - nicht in einem Jenseits, sondern in diesem Leben. Heute Abend sitze ich mit Menschen zusammen, die der Aufforde-rung Jesu gefolgt sind. Sie ha-ben alle Bindungen hinter sich gelassen, um nach Russland zu gehen und dort mit Benachtei-ligten wie in einer Familie zu-sammenzuleben. Ich sehe, fhle und schmecke, wie die Verhei-

    ung Jesu fr sie wahr gewor-den ist. Freitag, 5. September Briefe Wolgograd, eine russische Mil-lionenstadt wie viele andere. Breite, rechtwinklige Straen, hohe Wohnblcke, die vielen Menschen modernen Wohn-raum bieten, dazwischen immer wieder niedrige Holzhuschen mit geschnitzten Fensterrahmen und bunten Verzierungen. Als Stalingrad ist diese Stadt in das kollektive Gedchtnis Europas eingegangen. Die Schlacht um Stalingrad im Winter 1942/43 war einer der Wendepunkte des Zweiten Weltkriegs. Heute er-innern berall in den Straenz-gen Gedenksttten an Belage-rung und Hunger, Flucht und Huserkampf. So erhebt sich in riesigen Dimensionen die Frau-engestalt Mamaev Kurgan - zu Deutsch Mtterchen Hei-

    Abendessen in der Gemeinschaft Johannes des XXXIII in Wolgograd italienisches Flair mitten in Russland. Foto: Ottmar Steffan.

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 17

    Bischof Bode in Russland

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 17

    mat ber einen Hgel, auf dem allein 30.000 Soldaten ihr Le-ben verloren haben. Andere Gedenkorte sind weni-ger offensichtlich. Neben einem Supermarkt fhrt eine Treppe in einen Keller. Hier, im ehemali-gen Bunker des deutschen Ge-neralfeldmarschalls, ist heute ein kleines Museum eingerich-tet, das an die Zeit der Belage-rung erinnert. Neben Einrich-tungsgegenstnden, Waffen, Flugblttern und Karten finden sich auch Briefe von gefallenen Soldaten. Auf einer Pinnwand kann ich einige lesen: Briefe, die die Soldaten von zu Hause erreichten, Antworten, die sie nicht mehr abschicken konnten. Eine junge Mutter beschreibt ih-rem Mann den beschwerlichen Alltag, sie erzhlt vom Niko-lausabend und davon, dass kein Geld da war, um den Kindern Geschenke zu kaufen. Ein Sohn bedankt sich bei seinen Eltern

    fr Nachrichten von Zuhause und Zigaretten. Ein junger Mann bringt die Sehnsucht nach seiner Verlobten zu Papier, ein verheirateter Mann bittet seine Frau, Ersatz fr den verlorenen Ehering zu besorgen. Ich staune darber, dass diese Briefe berhaupt aus den Trmmern des Schlachtfeldes von Stalingrad gerettet wurden. Mit ihrem banalen Inhalt und ihrer ungelenken Sprache stehen sie in einem kaum vorstellbaren Kontrast zu der Umgebung, in der sie abgefasst wurden. Ihre Verfasser waren keine Wider-standskmpfer. Als Soldaten der Deutschen Wehrmacht haben sie freiwillig oder unfreiwillig Hitlers Krieg gegen Russland untersttzt. Und doch empfinde ich die unabgeschickten Briefe der Soldaten als eine Form des Widerstands. Sie wirken auf mich wie verzweifelte Versu-che, sich ein kleines Stck

    Menschlichkeit mitten im men-schenfeindlichen Wahnsinn des Krieges zu bewahren. Sie sind auf unspektakulre Weise ein Mahnmal fr den Frieden. Samstag, 6. September Kerzen anznden Kasan strahlt. Die Hauptstadt der russischen Teilrepublik Ta-tarstan berrascht mich mit frisch renovierten Husern, ei-nem gepflegten Park im Stadt-zentrum und dem Kreml, einer Stadtfestung mit vielen histori-schen Gebuden. Die orthodoxe Kirche mit ihren goldenen Kup-peln und die in Blautnen ge-haltene Moschee stehen in Kasan Seite an Seite. Auch im Inneren wirkt die Kir-che neu. Die Ikonostase, eine mit Ikonen geschmckte Wand, die den Altarraum von der bri-gen Kirche abgrenzt, reicht bis zur Decke. Der leuchtende gol-dene Hintergrund der Ikonen lsst die Kirche in einem war-men Licht erstrahlen. Wie viele andere russische Kirchen ist auch diese Kirche erst in den vergangenen Jahren wiederher-gestellt worden. Heute ist sie gut besucht. Tou-ristengruppen lassen sich von ihren Reiseleitern die Architek-tur des Kirchenbaus und die Darstellungen auf den Ikonen erklren. Frauen, die nach Art der orthodoxen Christen ihr Haar mit einem Kopftuch be-deckt halten, bleiben vor den Ikonen stehen, kssen sie und znden eine der langen, nach Honig duftenden Bienenwachs-kerzen an.

    Unabgeschickte Briefe der deutschen Soldaten Foto: Ottmar Steffan.

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/201418

    Bischof Bode in Russland

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 18

    Ich bin berrascht, als ich erfah-re, dass hier nur einige wenige Gottesdienste im Jahr statt-finden. Nach dem religisen Traditionsabbruch whrend der Sowjetunion leuchten heute berall in Russland die frisch vergoldeten Zwiebelhauben von orthodoxen Kirchen und Kls-tern. Die religise Praxis scheint aber nicht Schritt zu halten mit der Wiederherstellung der reli-gisen Gebude. Nur wenige besuchen in Russland Gottes-dienste. Ich beobachte die Menschen in der Kirche, wie sie nach den Kerzen greifen, sie entznden und in den Stnder zu den be-

    reits brennenden Kerzen stellen. Oft verweilen sie noch einen Moment, versunken in Gedan-ken oder vielleicht in ein kurzes Gebet. Die Kirchenbesucher in Kasan lassen sich ansprechen von der Mglichkeit, das, was sie existentiell bewegt, mit der symbolischen Handlung des Kerzenanzndens zum Aus-druck zu bringen. Die brennende Kerze ist ein Symbol, das Christen auf der ganzen Welt miteinander ver-bindet. Keine Osterfeier, keine Taufe ohne dieses Zeichen. Die Flamme der Kerze steht fr Licht in der Dunkelheit, fr

    Wrme, Kraft und Energie, fr Leben, das strker ist als Zerst-rung und Tod. Eine Kerze anzu-znden kann ein wortloses Ge-bet sein, ein Ausdruck von Hoffnung und Vertrauen. Um eine Kerze anzuznden muss man nicht getauft sein. Man muss sich nicht sicher sein, ob und was man glaubt. Man muss nicht gelernt haben zu be-ten. Diese wortlose Geste steht jedem Menschen offen. Hinweis: Dieses Manuskript ist ur-heberrechtlich geschtzt und darf nur fr private Zwecke benutzt werden. Jede andere Verwendung ist nur mit Zustimmung des Katho-lischen Rundfunkreferats zulssig.

    Eine Kerze anznden kann ein wortloses Gebet sein. Schwester Karola und Regina Wildgruber vor dem Abbild der Kazaner Madonna. Foto: Ottmar Steffan.

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 19

    Bischof Bode in Russland

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 19

    Herzlich, hand-fest, frhlich, zupackend Begegnung mit den Schwes-tern der Kongregation der Dienerinnen des Herrn und der Jungfrau Maria von Ma-tar

    von Schwester Karola

    Vieles hat mich whrend unse-rer Russlandreise beeindruckt und wirkt noch nach: Die herz-liche Aufnahme berall, die Be-gegnung mit Schwestern und Priestern aus ganz verschiede-nen Lndern der Welt, ihr Ein-satz und ihre Glaubensfreude, das Engagement der Caritas fr die Armen, die kaum jemanden haben, der sich um sie kmmert, die Erzhlungen von Russland-deutschen ber ihr Schicksal und ihre Treue zum Glauben. Ein besonderes Erlebnis war es fr mich, in Uljanowsk und Ka-zan die Schwestern der Kongre-gation der Dienerinnen des Herrn und der Jungfrau Maria von Matar persnlich kennen-zulernen. Durch Bischof Pickel war der Kontakt zwischen die-sen Schwestern und unserer Gemeinschaft zustande gekom-men. Gre waren hin und her gegangen, Fotos, Berichte ber die Arbeit der Schwestern, klei-ne Geschenke, das Versprechen, einander im Gebet mitzutragen. Um den Schwestern mehr Frei-raum fr ihre pastorale Arbeit zu geben, untersttzen wir die Konvente in Uljanowsk und Kazan auch finanziell.

    Die Dienerinnen des Herrn und der Jungfrau von Matar sind eine relativ junge Ordensge-meinschaft, erst 1988 wurde sie in Argentinien gegrndet. Die Gemeinschaft ist sehr schnell gewachsen. Heute gehren ihr schon ber 1300 Schwestern in der ganzen Welt an. Sie sehen es als ihre besondere Aufgabe an, das Evangelium in die Welt zu tragen. Daher widmen sie sich insbesondere der Verkn-digung des Wortes Gottes in all ihren Formen, z.B. durch den Dienst in den Pfarreien, durch Einkehrtage, Religionsunter-richt, caritativen Einsatz. Sie gehrt zur von P. Carlos Miguel Buela gegrndeten Ordensfami-lie vom fleischgewordenen Wort (IVE), der auch noch eine Ordensgemeinschaft fr Mnner und eine Laiengemeinschaft an-geschlossen ist. Ein wenig hatte ich mir die Schwestern von den Bildern und Erzhlungen her auch so vorge-stellt: Herzlich, handfest, frh-lich, zupackend. Die Schwes-tern stammen aus verschiedenen

    Lndern: aus Peru, Argentinien, Russland und der Ukraine. In Uljanowsk sind die Schwes-tern in der Gemeinde ttig. Wir merkten schnell, wie sehr sie mit den Glubigen dieser ber-wiegend armenisch geprgten Gemeinde verbunden sind. Das Schwesternhaus dort ist ein altes Gebude, mit viel Sanierungs-bedarf. Als wir es besuchten, waren Handwerker im Einsatz, um zumindest die wichtigsten Renovierungsarbeiten vorzu-nehmen. Auch in Kazan arbei-ten die Schwestern in der Ge-meinde, dort befindet sich zu-dem noch das Noviziat der rus-sischen Ordensprovinz. Zwei junge Frauen sind in der Aus-bildung zur Ordensschwester. Regina Wildgruber und ich wa-ren in Kazan in der Wohnung der Schwestern untergebracht, auerdem waren wir an einem Nachmittag im Noviziat einge-laden. So war Gelegenheit, sich etwas mehr kennenzulernen. Es wre schn, wenn es irgend-wann einmal einen Gegenbe-such in Kloster Nette geben knnte.

    Uljanowsker und Osnabrcker Schwesternverbindung. Foto: Ottmar Steffan.

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/201420

    Kuh-Projekt

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 20

    ber 470 Kuh-

    Spenden

    Das bekannteste Projekt unserer Russlandhilfe Ei-ne Kuh fr Marx ist das Kuhprojekt. Vor 15 Jahren begonnen, hat dieses Pro-jekt bereits ber 470 Fami-lien geholfen, sich mit ei-ner Kuh aus ihrer Notsitua-tion zu befreien.

    von Ottmar Steffan

    In diesem Jahr gehen zwei Kuhherden in Drfer in der N-he der sibirischen Stdte Omsk und Kujbyschew. Whrend wir in diesem Projekt schon jahre-lang mit der Caritas Omsk zu-sammenarbeiten, ist der Kontakt nach Kujbyschew neu. Als wir im Juli 2014 mit unserem Bi-schof Franz Josef Bode unser Partnerbistum St. Clemens be-suchten, kam ich im Marxer Pfarrhaus mit dem neuen Gene-ralvikar unseres Partnerbistums, Pater Jaroslaw Mitrzak, ber unser Kuh-Projekt ins Gesprch. Einen Monat spter schrieb er in einer Mail, dass er vor drei Jah-ren beim Pfarrer von Kujby-schew, Pater Dietmar Seiffert, Vertretung gemacht htte. Dabei sei er auch in das Dorf Koshe-vnikowo, einer Auenstation der Gemeinde gekommen, in dem die Lebenssituation uerst schwer sei und es viele arme Familien gbe, fr die eine Kuh

    eine sehr groe berlebenshilfe bedeuten wrde. Daraufhin ha-ben wir Kontakt zu Pater Diet-mar Seiffert aufgenommen, der begeistert von unserem Kuhpro-jekt war. Spter schrieb er mir: Sehr geehrter Herr Steffan, ich schreibe heute aus Kujbyschew in Westsibirien. Wir haben mit-einander wegen des Projektes Eine Kuh 15 mal fr Koshe-vnikowo [] telefoniert. Heu-te war ich dort vor Ort, habe mit den Leuten gesprochen und

    kann ihnen schon die Liste der Empfnger zusenden. Ich wrde gerne noch eine Kuh (Nr.16) fr ein Rentnerehepaar aus einem anderen Dorf hinzufgen (Jer-molaevka). Ein Sohn von ihr und ein Enkelkind sind im Ge-fngnis. Sie mssen ihnen das Ntigste zukommen lassen. Der andere Sohn ist arbeitslos und Alkoholiker. Ich bin davon berzeugt, dass diese Hilfe u-erst sinnvoll und notwendig ist []. Es gibt noch zwei Fami-

    Bischof Bode trinkt Marxer Kuhmilch und wirbt fr unser Kuhprojekt. Foto: Ottmar Steffan.

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 21

    Kuh-Projekt

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 21

    lien, die eventuell fr dieses Projekt in Frage kmen. Ich muss dies jedoch erst noch ab-klren und werde mich spter diesbezglich bei Ihnen mel-den.

    Mittlerweile ist die Liste auf 20 Kuh-Familien angewachsen. Anfang Oktober schrieb Pfarrer Dietmar Seiffert: Elf Khe wurden bereits gekauft und dazu das Heu. Heute gebe ich die letzte Rate, damit die letzten Khe gekauft werden knnen. Leider gab es einen Unfall. Eine Kuh ist aus dem Anhnger gesprungen und musste notgeschlachtet werden.

    Das verkaufte Fleisch bringt die ungefhre Einkaufssumme wie-der ein (ein bisschen weniger). So muss eine Familie jetzt da-mit leben, dass sie aus dem Fleischgeld dann spter eine Kuh kaufen kann. Zu jedem Kuhantrag gehrt eine kurze Stellungnahme unserer Partner zur sozialen Situation der zuknftigen Kuh-Familien. Beispielsweise schreibt Pater Dietmar Seiffert: Sergej S.: 37 Jahre, drei Kinder im Alter von 2 bis 11 Jahren, arbeitslos, Gelegenheitsarbeiter auf dem Bau. Seine Frau, zeit-

    weilige Arbeit in einer Firma fr Geflgelprodukte, verdient momentan 20.000 Rubel (ca. 400 Euro). Nikolaj D.: 43 Jahre, Chauffeur fr Schulbusse, Verdienst 8.000 Rubel (ca. 160 Euro), drei Kin-der, die Frau ist arbeitslos, ar-beitet zu Hause. Svetlana D.: 42 Jahre, vier Kin-der, verheiratet, verkauft auf dem Markt Haushaltswaren, Mann: 39 Jahre, Wchter im Al-tenheim, verdient 8000 Rubel (ca. 160 Euro).

    Eine Kuh hilft beim berleben. Mittlerweile wurden schon ber 470 Khe von Eine Kuh fr Marx gespendet. Foto: Dietmar Seiffert.

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/201422

    Bischof Bode zu Besuch in Russland

    Doppelseiten_Kuh_einzeln.pdf 1 Dezember 11, 2014 15:38:33

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 23

    Doppelseiten_Kuh_einzeln.pdf 2 Dezember 11, 2014 15:38:33

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/201424

    Spielplatzbau in Barnaul

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 24

    Ein Spielplatz fr Barnaul Wo die Freund-schaft stark ist, gibt es gute Dinge Der dritte Spielplatz wurde in diesem Sommer von Freiwilligen aus dem Bistum Osnabrck in Russland gebaut.

    von Elisabeth Nfer und Melissa Rleke

    , Wo die Freundschaft stark ist, gibt es gute Dinge, besagt ein altes russisches Sprichwort. Zum dritten Mal brachen Schler und Studenten, angeleitet von Eine Kuh fr Marx und dem Sozialen Seminar des Bis-tums Osnabrck zum Spiel-platzbau nach Russland auf. Nach den erfolgreichen Pro-jekten in Orsk (2010) und Orenburg (2012) ging es

    diesmal nach Barnaul im S-den Westsibiriens, 3758 Kilo-meter entfernt von Moskau. In der 600.000-Einwohner-Stadt bietet das Kinderzentrum der Caritas Unterkunft fr Mtter in Not und Tagesbetreuung fr Kinder aus schwierigen sozialen Verhltnissen. Um fr diese Kinder einen Spielplatz zu bauen, waren wir - eine motivierte Gruppe aus 16 Teilnehmern, vier studentischen

    Teamern und drei Klosterbauern - drei Wochen lang in der Cari-tas zu Gast. So entstand auf dem Gelnde ein mit eigenen Ideen gestalteter Spielplatz, der nun allen Kin-dern offen steht. Viele der Teil-nehmer hatten sich vorher be-reits durch den Besuch des So-zialen Seminars in Osnabrck mit dem Thema Kinderarmut in Russland beschftigt. So war in diesem Jahr das Interesse

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 25

    Spielplatzbau in Barnaul

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 25

    an der Russlandreise wieder u-erst hoch. Drei der Teilnehmer waren so-gar schon zum dritten Mal da-bei. Auch zwei der Teamer wa-ren ehemalige Freiwillige der Caritas in Russland und hatten dadurch auch eine sprachliche Brckenfunktion inne. Die Reise beginnt Nachdem der Flieger in Dssel-dorf abgehoben hatte, wurde uns wirklich bewusst: Jetzt geht es los! Von Moskau flogen wir weiter nach Omsk, wo uns eine rasante Taxifahrt vom Flugha-fen zur Caritas-Station brachte. Dort wurden wir von Schwester Elisabeth herzlich aufgenom-

    men. Nach kurzer Rast und ei-nem Frhstck zeigte uns Mai-ke, die in Omsk ihren Freiwilli-gendienst geleistet hatte, die Stadt. Anlsslich des 298. Stadtgeburtstags waren die Straen feierlich herausgeputzt. Rundherum gab es Hpfburgen, Schiestnde und Buden mit Schaschlik-Spieen und Kwas, einem russischen Brottrunk. Es herrschte eine ausgelassene At-mosphre, die wir sehr genos-sen. Spter bekamen wir auch einen Einblick in die Arbeit der Cari-tas vor Ort, denn Schwester Eli-sabeth zeigte uns die Kinderta-gessttte, das Pflegezentrum und die Kleiderkammer. Nach dem Besuch des Gottesdienstes

    und einem Konzert in der Phil-harmonie stiegen wir, voll mit neuen Eindrcken, in den Zug nach Novosibirsk. Gemtlich schaukelnd brachte uns der Schlafwagen nach Novosibirsk. Auch dort durften wir dem Cari-tas-Zentrum vor Ort einen Be-such abstatten, bis uns der Lini-enbus am Nachmittag schlie-lich nach Barnaul brachte. Ankunft in Barnaul In Barnaul erwarteten uns be-reits die Leiterin der Caritas, Schwester Maria, und unsere Gastgeber der katholischen Gemeinde. Auch unsere drei Klosterbauer waren schon da, die schon das Material besorgt

    Es war ein langer Weg viele Vorarbeiten gab es zu leisten, bis das 1. Spielgert aufgebaut werden konnte. Fotos: privat.

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/201426

    Spielplatzbau in Barnaul

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 26

    und den Spielplatzbau vorberei-tet hatten. Am Dienstag, als alle sich von der aufregenden Anrei-se erholt hatten, konnten wir gleich anfangen. Zunchst musste der Untergrund fr die Spielgerte vorbereitet werden. Dafr bewaffneten sich alle mit Schaufeln und Eimern. Im nchsten Schritt wurde dann ge-sgt, gehobelt und geschliffen, bis die Bretter fr das Spielhaus, den Turm und die Schaukel be-reit waren. Danach wurden die Aufgaben an einzelne Teams verteilt. So pflasterten die einen den Boden, whrend die ande-ren die Bretter lasierten oder das Holz fr den bunten Zaun zu-schnitten. In Teamarbeit und mit fachgerechter Anleitung durch die Klosterbauer nahm der Spielplatz schnell Formen an. Neben der Arbeit kam auch das Vergngen nicht zu kurz. Ganz

    nach dem Motto Wer arbeitet, muss auch ordentlich essen! wurden wir jeden Tag abwechs-lungsreich von engagierten Mit-arbeiterinnen der Caritas be-kocht. Durch die selbstgemach-ten Pelmeni (Teigtaschen), Sup-pen und Blinis zum Frhstck lernten wir (auch) die russische Kche lieben! Am Wochenende zeigten uns zwei ehemalige Besucherinnen der Caritas-Kinderbetreuung ihre Stadt. Der nchste Ausflug ging zum Schwimmen an das Ufer des Flusses Ob. Einen ganz anderen Aspekt vom Leben in Sibirien lernten wir bei einer Fhrung durch die Universitt in Barnaul und durch einen Ausflug zum Botanischen Gar-ten der landwirtschaftlichen Fa-kultt kennen. Eine Woche spter war es dann soweit: Der Spielplatz wurde feierlich in Anwesenheit von

    Mitgliedern der katholischen Gemeinde, der Caritas und vie-len Kindern erffnet. Feierliche Erffnung Nachdem einige offizielle Wor-te gesprochen und das rote Band durchgeschnitten worden war, gab es fr die Kinder kein Hal-ten mehr: Mit viel Gelchter und Geschrei wurde der Spiel-platz erobert. In diesem einma-ligen Moment waren alle M-hen der letzten Wochen verges-sen. Und nicht nur die Kinder hatten Spa an den neuen Spiel-gerten: Zusammen mit ihnen probierten wir die selbstgebau-ten Brettspiele und die Standfes-tigkeit der Schaukel aus. Da-nach gab es, ganz traditionell, ein groes Schaschlik-Essen. Nach diesem schnen Ab-schluss des Projekts fuhren wir fr die letzten Tage in das Altai-

    Dies ist eines der schnsten Momente des ganzen Spielplatzbauprojektes die Kinder warten auf den Startschuss, ihren Spielplatz erobern zu knnen. Foto: privat.

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 27

    Spielplatzbau in Barnaul

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 27

    Gebirge. Unsere Unterkunft war malerisch an einem See gele-gen. Die Datscha aus Holz bot mit Plumpsklo und Banja (Sau-na) statt Dusche eine naturnahe und authentische Erfahrung. Auf Schlauchbooten und Pad-deln fuhren wir den Fluss ent-lang. Am nchsten Tag unter-nahmen wir eine Wanderung zu einem Fluss im Wald, der fr die schamanische Naturreligion des Altai einen heiligen Ort dar-stellt. Fr uns war es auf jeden Fall eine besondere und einma-lige Erfahrung. Heimfahrt mit schnen Erin-nerungen Am 25. August um 13.39 Uhr erreichten wir nach der langen Rckfahrt mit Flugzeug, Bus

    und Bahn den Osnabrcker Hauptbahnhof. Viele Angehri-ge und Freunde empfingen uns freudestrahlend und gespannt. Stolz und erfllt mit schnen Erinnerungen, aber auch ein wenig traurig ber das Ende der gemeinsamen Zeit, verabschie-deten wir Spielplatzbauer uns voneinander. Die drei Wochen haben uns eine neue Tr zu Land und Leuten geffnet. Eine Region, die fr uns vorher vielleicht mit einigen Vorurteilen behaftet war, hat uns herzlich empfangen - ohne Bren oder beiender Klte, sondern mit sommerlichen Temperaturen und weltoffenen Menschen. Zwei Worte sind mir im Gedchtnis geblieben: "spa-ibo" (Danke) und "do svidaniya!" - Auf Wiedersehen!

    Dankeschn aus Barnaul! Fr die Kinder des Kinderzent-rums in Barnaul hat sich endlich ein groer Traum erfllt. Im Sommer bekamen sie einen ei-genen Spielplatz! Fr zwei Wo-chen kam eine Gruppe von Schlern und Studenten aus Osnabrck nach Barnaul. Unter ihren Hnden entstand ein fan-tastisches Zwergenland mit Schaukeln, Kletterwand, Sand-kasten, Rutsche, einer zweist-ckigen Veranda und einem ech-ten Wigwam. Organisiert wird dieses Spiel-platz-Bauprojekt von der Dize-sancaritas Osnabrck und dem Sozialen Seminar Osnabrck. Dieses Projekt hat schon Tradi-tion, denn der Spielplatz in Barnaul ist bereits der dritte Kinderspielplatz in Russland, den die Jugendlichen aus Deutschland entworfen und ge-baut haben. Dieses tolle Team bestand aus zwanzig Schlern im Alter von 15-19 Jahren, vier Studenten, die frher bereits als FSJler oder Praktikanten in Russland waren und sich nun im Sozialen Seminar engagie-ren, und drei erfahrenen Hand-werkern aus dem Team der Klosterbauer. Das war wirklich eine beeindruckende Gruppe, die sich mit Top-Qualitt, hoher Leistungsbereitschaft und ei-nem faszinierenden Teamgeist engagiert hat. Erstaunt waren wir auch darber, dass in die-sem super schnellen Bau-Team berwiegend Mdchen enga-giert waren. Ein riesiges DANKE mchten wir allen sagen, die dazu beige-tragen haben, den Traum unse-rer Kinder zu erfllen. Mit dieser Sprache der Liebe kann man sich mit allen Menschen ver-stndigen, ganz unabhngig von ihrer Nationalitt!

    Seifenblasen lassen auch russische Kinderherzen hher schlagen. Foto: privat.

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/201428

    Spielplatzbau in Barnaul

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 28

    Erfahrungsbericht von Melissa Rleke (15 Jahre) Vom Spielplatzbau-Projekt der Caritas habe durch den Kirchenboten erfahren. Ich wollte in den Ferien gerne ein soziales Projekt machen. Nach Russland zu fahren war fr mich auerdem ein Abenteuer, da ich vorher noch nie im Ausland war. Meine Freunde waren zuerst schockiert, dass ich so jung so weit weg fahren will... aber als ich wieder zu Hause war, waren sie stolz auf mich! Als wir ankamen, haben mich im ersten Moment die schlechten Straen berrascht, und auch die Ver-hltnisse, in denen die Menschen in Russland teilweise leben. Trotzdem wrde ich jederzeit wieder hin-fahren! Wenn morgen jemand sagen wrde: Komm, wir fliegen nochmal runter, wr ich sofort dabei. Denn ich hab mich in das Land verliebt. Die Menschen waren so herzlich, besonders die Mitarbeiterinnen der Caritas haben uns so freundlich aufgenommen. Super nette Leute! Das hat mein Russland-Bild verndert. Ab und zu habe ich auch mal beim Kochen geholfen, da haben wir uns mit Hnden und Fen unterhal-ten, das war sehr interessant. Der Spielplatzbau war richtig cool und spannend. Mir hat gefallen, dass wir mitplanen und unsere Kreati-vitt mit einbringen durften. Ich habe zum Beispiel gepflastert oder Holz mit der Kreissge geschnitten. Bei der Erffnungsfeier hatte ich den Eindruck, dass die Kinder es toll fanden, dass wir da waren. Die Erffnung war rhrend, die Kinder waren sehr glcklich ber den Spielplatz! Ich fand auch gut, dass wir nicht nur auf dem Gelnde der Caritas waren, sondern auch viel unternommen haben: Zum Beispiel ging es an den Strand zum Schwimmen. Und natrlich in das Altai-Gebirge. Dort waren das Wasserrafting und das Wandern am besten. Durch die Reise bin ich insgesamt erwachsener geworden. Ich schtze jetzt mehr das, was wir in Deutschland alles haben.

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 29

    Friedensworkcamp im Kaukasus

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 29

    Die Sprache der Frsche oder wie wir mit den eigenen Hnden Frieden schaffen Im Kaukasus leben verschiedene Ethnien zusammen. Toleranz und Verstndnis helfen, ein friedvolles Miteinander zu schaffen. Wie man das lernen kann, erfuh-ren Kinder aus den Caritaskinderzentren bei einem Friedensworkcamp.

    von Sabine Hahn

    Quaack quaack quaack- quaack quackquack im Rhythmus des bekannten Queen-Songs We will, we will rock you stampfen und klatschen Kinder und Jugend-liche im Alter von 10 bis 12 Jahren im Kreis. Sie spielen ein Theaterstck: Es ist die Sprache der Frsche, die der junge Prinz gelernt hat, der von seinem Vater hinausge-

    schickt wurde, um etwas Ver-nnftiges zu lernen. Doch der junge Knigssohn lernt das Quaken der Frsche, das Zwitschern der Vgel und das Bellen der Hunde. Darauf-hin wird er von seinem ent-tuschten Vater vom Hof gejagt. Das Mrchen Die drei Spra-chen der Gebrder Grimm diente als Vorlage fr das Frie-densworkcamp, das in diesem

    Sommer im Kinderzentrum Weies Pferd in Blago-weschenka am Rande des Kau-kasus stattfand. Geladen waren Kinder aus den Caritas-Kinderzentren in Sdrussland und Sibirien. Seit mehreren Jahren fhrt die Caritas in Sdrussland ein er-folgreiches Programm zur Frie-denserziehung fr Kinder und Jugendliche durch, um die wei-

    Aufmerksam lauschen die Kinder aus dem Friedensworkcamp den einzelnen Beitrgen zum Mrchenspiel. Foto: Sabin Hahn.

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/201430

    Friedensworkcamp im Kaukasus

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 30

    tere Ausbreitung von Nationali-ttenkonflikten zu verhindern. Neben dem Kennenlernen ver-schiedener Kulturen sollen Kompetenzen entwickelt wer-den, um Konflikte zu erkennen, zu vermeiden und zu schlichten. Das Unverstndnis des Knigs fr die Fhigkeiten seines Soh-nes, die Sprache der Frsche, Vgel und Hunde zu verstehen, spiegelt das oft zu Konflikten fhrende Unverstndnis und die Sprachlosigkeit zwischen zer-strittenen Parteien wieder. Der Faden zwischen Vater und Sohn ist zerrissen, tatschlich aber erwirbt der Prinz Fhigkeiten, die ihm schlielich das Leben retten, die von Hunden bedrohte Stadt befreien und ihn schlie-lich zum Papst und Friedensbo-ten werden lassen. Aber was wre ein Mrchen, wenn es nur um das Happy End ginge? Mit den Kindern in Blago-weschenka arbeitete Laurenz Leky vier Tage lang zu dem

    Thema: Wie wir selber Frie-den schaffen knnen. Der Klner Schauspieler hat das Grimmsche Mrchen fr diesen Workshop eigens umgearbeitet. Nach seinem Engagement am Stadttheater Osnabrck aus dieser Zeit stammt der Kontakt zur Russlandhilfe und einem Masterabschluss am Depart-ment of Peace Studies in Brad-ford (Grobritannien) arbeitet er an der Schnittstelle Theater- und Friedensarbeit in verschiedenen Lndern. Whrend seiner Schul-zeit verbrachte er einige Monate in Ulan Ude (Sibirien) und spricht daher flieend Russisch. Dies war nun seine erste Arbeit in Russland. Die unterschiedlichen Aspekte von Streit und Vershnung standen im Fokus des Work-shops. Die Kinder sprachen viel ber ngste in der Familie und unter Freunden, aber auch ber die bitteren gewaltttigen Kon-flikte, die daraus entstehen kn-nen.

    Fr Leky war es wichtig, das Erkennen der eigenen Strken und Fhigkeiten bei den Kin-dern zu schulen. Darber hinaus ging es im Workshop auch im-mer wieder darum, Ursachen fr Konflikte rechtzeitig zu erken-nen und ihnen zu begegnen. Das familire Umfeld der Kin-der aus den Caritas-Kinder-zentren ist hufig von Gewalt, Sprach- und Hoffnungslosigkeit geprgt. Im Rahmen des Work-shops formulierten die Kinder und Jugendlichen, wie sie sich den Umgang miteinander wn-schen: Miteinander reden, zuhren, sich informieren, lesen, um den anderen zu verstehen, sich die Hnde reichen und aufeinander zugehen. So hie die russische bersetzung des Workshops auch: Kak tvorim mir svoimi rukami (kyrillisch) Wie wir mit den eigenen Hnden Frieden schaffen.

    Geschafft! Laurenz Leky (4. v. rechts) mit seiner Schauspieltruppe nach der Premiere. Foto: Sabine Hahn.

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 31

    Friedensworkcamp im Kaukasus

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 31

    Auch fr unsere Region wird dieses Thema immer aktueller durch die stndige Zuwande-rung von Arbeitsmigranten aus den mittelasiatischen Lndern, schreibt Pater Gracian, Prsi-dent der Caritas in Westsibirien ber die lohnenden Erfahrungen der Kinder aus dem Kinderzent-rum in Nowosibirsk, die sich dafr auf die lange Reise (4 Ta-ge und Nchte!) bis in den sd-lichsten Zipfel des Landes ge-macht haben. Trotz der riesigen Entfernungen arbeiten die Cari-tasverbnde in Novosibirsk und Saratow eng zusammen. In verschiedenen kleinen Sze-nen und schlielich bei der Auf-fhrung des gesamten Stckes konnten sich die Pdagogen der teilnehmenden Caritaskinder-zentren und die Gste vor Ort ein Bild von der Friedensar-beit machen: Pater Laurent, franzsischer Ordensmann der

    Gemeinschaft Saint Jean, der als Gastvater die Rumlichkeiten in Blagoweschenka zur Verfgung stellte, war tief beeindruckt: Der Workshop hat in den Kin-dern alle Sinne geweckt. Sie sind offen, neugierig, selbstbe-wusst und gehen sehr achtsam miteinander um. Er wnscht sich nicht nur eine Weiterfh-rung der Arbeit mit den Kindern in den Zentren. Er sieht auch ein groes Potenzial der Thea-ter- und Friedensarbeit fr ande-re Bereiche wie z.B. in den Ju-gendclubs und den Friedens-schulen.

    Friedenscamp im Kaukasus Drei Kinder aus dem Novosibi-rsker Kinderzentrum Narnja ha-ben sich auf die lange Reise in den Kaukasus gemacht. Dort haben sie gemeinsam mit Ver-tretern der Kinderzentren aus dem Bistum Sdrussland an am Friedenscamp teilgenommen. []. Auch fr unsere Region wird dieses Thema immer aktu-eller durch die stndige Zuwan-derung von Arbeitsmigranten aus den mittelasiatischen Ln-dern. Neben dem interessanten Programm lernten die Kinder die kulturellen Besonderheiten der Vlker in dieser Region kennen, sind das erste Mal im Leben in den Bergen gewesen und auf Pferden geritten.

    Caritas Novosibirsk

    Kchendienst ist auch im Sommercamp selbstverstndlich. Foto: Sabine Hahn.

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/201432

    Familienhilfe

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 32

    Hilfe tut Not! aus dem Kinderzentrum Marija / Wolgograd Seit mehreren Jahren besu-chen die Kinder der Familie N. unser Kinderzentrum in Wolgograd. Zuerst haben wir den mittleren Sohn aufge-nommen. Kurz danach kam auch sein lterer Bruder und dann erfuhren wir noch von einer kleinen vierjhrigen Schwester. Das ist jetzt vier Jahre her. Fr alle drei sind wir zu einer zweiten Familie geworden. Wie alle unsere Kinder kommen sie aus einer schwierigen Le-benssituation: Die Familie be-wohnt eine Dreizimmerwoh-nung, in der zwei Familien mit 11 Personen registriert sind. Immerhin haben die drei Kinder im Gegensatz zu vielen anderen Familien Mama und Papa. Bei-de Eltern sind alkoholabhngig. Der Vater schlug die Mutter immer hufiger, schlielich zeigte sie ihn an und er kam in Untersuchungshaft. Nach zwei Tagen war die Mutter ver-schwunden. Die Kinder kamen fr zwei Monate in ein Heim. Die Mutter bat uns schlielich um Hilfe, weil man drohte, ihr das Sorgerecht zu entziehen. Der Heimaufenthalt bedeutete fr die Kinder auch das Ende des Besuchs des Kinderzent-rums. Schrecklich, denn gerade das Kinderzentrum war doch fr sie zu einem sicheren Hafen, ei-nem zweiten Zuhause gewor-den. Es gab nur eine Chance: Die Wohnung musste wieder in einen bewohnbaren Zustand ge-

    bracht werden. Die Mutter sollte laut Gerichtsauflage eine Ar-beitsstelle finden und zwei Mo-nate nicht mehr trinken. Und wir erfuhren: Die Mutter war im fnften Monat schwan-ger! Die rtliche Caritas organisierte die Reinigung und Renovierung der Wohnung mit freiwilligen Helfern der Kirchengemeinde. Spenden wurden organisiert auch fr die anderen acht Per-sonen, die in der Wohnung leb-ten. Die Spendenbereitschaft war beeindruckend: Tische, Sthle, ein Teppich, Betten und Geschirr wurden gebracht so-

    gar eine Wiege und ein Kinder-wagen. Gemeinsam mit der Mutter be-suchten wir die Kinder im Heim, darber hinaus wurde sie intensiv von der Psychologin unseres Kinderzentrums betreut. Ohne ehrenamtliches Enga-gement der Caritas-Mitar-beiter, freiwillige Helfer aus der Gemeinde und die finan-zielle Untersttzung aus dem Ausland wre diese Form der Hilfe nicht mglich.

    Die frisch renovierte Wohnung Grundstein fr eine bessere Zukunft. Foto: Caritas Wolgograd.

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 33

    Familienhilfe

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 33

    Ende gut alles gut!? Jonas Kersting hat von August 2013 bis Juli 2014 seinen Freiwilligendienst in Wolgograd absolviert. Vor allem die Sorge um Familie N. (s. Seite 32) hat ihn in dieser Zeit bewegt. von Jonas Kersting

    Die Familie N. hat mittlerwei-le vier Kinder, der lteste ist mit 18 Jahren Loscha, der Jngste, Simeon, ist kurz vor meiner Abreise zur Welt ge-kommen. Seit ber sechs Jah-ren besuchen die Kinder von Sveta unser Kinderzentrum. Vor allem Nico (13) und Kris-tina (9) sind uns besonders ans Herz gewachsen, immer-hin haben die Erzieherinnen Olga und Nastia die beiden quasi grogezogen. Bis Anfang diesen Jahres lie sich die trgerische Idylle einer funktionierenden Familie mehr oder weniger aufrechterhalten, doch mit der Verhaftung des Vaters begann eine wahre Odyssee: Nach offensichtlich jahrelanger schlechter Behand-lung und Misshandlung seiner Kinder und seiner Ehefrau, hat sich Sveta dazu durchringen knnen, mit ihrer Schwester Olga, die mit ihr die Wohnung teilt, zur Polizei zu gehen und ihren Ehemann anzuzeigen. Die Sache war rechtlich schnell ge-klrt. Er stammt aus Georgien, hat keine Papiere und soll abge-schoben werden. Man sollte meinen, nun htte Ruhe und ein geregelter Alltag einkehren knnen, doch Olga fiel von nun an mit etlichen Trinkeskapaden (wohlgemerkt schwanger) auf, sie war stndig abwesend und vernachlssigte ihre Kinder.

    Im Mrz erfuhren wir, dass die Kinder vom Jugendamt ins Kin-derheim gebracht wurden, weil Sveta das ganze Wochenende nicht zu Hause und die Kinder nicht in der Schule waren. Eine Lehrerin alarmierte schlielich die Polizei, die die Kinder mit-nahm. Sveta bekam vom Amt die Auf-lage, ihr Leben in den Griff zu bekommen und ihre Wohnung zu renovieren, um den Kindern und sich selbst wieder ein ver-nnftiges Leben ermglichen zu knnen. Die Caritas machte es sich zur Aufgabe, sich dieser Familie im Besonderen anzunehmen, zeigte sich fr die Betreuung von Sveta und ihrer Kinder ver-antwortlich und kam fr die komplette Sanierung auf, wel-che hauptschlich von Nastia und mir durchgefhrt wurde. Wir versuchten uns durch das Chaos zu kmpfen und einiger-maen fachmnnisch die Reno-vierung voranzutreiben. Das ganze Projekt zog sich hin, mittlerweile waren viele Helfer abgesprungen und Svetas Schwester Olga war ausgezo-gen. Im Laufe der Zeit stabili-sierte sich jedoch die Lage. Das Gericht signalisierte, dass wir auf einem guten Weg seien und die Kinder in absehbarer Zeit in die Obhut der Mutter zurck-kehren knnten. Das schien Sveta sehr zu motivieren, sie

    hrte auf zu trinken und es ging ihr damit in ihrer Schwanger-schaft gesundheitlich immer besser. Sie wurde offener uns gegen-ber, und wenn sie gut drauf war, half sie sogar mit, die Wohnung zu entrmpeln. Schritt fr Schritt kamen wir voran und konnten schlielich nach ber zwei Monaten das erste Mbelstck reintragen. Wir hatten es also geschafft, drei Zimmer zu entrmpeln, von Ungeziefer zu befreien, zu spachteln, zu schmirgeln, zu ta-pezieren und zu streichen. Es war zum Schluss ein tolles Ge-fhl, durch die neue Wohnung zu gehen und dabei zu denken, wie unwillig ich zunchst an das Projekt herangegangen bin, wie sehr mir aber auch die zwi-schenzeitig stetig alkoholisierte Sveta ans Herz gewachsen ist. Mittlerweile hat Sveta den klei-nen Simeon geboren und ihn von der Geburtsklinik mit nach Hause nehmen drfen, ihre an-deren drei Kinder sind auch wieder bei ihr und gehen regel-mig zur Schule. Sveta hat ei-ne Arbeit als Pflegekraft gefun-den. Also, Ende gut alles gut!? Es bleibt zu hoffen und zu wn-schen. Den Grundstein fr eine bessere Zukunft der Familie N. haben wir immerhin gemeinsam legen knnen.

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/201434

    Klosterbauer-Einsatz

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 34

    Klosterbauer im Einsatz in Uljanowsk Ehrenamtliche aus dem Bistum Osnabrck engagierten sich erneut im Bistum St. Clemens. Ausbau eines Dachgeschosses lautete der Arbeitsauftrag.

    von Friedhelm Lange

    Uljanowsk - eine wohl weni-ger bekannte Stadt - und doch mit mehr als 600.000 Einwoh-nern grer als beispielsweise Frankfurt a.M. Wie Marx und Saratow direkt an der Wolga gelegen. Schaut man auf das Bistum St. Clemens, liegt diese Stadt in dessen Norden, direkt angrenzend an die wohlha-bende autonome Republik Tartastan mit ihrer Haupt-

    stadt Kazan (etwa 1,2 Mio. Einwohner). Uljanowsk war in diesem Jahr das Ziel von sechs Kloster-bauern des Caritasverbandes Osnabrck. Was war zu tun? Die rtliche noch junge Kirchengemeinde hatte um Untersttzung gebeten fr den Ausbau des Dachge-schosses im dortigen Gemein-dezentrum. Der Dachraum war

    vor Jahren bereits vertfelt wor-den, in dieser Gesamtgre aber unpraktisch und kaum nutzbar. Pfarrer Ezequiel, mit 36 Jahren noch ein sehr junger Pfarrer ar-gentinischer Herkunft engagiert sich seit Jahren fr den Aufbau seiner Kirchengemeinde. Er mchte sich gerne noch strker um die vielen Jugendlichen kmmern, sie in die allgemeine Gemeindearbeit integrieren.

    Pfarrer Ezequiel freute sich ber die tatkrftige Untersttzung der Klosterbauer. Er engagiert sich seit vielen Jahren fr den Aufbau seiner Kirchengemeinde in Uljanowsk. Foto: Friedhelm Lange.

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 35

    Klosterbauer-Einsatz

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 35

    Bischof Pickel untersttzt Pfar-rer Ezequil Und wie so hufig, hatte Ottmar Steffan die Idee, die Klosterbauer mit der Umset-zung zu betrauen. Eine Vorhut, bestehend aus Hermann Krm-pelmann und Hans Vorholt er-kundete im April diesen Jahres die knftige Baustelle, fertigte erste Plne und kmmerte sich um die Beschaffung des not-wendigen Baumaterials. Sind Gipskartonplatten in Ul-janowsk zu kaufen? Und die da-zu passende Spachtelmasse? Welche Maschinen sollten wir besser mitbringen? Antwort: In russischen Grostdten gibt es inzwischen bestens ausgestattete Baumrkte. Sie lassen kaum Wnsche offen. Mehr noch: Uns Hobbyhandwerkern waren viele der dort angebotenen Mar-ken bestens vertraut - wohl ein ganz praktischer Vorteil der Globalisierung... Unsere Reise begann schlielich am Samstag, dem 16. August, mit dem Flug von Dsseldorf nach Moskau-Sheremetyevo. Dann wurde es spannend, hatte Ottmar fr die weiteren rund 900 Reisekilometer und rund 16 Stunden Richtung Sdosten doch eine Zugfahrt im Schlaf-wagen geordert. Ganz nach dem Geschmack der Klosterbauer, denn fr die meisten sollte es eine neue Erfahrung werden. Ein voll besetzter Zug mit je zwei Frauen pro Waggon fr Pass- und Fahrscheinkontrolle, fr die Zubereitung von Tee, fr Bettwsche und berhaupt... Wir waren wohl die einzigen Deutschen im Zug unter freund-lichen Mitreisenden. Die lange Reisezeit gab gute Gelegenhei-ten fr das ein oder andere Ge-

    sprch zum Woher, Wohin und Warum... bis das monotone Fahrgerusch uns eine durch-weg gute Nacht bescherte. Am Zielbahnhof Uljanowsk wartete bereits Pfarrer Ezequil mit seinem VW-Bulli auf uns. Ab ging es ins das Gemeinde-haus. In diesem Haus aus den 50er Jahren ist alles unter einem Dach, Kirchenraum (viel zu klein), Sakristei, Kche, Schlaf-

    zimmer fr die Pfarrer, zwei Schlafzimmer mit je zwei Dop-pelstockbetten fr uns sowie ein Wohnzimmer - und eine aus-gesprochen gute Atmosphre. Nicht zuletzt wegen Daschkun, der etwa 55jhrigen und lie-benswrdigen Haushlterin, ge-boren und aufgewachsen in Ar-menien. Sie hat uns von mor-gens bis abends immer bestens versorgt.

    Nach getaner Arbeit: die Klosterbauer Friedhelm Lange, Dieter Gommer, Her-mann Hinrichs (oben von links), Dr. Klaus Muck Helmut Klecker, Hermann Krmpelmann, (unten von links). In der Mitte Nariza, die Dolmetscherin. Foto: privat.

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/201436

    Klosterbauer-Einsatz

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 36

    Hier eine kleine Auflistung un-serer Arbeiten: Rckbau des vorhandenen Toilettenraumes, Neubau eines zeitgemen Ba-dezimmers (mit Dusche), Bau von vier Schlafrumen fr max. je drei Betten, Bau von zwei Schlafrumen fr ein Einzelbett. Alles in Trockenbauweise (Sys-tem Knauf). Vorher Auslage des Fubodens mit Spanplatten zur Egalisierung. Wir sechs Mnner haben dabei ganz prima zu-sammen gearbeitet - und uns mit unseren Fhigkeiten und Arbeitsinteressen gut ergnzt. Nur weil Pfarrer Ezequiel recht konsequent darauf beharrte, gab es eine zweitgige Auszeit. Fr ein Wochenende fuhren wir ins rund 250 Kilometer entfernte

    Kazan - mit unerwarteten H-hepunkten. Hierzu zhlen der Besuch des dortigen Kreml, die Teilnahme an einem Samstag-abend-Open-Air-Konzert sowie der Besuch bei Sergej, einem 91jhrigen emeritierten Profes-sor der Kosmonautik. Trotz sei-nes Alters war er sehr aufmerk-sam und wir konnten uns in deutscher (!) Sprache mit ihm unterhalten. Eine Veranstaltung mit Gnseh-autgefhl war fr uns das Open-Air-Konzert im Park zwischen Haus der Landwirtschaft und Wolga-Ufer. Whrend das staat-liche Symphonieorchester der Republik Tartastan zunchst bekannte Melodien aus Opern und Operetten darbot, wurde

    zum Ende des Konzerts gegen 22 Uhr Lilli Marlen angekn-digt, gesungen in Deutsch von der Deutschen Simone Kermes. Fr uns ein ganz besonderes Er-lebnis. Den Schluss dieses phantastischen Konzerts bildete ein Feuerwerk. Wir schlossen diesen wunderschnen Abend mit einem Besuch in einer Piz-zeria und einem guten Bier ab. Uljanowsk ist der Geburtsort von Lenin, geb, als Wladimir Iljitsch Uljanow im April 1870. Nach seinem Tod im Jahre 1924 wurde die Stadt von vor-mals Simbirsk in Uljanowsk umbenannt.

    Das Ergebnis von 3 Wochen harter Arbeit kann sich wahrlich sehen lassen! Foto: Friedhelm Lange.

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 37

    Friedensarbeit

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 37

    Der Ukraine-Russland-Konflikt von Ottmar Steffan

    Viele unserer Leser haben in den letzten Monaten versucht, sich ein Bild vom Ukraine-Russland-Konflikt zu machen. Eine Kuh fr Marx ist eine Zeitung, die sich mit politi-schen Bewertungen sehr zu-rckhlt. Uns geht es um die Menschen am Rande der russischen Ge-sellschaft, die ber unsere russischen Partner und uns Hilfe in ihren oft aussichtslo-sen Situationen erhalten. Weil zehntausende Menschen, meist russischer Herkunft, aus den umkmpften Gebieten in

    der Ostukraine nach Russland flchten und hier in den grenznahen Gebieten unseres Partnerbistums St. Cle-mens/Saratow auch Hilfe von der Caritas erfahren, berich-ten wir davon. Bischof Clemens Pickel hat schon zu Beginn des Konfliktes die Gemeinden seines Bistums aufgerufen, tglich nach den Heiligen Messen in den Kirchen des Bistums um Frieden in der Ukraine zu bitten. Er selbst hat sich in den grenznahen Gebieten seines Bistums, so in Belgorod und Rostow am Don, selbst ein

    Bild von der Lage der Flcht-linge auf russischem Gebiet ma-chen knnen. Unser Caritaskol-lege Vadim Naboychenko aus Rostow hat als Bistumskoordi-nator fr Katastrophenflle ei-nen ausfhrlichen Bericht ber die Lage der Flchtlinge ge-schrieben und die Bistumscari-tas hat ber Caritas international um Mithilfe fr Untersttzungs-leistungen gebeten. Im Septem-ber kam die gute Nachricht von Caritas international, dass nun auch die Flchtlingshilfe auf russischem Gebiet untersttzt werden knne. Im gesamten

    Gott, segne alle, die sich fr den Frieden einsetzen. Mge in unsere Herzen und auf unserer Erde Dein Reich der Gerech-tigkeit, des Friedens und der Einigkeit kommen. Foto: Ottmar Steffan..

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/201438

    Friedensarbeit

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 38

    russischen Grenzgebiet, beson-ders auch in Rostow am Don, wo Zehntausende Zuflucht ge-funden haben, beginnt die Cari-tas vor Ort Nahrungsmittel, Hy-gienesets und Bettwsche an Familien mit kleinen Kindern und andere besonders bedrftige Flchtlinge weiter zu geben. Fr Kinder im Vorschulalter, so Caritas international, wird au-erdem altersgerechte Kinder-nahrung zur Verfgung gestellt. Diese Hilfen, die das Hilfsange-bot der Katholischen Kirchen-gemeinden vor Ort ergnzen, werden durch das internationale Caritasnetzwerk untersttzt. Mit einer Verschrfung der Lage im bevorstehenden Winter wird ge-rechnet und feste Unterknfte, Decken und Heizgerte beson-ders bentigt. Wie dramatisch die Lage der Flchtlinge schon heute ist, zeigt sich daran, dass einige der russischen Grenzge-biete einen Ausnahmezustand ausgerufen haben und die Flchtlinge bereits bis nach Si-birien umverteilt werden. Pater Gracjan, Direktor der Caritas Sibirien in Novosibirsk, verfolgt schon lange die Ent-wicklungen in der Ukraine mit groer Betroffenheit. Er schreibt in seinem Rundbrief, dass im August die ersten Flchtlinge aus der Ukraine in Sibirien an-gekommen seien. Der Staat or-ganisiere ihre vorbergehende Unterkunft in Hotels, Sanatorien und Erholungsheimen. Sie be-kmen auch Verpflegung und einige Waren des tglichen Be-darfs. Die Mitarbeiter der Cari-tas Sibirien haben, wie ihre Caritaskollegen im europi-schen Teil Russlands, Flchtlin-ge besucht und sie je nach Be-darf mit Schulsachen, warmer

    Kleidung, Lebensmitteln und Medikamenten versorgt. Hier wie berall in den katholischen Kirchen Russlands wird um Frieden gebetet und um sprba-re Hilfe fr alle, die dieser Kon-flikt in Leid und Not strzt. Das katholische Hilfswerk Re-novabis denkt schon weit ber den aktuellen Konflikt hinaus. Sein Geschftsfhrer Dr. Albert mahnt an, den Gesprchsfaden der Konfliktparteien nicht ab-reien zu lassen. Es bestehe die Chance, durch die christliche Haltung die Stimmung und die Widersprche zu verndern, die seelischen Wunden zu heilen und auf eine Vershnung ein-zuwirken. Er weist darauf hin, Kirche und Caritas mssten schon jetzt den Blick in die Zu-kunft richten und berlegen, wie man Friedensarbeit untersttzen kann. Als Beispiel nennt er ka-tholische Bildungsarbeit, Er-wachsenenbildung und flankie-rende Hilfen in der Trauma-Be-wltigung. Seit Mrz beten die katholi-schen Kirchengemeinden in Russland jeden Sonntag folgen-des Gebet um den Frieden in der Ukraine (bersetzung Angelika Schmhling, Renovabis): Gott, Schpfer und Vater aller Menschen, Du rufst zu Dir alle Vlker der Erde. Erleuchte sie, damit sie in der Unruhe unserer Zeit das erkennen, was ihnen Frieden und Ruhe bringt. Wecke in ihnen das Streben nach ge-genseitigem Verstndnis und nach Einheit. Hilf ihnen, einan-der das Bse zu verzeihen, das sie einander zugefgt haben und das sie auch weiterhin ihrem Nchsten zufgen. Hilf ihnen,

    zum Ziel des Friedens zusam-menzuarbeiten und nach Dei-nem Willen die Rechte jedes Menschen zu achten. Reinige ihre Herzen von Krnkung und Hass. Bewahre alle Vlker vor Stolz, Egoismus und Zwietracht zwischen den Nationen. Alle Vlker sollen ihre Verpflichtung erkennen, sich um Frieden zu bemhen. Sie sollen entschieden auf dem Weg der Einheit voran-gehen und in Liebe miteinander zusammenarbeiten. Gott, segne alle, die sich fr den Frieden einsetzen. Mge in unsere Her-zen und auf unserer Erde Dein Reich der Gerechtigkeit, des Friedens und der Einigkeit kommen. Amen. Ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen (Nachricht aus Novosti / Rund-brief der Caritas Sibirien) Schon lange verfolgen wir die Entwicklungen in der Ukraine mit groer Betroffenheit. Im Au-gust sind die ersten Flchtlinge aus der Ostukraine in Sibirien angekommen. Der Staat orga-nisiert ihre vorbergehende Un-terkunft in Hotels, Sanatorien und Erholungsheimen. Sie be-kommen auch Verpflegung und einige Waren des tglichen Be-darfs. Unsere Mitarbeiter haben die Flchtlinge besucht und sie je nach Bedarf mit Schulsa-chen, warmer Kleidung, Le-bensmitteln und Medikamenten untersttzt. Zurzeit beobachten und analysieren wir die Situati-on und bemhen uns im Ge-sprch mit den Flchtlingen zu verstehen, welche Hilfe sie am dringendsten brauchen. Wir be-ten um Frieden und um sprba-re Hilfe fr alle, die dieser Kon-flikt in Leid und Not strzt.

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 39

    Kurznachrichten

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 39

    Sonnenscheinpreis 2014 der Caritas-Gemein-schaftsstiftung fr die Klosterbauer

    Die Kapelle des Caritas Stadt-teilzentrums St. Michael in der Bremer Neustadt war am 28. September, dem Caritas Sonn-tag, bis auf den letzten Platz ge-fllt. Anlsslich des Sonnen-scheinpreises 2014 unter dem Caritas Jahresmotto Weit weg ist nher, als du denkst feierten der Osnabrcker Weihbischof Johannes Wbbe und der Bre-mer Probst Dr. Martin Schoma-ker einen Festgottesdienst. Bei der anschlieenden Verleihung des Sonnenscheinpreises durch Weihbischof Johannes Wbbe wurden die Klosterbauer der Russlandhilfe der Caritas Osna-brck fr ihr Engagement und ihre Verdienste mit einem vier-ten Preis und einem Preisgeld von 1.000 Euro geehrt.

    Stellvertretend fr die vielen angereisten Klosterbauer nah-men Siegfried Hofermann, als Mann der ersten Stunde, und Hermann Krmpelmann, als

    Chef der Truppe, die Ehrung entgegen. Unter den 21 anwe-senden Klosterbauern war auch unser ltester Klosterbauer Otto Placke mit seiner Frau.

    Die Klosterbauer bergaben Anfang Dezember ihre 1000 Euro Preisgeld an Alberta Dec-lara, der Leiterin des Familien-hauses der Gemeinschaft Jo-hannes XXIII. in Elista.

    Der nchste Einsatzort der Klos-terbauer ist auch schon bekannt. Bischof Pickel bittet die Klos-terbauer um einen Einsatz in Marx an der Wolga. Dort war-ten reichlich Reparatur- und Ausbesserungsarbeiten an Klos-ter, Kirche, Internat und Pfarr-heim der Gemeinde.

    1000 EUR Honorar fr einen Abend

    Als Verena Telscher in der Ka-tholischen Landvolk-Hoch-schule Oesede (KLVHS) von ihren Erfahrungen in Russland berichtete, hatte sie wohl nicht damit gerechnet, dass ihr Vortag einen Scheck in Hhe von 1000 Euro nach sich ziehen wrde.

    Vererna Telscher war 2011 fr ein Jahr als Freiwillige im russi-schen Tscheljabinsk. Dort arbei-tete sie im Kinderzentrum Re-genbogen.

    Die KLVHS bietet regelmig Familienseminare an, in denen Mtter, Vter und Kinder Zeit miteinander verbringen und zu verschiedenen Themen arbeiten. Diesmal ging es unter anderem um die Situation in Russland.

    So entstand der Kontakt zu Ei-ne Kuh fr Marx und zu Vere-na Telscher. Der Vortrag der ehemaligen Freiwilligen lie die Teilnehmenden aktiv werden. Whrend des Familienseminars spendeten die Teilnehmenden, richteten unter anderem ein Ki-ckerturnier aus und beteiligten sich an den im Sommer so be-liebten cold water challenges.

    Das Ergebnis konnten die Teil-nehmenden gemeinsam mit Jo-hannes Bu, Leiter des KLVHS, Caritasdirektor Franz Loth ber-reichen: Mehr als 1.000 Euro kamen fr die Caritasarbeit in Russland zusammen.

    Augenblick mal...

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/201440

    2 3 4 5 6 10 15 17 20 30 456 477 600 1000 25000 5000000 1 2 3 4 5 6 10 15 17 100 200 456 477 600 10001000000 5000000 1 2 3 4 568 70 80 100 200 456 477 600 350000 1000000 5000000 130 49 52 68 70 80 100 200 45644000 350000 1000000 5000000 117 20 30 49 52 68 70 80 100 25000 44000 350000 1000000 10 15 17 20 30 49 52 68 70 1000 25000 44000 350000 1000000

    6 10 15 17 20 30 49 52 68 600 1000 25000 44000 350000

    2 3 4 5 6 10 15 17 20 30 456 477 600 1000 25000

    68 70

    17 20

    1000000

    350000 350000 20 49

    25000 44000 15 20

    1000 25000

    350000 20

    456 477 600 10005000000 1 2 3 4 5 6

    Zahlen, Zahlen, Zahlen

    5000000 1 2 3200 456

    1000000 5000000 170 80 100

    1000000 70 80 100

    1000000

    1 zweiwchigen Russisch-Grundkurs belegt

    2 Osnabrcker Bischfe ins Wolga-Bistum mitgenommen3 Spielpltze fr die Caritas-Kinderzentren bauen lassen

    3 4 5 6 10 477 600

    5000000 1

    1000000 5000000 1

    4 Reisepsse mit Visa vollgestempelt

    5 Jahre Teilnahme auf Schloss Ippenburg mit unserem

    Matrioschka-Stand

    6 Teilnahmen an Russischen Jugendtagen

    350000 1000000 52 68 70

    44000 350000 30 49 52

    Duzende Polizeikontrollen erlebt

    Mehr als 20 Operationen fi nanziert

    Mehr als 30 Klosterbauer-Einstze vorbereitet und

    koordiniert

    44000 350000 30 52

    25000 15 20

    1000 25000

    49 Freiwillige fr jeweils ein Jahr nach Russland gesendet

    52 Tage das Russische Caf auf der Osnabrcker Maiwoche

    aufgehabt

    68 Russland-Ordner im Email-Programm

    1000 25000 10 15 17

    600 1000 25000 3 4 5 6 10

    456 477 600

    ber 70 Russland-Reisen in 20 Jahren

    Etwa 80 Ehrenamtliche aktuell aktiv

    100 plus X Nachtzugfahrten

    25000 10 15

    10003 4 5477 600

    5000000 1

    10 477 600

    4565000000 1

    100 1000000

    70 350000

    68 350000

    30 25000

    30 25000

    100 200 4561000000 5000000 1

    70 80 100 350000 1000000

    100 1000000

    Etwa10 x Theater besucht, meist Ballett, allermeist

    Tschaikowski

    15 Aktenordner Briefe abgeheftet

    17Jahre partnerschaftli-che Zusammenarbeit mit dem

    Wolga-Bistum St. Clemens

    Doppelseiten_Kuh_einzeln.pdf 3 Dezember 11, 2014 15:38:33

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 41

    49 52 68 70 80 100 200 44000 350000 1000000

    17 20 30 49 52 68 70 80 1000 25000 44000 350000

    5 6 10 15 17 20 30 49 52 477 600 1000 25000 44000

    5000000 1 2 3 4 5 6 10 15 17 20 456 477 600 1000 25000

    5000000 1 2 3 4 5 6 10 15 100 200 456 477 600 1000

    1000000 5000000 1 2 3 4 5 6 80 100 200 456 477 600

    1000000 5000000 1 2 3 4 68 70 80 100 200 456 477

    350000 1000000 5000000 49 52 68 70 80 100 200 44000 350000 1000000

    1000000 80

    350000 20 52

    25000 44000

    200 plus X Blinis (russische Pfannkuchen) gegessen

    456 Blog-Eintrge geschrieben

    477 Khe verschenkt10 15 17 477 600 25000

    3 6 477 600 477 600 1000 25000

    2 3 4 5 6 456 477 600

    5000000 1 2 3200 456 477 600

    477 600

    5000000 1 3200 456 477

    1000000 5000000 80 100 200

    350000 1000000

    1.000de Becher schwarzen Tee getrunken10.000de an Portionen Suppe

    fr Bedrftige und Obdachlose austeilen lassen10.000de am Kleidungs-stcken von der Kleiderkammer-

    gruppe verkauft

    Mehr als 600 Tage Russlandaufenthalt

    100te von SMS und Emails mit Bischof Pickel geschrieben

    1.000 plus X Kilogramm Restdevisen mit

    Ehrenamtlichen sortiert

    44000 17

    1000 25000 5 6 10

    477 600 5000000 1 2

    10 15

    3477 600

    5000000 1 2 3 4

    477 600 3

    477 600

    100 200 4565000000 1

    100

    68 70 80

    100 2001000000 5000000 1

    80 100 350000 1000000

    200 100 1000000

    80Etwa 25.000 Fotos

    geschossen

    Ca. 44.000 KUH-Hefte gedruckt, versandt und verteilt

    Etwa 350.000 Kilometer zurckgelegt

    350000 52

    44000

    350000

    68 70 80350000

    30 49 52 25000 44000

    15 17 20

    350000 52

    44000 20

    Bei 1.000.000 Sterne, Aktion des Deutschen Caritasverbandes zugunsten unserer Kinderzentren mitgemacht

    Fast 5.000.000 Euro an Spendengelder eingeworben und 100 % davon weitergeleitet

    Doppelseiten_Kuh_einzeln.pdf 4 Dezember 11, 2014 15:38:33

  • Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/201442

    Impressum - Spendenformular

    Eine Kuh fr Marx Nr. 45 12/2014 42

    Wir ber uns Seit ber 15 Jahren hat es sich die Russlandhilfe Eine Kuh fr Marx zur Aufgabe gemacht, bedrftigen Menschen in Russ-land zu helfen und die Caritas-arbeit vor Ort zu untersttzen. Mit Ihren Spenden knnen fol-gende Projekte untersttzt wer-den: Kuhprojekt Mutter-und-Kind-Huser Kinderzentren

    Obdachlosenhilfe Husliche Krankenpflege Priester- und Schwesternhilfe Notfallhilfe Die Vernetzung von Hilfsange-boten, Austausch- und Begeg-nungsprogrammen sowie die Einbindung von Ehrenamtlichen ergnzen die Projekte vor Ort. Untersttzen Sie unsere Arbeit durch freiwilliges Engagement oder durch Spenden!

    Impressum: Eine Kuh fr Marx die Russ-landhilfe des Caritasverbandes fr die Dizese Osnabrck e.V., Knappsbrink 58, 49080 Osnabrck www.eine-kuh-fuer-marx.de www.blog.eine-kuh-fuer-marx.de Redaktionsverantwortliche: Ottmar Steffan, 0541/34978-164 [email protected] Sabine Hahn, 0541/34978-167 [email protected] Hinweis: Aus Grnden der besse-ren Lesbarkeit verwenden wir in der Regel die mnnliche Schreib-weise. Wir weisen darauf hin, dass sowohl die mnnliche als auch die weibliche Form gemeint ist.

    Titelfoto: Ottmar Steffan. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier aus verantwortungsvollen Quellen.

    Das Team von Eine Kuh fr Marx: Ottmar Steffan und Sabine Hahn.