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Aus dem Pharmakologischen Institut der Universit~t Mtinchen. Eine Methode der biologischen Auswertung von Coffein. Von W. Straub und D. N. Kesarbani. Mit 7 Text~bbildungen (11 Einzelbildern). (Eingegangen am 13. Mdrz 1941.) Die biologischen Mei~methoden. also die Messungen, deren Indikator eine pharmakologische Wirkung ist. sind dann unentbehrlich, wenn. wie im Falle Digitalis, eine chemische Messung iiberhaupt unmSglich ist. Wenn aber chemische und biologische Messungen nebeneinander bestehen, wird man immer der chemischen Methode den Vorzug geben, well sie mit grSl~erer Zuver]gssigkeit arbeitet. Im Falle Coffein sind ausreichende chemische Me- thoden vorhanden. Sie sind, wenn sie quantitativ sein sollen, sehr zeitraubend, erfassen aber das Coffein aus grSi]ter Verdiinnung. So wird wohl die Nahrungsmittelchemie kein Interesse an einer biologischen Coffeinbestim- mung haben, well sie das Ausgangsmaterial in beliebigen Mengen zur Ver- fiigung hat. Die fore~xsische Chemie hat auch kein In~el'esse, weil das Coffein bekanntlich kein Gif~ ist; bleibt also die Pharmakologie und Phar- mazie. Hier handelt es sich unter Umstiinden um den Nachweis kleinster absoluter Mengen, die auf chemischem Wege hSchstens durch eine raffinierte Mikroanalyse zu ermitteln sind. Die Reinabscheidung des Coffeins ist hier der springende Punkt, w~hrend sich die biologische Messung um eine letzte Reinheit nicht zu kiimmern braucht. Das lebende Testobjekt sucht sich von selbst die wirksamen Substanzen aus und reagiert nur mit ihnen. Die bei der chemischen Verarbeitung so unangenehmen unwirksamen Beistoffe kSnnen bei der biologischen ruhig mitlaufen. Von den vielen Wirkungen des Coffeins w~hlten wir die am einfachsten erzielbare und am leichtesten beherrschbare, die Kontrakturwirkung am SkeletmuskeI des Frosches. Diese Kontrakturwirkung ist zuletzt ein- gehend mit guter Methodik yon J.A. Secher I studiert worden. Die Wirkung besteht darin, dab der Skeletmuskel des Frosches, der auf irgend- eine Weise mit Coffein in Beriihrung kommt, eine Art Gerinnung erleidet, opak bis weii~ wird, und in eiae tonische Verktirzung get,it, eine Ver- kiirzung yon der, wie wir feststellten, maximalen H6he des durch Faradi- sierung erreichten Tetanus des Normalzustandes, also um etwa 30% seiner natiirlichen Ruhelage: Die methodische Verbesserung durch J. A. Secher, 1. c., bestand darin, da~ er das Coffein auf dem Blutwege 1 Naunyn-Schmiedebergs Arch. 77, 83 (1914). Archly f. experiment, Path. u. Pharmakol. Bd. 197. 31

Eine Methode der biologischen Auswertung von Coffein

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Aus dem Pharmakologischen Ins t i tu t der Univers i t~ t Mtinchen.

Eine Methode der biologischen Auswertung von Coffein.

Von

W. Straub und D. N. Kesarbani.

Mit 7 Text~bbi ldungen (11 Einzelbildern).

(Eingegangen am 13. Mdrz 1941.)

Die biologischen Mei~methoden. also die Messungen, deren Indikator eine pharmakologische Wirkung ist. sind dann unentbehrlich, wenn. wie im Falle Digitalis, eine chemische Messung iiberhaupt unmSglich ist. Wenn aber chemische und biologische Messungen nebeneinander bestehen, wird man immer der chemischen Methode den Vorzug geben, well sie mit grSl~erer Zuver]gssigkeit arbeitet. Im Falle Coffein sind ausreichende chemische Me- thoden vorhanden. Sie sind, wenn sie quantitativ sein sollen, sehr zeitraubend, erfassen aber das Coffein aus grSi]ter Verdiinnung. So wird wohl die Nahrungsmittelchemie kein Interesse an einer biologischen Coffeinbestim- mung haben, well sie das Ausgangsmaterial in beliebigen Mengen zur Ver- fiigung hat. Die fore~xsische Chemie hat auch kein In~el'esse, weil das Coffein bekanntlich kein Gif~ ist; bleibt also die Pharmakologie und Phar- mazie. Hier handelt es sich unter Umstiinden um den Nachweis kleinster absoluter Mengen, die auf chemischem Wege hSchstens durch eine raffinierte Mikroanalyse zu ermitteln sind. Die Reinabscheidung des Coffeins ist hier der springende Punkt, w~hrend sich die biologische Messung um eine letzte Reinheit nicht zu kiimmern braucht. Das lebende Testobjekt sucht sich von selbst die wirksamen Substanzen aus und reagiert nur mit ihnen. Die bei der chemischen Verarbeitung so unangenehmen unwirksamen Beistoffe kSnnen bei der biologischen ruhig mitlaufen.

Von den vielen Wirkungen des Coffeins w~hlten wir die am einfachsten erzielbare und am leichtesten beherrschbare, die Kontrakturwirkung am SkeletmuskeI des Frosches. Diese Kontrakturwirkung ist zuletzt ein- gehend mit guter Methodik yon J .A. Secher I studiert worden. Die Wirkung besteht darin, dab der Skeletmuskel des Frosches, der auf irgend- eine Weise mit Coffein in Beriihrung kommt, eine Art Gerinnung erleidet, opak bis weii~ wird, und in eiae tonische Verktirzung get,it, eine Ver- kiirzung yon der, wie wir feststellten, maximalen H6he des durch Faradi- sierung erreichten Tetanus des Normalzustandes, also um etwa 30% seiner natiirlichen Ruhelage: Die methodische Verbesserung durch J . A. Secher , 1. c., bestand darin, da~ er das Coffein auf dem Blutwege

1 Naunyn-Schmiedebergs Arch. 77, 83 (1914). Archly f. experiment, Path. u. Pharmakol. Bd. 197. 31

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beibraehte, indem er den Froseh yon der Aorta aus mit einer CoffeinlSsung durehstrSmte, unter der stillschweigenden Voraussetzung allerdings, dag es sieh bei der Coffeinwirkung um einen reinen Konzentrationswirkungs- meehanismus handelt und dag nieht etwa irgend welehe Adsorptionsvorgi~nge, die die Konzentration i~ndexn kSnnten, eine Rolle spielten. J .A. Seeher land, dal~ die Veri~nderungen des Muskels direkt siehtbar sind, in hSheren Graden, wie gesagt, als eine Art Gerinnung und Sehrumpfung des Faser- inhaltes. Die Grenzkonzentration des Coffeins, die die maximale Wirkung maeht, liegt naeh ihm bei 1:2000. Eine Perfusion mit einer hSheren Konzentration, wie etwa 1 : 1000 ist nieht mehr mSglieh, well hier dureh Sehrumpfung der Muskeln die Gefi~f~e abgedrosselt werden, und der Durchflul~ der CoffeinlSsung stoekt. Eine miigige Ver~nderung des Faser- inhaltes soil man mikroskopiseh noeh bei 1:10000 sehen, wiihrend die siehtbare Sehrumpfung und Fi~ltelung der Sarkolelnm-Membran noeh bei 1:30000 gut bemerkbar sein soll. Demnaeh seheint die Zellmembran beim Muskel -- vielleieht such bei anderen eoffeinempfindliehen Organen -- der empfindliehste Teil des Organs zu sein, der vielleieht ant st~rksten yon Coffein getroffen wird.

Membranen k5nnen bekanntlich der Sitz elektromotoriseher Kraft werden. Der partiM mit Coffein vergiftete Muskel entwiekelt einen De- markationsstrom yon gleieher Riehtung und Stiirke, wie ein partial ver- brannter, abgetSteter Muskel. Der Coffeinmuskel sieht genau so aus wie ein gesottener Muskel und ist yon einer gewissen Grenze ab irreversibel veri~ndert. Eine Starre maeht aueh partielles Eintauehen in destilliertes Wasser, die bekannte Wasserstarre. Hier handelt es sieh aber um etwas ganz anderes wie bei der Coffeinstarre. Denn der wasserstarre Muskel ist stromlos, wie sehon aus den bekannten Biedermannsehen 2 Unter- suehungen hervorgeht. Sie ist im Gegensatz zur Coffeinstarre glatt re- versibel. Ebenso zeigt B i e d e r m a n n , dag der partiell mit Kali vergiftete Muskel einen maximalen, aber aueh glatt reversiblen Demarkationsstrom verursaeht. Coffein dagegen maeht einen irreversiblen Strom. Die Coffein- sehiidigung geht also viel weiter als die Kaliwirkung. Im Wesen abet diirfte der Coffeinwirkung der gleiehe Ionenvorgang zugrunde liegen, wie der Kaliwirkung.

M. Henze s untersuehte diesen Coffeinstrom quantitativ. Er land, dag, wenn ein Muskel partiell in eine 0,3 %ige CoffeinlSsung eintaueht, er, wie seine spiitere Durehsehneidung zeigt, einen maximalen Demarkations- strom aufweist. Bei 0,1% Coffein ist der Strom noch fast maximal, wiihrend eine 0,085 ~oige L5sung yon Coffein blog 30 % des MSgliehen erzielt. Der maximale Demarkationsstrom wird langsam in etwa 30 Minuten erreieht. Die Werte sind genau yon der GrSgenordnung, wie sie bei einer Dureh- strSnmng erzielt und such yon uns bestiitigt werden konnten.

Hering-Biedermann: Beitr~ge V. Die Abh~ngigkeit des Muskelstroms yon lokalen, chemisehen Veri~nderungen der Muskelsubstanz. Prag 1880, S. 110, Bd. 83. -- 3 Pfliigers Arch. 92, 451 (1932).

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Unter D i t t l e r wurde dutch R e i n h a r d Miiller4 in letzter Zeit die funktionelle Wirkung des Coffeins auf die Skeletmuskulatur gemessen. Es wurde eine optimale GrenzlSsung yon 40 mg% gew~ihlt, in der der aus- geschnittene Muskel einige Zeit gebadet wurde, um dann bei ei~em elektri- schen Einzelschlag die bekannte ~berhShung der Einzelzuekung zu zeigen. Bei der verwendeten Konzentration mul]te nach J. A. Secher el. c.) die Coffeinwirkung schon morphologiseh sichtbar sein. Es scheint also zwischen sichtbarer und funktioneUer Deformation kein allzugroI~er Sprung zu sein. Vielleicht dr~ngt diese Beobachtung zu dem Sehlul], dal] auch alle funk- tionellen Coffeinwirkungen letzten Endes Membranwirkungen sein kSnnten.

Spezifit~it und Ant~gonismen.

Die Spezifit~it cler Wirkung am Muskel ist nicht streng nur fiir Coffein. Naeh J .A. Secher (1. c.) haben die gleiche Starrewirkung das Xanthin und seine methylierten AbkSmmlinge. Als Grenze wird angegeben:

fiir Xanthin und Theobromin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1:50000 fiir Coffein und Theophyllin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1: 30000.

Die bekannten neueren synthetischen methylierten Xanthinprodukte sind noch nicht untersucht. Die Starre-Reaktion ist also eine Gruppenreaktion, in dieser Gruppe aber auch eine sehr empfindliche Identit/itsreaktion. Man wird bei der Coffeinmessung dutch die Starre die anderen Glieder irgendwie ausschliei~en miissen, was wohl selten schwer f~illt.

Von Schiil ler5 ist die merkwiirdige Tatsache gefunden worden, dal] die Coffeinstarre durch Novocain aufgehoben oder verhindert wird, auch der Demarkationsstrom nicht zustande kommt. Schii l ler deutete die Beobachtungstatsache dutch eine extramuskul~re physiko-chemisehe Einwirkung yon Novoeain auf Coffein. Es soil sich eine Art Komplex bilden. Zipf 6 widersprieht der Auffassung in entbehrlicher Weise, wie mir scheint, denn der Angriffspunkt des Antagonisten wird wohl weder extra- musku]~ir noch intramuskul~ir sein, sondern in der Muskelmembran liegen, die dutch l~ovocain verhindert wird, das Coffein ins Inhere des Muske]s eindringen zu lassen.

Eigene Versuehe.

Bei der Ausarbeitung einer quantitativen Mel~methode von Coffein dutch die Starrewirkung gingen wit yon der Uberlegung aus, da6 das Coffein weniger in sehr kleinen Konzentrationen, als vielmehr in sehr kleiner absoluter Menge naehgewiesen werden soll. Die bisherigen Wege, den isolierten Muskel etwa in die LSsung yon Coffein einzulegen, oder den Muskel in situ yon der Aorta aus zu durchstrSmen, verbieten sich deshalb von selbst, well immerhin ein grol]er Verbrauch yon CoffeinlSsung, damit auch absoluter Substanz, nStig ist. Das Gegebene und methodisch

4 Naunyn-Schmiedebergs Arch. 181, 241, (t936). -- ~ Ebenda 105, 299 (1925): 6 Ebenda 140, 56 (1929); 149, 76 (1930).

31"

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Neue war ffir uns, die CoffeinlSsung unmittelbar in einen ausgeschnittenen Gastrocnemius yon Rana temporaria zu injizieren. Zu diesem Zwecke wurde der Muskel in fiblicher Weise an einen fiinffach vergrSl~errrden Schreibhebel gebracht, mit 20 g Gewicht (nicht mehr) direkt belastet, und die erzielte Kontrakturwirkung graphisch registriert.

blach vielen Messungen wiegt der Gastrocnemius eines etwa 35 g schweren Grasfrosches etwa 0,5 g. In seinen Bauch kann man bequem und verlustlos 0,1 ccm Flfissigkeit injizieren*. Das Maximum an Coffein, 4as er fiir eine eben gerade noch als maximal erkennt]iche Kontraktur braucht ist etwa eine 0,15~oige CoffeinlSsung, also in 0,1 ccm Volumen die absolute Menge yon 0,15 rag. Von dieser Menge abw~rts kommt man

Abb. 1. Zwei submax ima lc Coffeinkontr~kturen. K o n t r a k t u r I I i s t m i t 20 % wc~nigcr Coffein angestel l t als K o n t r a k t u r 1; B m a x i m a l erreichte K o n t r a k t u r ; C Gipfcl der SUl)i)h~m(~ntSrcn Kontrakt ior t ;

A - - C / A - - B = K o n t r a k t u r w i r k u n g s g r a d der LSsung l , berechnct zu 68%.

zur untersten, nachweisbaren Grenzmenge, die bei etwa 40 7 liegt. Nimmt man die grol~e Wahrscheinhchkeit an, dal~ das Coffein sich nach cter In- jektion und w~hrend der Kontraktur gleiehm~l~ig fiber den ganzen Muskel verteilt, so herrsch~ ira endliehen Diffusionsgleiehgewicht bei Injektion yon 0,1 cem einer 0,15~oigen LSsung die Konzentration von 1:4000, was ungef~hr der GrSl~enordnung der yon J. A. S e c h e r ermittelten Werte entspricht.

Dutch zahlreiehe Vorversuehe, bei denen stets die oben angegebenen Bedingungen eingeha]ten wurden, besonders die der Belastung mit 20 g,

* Die exukte Dosierung yon 0,1 ccm herab bis zur untersten Grenze ist sehr leicht, wenn mun die Pr~zisionsspritze yon 0,15 ccm FassungsvermSgen, wie sie in diesera Archiv ~ beschrieben worden ist, verwendet.

7 Naunyn-Schmiedebergs Arch. 185, 456 (1937).

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wurde gefunden, dal~ yon 0,15 mg Coffein abwarts der jeweils erreichte Starregrad der Dosis ann~ihernd proportional ist. Die Menge yon 0,15 mg verursaeht eben gerade eine 100 %ige Kontraktur, exakt gemessen eine 98 %ige. Die anderen, von kleineren Dosen erreiehten Kontrakturgrade wurden als Prozente des erreiehbaren Maximums dargestellt. Das er- reiehbare Maximum wurde dadureh gefunden, dal~ man am Schlul] des Versuchs durch 5 Sekunden lang anhaltendes Tetanisieren mit maximal wirksamen InduktionsstrSmen den Muskel reizte. So entstand eine supplementiire Kontraktion, deren Gipfel anzeigt, wie welt iiberhaupt der Muskel sich kontrahieren kann. Es sind bekanntlieh 30 % seiner Ruhel~inge. So sind zu verstehen die Abb. 1 und die Abb. 2. Letztere stellt gewisser- mal]en eine Eichungsskala dar. Die Skala kann natiir]ich auch in Zahlen ausgedriickt werden, indem man den fiir jede absolute Menge erreichten

Abb. 2. Eichungsskala ffir fiinf absteigende Coffeimnengen yon 0,15--0,03 mg Coffein.

Kontraktionsgrad als Prozente des mSgiichen Maximums angibt. Diese Darstellung ist darn fiir den oben erw/ihnten Versueh die folgende:

Coffeinum purum.

1. 0,15 m g : 98% Kontraktur 2. 0,12 mg -- 92% ,, 3. 0,09mg = 88% ,, 4. 0,06mg = 79% ,, 5. 0,03mg : 17% ,,

Im Verlauf der Kontrakturkurve sind einige Einzelheiten zu bemerken. In den ersten paar Sekunden nach der Inj ektion kontrahiert sieh der Muskel raseh (vgl. Abb. 2). Der Kontrakturvorgang erf/ihrt dann eine Geschwindig- keitshemmung, unter Umst~inden bei niedrigen Mengen auch eine Umkehr, geht abet naeh langerer oder kiirzerer Zeit welter, bis das endliche Maximum

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erreicht wird, und die Kurve nunmehr parallel der Abszisse verl/iuft. Der Moment wurde als Endpunkt angesehen und dutch Setzung des supplemen- t~ren elektrischen Reizes der Kontrakturgrad ermittelt. Manchmal verli~uft die Kurve fiir li~ngere Zeit diskontinuierlich mit mehreren Anstiegs- verzSgerungen, erreicht aber immer eine sichere Endlage. Wir vermuten, dal] solche Deformationen der Kurve dadurch zustande kommen, dal~ die jeweils injizierten 0,1 ccm CoffeinlSsung in dem gefiederten Gastroc- nemius zunKchst die der injizierten Fliissigkeit naheliegenden Muskel- fasern unmittelbar treffen und dann dutch einen 30 Minuten anhaltenden Diffusionsstrom die gleichzeitige Verteilung des Coffeins bis zum Endpunkt stattfindet. Bei nicht maximalen Konzentrationen verbleiben Endreste an Kontraktilitiit, also ein Rest der Leistungsfiihigkeit der ganzen Muskel- faser, denn diese ist nicht etwa 5rtlich ungleichmiiltig vergiftet.

Eine 100 ~oige Kontraktur ist nicht eindeutig definiert. Da der MuskeI sich mit iibermaximalen Dosen auch nut auf 100~o kontrahieren kann, werden sowohl eben maximal wirksame, als aile iibermaxilnal wirksamen Mengen die gleiche Kontraktur hervorrufen. Es lag infolgedessen nahe, einen niedrigeren Kontrakturwert mit submakimalen Dosen, der noch eine deutliche supplement~re Kontraktionswirkung hat, als Unterlage fiir die bezweckte Messung zu w~hlen. Es schien gegeben, den Halbwert fiir diese Zwecke zu wi~hlen. Leider ist aber die Streuung mit welt unter- maximalen Dosen eine recht groite, so dal~ wit auf die Festlegung eines allgemein giiltigen Halbwertes verzichten multten. Diese submaximalen Kontrakturwerte sind allenfails zu Schi~tzungszwecken geeignet. Zu Me~- zwecken sind wit abet doch auf das Kontrakturmaximum angewiesen. Als Maximum sahen wit abet nicht die gerade 100 ~oige Kontraktur an, sondern eine zwischen 95--100% liegende, meist 98~oige, bei 4er der elektrische Reiz eine gerade noch me$bare Supplementiirkontraktion aus- 15st. Auf Grund sehr vieler Versuche hat sieh ergeben, da$ diese Kon- traktur erreicht wird, wenn man 0,15 mg Coffein in 0,1 ccm 0,7% igem NaC1 gelSst intramuskul/ir injiziert.

Zur Durchfiihrung der Messung gingen wit in der Weise vor, da$ wir zuniichst eine sichere iibermaximale Dosis injizierten, und allm~hlich mit der Dosis abstiegen, his nach erreichter Endwirkung der elektrische Reiz eben gerade noch eine supplement~re Verkiirzung anzeigte. Dies wurde erreicht schon bei einer 98 ~ Kontrakturwirkung (vgl. Abb. 2, Nr. 1). Wie der folgende Abschnitt zeigt, arbeitet diese Methode mit hinreichender Genauigkeit.

5~utzanwendungen.

I. Coffeingehalt einer Coffeinum purum-Tablette.

Die Tablette wird in 25 ccm 0,7 ~oigem Kochsalz gelSst. Die Aus- wertung gibt das folgende Bild (Abb. 3): Der Grenzwert fiir die maxhnale Kontraktur liegt bei 0,08 ccm = 0,15 mg Coffein. Daraus berechnen sich

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47 rag. Die Tablette ist deklariert zu etwa 50 rag. Die chemische Kontrolle ergab 52 rag.

IL Eine Kaffeebohne.

Eine Bohne gerSsteten Kaffees yon 0,25 g Gewicht wird mit Petrol- ~ther entfet tet , dana in der Reibschale pulverisiert und im Soxleth 24 Stunden mit feuchtem Chloroform unter Zusatz yon etwas Ammoniak extrahiert. Das mit wasserfreiem Glaubersalz getrocknete Chloroform

Abb. 3. Auswertung des Coffeingchaltes cincr Tablctte. Fiinf Kontrakturkurven, jede folgende 0,02 ecru wcniger Coffeinl6sung wie dic vorhcrgchende. 1. Dcr submaximalc Wert; 2. der Mel3wert.

Abb. 4. AuswertuI~g einer Kaffeebohne.

wird verjagt und der Riickstand mit 2 ccm 0,7% iger Kochsalzl5sung aufgenoalmen. Die Auswertung gibt die Reihe Abb. 4.

fiir 0,1 ccm = 98% Kontraktur ,, 0,08 ccm = 90% ,, ,, 0 , 0 4 c c m = 7% ,,

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98 % Kontraktur entspricht 0,15 mg Coffein. Daraus berechnet sich ein Coffeingehalt von 3 mg pro Bohne yon 0,25 g oder fiir 100 g Kaffee = 1,2 g Coffein~ was ungef~hr der GrSgenordnung naeh stimmen mag, wenn aueh der Coffeingehalt des vorliegenden Kaffees nieht ehemiseh bestimmt wurde.

IIL KaffeeaufgulL

Von derselben Kaffeesorte, yon der die obenerw~hnte Kaffeebohne stammt, wurde ein wiisseriger, 10 ~ Infus hergestellt. Die Auswertung zeigt Abb. 5, die sehr merkwiirdig ist. Die Auswertung wurde hier zun~chst

Abb. 5. 10%iger , unvcri~nderter Kaffccaufgul.~ yon gerSs te tem Ktdfee. Jede folgende In jek t ion ist u m 0,02 ccm kleiner als die vorhcrgehende.

vorgenommen mit dem unveriinderten Infus. Wenn man die Coffeinwerte betrachtet, so entsprieht der hSchsten Konzentration von 0,1 ccm (ter geringste Kontrakturwert von 16%. Das Maximum liegt bei 0,04 ecm mit 53 ~o Kontraktur, das Minimum bei 0,02 cem mit nahezu 0 ~o Kon- traktur. Die erreehneten Kontrakturwerte bleiben welt zuriiek hinter den dem vermutliehen Coffeingehalt entsprechenden Werten einer reinen CoffeinlSsung: Der Kaffeeabsud ist also beziiglich seiner Kontraktur- wirkung dureh irgend etwas gehemmt, was ihm beigemiseht ist. Um die reine Kontrakturwirkung des Coffeins aus dem wasserigen Kaffeeinfus zu erhalten, wurde dieser mit CMoroform unter Zusatz yon Ammoniak (p~ = 8) 24 Stunden lang im Apparat yon F re r i ehs perforiert. Man erhgIt einen gelbgef~rbten Chloroformauszug. Nach Verjagen des Chloro- forms hinterbleibt eine braune Masse, durchsetzt mit sichtbaren Nadeln von Coffein. Der ganze Riiekstand aus 4:0 cem Kaffeeabsud wurde in 40 cem 0,7 ~oiger KochsalzlSsung in der Wgrme gelSst. Der grSl]te Teil der braunen Masse bleibt ungelSst. Die CoffeinlSsung ist hellgelb. Die

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Auswertung dieser CoffeinlSsung zeigt die Abb. 5a oder die folgende Ausrechnung:

1. 0,1 ccm ~ 98 ~o Kontraktur 2. 0,08 ccm ~ 90% ,, 3. 0,06 ccm ~ 81 ~o , ,

4. 0,04 ccm ~ 45% ,,

Daraus ergibt sich, dal~ tatsiichlich eine grS~ere Coffeinwirkung mit dem isolierten Coffein erzielt wird, als dieses im w~isserigen Kaffeeinfus

Abb. 5a. / teines Coffein, abgeschieden aus der InfuslSsung des Yersuchs 5.

Abb. 5b. Yermutliche Bedeutung des chlorogensauren Kali ftir die Coffe inkontraktur . Die zwei unteren Kurven sind Wirkung vom chlorogensaurem - - Kal i - - Coffein, die zwei oberen des Xqui-

va lents an reinem Coffein. Es sind jeweils 0,15 mg bzw. 0,1 mg Coffein ve rwende t worden.

~iul~ert. Zur Aufkl~rung der Erscheinung wurde in folgender Weise vor- gegangen: Es ist bekannt, da$ das Coffein im Kaffee zum grSSten Teil als Chlorogensaures Kali-Coffein enthalten ist. Wenn das Chlorogensaure Kali an der depressiven Wirkung schuld ist, so lal~t sich das direkt nach-

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weisen. Wit haben spezielle Ver~uche angestellt, indem wit uns kiinstlieh den Komplex Chlorogensaures-Kali-Coffein darstellten und haben die Wirkung dieses Komplexes mit seinem J~quivalent an Coffeinum purum verglichen. Die Abb. 5b zeigt das Resultat dieses Versuchs. 0,1 mg Coffein in Form yon Chlorogensaurem-Kali-Coffein zeigte eine Kontrakturwirkung yon 6,7 ~o, 0,15 mg 29 ~o, w~hrend die gleiehe Menge Coffeinum purum wesentlich hShere Werte ergab. Demnach diirfte mit Wahrseheinlichkeit das Chlorogensaure-Kali die Ursache der depressiven Wirkung sein.

Es erscheint uns nicht ausgeschlossen, dal~ diese ttemmung dureh das Chlorogensaure Kali in dasselbe Erscheinungsgebiet hereingeht, wie der yon Schii l ler 5 gefundene Antagonismus 5~ovocain-Coffein, wobei eben- falls durch Novocain die Coffeinwirkung unter Umst~nden sogar vSllig aufgehoben werden kann. Wie S c hii 11 e r ebenfalls zeigte, werden auch die elektrischen Erscheinungen dutch das Novocain aufgehoben. Und da die elektrischen Erscheinungen mit grSl~ter Wahrseheinliehkeit Membran- ph~nomene sind, so ist es nicht ausgeschlossen, da] die vielumstrittene Bedeutung des Chlorogensauren-Kali im Kaffee auf diesem Wege noch ihre Erkl~rung linden k5nnte.

IV. Weitere Kaffeefragen.

Das Coffein ist in der Kaffeebohne nach den iiberzeugenden Unter- suchungen yon Gor te r S an Chlorogensaures Kali gebunden. Es ist in clieser Form leicht wasserlSslich. Dies diirfte iiberhaupt der Sinn des Chlorogensauren-Kali-Coffeins sein, denn das reine Coffein ist bekanntlich in kaltem Wasser sehwer 15slieh. Dagegen ist das Chlorogensaure Kali-Coffein unlSslich in trockenem Chloroform, in dem das reine Coffein sehr [eicht 15slich ist. Dadurch sind die Wege zur Trennung yon Coffein und Chlorogensaurem-Kali-Coffein, vielleicht aueh von Bohnenkaffee und coffeinisiertem Ersatzkaffee gegeben. Chlorogensaures Kali-Coffein zerfiillt in Wasser sehr leieht in seine Bestandteile, so da] alle w~sserigen Behandlungsformen des Kaffees, aueh das Aufgul~getr~nk, die in trockenem Zustand sehr gut existenzf~ihige, chemisch wohl charakteri- sierte Verbindung Chlorogensaures-Kali-Coffein nicht mehr enthalten, sondern nur die Bestandteile nebeneinander. Der Chlorogens~ure seheint demnaeh aueh der praktisehe Weft zuzukommen, die ErsehSpfbarkeit der Kaffeebohne bei der Herstel[ung des Getr~nkes zu begiinstigen, wenn die Verbindung den RSstprozel~ iibersteht. Der RSstprozel] geht bekannt- lich his fiber die Temperaturen der Fliichtigkeit des Coffeinum purum. Es w~re denkbar, dal] beim RSsten aueh schon Chlorogens~ure zerstSrt wird. Deshalb wurde folgender Versuch gemacht:

10 g absolut trockene, gerSstete Kaffeebohnen wurden mit absolut trockenem Chloroform unter Zusatz von etwas wasserfreiem Glaubersalz

8 A. 358,327; 359, 217 (1908); A. 247, 184 (1909); A. 379,110 (1911)o

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24 Stunden lang extrahiert. Der nach dem Verjagen des Chloroforms verbleibende Riickstand, der keine sichtbaren KristaUe aufwies, wurde in nut 2 ccm 0,7 ~ KochsalzlSsung aufgenommen und am Froschmuskel auf seine Wirksamkeit gepriift. Wie die Abb. 6 zeigt, ist er mit dieser Methode gepriift absolut unwirksam, enths also jedenfalls weniger als 40y Coffein in 0,1 cem, woraus folgt, dait die Bindung Chlorogensaures- Kali-Coffein praktisch rSstbest~ndig ist. Darauf wurde derselbe mit trockenem Chloroform vorbehandelte Kaffee mit feuchtem Chloroform, unter Zusatz von etwas Ammoniak abermals 24 Stunden extrahiert. Es wurde darauf gesehen, da~ freies Wasser vorhanden war und das noch anwesende Glaubersalz gelSst wurde. Die Auswertung ergab den vollen zu erwartenden Gehalt an Coffein (Abb. 6, 2).

Nach den Untersuchungen yon Gor t e r (1. c.) ist die Chlorogens~ure im Rohkaffee im Oberschul] ihrem Coffeinpartner gegeniiber enthalten.

Abb. 6. 1. Coffein aus absolut t rockenem Bohnenkaffee mi t Chloroform extrahie1%. 2. Coffein aus der- selben Bohnenkaffeeprobe wie :Nr. 1 m i t feuchtem Chloroform extrahiert .

Nach unseren Untersuchungen scheint die Chlorogenss durch den RSstproze$ wenn iiberhaupt, dann nicht so stark angegriffen worden zu sein, dal] nicht noch geniigend von ~hr fiir die Bindung des vorhandenen Coffeins iibrig bleibt.

u Coffeinfreier Kaffee.

Schlie$1ich wurde als Spezialfa]l des Problems des Nachweises kleinster Coffeinmengen auf pharmakologischem Wege einer der vielen ,,coffein- freien" Kaffees (Aufdruck auf der Originalpackung der verwendeten Sorte : garantiert coffeinfrei) herangezogen.

30 g dieses Kaffees wurden zu 300 ccm eines Kaffeeaufgusses ver- arbeitet. Der Gesamtaufgu$ im Frer ichsschen Apparat 24 Stunden lang mit Chloroform perforiert, ergab einen Chloroformriickstand yon gelben, glasigen Massen, in denen Coffeinnadeln nicht zu finden waren. Dieser Riickstand wurde in 5 ccm 0,7 %iger KochsalzlSsung heil~ auf-

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genommen. Nach dem Erkalten schied sich der gr5flte Teil der braunen Masse als braune Kugeln aus, die ein zweites Mal mit ebenfalls 5 cem 0,7~ KoehsalzlSsung behandelt wurden. Der urspriingliche Infus wurde ein zweites Mal mit Chloroform perforiert und wie der erste Extrakt weiterbehandelt. Das Ergebnis der pharmakologisehen Auswertung am

Froschmuskel ist in Abb. 7 wiedergegeben, d. h. der erste Extrakt holt 18,75 mg Coffein aus den 300 ccm Infus her- aus, der unl5sliche Anteil des Chloroformextrakts ist coffeinfrei. Die zweite Ex- traktion mit Chloroform er- gab noch einen kleinen Rest von schiitzungsweise 2,5 mg Coffein. Dieser garantiert ,,coffeinfreie" Kaffee enth~ilt demnach 0,07 % Coffein.

Abb. 7. C0ffeinfreier Kaffee. a) Ersfe Perforation. b) 2.'E r- schSpfung des unlSslichen Chloroform-Rfickstandes~ wir-

kungslos, c) 2. Perforation ~ minimale Wirkung.

Zusammenfas sung .

1. Die Coffeinstarre der Skeletmuskulatur des Fro- sches wird zu einer pharma- kologischen Mel~methode fiir Coffein ausgearbeitet.

2. 0,15 mg Coffein machen im ausgeschnitgenen Gastrocnemius des Frosches noch eine 98 ~oige Kontrak- fur; 40y Coffein eine noch eben gerade sichtbare.

3. Dieser oberste Wert einer 98 ~oigen Kontraktur kann zu Me~zwecken ver- wendet werden, die Werte yon da an abw~rts zu Sch~itzungszwecken.

4. Einige Anwendungen der Methode werden mitgeteilt.