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(Aus dem Neurologisehen Institut [Prof. K. Goldsleiu], Abteilung zur Erforschung der Folgeerseheinungen yon Hirnverletzungen, [Leiter der psychotogischen Ab- teilung Priv.-Doz. Dr. A. Gdb] und dem Psyehologischen Insti~ut der Univer- sit,it Frankfurt a. M.) Eine Pseudofovea bei Hemianopikern. Von Wilhelm Fuchs. Mit 17 Te• Inhaltsverzeichnis. Einleitung: Kurzer Bericht fiber eine bereits yon mir verSffentlichte Untersuchung fiber die Pseudofovea bei Hemianopikern (S. 158.) w 1. Untersuehungen fiber die Lage des neuen Deutlichkeitszentrums (S. 161). 1. Die Lage des Deutlichkeitszentrums bei Anderung des Gesiehts- winkels durch Anderung des Abstandes zwischen Beobachter und Objekt unter Beibehaltung der ,,wirklichen" GrSBe des Objektes (S.162). 2. Die Lage des Deutlichkeitszentrums bei J~nderung des Gesiehts- winkels durch ~nderung der ,,wirkliehen" GrSi~e des Objektes unter Konstanthaltung des Abstandes zwischen Beobachter und Objekt (S. 164). 3. Die Lage des Deutliehkeitszentrums bei konstantem Gesiehts- winkel und alleiniger Anderung der Sehgr5Be der Objekte (S. 165). Exkurs. Das Fehlen einer Pseudofovea bei ,,Aussparung der Makula". Die Ver~nderung des ausgesparten Bereiches (S. 166). w 2. Ergebnisse der tachistoskopischen Darbietung (S. 167). w 3. Vergleichende Untersuchungen fiber die Sehsch~rfe in der anatomisehen Fovea und in der Pseudofovea (S. 169). w 4. Spezielle Untersuchung dgr Deutlichkeit (S. 171). 1. Die _~nderung der Deutlichkeit bei Verschlebung vines Objektes aus seinem Deutliehkeitszentrum naeh auBen oder nach innen (S. 171). 2. Die gleiehzeitige maximale Deutliehkeit zweier verschieden groBer Objekte, yon denen jedes in ,,seinem" Deutlichkeitszentrum ge- boten wird (S. 172). 3. Das Versagen der aktiven Aufmerksamkeit ffir die Deutlichkeitser- hShung (S. 172). 4. Das Versagen der passiven Aufmerksamkeit fiir die Deutlichkeits- erhShung (S. 173). a) Die Undeutliehkeit einer kleinen Gestalt neben einer maximal deutlichen groBen Gestalt (S. 173). b) Die Verschwommenhe[t einer mit schwarzer Tinte gezeichneten kleinen Gestalt neben einer mit Bleistift gezeichneten, in ihrem Deutliehkeitszentrum stehenden groBen Gestalt (S. 174). c) Die Undeutlichkeit resp. der Zerfall einer groBen Gestalt neben einer in ihrem Deutliehkeitszentrum stehenden kleinen Gestalt (S. 175).

Eine Pseudofovea bei Hemianopikern

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(Aus dem Neurologisehen Institut [Prof. K. Goldsleiu], Abteilung zur Erforschung der Folgeerseheinungen yon Hirnverletzungen, [Leiter der psychotogischen Ab- teilung Priv.-Doz. Dr. A. Gdb] und dem Psyehologischen Insti~ut der Univer-

sit,it Frankfurt a. M.)

Eine Pseudofovea bei Hemianopikern. Von

Wilhelm Fuchs .

M i t 17 T e •

Inhaltsverzeichnis. Einleitung: Kurzer Bericht fiber eine bereits yon mir verSffentlichte

Untersuchung fiber die Pseudofovea bei Hemianopikern (S. 158.) w 1. Untersuehungen fiber die Lage des neuen Deutlichkeitszentrums (S. 161).

1. Die Lage des Deutlichkeitszentrums bei Anderung des Gesiehts- winkels durch Anderung des Abstandes zwischen Beobachter und Objekt unter Beibehaltung der ,,wirklichen" GrSBe des Objektes (S.162).

2. Die Lage des Deutlichkeitszentrums bei J~nderung des Gesiehts- winkels durch ~nderung der ,,wirkliehen" GrSi~e des Objektes unter Konstanthaltung des Abstandes zwischen Beobachter und Objekt (S. 164).

3. Die Lage des Deutliehkeitszentrums bei konstantem Gesiehts- winkel und alleiniger Anderung der Sehgr5Be der Objekte (S. 165).

Exkurs. Das Fehlen einer Pseudofovea bei ,,Aussparung der Makula". Die Ver~nderung des ausgesparten Bereiches (S. 166).

w 2. Ergebnisse der tachistoskopischen Darbietung (S. 167). w 3. Vergleichende Untersuchungen fiber die Sehsch~rfe in der anatomisehen

Fovea und in der Pseudofovea (S. 169). w 4. Spezielle Untersuchung dgr Deutlichkeit (S. 171).

1. Die _~nderung der Deutlichkeit bei Verschlebung vines Objektes aus seinem Deutliehkeitszentrum naeh auBen oder nach innen (S. 171).

2. Die gleiehzeitige maximale Deutliehkeit zweier verschieden groBer Objekte, yon denen jedes in ,,seinem" Deutlichkeitszentrum ge- boten wird (S. 172).

3. Das Versagen der aktiven Aufmerksamkeit ffir die Deutlichkeitser- hShung (S. 172).

4. Das Versagen der passiven Aufmerksamkeit fiir die Deutlichkeits- erhShung (S. 173).

a) Die Undeutliehkeit einer kleinen Gestalt neben einer maximal deutlichen groBen Gestalt (S. 173).

b) Die Verschwommenhe[t einer mit schwarzer Tinte gezeichneten kleinen Gestalt neben einer mit Bleistift gezeichneten, in ihrem Deutliehkeitszentrum stehenden groBen Gestalt (S. 174).

c) Die Undeutlichkeit resp. der Zerfall einer groBen Gestalt neben einer in ihrem Deutliehkeitszentrum stehenden kleinen Gestalt (S. 175).

158 W. Fuchs :

5. Die gestaltmiiBige Bedingtheit der Deutliehkeit (S. 177). a) Die ])eutlichkeit desselben ,,Elementes" innerhalb und aullerhalb

einer grS/teren Gestalt (S. 177). b) Die verundeutlichende Wirkung scharfer isolierter Herausfassung

eines ,,Elementes" einer Gestalt. (S. 179). c) Die Deutlichkeitsverh~ltnisse in einem Strichgewirr (S. 181). d) Die Verundeutlichung beim Zerfall einer vorher deutlichen, prKg-

nanten Strichfigur in ein Strichgewirr (S. 183). e) Eine bestimmte GrSBe des Objektes ist zwar notwendige, abet nicht

hinreichende Bedi_ngung der Deutliehkeit in einem bestimmten Sehfeldbereich (S. 184).

In meinen ,,Untersuchungen fiber alas Sehen der Hemianopiker und Hemiamblyopiker, I.Tefl: Verlagerungserseheinungen"l), habe ieh gezeigt, dab bei gewissen Hemianopikern eine neue Stelle des deutliehsten Sehens, eine Pseudofovea, vorhanden ist. Die Pseudofovea vermittelt in dem erhalten gebliebenen somatisehen Sehfeldrest dieser Hemianopiker die Eindriieke maximaler Deutliehkeit an Stelle der funktionell minder leistungsf~higen anatomisehen Fovea. Von dem neuen ,,Deutliehkeits- zentrum" aus f~llt die Deutliehkeit nach alien Seiten ab, aueh nach der anatomischen Fovea bin, die damit zu einer peripheren Stelle herab- sinkt:

Die neue Stelle des deutliehsten Sehens hat keinen bestimmten, unter allen Ums~nden festliegenden Ort auf der Netzhaut, sondern sie ist ein rein funktionelles, genauer ein durch die psyehisehen opti- sehen Gegebenheiten bestimmtes Zentrum: sic wechselt ihren Oft mit der Form mad Grflte der Objekte oder der Selrfeldgestalt, die je nach der gestellten Aufgabe oder der Beobachtungsabsieht des Patienten aufgefaBt werden soll. Darin liegt aber ausgedrfickt, dal~ die Deutlieh- keitsverteflung im Sehfeld mad dementsprechend die Funktionstfiehtig- keit verschiedener Netzhautpartien und deren Wertigkeit fiir alas Erkennen nieht absolute, unver~nderlieh festgelegte Bestimmungen einzelner Netzhautpmakte sind, sondern sieh nach den Gestaltverhiilt- nissen bestimmen, innerhalb gewisser Grenzen unabh~ngig yon den anatomischen Verh~ltnissen.

Da im allgemeinen beim gewShnliehen Sehen nur ein kleiner Bezirk zu fiberschauen ist, ist aueh nur mit einer geringen Entfernung der Pseudofovea yon der anatomischen Fovea zu reehnen.

Der Grund fiir die Entstehung eines neuen Kernpunktes und damit einer Pseudofovea liegt in Gestalteigensehaften des Sehfeldes: bei

1) Zeitschr. f. Psychol., 84, 129ff. 1920, sowie in Gdb und CloldsteiTt, Psychol. Analysen hirnpathologischer Fiille .auf Grund yon Untersuchungen Hirnverletzter. Verlag yon J. A. Barth, Leipzig 1920. Bd. L S. 313fL (Der Kiirze halber werde ich im folgenden nut nach letzterem Buch zitieren.)

Eine Pseudofovea bei Hemianopikern. 159

unbefangener Be~rachtungsweise strukturiert sich das Sehfeld ffir uns stets von einer Art Mitre aus. Sie ist der Schwerpunkt 1) der Sehfeldgestalt. Von diesem Sehwerpunkt aus wird das Sehfeld erfaBt.

Die Erfassung des erhalten gebliebenen Gesichtsfeldes der Hemia- nopiker yon seiner ungef~hren Mitte aus (nicht geometrische Mitte des Gesichtsfeldes, wie es etwa dutch die Perimetrierung festgestellt wird, sondern Mitre des yon Fall zu Fall wechselnden Sehfeldes) ge. schieht in der Regel v611ig passiv, ohne besondere Absicht der Patienten. Dies ergibt sich daraus, daI3 viele yon ihnen vor der Untersuehung von ihrem Defekt iiberhaupt nichts wissen. Dies gilt nicht nur fiir die erste Zeit nach der Verwundung, sonderh aueh oft fiir l&ngere Zeit nach derselben. So hatte ieh wiederholt Gelegenheit, F~lle mit kompletten Hemianopsien erst nach l&ngerer Zeit naeh der Verwundung zu unter- suehen, die bis dahin yon ihrem I)efekt iiberhaupt nichts gewu~t batten, oder die auf Befragen h6ehstens erldgrten, auf dem einen (nach der gesch~digten Seite liegenden) Auge sghen sie schlechter. Zum Teil werden die Patienten erst infolge der Untersuchung auf ihren Defekt auf- merksam. In anderen F~llen spielen mehr zufgllige Erlebnisse, wie das Entsehwinden der Hand aus dem Gesichtsfeld, namentlich aber das AnstoBen an Gegenst~nde oder Personen, die nach der blinden Seite hin sieh befinden, dabei mit, dab die Patienten auf ihren Gesiehtsfeld- ausfall aufmerksam werden. Aber im Sehfeld selbst war ihnen vorher nichts Besonderes aufgefallen. Es ~ also fiir sie ein Reehts und Links, ein Oben und Unten, yon elner Art Mitre aus errant, wie das Sehfeld des Normalen. Die ,,Stelle des deutlichsten Sehens" ist nicht dieselbe wie beim normalen Auge, sondern eine exzentrische Stelle. Von ihr aus f~llt die Deutlichkeit nach allen Seiten ab.

Das neue Deutlichkeitszentrum spielt beim Sehen der Hemianopiker aueh eine wiehtige Rolle in bezug auf die Lokalisation. Die Erfassung des Sehfeldes yon dem neuen Schwerpunkt aus bring~ eine vSllige ,~mderung der absoluten Lokalisation, eine ,,Verschiebung der Median- ebene" mit sich. Das periphere Deutlichkeitszentrum wird n~mlieh zum ,,Kernpunkt" (Hering), d. h. Nullpunkt des subjektiven Koordi- natensystems ~), an Stelle des durch die Fovea vermittelten Kernpunktes des Normalen. Es erscheint dem Patienten geradeaus, womit dann gegeben ist, dab die Stelle, die vorher geradeaus erschien, nach der blin-

1) N~heres fiber den ,,Schwerpunkt einer Gestalt" (M. WerSheimer) siehe bei Fuch8 ,,Untersuchungen fiber das Sehen der Hemianopiker und Hemiam- blyopiker", IL Tefl, in Zeitschr. f. Psychol. 86, 10. 1921, sowie in dem Sammel- werk yon Gdb und Goldstein, 1. c, S. 184. (Der Kfirze halber ~rde ich im folgenden aueh diese Arbeit nur nach letzterem Bueh zitieren.)

2) Niiheres darfiber bei F. B. Holmann, Die Lehre yore Raumsinn des Dopl~lauges, in ,48her und Sp/ro, Ergebn. d. Physiol. 15. 1915.

160 W. Fuchs:

den Seite verlagert ist; die objektive Medianebene erseheint damit auch versehoben.

Zur Erl~utertmg mSgen fiir den Fall einer Hemianopsie nach rechts die Abb. 1 und 2 dienen, beide dasselbe Auge darstellend.

Urspriinglich erscheint der Punkt F geradeaus. Der Punkt A hat relativ zu ibm einen Linkswert. Ist aber eine komplette homonyme Hemianopsie nach rechts eingetreten, ist also nur die linke Gesichtsfeldht~lfte erhalten geblieben, so erscheint Punkt A geraxieaus. Der urspriinglich das Geradeaus vermittelnde Punkt F hat jetzt einen Rechtswert. Die (durch die Linie RF repr~sentierte) objektive Medianebene und damit der gesamte Sehraum erscheint so nach rechts verlagert.

Gerade die Erscheinung der Verlagerung der Medianebene war es, die von den fr'fiheren Beobachtern allein entdeckt wurde, aber nicht geniigend erkltirt werden konnte. Besonders ist hier das reichhaltige Beobachtungsmaterial zu erw~ihnen, das F. Best 1) an Frischf~llen gewonnen hat.

Die im vorstehenden in aller Kfirze dargestellten Hauptergebnisse des auf die Verlagerung der Medianebene bezfigliehen Absehnittes

:A +F

!",K) J

Abb. 1. J

Abb. 2.

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meiner , ,Un te r suchungen . . . " (Tell I) habe ich z. T. aus den von F. Best berichteten Tat- sachen abgeleitet; ffir einen anderen Tell konnte ich mieh auf eigene Untersuchungen an Hemianopikern stfitzen ; einen kleinen Tell endlich, der hauptst~ehlieh die Lage der Pseudofovea betrifft, habe ich aus gestalttheoretischen Uber- legungen abgeleitet, konnte allerdings schon gewisse Be- funde meiner tachistosko- pischen Untersuchungen als

Stiitze anffihren (vgl. Gelb und Goldstein, 1. c. Bd. I, S. 324ff.). Inzwisehen konnte ich dutch neue Untersuehungen an geeigneten Fi~llen die damaligen Liieken in meinem Beobaehtungsmaterial aus- fiillen. Ich werde reich im folgenden hauptsi~chlich mit den bezfig- lich der Lage der Pseudo]oven herrschenden Gesetzm~Bigkeiten bescht~ftigen, ferner fiber yergleichende Untersuchungen fiber die Sehschdr/e in der Pseudofovea und der anatomischen Fove=a beriehten, weiterhin die gestaltm~iflige Bedingtheit der Deutlichkeitsverteilung

1) ,,Hemianopsie und Seelenblindheit bei Hirnverlet~ungen"; Graefes Arch. f. Ophthalmol. 93. 1917; ferner ,,Zur Theorie der Hemianopsie und der hSheren Sehzentren", ebenda Bd. 99. 1919; ferner ,,(~ber StOrungen der optischen Lo- kalisation bei Verletzungen und Herderkrankungen im Hint~rhauptlappen", Neurol. Centralbl. 1919, Nr. 13.

Eine Pseudofovea bei I-[emianopikern. 161

im Seh/eld aufweisen. Die Ergebnisse, die in einer Reihe wesentlicher P u n k t e durch Befunde an anderen Paf ien ten best~tigt wurden, werde ieh fast nu t an dem Fall W. zur Darstel lung bringen, da er die Er- scheinungen in seltener Reinheit und Ausgiebigkeit zeigte und ihre theoretisehe Klar legung gestat te te .

Krankengesehiehte: 28j~ihriger Bankbeamter. Am 22. VIII. 1914 an der Westfront dureh Schrapnellkugel in den Hinterkopf verletzt (Stecksehufi). War zuni~hst nicht bewuBtlos. Blutete stark aus Mund und Nase. Zirka 1/~ Stunde nach der Verwundung erbrochen. Danach mindestens 24 Stunden bewufltlos. AufenthMt in verschiedenen Lazaretten, zuletzt Marien-Krankenhaus in Frank- furt a.M. Befund: Uber der Protuberantia oceipitalis externa befindet sieh der gut vernarbte EinschuB. Haut mit dem Knochen nicht verwaehsen. R6ntgen- aufnahme in sagi~taler und transversaler Richtung zeigt das Projektil in der linken Schgdelhglfte, und zwar fiber der vorderen Felsenbeinfliiche, dieht an der Seh/ktelwand gelegen. Homonyme rechgsseitige Hemianopsie. Im Februar 1915 aus dem Lazarett entlassen, bleibt aber bis 1918 in ambulanter Behandlung. Seit August 1915 arbeitet Patient als P~gistraturbeamter auf einer Bank.

Abb. 3,

Am 28. VII. 1920 Aufnahme in das Hirnverletztenlazarett zu Frankfurt a. M. Von dem Untersuchungsbefund ist im Rahmen der vorliegenden Arbeit nur folgen- des yon Belang. Die RSntgenaufnahme ergibt im wesenflichen das frfihere Bild. Es besteht eine komplette homonyme Hemianopsie nach rechts mit nicht aus- gesparter Makula; die linke Gesichtsfeldh/~lfte ist stark eingeengt ivgl. Abb. 3). Ein Vergleich mit dem 2 Jahre vorher aufgenommenen Gesiehtsfeld l~flt eine inzwischen eingetretene wesentliche Verschlechterung im Sinne einer yon links her fortschreitenden Einengung erkennen.

w 1. Untersuehungen fiber die Lage des neuen Deutlichkeitszentrums.

Bei der eingehenden Befragung fiber die Art uhd Weise seines Sehens beim Lesen und Schreiben, beim Gehen auf der Strai~e, bei den T~tig- kei ten des allt~glichen Lebens usw. gab Pa t ien t an, er habe sich ,,ge-

Psychologische Forschung. Bd. I. 11

1 6 2 W. Fuehs :

wShnt, sein Gesichtsfeld nach rechts zu verlegen", d.h. nach der bl inden Seite. Er meinte damit , wie er ausfiihrlicher erlauterte, daI~ er an den WSrtern, Gegenstanden, Personen usw. rechts vorbeiblicke. Er sahe sie dann leichter vo l l s tandig und vor Mlem deutlicher. W e n n er s t reng fixieren wiirdel), sahe er alles nu r halb und verschwommen.

Es war nun von gestal t theoret ischen Gesichtspunkten aus, die ich im I. Teil .meiner , , U n t e r s u c h u n g e n . . . " bereits angedeute t habe, zu erwarten, dal~ die Deutl ichkeitsvertei lung im Sehfe ld nicht mehr den AbbildungsverhMtnissen auf der Ne tzhau t entsprechen wiirde in dem Sinne, dab das auf dem erhal tenen Teil der Fovea und seiner nach rechts gelegenen unmit te lbaren Nachba r scha f t Abgebfldete in hSherer Deutlich- keit erscheinen wiirde Ms das peripher davon Abgebfldete. Diese Er- war tung bestat igte sich bei unserem Pa t ien ten schon bei der ersten orientierenden Untersuchung. Zur Feststel lung der herrschenden GesetzmaBigkeiten wurden dann die Versuchsbedingungen in verschie- denen l~ichtungen variiert, woriiber im folgenden berichtet werden soll.

1. D i e L a g e d e s D e u t l i c h k e i t s z e n t r u m s be i J ~ n d e r u n g d e s G e s i c h t s w i n k e l s d u r c h . ~ n d e r u n g d e s A b s t a n d e s z w i s c h e n B e o b a c h t e r u n d Obj e k t u n t e r B e i b e h a l t u n g d e r , ,w i r k l i c h e n "

G r S B e d e s O b j e k t e s .

Zur genaueren Untersuchung der Deutl ichkeitsvertei lung im Seh- feld lieB ich in einer ersten Versuchsreihe den Pat ienten Druckschrif~ yon der GrSBe D = 18 ~) betrachten, die mit dem t)rojekt ionsapparat auf eine Mattglasscheibe geworfen wurde, und zwar in F o r m yon WSr- tern und sinnlosen Buchs tabenkombinat ionen. Pa t ien t fixierte eine

1) Pat. meint hier unter strenger Fixation die Fixation mit der Fovea. DaB er mit dieser fixierte, konnte er leieht daran feststetlen - - der Begriff ,,Fovea" war ihm unbekannt -- , dab rechts vonder fixierten Marke das Sehfeld ziemlich abrupt aufhSrte; die Marke war sogar nur halb sichtbar. Die scharfere Grenze nach der blinden Seite bin ist wohl u. a. darauf zuriickzufiihren, dab ]Pat. in der blinden Feldh~lfte Schwarz sah (positives Skotom). Diese Grenze war also anders gegeben als sonst an der Peripherie.

2) Da ich bei der folgenden Untersuchtmg fast nut die Snellensehen ,,Optotypi" und grol3en Sehscharfetafeln benutzte, gebe ieh samtliche GrSflen in der yon Snellen benutzten Bezeichnungsweise (D) wieder. D bedeutet in Metern ausgedriickt diejenige Entfernung des Auges vom Beobachtungsobjekt, bei der letzteres sich unter einem Gesichtswinkel von 5 Min. im Auge abbildet. Ein Auge, das unter dieser Bedingung einen Buchstaben gerade eben (resp gerade noch) zu erkennen vermag, gilt als Auge yon normaler Sehseharfe. Da es im folgenden nur auf die relativen Werte der BuchstabengrSBen ankommt, so kSnnen wir die GrS~e der Buchstaben auch dm'eh Bezeichnung D ausdriieken. - - Besonders betonen will ich noch, dab fast s~mtliche der im folgenden beschriebenen Erscheinungen nicht nur bei Betraehtung von Buchstaben, sondern aueh bei Betrachtung yon beliebigen anderen Gestalten sich einstellten, z. B. Quadraten, RechteCken, Kreisen, Strichen.

Eine Pseudofovea bei Hemianopikern. 163

auf der Mattglasseheibe angebrachte schwarze Marke, so da6 ihr Bild auf die anatomische Fovea fiel (was er daran kontrollielen konnte, dab nur die Hi~lfte der Marke sichtbar war und rechts davon das Sehfeld aufhSrte). Er gab dann dem Versuehsleiter denjenigen Buehstaben an, der ihm yon der ganzen Kombination am deutliehsten erschien. Bei Be- obachtung aus I m Abstand erschien der]enige Buch~tabe am deutlichsten, der ca. 6 cm links vom Fixationspunkt lag. Von diesem Deutlichkeits- maximum aus fiel die Deutlichheit nach allen Seiten ab, auch nach dem /ovealen Bereich hin. Der Deutlichkeitsabfall war nach dieser Seite hin in der Regel etwas geringer als in den anderen Richtungen. Auf die Frage naeh dem peripherwi~rts vom Deutlichkeitsmaximum noch fiberschauten Gebiet gab Patient an, dab er nach dieser Riehtung bin ein ungefiihr ebenso gro]~es Gebiet wie naeh innen hin iiberschauen wiirde. Auch beim Hinzeigenlassen an die (ungef~hre) Stelle, bis zu der er yon den Buch- staben gerade noeh etwas zu sehen vermochte, ergab sich ein im wesent- lichen gleicher Bereieh. Das Deutlichkeitsmaximum lag also unter den angegebenen Bedingungen in der (ungefi~hren) Mitre des iiberschauten Gebietes.

Bei Beobaehtung derselben Anordnung aus der doppelten Entfernung (2 m) lag das Dentlichkeitsmaximum in ca. 6,5--6,7 cm Abstand vom Yixationspunkt. Da Pat ient nach der Peripherie hin noch ein Gebiet von 7,0--7,5 em iibersehaute - - nach den im vorigen Absatz angegebenen Methoden bestimmt - - , so lag also das Deutlichkeitszentrum wieder in der ungef~hren,Mitte des Gesamtsehfeldes.

Bei Beobachtung derselben Anordnung aus noeh gr6i~eren Ent- fernungen riiekte das Deutlichkeitszentrum nicht mehr nennenswert nach der Peripherie hin. So lag es bei Beobaehtung aus 3 m Entfernung ca. 6,8 cm vom Fixationspunkt entfernt. Auch das (auf den oben an- gegebenen Wegen festgestellte) Gesamtsehfeld erfuhr durch Beobachtung derselben Anordnung aus grSl~eren Entfernungen keine nennenswerte Erweiterung. So gab Patient bei Beobaehtung aus 3 m Entfernung ein Gesamtsehfeld yon 14,5--15,0 cm Breite an. Das Deutlichkeitszentrum lag also wieder in der ung.ef~hren Mitte des G~samtsehfeldes.

Das Deutlichkeitsmaximum lag also unter den obigen Bedingungen bei Beobachtung aus 1 m Abstand 6,0 em, bei Beobachtung aus 2 m Abstand ungefi~hr 6,6 em, bei Beobachtung aus 3 m Abstand ca. 6,8 cm vom Fixationspunkt entfernt. Daraus geht hervor, dal~ seine Lage nieht vom Gesiehtswinkel abh~ngig ist; denn bei einer solchen Ab- hi~ngigkeit hi~tte es 'bei Beobaehtung aus 3 m Abstand in ungefi~hr 18 em Entfernung vom Fixationspunkt liegen mfissen. Die neue ,,Stelle de8 "deutlichsten Sehens" ( Pseudo/ovea) ist also nicht an eine bestimmte Netzhautstelle gebunden, d. h. an eine Stelle, die eine /este Lage im Auge hiitte 5hnlieh wie die anatomische Fovea des Normalen. Sie ist vielmehr

11"

164 W. Fuchs :

ein Zentrum, das seine Lage je nach Reizkonstellation wechselt. Dami~ ist aber schon auch ffir unseren Pat. W. der in der Einleitung erwghnte Satz bewiesen, wonach per@here Netzhautstellen (resp. ihre kortikalen Endst5tten) eine /unktionelle Uberlegenheit i~ber die normalerweise in histologischer und physiologischer Itinsicht i~berlegenen /ovealen Bezirke gewinnen k6nnen.

2. Die L a g e des D e u g i i e h k e i t s z e n t r u m s bei A n d e r u n g des G e s i e h t s w i n k e l s d u r e h J ~ n d e r u n g de r , , w i r k l i e h e n " G r S g e des O b j e k t e s u n t e r K o n s t a n t h a l t u n g d e s A b s t a n d e s z w i s e h e n

B e o b a e h t e r u n d O b j e k t .

In weiterert Versuehen wurde nun die GrSBe des Gesiehtswinkels dadureh variiert, daft die Entfernung zwisehen Beobaehter und Objekt konstant gehalten (i m) und nur die ,,wirkiiehe" GrSge des Objektes ge~ndert wurde. LieB man den Patienten in dieser Weise verschieden groSe (genauer versehieden hohe) Drueksehrift betraehten, sei es, dab die Druckbuchstaben ein kleineres oder grSBeres Wort bildeten, sei es, dab nur ein einziger Buehstabe im Gesichtsfeld war, so ergab sich, daft das Deutlichkeitsmaximum dem Fixationspunkt um so niiher riivkte, ]e kleiner die Druckschri/t warl). Die Lage des Deutlichkeitsmaximums hing also yon der GrSfle der zu betrachtenden Ob]ekte ab. Wegen der grogen theoretischen Bedeutung dieses Befundes seien hier einige Zahlen angegeben (betrachtet wurde yore Patienten verschieden grol]e Druek- schrift aus den Snellenschen ,,Optotypi"). Es lag das Deutlichkeits- maximum bei :

Buchstabengr68e D cm Abstand vom Fixationspunkt 1,5 1,1--1,2 1,7 1,4--1,5 3,0 2,0--2,1 4,0 2,4 4,2 2,5--2,6 7,5 5,2--5,5

18,0 6,0

Es ist Mar, dab man bei weiterer Vergr6Berung der Buchstaben sehr bald an eine Grenze kommen muB, fiber die hinaus das Deutlichkeits- ma, x imum nicht welter nach der Peripherie rficken kann. Ihre Lage schwankte an den einzelnen Tagen zwisehen 6,0 und 6,4 cm. Diese iiuSerste Grenze Iiir die Ste]le des deutliehsten Sehens bestimmt sich

1) Pat. stellte die Lage des Deutlichkcitszentrums dadurch lest, dab er ent- weder an den Buchstaben seitlich vorbeiblickte und sich den Punkt suchte,' yon dem als Fixationspunkt aus ihm der Buchstabe maximal deutlich erschien, oder dab er einen bestimmten Punkt fixierte mad der Versuchsleiter den Buchstaben solange verschob, bis er in hSchst erreichbarer Deutlichkeit erschien.

Eine Pseudofovea bei Hemianopikern. 165

jedenfalls durch die Mitte des fiberhaupt noch funktionsfShigen Restfeldes: Bei bewegtem (und dazu hellem) Objekt bcstimmter GrSl~e ist laut Gesichtsfeldschema Abb. 3 der AuBenraum bis zu einer Orenze yon 20 resp. 30 ~ erfaBbar (vgl. S. 175). Unter unseren Bedin~lngen mit ruhendem (und dazu dunklem) Objekt ist der erschlieBbare Bereich des AuBenraumes kleiner.

Es ist immer nur ein kleiner Bereich, innerhalb dessert ein Buchstabe bestimmter Gr6Be deutlich erscheint. Verschiebt man den Buchstaben aus diesem Bereich nach der Peripherie bin, so tr i t t rasch zunehmende Verschwommenheit und Verundeutlichung auf. Dasselbe ist unter ge- wissen Bedingungen 1) auch der Fall bei Verschiebung des Buchstabens nach dem Fixationspunkt hin. Das Deutlichkeitszentrum stellt also fiir eine gegebene ObjektgrS6e einen einzigen Gipfel dar.

3. Die L a g e des D e u t l i c h k e i t s z e n t r u m s bei k o n s t a n t e m G e s i c h t s w i n k e l u n d a l l e i n i g e r ) [ n d e r u n g d e r Sehgra_Se d e r

O b j e k t e .

Die Variation des Gesichtswinkels in den Versuchsreihen 1. und 2. Iiihrte zu einander widersprechenden Ergebnissen, indem die Lage des Deutlichkeitszentrums im einen Fall sich stark ~nderte, im andern aber nicht. Daraus li~Bt sich schon der Schlu~ ziehen, dai~ der Ort des Deut- lichkeitsmaximums nicht yon der GrSl3e des Gesichtswinkels abhs sein konnte. Die Ursache der Lage~nderung muSte aber doch in 2. stecken. Um n~here Aufkli~rung zu erlangen, wurde i~hnlich wie in 2. die ,,wirkliche" oder objektive Gr6[~e ge~indert, der Gesichtswinkel aber konstant gehalten. Es wurde also nur die ,,Sehgr68e" oder ,,scheinbare Gr61~e" der Objekte ge~ndert. Die Untersuchung im einzelnen verlief in folgender Weise. Zuerst wurde der Abstand des Deutlichkeitsmaxi- mums yon der Fovea bei einer bestimmten GrSBe der Druckschr i f t und einer bestimmten Entfernung des Patienten yon ihr festgestellt. Dann wurde ebenso der Abstand bei doppelt (dreimal) so grol~er Druck- schrift festgestellt, die vom Patienten aus der doppelten (dreif~chen) Entfernung betrachtet wurde.

Das Ergebnis war: trotz gleichen Gesichtswinkels war bei den scheinbar gr6fleren Ob]ekten der Abstand des Deutlichkeitsmaximums von dem /o- vealen Bereich gr6[3er als bei den scheinbar ~:leineren Ob]ekten, z. B. (vgl. umstehende Tabelle) 0,9 :'1,6 : 2,4. Das Deutlichkeitsmaximum lag jetzt ungefahr an der Stelle, an der es bei Anderung des Gesichts- winkels (aber derselben objektiven und damit scheinbaren Gr68e tier Objekte) gelegen hatte. Da jetzt aber der Gesichtswinkel konstant ge- halten wurde, so ergibt sich, daft e8 gar nicht au/ den Gesichtswinkel, sondern nut au/ die Sehgr6fie der Ob]ekte ankommt.

1) Vgl. dariiber unten S. 171.

166 W. Fuchs :

F o l g e n d e Tabe l l e l ~ t e ine Ve rg l e i chung des E inf lusses de r Gesichts- winke lgrS~e u n d der SehgrSBe z u :

uohstaboo- I]

D = 1,5 0~9 ('m D = 3,0 L6 ,, D = 6,0 2~1

1,00 m 1,50 m

0,9 ~'m 3) 1,6 ,, 1,7 cm 2,1 ,, 2,3 ,,

2,00 m 3,00 m

~) 3) } 1~8 em ~) 2,4 , 2,7 em

~Entfernung des Beobachters

Abstand des Deut- lichkeitsmaximums yon der Fovea.

Zur n~heren Erl~iuterung mSge noch folgendes dienen. 1. Die horizontalen Reihen geben an, wie sich der Abstand des neuen

Deutlichkeitszentrums vom friiheren (und damit der Pseudofovea yon der ana- tomischen Fovea) bei Anderung des Gesichtswinkels durch VergrOflerung oder Verkleinerung des Abstandes zwischen Vp. und Objekt iindert. Die .~nderung ist im allgemeinen nur gering. Etwa~s grSl]ere Abweichungen treten nur bei den groflen Objekten in groI3em Abstand auf. Die Abweichungen sind abet keineswegs den J~nderungen des Gesichtswinkels proportional.

2. Die vertikalen Spalten geben an, wie sieh der Abstand zwischen dem pseudofovealen und dem (friiheren) fovealen Deutlichkeitszentrum bei ~nderung des Gesichtswinkels durch Vergr5Bernng und Verkleinerung des Objektes bei konstantem Abstand zwischen Vp. und Objekt ~ndert. tIier treten st~rkere ~_nderungen auf, die fiir die kleineren ObjektgrSBen anscheinend der _~mderung des Gesichtswinkels anniihernd parallel gehen, ftir die grSfleren allerdings nicht mehr. - - Diese Spalten entsprechen der Tabelle auf S. 164a).

3. Die Diagonalen, z. B. 0,9 : 1,6 : 2,4; ferner 1,6 : 2,1; ferner 0,9 : 1,8 : 2,7; ferner 1,7 : 2,7 geben die )~bstands~nderung zwischen dem neuen und dem friiheren Deutlichkeitszentrum bei konstantem Gesiehtswinkel an. ttier treten ebenfalls st~irkere Anderungen auf. Sie stimmen der GrSl~enordnung nach mit den unter 2. stehenden iiberein.

Der verschiedene Ausfall der Zahlenwerte in 1. und 2. beweist sehon, dab die Lage der Pseudofovea nicht yore Gesichtswinkel abhi~ngig ist; denn bei den gleiehen Anderungen des Gesichtswinkels ergeben sich weitgehend versehiedene Zahlenwerte. Ein Vergleieh "yon 2. und 3. dagegen zeigt ann~hernde ~berein- st immung der Abstands~nderungen der beiden Foveae. Die Lage der Pseudofovea nmB also durch das Moment bestimmt werden, das 2. und 3. gemeinsam ist. Dies ist abet die SehgrSfle der Objekte.

E x k u r s : D a s F e h l e n e i n e r P s e u d o f o v e a b e i , , A u s s p a r u n g d e r M a k u l a . " D i e V e r i i n d e r u n g d e s a u s g e s p a r t e n B e r e i e h e s .

Da, wie die bisherigen Versuche ergeben haben, die Entfernung des neuen Deutlichkeitsmaximums yore friiheren (normalen) "in der Regel nur wenige Grado

1) Ober die Darstellung der Buchstabengrbl3e dureh die GrSi3e D vgl. FuB- note 2 yon Seite 162.

2) Wegen zu grol~er Undeutlichkeit der kleinen Druckschrift in dem betr. Abstand des Beobachters nicht mehr priifbar.

3) Ein Vergleich der Zahlen dieser Spalte mit den fiir die gleiche Entfernung (yon 1 m) gewonnenen Zahlen der Tabelle yon S. 164 zeigt, dab die jetzige Spalte durchweg kleinere Werte aufweist. Wie yon vornherein zu erwarten war, sind zu verschiedenen Zeiten die Ergebnisse dem absoluten Weft nach etwas ver- schieden, w~ihrend ihr gegenseitiges Verhiiltnis. auf das es hier nur ankommt, dabei ungefiihr das gleiche bleibt.

Eine Pseudofovea bei Hemianopikerm 167

betr~gt, so wird man ein derartiges neues Zentrum wohl nur bei solchen He- mianopikern erwarten kSnnen, deren Makula entweder gar nieht oder nur sehr geringfiigig ausgespart ist. Bei grSl]erer Aussparung, wozu wohl schon 4--5 ~ geniigen dtirften, liegt flit die hiiufigsten F~ille des aIlt~glichen, unbefangenen Sehens das makul~re Deutlichkeitsmaximum in der ungef~hren Mitre des jeweiligen Sehfeldes; denn dieses ist ia fiir gewShnlich nur klein. In den Fallen, in denen die perimetrische oder kampimetrische Gesichtsfeldaufnahme eine Aussparung er- gibt, ist zu priifen, ob diese nieht info]ge Vorhandenseins einer Pseudofovea im obigen Sinne nut vorget~uscht ist.

Man wird eine solche Prtifung besonders in den F~llen vorzunehmen haben, in denen im Vertauf l~ingerer Zeiten sich eine Veranderung des ausgesparten Bezirkes bemerkbar macht. F~lle dieser Art sind bereits in der bisherigen Literatur beschrieben wordenZ). Die Entseheidung, ob die Ver~nderung auf d~- Entstehung einer neuen Stelle des deutlichsten Sehens beruht oder auf andere Faktoren zuriickgefi!hrt werden mul3, diirfte im allgemeinen nieht schwer sein. Da nach unseren obigen Ausfiihrungen die Lage des neuen Deutlichkeitszentrums yon der GrSl3e, Lage und Art der Untersuehungsobjekte abh~ngt, so wird man die Versuche in diesen Hinsichten varfieren miissen. Man wird am Perimeter oder Kampimeter z.B. bei Verwendung verschieden grol3er Fixationsobjekte versehiedene ~ussparungen und dementsprechend auch verschiedene Grenzen der gesunden Gesichtsfeldh~ilfte erhalten, so dab also das gesamte Gesichtsfeld ~,-er- sehoben erscheint.

Das oben S. 161 angegebene Gesichtsfeldschema unseres Pat.W. ist bei Fixation mit der anatomisehen Fovea aufgenommen. Es weist keine Aussparung auf. Bei Fixation mit der Pseudofovea konnte man eine Aussparung erhalten, und zwar yon verschiedener Gr6Be, je nach der GrSBe des Fixationsobjektes.

w ~. Ergebnisse der tachistoskopischen Darbietung. Bei der t ach i s toskop i schen Da rb i e tun g yon W6r te rn , s innlosen

Buchs t abenkombina t i onen , Punk t f i gu ren und S t r ichze ichnungen lag das D e u t l i c h k e i t s m a x i m u m in gleicher Weise per ipher wie bei Dauer- beobaeh tung . Der Deu t l i chke i t sab fa l l naeh be iden Sei ten yon ibm war ansche inend s t a rke r als bei li~nger daue rnde r Be t r ach tung . Daher wurde meis t nur das im Deu t l i chke i t s zen t rum gelegene E l e me n t e rkannt . Von den naeh l inks, sowie auch von den nach rech t s , d. i. nach dem m i t de r ana tomi sehen F o v e a b e t r a c h t e t e n F i x i e r p u n k t h m gelegenen E l e m e n t e n wurde en tweder fiber h a u p t n ichts gesehen, oder es wurde nur eins yon ihnen ganz oder tei lweise wahrgenommen , meis t ohne er- k a n n t zu werden 2). Zu ihrer E r k e n n u n g k a m es fas t s te ts ers t bei wieder- ho l te r Darb i e tung . Das noch wahrgenommene resp. e rkann te E l e me n t konn te sowohl l inks als auch reeh ts vom Deu t l i ehke i t s zen t rum gelegea sein. Die zwischen dem Deu t l i chke i t s zen t rum und dem fovealen Bereich gelegene Ges ieh ts fe ldpar t i e war also bei de r W a h r n e h m u n g und Er- kennung n ich t bevorzugt .

z) Wilbrand und ~aenger, Neurologie des Auges, Bd. ~; ferner PStzl, Ober die l%i~ekbildung einer reinen Wortblindheit, Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatr. 5~. 1919.

~) Vgl. dazu unten w 4~.

168 W. Fuchs:

Aueh bei anderen Hemianopikeizl habe ieh feststellen kSmxen, dab in der erhaltenen Gesichtsfeldhalfte bei tachistoskopischer Darbietung die nach der Fovea gelegenen Partien gegoniiber gewissen (wechselnden) peripheron Stellen benachteiligt sind, so dab also yon einem je nach Reizkonstellation wechselnden Deutlichkeitsmaximum aus die Deutlichkeit naoh beiden Seiten abfgllt. Ich habe im I. Toil meinor , ,Untersuehungen.. .", S. 325 ff., sehon einige Beispiele angefiihrt. Da sie die Wirkung eines Faktors erkennen lassen, der in der vor- liegenden Arbeit noch nicht gostroift wurde, der aber bei manchen Hemianopikern unter geeigneten Versuchsbedingungen die Lage der Pseudofovea bestimmt (resp. beeinfluBt), so will ich hier kurz darauf eingehen. Ieh beschrgnke reich auf einen Fall yon linksseitiger Hemianopsiel). Wird in der erhaltenen rechten Gosichts- feldhglfte etwa ein Wort odor eine sinnlose Buchstabenkombination tachisto- skopisch exponiei% so wird der nach dem Fixationspunkt hin gelegene Bueh- stabe sehr oft nicht erkannt odor gar iiberhaupt nicht gesehen, w~hrond poripher gelegene Elemente deutlich gesehen und erkannt werden. Das Deutlichkeits- maximum liegt dann also nieht im Gebiet der Fovea, sondern an einer peripheron Stetle. Die Lage dieser Stelle wechselt nun je nach der Lage des gebotenen Kom- plexes innerhalb der erhaltenen Feldhglfte. Bietet man z. B. ein Wort aus vier Buchstabon so, dab der erste Buchstabe mlmittelbar rechts neben der Fovea liogt, so wird zum Beispiel nur der dritte Buehstabe deutlich gesehen und er- kannt (oft auch noch der vierte erkannt), w~hrend der erste Buchstabe entweder iiberhaupt nieht odor nur hSchst verschwommen gesehen wird. Letzteros ist oft mehr odor weniger auch beim zweiten Buchstaben der Fall.

Bietet man nun ein anderes Weft weiter peripher so dab etwa sein erster Buehstabe an der Stelle liegt, we vorher der in hSchster Deutliehkeit ersehienene dritte Buchstabe gelegen hatte, so ist oft der erste Buchstabe (manchmal sogar auch noch der zweite) in ~hnlicher Weise benachteiligt, wie im vorher gesehilderten Beispiel die dem Fixationsptmkt n~ehst gelegenen Elemente. Der dritte Buchstabe (miter Umst~nden auch der zweite) aber erseheint trotz seiner periphereren Lage so deutlieh, dab er mehr oder weniger sieher erkannt werden kann. ])as Deutlieh- keitsmaximum liegt jetzt also welter poripher als vorher. Man kannso~ dutch eine in beliebigem Weehsel vorgenommene Varation der Lage des exponierte'n Wortes weitgehend versehiedene Lagen des Deutliehkeitsma~mums erhalten.

Wir miissen nun bei diesen Versuchen noeh folgendes in Riieksicht ziehen. Pat. hat in ihnen die Aufgabe, die gebotenen WSrter und Buchstaben zu lesen. Da also nur die W6rter reap. Buehstabenkombinationen zu beachten sind, so ist damit eine bestimmte Sehfeldgestalt gegeben, die ihr eigenes Deutliehkeitszentrum hat. Da die besehriebenen Erscheinungen aueh bei Exposition yon l~nktfiguren und Kombinationen yon anderen Elementen eintroten, so kommt es in diesen Experimenten nicht auf das Lesen als solches an, sondem allein darauf, dab nut die Komplexe yon Buchstaben, Punkten usw. als Gestalten aufzufassen sind. Wenn Pat. dagegen die Aufgabe hat, das bei diesen Versuehen auf der Mattglas- seheibe erscheinende helle Feld oder eine dieses Feld ganz bedeekende gleieh- mKBige Netz- oder Gitterzeiehnung zu beachten, so bildet sich dadureh eine andero Sehfeldstruktur. Die Lage des I)eutlichkeitsmaximums ist dann nieht einem derartigen Weehsel wie in den letzten F~llen unterworfen. Wir kommen daher zu dem Ergebnis, daft die Lage des Deutlichkeitszentrum~ und damit der Pseudo. /ovea auch you der Lage und Art der]e~igen Gestalt mitbestimmt wird, die der Au/gabe gemdfl zu beachten ist:

1) Die Griinde, warum ein Fall mit reehtsseitiger Hemianopsie nieht strong beweisend ist, habe ich in meinen , ,Untersuehungen.. .", I. Teil, S. 325, aus- einandergesetzt.

Eine Pseudofovea bei Hemianopikern. 169

w 3. Vergleichende Unte r suchungen fiber ~ie SehschSrfe in der anatomischen Fovea und in der Pseudofovea.

Bei Gelegenhei t de r E r 6 r t e r u n g e n fiber die Pseudofovea bei Hemi - a n o p i k e r n im I I I . A b s c h n i t t meiner . , U n t e r s u c h u n g e n . . . " I. Teil, ins- besondere in dem E x k u r s S. 333L habe ieh auf G r u n d exper imen te l l e r Ergebn i sse d a r a u f hingewiesen, dab in gewissen F~l len bei Hemianop i - ke rn per iphere Ne t zhau t s t e l l en eine hShere Sehseh~rfe h a b e n als die F o v e a u n d dab der Or t des Sehsch~r fenmax imums yon weehse lnder Lage in de r N e t z h a u t ist. I ch habe d a n n ausdr t iek l ich bemerk t , d~l~ diese A n g a b e n vorl~ufig nur f i ir d ie t ach i s toskop i sehe D a r b i e t u n g ge l ten wii rden, eine E inschr~nkung , die ieh vors ieht igerweise machen muBte, d a mi r d a m a l s Ergebnisse bei D a u e r b e o b a e h t u n g n i ch t zur Verf i igung s~anden. Auf G r u n d der Befunde in d e m j e t z t un t e r such ten Fa l l W. k6nnen nun jene A n g a b e n aueh auf das Sehen bei D a u e r b e o b a c h t u n g ausgedehn t werden. Denn bei d iesem P a t i e n t e n is t die 8ehschiir/e in der mit der Gr6fie des Objektes ~eweils wechselnden peripheren Pseudofovea tatsiichlich besser als in dem erhalten gebliebenen /ovealen Gebiet, und zwar meis t u m 1/6 , in ande ren F~illen u m 1/~, oder u m 1/4, oder ga r um 1/a. Aufler der h6heren Wertigkeit ]iir das Erlcennen haben bier also wechselnde per@here Netzhautstellen auch eine hShere Sehschdr/e, wobei diese nicht Ursache, 8ondern Wirkung ]ener ist, beide allerdings ihre hShere Ursaehe in der Strulcturierung des Seh/eldes haben.

Die Priifung warde in tolgender Weise vorgenommen. Um den zu erkennen- den Buchstaben der Sehsch~rfetafel im Gebiet der anatomischen Fovea erkennen zu kSnnen, konnte Pat. diesen Buchstaben nicht fixieren im LerkSmmtichen Sinne, da er dann nur die Hi~lfte des Buchstabens gesehen h~itte (die hemianopisehe Trennungslinie verlief mitten durch die Foyea). Er muBte daher ein wenig rechts an dem Buchstaben vorbeischauen. Die Angaben fiber die Sehsch~irfe im fovealen Bereich beziehen sich auf diese Art der Betrachtung. Um den Buchstaben im Deutlichkeitszentrum zu habenl), muftte Pat. weiter nach rechts "v'orbeischauen, und zwar in wechselndem AusmaB, je nach der GrSBe des Buchstabens (vgl. oben). Es kam mit dieser Art des Sehens nattirlich ein Faktor herein, der eine grSBere Stremmg der Zahlenwerte erwarten lieB. Die Streuung wurde noch dadurch er- hSht, dalt der erhaltene somatische Sehfeldrest des Pat. leicht ermiidete, dal3 er in seiner Funktionsf~ihigkeit iiberhaupt yon dem Gosamtbefinden dos Patienten in hohem Mal3e abh~ingig war, wofiir die beiden unten angegebenen Tabellen ein ansehauliehes Bild liefern. Ferner trug zur Streuung der Werte die sehon yon quitlery gefundene Tatsache bei, da{3 die verschiedenen Buehstaben des Alphabets eine verschiedene Wertigkeit fiir die Sehsch~irfe haben. Um den letzteren Fehler mSglichst auszuschalten, wiihlte ich vielfach zum Erkennen- lassen im fovealen und im pseudofovealen Bereieh denselben Buehstaben, aber in verschiedenen WOrtern, an derselben Stelle dieser Wfrter, meist an ihrem Anfang. Die Snellenschen Optotypi lassen in dieser I-Iinsicht ja reiche Varia- tionsmSgtichkeiten zu. ])arch eingeschaltete Versuche, in denen verschiedene

1) Die gewShnliche klinische Methode wurde dabei auch auf das ,,periphere" Sehen mit der Pseudofovea angewendet.

1 7 0 W. Fuchs :

Buchstaben gew~hlt wurden, ferner durch regel!osen Wechsel im Erkennenlassen bald mit dem fovealen, bald mit dem pseudofovealen Bereich wurde die Unwissent- lichkeit des Pat. nach MSglichkeit zu bewahren gesucht.

Ein weiterer Fehler kam damit herein, dab sich hier seitlicho Augenbewegungen nut schwer vermeiden lassenl). Sie zwingen sich dem Pat. bei Beobachtung mit der (weniger funktionstiichtigen) Fovea auf. Wenn er mit ihr einen Buchstaben bereits undeuflich sieht, so bringt er ihn durch eine kleine Augenbewegung auf die (der GrSBe des Buchstabens entsprechende) periphere Stelle des deutlichsten Sehens in ~hnlicher Weise, wie der Normale ein undeutlich gesehenes peripheres Objekt durch Augenbewegungen auf die (bei ihm ]oveale) Stelle des deu$1ichsten Sehens bringt. Derartige Augenbewegungen dr~ngen sich dem Pat. in derselben reflexartigen Weise auf wie dem Normalen. Auf diese Weise erkennt er den Buch- staben frfiher, als er ihn mit der Fovea allein erkannt hKtte; denn wenn er auch nachtr~iglich wieder instruktionsgem~B mit der Fovea beobachtet und den Buch- staben undeutlich sieht, so bleibt doch die Tatsache nicht obne EinfluB, dab er bereits weiB, welcher Buchstabe es ist. Er wird ihn also sehon in grSBerer Ent- fernung als erkannt angeben, als bei streng der Aufgabe gem~Bem Verhalten mSglich gewesen w~re. Der damit hereinkommende Fehler wirkt also im Sinne einer Erhfhung der Zahlenwerte ~fir die Sehsch~rfe in clef Fovem In Riieksich~ darauf diirften wohl die Differenzen zwischen den Sehsch~rfen in der Pseudo- fovea und der Fovea gr6Ber sein als die unten in den TabeUen angegebenen, resp. die gr6~eren Differenzen diirften die richtigeren sein.

Zur Sehseh~ffepriifung verwendete ich naeh den orientierenden Vor- versuchen nur Buchs taben y o n D -~ 1,00 bis D ~ 3,00 aus den Snellen- schen , ,Optotypi" . Die groBen Buchstaben (D ~ 6 bis D : 3 6 ) cler Snellenschen Sehsch~rfet~fel lieBen sich for unseren Zweek nicht verwenden. Die ihrer HShe entspreehende Breite war so groB, dab sie, wenn Pa t ien t zum Zwecke der Be t rach tung mit dem fovealen Bereieh etwas rechts an ihnen vorbeisah, schon dem pseudofovealen Bezirk nahekamen oder gar in ihn hineinreichten. Auch fiel es bei grSBeren und dami t breiteren Buchs taben besonders schwer, die Erkennung ohne Bliekbewegung zu vollziehen. Der Bereich des Deutlichkeits- max imums nahm mit waehsender En t fe rnung vom Fixa t ionspunkt nur wenig an Breite zu, sicher nicht proport ional der En t fe rnung (ver- gleiehende Messungen habe ieh nicht ausgeffihrt, sondern reich mi t gelegentlichen ungef~hren Sch~tzungen des Pat ienten begnfigt). Daher kam es, dab ein bes t immter Buchs tabe (etwa ein E), der dem Pat ien ten bei einer Gr6Be yon D ~ 1,00 bis 2,00 in ganzer Ausdehnung deutlieh ersehien und s imultan i iberschaut werden konnte, z. B. bei einer GrSBe yon D = 6,00 u. U. nicht mehr in allen Teflen deutl ich erschien und daher mi t wanderndem Bliek betraehte t werden mul3te. Die Ins t rukt ion , den Buchs taben nu t mi t der Pseudofovea oder nur mi t dem fovealen Bereich zu betrachten, lieB sieh dann nieht s treng durehffihren, nament- lieh nieht die letz~ere.

1) ])er bier angegebene Versuchsfehler kann bei Anwendung tier kUnischen Methode in der gewShnliehen augen~irztlichen Praxis nicht auftreten, da man es hier stets nut mit der Priiiung des fovealen Sehens zu tun hat.

Eine Pseudofovea bei Hemianopikern. 171

Es sei h ier eine kurze Ober- s ich t fiber einige Zah lenwer te de r Sehschtir/e gegeben.

Pseudofovea Fovea Differenz

An einem anderen Tag er- g a b e n 3 aufe inanderfo lgende Ver- suchspaare :

In der Pseudofovea

Nahezu

g

In der Fovea Differenz

T

Man mache einmal selbst den ~ersuch, verschieden groi~e Druckschrift aus ~/2 - - l m Abstand im peripheren Sehen zu lesen. Man wird erstaunt sein, wie schwer es ist, bei strenger Fixation jenseits 3--4 cm Abstand vom Fixationspunkt noch einen Buchstaben deutlich zu erkennen. Fiir unseren Pat. erschienen aber gerade die Buchstaben (bestimmter GrS[3e) in diesem Bereich so deutlich, dal3 er sie dort am besten erkennen konnte.

w 4. Spezielle Untersuehung der Deuflichkeit.

1. D i e ~ n d e r u n g d e r D e u t l i c h k e i t b e i V e r s c h i e b u n g e i n e s O b j e k t e s n a c h a u i ~ e n o d e r n a c h i n n e n .

W i r haben oben gesehen, dal~ das per iphere D e u t l i c h k e i t s m a x i m u m bei k le inen Buchs taben , St r ichen, F igu ren usw. nahe an der ana to- mischen F o v e a liegt, wahrend es (bis zu einer gewissen Grenze) u m so wei te r nach aul~en r i ickt , je grSl~er die ve rwende ten Gegenst~nde werden. Verschiebt 1) m a n einen B u c h s t a b e n aus seiner op t ima len Ste l lung nach aul3en, so wird er zunehmend undeut l i ch und verschwommen. E in kle iner Buchs t abe erschein t so an Stel len, an denen i rgend ein grSl~erer Buchs t abe sein D e u t l i c h k e i t s m a x i m u m hat , bere i ts mehr oder weniger undeut l i ch , oder er wird gar an dieser Stelle n ich t mehr ge- sehen, wenn. er auch mi t dem groi~en o b j e k t i v gleiehe Bre i te seiner S t r iche und gleichen F a r b e n t o n ha t .

Bei der Verschiebung eines Buchstabens usw. nach innen zu tritt eben/alls o/t Verundeutlichung au[, o/t abet Zer/all der Gestalt, mit nut geringer Jinderung der De utlichkeit2). P a t i e n t s ieht dann nur noch

1) Ich habe die Verschiebun~ des Buchstabens nach der Peripherie hin in diesen Versuchen meist so vorgenommen, da[~ der auf Papier gezeichnete oder gedruckte Buchstabe seinen Ort im Raum beibehielt und Pat. nur weiter nach rechts an ihm vorbeiblickte auf Fixationspunkte, die ich ihm aufzeichnete. Der Buchstabe bildete sich so auf peripheren Nctzhautstellen ab, ohne dal~ er bewegt zu werden brauchte. In anderen F~llen fixierte Pat. einen bestimmten Punkt; der Buchstabe wurde, durch einen Karton verdeckt, aus seinem Deutlichkeits- zentrum in die periphere Lage gebracht und dann durch Entfernung des Kartons dera Pat. exponiert. Auch so wurde eine Bewegung des Buchstabens vermieden. - -D ie ~nderungen der Deutlichkeit bei bewegtem Objekt konnte ich his ]etzt

nicht vollst~indig untersuchen. "-) N~iheres dariiber vgl. unten S. 175.

172 W. Fuehs :

Striehe, aber keinen Buehstaben m e h r . Man kann also sagen, dab - - bis zu einer gewissen Grenze - - ]ede Objektgr6fle ihr eigenes Deutlichkeitszentrum hat1).

2. D ie g l e i c h z e i t i g e m a x i m a l e D e u t l i c h k e i t z w e i e r v e r s c h i e - d e n g r o f t e r O b j e k t e , y o n d e n e n j e d e s i n , , s e i n e m " D e u t l i c h -

k e i t s z e n t r u m g e b o t e n w i r d .

Wird bei Festhaltung eines bestimmten Fixationspunktes ein kleiner Buchstabe in seinem Deutlichkeit~zentrum und gleichzeitig weiter peripher ein grofler Buchstabe in dem ibm zugeh&igen Deutlichkeitszentrum ge- boten, so kann Patient beide Buchstaben gleichzeitig deutlich sehen. Jeder erscheint dabei in dem Gebiet maximal deutlich, in dem er auch bei isoliertem Gegebensein sein Deut l ichkei tsopt imum hat. Diese Tat- sache wird uns in den folgenden Versuchen ein wertvolles t tflfsmittel beim Vergleiehen von peripher und mehr zentralw~rts abgebildeten Objekten sein.

Die merkwiirdige Tatsache, dab ein Buchstabe bestimmter Gr51]e nut in einem gewissen Abstand vonder anatomischen Fovea deutlich erscheinen kann, erkl~l~ auch die grofle Schwierigkeit, die unser Pat. beim Zesen hat. Er kann ~lbst relativ kleine W5rter nicht simultan deutlich sehen. Nach seinen eigenen Angaben verf~ihrt er beim Lesen so, dab er das Weft in seinem Anfang, seiner Mitte und seinem Ende anblickt (d. h. mit dem der betreffenden Buch- stabengrSBe entsprechenden peripheren Deutlichkeitszentrum betraehtet) und sich dann das Wort aus den gelesenen Teflen zusammensetzt, in vielen F~llen es auch aus dem gelesenen Anfang und Ende error, wobei der Bedeutungs- zusammenhang stark unterstiitzend mitwirkt. - - Dieses Verhalten erklar~ aueh die Unfahigkeit des Pat., bei tachistoskopiseher Darbie~ung ein Wort zu lesen (vgl. oben w 2).

3. D a s V e r s a g e n d e r a k t i v e n A u f m e r k s a m k e i t f f i r d i e D e u t l i c h k e i t s e r h S h u n g .

Es wi~re nach den herkSmmlichen Anschauungen fiber die Wi rkung der Aufmerksamkei t zu erwarten, daft s tarke t t in lenkung der will- kfirlichen Aufmerksamkei t (also quasi , ,stfickhafte" Aufmerksamkei t ) einem nicht in seinem Deutl ichkei tszentrum stehenden Buehstaben zu einer hSheren Deutl ichkeit verhilft. Vielfaehe Exper imente mi t sehr versehiedenen Buchstabengr5ften zeigten, daft die alctive Au/- merksamkeit keine merkliche DeutlichkeitserhShung zur Folge hat. Die hohe Deutlichkeit in einem bestimmten Punkte des phdnomenalen (und des somatizchen) Feldes wird bier also allein dutch die Gestaltverh~ltnisse erzwungen.

1) Bei unserem Pat. steht in dem jeweiligen peripheren ])eutliehkeitszentrum nieht nur das ,,bessere", ,,naturhche , sondern auch ,,scharfere Bild, was hin- siehtlich der Ausfiihrungen yon S. 334 des I. Teiles meiner ,,Untersuehnngen..." betont sei.

Eine Pseudofovea bei. Hemianopikern. 173

4~ Dens V e r s a g e n de r p a s s i v e n A u f m e r k s a m k e i t fiir die D e u t - l i c h k e i t s e r h S h u n g .

a) Es lag nun die Frage nahe, ob nicht vielleicht die passive Au/- merksamkeit Erfolg hat. Ein kleiner Buchstabe, der etwa bei 1,5 cm Abstand yon der Fovea sein Deutlichkeitszentrum hat, erscheint z. B. in 3 cm Abstand sehr verschwommen. Nun gibt es aber eine Buchstaben- grSf~e, die gerade an diesem Ort ihr Optimua~ an Deutlichkeit hat. Es wurde nun gepriift, ob night der bei alleinigem Gegebensein in 3 cm Abstand sehr undeutliehe kleine Buchstabe dadureh deutlieh werden kann, daft er unmittelbar neben oder innerhalb des in maximaler Deut- lichkeit erseheinenden grol~en geboten wird, etwa in Stellungen wie in den Abb. 4, 5 u. 6. Das Ergebnis war,. da/3 unter diesen Umst~i~den nur der gro/3e Buchstabe deutlich erscheint, w~ihrend /fir den kleinen keine merlc- fiche Deutlichl~eitserh6hung eintritt. Der gro]Je Buchstabe hat schar[ kon- turierte, gesgttigt schwarze

viele~ Vemuchen wenig- s tens) ob]ektiv gleieh dicken Striche des kleinen Buch- stabens abgeblaflt, nebelha/t

und vemchwommen erschei- .4.55. 4. Abb. 5. Abb. 6. Abb. 7. hen. Die Deutlichl~eit in dem Seh/eldgebiet der gro[3en Gestalt kommt hier also nur in der Gestalt und dutch die Gestalt, nicht abet dutch die Au/merksamkeits- hinlenkung zustande.

Ein ~hnliches Ergebnis hat folgende Variation de, s Versuches. Der kleine Buehstabe wird innerhalb eines als Rahmen wirkenden Rechteckes 1) (Kreises usw.) geboten: Abb. 7. Steht das Rechteck in ,,seilmm" Deutlichkeitszentrum, so erscheint es bei geeigneter (d. i. nieht zu groBer) Breite in allen seinen Teilen tiefschwarz, scharf kontu- riert, deutlich, wi~hrend der kleine, eingesehlossene Buchstabe ver- schleiert und abgeblaBt erseheint und nicht als Buchstabe erkannt wird.

1) I ch babe fiir d iesen Versueh ein s t e h e n d e s ~ e e h t e c k ve rwenden mfissen. Ein liegendes Reehteck kann.vom Pat. bei guter Fixation nicht in allen Tei|en deut- lich erfaBt werden. Ftir eine bestimmte HShe der Figur ist das Gebiet guter Deut- lichkeit immer in der Breite beschr~nkt. Es stellt gleichsam einen Gipfel dar. der in seinem Umfang zwar keine Spitze ist, sondern der eine je naeh den Ge- stalten wechselnde Breite hat, dessen Breite aber auch dureh zwingende Ge- stalten (soweit wenigstens die geringe Zahl meiner Versuche lehrt) nicht fiber eine gewisse Grenze ~hinaus gesteigert werden kann. - Ob nieht dureii taehisto- skopische Darbietung, die ja in bezug auf Erweiterung des Sehfeldes in der Regel bessere Bedingungen bietet als Dauerbetraehtung, sieh ein grSBerer Bereieh maximaler Deutlichkeit erzielen lg{]t, zumal bei Verwendung zwingender Ge- stalten, bedarf noeh der Untersuehung.

17 4 W. Fuehs :

Er hat eben gestaltlich nichts mit dem umgebenden Reehteek zu tun und nimmt daher an seiner Deutliehkeit nieht teil. Es kann sogar vor- kommen, dab Patient yon dem kleinen Buehstaben iiberhaupt nichts sieht. Das ganze Innere des Reehteeks erseheint ihm dann einheitlich gef~rbt, in der Regel gegeniiber der Umgebung etwas vergraut.

Aueh wenn man sine ges~alttiehe Bindung dadureh herzustellen sueht, daB man bis zu dem eingesehlossenen Buchstaben hin die Dia- gonalen zieht und dadurch eine einer Briefriickseite ~hnliehe Figur herzustellen sueht, z. B. wie in Abb. 8, so hat dies ffir den Buchstaben

keine DeutliehkeitserhShung zur Folge. Dies bleibt aueh dann ~ noch der Fall, wenn Patient durch Bliekwanderung die objek- �9 riven Verh~ltnisse festgestellt hat, und wenn ihm die ~hnlich-

keit mit einer Briefriiekseite zum BewuBtsein gekommen ist. Also auch wissen und Residuen haben bier keine Deutlichkeits-

Abb. a erh6hung /i~r den ]deinen Buchstaben zur Folgel). Er ist eben mit dem umgebenden groBen Reehteck nicht in geniigend

rests gestaltliche Bindung zu bringen, und wird daher immer als ein nicht zu diesem gehtiriger Fremdk6rper aufgefai~t.

In diesem Versuch wirkt der kleine Buchstabe oft so auf das BewuBt- sein, dab er in die Gestalt der Diagonalen als Bestandstis derselben eingeht, so dab Pat. sine oder zwei ohne Unterbreehung durch das Recht- eek hindurchziehende, mehr oder weniger seharf konturierte, sehwarze Linien sieht. Innerhalb und durch die Gestalt der Diagonalen er]Shrt dann also der Seh/eldbereich des Buchstabens zwar sine Deutlichkeits- erh6hung; dlese bezieht sich aber nicht au/ seinen Charakter als ,,Buch- staben", d. h. er wird trotz schar/er Konturierung und Pormbestimmtheit seines Reizgebietes nicht als ,,Buchstabe" deutlich, sondern er wird unter vSlliger ~nderung seines Gestaltcharakters zum Bestandteil einer oder beider Diagonalen. Falls er vorher innerhalb des RechtecIces i~berhaupt nicht gesehen wurde, wird er in den Diagonalen und durch sie i~berhaupt erst is die Schwelle gehoben, nicht als Buchstabe, sondern als Bestand- sti~ck der Diagonalen.

b) Wird in den beiden letzten Versuchsanordnungen das Reehteck oder tier groBe Buchstabe mit Bleisti/t, der kleine Buchstabe mit Tints gezeichnet, so kann bei g~wisser Schw~rze der Bleistiftstriehe erreicht werden, dab dem Patientep ihr (objektives) Grau dem (obj.) Sehwarz des kleinen Buehstabens gleich grau erscheint. J a auch, daI~ ihm der kleine Buehstabe schw~rzer erscheint. Trotzdem aber sieht der Patient nur das grofle Objekt schar/ konturiert und /ormbestimmt, wShrend der unmittelbar danebenstehende gleichgrau oder gar schwiirzer erscheinende ]cleine Buchstabe nicht als Buehstabe er]cannt wird, sondern

i) Damit so]l nicht die bekannte Tatsache bestritten werden, daI} unter anderen Bedingungen Residuen sine verdeutliehende Wirkung haben kSnnen.

Eine Pseudofovea bei Hemianopikern. 175

nut als verschwommene schwarze Masse (,,Fleck") ersvheint. Dies bleibt, wie in dem obigen Versuch, aueh dann noch der Fal], wenn Patient weifl, welcher Heine Buchstabe innerhalb des groi~en Buehstabens oder Reehteeks steht. Also auch bier kSnnen Wissen und Residuen keine Deutlichkeitserh6hung zustande bringen.

c) Bietet man umgekehrt wie in a) und b) unmittelbar neben einem kleinen, in seinem Deutlichkeitszentrum stehenden Buchstaben einen gro]en Buchstaben, so nimmt er an der Deutliehkeit des kleinen nicht ohne weiteres teil. Er erscheint vielmehr oft mehr oder weniger verschwommen. Oft aber ist die Verschwommenheit und Undeutliehkeit weniger aus- gepr~gt. ])ann ist aber die groBe Gestalt zerfallen in mehrere kleine Gestalten (meist ,,Striehe"), die sieh nicht zur Gestalt des grol~en Buch- stabens zusammenfiigen. Da diese ,,Striehe" in der gew~thlten Nahe- steUung zur anatomisehen Fovea dem ihrer GrSl~e entsprechenden Deut- liehkeitsoptimum nahekommen oder gar in diesem selbst stehen, so ist durehaus verst~ndlieh, wenn Patient von den zentralw~rts yon ihrem Deutliehkeitsmaximum stehenden grol~en Buchstaben 5fters nur den Zeffall als Gestalt beobachtet, die Deutlichkeit dagegen nur wenlg oder gar nieht ver~ndert sieht.

Bei Betraehtung verschiedener groBer Gest~lten wird bald die Verundeutlichung der Gesamtgestalt, bald der Zerfall in mehr oder weniger deutliche Stiicke im Vordergrund stehen, je naehdem ob die Gestalt sehwer oder leicht zerf~llt.

Da die Aufmerksamkeit bei allen der berichteten Experimente vSllig ver- sagt, da die Deutlichkeit nicht eine Wirkung der Aufmerksamkeit, sondern Mlein dureh die Gestalt bedingt ist, so sind in dieser Arbeit die Ausdriieke ,,Aufmerk- samkeitszentrum", ,,Aufmerksamkeitspostierung", die ich fri~her (,,Unter- suehungen...", Teil I) verwendet habe, vSllig vermieden, um keine MiBver- st~ndnisse aufkommen zu lassen. Ich habe aUerdings damals schon wiederholt darauf bmgewiesen, dab mit dem Gebraueh dieser WSrter nieht eine Zuriick- _~fihrung der betr. Erscheinungen auf den unbekannten Faktor Aufmerksamkeit als prim~re Ursache gemeint sei, sondern daB die betr. Ph~nomene gestaltm~Big bedingt seien, in Stnlktureigenschaften des Sehfeldes beruhten. Der jetzt ver- wendete Ausdruek ,,Deutlichkeitszentrum" ist wohl weniger Milkleutungen aus- gesetzt. - - Das Verh~ltnis yon A~merksamkeit und Gestalt hoffe ich in absehbarer Zeit auf Grund eines umfangreiehen, meinen Untersuchungen an Hirnverletzten und an Normalen entnommenen Tatsachenmaterials einer Kl~rung entgegen- ffihren zu kSnnen.

Die bisherigen Ergebnisse dieses Paragraphen werfen interessante S~reiflichter auf die GrSfle des jeweiligen Seh/ddes, sowie auf die Beziehungen zwischen Seh/dd und Gesichts/eld. Dabei wird allerdings der Begriff des Gesichtsfeldes-- well besser auf die pathologischen F~lle passend (aber auch die normalen Verh~ltnisse umschlieBend) - - nicht im Sinne von Hering ~) definiert, sondern es wird unter G~sichts/e~ das unter den gegebenen objektiven Verhifltnissen maximal, d. i. zwar ohne Blick-, aber

1) Grundziige der Lehre yore Lichtsinn, Heft 3 (1911), S. 211.

176 W. Fuehs :

mit sog. ,,Aufmerksamkeitswanderung" er/aflbare Gebiet des objektiven Raumes im Gegensatz zu dem Seh/eld als dem jeweils tats/~ehlich er/aflten Gebiet verstanden I)

a) Betrachten wir zun/~chst den Fall, dal~ nur ein einziger kleiner Buehstabe gegeben fist, etwa yon D = 1,5, der lant Tabelle auf S. 164 sein Deutlichkeitszentrum in ca. 1,2 cm Abstaod yon der anatomisehen l%vea hat. Bringen wir diesen Bueh- staben weiter nach der 1)eripherie, so nimmt seine Deutlichkeit rasch ab, und sehlieBlich verschwindet er vSllig (trotz st/~rkster ,,Aufmerksamkeitshinlenkung"), und dies-bereits in Gesiehtsfeldgebieten, in denen irgendein grSBerer Buchstabe yon bestimmter H6he sein Deutliehkeitsmaximum hat. _~hnl~ch liegen die Sieht- barkeitsverh~ltnisse peripherwgrts vom Deutliehkeitszentrum, werm wir den kleinen Buehstaben in seinem Deutlichkeitszentrum stehen lassen und nun einen oder mehrere ~ndere Buehstaben derselben objektiven GrSBe weiter peripher bieten. Fiir kleine Buchstaben hat also Patient nut ein kleines Seh/eld. Diesem korrespondiert ein kleines Gesichts/eld, das heiflt, es gibt nut einen kleinen Berei~h des obiektiven Raumes, in dem Patient yon kleinen Buchstaben etwas wahrzunehmen vermag.

b) Nimmt man einen grSfleren Buchstaben, der sein Deutlichkeitszentrum welter peripher hat, etwa in 3 em Abstand yon der anatomisehen Fovea, so zeigt sieh, dab das Sehfeld fiir den der Aufgabe gem~B zu beaehtenden grSBeren Bueh- staben grSl3er ist als das Sehfeld bei Ideinen Buchstaben. Denn ein kleiner Bueh- stabe wird ja unter Umsti~nden im Bereich des gro~en, maximal deutliehen iiber- haupt nicht gesehen. Im iibrigen treten bei Verschiebung nach der Peripherie (links) hin, sowie bei Gegebensein mehrerer groi~er Buehstaben dureh~us ~hnliche Erseheinungen auf wie oben unter a). Ein grofler Buchstabe bedingt demnaeh auch ein grofles Gesam~seh/eld, ein Sehfeld, das naeh der Fovea und nach der Peripherie (nach finks, oben und unten) bin einen grSfleren Bereich umfal3t als das Sehfeld bei Gegebensein kleiner Buchstaben. Dem grSfieren Gesamtseh]eld entsprieht dann auch ein grSfleres Gesichts/eld, das heiflt, es gibt dann einen gr6fleren Bereich des wlrklichen Raumes, in dem Patient yon Bnchstaben der betre[/enden (Minimal-) C-~rSfle etwas wahrzunehmen vermag.

Die Ergebnisse unter a) und b) sind haupts~chlieh bei Verwendung yon Buchstaben gewonnen worden. Sie gelten aber, wie ieh reich wiederholt iiberzeugt habe, aueh fiir andere Figuren, sowie fiir Gegenstdnde. Wir kSnnen daher ganz al~emein sagen, daft ein kleines Objekt eln kleines, ein grofles Ob]ekt ein grofles Ge- samtseh/eld bedingt, zu denen ]e ein entspreehendes Gesichtsfeld geh6rt.

a) Soll das bei kleinem Objekt vorhandene ldeine Sehfeld nnseres Patienten vergrSi~ert werden, so mu8 peripherw~rts yon dem ldeinen Objekt ein grS~eres Objekt sichtbar sein. Ist ein kleines und ein grol3es Objekt gleichzeitig gegeben, etwa, wie in einem oben angegebenen Experiment., jedes in seinem Deutliehkeits- zentrum (was aber fiir die Giiltigkeit der Gesetzm/~i~igkeit nieht nStig ist): so be- zieht'sieh aber, wie die Versuehe von S. 173 zeigten, das groBe Gesamtsehfeld nur auf das groBe Ob]ekt; denn ein Objekt yon geniigender ](leinheit ist ja im ge- gebenen trall im Bereieh des groBen iiberhaupt nicht mehr zu sehen, selbst bei ,,Aufmerksamkeitshinlenkung".

Auf die Wirkung irgendweleher an der Peripherie sichtbar werdender grSBerer Gestalfcn mug wohl auch die Tatsache zuriickgeffihrt werden, dal3 Patient, wenn er bei Gegebensein yon Buchstaben bestimmter GrSfle auf die Frage naeh dem peripherw~s vom Deutlichkeitszentrum tiberschauten Gebiet, genauer dem Ge- bier, in dem er yon den Buchstaben usw. iiberhaupt noch etwas sieht (wenn anch h~)ehst undeutlich), 5fters einen Bereich soleher GrSBe angibt, dab das Deutlieh- keitszentrum nicht mehr in dessen Mitre ]iegt. Es kSnnen in diesen F/~llen als

1) N~heres dartiber in meinen ,,Untersuehungen...", L Teil, S. 316.

Eir~e Pseudofovea bei Hemianopikern. 177

gr613ere Gestalten, die die Erweiterung bedingen, auftreten: der Rand des Papiers oder der Mattscheibe, oder der Rand des hellen Feldes auf der Mattscheibe, inner- halb dessen die Buchstaben exponiert werden, bei Gegebensein sines Wortes aueh Buchstaben mit Ober- odor Unterl~nge, groBer Anfangsbuchstabe. Jedenfalls wirkt in dieser Riehtung auch die Fl~chengestalt des Untergrundes selbst (links vom Deutliehkeitszentrum), d. h. der Eindruck der weiBen Flgche als ,,Flgehe"~ wozu bestimmte und scharfe Umgrenzung nieht nStig ist. In allen F~llen muB also die Aufmerksamkeit, wenn sis hier eine Erweiterung des Sehfeldes herbei. fiihren soil, sin grSBeres Objekt irgendweleher Art vorfinden, das seinerseits diese Erweiterung ers~ rnSglich macht. Genauer: der grgfiere Au/merksamkeitsbsreieh kann srst, wie die welter oben beriehteten Versuche tehrten, durch die grgflere Gestalt gescha]]en wsrden. Im tibrigen bediirfen hier noch viele Fragen einer ngheren Un~ersuehung.

5. Die g e s t a l t m g $ i g e B e d i n g t h e i t d e r D e u t l i e h k e i t .

a) Die bisherigen Versuche zeigten bereits, daf~ die Deutlichkeit erst mit und in der Gestalt vorhanden ist. Dieses Ergebnis soll im folgenden durch weitere Tatsachen gestfitzt und in seiner umfassenden Bedeutung kiargelegt werden. Stellt man sich einen grol3en Buehstaben, etwa ein E, aus Strichen in folgender Weise her (Abb. 9), so grenzen in den Eeken und in der Mitre je zwei Striehe in Form I ~ m ~ u sines ,,Winkels" aneinander. Wenn das grol3e E in | seinem Deutlichkeitszentrum liegt, so erscheinen L L ~ bei Auffassung der Ganzgestalt des E aueh die ,Winke l" formbestimmt, seharf konturier~ und | | | ~iefschwarz. Zeichnet man einen genau gleichen t E , , ~ ,,Winkel" nahe neben eine Ecke des E, z. B. wie ADD. 9. Abb. tO. in Abb. 10, so wird zwar der , ,Winket" in der E-Gestalt deutlich gesehen, der unmittelbar benachbarte isolierte ,,Winkel" aber nicht. Letzterer erscheint fiberhaup~ gar nicht, als ,Winkel" , sondern als verblal3te, verschwommene Massel). Der kleine ,Winlcel" - - ebenso jeder andere Bestandteil des E - - ist also nur dann deutlich, wenn er als konstituierendes Bestandsti~ck der E-Gestalt

au/ge/afit wird. Dieses Ergebnis ffihrt weiterhin zu folgender Konsequenz. Ein

schwarzer senkrechter Strich m6ge so klein sein, dal3 er sein Deutlich- kei tsmaximum in 1 cm Abstand vom (fovealen) Fixat ionspunkt hat. Wird er in 21/~ em Abstand geboten, so erseheint er trotz starker Auf- merksamkeitshinlenkung vollstgndig verblal3t und verschwommen, oder er wird gar i iberhaupt nicht mehr gesehen. Fiigt man nun in dieser

1) Man kann die Versuchsanordnung so gestalten, dab die neben dem E stehende kleine Gestalt als gesondertes Etwas vom Pat . nicht mehr wahrgenommen wird. Sie br ingt dann aber manchmal ihre Einwirkung auf da~ Sensorium da- dureh zur Geltung, dab die Striehe des E selbst in der betr. Gegend etwas dicker ,dad schw~rzer erseheinen.

Psychologisehe Forschung. Bd. 1. 1~

178 W. Fuchs:

Stellung oberhalb und unterhalb von ihm weitere Striehe derselben GrSt~e, Dicke und Farbe hinzu, so dab eine E-Gestal t ents teht (wie oben Abb. 9), und ist nun deren Gr6Be so gew~hlt, dab sie in dem betreffenden Abstand yon der Fovea ,,ihr" Deutl ichkei tszentrum hat, so erscheint die ganze E-Gestal t in allen Teilen deutlich. Pa t ien t erkennt sogar be- s t immt die durch hellere Zwischenri~ume 1} getrennten sehwarzen Striehe des E als scharf konturier te Elemente, darunter also aueh den vorher isoliert gebotenen Strich. Der vorher v61lig verschwommene und ver- blaflte oder gar unslchtbare kleine Strich er/Shrt also dutch die Au/nahme in die E-Gestalt als ein /i~r deren Struktur wesentlicher Bestandteil einen starlcen Deutlichkeitszuwachs 2). Was bei isoliertem Gegebensein des ldeinen Striches die stiirkste Au/merlcsamkeitshinlenkung nicht zustande bringt, ge- lingt mit LelchtigTceit dutch die Gestalt.

Man brauch t nicht gerade einen Buchstaben aus den Striehen herzustellen. Es geniigt sehon die Anfiigung yon zwei oder mehr kleinen

[ Strichen zu einem ,,groflen Strich" (Abb. 11). Bietet man dem Pat ienten einen derart ig hergestellten grol3en Strich in dem

[ seiner GrSfle entsprechenden Deutl ichkeitszentrum, so erscheint [ er in ga~zer Ausdehnung formbest immt, konturenseharf , tief- I sehwarz. Aueh die ihn zusammensetzenden kleinen Striehe teilen

Abb.n. im Rahmen der Ganzgestalt diese Eigenschaften und werden

1) Die hellen Zwischenr~ume zwischen den das E (und den ,,groBen Strich" in dem folgenden Versuch) zusammensetzenden kleinen Strichen erscheinen nut selten in der Farbe des weiBen Untergrundes. Meist sehen sie mehr oder weniger vergraut aus, so dab dadurch der Eindruck in die Richtung einer aus dureh- gehenden Linien hergestellten E.Gestalt tendiert. Die Vergrauung ist geradezu als ein Beweis dafiir anzusehen, dab Pat. die pr~gnan~ Ganzgestalt des E wirk- lieh hat. D~nn nur dann machen sich derartige Farbenorscheinungen geltend. Im Extrem ftihrt diese Vergrauung der Zwiscbenr~ume zu vSllig einheitlich (grau- schwarz) ge~rbten, durchgehenden, nach auBen scharf konturierten Linien der E-Gestalt (yore Pat. wiederholt zu Protokoll gegeben). - - Die Vergrammg der Zwisehenr~ume beruht auf airier gegenseitigen ,,Angleichtmg" der Farben unter dem EinfluB der Gesamtgestalt. N~heres tiber derartige ,,Anderungen yon Farben mater dem EinfluB yon Gestalten" habe ich in einem Vortrag auf dem Psychologen- kongreB zu Marburg 1921 mitgeteflt. Eine ausftihrliche Experimental-Unter- suchung tiber diesen Gegenstand werde ich demn~ichst ver6ffentlichen. - - Zu dem Begriff ,,Angleichung" vgl. unten S. 183.

s) Auf Erscheinungen, die diesen sowie einigen der auf den letzten Seiten beschriebenen Erscheinungen durchaus analog shad, babe ich frtiher schon bei Hemiamblyopikern aufmerksam machen kfnnen. Vgl. ,,Untersuchtmgen tiber das Sehen der Hemianopiker trod Hemiamblyopiker", II. Teil, 1. c.; z. B. den D-Versuch S. 454 ft., ferner die Versuche yon S. 462 bis 466. Vgl. ebenda S. 464 das in diesen Erscheinungen zum Ausdruck kommende neue Gesetz tiber die Reiz- schwelle. Was bei jenen Hemiamblyopikern in der gesch~if/ten Feldhi~lfte oin- trat, tritt bier bei unserem Pat. W. in der erhaltenen Feldh~lite ein. Die in diesen Tatsachen zum Ausdruck kommenden Gesetzm~tfligkeiten gewinnen damit eine allgemeine Gtiltigkeit.

Eine Pseudofovea bei Hemianopikern. 179

als dutch helle Zwischenr~ume getrennte Elemente erkannt. Deckt man nun aber yon dem groflen Strich alle Teilstriche bis au] einen ab, 8o wird dieser eine so]ort undeutlich und versehwommen und schrump/t yon oben nach unten zusammen. Sobald die anderen wieder sichtbar werden, gewinnt er seine [ri~here Deutlichkeit usw. wieder. Also der kleine Strich erscheint auflerhalb seines Deutlichkeitszentrums nut dann deutlich, wenn er in eine gr6flere Geztalt als ein [iir deren Struktur wesentlicher Be. standteil eingeht. Die Deutlichkeit entsteht und vergeht dann mit der Struktur.

b) Nun kann man, wie bekan~t, die Struktur eines Reizkomplexes dadureh ~ndern, dab man unter Beibehaltung der objektiven Reize subjektiv gewisse Gestaltauffassungen vornimmt. Wir machen yon dieser MSglichkeit in unserem vorliegenden Falle Gebraueh. Wir lassen in der letzten Versuehsanordnung s~mtliche Teile des groBen Striehes sichtbar und lassen nun den Patienten nur irgendeinen kleinen Teilstrieh isoliert liar sic]~ heraus/assen. Bei Gelingen dieser Isolierung wird die Gesamtgestalt zerstSrt, Der Effolg ~ is~ dann, wie die Versuche ergaben, genau so wie oben bei Abdeckung der an- deren Tefle des groBen Striehes. Der isoliert herausge/aflte kleine Strich schrump/t yon oben nach unten zusammen 1) und wird undeutlich und verschwommen, trotzdem er ]etzt mit stdrl:zter Au/merksamkeit be. trachtet wird - - wohl der beste Beweis dafiir, daB der beobachtete Deutliehkeitseffekt nicht auf die Aufmerksamkeit zurtiekgeffihrt wet- den kann. Die Undeutlich~it und Verschwommenheit wird um so gr6fler, ]e besser dem Patienten die gestaltliche Isolierung des kleinen Striehes gelingt.

Man kann den Versueh sogar so anstellen - - indem man die groBe Gestalt so welt peripher bietet oder aus so kleinen Striehen herstellt, dab ein isoliert gebotener kleiner Strlch in dem betr. Abstand vom Fixa- t ionspunkt i iberhaupt nicht mehr zu sehen ist - - dab bei dem Versuch

�9 der isolierten Heraus]azsung eines Elementes der ffro/3en, in ihren Deut- liehkeitszentrum stehenden Gestalt das zu isol~ende Element v6llig ver- schwindet, w~hrend der Rest der Gestalt noeh mehr oder weniger versehwommen sichtbar bleibt. Pat ient hat dgnn den (ihm in den ersten Versuchen direkt auffallenden) EindrucIc einer Li~cke in der noeh sichtbar bleibenden Gestalt, einer Lfieke an einer Stelle, an der er bei anderer Gestaltauffassung einen seharf konturierten, tier sehwar-

1) Das Zusammenschrumpfen yon oben nach unten, von dem Pat. hier und in dem vorigen Experiment spricht, ist darauf zuriickzufiihren, dab durch die Isolierung des kleinen Striches dessen gestaltete Bindung mit den Nachbarstrichen verloren geht mad damit die Vergrauung des Abstandsfeides wieder in Wegfall kommt, die vorher unter dem EinfluB der Gesamtgestalt vorhanden war.

12"

180 W. Fuchs :

zen tdeinen S t r ich sieht l) . Die Au/merksamkeit bringt hier also ein /ormbestimmtes, schar/ konturiertes, /arbgesSttigtes Wahrnehmungsgebilde direkt zum v6Uigen Verschwinden, wenn sie au] dieses ,,hingelenkt" wird. Ursa~he: well durch die ,,Au/merksamkeitsbetonung" dieses Gebilde aus der yestaZtlichen Bindung mit der groflen Gestalt ffeliist wird, in der und dutch die aUein seine Deutlichkeit und seine Wirkung au/ das Bewuflt- sein zustande kommt.

!I ! I I Abb. 12. ~ Abb. 18.

+ f):~.

~mdert m a n die be iden le tz ten Versuchsanordnungen so ab, d a b m a n aul~er de r grol~en, in ihrem Deu t l i chke i t s zen t rum s tehenden , S t r i c h f i g u r "

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~ " | +

5 Abb. 14.

einen kle inen senkrech ten Str ich, yon genau derse lben A r t wie die an cler Zusammense t zung der grol~en Ges ta l t be te i l ig ten kle inen St r iehe (Abb. 12--14) , in dem seiner Gr6Be entspre- chenden Deu t l i chke i t szen t rum bie te t , so k a n n Pa t i en t , wie oben schon gezeigt wurde , die groBe und die kleine Ges ta l t zugleich deut l ich sehen, bei r icht iger W a h l de r Schw~rze der St r iehe *)

x) Besonders frappant wirkte die Entstehung einer Lticke auf don Pat. in den ersten Vorsuchen dieser Art, in denen die Herausfassung des kleinen Striehes bei einem groBen E vorgenommen wurde. Die Erseheinung war dem Pat. derart r/~tselhaft, dad er yon selbst immer wieder den Versuch machte, dureh m6glichste Konzentrierung der Aufmerksamkeit auf jenes Gebiet den dort verschwtmdenen schwarzen Strich wieder zu Sehen - - auf diesem Wege natiirlieh ohne Erfolg. Erst als er auf meine Aufforderung hin wieder die ganze E-Gestalt scharf heraus- faBte, tauchte das verschwundene Element wieder auf.

3) Wegen der sehon erwis gegenseitigen Angleichung zwisehen don schwarzen Strichen und ihrcn hellen Zwischenr/iumen erscheint bei objektiv vSllig gleichen Strichen der beiden Gestalten die /iuBere Gestalt leicht etwas blasser, da das Schwarz mit dem Weir] der Zwischenr~ume sich gleichsam ge- mischt hat. Durch Verstiirkung des Sehwarz der grol~en Gestalt oder durch Ab- schw//ehung der Farbe der ldeinen Gestalt lal3t sich abet vfllige Gleiehheit in der Erscheinung erziclen. - - Oft ist aber eine v5llig gleiche Erscheinungsweise der Striehe auch ohne dfrartige Nachhilfe schon vorhanden.

Veri~nderungen, im Extrem bis zum vSlligen Verschwinden. c) Die bisherigen Versuche lehren, da$ die kleinen

S t r iche peripherwi~rts von ihrem Deutlichkeitszentrum nur dann deutlich erscheinen kSnnen, wenn sie in eine grSBere Gestalt als ffir deren Struktur wesentliche Be- standtefle eingehen. Dal~ die gleichzeitige Sichtbarkeit anderer kleiner Striehe an sich nicht die Deutlichkeits-

Eine Pseudofovea bei Hemianopikern. 18I

beide sogar in vSllig gleicher Farbe, Konturenschi~rfe, Deutlichkeit. Werden nun an der grol3en Gestalt in der beschriebenen Weise alle Striche bis auf einen abgedeckt, oder wird dieser eine isoliert ffir sich herausgefal~t, so kann Patient sehr gut die Ver~nderungen des nach einer dieser Methoden isolierten Elementes der grol~en Gestalt durch Simultanvergleich mit dem zentralwi~rts stehenden kleinen Strich feststellen. W~hrend letzterer vSllig unveri~ndert erscheint, erleidet der aus der grol~en Gestalt isolierte Strich d ie sti~rksten

erhShung zu bewirken vermag, wurde schon durch die Abb. 15. Versuche bewiesen, in denen Patient einen einzelnen Strich isoliert fiir sich herausfal3te. Wir kSnnen es aber noch durch einen anderen sehr charakteristischen Versuch beweisem Wir geben an Stelle der aus kleinen Strichen hergestellten, peripher liegenden groBen einheitlichen Gestalt ein regellose8 Gewirr von kleinen Strichen, z. B. wie in Abb. 15.

Als ich den Patienten ein solches Gewirr betrachten liel~ mit der Auf- forderung, so weR daran vorbeizublicken, dal~ es mSglichst deutlich erschien, probierte er lange, ohne dal~ es ihm gelang, einen geeigneten Fixationspunkt zu linden. Ich zeichnete ihm dann darunter ein aus kleinen Strichen derselben Art wie in dem Gewirr be- ~ ~ 1 ~ i $ __ ! stehendes E, das mit dem Gewirr ungefahr gleiche HShe hatte. Hier land Patient sofort den Punkt, yon dem aus das ganze E deutlicherschien. Wieder mit dem / ~ I ~ . ~ i Blick zuriickgehend zu dem Strichgewirr, gab er an (er blickte dabei ungefi~hr 31/2 cm an der ungef~hren Mitre ] / ~ / , _ des Gewirrs vorbei), jetzt s~he er mehrere Striche in der Mitte deutlich. Auf die Frage, welche es seien, gab er AbD. 16. die Antwort, es seien die drei Striche, die eine Art ,,Bogen" bildeten. (Er zeichnete dabei mit dem Bleistift die Bogen. gestalt in der Form eines S auf-das Papier.) Es waren die in Abb.15 mit den Ziffern 1, 2, 3 versehenen und durch die feine Strichelung verbundenen Strichel). Alle anderen Striche des Gewirrs erchienen versehwommen und undeutlich. Also auch hier ist die Deutlichkeit eine Eigensohaft, die erst mit und in der Gestalt entsteht.

~) Die Ziffern und die feine Strichelung fehlten natiirlich in der dem Pa~. exponierten Anordnung. Dasselbe gilt fiir die feingestrichele.e Ellipse in Abb. 16.

182 W. Fuchs :

Bei einem anderen Striehgewirr (Abb. 16) ersehienen dam Patienten diejenigen Striche deutlich, die sieh zu einer Art Ellipse zusammen- schlossen. Alles was innerhalb und aul~erhalb der Ellipse lag, ersehien vSllig verblaBt und verschwommen.

Bei einer naeh kurzer Pause wieder vorgenommenen Betraehtung derselben Anordnung yon demselben Fixat ionspunkt aus ersehienen yon der frtiheren Ellipse nut die linke und die untere Seite deutlich, offenbar wail sie zusammen als ,,Bogen" effafSt wurden.

Der Versueh, das Gewirr als solehes und als Ganzes aufzufassen, gelang im weiteren Verlauf der Versuche meist nur sehwer. Es ordneten sich vielmehr fast immer gewisse Striche zu irgendeiner Gestalt, die dann allein deutlieh ersehien.

Bot man nach Art der oben S. 180 beschriebenen Versuche das Strichgewirr l~,,ripher und gleichzeitig einen Einzelstrich von genau demelben Art wie in dem Strichgewirr welter zentra|w/~rts, in seinem Deutlichkeitszentrum (Abb. 17), so liell sich leicht erreichen, dab die aus einem Tell des Gewirrs sieh jeweils Icon-

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Abb. 17,

+ ,'i)t.

stituierende Gestalt dem Einzelstrioh in Konturensch~rfe, Deutlichkeit und Schw/irze vSllig gleich crschien, wi~l~'end Mle anderen, objektiv vSllig gleichen Striche des GBwirrs vSllig undeutlich und verblaBt erschienen.

Pat ient kann zwar das Strich- gewirr nicht als Ganzes deutlich erhalto;n. Irgendwie als Ganzes, wenn auch nur in einem niederen

Pri~gnanzgrade, mul~ aber doch das Gewirr in den F~llen wirken, in denen sieh noeh keine deutliehe Gestalt herausgebfldet hat. Es geht dies aus folgender Tatsaehe hervor. Man kann dem Striehgewirr bei bestimm- tel GrSl3e seiner Elemente einen solehen Abstand vom (fovealen) Fixa- t ionspunkt geben, daft jeder Einzelstrieh bei isolierter Daxbietung trotz sti~rkster Aufmerksamkeitshinlenkung nicht wahrgenommen wird. Bei Hinzufiigung der anderen Striehe derselben Art werden nun aber alle iiberschwelligl), wenn auch nur als diffuse, abgeblal3te Massen. Der Ganz- gestalteharakter des Gewirrs t r i t t dabei in der Weise in Erscheinung, daft der Untergrund zwisehen den Striehen vergraut erscheint in i~hnlicher Weise wie oben S. 177 bei dem aus kleinen Striehen zusammengesetzten E oder dem in gleieher Weise hergestellten gro6en Strich. - - Erst wenn aus einem Tefl des Gewirrs sieh eine pri~gnante GestaIt herausbildet, kommt es zu grSl~erer Formbest immthei t , Konturenschi~rfe und Deut-

1) Eine /~hnliche ,,gegenseitigc Verstgrkung yon Farbeneindriickcn'~, wie sie hier auftritt, ist in der Physiologie als E u ge n Fi c k sches Plinzip schon'lis hekannt (Pfliigers Archly f. d. ges. Physiol. 17 und 39). Jedenfalls wirken bei diesem aueh (4cstaltprozesse irgendweh'hcr A,'t mit.

Eine Pseudofovea bei Hemianopikern. 183

l i chke i t und d a m i t e rh6h te r W i r k u n g auf das BewuBtsein ( , ,Eindringl ich- k e i t " ? ) . Man k a n n also bei e iner de ra r t i gen S t r i c h k o m b i n a t i o n alle m6gl ichen Ube rgsngs s tu f en beobach t en yon vSlliger Unte rschwel l igke i t bis zur h6chs ten Deut l ichke i t .

W i r k o m m e n also zu d e m Ergebnis: Bei einem Strichgewirr er- 8cheinen nur die diejenigen Elemente /ormbestimmt, konturenschar/, /arb- ge85ttigt, kurz: deutlich, die sich zu einer prdgnanten Gestalt ordnen.

Beziiglich der bei dem Striehgewirr auftretenden Vergrauung des Unlergrundes zwischen den schwarzen Strichen sei hier noch folgendes Prinzipielle bemerkt. Ich habe oben S. 178 (Fui~note) in dem /ilmlichen Fall yon ,,Angleichung" gesprochen, im Anschlu• an meine normalpsyehologische Farbenuntersuchtmg. Der Ausdruck ist der herkfmmlichen psychologischen Terminologie entnommem Er pallt auch zweifellos bis zu einem gewissen Grade fiir die yon mir in jener Untersuchung beschriebenen Erscheinungen, indem dort von einer gewissen, sich uns bei unbefangener Betrachtung aufdr/ingenden Erscheinung der Farben aus bei Auffassung der Ganzgestalten die Fakben sich ver/indem im Sinne einer Herab- minderung ihrer Differenz, einer gegenseitigen Angleiehung. FaBt man die Er- scheinungen aber yon einem allgemeinen Gesichtspunkte aus auf, wie ich ihn auf Grund weiteren Beobachtungsmaterials in der Fortsetzung jener Untersuchung verwende, so ist der Name ,,Angleichung" eigentlich nicht richtig. Denn die sog. ,,Angleichung" ist danaeh nichts Sekundi~res, sondern sic ist die primitivste Art unseres Sehens, wie u. a. die Erscheinungen an dem Strichgewirr beweisen. Die Frage dar[ also nicht lauten: wie kommt aus den ,,Emp/indungen" d~r Einzelstriche mit Hil/e der Vergrauung der Zwlschenrliume der Eindruck der einheitliche~t Gesamtgestalt zustande, sondern umgekehrt: wie entsteht aus der di]]usen Erregunq,~masse der Eindruck der prS, gnanten Einzelgestalt? Nfiher wiU ich an dieser Stelle nicht auf diese Dinge eingehen, da meine Ausfiihrungen dem nicht gestalttheoretisch denkenden Leser doch erst nach Kenntnis des um- fangreicheren Tatsachenmaterials jener grSl~eren Untersuchung in ihrer vollen Tragweite klar werden kSnnen.

Es sei ferner noch auf folgenden Problemkreis hingewiesen. Ein kleiner Strich allein wird in geniigendem Abstand vom Fixationspunk~ nicht gesehen. Werden aber in seiner Nachbarschaf*~ andere kleine Striche derselben Art, die also bei isolierter Darbietung auch nicht gesehen werden, in regeUoser Weise an- gebracht, so wird der ganz'e Komplex der Striche sichtbar, wenn auch sehr verschwommen. Ordnet man aber dieselben hinzukommenden Striche zu einer pragnanten Gestalt, z. B. wie oben zu einem E, so werden nur die in dieses eingehenden Striche sichtbar, und zwar nicht blol3 iiberhaupt siehtbar, sondern auch sehr deutlieh, wiihrend der danebenstehende kleine Strieh nach wie vor vStlig tmsichtbar bleibt. (MSglieherweise bleiben auch zwei oder mehrere kleine Striche neben dem E unsichtbar; wie welt man mit der Zahl gehen kann und inwieweit die Anordnung der Striche diese Zahl beeinflullt, bedarf noch der Unter- suehung.) Also derselbe kleine Strich kommt in dem Striehgewirr tiber die Schwelle, neben der aus denselben Strichen aufgebauten E-Gestalt dagegen nieht, offenbar weil er in dem Gewirr irgendwie zur Gesamtgestalt gehSrt, bei dem E aber nieht. Hier bediirfen noeh manche Fragen einer weiteren Untersuchung.

d) E in Teil des S t r ichgewir res k a n n sich zu einer p r~gna n t e n Ge- s t a l t ord.nen, wobei die in diese Ges t a l t e ingehenden S t r iche deu t l i eh und t ier schwarz erscheinen. Es k a n n abe r auch u m g e k e h r t eine fiir

184 W. Fuchs:

gewShnliche Auffassung pr~gnante (am besten etwas komplizierte) Umrififigur, die Patienr sehr wohl als Ganzes deutlich zu sehen ver- mag, unt;er Umstiinden (bei Betrachtung yon demselben ~ixier- punkt aus) in ein Strichgewirr zer/allen, dessen Elemente dann undeutlich und verschwommen erscheinen. Es ereignete sich dies z. B. wiederholt bei einem s~ehenden Rechteck mit eingezeichneten Diagonalen, be- senders wenn Pat. mtide wurde, etwa gegen Ende einer l~ngeren Unter- suchung, oder auch schon zu Beginn der Untersuehung, wenn Pat . sich kSrperlich nicht wohl fiihlte.

e) Aus den Bestandstiicken eines Strichgewirrs kSnnen sieh often- bar sehr verschiedene Gestalten konstituieren, welche d ie fiir Er- reichung maximaler Deutlichkeit in einem best immten Sehfeldgebiet notwendige Gr6~e haben. Von allen diesen mSglichen Gestalten er- scheint abet nur diejenige deutlich, die pragnant als Gestalt effaBt wird. Analoges t r i t t ein, wenn man in demselben Gesichtsfeldbereich gleichzeitig zwei oder mehrere nicht aus getrennten Elementen be- stehende Figuren optimaler GrSBe bietet, wozu schon zwei senkrechte odor (und) schr~ige Linien geniigen. (U. a. war dieser Fall 6fter bei dem schon erw~hnten 1Rechteck mit den Diagonalen verwirklieht, wenn es nicht als Gesamtgestalt aufgefal~t wurde, sondern wenn irgendwelche seiner Bestandstiieke, einzeln, oder zu zwei oder mehreren in neuen Gestalten kombiniert, sich als pr~gnante Gestalten auf- dr~ngten und daher deutlich erschienen.) Es ergibt sich also als neue GesetzmSfligkeit, daft liar die Deutlichkeit in einem Seh/eldgebiet, das einen bestimmten Abstand veto (/ovealen) Fixationspunkt hat, eine be- stimmte Gr6fie des Objektes zwar notwendigr abet nicht hinreichende Be- dingung ist. Denn nicht die Gr6fle allein hat die Deutlichkeitserh6hung zur Folge in dem Sinn, daft nun aueh alles, was an derselben Sehstelle :iie /iir die Erreiehung maximaler Deutlichkeit notwendige Gr6fle hat, nun auch deutlich erscheinen miifite. E8 erscheint vielmehr nur das]enige deutlich, /ormbestimmt, schar/ konturiert, was zur gerade entstehenden prdg~anten Gestalt geh6rt ~). Alles andere erscheint trotz optimaler GrSfle mehr oder weniger verbla/3t und verschwommen.

Mit dieser Gesetzm~il3igkeit braucht an unseren obigen Ausfiihrungen, wonach die Deutlichkeit in einem Sehfeldgebiet, das einen bestimmten Abstand veto Fixationspunkt hat, allein yon der GrSl]e des Objektes abh~ingig sein sollte, niehts ge~inderr mi werden. Wit hatten es dort durchweg mit fest struk- turierten, nut schwer zerfallbaren Gestalten zu tun - - meist Bucbstaben. Solche Gestalten dr~ingen sieh fast stets als Ganzgestalten auf, so dab die obige Gesetz- m~iBigkeit an ihnen gar nieht in Erscheinung r kann.

l) Dieser Sachverhalt im pathologischen Fall stimmt beziiglich der Be- deutung der Gestaltauff~sung zu ~hntichen Feststellungen an Normalen, fiber die Herr Gelb auf dem Psyehologenkongre8 1921 berichtet hat.

Eine Pseudofovea bei Hemianopikern. ]85

Es set zum SchluB dieses Paragraphen noch aul eine interessante Ana~ogie hingewiesen. Ein kleines Objekt muB, um in maximaler Deutlichkeit zu erscheinen, yon unserem Pat, (seitlich) nahe an die anatomische Fovea herangebracht werden, ein groBes Objekt mul~ wetter yon ihr entfernt werden. Die Erscheinungen habon damit eine gewisse ~nlichkeit mit der bekannten, von jedem Normalen geiibten Betrachtungsart yon Objekten: ein kleines Objekt halten wir, um es ,,gut zu sehen", nahe vor das Auge; ein groBes Objekt miissen wir, um einen pr~gnanten Eindruck yon seiner Gesaratgestalt zu bekommen, wetter entfernt yon uns halten. Es be- darf noch der Untersuchung, ob dabei nicht ~hnliche Erscheinungen beziiglich der Deutlichkeit obwalten, wie ich sie in diesem Paragraphen fiir unseren patho- loglschen Fall aufgewiesen habe.

Hauptergebnisse. In einem Fall yon koml)letter homonymer Hemianol)sie nach rechts

mit nieht ausgesl)arter Makula besteht in der erhaltenen Gesichtsfeld- h~lfte eine neue Stelle des deutlichsten Sehens (Pseudofovea). Die Pseudofovea ist an keine bestimmte Netzhautstelle gebunden, sondern ihre Lage wechselt je nach der Gr6i~e des betrachteten Objektes. Mai~- gebend ist dabei nieht die GrSBe des Gesichtswinkels, sondern aUein die SehgrSl~e. Je grSl~er das Objekt is t , desto wetter peril)her (bis zu einer gewissen Grenze) liegt das neue Deutlichkeitszentrum. Bis zu einer gewissen Grenze hat jede Objektgr613e ihr eigenes Deutlichkeitszentrum.

Die jeweilige Pseudofovea hat trotz ihrer peripheren Lage auf der Netzhaut eine bessere Sehsch~rfe als der erhalten gebliebene foveale Bereieh.

Aktive und passive stfickhafte Aufmerksamkeit hat keine merkliche DeutlichkeitserhShung eines nicht in ,,seinem" Deutliehkeitszentrum stehenden Objektes zur Folge. Die Deutlichkeit "ist vielmehr rein ge- staltm~Big bedingt. Ein k]eines Objekt, das peril)her von dem seiner GrSBe entsprechenden Deutliehkeitszentrum geboten wird, erscheint versehwommen und undeutlich, oder es wird iiberhaupt nicht gesehen. Es wird erst deutlich, oder sogar erst siehtbar, wenn es in eine gr61~ere Gestalt als konstituierender Bestandteil derselben aufgenommen wird. Seine Deutlichkeit, im Extremfall seine Sichtbarkeit iiberhaul)t , ent- steht und vergeht mit dieser Gestalt. Daher hat eine isolierte tteraus- hebung des kleinen Objektes als gesonderte Gestalt. keine verdeut- liehende, sondern eine verundeutliehende Wirkung oder ffihrt gar zu seinem vSlligen Versehwinden, weft durch die Isolierung die Gesamt- gestalt verloren geht, in der und dutch die allein seine Deutlichkeit oder gar Siehtbarkeit zustandekommt.

In einem Striehgewirr erscheinen nur diejenigen Striche schaff konturiert, farbges~ttigt, deutlich, die in eine l)r~gnante grSBere Gestalt (die an dem Ort des Strichgewirrs das ihrer Gr6i~e entspreehende Deut- liehkeitszentrum hat) als fiir deren Struktur wesentliche Bestandteile eingehen. Die Deutlichkeit entsteht und vergeht mit der Struktur.

186 W. Fuchs: Eine Pseudofovea bei Itemianopikern.

ZerfMlt daher umgekehrt eine fiir die gew6hnliche Auffassung in allen Teilen deutlich erscheinende pr~gnante Strichfigur fiir die subjektive Auf- fassung in ein Strichgewirr, so tr i t t Verundeutlichung der vorher deut- lichen Striche ein.

Zur Erzielung h6chster Deuflichkeit in einem bestimmten Sehfeld. gebiet (in einem gewissen seitlichen Abstand yore Fixationsp,mkt) ist eine bestimmte (Seh-) Gr6Be des Objektes zwar notwendige, abet nicht hinreichende Bedingung: nicht alles, was die zur Erreichung maximaler Deutlichkeit optimale Gr6fle hat, erscheint deutlich, sondern nut das- jenige, was zu der gerade phanomenalen pr~gnanten Gestalt gehSrt.

Referat. E. Rubin: Synsoplevede Figurer. Studier i psykologisk Analyse.

FSrste Del. XII u. 228 S. Gyldendalske Boghandel, Nordisk Forlag. Kobenhavn og Kristiania 1915.

Mehrdeutige Figuren haben die psychologische Forschung schon viel besch/iftigt. In der Regel war es dabei so, dal] dieselbe objektive Figur in mehreren ganz verschiedenen Gestalten gesehen werden konnte. Man hat dann den Unterschied, den diese verschiedenen Gestalten zueinander be- sitzen, untersucht. Betrachtet man aber eine Zeichnung, wie die neben- stehende, so wird aul]er den Unterschieden der beiden weil~en und schwarzen Figuren, yon denen man freilich die weiBe viel leichter sehen kann als die schwarze, ein anderer Unterschied herausspringen, sobald nur die wissen-

sohaftliche Aufmerksamkeit auf ihn gelenkt ist. Dasselbe objektive Feld n/imlich sieht an.ders aus, je nachdem man die weil~e oder die schwarze Figur sieht. 8ieht man die well]e, so hat das weil]e Feld den ,,Figur"-Charakter, das schwarze nicht, es erscheint lediglich als ,,Grund", auf dem die Figur ruht, dasselbe (objektiv) schwarze Feld verlier~

Abb. 1. diesen ,,Gmnd"-Charakter und erh~ilt den ,,Figur"-Charakter, sobald man die schwarze Figur sieht, der ,,Grund"-Charakter ist dann auf das weil]e Feld iibergegangen. So entsteht ganz allgemein die Aufgabe, den psychologischen Unterschied yon Figur und Grand herauszuarbeiten, der ein grol]er Teil des Buches yon Rubin gewidmet ist. Rubin erkennt mit aller Klarheit, dab es sich hier um einen fundamentalen Unterschied in tier Natur der Gegebenheiten selbst handelt, w~ihrend man bisher meist diesen Unter-