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This article was downloaded by: [McGill University Library] On: 04 November 2014, At: 20:33 Publisher: Routledge Informa Ltd Registered in England and Wales Registered Number: 1072954 Registered office: Mortimer House, 37-41 Mortimer Street, London W1T 3JH, UK Studia Neophilologica Publication details, including instructions for authors and subscription information: http://www.tandfonline.com/loi/snec20 Eine schwache Hypothese vom schwachen Präteritum Gunnar Bech a a Kbenhavn Published online: 21 Jul 2008. To cite this article: Gunnar Bech (1972) Eine schwache Hypothese vom schwachen Präteritum, Studia Neophilologica, 44:1, 142-150, DOI: 10.1080/00393277208587525 To link to this article: http://dx.doi.org/10.1080/00393277208587525 PLEASE SCROLL DOWN FOR ARTICLE Taylor & Francis makes every effort to ensure the accuracy of all the information (the “Content”) contained in the publications on our platform. However, Taylor & Francis, our agents, and our licensors make no representations or warranties whatsoever as to the accuracy, completeness, or suitability for any purpose of the Content. Any opinions and views expressed in this publication are the opinions and views of the authors, and are not the views of or endorsed by Taylor & Francis. The accuracy of the Content should not be relied upon and should be independently verified with primary sources of information. Taylor and Francis shall not be liable for any losses, actions, claims, proceedings, demands, costs, expenses, damages, and other liabilities whatsoever or howsoever caused arising directly or indirectly in connection with, in relation to or arising out of the use of the Content.

Eine schwache Hypothese vom schwachen Präteritum

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Studia NeophilologicaPublication details, including instructionsfor authors and subscription information:http://www.tandfonline.com/loi/snec20

Eine schwache Hypothesevom schwachenPräteritumGunnar Bech aa K⊘benhavnPublished online: 21 Jul 2008.

To cite this article: Gunnar Bech (1972) Eine schwache Hypothesevom schwachen Präteritum, Studia Neophilologica, 44:1, 142-150, DOI:10.1080/00393277208587525

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Eine schwache Hypothese vom schwachenPräteritum

Eine vermißte „konkrete Erörterung"

1. L. L. Hammerich veröffentlichte 1921 einen Versuch, das alteProblem der Entstehung des germ, schwachen Prät. zu lösen1. Als dernorwegische Germanist J. Sverdrup in seiner großen Abhandlung überdasselbe Thema2 die früheren Theorien einer kritischen Wertungunterzog, schrieb er über diejenige L. L. H.s u. a. folgendes: „Lassennun sowohl Collitz als Brugmann der Phantasie ziemlich freien Lauf, danngeht sie bei L. L. Hammerich geradezu durch ... Die ganze Theoriefindet überhaupt keine Anknüpfung an das germanische Sprachmaterialund streitet gegen das germanische System; sie bezeichnet nur eineRückkehr zu den wilden Phantasien zur Zeit Bopps3."

Durch dieses scharfe und leider gerechte Urteil wurde L. L. H. jedochkeineswegs veranlaßt, seine Ideen fallen zu lassen, sondern er hat daranhartnäckig festgehalten und sie immer wieder (in leicht veränderterGestalt) wiederholt.

Die heutige Fassung der Hypothese geht vor allem aus drei Abhand-lungen hervor, für welche wir die folgenden Abkürzungen verwendenwollen:

Erkl.=° Die Grundlage der Erklärung des germanischen schwachenPräteritums, in: Bulletin du Cercle Linguistique de Copenhague, VI(1941), S. 24-40.

Opt. = L'optatif du prétérit faible, in: Mélanges de linguistique et defilologie, Fernand Mossé in memoriam (1959), S. 197-203.

Neues. = Neues vom schwachen Präteritum — und altes, in: Zeitschriftfür deutsche Sprache, 20, 3 (1964), S. 129-140.

1 Arkiv för nordisk filologi, 38, S. 21-50.2 Das germanische Dentalpräteritum, NTS. 2, S. 5-96.3 a. a. O. S. 16.

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2. Die Hypothese, die in diesen Aufsätzen vorgelegt wird, geht inKürze darauf hinaus, daß das schwache Prät. aus einer vorgerm. Peri-phrase entstand, die ein Nomen agentis auf ie. -ton, -ten + ein damitenklitisch verbundenes Präs. der Kopula ie. *es- 'sein' umfaßte. DieKopula fehlte jedoch in der i. Sg. Ind. und in der 3. Ind. aller Numeri.

Nach der Hypothese war ein auf ie. -to, -të ausgehender Nom. Sg,des Nomen agentis in der Periphrase verallgemeinert worden, so daßer in allen Formen des schwachen Prät. vorlag außer in der kopulalosen3. PL, in der ein Nom. PL (oder Du., siehe unten) vorausgesetzt wird.Im Suffix des Nomen agentis wird ein (regelloses) Wechseln von e- undo-Vokalismus angenommen, z. B. germ. *kunpë<ie. -të : germ. *kunpö<ie. -to.

In der Kopula entsteht germ. s<ie. s, und dieser Konsonant wirdnun entweder (im Nordisch-Westgerm.) durch Assimilation beseitigtoder (im Gotischen) durch Differentiation (vor m, w, j) zu ö. Also z. B.

1. Sg. an. kunna, ahd. konda<germ. *kunpö<ie. -to,2. Sg. got. kunpës, an. kunnir<germ. *kunpëz<ie. -te-si, ahd. kondös

<germ. *kunpös<ie. -tö-si,3. Sg. zn.kunni<germ.*kunpë<ie.-të,ahd.konda<germ.*kunp5<ie.

-to,

i. Du. got. kunpëdu<germ. *kunpézwz<ie. -të-swes,1. PL got. kunpëdum <germ. *kunpëzmz <ie. -të-smes, alem. chondôm

<germ. *kunpözmz<ie. -tö-smes,3. PL alem. chondön<germ. *kunpô~n<ie. -tond, -e,Opt. got. kunpëdei-, an. kynni-, ahd. kondï- < germ. *kunpêzjï-.Andere Formen (des Ind.) werden als Ergebnis analogischer Ent-

wicklung aufgefaßt1.

3. 1963 erschien meine eigene Theorie vom germ. Dentalpräteritum2.Auf die älteren Behandlungen des Themas ging ich bei der Gelegenheitnur ganz kurz ein.

Über eine Gruppe von Vorschlägen, welche u. a. denjenigen L. L. H.sumfaßt, sprach ich das Urteil aus, daß sie „allzu weitläufige Konstruk-tionen zu Hilfe gezogen" haben3. Was das in Einzelheiten heißt,

1 Neues. S. 139. Wegen der Rekonstruktionen siehe insb. Erkl. S. 37, Opt.S. 202.

2 Die Entstehung des schwachen Präteritums. Det Kgl. Danske VidenskabernesSelskabs Historisk-filosofiske Meddelelser 40.4 (København, 1963).

3 a. a. O. S. 40.

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unterließ ich zu demonstrieren, u. zw. teils deswegen, weil ich ungernjemand an den Pranger stelle, solange er mich selber in Ruhe läßt, teilsweil es ja letzten Endes wenig Sinn hat, die Unhaltbarkeit von „wildenPhantasien" eingehend nachzuweisen, denen die Wissenschaft über-haupt kein Interesse entgegengebracht hat, weil ihre Unverwendbarkeitjedem Sachverständigen ohne weiteres einleuchten muß.

Diese Rückhaltung hat aber L. L. H. gar nicht gefallen.

4. In der Taylor Starck Festschrift1 legte er unter dem Titel Eineneue Hypothese vom schwachen Präteritum dem internationalen ger-manistischen Forum ein Zerrbild meiner Theorie vor und polemisierteenergisch dagegen, d. h. im großen und ganzen gegen mir zugeschobeneabsonderliche Gedanken, die ich niemals geäußert habe und die zudenken ich einfach außerstande wäre. Ich möchte darauf nur mit einemHinweis auf meine oben (§ 3) erwähnte Abhandlung erwidern; dortstehen die Gedanken zu lesen, die ich mir tatsächlich über das schwachePrät. gemacht habe. Sie zu wiederholen, hat ja keinen Zweck; daß sieschon in der ursprünglichen Fassung hinlänglich klar und verständlichausgedrückt sind, geht u. a. aus der Besprechung Wolfgang Meidshervor2.

Dagegen möchte ich auf einen Vorwurf reagieren, der mir in demgenannten Festschriftartikel gemacht wird. Es heißt nämlich dort3, daß„man wohl konkret erörtern müßte", was „weitläufige Konstruktionen"heißen. Das muß wohl als eine Aufforderung zu verstehen sein, und ichwerde darum in den folgenden Paragraphen das Versäumte im FalleL. L. H.s nachzuholen versuchen.

5. Wir wenden uns zunächst dem vorausgesetzten Nomen agentis zu.Damit ein solches Nomen als urspr. erster Bestandteil des schwachen

Prät. angenommen werde, müssen natürlich zwei Bedingungen erfülltsein:

i° Es muß nicht nur gemeingerm., sondern auch in außergerm. ie.Sprachen nachweisbar sein; denn das schwache Prät. ist ja eine gemein-

1 (Haag, 1964) S. 12-18.2 IF. 70.2, S. 226-28. „Der vorliegende Versuch ist", nach W. M. (a. a. O.

S. 227), „vielleicht das Ei des Columbus in der langen Kette der Bemühungenum die Erklärung des germ, schwachen Präteritums." So schreibt ein Linguist,der von seinem Fach etwas versteht, von der „neuen Hypothese".

3 a. a. O. S. 13.

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germ. Erscheinung, und die Periphrase mit dem Nomen agentis istja nach L. L. H. ein vorgerm. Gebilde.

20 Die vorausgesetzten Nomina müssen selbstverständlich, abgesehenvon den nachdentalen Endungen, mit entsprechenden schwachen Präteritalautlich identisch sein.

Keine dieser Voraussetzungen ist auch nur im geringsten Maßeerfüllt.

6. Das herangezogene deverbative Nomen ist keineswegs gemeinger-manisch, geschweige denn außerhalb des Germ, bezeugt. Es werdendafür insgesamt acht (!) ahd. Belege vorgelegt, nur einer ist außerdemas. Sie lassen sich in zwei Gruppen einteilen: Io ahd. slahto 'Mörder',ahd. walto, as. waldo 'gubernans', ahd. -warto in ëwarto 'Wahrer desRechts, Priester', 2° ahd. brunnido 'odor ignis', ahd. fülido nicht über-setzt, ahd. holodo 'foramen', ahd. irrido 'Irrtum', ahd. stechedo 'Stechen,pleuritis'1.

Aus den übrigen germ. Sprachen werden keine derartigen Wörterangeführt, aus dem außergerm. Ie. keine! Und die Substantive derzweiten Gruppe sind ja keine Nomina agentis (im normalen Sinne).

Um die Erfüllung der ersten Voraussetzung (§ 5, i°) steht es somitäußerst miserabel.

7. Und mit der zweiten (§ 5, 20) verhält es sich womöglich noch übler.Denn wenn von den angeführten Nomina in der vorausgesetzten

Weise schwache Präterita gebildet wären, so müßten sie ja im Ahd. diefolgenden Formen haben: i° *slahta zu ahd. slahan, *walta zu ahd.waltan, *warta zu ahd. werten, 2° *brunnida zu ahd. brinnan, brennen,*fülida zu ahd. fülen, *holoda zu ahd. holán ('höhlen'?), Hrrida zu ahd.irriön, *stecheda zu ahd. stechan.

Solche Präterita gibt es bekanntlich nicht. Und selbst wenn man einenschwer erklärbaren ie. Akzentwechsel annimmt2, um das intervokale-d- zum -t- des Dentalprät. zu verändern, hilft uns das ja nur teilweise.Die semantischen Schwierigkeiten wüßte ich jedenfalls nicht zu über-winden.

8. Während die als Zeugnisse des vorausgesetzten Nomen agentisangeführten acht ahd. Nomina also nicht die lautliche Gestalt haben,

1 Erkl. S. 38, Neues. S. 136.2 vgl. Erkl. S. 38, Neues. S. 136.

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die sie als erster Bestandteil der angenommenen Periphrase habenmüßten, so gibt es im Germ, tatsächlich, u. zw. massenhaft und nichtnur im Ahd. (und As.), sondern überall im Germ., deverbative Nomina,welche die erforderliche lautliche Form einwandfrei aufweisen, die abermerkwürdigerweise von L. L. H. nirgends erwähnt werden.

Denn das finite schwache Prät. ist bekanntlich, abgesehen von denpostdentalen Endungen, mit dem aus dem Ie. ererbten Verbaladj.(Part. Prät.) auf ie. -tos identisch. Und bei schwacher Deklination istdieses Infinitum, was die äußere Form betrifft, genau das Nomen, dasdie Hypothese L. L. H.s erfordert, vgl. z. B.

1. Sg. Ind. Norn. Mask. Sg.

got. hausid-a hausid-aan. heyrö-a heyrö-iae. hierd-e (je) hierd-aahd. hört-a gi-hört-o

Wenn die Theorie durchführbar wäre, müßte das im schwachenPrät. enthaltene Nomen natürlich gerade dieses Infinitum sein — dasaber kein Nomen agentis ist, sondern im allgemeinen ein Nomen pati-entis; das schwache Prät. müßte also, falls es in der Art und Weiseentstanden wäre, wie es sich L. L. H. vorstellt, kein Aktivum sein, wie estatsächlich ist, sondern ein Passivum, got. nasida müßte z. B. 'ich binein Geretteter, ich bin gerettet worden, ich wurde gerettet' bedeuten.

Sehr fragwürdig ist es zwar, ob für die schwache Adj.-Deklinationein so hohes Alter beansprucht werden darf, wie nach einer Hypothesenötig wäre, die die Entstehung des schwachen Prät. weit in die vorgerm.Zeit verlegt.

Sicher dürfte jedoch sein, daß das vorausgesetzte Nomen mit demschwach deklinierten Verbaladj. bzw. Part. Prät. identisch sein müßte.

9. Das dentalhaltige Suffix des angenommenen Nomen agentis er-scheint nach der Hypothese in zwei verschiedenen Ablautsstufen: ie.-ton, Nom. Sg. -to oder ie. -ten, Nom. Sg. -të.

Im An. finden wir z. B. in der 1. Sg. Ind. die o-Stufe: germ. *kunpö~>an. kunna, in der 3. Sg. Ind. die e-Stufe: germ. *kunpë> 2x1. kunni,außerhalb des Sg. hat der Ind. im Nordisch-Westgerm, die o-Stufe,z. B. germ. *kunp5ztnz > alem. chondöm, im Got. aber die e-Stufe: germ.*kunj>ëzmz > got. kunpëdum, der Opt. weist durchweg die c-Stufe auf:

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germ. *kunpëzjï-> nord.-westgerm. *kunpëjjï-> *kunpî-, got. kun-pëdei- (vgl. § 2).

Die Verteilung der beiden Ablautsvarianten entbehrt aber jeglicherannehmbaren Begründung.

10. Die 3. PL Ind. ist nach L. L. H. eine urspr. kopulalose Form, die imAlem. lautgesetzlich erhalten sein sollte, z. B. alem. ckondön<ie. -5n3(N. PL), -one (M./F. Du.). Warum kommt dasselbe alem. -ön dann imNom. PL der «-Deklination nirgends vor? Es heißt ja z. B. bei Notkerzwar chóndón, aber herzen (Nom./Akk. PL).

11. Wenden wir uns nun dem zweiten Bestandteil der Periphrase,der Kopula zu.

In der i. und 3. Sg. Ind. wird keine Kopula vorausgesetzt. Die 2. Sg.Ind. ist aber „die wegweisende Form für unsere ganze Hypothese, denndie Endung -sj-z ist ohne Zweifel eine präsentische Endung"1.

Gemeint kann nur sein, daß im betreffenden germ, -s, -z die Primären-dung ie. -st stecken muß; das geht aus der ganzen Darstellung eindeutighervor, und sonst liefert die 2. Sg. jedenfalls keinen Beweis für dasVorhandensein eines Präs. in der schwachen Prät.-Endung. Daß germ.-s, -z in der 2. Sg. nur ie. -si vertreten könnte, ist jedoch bekanntlicheine gänzlich unhaltbare Behauptung; wenn dem so wäre, müßte z. B.auch die Endung der 2. Sg. Opt. des starken Prät. „ohne Zweifel" einepräsentische, bzw. primäre Endung sein — und das wird wohl niemandim Ernst behaupten wollen.

Das germ, -s, -z der 2. Sg. Ind. des schwachen Prät. kann ja genauso-gut eine Sekundärendung ie. -i sein und braucht somit keineswegs einepräsentische Endung zu vertreten.

12. Außerhalb des Ind. Sg. besteht bekanntlich zwischen dem Nord-und Westgerm, und dem Got. ein bemerkenswerter Unterschied, indemdas got. schwache Prät. in den Endungen eine Silbe -êd- hat, welchedenen der übrigen Dialekte abgeht, vgl. got. hausid-ëd-um : an. heyrâ-utn,ahd. hört-um usw. Dieser Unterschied beruht nach der Hypothesedarauf, daß sich das germ. z<it. s des enklitischen *es- 'sein' in denbeiden Sprachgebieten verschieden entwickelt hat: es ist im Nordisch-Westgerm. durch Assimilation beseitigt worden, im Got. durch Diffe-rentiation zu 5 (got. d) geworden (vgl. § 2).

1 Neues. S. 137.

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Was nun zunächst das Nord- und Westgerm, betrifft, so dürfte esm. E. einfacher sein, anzunehmen, daß die Endungen des schwachenPrät. nie ein germ, z (<ie. s) enthalten haben, als daß in denselben einsolcher Kons., für dessen vorliterarisches Vorhandensein die betreffendenDialekte auch nicht das geringste Zeugnis liefern, durch Assimilationgeschwunden wäre.

Es bleibt also nur das Got. zu erörtern.

13. Das got. d der Silbe -ëd-, das nun als einziger Beweis für dasvorlit. Vorhandensein einer Kopula in den schwachen Prät.-Endungenübrigbleibt, entsteht wie gesagt nach der Hypothese aus germ. z<ie. s.und zwar durch die folgenden Differentiationen:

ztn>dm in der 1. PL Ind.,zw>öw in der 1. Du. Ind. undzj> öj im Opt. (vgl. § 9),

siehe die oben (§ 2) angeführten Beispiele.Dazu ist eigentlich nur eines zu sagen: Es ist im Got. kein einziger

weiterer Fall eines solchen Lautübergangs aufzutreiben — und über-haupt kein einziges Beispiel einer Entwicklung von germ. z>got. d.Die Annahme einer solchen Entwicklung des germ, z wird m. a. W.durch keine Tatsachen im got. Sprachmaterial unterstützt.

Mit den angeführten „Parallelen" ist nichts anzufangen. Wie verträgtsich z. B. der Fall got. izwar, an. yÖvarr <germ. *izwaraz mit derAnnahme, daß (im schwachen Prät.) vor w germ. z>got. d wird, imNord, aber schwindet? Und wie läßt sich der akzentuelle Unterschiedzwischen got. ubizwa 'Halle' und *kunpëzw>got. kunpëdu (1. Du.)feststellen, der die verschiedene Entwicklung von germ, -zw- in denbeiden Fällen verursacht haben sollte?1.

14. Im Opt. des Dentalprät. wird als Kopula germ. *zji- angesetztund die Entwicklung germ. *AKrt^e.z/z->nord.-westgerm. *kunpëjjï->*kunpî-, bzw. *kunpëdjï>got. kunpëdei- angenommen. Dazu ist zweierleizu bemerken:

i° Der Opt. Präs. germ. *sji-, *zß- ist eine rein theoretisch erdachte„Mischform"2, die weder durch überlieferte germ. Formen des Verbumsie. *es- noch durch außergerm. Tatsachen wahrscheinlich gemacht wird,und

1 Erkl. S. 33, Neues. S. 135.2 Opt. S. 199, 202 (passim), Neues. S. 134.

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2° die vorausgesetzten weiteren Entwicklungen der Lautgruppe *ëzjï-sind (außer nach L. L. H. im schwachen Prät.) nirgends bezeugt.

15. Als Beweis des urspr. germ. *-ëzjî im Opt. wird „jenes überlange-it (-)" angeführt, „das die Schreiber der alem. ahd. Texte und derIsidor-Übersetzung getreulich durch ii (auch im Auslaut) bezeichnen:suahtii, kondii" und „l'accent circonflexe chez Notker"1.

Daß Doppelschreibung und Zirkumflex Länge des Vokals bezeichnen,ist ja nichts Neues, die Einsicht aber, daß der betreffende Vokal sogarüberlang gewesen ist, dürfte denen vorbehalten sein, die im voraus andas *-ëzjï glauben, das es nie gegeben hat.

16. In ganz entscheidenden Punkten ist übrigens auch die Chronologienicht gerade in der besten Ordnung. Nach L. L. H. wird ja z. B. in der 1.Pl. Ind. des schwachen Prät. das vorausgesetzte -zmz<ie. -smes entweder(im Nord- und Westgerm.) durch Assimilation zu -m, z. B. *kunpözmz>alem. chondöm, oder (im Got.) durch Differentiation zu -dm >got. -dum,z. B. *kunpëzmz>got. kunpëdum (vgl. § 2).

Nun ist aber in der 1. Pl. Ind. des starken Prät. ohne jeden Zweifelschon urgerm. -um<-rçi<ie. -me entstanden, z.B. ie. *(bhe)bhidme>germ. *bitum > got. an. bitutn, ahd. bizzum, und im vorausgesetzten ie.-smes der i. Pl. Ind. des schwachen Prät. hätte natürlich zur gleichenZeit dieselbe Vokalisation eintreten müssen: es wäre also schon urgerm.-zumz< ie. -smes entstanden, z. B. *kunpëzumz, bzw. *kunpözumz. Dasinnere germ, z (<ie. s) wäre somit bereits im ältesten Germ, in inter-vokale Stellung geraten und hätte folglich im Got. z bleiben, im Nord-und Westgerm, r ergeben müssen: got. *kunpëzum, ahd. *kundörum.

Um die Idee von der dialektisch variierenden Entwicklung auf-rechtzuerhalten, müßte man m. a. W. diese Spaltung in die Zeit vorder Entstehung von urgerm. um<rp. verlegen, und das dürfte in der Tatein wenig ratsames Wagestück sein.

Und ganz ähnliche Bedenken erregt die 1. Du. Ind., wo got. -du<it.-swes hergeleitet wird.

17. Unter weitläufigen Konstruktionen verstehe ich also u. a.i° die Ansetzung einer Nomen agentis-Formation, die es im gesamten

Ie. kaum je gegeben hat und deren Existenz jedenfalls nicht erwiesen ist(§§ 5 ff-).

1 Opt. S. 202, Neues. S. 138.

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2° die Annahme nicht motivierter Ablautsalternationen in dessenSuffix (§ 9),

30 die Annahme einer Endung des Pl. (und Du.) Nom. (alem.) -onbei diesem Nomen, welche im PI. Nom. der «-Stämme sonst nichtbezeugt ist (§ 10),

40 die Behauptung, daß das auslautende germ, -s, -z der 2. Sg. Ind.des schwachen Prät. eine präsentische Endung sein müsse (§ 11),

50 die Annahme eines germ. Präs. Opt.-Paradigmas des Verbumsie. *es-, das nur der Hypothese vom schwachen Prät. zuliebe erdachtwird und in der germ, (und sonstigen ie.) Morphologie dieses Verbskeinerlei Basis hat (§ 14),

6° die Ansetzung eines vorlit. z in den Ind. PL- und Opt.-Endun-gen des nordisch-westgerm. Dentalprät, von dem in diesen Sprachenüberhaupt keine Spuren zu beobachten sind (§ 12),

70 die Annahme einer Entwicklung desselben nicht nachweisbarengerm. s>got. d im schwachen Prät., welche im Got. sonst nirgendsstattfindet (§ 13),

8° die Annahme einer außergot. Entwicklung von germ. ëzji>ëjji>(alem.) ü, die sich sonst nirgendwo im betreffenden sprachlichen Materialnachweisen läßt (§§ 14 f.) und

90 die Vorstellung von mundartlich variierenden Entwicklungen desgerm, z vor (ie.) m (zm>öm od. (m)m), bevor dieses m urgerm. vokalisiertworden und weiter zu um geworden ist (§ 16).

18. Es wäre noch manches mehr zu beanstanden; mir genügt jedochdas oben Hervorgehobene, um die Hypothese L. L. Hammerichs ohneZögern und mit aller Entschiedenheit von der Hand zu weisen. Wederfür das Nomen agentis als erste Komponente des schwachen Prät. nochfür das Präs. von *es- als zweite ist auch nur der Schatten eines Beweisesgeführt. Sowohl auf morphologischem als auf phonetischem Gebieteerleben wir die überraschendsten Zauberkünste: Sonst unbekanntemorphologische Formationen stellen sich da ein, wo sie zur Durchfüh-rung der Theorie erwünscht sind, und sonst unbekannte phonetischeEntwicklungen treten gerade dort ein, wo sie eintreten müssen, damit dasschwache Prät. aus der angesetzten Periphrase entstehen könne. Durchein solches Verfahren kann ja alles — das heißt: gar nichts! — erklärtwerden.

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