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Einf¨ uhrung in die Plasmaphysik Felix Spanier 2. Juli 2008

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Einfuhrung in die Plasmaphysik

Felix Spanier

2. Juli 2008

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort 5

0 Literaturhinweise 7

1 Was ist Plasma? 91.1 Wo gibt es Plasma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91.2 Definition eines Plasmas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

1.2.1 Exkurs: Temperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101.2.2 Debye-Abschirmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111.2.3 Plasmaparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121.2.4 Kriterien fur Plasmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

1.3 Verschiedene Plasmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131.3.1 Gasentladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131.3.2 Leuchtstoffrohre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141.3.3 Kernfusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141.3.4 Weltraumphysik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141.3.5 Astrophysik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141.3.6 Technische Niedertemperaturplasmen . . . . . . . . . . . . . . . . 15

2 Einzelteilchen 172.1 Gleichformiges E- und B-Feld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

2.1.1 E=0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172.1.2 Endliches E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182.1.3 Gravitationsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

2.2 Ungleichformiges B-Feld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192.2.1 Grad-B-Drift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192.2.2 Krummungsdrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202.2.3 Magnetische Spiegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

2.3 Ungleichformiges E-Feld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242.4 Zeitlich variierendes E-Feld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252.5 Zeitlich variierendes B-Feld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262.6 Adiabatische Invarianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

2.6.1 Das magnetische Moment µ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272.6.2 Die longitudinale Invariante J . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272.6.3 Der magnetische Fluß Φ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

3 Fluidbeschreibung 29

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Inhaltsverzeichnis

3.1 Elektromagnetische Beschreibung von Plasmen . . . . . . . . . . . . . . . 293.1.1 Klassische Beschreibung von Dielektrika . . . . . . . . . . . . . . . 303.1.2 Die dielektrische Konstante eins Plasmas . . . . . . . . . . . . . . 30

3.2 Fluidgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313.2.1 Die konvektive Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313.2.2 Der Stresstensor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323.2.3 Kontinuitatsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343.2.4 Zustandsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343.2.5 Vollstandiger Gleichungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

3.3 Fluiddrift senkrecht zum Magnetfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353.4 Fluiddriften parallel zum Magnetfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

4 Wellen in Plasmen 394.1 Plasmaoszillationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394.2 Elektronen Plasmawellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404.3 Schallwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414.4 Ionen-Schallwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424.5 Elektrostatische Oszillationen senkrecht zum Magnetfeld . . . . . . . . . . 444.6 Elektrostatische Ionenwelllen senkrecht zu B . . . . . . . . . . . . . . . . . 454.7 Elektromagnetische Wellen ohne Hintergrundmagnetfeld . . . . . . . . . . 464.8 Elektromagnetische Wellen senkrecht zum Hintergrundfeld . . . . . . . . . 47

4.8.1 Ordinary Wave . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474.8.2 Extraordinary Wave . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

4.9 Cut-Off und Resonanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494.10 Elektromagnetische Wellen parallel zum Hintergrundfeld . . . . . . . . . . 494.11 Fluidansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

4.11.1 Dispersionsrelation im kalten, magnetisierten Plasma . . . . . . . . 524.11.2 Dispersionsrelation im warmen, magnetisierten Plasma . . . . . . . 53

5 Kinetische Theorie 555.1 Hamilton-Beschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555.2 Mikroinstabilitaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

5.2.1 Langwellen-Naherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595.2.2 Landau-Dampfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

5.3 Welle-Teilchen-Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 645.4 Herleitung der MHD-Gleichung aus der Vlasov-Gleichung . . . . . . . . . 67

5.4.1 Momentenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 675.5 Stix-Parameter in der kinetischen Beschreibung . . . . . . . . . . . . . . . 70

6 Instabilitaten 71

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Vorwort

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Vorwort

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0 Literaturhinweise

Dieses Skript orientiert sich vornehmlich anChen, F.: Introduction to Plasma Physics

Außerdem finden sich einige Hinweise aufKrall/Trievelpiece: Fundamentals of Plasma Physics

Lesenswert sind außerdem:Kirk, J.: Astro PlasmaphysicsSchlickeiser, R: Cosmic Ray AstrophysicsBoyd/Sanderson: Fundamental Plasma Physics

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0 Literaturhinweise

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1 Was ist Plasma?

Plasma wird gemeinhin als der vierte Aggregatszustand bezeichnet. Auch wenn dieseBezeichnung eher unphysikalisch ist, zeigt sie dennoch, daß ein Plasma ein anderes Ver-halten aufweist als zum Beispiel ein Gas.

1.1 Wo gibt es Plasma

Wenn man Dunkle Materie und Dunkle Energie außer acht laßt, kann man grob anneh-men, daß fast 99% der gesamten Materie als Plasma vorliegen. Dies liegt im wesentlichendaran, daß Sterne nahezu vollstandig als heiße, ionisierte Materie vorliegen und auch in-terstellare Gasmassen einen hohen Ionisationsgrad aufweisen. Im Alltag begegnen unszwar auch Plasmen, aber unsere Umwelt weist im wesentlichen keine Plasmen auf. Woranliegt das? Schauen wir uns die Saha-Gleichung an:

ninn' 2.4× 1021T

3/2

nie−Ui/kBT (1.1)

Diese Gleichung beschreibt den Ionisationsgrad eines Gases bei der Temperatur T . Dabeiist Ui das Ionisationspotential des Gases. Fur die Werte von Stickstoff bei Raumtempe-ratur (Ui = 14.5 eV) kann man ausrechnen

ninn' 10−122 (1.2)

Man kann also davon ausgehen, daß die Raumluft praktisch nicht ionisiert ist.Was folgt aus der Saha-Gleichung? Hohe Temperaturen fuhren zu einem hohen Ioni-

staionsgrad, da schnelle Teilchen leichter Elektronen entfernen konnen. Naturlich hangtdas vom Ionisierungspotential ab. Allerdings fuhrt eine hohe Dichte von geladenen Teil-chen auch zu einer hoheren Rekombonationsrate.

Plasmen existieren bei einer großen Zahl von verschiedenen Temperaturen und Dichten(Bild 1 zeigen)

1.2 Definition eines Plasmas

Ionisation ist zwar toll, aber bei weitem nicht ausreichend fur die Definition eines Plas-mas. Die weitverbreitete Defininition lautetEin Plasma ist ein quasineutrales Gas aus geladenen und neutralen Teilchen, das einkollektives Verhalten aufweist

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1 Was ist Plasma?

Hier werden in der Definition erst einmal naturlich viele neue Begriffe eingefuhrt, dienoch einer Erklarung bedurfen.

Wenden wir uns zuerst der Quasineutralitat zu. In Gasen wirken auf Atome praktischkeinerlei Krafte. Die Ubertragung von Kraften findet ausschließlich uber Stoße zwischenAtomen statt. Deswegen findet man in Gasen auch keine langreichweitigen Krafte.

In Plasmen findet man hingegen geladenen Teilchen. Diese Teilchen erzeugen posi-tive und negative Ladungskonzentrationen im Plasma, die wiederum elektrische Feldererzeugen konnen. Bewegte Teilchen fuhren weiterhin zu magnetischen Feldern. Die so er-zeugten Felder wirken dann wieder auf die Bewegung der Teilchen. Die wirkenden Kraftefallen zwar mit r−2 ab, aber gleichzeitig nimmt die Masse des wirkenden Plasmas zu.Fur einen gegebenen Raumwinkel sogar mit r3.

Die langreichweitigen Coulomb-Krafte eroffnen vollig neue Moglichkeiten der kollekti-ve Bewegung. Insbesondere in sogenannten stoßfreien Plasmen, dominieren diese Krafte

1.2.1 Exkurs: Temperatur

Im folgenden wird in der Regel angenommen, daß Teilchen, die sich im thermischenGleichgewicht befinden, der Maxwell-Gleichung gehorchen. Das H-Theorem sagt auchdiese Verteilung fur kollisionsbestimmte Gase voraus. Ein-dimensional liest sich die Ver-teilung als

f(u) = A exp(−12mu2/kBT ) (1.3)

kB = 1.38 · 10−23 J/K ist die Boltzmann-Konstante. Aus der Verteilung kann man nundie Teilchenzahl ermitteln

n =∫ ∞−∞

f(u)du (1.4)

und somit die Normierungskonstante A berechnen

A = n

√m

2πkBT(1.5)

Analog bestimmt sich die mittlere Energie

E =

∫∞−∞

12mu

2f(u)du∫∞−∞ f(u)du

(1.6)

Wahlt man nun

vth =

√2kBTm

(1.7)

erhalt manE =

12kBT (1.8)

Man kann sich leicht davon uberzeugen (Ubung!), daß im n-dimensionalen ergibt

E =n

2kBT (1.9)

Es ist in der Plasmaphysik ublich, die Temperaturen in eV anzugeben, mit kBT = 1 eVentspricht T = 11600 K

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1.2 Definition eines Plasmas

1.2.2 Debye-Abschirmung

Eine fundamentale Eigenschaften von Plasmen ist ihre Fahigkeit, elektrische Felder ab-zuschirmen. Wenn man Kugeln, zwischen denen ein Potential herrscht, in ein Plasmataucht, so werden diese Kugeln von den freien Ladungen des Plasmas umgeben. Dadurchentsteht eine sehr gute Abschirmung, da die positive geladene Kugel von Elektronen um-geben ware und umgekehrt.

In einem kalten Plasma, in dem die einzelnen Teilchen also keine thermische Bewegunghaben, stellt sich die Lage sehr einfach dar: Die Abschirmung ware perfekt und jedeKugel hatte eine Nettoladung von 0. Da in einem warmen Plasma aber die Teilchennoch thermische Energie haben liegen die Ladungen nicht dicht an der Kugel, sondernbilden eine Wolke. Am Rand der Wolke haben elektrisches Potential und thermischeEnergie dieselbe Großenordnung und die Teilchen konnen fliehen. Durch Ausbildungsolcher Wolken ist die Abschirmung nicht perfekt und es konnen kleinskalige Felderexistieren.

Wir wollen nun die Dicke der Schicht bestimmen. Dazu bestimmen wir zuerst daselektrische Potential

ε0∇2φ = −e(ni − ne) (1.10)

Wir nehmen nun an, daß die Ionendichte konstant bleibt (auf Grund der Massentragheit)und damit den Wert fur sehr weit Entfernung annimmt ni = n∞. Die Verteilungsfunktionfur die Elektronen ist nun

f(u) = A exp(−(12mu2 + qφ)/kBT ) (1.11)

Integriert manne = n∞ exp(eφ/kBT ) (1.12)

Diesen Ausdruck kann man nun in der Potentialgleichung verwenden

ε0∇2φ = en∞ (exp(eφ/kBT )− 1) (1.13)

Echte Physiker losen das nicht direkt, sondern machen eine Taylor-Entwicklung

ε0∇2φ = en∞

(eφ

kBT+

12·(eφ

kBT

)2)

(1.14)

Fur große φ laßt sich das nicht ohne Weiteres vereinfachen, aber uns interessiert nur derBereich, in dem φ ohnehin abfallt

ε0d2φ

dx2=n∞e

2

kBT(1.15)

Definieren wir nun die Große

λD =

√ε0kBT

ne2(1.16)

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1 Was ist Plasma?

Dann ist die Losung der DGL

φ(x) = φ0 exp(−x/λD) (1.17)

λD ist die Debye-Lange und eine der fundamentalen Großen, die ein Plasma bestimmen.Die Debye-Lange bestimmt die Gute dr Abschirmung in einem Plasma. Die Abschirmungwird besser (λD kleiner) fur hohere Dichten, da mehr Elektronen zur Verfugung stehen.Die Abschirmung wird hingegen schlechter, wenn die Temperatur steigt, was man da-durch erklaren kann, daß die Teilchen sich durch ihre hohere kinetische Energie weitervon der Storung entfernen konnen.

Aus der Debye-Lange kann man nun eine Bedingung fur die Existenz eines Plasmasherleiten

λD L (1.18)

wobei L die außere Große des Systems ist. Wenn diese Bedingung nicht erfullt ist, findetinnerhalb des Systems keine effektive Abschirmung elektrischer Felder statt und dasPlasma wird im wesentlich von außeren Effekten beeinflußt.

1.2.3 Plasmaparameter

Man kann sich leicht vorstellen, daß die Abschirmung in einem Plasma nur dann wirk-lich gut funktioniert, wenn sich innerhalb der Debye-Lange genugend Teilchen befinden.Als Hilfsmittel kann man sich dazu eine Debye-Sphare vorstellen, also eine Kugel mitdem Radius einer Debye-Lange. Innerhalb dieser Kugel moge sich mehr als ein Teilchenaufhalten

ND = ni43πλ3

D 1 (1.19)

Ist diese Bedingung nicht erfullt, findet man kaum kollektives Verhalten.

1.2.4 Kriterien fur Plasmen

Aus den vorangegangenen Abschnitten konnen wir folgende Kriterien fur ein Plasmaableiten

• Ein Plasma ist ein Gas aus geladenen und neutralen Teilchen, daß ein kollektivesVerhalten aufweist

• Die Debye-Lange moge kleiner sein als die Systemgroße

• Innerhalb einer Debye-Sphare mogen sich hinreichend viele Teilchen aufhalten

Auch wenn hier keine explizite Aussage uber die notwendige Ionisation gegeben wird,kann man sich leicht uberlegen, daß die Debye-Lange ausschließlich von der Ionendichteabhangt. Wendet man diese Definition auf unser Beispiel vom Anfang an, so kann manhier durch Bestimmung von λD sehen, daß die Raumluft kein Plasma ist.

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1.3 Verschiedene Plasmen

Abbildung 1.1: Bereiche in denen Plasmen existieren

1.3 Verschiedene Plasmen

Die ubliche Charakterisierung eines Plasmas findet uber die Parameter n und kBTestatt (Randbemerkung: Bei sauberer Definition musste naturlich n und ni angegebenwerden, die meisten Anwendungen haben aber sehr hohe Ionisationsgrade). Die Dich-te variiert hier um bis zu 28 Großenordnungen und auch die Temperatur um bis zu 7Großenordnungen. Vergleicht man die Variationsbreite in der Dichte ubersteigt bei Wei-tem die gangigen Vorstellungen uber Dichtekontraste. Selbst der Dichtekontrast zwischenWasser und Neutronensternen betragt nur 15 Großenordnungen.

Insbesondere erstaunlich ist, daß alle diese Plasmen durch denselben Satz klassischerGleichungen bestimmt wird (Randbemerkung: Es gibt auch Plasmen die einer quanten-mechanischen Beschreibung bedurfen, diese befinden sich aber bei noch weit hoherenDichten).

Einige typische Plasmen sollen hier eingefuhrt werden.

1.3.1 Gasentladung

Die ersten Plasmen wurden von Tonks und Langmuir in den 1920er Jahren entdeckt. Siehatten an gasgefullten Vakuumrohren geforscht und dabei Gasdichten von 1014 < n <1018 verwendet bei Temperaturen von kBT = 2 eV. Dabei hat man die Abschirmung umdie Elektrode entdeckt hat. Dabei sieht man die Schicht als dunkle Linie

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1 Was ist Plasma?

1.3.2 Leuchtstoffrohre

Hat jeder schon gesehen: Glaskolben gefullt mit Quecksilber oder Argon mit einem Druckvon 1 Pa bis 100 MPa. Sehr hohe Elektronentemperatur (> 100 eV!).

1.3.3 Kernfusion

Die Kernfusion ist seit mehreren Jahrzehnten eines der wichtigsten Forschungsthemenmoderner Plasmaphysik. Genau wie beim Vorbild der Sonne versucht man in sehr heißenund dichten Plasmen die elektrostatische Abschirmung von Atomkernen zu uberwindenund so Fusion einzuleiten. Die menschengemachte Fusion unterscheidet sich aber grundsatzlichvon der naturlichen: In der Sonne fuhrt die Gravitation und die unglaublich hohe Saulendichteim Zentrum der Sonne zu einem sehr hohen Druck bei moderaten Temperaturen. In mo-dernen Versuchsreaktoren hingegen kann man zwar leicht sehr hohe Temperaturen, abernur sehr schwer hohe Drucke erzeugen.

Die Probleme moderner Fusionsforschung liegen deshalb im wesentlichen in Einschlußund Heizung des Fusionsplasmas

1.3.4 Weltraumphysik

Erst einmal zur Begriffsklarung: Weltraumphysik beschaftigt sich, im Gegensatz zurunten beschriebenen Astrophysik, mit der Physik des erdnahen Weltalls. Die Grenze vonWeltraum- und Astrophysik liegt etwa 100 AU, also deutlich hinter der Neptun-Bahn.

Die Weltraumphysik beschaftigt sich damit auch vorzugsweise mit der Physik desSonnenwindes, der unsere nahere Umgebung maßgeblich beeinflußt. Der Sonnenwind isteine kontinuierlich Emission von Teilchen von der Sonne. Typische Parameter sind hiern = 5 × 106 m−3, kBTi = 10 eV, kBT = 50 eV, B = 5 × 10−9 T. Der Sonnenwind hatdabei eine Driftgeschwindigkeit von rund 300 km/s.

Der Sonnenwind interagiert dabei mit dem Magnetfeld und der Atmosphare der Erde,insbesondere in der Ionosphare (bis r = 10rE , n = 1012 m−3, kBT = 0.1 eV). Durch dieInteraktion werden hochenergetische Teilchen im Van Allen-Gurtel gefangen.

1.3.5 Astrophysik

Die Bandbreite astrophysikalischer Plasmen reicht vom Sterneninneren (dichtes, heißesFusionsplasma) uber Sternatmospharen (dunneres, aber heißeres Plasma) bis hin zukalten Molekulwolken. Grundsatzlich liegen fast alle Objekte außerhalb unseres direktenUmfeldes im Plasmazustand vor.

Sicherlich sind die im optischen oder Radio leuchtenden Objekte diejenigen, die dasInteresse hervorrufen, aber auch der gesamte Raum dazwischen ist mit Plasma gefullt.Das interstellare Medium reicht von n = 107 m−3 und kBT = 0.01 eV bis n = 1 m−3

und kBT = 100 eV

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1.3 Verschiedene Plasmen

1.3.6 Technische Niedertemperaturplasmen

Technische Niedertemperaturplasmen finden Anwendungen vornehmlich in Beschich-tungsverfahren (z.B. entspiegelte Brillenglaser) und Atzprozessen (Leiterbahnen atzen).Durch die Verwendung einer großen Bandbreite von Plasmakompositionen (vornehmlichArgon und Methan als Konstituenten) und technischer Varianten (induktive und kapa-zitive Kopplung, gerichtete elektrische Felder . . . ) konnen unterschiedlichste technischeFragestellungen bearbeitet werden.

Typische Großenordnungen fur die Parameter des Plasmas sind p = 0.1 − 100 mbarbei Temperaturen knapp uber Raumtemperatur. Die Ionisationsgrade sind dabei rela-tiv klein, die Elektronenenergie kann aber dennoch relativ hohe Werte erreichen (imGegensatz zur Neutralgastemperatur).

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1 Was ist Plasma?

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2 Einzelteilchen

Die meisten Plasmen bewegen sich mit ihrer Dichte in einem Ubergangsbereich: Wahrendbei sehr dichten Flussigkeiten (wie z.B. Wasser) nur die Fluidbewegung eine Rolle spieltund die Einzelteilchenbewegung durch Kollision verhindert wird und bei sehr dunnenGasen (z.B. Ionenstrahl) nur die Einzelteilchenbewegung eine Rolle spielt, muß man beiPlasmen meist beides berucksichtigen.

Um dieses Verhalten naher untersuchen zu konnen, soll hier im ersten Schritt dieEinzelteilchenbewegung beschrieben werden. Der Einfachheit halber werden elektrischeund magnetische Felder als gegeben angenommen, sie werden also nicht von den Teilchenbeeinflußt.

2.1 Gleichformiges E- und B-Feld

2.1.1 E=0

Abbildung 2.1: HomogenesB-Feld mitGyration

Man kann sich leicht uberzeugen, daß sich hier eineZyklotron-Bewegung ergibt. Die Bewegungsgleichung ist

md~v

dt= q~v × ~B (2.1)

Das B-Feld moge nun in z-Richtung liegen.

mvx = qBvy (2.2)mvy = −qBvx (2.3)

vx = −(qB

m

)2

vx (2.4)

vy = −(qB

m

)2

vy (2.5)

Offensichtlich ist dies ein harmonischer Oszillator mit derFrequenz

Ω =|q|Bm

(2.6)

Hier soll die Definition verwendet werden, nach der dieZyklotronfrequenz immer positiv ist. Aus dieser Frequenzkann man leicht eine weitere Große gewinnen: Den Larmor-

Radius. Den Radius des Kreises, den die Teilchen beschreiben

rL =v⊥Ω

(2.7)

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2 Einzelteilchen

v⊥ beschreibt dabei die Geschwindigkeit senkrecht zum Magnetfeld.

2.1.2 Endliches E

Die Erweiterung des vorherigen Falles ist das Hinzufugen eines elektrischen Feldes.O.b.d.A. nehmen wir dabei an, daß das E-Feld in der x-z-Ebene liegt. Man kann sichleicht davon uberzeugen, daß man das Koordinatensystem immer so wahlen kann, daßE immer in x-z-Richtung liegt. Dadurch andern sich die Gleichungen folgendermaßen

vz =q

mEz (2.8)

which is solved by

vz =qEzm

tvz0 (2.9)

zusatzlich bekommt man folgende Terme in der x- und y-Komponente

vx =q

mEx ± Ωvy (2.10)

vy = 0∓ Ωvx (2.11)

Durch differenzieren erhalt man die Losung

vx = v⊥ exp(iΩt) (2.12)

vy = ±iv⊥ exp(iΩt)− ExB

(2.13)

Man sieht also, daß in y-Richtung eine Drift uberlagert wurde. Eine allgemeinere Formu-lierung fur diese Drift erhalt man, wenn man die vektorielle Gleichung fur die Geschwin-digkeit des Fuhrungszentrums lost. Dazu vernachlassigt man die zeitliche Ableitung derGeschwindigkeit in der Bewegungsgleichung, da diese nur die zyklische Bewegung wieder-gibt. [Herr Chen, das ist Bockmist. Du hast ein Ez angenommen, das du damit ebenfallsunter den Tisch fallen lasst.] Dann bleibt von der Bewegungsgleichung nur noch derTerm

~E + ~v × ~B = 0 (2.14)

ubrig. Von dieser Gleichung bildet man nun das Kreuzprodukt mit ~B

~E × ~B = ~B × (~v × ~B) = ~vB2 − ~B(~v · ~B) (2.15)

Die senkrechte Komponente dieser Gleichung ist dann

v⊥ =~E × ~B

B2(2.16)

Diese Driftgeschwindigkeit ist unabhangig von Ladung, Masse und Geschwindigkeit derTeilchen. Man kann sich das anhand des physikalischen Bildes vorstellen. Wahrend ei-ner halben Gyration gewinnt das Teilchen Energie und sein Gyrationsradius vergroßert

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2.2 Ungleichformiges B-Feld

sich dadurch. In der zweiten Halfte verliert es wiederum Energie und der Gyrations-radius wird kleiner. Der Unterschied zwischen diesen beiden Gyrationsradien fuhrt zurDriftgeschwindigkeit.

Betrachtet man nun Teilchen gleicher Geschwindigkeit aber unterschiedlicher Masse,so hat das leichtere zwar einen kleineren Gyrationsradius und somit eine kleinere Driftpro Gyration, dieser Effekt wird aber vollstandig dadurch aufgefangen, daß es dafurumso haufiger gyriert.

2.1.3 Gravitationsfeld

Dieselbe Uberlegung, wie wir sie eben fur eine Uberlagerung von E- und B-Feld vor-genommen haben, kann man auch fur Gravitations- und B-Feld anstellen. Dann erhaltman

vg =m

q

~g × ~B

B2(2.17)

Dieses Verhalten ist zwar analog zur vorherigen Drift, ein wesentlicher Unterschied istaber, daß diese Drift von der Ladung der Teilchen abhangt. Dadurch trennen sich positiveund negative Ladungen und ein Nettostrom entsteht

~j = n(M +m)~g × ~B

B2(2.18)

2.2 Ungleichformiges B-Feld

Die einfachen Falle, in denen E- und B-Felder konstant sind, konnen wir nun mitahnlichen Techniken die Falle analysieren, in denen sich elektrische und magnetischeFelder in Raum und Zeit veranderlich sind. Da inhomogene Felder das Problem erheb-lich verkomplizieren, nehmen wir die Analyse in Potenzen von rL/L vor, wobei L einetypische Skalenlange fur die Anderung ist.

2.2.1 Grad-B-Drift

pgflastimage

Abbildung 2.2: B-Feldin z-Richtung,des Starkein y-Richtungveranderlichist

Fur diesen Fall nehmen wir gerade Magnetfeldlinien an,die sich allerdings in einer Richtung verdichten. Hier sollder Gradient der Magnetfeldstarke (des Betrags von B) iny-Richtung liegen. Man kann annehmen, daß die Larmor-Radien sich wahrend einer Gyration andern, da die Ma-gnetfeldstarke “oben” und “unten” unterschiedlich ist, was,genau wie schon bei der E × B-Drift, wiederum zu einerDrift-Bewegung fuhrt. Die Starke der Drift sollte dann auchvon rL/L abhangen.

Um eine quantitative Aussage machen zu konnen, mittelnwir die Lorentz-Kraft ~F = q~v × ~B uber eine Gyrationsperi-ode. Fx ist dabei 0, da das Teilchen sich genauso lange auf

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2 Einzelteilchen

wie ab bewegt. Anders sieht es bei Fy aus. Hier kommt deroben erwahnte Effekt zum Tragen, daß sich der Larmorradius andert. Da hier Effektehoherer Ordnung auftreten, die die Berechnung erheblich erschweren wurden, werdenwir die Rechnung nur mit den ungestorten Bahnen durchfuhren. Dann erhalten wir

Fy = −qvxBz(y) ' −qv⊥ cos(Ωt)(B0 ± rL cos(Ωt)

∂B

∂y

)(2.19)

Als wahre Physiker haben wir naturlich auch nicht das Magnetfeld, sondern nur dieTaylor-Reihe bis zur ersten Ordnung eingesetzt

~B = ~B0 + (~r · ∇) ~B . . . (2.20)Bz = B0 + y(∂B/∂y) + . . . (2.21)

Das darf man genau dann machen, wenn die Anderungsskala L kleiner als der Gyrati-onsradius ist. Nun noch schnell die Mittelung ausfuhren

Fy = ∓qv⊥rL12

(∂B/∂y) (2.22)

Das heißt, wir haben eine Nettokraft auf das Teilchen in y-Richtung. Dieses Ergebniskonnen wir mit den bisherigen Driften vergleichen und erhalten dementsprechend dieDriftgeschwindigkeit

~v∇B = ±12v⊥rL

~B ×∇BB2

(2.23)

Alles wie gewohnt, einzig der Faktor 1/2 ist neu.

2.2.2 Krummungsdrift

Die Feldgeometrie hier wird so gewahlt, daß die Feldlinien gekrummt sind mit konstantenKrummungsradius Rc entlang derer das Magnetfeld konstant ist. Durch die Zentrifugal-kraft kommt es hier naturlich direkt zu einer Drift, allerdings muß bei einer physikali-schen Realisierung beachtet werden, daß, um die Maxwell-Gleichungen zu erfullen, dasMagnetfeld zusatzlich einen Gradienten besitzt. Dieser fuhrt zu einer zusatzlichen Grad-B-Drift.

Die Zentrifugalkraft ist

~F =mv2‖

Rc~er (2.24)

woraus man die Drift berechnen kann

~vR =mv2‖

qB2

~Rc × ~B

R2c

(2.25)

Nun gilt im Vakuum (stromfrei!) die Bedingung

(∇× ~B)z =1r

∂r(rBθ) = 0 ⇒ Bθ ∼

1r

(2.26)

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2.2 Ungleichformiges B-Feld

Womit wir eine Aussage uber den Gradienten von B bestimmen konnen

| B |∼ 1Rc⇒ ∇ | B || B |

= −~RcR2c

(2.27)

Das kann man nun direkt in die Formel fur die Grad-B-Drift einsetzen

~v∇B =12m

qv2⊥~Rc × ~B

R2cB

2(2.28)

Somit ergibt sich die Gesamtdrift

~vR + ~v∇B =m

q

~Rc × ~B

R2cB

2(v2‖ +

12v2⊥) (2.29)

Da sich diese beide Driften aufaddieren, haben wir ein Problem. In jedem gebogenenMagnetfeld werden die Teilchen auf Grund der Drift entweichen. Dies stellt gerade inder Fusionsforschung ein massives Problem dar: Die gangige Geometrie fur Fusionsex-perimente ist ein Torus, der eben ein solches gebogenes Magnetfeld aufweist.

2.2.3 Magnetische Spiegel

Im Gegensatz zu den vorherigen Beispielen nehmen wir hier an, daß die Richtung desMagnetfeldes und der Gradient der Feldstarke in derselben Richtung liegen. Zusatzlichnehmen wir an, daß das Feld axysymmetrisch ist (Bθ = 0 und ∂B/∂θ = 0). Auf Grundder Maxwell-Gleichungen muß eine zusatzliche Br-Komponente vorhanden sein.

∇ · ~B = 0 ⇒ ∂

r∂r(rBr) +

∂Bz∂z

= 0 (2.30)

Daraus kann man, wenn man das Magnetfeld bei r = 0 kennt und annimmt, daß derGradient in z-Richtung sich nur wenig andert, das Radialfeld bestimmen

rBr = −∫ r

0r∂Bz∂z

dr ' −12r2

[∂Bz∂z

](2.31)

Br = −12

[∂Bz∂z

](2.32)

Somit kann man wie gewohnt die Lorentz-Kraft bestimmen

Fr = q(vθ Bz︸︷︷︸Term1

−vz Bθ︸︷︷︸=0

) (2.33)

Fθ = q(−vr Bz︸︷︷︸Term2

+vz Br︸︷︷︸Term3

) (2.34)

Fz = q(vr Bθ︸︷︷︸=0

−vθ Br︸︷︷︸Term4

) (2.35)

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2 Einzelteilchen

Die Terme 1 und 2 ergeben die Larmor-Bewegung, Term 3 verschwindet bei einer Bewe-gung auf der Achse (Br ∼ r). Befindet sich das Teilchen nicht auf der Achse fuhrt dieserTerm zu einer Radialdrift, die das Teilchen auf die Magnetfeldlinien zwingt. Damit bleibtnur noch Term 4 als letzter interessanter ubrig.

Term4 Fz =12qvθr(∂Bz/∂z) (2.36)

Auch hier werden wir wieder uber eine Gyrationsperiode mitteln. Der Einfachheithalber soll angenommen werden, daß das Fuhrungszentrum sich auf der Achse befindet.

Fz = −12mv2⊥

B

∂Bz∂z

(2.37)

Nun definieren wir noch eine Große

µ =12mv2⊥

B(2.38)

Dies ist das magnetische Moment des Teilchens. Damit laßt sich die Kraft des Teilchensbestimmen

Fz = −µ∂B∂z

(2.39)

was der allgemeinen Beschreibung der Kraft auf ein diamagnetisches Teilchen entspricht.Vergleicht man dies mit der Kraft auf eine stromdurchflossene Schleife (µ = IA), sostellt man fest, daß man die makroskopischen Großen Strom und Flache auch auf unsermikroskopisches Beispiel ubertragen kann: Der Strom entspricht hier der gyrierendenLadung (I = eΩ/2π) und die Flache ist genau der uberstrichene Gyrationsradius (A =πr2

L = πv2⊥/Ω

2)

µ =πv2⊥

ΩeΩ2π

=mv2⊥

2B(2.40)

Die makroskopische Definition entspricht also dem µ, das wir aus der Kraftbetrachtunggewonnen haben.

Wenn sich unser Teilchen nun in Regionen variierenden Bs bewegt, andert sich zwarsein Larmor-Radius, µ bleibt aber invariant. Beweis folgt:

mdv‖

dt= −µ∂B

∂s(2.41)

Mit v‖ multiplizieren

mv‖dv‖dt = ddt(12mv2‖) = −µ∂B

∂s

ds

dt= −µdB

dt(2.42)

Die Ableitung dB/dt ist nun die zeitliche Ableitung im System des Teilchens. Um nundie Erhaltung von µ zu beweisen, greifen wir auf die Energieerhaltung zuruck.

d

dt

(12mv2‖ +

12mv2⊥

)=

d

dt

(12mv2‖ + µB

)(2.43)

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2.2 Ungleichformiges B-Feld

x x

B0

Abbildung 2.3: Skizze eines magnetischen Spiegels: Die Feldlinien werden zu den Endendes Spiegels dichter

Nun konnen wir noch die zeitliche Ableitung der parallelen Energie einsetzen

−µdBdt

+d

dt(µB) = 0 ⇒ dµ

dt= 0 (2.44)

Mit der Erhaltung des magnetischen Moments kann man nun magnetische Spiegel(Bild 2.2.3) bauen. Offensichtlich nimmt ja die parallele Geschwindigkeit ab, wenn dasMagnetfeld zunimmt. Hat man nun eine Magnetfeldkonfiguration, in der an beiden Endesich die Feldlinien stark verdichten, so nimmt (bei Teilchen mit geringer Energie) dieParallelkomponente der Geschwindigkeit ab, bis sie 0 wird. Dadurch konnen Teilchen imSpiegel gehalten werden.

Ob ein Teilchen gefangen wird, hangt im wesentlichen von seinem Verhaltnis v⊥/v‖ab. Wenn wir nun annehmen, daß wir in der Mitte ein Feld B0 haben und außerdem einmaximales Bm, konnen wir bestimmen welche Teilchen den Spiegel verlassen konnen.Dafur muß am Wendepunkt nur v‖ = 0 sein. Fur die Invarianz von µ gilt dann

12mv2⊥0/B0 =

12mv′2⊥/B

′ (2.45)

Zusatzlich gilt die Energieerhaltung

v′2⊥ = v2⊥0 + v2

‖0 (2.46)

Woraus dann folgtB0

B′=v2⊥0

v′2⊥=v2⊥0

v20

= sin2 θ (2.47)

θ ist dann der sogenannte Pitch-Winkel, letztlich der Winkel zwischen Bewegungsrich-tung und Magnetfeld. Wenn der Winkel θ zu klein wird, erreichen wir irgendwann denPunkt an dem B′ > Bm, wo das Feld also keine Teilchen mehr reflektieren kann.

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2 Einzelteilchen

2.3 Ungleichformiges E-Feld

Die bisher verwendeten Techniken konnen wir nun genauso auch in Fallen anwenden, indenen das elektrische Feld Inhomogenitaten aufweist.

~E = E0(cos ky)~ex (2.48)

Hier nur der einfach Fall einer Welle in y-Richtung, deren Amplitude in x-Richtungweist. Solch ein Struktur kann in Plasmen durch Wellen entstehen, die die Ladungstragerauslenken.

Nun zu den ublichen Schritten

md~v/dt = q( ~E + ~v × ~B (2.49)

vx =qB

mvy +

q

mEx(y) (2.50)

vy = −qBmvx (2.51)

vx = −Ω2vx ± ΩExB

(2.52)

vy = −Ω2vy − Ω2Ex(y)B

(2.53)

Das elektrische Feld Ex(y) ist an der Position des Teilchens gegeben. Wir brauchen alsodie Bahn des Teilchens um die Bahn des Teilchens zu bestimmen. Wenn das elektrischeFeld schwach ist, konnen wir auch in erster Naherung eine ungestorte Bahn annehmen

y = y0 ± rL cos Ωt (2.54)

Woraus dann weiter folgt

vy = −Ω2vy − Ω2E0

Bcos k(y0 ± rL cos Ωt) (2.55)

Nach unseren Erfahrungen aus dem vorherigen Abschnitt, nehmen wir nun an, daß dieLosung sich wieder aus Gyration und Drift zusammensetzt. Dazu mitteln wir wieder diewirkende Kraft

¯vy = 0 = −Ω2vy − Ω2E0

Bcos k(y0 ± rL cos Ωt) (2.56)

Den Cosinus sehen wir uns ein wenig genauer an

cos k(y0 ± rL cos Ωt) = cos(ky0) cos(krL cos Ωt)∓ sin(ky0) sin(krL cos Ωt) (2.57)

Nun nehmen wir an, daß krL 1, dies entspricht der Annahme, daß die Wellenlangesehr viel großer als der Gyrationsradius ist.

cos k(y0 ± rL cos Ωt) ' (cos ky0)(1− 12k2r2

L cos2 Ωt)∓ (sin ky0)krL cos Ωt (2.58)

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2.4 Zeitlich variierendes E-Feld

Nun konnen wir uns nochmal Gleichung 2.56 ansehen. Dadurch, daß die Kraft 0 ist,haben wir auf der rechten Seitung eine Gleichung fur vy haben.

vy = −E0

(cos ky0)(1− 1

4k2r2

L) = −Ex(y0)B

(1− 14k2r2

L) (2.59)

Das liest sich wie die normale ~E× ~B-Drift, die aber durch eine Inhomogenitat verandertwurde. Die physikalische Erklarung ist auch analog, aber man sollte sich uberlegen, daßeine lineare Anderung des E-Feldes keinerlei Effekt hat, erst die zweite Ableitung bringtden gewunschten Effekt

vE =(

1− 14r2L∇2

) ~E × ~B

B2(2.60)

In dieser Formel erkennt man sehr schon, daß die Driftgeschwindigkeit vom Larmor-Radius abhangt. Das kann dazu fuhren, daß Ionen mit ihrem großen Larmor-Radiussich von den Elektronen trennen. Sollte das dabei entstehende elektrische Feld das schonvorhandene verstarken, kann sich eine sogenannte Drift-Instabilitat entwickeln.

2.4 Zeitlich variierendes E-Feld

Nun wollen wir annehmen, daß die Felder zwar raumlich homogen, das elektrische Feldaber zeitlich variabel ist

~E = E0 exp(iωt)~ex (2.61)

Analog zum vorherigen Abschnitt folgt daraus nun

vx = −Ω2

(vx ∓

ΩExB

)(2.62)

Nun schnell noch zwei neue Großen

vp = ± iωΩExB

(2.63)

vE = −ExB

(2.64)

Die Großen mit Tilde mogen andeuten, daß es sich um eine oszillierende Große handelt.Mit den verwendeten Abkurzungen schreiben sich die Bewegungsgleichungen

vx = −Ω2(vx − vp) (2.65)vy = −Ω2(vy − vE) (2.66)

Jetzt zauber wir schnell einen Ansatz aus dem Hut

vx = v⊥ exp(iΩt) + vp (2.67)vy = ±iv⊥ exp(iΩt) + vE (2.68)

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2 Einzelteilchen

Doppeltes Differenzieren liefert dann

vx = −Ω2(vx − vp)− ω2vp (2.69)vy = −Ω2(vy − vE) + vE (2.70)

Das ist jetzt zwar was vollig anderes als vorher, macht aber nichts: Wir nehmen einfachan, daß unsere Losung fur schwach variierende E-Felder gilt (ω Ω) und schon konnenwir das Ganze als Losung verwenden.

Nun kann man erkennen, daß wir hier zwei Komponenten der Drift haben: Einerseitsdie ubliche E × B-Drift die senkrecht zum E-Feld ist (hier allerdings mitoszilliert) undeine Polarisationsdrift entlang des E-Feldes (in x-Richtung). Etwas verallgemeinert laßtdiese sich schreiben als

~vp = ± 1ΩB

d~E

dt(2.71)

Und wieder mal haben unterschiedliche Driften fur unterschiedliche Ladungen, also malwieder einen Strom

~jp = ne(vip − vep) =ρ

B2

d ~E

dt(2.72)

Physikalisch kann man sich die Polarisationsdrift erklaren, wenn man annimmt, daßbeim Einschalten des E-Feldes die Teilchen abgelenkt werden und beim Umkehren wiederabgebremst werden. Netto ergibt sich daraus eine Drift-Bewegung durch die Tragheit.Wenn ω gegen 0 geht, verschwindet der Effekt.

2.5 Zeitlich variierendes B-Feld

Letzte Runde bei den Driften: Das B-Feld moge sich zeitlich verandern. Leider konenB-Felder die Energie eines Teilchens nicht verandern, allerdings sind mit veranderlichenB-Feldern immer auch E-Felder verbunden

∇× ~E = −~B (2.73)

Dummerweise sind die Felder jetzt nicht mehr homogen.Sei v⊥ = d~l/dt die transversale Geschwindigkeit entlang der Teilchentrajektorie und

ignorieren wir v‖ so kann man schreiben

d

dt

(1/2mv2

⊥)

= q ~E · ~v⊥ = q ~E · d~l

dt(2.74)

Nun integrieren wir das wieder uber eine Gyrationsperiode, um die Anderung zu bestim-men. Dabei nehmen wir wieder an, daß sich die Felder sich langsam verandern und wirdie Zeitintegration durch ein Linienintegral uber die ungestorte Bahn ersetzen konnen

δ(1/2mv2⊥) =

∮q ~E · d~l (2.75)

= q

∫S

(∇× ~E) · d~S (2.76)

= −q∫S~B · d~S (2.77)

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2.6 Adiabatische Invarianten

~S ist die geschlossene Oberflache des Larmor-Radius. Die Orientierung ist durch dieRechte-Hand-Regel gegeben ( ~B · d~S < 0 fur Ionen). Dann erhalten wir

δ(1/2mv2⊥) = ±qBπr2

L =12mv2⊥

B· 2πB

Ω(2.78)

Aus unseren vorherigen Berechnungen wissen wir, daß die linke Seite der Gleichungδ(µB) entspricht, die rechte ist aber gerade µδB. Daraus folgt δµ = 0. In schwachveranderlichen Feldern wird das magnetische Moment erhalten.

2.6 Adiabatische Invarianten

Der Noether-Theorem besagt, daß bei periodischen Bewegungen das Wirkungsintegral∮pdq eine Erhaltungsgroße ist. Diese Definition erweitern wir hier auf langsame Veranderungen

des Systems, die die Periodizitat stort. Dann spricht man von einer adiabatischen Inva-rianten. Langsam bezieht sich immer auf die Periode des Systems. Damit ist das Integral∮pdq noch definiert, aber eigentlich kein geschlossenes mehr.Adiabatische Invarianten erlauben eine Vereinfachung komplexer Fragestellungen in

der Plasmaphysik.

2.6.1 Das magnetische Moment µ

Das magnetische Moment haben wir schon vorher kennengelernt und bewiesen, daßes in raumlich und zeitlich veranderlichen B-Feldern erhalten bleibt. Nun wollen wirdie Definition des Noether-Theorems ausnutzen. Die periodische Bewegung ist dannnaturlich die Larmor-Bewegung. Wir wahlen außerdem fur p den Drehimpuls mv⊥r unddq = dθ: ∮

pdq =∮mv⊥rLdθ = 2πrLmv⊥ = 2π

mv2⊥

Ω= 4π

m

qµ (2.79)

Damit ware bewiesen, daß µ eine Erhaltunsgroße ist, sofern q und m konstant sind. Dieeinzige Annahme hier ist nur die langsame Anderung der Felder.

2.6.2 Die longitudinale Invariante J

Wenn man in magnetische Spiegeln eingefangene Teilchen beobachtet, dann sieht mandaß sie regelmaßig zwischen den Seiten des Spiegels hin- un herschwingen. Wieder eineperiodische Bewegung, also muß hier irgendwo auch eine Erhaltungsgroße liegen. Be-rechnet wird diese uber ∮

mv‖ds (2.80)

Da Teilchen uber Feldlinien driften konnen, ist auch dies nur eine adiabatische Invariante.Deren Wert ist

J =∫ b

av‖ds (2.81)

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2 Einzelteilchen

Eine Anwendung dieser Invariante findet sich zum Beispiel im magnetischen Feld derErde. Hier konnen Teilchen gefangen werden, die langsam um die Erde driften. [Bild 2-16aus dem Chen]. In einem idealen Feld wurde das Teilchen immer an dieselbe Feldliniegebunden sein.

Nun kann man uber die Erhaltung der kinetischen Energie in den Wendepunkten diemagnetische Feldstarke bestimmen, aber nicht bestimmen, auf welcher Feldlinie es sichbefindent. Da wir aber auch noch J haben, wissen wir, daß die Lange der Feldlinie gleichbleibt. Gleiche Lange bei gleicher Feldstarke kann nur heißen: Gleiche Feldlinie!

2.6.3 Der magnetische Fluß Φ

Aus der Teilchenbewegung im Magnetfeld der Erde kann man noch eine weitere Invari-ante ableiten: Den magnetischen Fluß. Man kann sehen, daß auch bei variierendem B dieTeilchen auf einer Oberflache bleiben, die dieselbe Anzahl Feldlinien einschließt. Leiderist diese Invariante nicht sonderlich nutzlich, da die Zeitskala auf der sich das B-Feldandert, meist kleiner ist als die Gyrationsperioden.

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3 Fluidbeschreibung

Ein Plasma ist deutlich komplexer als die Summe seiner Teile: Wahrend man die Be-wegung eines einzelnen Teilchens leicht abschatzen kann, ist es im Plasma nicht alleindurch die hohe Zahl der Teilchen erheblich schwieriger, sondern auch die Tatsache, daßdie Felder selbstkonsistent bestimmt werden mussen, macht das Leben schwierig. AberHoffnung ist nahe: In sehr vielen Fallen lassen sich Plasmen durch ein sehr einfachesBild beschreiben, die Fluiddynamik. Dabei wird nicht das einzelne Teilchen, sondern einEnsemble benutzt. Im Gegensatz zur reinen Fluiddynamik spielen hier naturlich nochLadungen, Strome und Felder eine Rolle.

Neben der Fluiddynamik wird spater noch die kinetische Theorie eine Rolle spielen,bei der der Teilchencharakter eine großere Rolle spielt

3.1 Elektromagnetische Beschreibung von Plasmen

Bevor wir irgend etwas elektromagnetisches tun, sollten wir uns die Maxwell-Gleichungennoch einmal in Erinnerung rufen. Im Vakuum

∇× ~E = −1c

∂t~B (3.1a)

∇× ~B =4πc~j +

1c

∂t~E (3.1b)

∇ · ~B = 0 (3.1c)∇ · ~E = 4πρ (3.1d)

Und in Materie

∇× ~E = −1c

∂t~B (3.2a)

∇× ~H =4πc~j +

1c

∂t~D (3.2b)

∇ · ~B = 0 (3.2c)∇ · ~D = 4πρ (3.2d)

~D = ε · ~E (3.2e)~B = µ ~H (3.2f)

Hier beschreiben ρ und ~j die freien Ladungen und Strome, aus Polarisation und Magneti-sierung ergeben sich noch “gebundene” Ladungen und Strome, die aber in der Definitionvon µ und ε versteckt wurden.

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3 Fluidbeschreibung

Fur den Vakuumfall musste man eigentlich auch D und H verwenden, aber da dieinteressanten Dinge, wie die Lorentz-Kraft, E und B verwenden, benutzen wir halt dieseGroßen.

3.1.1 Klassische Beschreibung von Dielektrika

Die Polarisation ~P ist eigentlich die Summe uber alle Einzeldipolmomente ~pi im Ein-heitsvolumen. Daraus lasst sich nun die Menge gebundener Ladung ρb bestimmen

ρb = −∇ · ~P (3.3)

In den Vakuumgleichungen mussten wir dementsprechend auch diese gebundene Ladungberucksichtigen

∇ · ~E = 4π(ρf + ρb) (3.4)

Oder alternativ∇ · ~D = 4πσf (3.5)

Dann steckt die gebundene Ladung in der Definition von ~D und zwar auf folgende Artund Weise

~D = ~E + 4π ~P = ε ~E (3.6)

Fur eine lineare Abhangigkeit der Polarisation vom elektrischen Feld

~P = χe ~E (3.7)

ist dann die dielektrische Konstante

ε = 1 + 4πχe (3.8)

Diese Beziehung sollte in einem Plasma ebenso gultig sein, also sollten wir uns um eineBetrachtung von ε in Plasmen widmen.

3.1.2 Die dielektrische Konstante eins Plasmas

Aus dem vorherigen Kapitel uber die Einzelteilchenbewegung wissen wir, daß fluktuieren-de E-Felder einen Polarisationsstrom ~jp hervorrufen, der uber die Kontinuitatsgleichungmit einer Polarisationsladung verbunden ist

∂tρp +∇ ·~jp = 0 (3.9)

Das ist aquivalent zur klassischen Beschreibung der Polarisationsladung, allerdings isthier eine zeitliche Variabilitat des E-Feldes notwendig. Aus den Maxwell-Gleichungenkonnen wir nun die dielektrische Konstante bestimmen

∇× ~B =4πc

(~jf +~jp) +1c

∂t~E (3.10)

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3.2 Fluidgleichungen

Die Polarisation moge nun im E-Feld verschwinden

∇× ~B =4πc

(~jf +~jp) +1cε∂

∂t~E (3.11)

Woraus man ε sofort ablesen kann

ε = 1 +4πjp~E

(3.12)

Den Polarisationsstrom haben wir vorher schon bestimmt

ε = 1 +4πρB2

(3.13)

Damit haben wir die dielektrische Konstante schon bestimmt, allerdings gilt dies imstrikten Fall nur fur transversale Bewegung im Niederfrequenzfall (ω Ω), da unsereBetrachtung fur den Polarisationsstrom nur dann gultig sind.

3.2 Fluidgleichungen

Wir wissen jetzt zwar wie elektrische und magnetische Felder fur eine bestimmte Kon-figuration des Plasmas aussehen, aber eine vollstandige Beschreibung enthalt naturlichauch die Reaktion des Plasmas auf eben diese Felder. Hier sollen erst einmal die Fluid-gleichungen bestimmt werden. Dabei werden wir ein Multifluid-Ansatz verwenden: JedeSpezies von geladenen Teilchen hat eine Bewegungsgleichung.

3.2.1 Die konvektive Ableitung

Betrachten wir ein einzelnes Teilchen, so ist seine Bewegungsgleichung

md~v

dt= q( ~E +

~v

c× ~B) (3.14)

Nehmen wir jetzt einen ganzen Satz von Teilchen, die weder stoßen noch eine ther-mische Bewegung durchfuhren, die somit eine gemeinsame Bewegung durchfuhren. DieBewegungsgleichung fur die Durchschnittsgeschwindigkeit ~uliest sich dann

mnd~u

dt= qn( ~E +

~u

c× ~B) (3.15)

Diese Gleichung ist aus einem einfachen Grund unpraktisch: Wir mussen die Zeita-bleitung am Ort des Teilchens ausfuhren. Wir wollen aber eigentlich ein System mitortsfesten Koordinaten. Also transformieren wir unsere Ableitung in die ortsfesten Ko-ordinaten

d

dt~G(x, t) =

∂t~G(x, t) +

∂ ~G(x, t)∂x

dx

dt=

∂t~G(x, t) + ux

∂ ~G(x, t)∂x

(3.16)

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3 Fluidbeschreibung

oder in der mehrdimensionalen Version

dG

dt=∂ ~G

∂t+ (~u · ∇)~G (3.17)

Dies ist die sogenannte konvektive Ableitung, manchmal auch mit D~G/Dt bezeichnet.Fur unseren Fall sieht dann die Bewegung der Fluidteilchen folgendermaßen aus

mn

(∂~u

partialt+ (~u · ∇)~u

)= qn( ~E +

~u

c× ~B) (3.18)

3.2.2 Der Stresstensor

Mit dem vorherigen Abschnitt sieht es eigentlich so aus, als waren damit alle Fragengeklart. Allerdings haben wir von vorneherein die thermische Bewegung der Teilchenausgeschlossen. Das racht sich nun. Die thermische Bewegung fuhrt namlich zu einemDruck.

Nehmen wir ein Fluidelement ∆x∆y∆z an, dessen Mittelpunkt bei (x0, 1/2∆y, 1/2∆z)liegt. Um uns das Leben nicht unnotig schwer zu machen, betrachten wir nun nur Bewe-gungen in x-Richtung. Dazu nehmen wir nun die Seitenflachen A (links) und B (rechts)und bestimmen, wieviel Teilchen durch diese Seitenflache transportiert werden. Fur Teil-chen, die Seitenflache A mit Geschwindigkeit vx passieren, ist das

∆nvvx∆y∆z (3.19)

∆nv sei die Teilchenzahldichte bei einer bestimmten Geschwindigkeit vx

∆nv = ∆vx∫ ∫

f(vx, vy, vz)dvydvz (3.20)

Nun hat jedes Teilchen den Impuls mvx. Dichte und Temperatur mogen in jeder Zelleden Wert des Zellmittelpunktes haben. Nun ist der Impulstransport in das Fluidelementdurch A PA+

PA+ =∑

∆nvmv2x∆y∆z = ∆y∆z[mv2

x

12n]x0−∆x (3.21)

Die Mittelung uber v2x kommt hier aus der Summe uber ∆nv. Analog ermitteln wir den

Fluß durch BPB+ = ∆y∆z[mv2

x

12n]x0 (3.22)

und schlußendlich

PA+ − PB+ = ∆y∆z[mv2x

12n]x0−∆x −∆y∆z[mv2

x

12n]x0 (3.23)

= ∆y∆z12m(−∆x)

∂x(nv2

x) (3.24)

Betrachtet man zusatzlich die Teilchen, die sich nach links bewegen, verdoppelt sich dieSumme noch.

∂t(nmux)∆x∆y∆z = −m ∂

∂x(nv2

x)∆x∆y∆z (3.25)

32

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3.2 Fluidgleichungen

Wir nehmen im nachsten Schritt an, daß sich die Geschwindigkeit in zwei Komponen-ten schreiben laßt

vx = ux + v′x (3.26)

Dabei sei v′x die zufallige thermische Komponente, fur die gilt12mv′2x =

12KT (3.27)

Somit laßt sich der Impulstransport umschreiben

∂t(nmux) = −m ∂

∂x

[n(u2

x +KT

m

](3.28)

Nach ein wenig spielen erhalt man

mn∂ux∂t

+mux∂n

∂t= −mux

∂nux∂x

−mnux∂ux∂x− ∂

∂x(nKT ) (3.29)

Machen wir uns nun schnell die Massenerhaltung zu Nutze∂

∂tn+

∂x(nux) = 0 (3.30)

So sieht man, daß der Druck gegeben ist durch

p = nKT (3.31)

Und die Gleichung

mn

(∂

∂tux + ux +

∂xux

)= − ∂

∂xp (3.32)

Was wir jetzt haben, ist an sich eine tolle Gleichung, in der aber auch einige sehr verein-fachende Annahmen stecken. Wir haben hier nur eine Betrachtung in x-Richtung durch-gefuhrt und diese, ohne weiter nachzudenken, auf die anderen Dimensionen ubertragen.In der Realitat ist es aber so, daß auch die x-Flachen y-Impuls transportiert werdenkann. Der dazugehorige Effekt heißt Scherstress, der nicht durch skalaren, sondern nurdurch tensoriellen Druck beschrieben werden kann.

Pij = mn ¯vivj (3.33)

Die einfachsten Falle des Stresstensors sind der fur isotrope Maxwell-Verteilungen

P =

p 0 00 p 00 0 p

(3.34)

Hier ist offensichtlich, daß ∇ · P = ∇p. Etwas interessanter wird es, wenn man eineVorzugsrichtung hat (z.B. durch das Hintergrundmagnetfeld eines Plasmas) und damitunterschiedliche Temperaturen T‖ und T⊥.

P =

p⊥ 0 00 p⊥ 00 0 p‖

(3.35)

Die Nebendiagonal-Elemente sind meist dann nicht 0, wenn Stoße oder kinetischeEffekte eine Rolle spielen.

33

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3 Fluidbeschreibung

3.2.3 Kontinuitatsgleichung

Aus Grunden der Massenerhaltung mussen wir fordern, daß die Anderung der Teil-chenzahl in einem Volumen nur durch einen Teilchenstrom durch die Oberflache erklartwerden kann

∂tN =

∫V

∂tndV = −

∮n~u · d~S = −

∫V∇ · (n~u)dV (3.36)

Das muß fur jedes Volumenelement gelten, also mussen die Integranden identisch sein

∂tn+∇ · (n~u) = 0 (3.37)

Naturlich gibt es eine Kontinuitatsgleichung fur jede Spezies.

3.2.4 Zustandsgleichung

Aus dieser Form der Herleitung der Fluid-Gleichungen wird nicht so direkt offensichtlich,daß die Fluidgleichungen einen unendliche Kette von Gleichungen sind, die irgendwannabgebrochen wird. Daher mussen wir uns nun kurz uberlegen, wo wir abbrechen. Wirhaben die Gleichungen fur Massen- und Impulstransport angegeben, also das 0. und1. Moment angegeben. Die hoheren Momente werden durch eine Gleichung fur denDruck wiedergegeben.

p = Cργ (3.38)

im adiabatischen und

∇p = KT∇n (3.39)

Das funktioniert naturlich nur, wenn man das 2. Moment wirklich ignorieren kann. Dasgeht genau dann, wenn der Warmetransport vernachlassigbar ist.

3.2.5 Vollstandiger Gleichungssatz

An sich haben wir jetzt alles, was wir benotigen, man konnte also die Gleichungenaufschreiben. Dabei gehen wir jetzt von zwei Spezies (jeweils eine Elektronen- und Io-nenspezie) aus. Zuerst benotigen wir Ladungs- und Stromdichte

ρ = niqi + neqe (3.40)~j = niqi~vi + neqe~ve (3.41)

34

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3.3 Fluiddrift senkrecht zum Magnetfeld

Dabei sei ~v die Fluidgeschwindigkeit und nicht eine Einzelteilchengeschwindigkeit.

∇ · ~E = 4π(niqi + neqe) (3.42)

∇× ~E = −1c~B (3.43)

∇ · ~B = 0 (3.44)

∇× ~B =4πc

(niqi~vi + neqe~ve) +1c~E (3.45)

mjnj

(∂~vj∂t

+ (~vj · ∇)~vj

)= qjnj( ~E +

~vjc× ~B)−∇p (3.46)

∂nj∂t

+∇ · (nj~vj) = 0 (3.47)

pj = C(mjnj)γ (3.48)

Nun stehen wir mit 16 Skalaren und 18 skalaren Gleichungen da, wobei zwei der Maxwell-Gleichungen total unnutz sind. Der Rest ergibt ein geschlossenes und selbstkonsistentesGleichungssystem.

3.3 Fluiddrift senkrecht zum Magnetfeld

Ausgehend von unserer Betrachtung der Einzelteilchendriften konnte man eigentlich da-von ausgehen, daß wir alles uber Driften wissen. Bei genauer Betrachtung sehen wiraber in den Fluidgleichungen einen neuen Term ∇p der eine Kraft auf Fluidelementemit sich bringt, die in der Einzelteilchenbetrachtung nicht existiert. Neue Kraft - neueDrift! Schauen wir nochmal genauer auf die Fluidgleichung

mn

∂~v

∂t︸︷︷︸Term 1

+ (~v · ∇)~v︸ ︷︷ ︸Term 2

= qn( ~E +~v

c× ~B)︸ ︷︷ ︸

Term 3

−∇p (3.49)

Betrachten wir nun das Verhaltnis der Terme 1 und 3

Term1Term 3

≈ |mniωv⊥qnv⊥B

| ≈ ω

Ω(3.50)

Damit haben wir fur kleine zeitliche Veranderungen gezeigt, daß wir Term 1 vernachlassigenkonnen. Im selben Atemzug vernachlassigen wir auch gleich Term 2, es wird sich zeigen,daß dies die richtige Entscheidung gewesen sein wird. . .

Wir nehmen nun folgende physikalische Situation an: ~E und ~B seien homogen, n undp mogen aber einen Gradienten haben. Diese Situation kann man beispielsweise in einereingeschlossen Plasmasaule vorfinden. Um jetzt irgend eine Aussage treffen zu konnen,multiplizieren wir unsere Rumpfgleichung mit × ~B

0 = qn( ~E × ~B + (~v⊥ × ~B)× ~B)−∇p× ~B

= qn( ~E × ~B + ~B(~v⊥ · ~B)− ~v⊥B2)−∇p× ~B (3.51)

35

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3 Fluidbeschreibung

Hieraus kann man gleich die senkrechte Geschwindigkeit ablesen

~v⊥ =~E × ~B

B2− ∇p×

~B

qnB2= ~vE + ~vD (3.52)

Der erste Term ist die bekannte E ×B-Drift

~vE =~E × ~B

B2(3.53)

der zweite Term ist hingegen neu: Die diamagnetische Drift

~vD = −∇p×~B

qnB2(3.54)

Die diamagnetische Drift ist senkrecht zum Gradienten, weshalb man Term 2 zu Anfangauch vernachlassigen konnte

[Bild 3-4 aus dem Chen]Woher kommt nun diese Drift, die sich aus dem Einzelteilchenbild nicht erklaren lasst?

Wenn man sich die Orbits der Ionen vorstellt, deren Dichte in eine Richtung zunimmt,dann erkennt man, daß in jedem Fluidelement mehr Teilchen nach unten als nach obendriften

[Bild 3-5 aus dem Chen]Auch wenn aus Sicht der Teilchen die diamagnetische Drift rein fiktiv ist, kann man

sie sich und den mit ihr assoziierten Strom dennoch erklaren, wenn man bedenkt, daßein tatsachliches Plasma in einem endlichen Raum eingeschlossen ist und Teilchen amRand keine vollstandigen Larmor-Bewegungen durchfuhren konnen.

Nun haben wir zwar eine zusatzliche Drift im Fluid-Bild gefunden, was ist aber mit denvielen anderen schonen Driften senkrecht zum B-Feld (Grad-B und Krummungsdrift)?Leider fuhren diese Driften nicht zu einer Fluiddrift, denn das Magnetfeld kann nichtdie Energie andern und somit auch nicht die zu Grunde liegende Maxwell-Verteilung derTeilchen. Hier mogen die Teilchen also zwar eine Drift ihres Fuhrungszentrums erfahren,dies fuhrt aber nicht zu einer assoziierten Fluiddrift.

Richtig lustig wird es aber eigentlich erst bei inhomogenen E-Feldern: Dann spielenauch die Effekte des endlichen Larmor-Radius eine Rolle.

3.4 Fluiddriften parallel zum Magnetfeld

Wenn wir dieselbe Betrachtung wie eben durchfuhren, hier uns aber nur auf vz be-schranken, dann nutzen wir dabei die folgende Gleichung

mn

(∂vz∂t

+ (~v · ∇)vz

)= qnEz −

∂p

∂z(3.55)

In den meisten Fallen kann man die konvektive Ableitung getrost vergessen, wir nehmenhier einfach an, daß vz homogen sein moge, dann mussen wir uber diesen Punkt gar

36

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3.4 Fluiddriften parallel zum Magnetfeld

nicht erst diskutieren. Dann folgt

∂vz∂t

=q

mEz −

γKT

mn

∂n

∂z(3.56)

Erwartungsgemaß fuhren Druck und elektrisches Feld zu einer Beschleunigung entlangdes magnetischen Feldes. Wenn wir an dieser Stelle masselose Elektronen annehmen,konnen wir noch ein paar interessante Ergebnisse erzielen:

qEz = e∂φ

∂z=γKTemn

∂n

∂z(3.57)

Da die Mobilitat der Elektronen sehr hoch ist, ist auch ihre Warmeleitfahigkeit nahezuunbegrenzt, wir durfen also isotherme Elektronen annehmen

eφ = KTe log n (3.58)

Hieraus kann man sofort folgendes ablesen

n = n0 exp(eφ

KTe) (3.59)

Das bedeutet nichts anderes als daß wir eine Boltzmann-Verteilung haben und die Elek-tronen nicht unbegrenzt hohe Energien erreichen konnen, da sie immer ein elektrostati-sches Potential zurucklassen.

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3 Fluidbeschreibung

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4 Wellen in Plasmen

Jede periodische Bewegung in Plasmen kann naturlich mit Hilfe der Fourier-Transformationin einzelne Wellen der Form exp(i(~k~r − ωt)) zerlegen. Die Wellen gehorchen einer Di-spersionrelation, die das Verhaltnis von ω und k wiedergibt. Daraus lassen sich Phasen-geschwindigkeit vph = ω/k und Gruppengeschwindigkeit vg = dω/dk bestimmen. DieGruppengeschwindigkeit kann c nicht uberschreiten.

4.1 Plasmaoszillationen

Wenn man in einem Plasma im Gleichgewicht ein Elektron auslenkt, so wird es durch daselektrische Feld wieder an seine ursprungliche Position zuruck gezogen. Dabei uberschießtes, so daß es zu einer Oszillation um seine ursprungliche Position kommt. Die Oszillati-onsfrequenz ist dabei charakteristisch fur das jeweilige Plasma (wohl einer der Grundeweswegen sie Plasmafrequenz heißt). Die Frequenz ist zu hoch fur die Ionen, so daß dieseauf die Storung gar nicht erst reagieren.

Mit einem Haufen von Vereinfachungen wollen wir nun die Plasmafrequenz bestim-mem:

• kein Magnetfeld

• kaltes Plasma

• statischer und homogener Ionenhintergrund

• unendliche Ausdehnung des Plasmas

• Elektronen bewegen sich nur in x-Richtung

Damit lesen sich die Gleichungen folgendermaßen

mne

(∂~ve∂t

+ (~ve · ∇)~ve

)= −ene ~E (4.1)

∂ne∂t

+∇ · (ne~ve) = 0 (4.2)

Um das Ganze abzuschließen, brauchen wir noch eine Maxwell-Gleichung, vorzugsweiseohne B

∇ · ~E =∂ ~E

∂x= 4π(ni − ne) (4.3)

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4 Wellen in Plasmen

Naturlich konnte man sich nun um eine ordentliche Losung des Problems bemuhen, aberwahre Physiker, wenn sie nicht gerade Taylor-Entwicklungen machen, linearisieren dasProblem

ne = n0 + n1 (4.4)~ve = ~v0 + ~v1 (4.5)

~E = ~E0 + ~E1 (4.6)

wobei Großen mit 0 statischer (und hier auch homogener) Hintergrund sind und dieGroßen mit 1 deren Storung. Da die Storung naturlich klein ist, ist das Quadrat mit derselben Selbstverstandlichkeit zu klein. Daraus folgt nun ein neuer Satz von Gleichungen

m∂~v1

∂t= −e ~E1 (4.7)

∂n1

∂t+ n0∇ · ~v1 = 0 (4.8)

∇ · ~E1 = −4πen1 (4.9)

Wir wissen eigentlich schon, was am Ende rauskommt, also konnen wir es auch gleicheinsetzen: Alle gestorten Großen variieren mit exp(i(~k · ~r − ωt)). Mit dieser Annahmewerden aus den DGL gewohnliche Gleichungen

−imnv1 = −eE1 (4.10)−iωn1 = −n0ikv1 (4.11)ikE1 = −4πen1 (4.12)

Diesen Satz an Gleichungen kann man nun nach v1 auflosen

−imωv1 = −i4πn0e2

ωv1 (4.13)

und hat damit eine eindeutige Frequenz gefunden

ωp =

√4πn0e2

m(4.14)

Dies ist die sogenannte Plasmafrequenz. Ublicherweise unterscheidet man hier ωpe undωpi also die Plasmafrequenz fur Elektronen und Ionen. Die Plasmafrequenz hangt einzigund allein von der Dichte des Plasmas ab (bei gegebener Teilchenspezies). Weiterhininteressant ist, daß die Dispersionsrelation fur die Plasmafrequenz nicht von k abhangt,somit ist also die Gruppengeschwindigkeit 0 und die Oszillation bewegt sich nicht. DieseNaherung gilt aber nur in unendlich ausgedehnten Systemen.

4.2 Elektronen Plasmawellen

Die vorher besprochenen Oszillationen kann man dazu bringen, sich zu bewegen undzwar indem man eine thermische Geschwindigkeit berucksichtigt. Am einfachsten kann

40

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4.3 Schallwellen

man dies realisieren durch einen Druckgradienten −∇pe. Fur den eindimensionalen Fallgilt dann

∇pe = 3KTe∇ne = 3KTe∇(n0 + n1) = 3KTe∂n1

∂x~ex (4.15)

womit die linearisierte Bewegungsgleichung folgende Form hat

mn0∂v1

∂t= −en0E1 − 3KTe

∂ne∂x

(4.16)

auch hier wurden wieder alle Termen weggelassen, die mehr als eine gestorte Großeenthalten (z.B. (~v1 · ∇)~v1). Wenn man jetzt noch die Maxwell-Gleichungen und dieKontinuitatsgleichung wie vorher ansetzt, erhalt man folgendes Gleichungssystem

imωn0v1 =(en0−4πeik

+ 3KTeik)n0ik

iωv1 (4.17)

ω2v1 =(

4πn0e2

m+

3KTem

k2

)v1 (4.18)

Auflosen ergibt dann die Dispersionsrelation

ω2 = ω2p +

32k2v2

th (4.19)

Jetzt haben wir eine echte Plasmawelle, deren Gruppengeschwindigkeit von 0 verschiedenist. Diese Welle heißt Langmuir-Welle.

[Hier Bild 4-5 aus dem Chen]Langmuir-Wellen lassen sich relativ einfach in Plasmen anregen, allerdings sollte man

einen wichtigen Punkt beachten: Offensichtlich gibt es keine Langmuir-Wellen mit Fre-quenzen kleiner als ωp. Das heißt insbesondere, daß Anregungen von außen auf dasPlasma unterhalb dieser Frequenz sich nicht ausbreiten werden. Der Kollege Chen fuhrtan dieser Stelle eine lange Liste von experimentellen Moglichkeiten an, Wellen mit GHz-Resonatoren anzuregen und mit verschiedensten Techniken zu detektieren, davon neh-men wir an dieser Stelle aber Abstand.

Was wir aber noch festhalten konnen, ist, daß es sich bei der Langmuir-Welle um einelongitudinale Welle handelt. Dies kann man schon daran erkennen, daß unsere Herleitungkomplett eindimensional war und alle Großen in x-Richtung ausgelenkt wurden.

4.3 Schallwellen

Eigentlich sind Schallwellen ein Phanomen, das man in normalen Gasen (Luft) findet.Da die Rechnungen fur die Ionen-Wellen im nachsten Abschnitt nahezu identisch sind,wollen wir kurz noch wiederholen, wie man die Losung fur die Schallwellen mit derNavier-Stokes-Gleichung findet

ρ

(∂~v

∂t+ (~v · ∇)~v

)= −∇p = −γp

ρ∇ρ (4.20)

41

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4 Wellen in Plasmen

Dazu noch die Kontinuitatsgleichung

∂ρ

∂t+∇ · (ρ~v) = 0 (4.21)

Schnell noch die Gleichungen linearisiert

−iωρ0~v1 = −γp0

ρ0i~kρ1 (4.22)

−iωρ1 + ρ0i~k · ~v1 = 0 (4.23)

Wobei alle Wellen die Form exp(i(~k · ~r − ωt)) haben mogen. Fur die weitere Rechnungnehmen wir nun an, daß die Welle ~k = k~ex und ~v = v~ex erfullen moge. Damit konnenwir schreiben

−iωρv1 =γp0

ρ0ikρ0ikv1

iω(4.24)

ω2v1 = k2γp0

ρ0v1 (4.25)

Das fuhrt uns zur Losung

ω

k=√γp0

ρ0=

√γKT

M= cs (4.26)

was genau die Dispersionsrelation der bekannten Schallwelle ist.

4.4 Ionen-Schallwellen

Wenn man versucht Schallwellen in kollisionsfreien Plasmen anzuregen, hat man einProblem: Die gibt es da namlich gar nicht. Die Ionen in Plasmen konnen aber immernoch durch langreichweitige Krafte wechselwirken. Da wir es mit Ionen zu tun haben,handelt es sich dabei um niederfrequente Phanomene

mn

(∂~vi∂t

+ (~vi · ∇)~vi

)= −en∇φ− γKTi∇n (4.27)

Hier haben wir ein nicht-magnetisiertes Plasma angenommen, da das Phanomen derIonen-Schallwellen kein Magnetfeld voraussetzt. Als nachstes linearisieren wir die Glei-chungen

−iωmn0vi1 = −en0ikφ1 − γKTiikn1 (4.28)

Die Elektronen nehemn wir als masselos an und fordern fur die Verteilung der Elektronen

ne = n = n0 exp(eφ1

KTe

)= n0

(1 +

eφ1

KTe+ . . .

)(4.29)

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4.4 Ionen-Schallwellen

um das Gleichgewicht der Krafte herzustellen. Damit ist die Storung der Elektronen- alsauch der Ionenverteilung (in erster Ordnung)

n1 = n0eφ1

KTe(4.30)

Zusatzlich verwenden wir noch die Kontinuitatsgleichung

iωn1 = n0ikvi1 (4.31)

Nach geschicktem Umformen erhalt man anschließend

ω2 = k2

(KTem

+γKTim

)(4.32)

Was sich als die Dispersionsrelation fur die Ionen-Schallwelle herausstelltIm Gegensatz zu Plasmaoszillationen, die eigentlich nur bei einer Frequenz auftreten,

sofern es nicht zu thermischen Korrekturen kommt, sind Ionen-Schallwellen Oszillationendie sich mit einer konstanten Geschwindigkeit ausbreiten.

Diese Dispersionsrelation ist allerdings nicht vollstandig korrekt, da wir sowohl dieAnnahme verwendet haben, daß ~E endlich ist und gleichzeitig Quasi-Neutralitat voraus-gesetzt haben. Beides zusammen ist ein wenig schwierig, weswegen wir uns jetzt um eineein wenig detailliertere Betrachtung bemuhen wollen

∇ · ~E1 = k2φ1 = 4πe(ni1 − ne1) (4.33)

mit der Elektronendichte

ne1 =eφ1

KTen0 (4.34)

was nach einigen wenigen Umformungen zu

φ1(k2λ2D + 1) = 4πeni1λ2

D (4.35)

wird. Nun noch schnell die Ionendichte aus der linearisierten Kontinuitatsgleichung

ni1 =k

ωn0vi1 (4.36)

damit rechnen wir ein wenig durch die Gegend und schon hat man

ω2

k2=KTem

11 + k2λ2

D

+γKTim

(4.37)

Oh, da ist wohl etwas anderes. Da gibt es wohl eine Resonanz.[Plot Elektron-Plasmawelle vs. Ionen-Schallwelle analog Chen 4-13]

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4 Wellen in Plasmen

4.5 Elektrostatische Oszillationen senkrecht zum Magnetfeld

Zuerst einmal eine kurze Begriffsklarung von elektrostatisch, elektromagnetisch, parallel,senkrecht, longitudinal und transversal: Alle diese Begriffe beziehen auf die Relation derGroßen ~k, ~E1, ~B0 und ~B1.

• Eine Welle ist parallel, wenn ~k in die Richtung von ~B0 zeigt

• Eine Welle ist longitudinal, wenn ~k in die Richtung von ~E1 zeigt

• Eine Welle ist elektrostatisch wenn ~B1 = 0

Die letzten beiden Bedingungen sind miteinander verknupft. Betrachtet man die Maxwell-Gleichung

∇× ~E1 = − ~B1 ⇒ ~k × ~E1 = ω ~B1 (4.38)

so erkennt man leicht, daß wenn die Welle longitudinal ist, die linke Seite 0 ist. Damitsollte dann wohl auch die rechte Seite 0 werden. Longitudinale Wellen sind damit wohlelektrostatisch.

Wenden wir uns nun den Oszillationen der Elektronen senkrecht zum Hintergrundma-gnetfeld zu. Die Ionen mogen zu schwer sein, um sich mitzubewegen und der Einfachheithalber mogen die Elektronen kalt sein. Daraus ergibt sich dann fur die Elektronen fol-gender Gleichungssatz

m∂ve1∂t

= −e( ~E1 + ~ve1 × ~B0) (4.39)

∂ne1∂t

+ n0∇ · ~ve1 = 0 (4.40)

∇ · ~E1 = −4πene1 (4.41)

Jetzt wollen wir ausschließlich nach longitudinal Wellen suchen, also setzen wir die auchan. Linearisieren gehort ohnehin zum Standardprogramm

−iωmvx = −eE − evyB0 (4.42)−iωmvy = evxB0 (4.43)−iωmvz (4.44)

Weil Herr Chen und ich zum Faul zu schreiben sind, fehlen die Indices e und 1, die manhier auch gar nicht benotigt. Geschicktes Umformen!

vx =eE/imω

1− Ω2/ω2(4.45)

Wie gewohnt kann man Kontinuitats- und Poissongleichung linearisieren und erhaltschlußendlich (

1− Ω2

ω2

)E =

ω2p

ω2E (4.46)

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4.6 Elektrostatische Ionenwelllen senkrecht zu B

woraus der versierte Physiker in Sekunden eine Dispersionsrelation zaubert

ω2 = ω2p + Ω2 = ω2

h (4.47)

Hier haben wir die sogenannte Obere Hybridfrequenz die bei allen elektrostatischenElektronenwellen senkrecht zu B auftritt. Fur die Propagation entlang B ergibt sichdasselbe Ergebnis wie ohne Magnetfeld, also eine Plasmaoszillation mit ωp.

Um sich das Ganze vorzustellen, kann man zuerst einmal annehmen, daß ohne Ma-gnetfeld sich Kompression ausbildet. Die Bewegung der Teilchen wird nun durch dasMagnetfeld in Ellipsen gezwungen. Da zwei ruckstellende Krafte wirken, geht das nunauch viel schneller vonstatten und wir haben eine hohere Frequenz.

[Jetzt noch schnell das Trievelpiece-Gould-Diagramm]

4.6 Elektrostatische Ionenwelllen senkrecht zu B

An sich ist das Schema bekannt, aber so ganz einfach wollen wir es uns an dieser Stellenicht machen. Statt brutalst moglich auf die Gleichung loszugehen und einfach uberallden Term ~k · ~B0 = 0 zu setzen, gehen wir davon aus, daß ~k fast senkrecht zum Ma-gnetfeld liegt. Und wieso den ganzen Quatsch? Na ja, wenn der Winkel zum Magnetfeldexakt π/2 ist, haben die Elektronen keine Chance den Ladungsausgleich herzustellen.Die mathematische korrekte Herleitung fur den exakt senkrechten Fall werden wir nochnachliefern, man kann sich aber leicht vorstellen, daß der im Plasma dann auch nicht soerschreckend oft auftritt.

Nun zuruck zum alten Trott. Ionenbewegungsgleichung

m∂~vi1∂t

= −e∇φ1 + e~vi1 × ~B0 (4.48)

Linearisieren

−iωmvix = −eikφ1 + eviyB0 (4.49)−iωmviy = −evixB0 (4.50)

Umschachteln

vix =ek

mωφ1

(1− Ω2

ω2

)−1

(4.51)

Dann nimmt man noch ni1 aus der Ionen-Kontinuitatsgleichung und ne1 aus der Boltzmann-Verteilung und schon landen wir bei

ω2 = Ω2 + k2v2s (4.52)

mit v2s = KTe/m, wo wir stillschweigend davon ausgegangen sind, daß die Ionen kalt

sind. Das Ganze ist nahezu identisch zur vorherigen Herleitung fur die Elektronen, nurwird hier halt die Dispersionsrelation der Ionen-Schallwelle angenommen.

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4 Wellen in Plasmen

So was passiert denn nun, wenn sich die Welle wirklich absolut senkrecht zum Ma-gnetfeld bewegen will? Nun das Leben wird kompliziert, da ich nicht mehr einfach an-nehmen darf, daß die Elektronen der Boltzmann-Relation gehorchen. Wir mussten alsotatsachlich die Bewegungsgleichung der Elektronen losen, selbst mit den Mordervereinfachungen,die wir so gerne machen. Aber nun zu den Gleichungen

vix =ek

miωφ1

(1− Ω2

i

ω2

)−1

(4.53)

vex = − ek

meωφ1

(1− Ω2

e

ω2

)−1

(4.54)

ni1 = n0k

ωvi1 (4.55)

ne1 = n0k

ωve1 (4.56)

Aus den letzten beiden Gleichungen folgern wir, daß vi1 = ve1 und nach ein wenigRumgewurschtel steht da schon

ω2 = ΩeΩi (4.57)

Wie schon gesagt, gibt es, findet man aber nicht oft.

4.7 Elektromagnetische Wellen ohne Hintergrundmagnetfeld

Man kann sich jetzt kurz erinnern, daß es ja eine elektromagnetische Welle ohne Hinter-grundfeld gibt, gemeinhin als Licht bezeichnet. Dispersionsrelation

ω2 = c2k2 (4.58)

Sowas wird es ja wohl auch in Plasmen geben. Hier muß man aber beachten, daß sichzu den Maxwell-Gleichungen im Vakuum noch ein Stromterm gesellt

∇× ~B1 =4πc~j1 + ~E1 (4.59)

Schnell mal abgeleitet

∇× ~B1 =4πc~j1 + ~E1 (4.60)

Und nun? Noch eine Gleichung fur die Ableitung des Magnetfeldes heranziehen

∇× ~E1 = −1c~B1 (4.61)

Man bilde sich ein Kreuzprodukt und schon ist man die Zeitableitung von B los.

−~k(~k · ~E1) + k2 ~E1 =4πiωc2

~j1 +ω2

c2~E1 (4.62)

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4.8 Elektromagnetische Wellen senkrecht zum Hintergrundfeld

Da wir elektromagnetische Wellen wollen, muß es sich um transversale Wellen handelnund also ist ~k · ~E1 = 0. Nun nehmen wir an, daß es die Ionen zu lahmarschig fur elektro-magnetische Wellen sind, womit die Elektronen fur den Strom ganz allein verantwortlichsind

~j1 = −n0e~ve1 (4.63)

Aus der Bewegungsgleichung der (kalten) Elektronen bekommen wir dann noch

m∂ve1∂t

= −e ~E (4.64)

~ve1 =e ~E1

imω(4.65)

Woraus man schnell erkennt, daß

(ω2 − c2k2) ~E1 =4πn0e

2

m~E1 (4.66)

Und schon haben wir eine neue Dispersionsrelation

ω2 = ω2pe + c2k2 (4.67)

Und jetzt haben wir den Schlamassel: Elektromagnetische Wellen durchqueren nichteinfach ein Plasma, denn unterhalb von ωpe kommen die da gar nicht durch. Wir ha-ben einen Cut-Off. Außerdem ist die Phasengeschwindigkeit auch noch großer als dieLichtgeschwindigkeit (die Gruppengeschwindigkeit naturlich nicht).

Man kann die Dispersionsrelation verwenden, um die Dichte eines Plasmas zu bestim-men, indem man entweder ein Michelson-Interferometer verwendet (Zwei Strahlengangemit Phasendifferenz π einmal durchs Plasma, einmal nicht, Dispersion verandert Pha-sendifferenz).

4.8 Elektromagnetische Wellen senkrecht zum Hintergrundfeld

Im vorangegangenen Abschnitt hatten wir noch kein B-Feld im Hintergrund. Das sollsich nun andern! Allerdings ist mit “elektromagnetische Wellen senkrecht zum Hinter-grundfeld” noch nicht alles geklart: Wir wissen, daß ~k ⊥ ~E0 und auch, daß ~E1 ⊥ ~k, unsbleibt aber noch die Wahl ob ~E1 ⊥ ~B0 oder ~E1 ‖ ~B0. Das wollen wir nun in den nachstenUnterabschnitten ausfuhren.

4.8.1 Ordinary Wave

Hier soll nun ~E1 ‖ ~B0 sein. Das Magnetfeld liegt in z-Richtung und das E-Feld in x-Richtung. Wir konnen nun dieselbe Wellengleichung wie vorher verwenden

(ω2 − c2k2) ~E1 = 4πn0eω~ve1 (4.68)

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4 Wellen in Plasmen

Fur das E-Feld brauchen wir nur noch die z-Komponente, die wir aus

m∂vez∂t

= −eEz (4.69)

gewinnen. Daraus erhalten wir dasselbe Ergebnis, wie schon fur den Fall ohne Hinter-grundmagnetfeld

ω2 = ω2pe + c2k2 (4.70)

Diese Welle wird in der Tradition der Festkorperphysik (Doppelbrechung) ordentliche(ordinary) Welle genannt.

4.8.2 Extraordinary Wave

An sich kommt nun dasselbe Spiel wie vorher nur, daß ~E1 ⊥ ~B0, aber wie man schonerahnen kann, wird es nicht ganz so einfach. Statt namlich ~E1 = E1~ey zu wahlen, mussenwir annehmen durfen, daß die Welle elliptisch polarisiert sein kann (es hilft immer, daßErgebnis vorher schon zu kennen. . . )

~E1 = Ex~ex + Ey~ey (4.71)

Nun noch schnell die linearisierte Elektronenbewegungsgleichung

−imω~ve1 = −e( ~E + ~ve1 × ~B0) (4.72)

Das kann man nun in Komponenten hinschreiben und nach vx und vy auflosen

vx =e

(−iEx −

ΩωEy

)(1− Ω2

ω2

)−1

(4.73)

vy =e

(−iEy +

ΩωEx

)(1− Ω2

ω2

)−1

(4.74)

Und schon wieder konnen wir die Wellengleichung verwenden, jetzt allerdings mit einempotentiell longitudinalem Term

(ω2 − c2k2) ~E1 + c2kEx~k = 4πn0eω~ve1 (4.75)

Das konnen wir nun wieder in die x- und y-Komponenten von v aufteilen und erhaltendann folgende Gleichung (

ω2(1− Ω2

ω2)− ω2

p

)Ex + i

ω2pΩω

Ey = 0 (4.76)((ω2 − c2k2)(1− Ω2

ω2)− ω2

p

)Ey − i

ω2pΩω

Ex = (4.77)

Theoretisch kann man das jetzt auf die harte Tour losen, wir wissen aber, daß das Systemohnehin nur dann losbar ist, wenn die Determinante verschwindet. Daraus folgt danndie Dispersionsrelation

c2k2

ω2=ω2 − ω2

h − ((ω2pΩ

2e/ω)/(ω2 − ω2

h))ω2 − Ω2

(4.78)

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4.9 Cut-Off und Resonanz

Oder einfachec2k2

ω2= 1−

ω2p

ω2

ω2 − ω2p

ω2 − ω2h

(4.79)

4.9 Cut-Off und Resonanz

Bei der Betrachtung von Dispersionsrelationen kann man zwei wichtige Phanomene be-obachten: Cutoff und Resonanz. Ein Cut-Off tritt auf, wenn der Brechungsindex gegen0 geht (n2 = c2k2/ω2). Eine Resonanz tritt dann auf, wenn der Brechungsindex gegenunendlich geht. Wellen werden an Cut-Offs reflektiert und Resonanzen absorbiert.

Um nun die Dispersionsrelation der außerordentlichen Welle auf besagte Phanomenezu untersuchen, gehen wir folgendermaßen vor: Die Resonanzen finden wir, indem wir kgegen unendlich gehen lassen und die endlichen ω dazu suchen. Offensichtlich tritt diesfur

ω2h = ω2

p + Ω2 = ω2 (4.80)

auf. Fur die Resonanz gehen dann Phasen- und Gruppengeschwindigkeit gegen 0 undwir haben es mit einer reinen Oszillation zu tun.

Auch den Cut-Off kann man leicht finden, indem man k = 0 annimmt. Daraus erhaltman

ω2 ∓ ωΩ− ω2p = 0 (4.81)

Hier ergeben sich gleich zwei Cut-Off-Frequenzen

ωR =12

(Ω +√

Ω2 + 4ω2p) (4.82)

ωL =12

(−Ω +√

Ω2 + 4ω2p) (4.83)

Hier sei ω immer positiv und k beschreibe die Propagationsrichtung.

4.10 Elektromagnetische Wellen parallel zum Hintergrundfeld

Nun gut, wir wissen jetzt, daß wenn wir elektromagnetische Wellen parallel zum Hin-tergrundfeld haben wollen, k in z-Richtung liegt, woraus direkt folgt, daß ~E in x undy-Richtung liegen kann ( ~B1 liegt sowohl senkrecht zu k als auch ~E). Nun wahlen wireinen Ansatz, wie wir ihn schon bei der außerordentlichen Welle verwendet haben, alleindie Richtung von k sei anders

(ω2 − c2k2)Ex =ω2p

1− Ω2/ω2(Ex − iΩ/ωEy) (4.84)

(ω2 − c2k2)Ey =ω2p

1− Ω2/ω2(Ey + iΩ/ωEx) (4.85)

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4 Wellen in Plasmen

Es folgt eine Reihe wahnsinniger Umformungen, die man sich auch an den eigenen funfFingern abzahlen kann.

R wave n2 =c2k2

ω2= 1−

ω2p

1− (Ω/ω)2(4.86)

L wave n2 =c2k2

ω2= 1−

ω2p

1 + (Ω/ω)2(4.87)

Die Bezeichnung der Wellen bezieht sich darauf, daß es es um zirkular polarisierte Wellenhandelt, der Polarisationsrichtung links- oder rechtshandig ist.

Wir konnten jetzt das Ganze detailliert analysieren. Aber eigentlich bringt uns dasnicht weiter, deshalb verschieben wir das auf einen Punkt, wo wir die Dispersionsrelationunter Berucksichtigung.

4.11 Fluidansatz

Um die Wellengleichung (??) zu losen, wahlt man den Ansatz

~j = ~jext +~jind (4.88)

bei dem der Strom aus einem durch Storungen im elektrischen Feld induzierten Anteilund einem externen Anteil beschrieben wird. Der induzierte Anteil ~jind gehorcht demohmschen Gesetz (?)

~jind = σ ~E (4.89)

wobei σij der Leitfahigkeitstensor ist. Es ist nutzlich, das ohmsche Gesetz in eine Formzu bringen, in der der Dielektrizitatstensor εij verwendet wird. Zwischen den beidenTensoren besteht folgender Zusammenhang:

εij = δij +4πi

ωσij (4.90)

Setzt man nun Gl. (4.89) in Gl. (??) ein, so erhalt man

ΛijEj = −4πi

ωji

ext (4.91)

Der Maxwell-Operator Λij ist dabei definiert als

Λij =c2

ω2(kikj − δijk2) + εij (4.92)

Im Verlauf der weiteren Berechnungen wird der externe Anteil ~jext vernachlassigt, dadurch die hohe Leitfahigkeit des interstellaren Mediums keine statischen elektrischenFelder entstehen konnen, die einen solchen externen Strom erzeugen konnen.

Nun soll der Dielektrizitatstensor, wie vorher beschrieben, mit Hilfe einer fluiddyna-mischen Theorie hergeleitet werden, wobei hier die Berucksichtigung eines Elektronen-

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4.11 Fluidansatz

und Protonenfluids genugt. Dazu wird die Bewegungsgleichung eines Fluids aus Teilchender Masse mα und der (vorzeichenbehafteten) Ladung qα benotigt

mαd~uαdt

= qα ~E + qα~uα × ~B

c(4.93)

wobei der Index α die Teilchenspezies kennzeichnet. Nach einer Fouriertransformationlasst sich Gl. (4.93) nach ~uα auflosen

ujα

(ωδij − i

qα|qα|

ΩαεijkBk

| ~B|

)= i

qαmα

Ei (4.94)

Hier wird die Zyklotronfrequenz Ωα eingefuhrt, die definiert ist als

Ωα =|qα|Bmαc

(4.95)

Aus den berechneten Fluidgeschwindigkeiten der einzelnen Spezies laßt sich jetzt derStrom bestimmen.

ji =∑α

qαnα(~uα)i (4.96)

Diese Gleichung soll nun in die Form des ohmschen Gesetzes gebracht werden. Dazuwird der Tensor τij eingefuhrt, fur den gelten soll:

(ωδij − iqα|qα|

ΩαεijkBk

| ~B|)τij = δil (4.97)

Daraus folgt die Form des Tensors

ταij =

ω2

ω2−Ω2α

isgn(qα)ωΩαω2−Ω2

α0

isgn(qα)ωΩαω2−Ω2

α

ω2

ω2−Ω2α

00 0 1

(4.98)

Unter Verwendung dieses Tensor wird Gl. (4.94) nach ~uα aufgelost:

uαi = iqαmα

τijEj (4.99)

In Gl. (4.96) eingesetzt liefert dies:

ji =∑α

iq2αnαmαω

Ejτij (4.100)

Diese Gleichung hat nun dieselbe Form wie das ohmsche Gesetz, daher laßt sich derLeitfahigkeitstensor direkt ablesen:

σij =iq2αnαmαω

τij (4.101)

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4 Wellen in Plasmen

4.11.1 Dispersionsrelation im kalten, magnetisierten Plasma

Durch die Kenntnis von τij sind der Dielektrizitatstensor εij und der Maxwell-OperatorΛij bekannt. Somit kann man nun die Losung des Gleichungssystems

ΛijEi = 0 (4.102)

suchen. Die Bedingung zur Losbarkeit dieses Systems ist

det Λ = 0 (4.103)

Es ist ublich, den Dielektrizitatstensor εij durch die Stix-Parameter (?) auszudrucken,

εij =

S −iD 0iD S 00 0 P

(4.104)

⇒ Λij =

S − n2 cos2 θ −iD n2 sin θ cos θiD S − n2 0

n2 sin θ cos θ 0 P − n2 sin2 θ

(4.105)

θ ist der Winkel zwischen ~k und ~B, wobei das geordnete Magnetfeld entlang der z-Achseorientiert ist. Außerdem wird der Brechungsindex n verwendet:

n =ck

ω(4.106)

Die Stix-Parameter lassen sich aus den vorhergehenden Uberlegungen leicht ermitteln:

S =12

(R+ L) (4.107)

D =12

(R− L) (4.108)

R = 1−∑α

ω2pα

ω2

ω

ω + Ωα(4.109)

L = 1−∑α

ω2pα

ω2

ω

ω − Ωα(4.110)

P = 1−∑α

ω2pα

ω2(4.111)

Dabei wurde die Plasmafrequenz ωpα definiert:

ωpα =

√4πnαq2

α

mα(4.112)

Mit den Stix-Parametern schreibt sich die Determinante als

det Λ = An4 −Bn2 + C (4.113)

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4.11 Fluidansatz

mit den Definitionen

A = P cos2 θ + S sin2 θ (4.114)B = (S2 −D2) sin2 θ + PS(1 + cos2 θ) (4.115)C = P (S2 −D2) (4.116)

Die Losung dieser biquadratischen Gleichung ist offensichtlich

n2 = n2± =

B ± F2A

(4.117)

wobei

F =√B2 − 4AC (4.118)

ist. Die exakte Losung ist in den meisten Fallen zu kompliziert, als daß sie verwendetwerden konnte. Da allerdings in dem betrachteten Wellenzahlbereich der Unterschiedzwischen der exakten Losung und der Naherung zu vernachlassigen ist, werden statt derexakten Losung Naherungen fur verschiedene Wellenzahlbereiche verwendet. In diesemFall also ω Ωi. Die X- und O-Moden als Grenzfalle fur θ = 0 bzw. θ = π/2, sowie dieWhistler-Mode (die sich im Bereich Ωe > ω > Ωi befinden) finden in dieser Arbeit keineBeachtung. Einzig die Losung der Alfven-Mode

ω2 = v2Ak

2 cos2 θ (4.119)

und der schnellen magnetosonischen Mode

ω2 = v2Ak

2 (4.120)

werden im Weiteren betrachtet. Die Alfven-Geschwindigkeit ist definiert uber:

vA =B0√

4πmini(4.121)

Man kann nebenbei sehr schnell sehen, daß fur den Fall paralleler Propagation sichdie Dispersionsrelationen

n2 = R (4.122)n2 = L (4.123)

ergeben.[Hier tollen Plot von Dispersionrelationen einfugen]

4.11.2 Dispersionsrelation im warmen, magnetisierten Plasma

Fur den Fall des warmen Plasmas mussen zum vorherigen Abschnitt analoge Ansatzegefunden werden. Eine vollstandige Losung ist nur im Rahmen einer kinetischen Theo-rie zu erwarten. Da hier allerdings nur ein bestimmter Wellenlangenbereich interessant

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4 Wellen in Plasmen

ist, namlich die niederfrequenten Wellen und außerdem der Fall eines kleinen Plasma-βzutrifft (β ist das Verhaltnis kinetischer zu magnetischer Energiedichte), kann man andieser Stelle den approximativen Ansatz von ? wahlen:

εij =c2

v2A

1 i ωΩi 0−i ωΩi 1 −iΩi

ω tan θ

0 iΩiω tan θ −Ω2

iω2

(1− c2

n2v2s cos2 θ

) (4.124)

+ i

√π

2ω2pi

ω2

c

nVe cos θ

0 0 00 2

(ωnVe sin θ

Ωec

)−i ωΩe tan θ

0 i ωΩe tan θ c2 cos2 θn2V 2

e

Mit diesem phanomenologischen Ansatz werden thermische Effekte in die Stix-Parameter

inkorporiert, und es ergeben sich nun drei Losungen: Neben der Alfven-Welle und derschnellen magnetosonischen Welle, die auch im kalten Plasma zu finden sind, gibt eseine langsame magnetosonische Welle. Die Dispersionsrelationen der beiden magnetoso-nischen Wellen sind dann:

ω2 =

k2v2

A1

1− v2sv2A

sin2 θschnelle magnetosonische Welle

k2v2s cos2 θ 1

1+v2sv2A

sin2 θlangsame magnetosonische Welle

(4.125)

Hierbei wurde die Schallgeschwindigkeit eingefuhrt, die in isothermen Plasmen definiertist als:

vs =√kBTemi

(4.126)

Neben der Methode von Stix zur Bestimmung der Dispersionsrelationen, ist es ublich,die Wellengleichung durch Storung der MHD-Gleichungen zu losen. Im nachsten Ab-schnitt wird dieses Verfahren detailliert beschrieben. Der Vollstandigkeit halber wirdhier bereits das Ergebnis fur die Dispersionsrelation vorweggenommen.

ω2 =

k2v2

A cos2 θ Alfven-Wellek2v2

A2

((1 + β) +

√(1 + β)2 − 4β cos2 θ

)schnelle magnetosonische Welle

k2v2A

2

((1 + β)−

√(1 + β)2 − 4β cos2 θ

)langsame magnetosonische Welle

(4.127)

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5 Kinetische Theorie

In diesem Kapitel soll nun die vollstandige Beschreibung und somit die Boltzmann-Vlasov hergeleitet werden.

5.1 Hamilton-Beschreibung

Zuerst wollen wir unser Plasma mit einem Hamilton-Operator beschreibenH = H(q1, q2, . . . , qf , p1, p2, . . . , pf ).Die qi, pi sind die generalisierten Koordinaten und Impulse der Teilchen, fur freie Teilchenhat jedes Teilchen jeweils drei Orts- und Impulskoordinaten.

Fur die Zeitentwicklung des Systems ergibt sich dann die Hamiltonsche Bewegungs-gleichung

qi =∂

∂piH (5.1a)

pi = − ∂

∂qiH (5.1b)

Der von den (3+3)n Koordinaten aufgespannte Raum ist der sogenannte Γ-Raum, jederZustand des Systems wird durch einen Punkt im Γ-Raum eindeutig beschrieben. Da dieHamiltonschen-Bewegungsgleichungen erster Ordnung in der Zeit sind, ist dem Punktnur einzige Trajektorie verbunden, die die Zeitentwicklung eindeutig beschreibt.

Jedem Punkt im Γ-Raum ist eine Geschwindigkeit assoziiert

~v = ~v(q1, q2, . . . , qf , p1, p2, . . . , pf ) (5.2)

Da eng benachbarte Punkte im Γ-Raum ahnliche Systeme beschreiben, entwickeln sichdiese auch ahnlich (Satz von Liouville). Nun wird eine Wahrscheinlichkeitsdichte fur dieSysteme entwickelt, die im Γ-Raum eine Kontinuitatsgleichung erfullen soll

∂ρ

∂t+

∂Γ· (ρ~v) = 0 (5.3)

Dabei wurde die partielle Ableitung im Γ-Raum eingefuhrt

∂Γ= ∇Γ =

(∂

∂q1,∂

∂q2, . . .

∂qf,∂

∂p1,∂

∂p2, . . .

∂pf

)(5.4)

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5 Kinetische Theorie

Setzt man dies nun in die Kontinuitatsgleichung ein, so erhalt man

∇Γ · ~v =f∑i=1

(∂qi∂qi

+∂pi∂pi

)(5.5)

=f∑i=1

(∂

∂qi

∂H

∂pi− ∂

∂pi

∂H

∂qi

)

=f∑i=1

(∂2H

∂qi∂pi− ∂2H

∂pi∂qi

)= 0

woraus folgt∂

∂Γ· (ρ~v) = ~v · ∂

∂Γρ (5.6)

Damit folgt nun (∂

∂t+ ~v · ∂

∂Γ

)ρ =

dt= 0 (5.7)

Was aus der Tatsache folgt, daß die Zahl der Systeme eine Erhaltungsgroße ist.Berechnet man das Volumenintegral der Phasenraumdivergenz∫

Γ∇Γ · ~vdτ =

∮Γ~v · d~S (5.8)

wobei

~v · d~S =d

dtτ (5.9)

dt= 0 (5.10)

dτ =f∏i=1

dqidpi (5.11)

Unter Berucksichtigung dieser Ergebnis laßt sich die Kontinuitatsgleichung mit denPoisson-Klammern schreiben

dt=∂ρ

∂t+ [ρ,H] (5.12)

Und dies ist eine Form des Liouville-Theorems.Zur Herleitung der Vlasov-Gleichung versuchen wir jetzt das Liouville-Theorem an-

zuwenden. Als erster Zwischenschritt soll dabei das dunne neutrale Gas betrachtet wer-den. Dieses unterscheidet sich vom Plasma allerdings durch das Fehlen langreichweitigerKrafte.

Nach Bogoliubov laßt sich die Boltzmann-Gleichung finden, wenn man eine Potenz-reihenentwicklung nach dem Parameter a durchfuhrt

a = nr30

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5.1 Hamilton-Beschreibung

n ist die Dichte und r0 die Reichweite der molekularen Krafte. a ist fur verdunnte Gaseklein gegen 1.

∂tf + ~v∇xf +~F

m∇vf =

(∂f

∂t

)coll

(5.13)

Fur Flussigkeiten ergibt sich ein großes 1, das ist gleichbedeutend mit einer erhohtenWahrscheinlichkeit von Kollisionen mit 3 oder 4 Teilchen. Da in der Boltzmann-Gleichungnur Binarstoße berucksichtigt werden, ist die Beschreibung nicht akkurat.

In Plasmen ergibt sich ein sehr großer Parameter a aus der Tatsache, daß die elek-tromagnetischen Krafte eine unbegrenzte Reichweite haben. Dies wird aber durch dieAbschirmung dieser Krafte relativiert. Es ergibt sich eine sogenannte Debye-Sphare umdie herum Teilchen die Krafte abschirmen. Der Radius dieser Sphare hangt von demVerhaltnis von kinetischer und elektromagnetischer Energie ab

δ =

√kBT

4πne2(5.14)

Damit ist die Reichweite der Krafte auf die Debye-Sphare begrenzt

a = nδ3 (5.15)

a ist dann zwar immer noch ein großer Parameter, aber jetzt drehen wir einfach dieArgumentation um: Wir nehmen jetzt an, daß die große Zahl von Teilchen ein Argumentfur glatte großskalige Felder ist. Das laßt sich zuruckfuhren auf die Idee, daß nur beikoharenter Bewegung signifikante Krafte auftreten.

Damit werden die intermolekularen Krafte auf makroskopische Felder abgebildet. Diesentspricht dem Bild eines Teilchens im Potential anderer Teilchen. Dieses Potential setztsich dann wiederum aus der unabhangigen Bewegung der Teilchen durch makroskopischeSummation zusammen. Von der Methodik entspricht dies dem Ubergang vom binarenStoßoperator der Boltzmann-Gleichung zu einem Feldoperator.

Um diesem Konzept treu zu bleiben soll nun neben dem Γ-Raum der µ-Raum ein-gefuhrt werden. Wahrend der Γ-Raum das Verhalten aller Teilchen beschreibt, beziehtsich der µ-Raum auf Einzelteilchen.

Nun betrachten wir eine Verteilungsdichte im µ-Raum fur die gilt

fα(~x,~v, t)d3x× d3v (5.16)

ist die Teilchenzahldichte im Intervall

(~x,~v), (~x+ d~x,~v + d~v)

womit wir das Liouville-Theorem in der Form

∂tfα +

∂xi(vifα) +

∂vi(aifα) = 0 (5.17)

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5 Kinetische Theorie

annimmt. Die Beschleunigung ai ist dann uber die großskaligen Felder gegeben

aα =eαmα

(~E(~x, t) +

1c~v × ~B(~x, t)

)(5.18)

Damit kann man eine analoge Form zur Boltzmann-Gleichung annehmen, wenn manannimmt, daß ∂aαi/∂vi = 0 ist. (Dies ist normalerweise bei der Lorentz-Kraft der Fall)

∂tfα + ~v∇xfα + aαi∇vf = 0 (5.19)

Wichtig ist hierbei die Tatsache, daß auf der rechten Seite keine Stoßterme zu findensind.

Zur Losung der Vlasov-Gleichung benotigt man dann noch den vollstandigen Satz vonMaxwell-Gleichung um das System selbstkonsistent zu gestalten

∇× ~E = −1c

∂t~B (5.20a)

∇× ~B =4πc~jext +

1c

∂t~D (5.20b)

∇ · ~B = 0 (5.20c)∇ · ~D = 4πρext (5.20d)

~D = ε · ~E + 4π ~P (5.20e)

~J =∂

∂t~P∑α

∫fα~vd

3v (5.20f)

ρ =∑α

∫fαd

3v = −∇ · ~P (5.20g)

5.2 Mikroinstabilitaten

Mit der nun gewonnenen Beschreibung des Plasmas uber uber die Vlasov-Gleichung kannman endlich kinetische Effekte beschreiben, die bisher unberucksichtigt geblieben sind.Einer der wichtigsten Effekte hierbei ist die Landau-Dampfung.

Wir wollen uns zuerst einmal nur einem einfachen durch die Vlasov-Gleichung beschrie-benen System widmen: Longitudinalwellen mit kleiner Amplitude mit einem statischenIonenhintergrund. Fur dieses System reicht folgende Untermenge der Gleichungen volligaus:

∂tf + ~v · ∇f − e

m~E · ∇vf = 0 (5.21a)

∇ · E = 4π(n0 −

∫fd3v

)(5.21b)

Als gute Plasmaphysiker linearisieren wir die Gleichungen

i(~k · ~v − ω)f1 −e

m~E1 ·

∂f0

∂~v= 0 (5.22a)

i~k · ~E1 = −4πen0

∫f1d

3v (5.22b)

58

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5.2 Mikroinstabilitaten

Aus dieser Gleichung kann man direkt durch Einsetzen folgern

~k · ~E1 + ω2p

∫d3v

~E1(∂f0/∂~v)

ω − ~k · ~v= 0 (5.23)

Da wir unsere Betrachtung von vorneherein auf longitudinale Wellen beschrankt ha-ben, wissen wir, daß E nur die Projektion von sich selber auf k sein kann

~E1 = ~E =~E · ~kk2

~k (5.24)

woraus folgt (1 +

ω2p

k2

∫d3v

~k · (∂f0/∂~v)

ω − ~k · ~v

)~E · ~k = 0 (5.25)

dabei ist die in Klammern stehende Große die Dielektrizitatsfunkion ε. Da wir die An-nahme gemacht haben, daß longitudinale Wellen vorliegen, ist ~E · ~k 6= 0. Um also dieobenstehende Gleichung zu erfullen muß

ε = 1 +ω2p

k2

∫d3v

~k · (∂f0/∂~v)

ω − ~k · ~v= 0 (5.26)

gelten. Diese Gleichung ist durch die Singularitat im Nenner schwierig zu bearbeiten.Physikalisch entspricht diese Singularitat der Resonanz von Teilchen der Geschwindigkeitv mit Wellen ω und k.

5.2.1 Langwellen-Naherung

Um die Dispersionsrelation aus der vorhergehenden Berechnung zu ermitteln, gehen wirzuerst von dem vereinfachten Fall der Langwellen-Naherung aus. Hierbei soll die Breiteder thermischen Verteilung vT klein sein und die Frequenz ω = ωp sein. Aus dem letztenAbschnitt wissen wir schon, daß fur den Fall longitudinaler Wellen ε = 0 gelten soll.

Da wir uns nun schon auf longitudinale Wellen beschrankt haben, konnen wir auchgleich uber die transversalen Richtungen integrieren. Mogen ~E und ~k in x-Richtungliegen

fl =∫ ∫

f(x, v, t)dvydvz (5.27)

Damit haben wir zwei von drei Dimensionen unseres Problems erschlagen und da wirohnehin uber weite Teile integriert haben, konnen wir auch gleich die Indizes fur gestorteund ungestorte Verteilung wegschmeißen.

ε = 1 +ω2p

k

∫ +∞

−∞dv∂f0/∂v

ω − kv(5.28)

Nun noch schnell partiell integrieren

ε = 1 +ω2p

k

(f0(v)ω − kv

|∞v=−∞ −∫ +∞

−∞f0(v)

k

(ω − kv)2

)(5.29)

= 0

59

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5 Kinetische Theorie

Da wir annehmen durfen, daß die Verteilungsfunktion in der Unendlichkeit verschwindet,kann man den ersten Term auch gleich verschwinden lassen

ω2p

∫ +∞

−∞dv

f0(v)(ω − kv)2

= 1 (5.30)

Der wahre Physiker entwickelt jetzt nach Potenzen von kv/ω

ω2p

ω2

∫ +∞

−∞dvf0(v)

(1 + 2

kv

ω+ 3

(kv

ω

)2

+ . . .

)= 1 (5.31)

Jetzt kann man Annahmen uber die Verteilungsfunktion f0(v) machen, am besten wirnehmen mal die Maxwell-Verteilung (gerade, einfaches Maximum) und schon verschwin-det die Halfte aller Terme

ω2p

ω2

(1 + 3

(k

ω

)∫ +∞

−∞v2f0(v)dv + . . .

)= 1 (5.32a)

ω2p

ω2

(1 + 3

(k

ω

)〈v2〉

)(5.32b)

Nun also zur Maxwell-Verteilung

f0(v) =√

m

2πkBTeexp

(− mv2

2kBTe

)(5.33a)

〈v2〉 =kBTem

(5.33b)

〈v4〉 = 3(kBTem

)2

(5.33c)

Aus der Tatsache, daß wir die Taylor-Reihe ausgefuhrt haben sollte auch gelten v < ω/k,zusatzlich soll die Geschwindigkeit noch unter der thermischen Geschwindigkeit liegt.Damit ist die Dispersionsrelation in niedrigster Ordnung

ω2 = ω2p (5.34)

Im nachsten Schritt setzen wir diese Naherungslosung in die nachste Korrektur ein

ω2 ' ω2p + 3k2〈v2〉 = ω2

p(1 + 3λ2Dk

2) (5.35)

Eine Folge dieser Anderung ist, daß die longitudinale Welle nun eine endliche Grup-pengeschwindigkeit besitzen

vG =∂ω

∂k= 3

v2T

ωPk (5.36)

60

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5.2 Mikroinstabilitaten

5.2.2 Landau-Dampfung

Erster Versuch

Fur den Fall der Langwellendampfung haben wir einen Korrektur-Term fur die Disper-sionsrelation gefunden, der von k2 abhing. Im nun folgenden Abschnitt nehmen wir an,daß es eine Losung der Form

ω = ωr + iγ (5.37)

Wobei der Imaginarteil γ ωrNun soll die bekannte Plemelj-Formel verwendet werden (Cauchy-Integral) kann man

die Dielektrizitatsfunktion mit Hilfe des Principal Value beschreiben, wobei es an derStelle ω = ωr ausgewertet wird

ε(ωr, k) = Pε(ωr, k)− iπω2p

k2f ′0

(ωrk

)(5.38)

Nun kann man die Frequenz um den Dampfungsteil erweitern

ε(ωr + iγ, k) = Pε(ωr, k)− iπω2p

k2f ′0

(ωrk

)+ iγ

[∂ε

∂ω

]ω=ωr

(5.39)

Dabei haben wir letztlich nur eine Entwicklung um den Punkt ωr gemacht. Fur dieAbleitung im letzten Term ergibt sich dann

[∂ε

∂γ

]ω=ωr

∂γ

∂ω= iγ

[∂ε

∂γ

]ω=ωr

1i

(5.40)

= γ

[∂ε

∂γ

]ω=ωr

= γ

(∂εr∂γ

+ i∂εi∂γ

)ω=ωr

Hieraus ergibt sich auch eine korrekte des Realteils, die aber auf Grund der Bedingungγ ωr vernachlassigt wird. Wenn nun die Bedingung ε = 0 fur die Longitudinalwellenerfullt sein soll, mussen sich der Imaginarteil und der Pol aufheben. Dazu setzen wirjetzt die Cauchy-Riemann-Bedingung an (Voraussetzung: analytische Funktion)

∂εi∂γ

=∂εr∂ωr

(5.41)

Daraus folgt dann

γ =ω2p

k2πf ′0

(ωrk

)/∂εr∂ωr

(5.42)

61

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5 Kinetische Theorie

Zweiter Versuch: Anfangswertproblem

Der eigentlich klassische Ansatz zur Losung der Vlasov-Gleichung (fur Longitudinalwel-len) ist die Losung des Anfangswertproblems nach Landau.

Zuerst soll in diesem Zusammenhang die Laplace-Transformation eingefuhrt werden

L(G(t)) = G(p) =∫ ∞

0exp(−pt)G(t)dt (5.43)

naturlich braucht man auch die Inversion dieser Transformation

L−1(G(p)) = G(t) =1

2iπ

∫ σ+i∞

σ−i∞exp(pt)G(p)dt (5.44)

Deutlich erkennt man, daß man entlang einer Gerade in der imaginaren Ebene integriert(das wird noch wichtig). Der Realteil von p moge vor jeder Verformung der Integrati-onslinie positiv sein.

[Fig 1]Bisher haben wir angenommen, die zeitliche Variation unserer Großen moge wie exp(i(kx−

ωt)) verlaufen. In der jetzt durchgefuhrten Laplace-Transformation kann der Faktorexp(−iωt) mit dem Faktor exp(pt) identifiziert werden.

Die bisherigen von uns gefundenen Moden lassen sich als Polstellen nach der Laplace-Transformation wiederfinden und durch Berechnung der Residuen bestimmen. Aus denVoraussetzungen fur p kann man nun folgern

exp(−iωt) = exp(−iωrt) exp(γt) (5.45)

also γ > 0, analog fur den Fall der umgekehrten Zeitabhangigkeit.Nun also zur Laplace-Transformation der Vlasov-Gleichung

pf1 − f1(0) + ikvf1 −e

mE∂f0

∂v= 0 (5.46)

ikE = −4πn0e

∫f1dv (5.47)

Wie jeder weiß, gilt fur Laplace-Transformationen

L

(∂G(t)∂t

)= pL(G(t))−G(0) (5.48a)

= pG(p)−G0 (5.48b)

und schon haben wir einen wundervollen neuen Satz an Gleichungen

f1(k, v, p) =1

p+ ikv

(f1(k, v, 0) +

e

mE(k, p)

∂f0

∂v

)(5.49a)

E(k, p) =4πn0ei

∫ +∞

−∞dvf1(k, v, 0)p+ ikv

(5.49b)

ε(k, p) = 1− iω2p

k

∫ ∞−∞

dvf ′0(v)p+ ikv

(5.49c)

62

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5.2 Mikroinstabilitaten

Nun soll noch eine zusatzliche Bedingung gestellt werden: f und seine Ableitungensollen analytische Funktionen sein. Nun konnen wir das elektrische Feld schreiben als

E(k, t) =1

2πi

∫ σ+i∞

σ−i∞dp exp(pt)

4πn0eik

∫ +∞−∞ dv f1(k,v,0)

p+ikv

1− ω2p

k2

∫ +∞−∞ dv

f ′0(v)

p+ikv

(5.50a)

(5.50b)

Sind nun die Verteilungsfunktionen f analytische, sind alle Singularitaten die Polstel-len der Nenner. Deshalb nimmt sich einfach der Integrationskurve an und verformt siedergestalt, daß wir die Polstellen umgehen.

Im speziellen nehmen wir an, daß die Polstellen gegeben durch

ε(k, p) = 0 (5.51)

links der imaginaren p-Achse liegen, dann folgt

E(k, t) =∑j

Rj exp(pj(k)t) +∫ −σ′+i∞

−σ′+i∞dp

exp(pt)2πi

E(k, p) (5.52)

die pj(k) sind die Nullstellen der Dielektrizitatsfunktion und das σ′ ist so bestimmt, daßder Integrationsweg links der imaginaren p-Achse liegt. Die Rj sind die Residuen

Rj = limp→pj

(p− pj)E(k, p) (5.53)

Um das Integral mussen wir uns keine Gedanken mehr machen, da es fur t → ∞ ver-schwinde (−σ′ kann beliebig negativ gewahlt werden!).

Im nachsten Schritt soll nun die Dampfungsrate fur die Landau-Dampfung bestimmtwerden. Dazu gehen wir zuruck auf den Ansatz

pt = −iωt⇒ pj(k) = −iωj(k)− γj(k) (5.54)

womit naturlich gilt

E(k, t) '∑j

Rj exp(−iωj(k)t) exp(−γj(k)t) (5.55)

Wenn wir nun die Definition des elektrischen Feldes einsetzen, so erhalten wir

E(k, t) =1

2πi

∫ −∞+iσ

+∞+iσd(−iω) exp(−iωt)

4πn0ek

∫ +∞−∞ dv f1(k,v,0)

kv−ω

1− ω2p

k2

∫ +∞−∞ dv

f ′0(v)kv−ω

=1

∫ +∞+iσ

−∞+iσdω exp(−iωt)

4πn0ek

∫ +∞−∞ dv f1(k,v,0)

v−ω/k

1− ω2p

k2

∫ +∞−∞ dv

f ′0(v)

v−ω/k

(5.56)

[Figure 3]

63

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5 Kinetische Theorie

Nun andern wir wie schon vorher den Integrationspfad derart, daß wir uns in der nega-tiven imaginaren Halbebene befinden und zwar soweit, daß wir unterhalb aller Polstellenverlaufen.

Dazu ist es notwendig, die Funktion E analytisch im negativ imaginaren fortzusetzen.Es wird dabei angesetzt

ε(ω, k) = 1−ω2p

k2h(ω/k) = 0 (5.57a)

h(ω/k) =

∫ +∞−∞

f ′0

v−ω/kdv =ω > 0

P∫ +∞−∞

f ′0

v−ω/kdv + iπf ′0(ω/k) sgn k =ω = 0∫ +∞−∞

f ′0

v−ω/kdv + 2iπf ′0(ω/k) sgn k =ω < 0

(5.57b)

Nun machen wir zuerst den Ansatz, daß γ ωr und setzen die Naherung =ω = 0 an.Daraus folgt

k2

ω2p

= h(ω/k) (5.58)

Setzt man den Ansatz fur h(ω/k) mit =ω = 0 ein (und verwendet die Ergebnisse ausdem vorhergehenden Kapitel uber die Langwellennaherung)

h(ω/k) = P

∫ +∞

−∞dv

f ′0(v)v − ω/k

+ iπf ′0(ω/k) sgn k (5.59a)

= P

∫ +∞

−∞dv

f0(v)(v − ω/k)2

+ iπf ′0(ω/k) sgn k (5.59b)

' k2

ω2

(1 + 3

k2〈v2〉ω2

)+ iπf ′0(ω/k) sgn k (5.59c)

Jetzt haben wir Real- und Imaginarteil(ωrk

)2=

(ωpk

)2(

1 + 3k4〈v2〉ω2

)(5.60a)

γ

k=

π

2

(ωrk

)3f ′0

(ωrk

)sgn k (5.60b)

Ob die Wellen gedampft werden hangt nun alleine vom Vorzeichen der Ableitung derVerteilungsfunktion ab.

Bei der physikalische Deutung dieser Abhangigkeit argumentiert man folgendermaßen:Bei einem positiven Vorzeichen der Ableitung gibt es mehr Teilchen, deren Geschwin-digkeit uber der Phasengeschwindigkeit der Welle liegen und es wird Energie von denTeilchen an die Welle ubertragen. Bei umgekehrten Vorzeichen verlauft die Argumenta-tion genau anders herum.

5.3 Welle-Teilchen-Wechselwirkung

Im vorangegangen Abschnitt wurde schon angedeutet, daß es einen resonanten Zusam-menhang von Welle und Teilchen geben muß. In diesem Abschnitt soll auf diesen Zu-sammenhang naher eingegangen werden.

64

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5.3 Welle-Teilchen-Wechselwirkung

Betrachtet man die Teilchen, die sich in Resonanz mit der Welle befinden, im Ruhesys-tem der Welle, so erkennt man, daß die Teilchen ein stationares, periodisches elektrischesFeld fuhlen. Dabei findet ein Energieaustausch statt, bei dem schnelle Teilchen Energiean die Welle geben und langsame Teilchen Energie gewinnen

[Figure 4]Fur den Fall einer eindimensionalen Maxwell-Verteilung (hier sind die langsamen Teil-

chen immer in der Uberzahl!) wird die Energie immer von der Welle an die Resonanz-Teilchen ubertragen, was immer zu einer Dampfung der Welle fuhrt.

Wenden wir uns nun der quantitativen Bestimmung des Energieubertrags zu. Gegebensei ein elektrisches Feld der Form

~E(x, t) = −∇φ (5.61)

außerdem gilt die Lorentz-Kraft im rein elektrostatischen Fall

md~v

dt= e

∂φ

∂x~ex = −e ~E(x, t) (5.62)

Jetzt soll unser Potential Wellenform annehmen

φ(x, t) = −Ek

sin(kx− ωt) (5.63)

Berechnet man nun die Energie eines Teilchens

E =12m

(dx

dt

)2

− eφ(x, t) (5.64)

so kann man unter Verwendung der Lorentz-Formel die Energieanderung auf die Poten-tialanderung zuruckfuhren

dE

dt=

d

dt(12mv2 − eφ(x, t))

= mvdv

dt− edφ

dt

= mvdv

dt− e(∂φ

∂x

dx

dt+∂φ

∂t)

= −e∂φ∂t

(5.65)

oder wenn wir uns wieder der Schreibweise mit elektrischem Feld bemachtigen

dE

dt= −eE1

kω cos(kx− ωt) (5.66)

Nehmen wir nun ein Teilchen an, daß bei Eintreffen der Welle eine Position ξ und dieGeschwindigkeit v0 haben mogen und dessen ungestorte Position mit x0(t) bezeichnetwird

x(t) = x0(t) + x1(t) (5.67a)v(t) = v0 + v1(t) (5.67b)

65

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5 Kinetische Theorie

Seien nun die gestorten Großen deutlich großer als die ungestorten, so kann man in ersterOrdnung fur die gestorte Geschwindigkeit annehmen

mdvtdt

= −eE!(x, t)

' −eE1 cos(kx0(t)− ωt)' −eE1 cos(k(ξ + v0t)− ωt)' −eE1 cos(kξ − at) (5.68)

wobei a = kv0 − ω.Diese Gleichung laßt sich dann auch einfach integrieren

v1(t) =eE1

ma[sin(kξ)− sin(at+ kξ)] (5.69)

x1(t) =eE1

ma

[1a

(cos(at+ kξ)− cos(kξ)) + t sin(kξ)]

(5.70)

Im Ausdruck fur den Ort beschreibt der erste Term in der eckigen Klammer die Teil-chenfalle fur a = 0, wahrend der zweite Term beschreibt, daß die Teilchen sich von derResonanz entfernen.

Nun zuruck zur Energieanderung

dE

dt= −eE1ω

kcos(k(x0(t) + x1(t))− ωt)

' −eE1ω

k(cos(kξ + at)− kx1(t) sin(kξ + at)) (5.71)

immer unter der Annahme, daß kx1(t) 1. Auch hier erkennt man den ausgepragtenEffekt in der Nahe der Resonanzstelle. Allerdings ist die hier beschriebene Methodemit (außerster) Vorsicht zu genießen: Der Fallenmechanismus ist stark nichtlinear, dielinearisierte Theorie somit nur von beschranktem Nutzen.

Zuletzt wollen wir noch die mittlere Energieanderung fur das gesamte Ensemble be-rechnen ⟨

dE

dt

⟩ξ,v0

=∫ ∞−∞

⟨dE

dt

⟩ξ

f0(v0)dv0 (5.72)⟨dE

dt

⟩ξ

=eE1ω

k〈kx1(t) sin(kξ + at)

=(eE1k)2

2m

(−ω sin(at)

a2+ωt cos(at)

a

)(5.73)

Echte Theoretiker fuhren jede Seite mindestens eine Variablentransformation, also wirauch

v0 =ω + a

k=ω

k+ u, u =

a

k(5.74)

66

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5.4 Herleitung der MHD-Gleichung aus der Vlasov-Gleichung

Was haben wir dadurch gewonnen? u ist in Resonanz eine kleine Große mit der Dimensioneiner Geschwindigkeit. Also schreiben wir die Energieanderung jetzt mit der Große u⟨

dE

dt

⟩=

(eE1k)2

2mP

∫ +∞

−∞f0

(ωk

+ u)[ωt cos(ktu)

ku− ω sin(ktu)

k2u2

]du (5.75)

Und schon konnen wir den Trick, daß u eine kleine Große ist ausnutzen: Wir entwickelndie Verteilungsfunktion nach u

f0

(ωk

+ u)

= f0

(ωk

)+ uf ′0

(ωk

)+ . . . (5.76)

Fur große kt hat das Integral seinen Hauptanteil bei u = 0 außerdem lassen wir den alleungeraden Anteile fallen⟨

dE

dt

⟩=

(ekE1)2

2mk

∫ ∞−∞

(−ωkf ′0

(ωk

)) sin(ktu)u

du

=πe2k2E2

1

2mk

(−ωkf ′0

(ωk

))(5.77)

5.4 Herleitung der MHD-Gleichung aus der Vlasov-Gleichung

5.4.1 Momentenbildung

Durch Momentenbildung der Vlasov-Gleichung sollen die makroskopischen Gleichungendes Plasmas entwickelt werden. Um auch nicht-ideale Prozesse zu berucksichtigen werdenInterspezies-Binarstoße eingebaut.

∂fα∂t

+ ~v · ∂fα∂~x

+qαmα

(~E +

~v × ~B

c

)· ∂fα∂~v

= Cα (5.78)

Der Operator Cα beinhaltet alle Stoße, in die Teilchen der Sorte α involviert sind. Erleitet sich aus den Stoßen zwischen Teilchen der Sorte α und beliebigen Sorten β durch

Cα =∑β

Cαβ(fα, fβ) (5.79)

her. Hier soll der Stoßoperator nur elastische Stoße beschreiben, da inelastische Stoßeerheblich komplizierter sind und auch die Umwandlung von Teilchen beinhalten, aller-dings wurde schon bei der Betrachtung der Linienkuhlung (Abschnitt ??) hervorgehoben,daß Prozesse wie die Stoßionisation eine untergeordnete Rolle im interstellaren Mediumspielen. Der Stoßoperator wird meist in der Form von ? angegeben.

Cα =∑β

(2π(qαqβ)2 log Λ

)∂

∂vα·∫ (

fβmα

∂fα∂vα− fαmβ

∂fβ∂vβ

)·(

Ig−~gα,β~gα,βg3

)d3~vβ

(5.80)

67

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5 Kinetische Theorie

Dabei bezeichnet gα,β die Geschwindigkeitsdifferenz (vα−vβ) und log Λ ist der Coulomb-Logarithmus, der sich aus dem Stoßparameter b fur Coulomb-Streuung und der Debye-Lange λD ergibt (naheres u.a. in ?). I ist die Identitatsmatrix.

Fur den Stoßoperator, der die elastische Streuung beschreibt, mussen bestimmte Ei-genschaften gelten:

• Er muß die Teilchenzahl erhalten. ∫Cαβd~v = 0 (5.81)

• Er muß den Impuls fur Stoße einer Teilchensorte erhalten.∫mα~vCααd~v = 0 (5.82)

• Er muß die Energie innerhalb einer Teilchensorte erhalten.∫12mα~v

2αCααd~v = 0 (5.83)

Aus den letzten beiden Eigenschaften folgt direkt, wie sich Energie und Impuls fur Stoßezwischen verschiedenen Teilchensorten verhalten:∫

mα~vCαβd~v +∫mβ~vCβαd~v = 0 (5.84)∫

12mα~v

2Cαβd~v +∫

12mβ~v

2Cβαd~v = 0 (5.85)

Fur die Gleichgewichtsverteilung nimmt man eine Maxwellverteilung an.

f0α =

(2πT/m)3/2e− m

2kBT(~v−~V )2

(5.86)

Wobei sich mit Hilfe des H-Theorems von Boltzmann (dessen Beweis sich u.a. in ? findet)zeigen laßt, daß jedes Plasma, das durch Kollisionen dominiert wird, eine Maxwellver-teilung annimmt. Mit einer gegebenen Verteilung lassen sich jetzt die makroskopischenGroßen n, ~V und T bestimmen.

nα(t, ~r) = 〈nα〉 =∫fα(t, ~r,~v)d~v (5.87)

~Vα(t, ~r) = 〈~vα〉 =1nα

∫~vfα(t, ~r,~v)d~v (5.88)

Tα(t, ~r) =mα

3〈(~vα − ~Vα)2〉 =

1nα

∫mα

3(~vα − ~Vα)2fα(t, ~r,~v)d~v (5.89)

68

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5.4 Herleitung der MHD-Gleichung aus der Vlasov-Gleichung

Nun werden analog zur Herleitung der idealen MHD-Gleichungen die Momente derVlasov-Gleichung (5.78) gebildet, dieses Mal allerdings unter Berucksichtigung des Stoß-termes Cα.

∂n

∂t+∂nVi∂xi

= 0 (5.90)

∂t(mnVi) +

∂xj(mn〈vivj〉)− qn

(Ei +

1c

(~V × ~B)i

)=

∫mviCd~v (5.91)

∂t

(12mn〈v2〉

)+

∂xi

(12mn〈v2vi〉

)− en~E · ~V =

∫12mv2Cd~v (5.92)

Die Indizes i, j beziehen sich hierbei auf die Koordinaten.Fur die weitere Analyse wird jetzt die Geschwindigkeit ~v in eine mittlere Komponente

~V und eine fluktuierende Komponente ~v′ aufgeteilt.

~v′ = ~v − ~V (5.93)

Daraus folgt, daß 〈~v′〉 = 0 gilt. Außerdem soll im Weiteren die substantielle Ableitungverwendet werden

d

dt=

∂t+ (~V · ∇) (5.94)

Mit diesen Annahmen lassen sich die Kontinuitatsgleichung (5.90) und Gl. 5.91 zurImpulstransportgleichung zusammenfassen

mndVidt

= − ∂p

∂xi− ∂πij∂xj

+ en

(Ei +

1c

(~v × ~B)i

)+Ri (5.95)

Dafur werden einige neue Großen definiert: Der Druck

p =13nm〈v′2〉 = nT (5.96)

sowie der Spannungstensor

πij = nm〈v′iv′j −13v′2δij〉 (5.97)

wobei Spannungstensor und Druck zusammen den Drucktensor Pij = πij +pδij ergeben.Die letzte Große, die definiert wird, ist ~R, die den Transfer von Impuls durch Stoßebeschreibt.

~R =∫m~v′Cd~v (5.98)

Indem man Gl. (5.92) auf demselben Wege transformiert, erhalt man die Energietrans-portgleichung.

∂t

(12nmV 2 +

32nT

)+

∂xj

((12nmV 2 +

52nT

)Vj + (πijVi) + qj

)= en~E ·~V + ~R·~V +Q

(5.99)

69

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5 Kinetische Theorie

Die Großen ~q und Q beschreiben dabei den Warmetransport durch das Plasma und diedurch Kollisionen erzeugte Warmemenge.

~q =∫

12mv′2V fd~v = nm〈1

2v′2~v〉 (5.100)

Q =∫

12mv′2Cd~v (5.101)

Die Großen ~R undQ lassen sich zueinander in Verbindung setzen, wenn man berucksichtigt,daß der Stoßoperator Energie und Impuls erhalt. Daraus folgt, daß bei Stoßen zwischenzwei Spezies fur den Impulstransport gilt.

~Rαβ = −~Rαβ (5.102)

Damit gilt fur die netto erzeugte Warmemenge:

Qαβ +Qβα = −~Rαβ ~Vα − ~Rβα~Vβ = −~Rαβ(~Vα − ~Vβ) (5.103)

Die linksstehende Summe steht fur den Austausch von Warme von Spezies α nach β undden umgekehrten Austausch. In einem nicht-dissipativen System sollte diese Summe 0sein.

Mit der Kenntnis der Energie- und Impulstransportgleichung lassen sich jetzt fur denhier betrachteten Fall eines einfachen zweikomponentigen Plasmas die Transportpara-meter bestimmen.

Bei der Berechnung der Dampfungsraten werden verschiedene Parameter benotigt,von denen die wichtigsten die Stoßzeiten fur Elektronen und Ionen sind (?):

τe =3√meT

3/2e

4√

2π log Λe4Z2ni=

3.5 · 104

log Λ/10T

3/2e

Zn(5.104)

τi =3√miT

3/2i

4√π log Λe4Z2ni

=3.0 · 106

log Λ/10T

3/2e

Zn(5.105)

Die numerischen Werte gelten fur Temperaturen T in Elektronenvolt.

5.5 Stix-Parameter in der kinetischen Beschreibung

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6 Instabilitaten

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