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Prof.Adler_Prof.vonBoetticher_Skript_Sozialmanagement-Stand-28072016 (zum IVZ ) Seite 1 Prof. Dr. Reiner Adler Prof. Dr. Arne von Boetticher EAH Jena FB Sozialwesen Einführung in das Sozialmanagement Dritter Sektor-Dritte Kraft Aufbau und Zielsysteme der NPO Leistungserbringungsrecht Rechnungswesen Gemeinnützigkeit Rechtsformen Organisationslehre Projektmanagement Qualitätsmanagement Marketing Fundraising

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Prof.Adler_Prof.vonBoetticher_Skript_Sozialmanagement-Stand-28072016 (zum IVZ) Seite 1

Prof. Dr. Reiner Adler

Prof. Dr. Arne von Boetticher

EAH Jena FB Sozialwesen

Einführung in das Sozialmanagement

Dritter Sektor-Dritte Kraft

Aufbau und Zielsysteme der NPO

Leistungserbringungsrecht

Rechnungswesen

Gemeinnützigkeit

Rechtsformen

Organisationslehre

Projektmanagement

Qualitätsmanagement

Marketing

Fundraising

Prof.Adler_Prof.vonBoetticher_Skript_Sozialmanagement-Stand-28072016 (zum IVZ) Seite 2

InhaltsverzeichnisWas sind die Themen und Ziele der Module Sozialmanagement?......................................5

Dritter Sektor-Dritte Kraft.................................................................................................... 6

Im Bauch der NPO.............................................................................................................. 9

Was machen die da oben eigentlich?................................................................................9

Der Strom aus der Steckdose und das Geld aus dem Automaten..................................11

Regiert Geld die NPO-Welt?............................................................................................15

Das Geld der Anderen: Externes Rechnungswesen des Vereins......................................18

Soll und Haben: Kaufmännisches Rechnungswesen......................................................20

Erbsenzähler: Inventur und Inventar...............................................................................20

Abschreiben erlaubt: AfA.................................................................................................22

Bilanz ziehen....................................................................................................................22

Augen auf: Bilanzanalyse................................................................................................23

Doppikes Lottchen...........................................................................................................24

Haste was, biste was: GuV..............................................................................................26

Damit muss man rechnen: Internes Rechnungswesen.....................................................27

Jetzt wird abgerechnet: BAB...........................................................................................28

Kalkulation: Der Preis ist heiß..........................................................................................28

Gemein und nützlich = Gemeinnützig?.............................................................................30

Übertreten verboten: Grundsätze der Gemeinnützigkeit.................................................31

Einesteils der Steuer wegen: Konsequenzen der Gemeinnützigkeit..............................33

Knapp an der Steuer vorbei: Einnahmebereiche der gemeinnützigen Körperschaft......33

Vorsicht: Sponsoren können die Sporen geben!.............................................................35

Wenn das Finanzamt zweimal klingelt............................................................................35

Kleider machen Firmen: Rechtsformen.............................................................................37

Einzelkämpfer..................................................................................................................37

Mit gefangen - mit gehangen: Personengesellschaften..................................................38

Ohne Knete keine Fete: Kapitalgesellschaften...............................................................39

Von Stiften und Genossen: Typische Rechtsformen im Dritten Sektor...........................41

Vereinsmeier aufgepasst.................................................................................................43

Qual der Rechtsformwahl................................................................................................48

Rechtsformen im Überblick..............................................................................................49

Organisation ist alles!?.....................................................................................................51

Aufbauorganisation: Von Kästchen und Linien................................................................51

Kurzen Prozess machen: Ablauforganisation..................................................................54

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Projektmanagement.......................................................................................................... 55

PISTE-Projektphasen .....................................................................................................56

PSP und Netzplan............................................................................................................57

Projektteam und Entscheidungen in Projekten...............................................................59

Gratis-Ressourcen für das Projektmanagement.............................................................60

Qualitätsmanagement....................................................................................................... 61

Professionalisierung der Sozialarbeit durch Qualität.......................................................61

Qualitätsnorm ISO 9000ff................................................................................................62

ISO 9000 QM-Grundsätze...............................................................................................63

Kundenorientierung.....................................................................................................63

Führung:......................................................................................................................66

Engagement von Personen.........................................................................................68

Prozessorientierter Ansatz..........................................................................................70

Ständige Verbesserung...............................................................................................72

Faktengestützte Entscheidungsfindung:.....................................................................74

Beziehungsmanagement.............................................................................................75

Dokumentation des QM...................................................................................................77

Die Sozialeinrichtung zu Markte tragen: Marketing im Dritten Sektor................................78

Sag mir wo die Kunden sind: Bedingungen und Konsequenzen des Sozialmarketing. .78

Tit for Tat: Marketing als Austauschkonzept....................................................................80

Der Kunde im Mittelpunkt und ständig im Weg...............................................................81

Unerträgliche Schwierigkeit der Dienstleistung...............................................................83

Ein guter Ton braucht viel Luft: Marketinginstrumente....................................................85

Kompass im Sozialmarkt: Marketingziele & Strategien...................................................88

Gerüttelt-nicht gerührt: Marketing-Mix.............................................................................89

Produkt-/Angebotspolitik..............................................................................................89

Preis- und Gegenleistungspolitik.................................................................................90

Distributionspolitik........................................................................................................91

Kommunikationspolitik.................................................................................................92

Personalpolitik.............................................................................................................93

Internet und Marketing.....................................................................................................93

Fundraising: Spender an der Angel - nie mehr Mittelmangel.............................................94

Daten zum Fundraising....................................................................................................95

Grundregeln im Fundraising............................................................................................96

Fragen zur Bearbeitung des Skripts und zu den Modulen.................................................97

Anmerkungen und Literatur............................................................................................101

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Prof.Adler_Prof.vonBoetticher_Skript_Sozialmanagement-Stand-28072016

Druckdatum 28.07.16

Skript ausschließlich zur Verwendung eingetragener SeminarteilnehmerInnen.

Vervielfältigungen außerhalb der Seminargruppe sind wegen urheberrechtlicher Bedingungen absolut untersagt!

Vielen Dank für Ihre Verbesserungsvorschläge an [email protected]

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Was sind die Themen und Ziele der Module Sozialmanagement?

Im ersten Modul wird der Dritte Sektor analysiert hinsichtlich der Entstehung und Besonderheiten. Daran schließt sich eine Übersicht zum Betriebsaufbau sozialer Or-ganisationen an. Nach einer Gegenüberstellung der verschiedenen Finanzierungsfor-men im Dritten Sektor werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Zielsyste-men der NPOs und der gewerblichen Wirtschaft diskutiert. Im Lernbereich Rech-nungswesen werden Grundlagen des externen und internen Rechnungswesens ver-mittelt, wie Buchführung, Jahresabschluss, Kostenartenrechnung, Kostenstellenrech-nung und Kalkulation. Im Lernbereich zur Gemeinnützigkeit werden die Vorausset-zungen und Konsequenzen der Gemeinnützigkeit sozialer Organisationen studiert, wozu die Einnahmebereiche, steuerlichen Bedingungen und Gemeinnützigkeits-grundsätze zählen. Zusammen mit dem Lernbereich Marketing erschließt sich damit auch das Fundraising. Im Lernbereich Rechtsformen geht es um typische rechtliche Gestaltungen der Organisationen im Dritten Sektor, insbesondere um den Verein und seine Grün-dung, Stiftung und Genossenschaft sowie um Gesellschaften wie die GbR und die GmbH. Diskutiert wird auch die Bedeutung der Selbständigkeit in der Sozialarbeit und der Freiberuflichkeit.

Qualifikationsziele: Sie werden zum Verständnis der betrieblichen Funktionen so-zialer Unternehmen motiviert. Sie sollen ihre Erwartungen an das Management bei den zuständigen Organisationseinheiten artikulieren können. Sie können mit dem Management der Sozialorganisation wirkungsvoll kommunizieren. In dem Sie die Er-wartungen, Denk- und Handlungsweisen des Managements verstehen, können Sie Ihre Ziele besser erreichen. Sie können Reorganisation und Wandel zu Ihrem Vorteil unterstützen. Das Thema Sozialmanagement möchte Sie zur Übernahme von Funk-tionen des mittleren Managements ermutigen. Sie erhalten die Grundlagen für späte-re Qualifizierungsmaßnahmen im Managementbereich. Sie sollten anschließend in der Lage sein, Managementthemen für die Professionalisierung der Sozialarbeit ein-zusetzen. Sie können das Gelernte (v.a. zum Rechnungswesen) auch gut für die ei-gene berufliche Selbständigkeit verwenden.

Im zweiten Modul werden im Lernbereich Marketing die allgemeinen Marketing-grundlagen gelegt und für das Verständnis von Fundraising und Personalmarketing spezifiziert. Auf Besonderheiten des Fundraisings wird am Ende des Skripts einge-gangen. Im Lernbereich Qualitätsmanagement bearbeiten wir die sieben Qualitäts-grundsätze der ISO 9000 und übertragen diese auf die Sozialarbeit. Kontrastierend werden andere Formen der Qualitätssicherung (z.B. im Lernbereich Organisations-ziele) in der Sozialarbeit vorgestellt. Im Lernbereich Organisationslehre wird die Or-ganisation der Sozialeinrichtungen thematisiert. Dazu werden die Aufbau- und Ablau-forganisation analysiert. Grundlegende Organisationstheorien werden angesprochen und auf die Praxis angewendet. Im Zusammenhang damit werden Grundlagen des Projektmanagements vermittelt.

Der Lernbereich Personalmanagement ist nicht explizit im Skript integriert, weil in den Nachbarmodulen der Psychologie bereits wesentliche Aspekte der Teamarbeit und des Selbstmanagements (Supervision, Gesprächsführung, Konfliktumgang, Me-diation etc.) bearbeitet werden. In den Lernbereichen Qualitätsmanagement und Or-ganisation werden Aspekte der Mitarbeiterorientierung und Aufbauorganisation the-matisiert. Im Kapitel Projektmanagement werden Hinweise zu Motivation und Team-arbeit gegeben.

Qualifikationsziele: Im zweiten Modul werden Sie zum Verständnis der Organisati-on sozialer Unternehmen, der Bedingungen von Marktorientierung, Kundenzufrieden-heit und Qualitätsverbesserung sozialer Unternehmen motiviert. Damit können Sie

Sie werden neben dem Skript weitere Literaturhinweise erhal-ten. Für eigene Recherchen und Vertiefungen wird häufig auf Wiki-pedia zugegriffen.

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Erwartungen an das Personalmanagement, Qualitätsmanagement und Marketing bei den zuständigen Organisationseinheiten fundiert artikulieren. Sie können Grundlagen der Qualitätssicherung und –verbesserung im eigenen Arbeitsbereich anwenden. Sie werden die Erwartungen, Denk- und Handlungsweisen des Qualitäts- und Marketing-managements sowie des Organisations- und Personalmanagements verstehen und können dadurch Ihre eigenen Ziele besser erreichen. Sie können Anforderungen an das Fundraising einer NPO formulieren. Sie werden Reorganisation und Wandel durch Anwendung des Qualitäts- und Projektmanagements unterstützen können. Dieses Modul soll Ihre Eignung zur Übernahme von Funktionen des mittleren Mana-gements v.a. im Qualitätsmanagement (z.B. als interne AuditorIn) verbessern. Sie können das Gelernte v.a. bzgl. Rechtsformen und Projektmanagement aber auch Or-ganisationsgestaltung, Marketing und Qualitätsmanagement für die eigene berufliche Selbständigkeit (Existenzgründung) verwenden. Die inhaltliche Ausgestaltung und Abfolge der Module kann variieren.

Wie wird die Prüfung ablaufen? Die beiden Module werden im Bachelorstudiengang jeweils mit einer Klau-sur über 60 Minuten als Prüfungsleistung abgeschlos-sen. Für die Teilnahme an der Klausur müssen aber je Modul zwei Prüfungsvorleistungen eingereicht und be-standen sein. Gegebenenfalls werden die beiden PVLs zu einer Sammel-PVL zu-sammengefasst. Im StudIP finden sich Beispiele für Prüfungsaufgaben. Dort sind auch Fragen zur Bearbeitung des Skripts formuliert. Für den Masterstudiengang ist dieses Skript als Einführung in die verschiedenen Themen zu verstehen, deren weit -gehende Kenntnis vorausgesetzt wird. Im Seminar werden die Themen erheblich ver-tieft, angewendet und problematisiert! Die Module werden dort durch eine Falllösung geprüft.

Dritter Sektor-Dritte Kraft

Seit Friedrich Hegel (1821) hat sich die Unterscheidung von Staat, Wirtschaft und Bürgern mit jeweils eigener Rationalität etabliert. Der Gesellschaftsbereich jenseits von Staat und Wirtschaft wird deshalb oft als Bürger- oder Zivilgesell-schaft bezeichnet. Seine Bedeu-tung als eigenständiger Gesell-schaftsbereich steigt historisch in Phasen politischer und ökonomi-scher Krisen durch die Entfaltung kompensatorischer Leistungen.

Später entsteht die Idee eines dritten, alternativen Sektors, der nicht nur neben, sondern konkurrierend zu den beiden anderen Sektoren Staat und Wirtschaft als „Dritte Kraft“1 steht. Das sind in Deutschland v.a. gemeinnützige Organisationen, ob als kleine Bürgerinitiative oder als Wohlfahrtskonzern.

Am Dritter-Sektor-Ansatz wird kritisiert, dass er eine unübersehbare Heterogenität bündelt, vom Sport, über die Kultur bis in das Soziale. Im Dritten Sektor finden sich neben wirtschaftlich mächtigen Sozialkonzernen auch kleine engagierte Vereine oder uralte Stiftungen. Die öffentliche Subventionierung eignet sich seit der Banken- und Finanzkrise nicht mehr zur Unterscheidung von Sektoren! Zunehmend wird auch der informelle Bereich der privaten Haushalte als vierter Sektor in das Modell einbezo-gen.

Die Prüfungsvorleistungen sind kleine Aufgaben zur Vertiefung, Ergänzung oder Wiederholung. Dadurch wird die Klausur deutlich verkürzt und vereinfacht!

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Anhand einiger Definitionsmerkmale lassen sich Spezifika der Organisationen im Dritten Sektor ausmachen:

• Weder gibt es hier einen echten Markt noch eine freie Preisbildung.

• Es gibt ein Bündel spezieller Gesetze, z.B. zu Rechtsformen oder zum Steu-errecht, die eine juristische Eingrenzung erlauben.

• Aus wirtschaftlicher Perspektive ist ein großer Anteil von Einnahmen z.B. durch Spenden oder Mitgliedsbeiträge ohne materielle Gegenleistung ty-pisch.

• Außerdem verfolgen sie primär wertorientierte und gemeinwohlrelevante Zie-le statt Rendite- oder Gewinnmaximierung für die Eigentümer.2

• Typisch ist auch die mitgliedschaftliche Verfassung (Verein und Genossen-schaft), mit der Einzelne in einem ökonomisch, organisatorisch und politisch wirksameren Kollektiv ihre angestrebten Ziele erreichen möchten.

Als angestellte Sozial-pädagogin in einem Wohlfahrtsverband lernt man hiervon aber meist nur die Schat-tenseiten kennen: Lange Entscheidungs-wege, geringes Ein-kommen, kleine Orga-nisationen mit wenig Aufstiegspotenzial aber überhöhten Erwartungen an das Enga-gement der Beschäftigten. Leider unterscheiden sich NPOs insofern nicht von gewerblichen kleineren Unter-nehmen!

Die Ursachen zur Entstehung des Dritten Sektors wer-den zum einen im Staats- und Marktversagen gesehen. Erstens kann der Markt den Bedarf der erforderlichen und kollektiv erwünschten Güter nicht immer decken (z.B. Therapie). Zweitens kann der Staat wegen der po-litischen Abstimmungsprozesse nicht immer den not-wendigen Konsens herstellen. Drittens kann der Staat nicht immer die Verteilung (Allokation) von Ressourcen angemessen zur Befriedigung der sozialen oder kultu-rellen Bedürfnisse organisieren: „Die Funktion von Non-profit-Organisationen liegt also darin, die unbefriedigte Nachfrage nach kollektiven Gütern zu decken, bei de-ren Bereitstellung sowohl der Markt als auch der Staat versagen.“3 Tatsächlich versucht der Staat aber auch ein mögliches ´Philantrophieversagen´ (z.B. durch die Stiftungsaufsicht oder das Gemeinnützigkeitsrecht) zu verhindern.

Ein weiterer Grund für die Entstehung von NPOs liegt im Kontrollproblem möglicher Anbieter beispielsweise von sozialen Dienstleistungen. Oft ist der Klient als Dienstleistungsempfänger nicht auch der Auftraggeber oder der Finanzier. Noch dazu ist der Klient eventuell in einer krisenartigen Notlage, die eine vorherige Informationssammlung über mögliche An-bieter verhindert. Der Klient als Prozesskunde und die Gesellschaft (durch den Staat als Auftraggeber vertreten) möchten also verhindern, dass ein Sozialdienstleister sei-

Der Dritte Sektor steht nicht nur für den Unterschied Staat/Wirtschaft. Damit ist ein eigenständiger Gesellschaftsbereich gemeint, der sowohl bürgerschaftliches Engagement als auch Alternativen des Wirtschaftens vertritt. Die Abgrenzung wird aber zunehmend schwierig. Viele NPOs mit gewerblichen Zweigen und Rechtsformen verstehen sich als Sozialunter-nehmen. Die Bewertung der Sozialarbeit unter Effektivitäts- und Effizi-enzaspekten, die Konzentration auf Spendenwerbung und die Abhängig-keit vom Sozialstaat führen zu Identitätskonflikten im Dritten Sektor. Im Text werden Sozialorganisationen, Dritter-Sektor-Organisationen und NPOs der Einfachheit halber synonym verwendet.

Abbildung 1: Erwerbstätige im Branchenver-gleich, Handelsblatt 09.01.09

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ne vorteilhafte Position egoistisch ausnützen kann. Das mit der Gemeinnützigkeit verbundene Gewinnausschüttungsverbot bewirkt zum Beispiel eine Auswahl von ide-ell motivierten und vertrauenswürdigen Anbietern. Die Kombination von Gemeinnüt-zigkeit und Mitgliedsorganisation wie Verein oder Genossenschaft verstärkt diesen Effekt.

Auf die Akteure konzentriert sich dagegen der Erklärungsversuch, dass „Moralunter-nehmer“ getrieben von einer Mission oder der ideellen Konkurrenz (z.B. eine andere Reli-gion oder Weltan-schauung) die Gründung und Entwicklung von NPOs vorantrei-ben. Damit stellt die NPO eine Form der Rekru-tierung von neuen Mitgliedern einer Organisation über das Angebot von Dienstleistungen dar.

Viele Ansätze zur Begründung von NPOs sind konfliktgetragen: Die NPO bügelt Markt- und Staats-versagen aus, oder sie ist Garant bürgerlicher Frei-heit gegen den übermächtigen Staat oder Markt. Abgesehen von eher partner-schaftlichen Be-ziehungen operie-ren und entwickeln sich die verschiedenen Teilsysteme aber meist unabhängig von einander. Systemtheoretisch bringen sie sich sogar ab und an in eine störanfällige Position, um sich beeinflussbar und ´programmierbar´ für andere zu machen. Kein Sektor aber kann und will ohne den anderen existieren, weshalb eher von einer Inter-dependenzbeziehung auszugehen ist. Deren Intensität und Ausgestaltung könnte aber von den wohlfahrtsstaatlichen Ausgestaltungen abhängen, je nachdem ob es sich eher um ein liberales (England) oder konservatives (Deutschland) oder ein skan-dinavisch-sozialdemokratisches Wohlfahrtsmodell handelt.4

Im idealtypisch für Deutschland geltenden ´korporatistischen Modell´ „wird der Non-profit-Sektor als einer von mehreren ´vormodernen´Mechanismen vom Staat bewusst erhalten, um die Unterstützung wichtiger gesellschaftlicher Eliten zu sichern und gleichzeitig radikaleren sozialreformerischen Forderungen die Basis zu entziehen.“5

Abb. 1: Auszug Gutachten Monopolkommission 1996/97, IDW 2004: 33

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Als ´korporatistisches Modell´ bezeichnet man die traditionelle Arbeitsteilung zwi-schen öffentlichen Sozialleistungsträgern und gemeinnützigen Trägern der freien Wohlfahrtspflege, bei dem Letztere vorrangig die Erbringung der Sozialleistung über-tragen wurde gegen Deckung der Selbstkosten. Dieses korporatistische Geflecht be-findet sich mit der Einführung bzw. der Betonung wettbewerblicher Strukturen im Leistungserbringungsrecht in den verschiedenen Sozialleistungsgesetzen (im SGB VIII durch die Einführung der §§ 78a ff.) seit Mitte der neunziger Jahre in Auflösung. Sofern im Gesetz ´freie Träger´ angesprochen sind, z.B. in § 3 Abs. 2 SGB VIII, ist dieser Begriff nicht auf frei-gemeinnützige Träger begrenzt, sondern kennzeichnet den Gegensatz zu ´öffentlich-rechtlich´ im verwaltungsrechtlichen Sinne. Er steht so-mit für alle privat-rechtlichen Organisationsformen und bezieht dementsprechend als Oberbegriff sowohl frei-(oder privat-)gewerbliche Anbieter als auch frei-(oder privat-)gemeinnützige mit ein.

Die vorgestellten Theorien können aber NPOs ohne Dienstleistungsorientierung nicht erklären, wie gesellige Vereine oder Stiftungen. Außerdem wird nur eine Funk-tionalität erster Ordnung unterstellt. Was aber, wenn NPOs „überleben, nicht obwohl, sondern weil sie (…) an Effizienz versagen, nicht obwohl, sondern weil sie nur be-grenzte Lernfähigkeit und Responsivität aufweisen, daß ihr Erfolg darin liegt, daß sie notorisch scheitern.“?6

Im Bauch der NPO

Organisationen verfolgen Ziele, sie haben eine arbeitsteilige Struktur und sind auf Dauer ausgerichtet. Nicht alle Organisationen sind auch Unternehmen mit wirtschaft-licher Zielstellung. Das gilt insbesondere für Organisationen im Dritten Sektor.7 Sie sind weder dem Staat noch der Wirtschaft eindeutig zuzuordnen. Solche Non-Profit-Organisationen (NPO) verfolgen zwar nicht primär wirtschaftliche Ziele. Sie dürfen aber durchaus Profite erwirtschaften, wenn diese nicht außerhalb des gemeinnützi-gen Zwecks eingesetzt werden. Alle Organisationen müssen wirtschaften, da sie sich von der Umwelt unterscheiden und von ihr Ressourcen benötigen.8 Diese Ressour-cen sind knapp. Um sie konkurriert die NPO mit anderen Gesellschaftsbereichen. Mit der Größe einer Organisation nimmt auch deren Arbeitsteilung und Komplexität zu. In diesem Kapitel werden zunächst die verschiedenen Funktionsbereiche eines Sozial-unternehmens beschrieben, was je nach Größe variiert. Anschließend wird ein Blick auf die Finanzierung des Dritten Sektors geworfen. Zum Schluss kommen verschie-dene Ziel- und Strategiekonzepte zur Diskussion.

Was machen die da oben eigentlich?

Kern des Sozialunternehmens ist die Sozialdienstleistung als Produktionsbereich. Die Kunden sind zunächst die Klienten, denn auf sie sind die Dienstleistungsprozes-se ausgerichtet. Oft werden die Sozialdienstleistungen aber nicht von den Klienten selbst, sondern von Sozialversicherungen oder -behörden in Auftrag gegeben und bezahlt. Damit sind auch diese Kunden der NPO.

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Wenn die Klienten nicht selbst, sondern deren rechtli-che Vertreter den Vertrag mit der NPO schließen oder dafür verantwortlich sind, haben auch diese Kundenstatus. Es gibt für eine NPO den Kunden also nicht. Vielmehr sind es verschiedene Kundenrollen, deren Erwartungen gewichtet und erfüllt werden müssen.

In einer NPO müssen ver-schiedene Funktionen erfüllt werden, die in kleinen Organi-sationen in der Leitungsstelle kombiniert und in großen Or-ganisationen auf spezialisierte Stellen und Abteilungen verteilt werden: Das Qualitätsmana-gement kümmert sich darum, dass die Kundenerwartungen ermittelt und erfüllt wer-den. Es sorgt für eine glaubwürdige Darlegung der Qualitätssicherung durch die Do-kumentation im Qualitätshandbuch. Durch Qualitätsprüfungen (Audits) und Fehler-verarbeitung liefert das Qualitätsmanagement Informationen über Stärken und Schwächen der Organisation. Energie, Arbeitsumgebung und Büromaterial sind wich-tige Ressourcen, die zur Dienstleistung kombiniert werden. Die Ressourcen werden durch die Beschaffungsfunktion bereitgestellt, z.B. im Einkauf.

Um das Personal als wichtigste Ressource kümmert sich das Personalwesen. Hier werden die Personalbeschaffung und -verwaltung (Lohnabrechnungen), Verträge und betrieblichen Sozialangebote betreut. Mit Personal sind die Menschen gemeint, um die es neben den Klienten vor allem geht. In Anbetracht der vergleichsweise geringen Vergütung sind in NPOs die Themen Motivation und Organisationskultur besonders wichtig. Sozialorganisationen müssen sich mehr als andere fragen lassen, wem sie gehören, für wen sie eigentlich da sind und wessen Ziele sie verfolgen (vgl. Abb.).

Das Rechnungswesen sammelt die wirtschaftlichen Informationen (Belege, Buchun-gen, Inventur) und erstellt daraus einen Bericht (Bilanz) zur wirtschaftlichen Lage der NPO für Eigentümer, Spender und Geldgeber. Hier werden auch Pflegesätze oder Ausschreibungen kalkuliert, damit nicht nur die Kosten gedeckt, sondern auch zu-künftige Investitionen und Arbeitsplätze gesichert bleiben.

Im Marketing werden Beschaffungs- und Absatzmärkte mit Strategien und dem Mar-keting-Mix bearbeitet. Dazu zählt auch das Spendenmarketing (Fundraising) oder das Werben um Ehrenamtliche. Die Marktforschung besorgt dafür die notwendigen Informationen. Große, komplexe NPOs lassen sich kaum mehr unmittelbar steuern, weil die Ziele oft konfligieren und die erforderlichen Informationen fehlen. Das Con-trolling hilft dem Management, die Organisationsziele mit Kennzahlen zu beschreiben und zu beobachten. Auch in NPOs werden Innovationen hervorgebracht und Daten gesammelt. In großen NPOs gibt es dafür eigene Forschungs- und Entwicklungs-funktionen (F&E).

Abb. 2: Auswahl der Managementbereiche

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Der Strom aus der Steckdose und das Geld aus dem Automaten

..das Nutella aus dem Glas und das Benzin aus der Zapfsäule.9 Aber woher bekommen die Sozialorganisationen ei-gentlich ihr Geld – wie finanzieren sie sich? SozialarbeiterInnen mussten sich bis in die 90er Jahre des letzten Jahr-hunderts keine Gedanken um die Finan-zierung der Angebote und ihrer Ar-beitsplätze machen, weil aufgelaufene Defizite am Jahresende ausgeglichen wurden und die höheren Kosten der Ver-gangenheit die Grundlage für die Zu-schussbedarfe und Pflegesätze der kommenden Periode (Selbstkostendeckungsprin-zip) waren. Heute dürfen die NPOs zwar oft die Überschüs-se einbehalten, müssen die Defizite aber selbst tragen.

Die Finanzierungsbedingungen sind für die NPO riskanter, komplexer, heterogener, für deren Kunden (Klienten, Behör-den, Beitrags- und Steuerzahler) aber transparenter, steuer-barer und kalkulierbarer geworden. Noch bevor die Klienten als Kunden entdeckt wurden, begannen die Finanziers der Sozialarbeit sich als Kunden zu verstehen, die Erwartungen an Leistungen, Preise und Lieferbedingungen stellen.

Im folgenden Abschnitt geht es um Finanzie-rungs- und Förderungsarten, die sich grund-sätzlich in Zuwendungs- und Entgeltfinanzie-rung unterscheiden lassen. Während über Zu-wendungen objektbezogen bestimmte Infra-strukturprojekte unabhängig vom konkreten einzelnen Nutzer finanziert werden (z.B. Bera-tungsstellen), werden Entgelte subjektbezo-gen gezahlt für die Erbringung von Leistungen gegenüber einzelnen Nutzern, wenn diese be-stimmte Voraussetzungen erfüllen. Entgeltfi-nanzierung findet sich z.B. als Bezahlung der Fachleistungsstunde in der pädagogischen Ar-beit (vgl. Abb.), als Fallpauschale oder als Ta-gespflegesatz in der Suchtkranken- oder Be-hindertenhilfe, dazu einige Beispiele:

a) Berufsbetreuer nach dem Betreuungsrecht (§1896 BGB) werden je Betreutenfall pauschal anhand der Qualifikation, den Wohnbedingun-gen der Betreuten und der Betreuungsdauer bezahlt. Der Stundensatz beträgt 27€ ohne Qualifikation, mit abgeschlossener Ausbildung 33,50€ und mit Studium 44€ (§4 VBVG10). Diese Beträge enthalten als "Inklusivstundensätze" alle entstandenen Auf-wendungen, außer der Mehrwertsteuer.

Abb. 3: Pflegesatzkalkulation WfB, www.gruene-werkstatt.de

Abb. 4: Vergütungsstunden Be-rufsbetreuung

Zeitraum

5,5/4,5 8,5/7

4,5/3,5 7/5,5

4/3 6/5

ab 2. Jahr 2,5/2 4,5/3,5

Vergütungsfähige Stunden pro Monate bei vermögenden/mittellosen Betreuten

Betreute im Heim

Betreute nicht im Heim

1. bis 3. Monat

4. bis 6. Monat

7. bis 12. Monat

Abb. 5: Leistungsentgeltvereinbarung

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b) Behindertenwerkstätten setzen den Anspruch von Behinderten auf Eingliederung in das Arbeitsleben um und erhalten nach § 41 Abs. 3 SGB IX „angemessene Vergü-tungen“ in Form von Pflegesätzen pro Klienten vom Sozialhilfeträger und den Arbeit-sämtern, die „alle für die Erfüllung der Aufgaben und der fachlichen Anforderungen der Werkstatt notwendigen Kosten“ berücksichtigen. Um in den Genuss einer Ent-geltfinanzierung zu kommen, müssen zuvor Vereinbarungen zwischen der NPO und dem Sozialleistungsträger geschlossen werden zu Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen (Leistungsvereinbarung, s. z.B. § 78b Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII), zur Vergü-tung (Vergütungsvereinbarung, s. z.B. § 78b Abs. 1 Nr 2 SGB VIII) und zur Prüfung von Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen (Prüfungsvereinbarung, s. z.B. § 78b Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII). Zur Berechnung des Tagespflegesatzes müssen also sämtliche Kosten eines Dienst-leisters (insbesondere Personal, Sachmittel, ggfs. Unterbringungs- und Verpflegungskosten) durch die Anzahl der geplanten Klienten geteilt werden (vgl.Abb.).

Kommt es im Rahmen der Ver-handlungen in einzelnen Punkten zu keiner Einigung zwischen den Beteiligten, kann eine paritätisch besetzte Schiedsstelle angerufen werden, die den Inhalt der ent-sprechenden Vereinbarung fest-setzt (z.B. § 78g SGB VIII).

Der Abschluss der drei Vereinba-rungen gibt der NPO jedoch noch keinen Zahlungsanspruch gegen den Sozialleistungsträger, son-dern legt die Leistungen und Prei-se fest, die die NPO als Leis-tungserbringer fordern kann, wenn ein Leistungsberechtigter das Leistungsangebot tatsächlich in Anspruch nimmt. Da dafür zwi-schen dem Leistungsberechtigten und der NPO ein Dienstleistungs-vertrag geschlossen wird (z.B. Wohn- und Betreuungsvertrag), richtet sich - rein rechtlich gesehen - der Vergütungs-anspruch der NPO zunächst unmittelbar gegen den Leistungsberechtigten. Dieser wiederum hat aufgrund seiner Leistungsberechtigung einen Anspruch auf Übernah-me der Kosten gegen den Sozialleistungsträger. Praktisch fließt das Geld in der Re-gel direkt vom Sozialleistungsträger direkt an die NPO. Aufgrund der drei Beteiligten spricht man auch vom sog. „sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis“.

Ohne den Abschluss solcher einrichtungsbezogenen Vereinbarungen darf der Sozi-alleistungsträger entgeltfinanzierter Leistungen nur in Ausnahmefällen bezahlen (vgl. z.B. § 78b Abs. 3 SGB VIII), z.B. wenn wohnortnah keine andere, vertragsgebundene Einrichtung zur Deckung des im Hilfeplan vorgesehenen Bedarfes vorhanden ist. Um zu vermeiden, dass jede NPO einzeln mit dem Sozialleistungsträger einzeln verhan-deln muss, werden auf Landesebene zwischen den Vereinigungen der Sozialleis-tungsträger und denen der Leistungserbringer in sog. Landesrahmenverträgen we-sentliche Bestandteile der Vereinbarungen vorab geklärt und standardisiert (§ 78f SGB VIII). Diese lassen Spielräume bei den Vergütungen, vermeiden zugleich aber

Abb. 6: Berechnung Fachleistungsstunden

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einen unüberblickbaren Flickenteppich an Einzelvereinbarungen.

Entgeltfinanzierungen werden zunehmend mit Ausschreibungen verknüpft. Die Ar-beitsagentur schreibt z.B. „Arbeitsmarktdienstleistungen“ als Maßnahmen zur Heran-führung an den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt nach SGB III öffentlich aus. Um diese Angebote können sich NPOs und gewerbliche Anbieter bewerben. Bei der Entgeltfi-nanzierung wird also für ein definiertes Produkt ein Preis (Entgelt) gezahlt. Oft geht es dabei um die Pflichtaufgaben z.B. i.R.d. Jugendhilfe einer Kommune; konkret um Leistungen, auf die einzelne Personen einen Rechtsanspruch haben.

Bei manchen Sozialdienstleistungen sind aber weder die Produktmerkmale, noch die Kalkulation noch die Nutzung genau bestimmbar. Vielleicht soll den Zielgruppen ein Angebot gemacht werden (Jugendzentrum), ohne zu wissen, in welchem Umfang es genutzt wird oder gar ohne die Nutzung wirklich zu wollen (Fixerstube, Notschlaf-plätze). Außerdem sind viele Sozialangebote zeitlich begrenzt und eher Projekte, für die sich eine Entgeltvereinbarung gar nicht lohnt (z.B. der jährliche Mitteldeutsche Fundraisingtag an der EAH Jena). Dafür kommen Zuschüsse in Betracht.

Im Gegensatz zu den Pflichtaufgaben wer-den die freiwilligen Aufgaben einer Gebiets-körperschaft auch durch Zuschüsse finan-ziert. Sie können z.B. von Kommunen, vom Europäischen Sozialfonds (ESF) oder von Stiftungen (z.B. Aktion Mensch) kommen. Zu-schüsse sind keine Bezahlung konkreter Leis-tungseinheiten (Tage/Stunden etc.), sondern werden einem Antragsteller als Zuwendungen dafür gewährt, dass dieser Aufgaben erledigt, die auch im öffentlichen Interesse sind. Die Zuschüsse werden i.d.R. auf der Grundlage eines sog. Zuwendungsbescheides, einem Verwaltungsakt i.S.d. § 31 SGB X, bewilligt.

In dem Bescheid wird der bezuschusste Zweck benannt und dies mit der Auflage verbunden, die Mittel bei nicht zweckent-sprechender Verwendung zurück zu zahlen Bei zuwendungsfinanzierten Sozialpro-jekten (z.B. Fixerstube, Notschlafplätze) spielen die Leistungsempfänger nur eine ab-strakte Rolle: sie sind in ihrer Gesamtheit eine rechnerische Größe, ihre Bedarfe wer-den allenfalls geschätzt. Die tatsächliche Erbringung von Leistungen spielt nur im Rahmen der nachträglichen Mittelverwendungskontrolle eine Rolle, wenn etwa die Zahl der Nutzer statistisch erfasst wird, um die Zuwendung zu rechtfertigen und die weitere Förderung zu beantragen. Die Zuschussfinanzierung kann als Projektförde-rung, Institutionsförderung, Investitionszuschuss oder eine Kombination daraus erfol-gen.

Projektförderung gibt es für einzelne sachlich und zeitlich abgrenzbare Vorhaben. Wenn ein Antragsteller mehrere Projekte hat, kann eine Verwaltungspauschale von 15% der Fördersumme einkalkuliert werden. Projektbeschreibung und - -kalkulation müssen eingereicht werden.

Bei der institutionellen Förderung geht es um die Deckung laufender Personal und/oder Sachkosten einer bestimmten Einrichtung oder eines ganzen Trägers. Im Gegensatz zur Projektförderung spielt die wirtschaftliche Situation des Geförderten eine große Rolle. Eigenmittel und weitere Finanzquellen sind vorrangig einzusetzen (vgl. z.B. § 74 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII). Der Fördermittelgeber verlangt im Gegensatz zur Projektförderung meist die Gemeinnützigkeit der geförderten Organisation (vgl. z.B. § 74 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII). Die Antragsunterlagen sind hier komplizierter, der Kosten- (Ausgaben) und Finanzierungsplan (Einnahmen) ist differenzierter und die

Abb. 7: Online-Ausschreibung SGB III Maßnahmen

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gesamte wirtschaftliche Situation ist darzulegen (Schulden, Inventar, Vermögen etc.).

Zur Beschaffung von beweglichen Wirtschaftsgütern (EDV, Büromöbel) unmittelbar für den Förderzweck kann auch ein Investitionszuschuss gewährt werden. Allerdings geht das nur in Verbindung mit einer der anderen Förderarten.

Zuschüsse werden meist nur für ein Kalen-derjahr gewährt (sog. Jährlichkeitsprinzip). In Ausnahmefällen kann bei institutioneller Förderung der Förderzeitraum bis zu drei Jahre betragen. Zuschüsse werden nicht für Rückstellungen, Rücklagen oder kalkula-torische Kosten gewährt. Außerdem sind AfA (Wertverlust), Repräsen-tationskosten oder Darlehensverpflichtungen (Tilgung, Zinsen) nicht zuschussfähig. Zuschüsse müssen mit vorgesehenen Formularen schriftlich beantragt werden.

Bei der Gewährung von Zuschüssen hat der Zuwendungsgeber sich an die Voraus-setzungen der für ihn geltenden Haushaltsordnung zu orientieren, durch die eine sparsame und sachgerechte Verwendung öffentlicher Gelder sichergestellt werden soll. Für Bundesinstitutionen gilt die sog. Bundeshaushaltsordnung (BHO), die Län-der haben jeweils Landeshaushaltsordnungen, die der BHO nachgebildet sind. In §§ 23, 44 BHO und der meisten LHOs sind die Grundzüge der Zuwendungsgewährung und des Verwendungsnachweises geregelt.

Es werden meist nur Teilfinanzierungen be-willigt, z.B. a) als An-teilsfinanzierung in % der zuschussfähigen Aufwendungen, b) als fixe, kalkulierte Fehl-bedarfsfinanzierung für nicht aufbringbare Kosten oder c) als Festbetragsfinanzierung mit definiertem Betrag für klar abgegrenz-te Aufwendungen, was jeweils im Bewilligungsbescheid aufgeführt wird.

Die geförderte Einrichtung muss z.B. in Jena 4 Monate nach Zweckerfüllung bzw. bis zum 30.04. des Folgejahres einen Sachbericht und einen zahlenmäßigen Nach-weis der Mittelverwendung bzw. einen Jahresabschluss vorlegen. Dabei sind größere Abweichungen (ab 20%) zu erklären. Auch dafür gibt es zu verwendende Formulare.

In der Regel kommt in den NPOs bei den nicht entgeltfinanzierten Angeboten aber ein Finanzierungsmix zum Einsatz. Neben Zweckbetriebseinnahmen (Gebühren, Ein-trittsgelder, Pflegesätzen) werden Zuschüsse einkalkuliert. Dazu geben vielleicht Ge-bietskörperschaften wie Kommune, Landkreis oder ein Landesministerium einen Zu-schuss. Ergänzend werden noch Spenden eingeworben (vgl. Abb.).

Abb. 8: Finanzierungsmix Jugendwerkstatt, www.ris-muenchen.de

Abb. 9: Finanzierungsquellen der Freien Wohlfarhtspflege, IDW 2004: 29

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Regiert Geld die NPO-Welt?

Im dritten Sektor folgen manche Or-ganisationen eher dem Marktkonzept, andere orientieren sich eher am Staat hinsichtlich der Zie-le und der Organi-sation. Die dritte Gruppe der soge-nannten ´Basis´ ist dem informellen Bereich näher, mit vielen Ehrenamtli-chen und Selbsthil-fegruppen.

Aber alle Organi-sationen haben mit Knappheiten umzu-gehen: Natürliche Ressourcen, Finan-zen, Personal, Zeit, Aufmerksamkeit, Unterstützung etc. Deshalb gilt es, ein ökonomisches Op-timum zwischen Ressourceneinsatz und Zielerreichung herzustellen.

Entweder gilt das Minimalprinzip, nach dem mit kleinstmöglichem Ressourceneinsatz ein gegebener Nutzen angestrebt wird. Oder das Maximalprinzip, nach dem mit einem gegebenen Ressourceneinsatz ein maximales Ziel erreicht werden soll. Grundsätz-lich wird eine gelungene Relation von Einsatz und Nutzen angestrebt, über die letztlich Ressourcenge-ber und Nutzenempfänger entscheiden.11 Auch der Beschäftigungsgrad der Sozial- und Gesundheits-branche und das Spendenvolumen legen eine ökono-mische Perspektive auf NPOs nahe. Vor allem die berufliche Sozialarbeit steht immer in einem ökonomischen Bezug. Die Ökonomisierung des Dritten Sektors fordert alle Beteiligten moralisch heraus. Das ökonomische Denken hat in NPOs aber auch einen tiefen Nachhaltigkeitsaspekt.12

Gründe für die Ökonomisierung im Dritten Sektor sind unter anderem13:

• Zunehmende Übertragung von öffentlichen Aufgaben (Deregulierung/Privati-sierung) und damit Mittelverknappung unter den NPOs

• Kundenorientierung und Legitimationsbedarfe gegenüber Stakeholdern, Er-wartungsdruck an NPOs als Unternehmen

• Unterscheidungen innerhalb des Dritten Sektors und zwischen den Sektoren

Abb. 10: Auszug aus einer Arbeitshilfe Verband Diözesen Deutschlands, IDW 2004: 43

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verschwimmen, strategische Allianzen nehmen zu

• Vom Gesetzgeber verstärkte Wettbewerbsorientierung im Leistungserbrin-gungsrecht unter den Sozialleistungserbringern mit nicht absehbaren Folgen aufgrund der Europäisierung des Wettbewerbsrechts

• Neue Steuerung, Entbürokratisierung, Förderreformen, Projektförderung, pro-spektive Pflegesätze, Ausschreibungen

• Betriebswirtschaftliche Steuerungskonzepte werden auf NPOs übertragen, wobei die Anwendungsbedingungen im Dritten Sektor nicht immer berücksich-tigt werden.

Bei aller Kritik an der Öko-nomisierung des Dritten Sektors wird leicht überse-hen, dass es hier um enor-me ökonomische Ressour-cen geht: Im Jahr 2007 wa-ren im Dritten Sektor rund 105.000 Unternehmen an-gesiedelt, mit rund 2,3 Mil-lionen sozialversicherungs-pflichtig und rund 300.000 geringfügig entlohnt Be-schäftigten. Dies entsprach etwa 3% aller Unterneh-men, 9% der sozialversi-cherungspflichtig Beschäf-tigten, sowie 7% aller ge-ringfügig entlohnt Beschäf-tigter. Für 40 % der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten bietet der Dritte Sektor die Chance auf eine Teilzeitbeschäftigung.14

Welche Ziele verfolgen NPOs als Unternehmen? Das Zielsystem einer NPO wird aus deren Größe, Verfas-sung, Auftrag und den Erwartungen der Umwelt gespeist (vgl.Abb.)15. Ein ökonomisches Ziel wie die Produktivität fragt nach der Relation von Menge zu Einsatz, z.B. Kli-entenbetreuungszahl dividiert durch Personal ohne un-mittelbare Geldbewertung in Euro.

–Die Wirtschaftlichkeit fragt nach der Relation von Er-trag zu Aufwand, z.B. Betreuungseinnahmen dividiert durch den Vereinsaufwand (also in Geld gemessen). Für gewerbliche Unternehmen des Marktes wird oft ange-nommen, sie hätten das Primat der maximalen Gewinn-erzielung. Tatsächlich steht aber das optimale Verhältnis von Gewinn zum eingesetzten Kapital, also die Rentabi-lität und Rendite im Vordergrund, die zum besseren Vergleich in % ausgedrückt wird. Weitere ökonomische Ziele können sich auf die Zahlungsfähigkeit (Liquidität) und auf den Verschuldungsgrad (Bilanzgleichgewicht) der NPO-Bilanz beziehen. Beide kön-nen bei Nichtbeachtung zum Konkurs der NPO führen! Die Liquidität ist dabei die Fä-higkeit eines Unternehmens, zu jedem Zeitpunkt seine Schulden (Verbindlichkeiten) begleichen zu können.

Abb. 11: NPO-Management Sankt Gallener Modell

Abb. 12: Ökonomische Konflikte welt-anschaulicher Organisationen

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Aus Qualitätssicht hat jede Organisation nur ein Ziel: Kundenzufriedenheit. Laut ISO 9000 hängen Organisationen nämlich von ihren Kunden ab!

Versorgungswirtschaftliche Organisationen verfolgen gar keine eigenwirtschaftlichen Ziele, sondern die Förderung der Mitglieder (z.B. Genossenschaft). Deren Ziele be-ziehen sich auf die wirtschaftlichen oder organisatorischen Erwartungen der Genos-sInnen.

Auch die Rechtsform eines Sozialunternehmens kann desen Ziele mit Vorgaben be-einflussen, z.B. durch die Verpflichtung zu ideellen Zwecke beim Verein oder das Pri-mat des Kapitalerhalts bei der Stiftung.

Neben den wirtschaftlichen Zielen verfol-gen NPOs soziale Ziele, die eine gelunge-ne Beziehung zwischen Organisation und innerer Sozialumwelt (Mitbestimmung) bzw. äußerer Sozialumwelt (Öffentlichkeit) verfolgen. Die Öffentlichkeit beobachtet die Glaubwürdigkeit von Sozialorganisationen ganz genau, (z.B. Uniceff-Krise 2008)!

Auch die Gesellschaft formuliert durch die Gewährung von Förderung, Subventionen und Steuervorteilen zusätzliche Ziele. So werden Mittel der EU für konkrete politi-sche Ziele vergeben (ESF, Equal). Je staatsnäher eine NPO ist, desto mehr wird sie sich politische Ziele zu eigen machen müssen. Das Sankt Gallener Management-Mo-dell (vgl. Abb.) versucht die Interessen der verschiedenen internen und externen An-spruchsgruppen (Stakeholder) zu harmonisieren.

Schließlich und vor allem legen die Mitglieder oder Eigentümer der NPO deren inhaltliche Ziele (Mission) fest. Meist beruhen diese nicht auf ökonomischen, sondern auf ideellen oder sub-jektiven Positionen, beispiels-weise im Verein oder im Verlags-programm eines politisch moti-vierten Herausgebers. Ohne ein Minimum an ökonomischen Zie-len werden aber auch gut ge-meinte Angebote nicht überle-ben können.Die Beziehungen zwischen Kunden und Lieferanten im Dritten Sektor sind selten eindeutig und freiwil-lig. Das kommt zwar auch im Marktsektor vor (z.B. Kfz-Versicherung), ist dort aber nicht typisch. Im Dritten Sektor steht häufig die politisch beeinflusste Finanzierung der Angebote und die Deckung eines politisch identifizierten Versorgungsbedarfes im Vordergrund.

Deshalb ist das Zielsystem hier komplexer. Die Einrichtungen müssen neben ökono-mischen Zielen (Rentabilität, Liquidität, Bilanzgleichgewicht) auch die Ziele der Ei-gentümer (Vereinsmitglieder) und Förderer (Spender), der Finanziers (öffentliche Hand) und der Kunden (Klienten) sowie der Gesellschaft (Kommune/Nachbarschaft) harmonisieren. Nicht umsonst aber zu Unrecht haben Sozialeinrichtungen deshalb Erklärungsnöte zum eigenen Zielsystem und einen „Minderwertigkeitskomplex“ ge-genüber gewerblichen Unternehmen. Neue Forschungsergebnisse zeigen aber, dass auch Wirtschaftsunternehmen gerade vom Umgang mit Zielheterogenität im Dritten

Abb. 13: BSC-Modell

Abb. 14: EFQM-Modell

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Sektor lernen können. Dennoch stehen die Sozialorganisationen in der Pflicht, die eingesetzten Mittel effizient und effektiv einzusetzen um deren Verwendung legitimie-ren zu können. Dazu gibt viele Konzepte, beispielsweise die BSC oder das EFTC-Modell:

a) In der Balanced-Score-Card (BSC vgl. Abb.)16 werden für vier Bereiche der NPO jeweils Ziele, Kennzahlen, Vorgaben und Maßnahmen definiert. Für alle Kennzahlen werden die ´Treiberkennzahlen´ ermittelt, mit denen eine frühzeitige Steuerung er-reicht werden kann. Beispielsweise ist im Finanzbereich einer stationären Einrichtung die Belegungskennzahl sehr wichtig, die allerdings von der Zahl an Bewerbern ab-hängt.

Die BSC-Elemente werden so miteinander verknüpft, dass eine Geschichte daraus wird: Die Senkung der Kosten (Finanzen) führt zu mehr Preiszufriedenheit bei den Kunden und setzt Mittel für Mitarbeiterfortbildungen frei. Dazu müssen einige Prozes-se optimiert werden. Leider wird der Prozess zur Ermittlung von Steuerungsgrößen häufig dadurch erschwert, dass die Mitarbeiter der Organisation bereits den Versuch der Bestimmung von ökonomischen Zielgrößen zur sinnvollen Steuerung als eine ge-nerelle Bedrohung der eigentlichen Mission der NPO ansehen.17

b) Das EFQM-Modell kann auch als Managementmodell für NPO´s gelten. Es unter-scheidet in Treiber und Ergebnisse (vgl.Abb.)18. Die NPO konzentriert sich auf der In-put-Seite auf die Formulierung von Leitlinien und Kulturgrundsätzen, auf Motivation und Strategieentwicklung. Dazu kommt als Ziel eine hohe Prozesssicherheit. Auf der Ergebnisseite werden Ziele zur Zufriedenheit der Kunden, Mitarbeiter und der Öffent-lichkeit (Stakeholder) verfolgt.

Die meisten NPOs sind mit diesem umfassenden Konzept aber überfordert. Sie setzten eher auf die Qualitätsnorm ISO 9000/9001, die sich mittlerweile zu einem fle-xiblen Managementmodell entwickelt hat. Diesem Konzept ist im Skript ein eigenes Kapitel gewidmet. Auffallend ist, dass es in den Managementkonzepten kaum um Geld und Kosten geht, sondern eher um Erwartungen an die Führungskräfte und Wertschätzung für Mitarbeiter!

Wer sich mit Management im Dritten Sektor beschäftigt, gerät also in das Span-nungsfeld zwischen der Ausschließlichkeit ökonomischer Prinzipien und den Erfor-dernissen eines gesellschaftlichen Funktionssystems, welches einen unökonomi-schen Überschuss an Solidarität erzeugen und kanalisieren muss.

Das Geld der Anderen: Externes Rechnungswesen des Vereins

Die Rechnungslegung der NPO richtet sich u.a. nach Rechtsform (z.B. BGB, Lan-desstiftungsgesetze, HGB) und Branche (z.B. KHBV, PBV). Durch die Wahl einer Rechtsform (GmbH, AG, eG) können NPOs sogar zur Bilanzierung verpflichtet wer-den. Daneben sind die steuerrechtlichen Vorschriften der Abgabenordnung (AO) zu beachten. Nach dem BGB hat der Vereinsvorstand aber nur eine reduzierte Rech-nungslegungspflicht gegenüber der Mitgliederversammlung. Der § 666 BGB schreibt die Pflicht zur Auskunft und Rechenschaftslegung vor.19

Verlangt wird lediglich eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Aus-gaben20 sowie des Bestands.21 Deshalb ist auch von der Einnahmen-/Ausga-ben-Rechnung (bzgl. der Vereinsbesteuerung: Einnahmen-/ Überschuss)22 die Rede. Die geringen Anforderungen haben sich seit langem kaum geändert (vgl. Abb.) und sind darüber hinaus für komplexe und große NPOs nicht anmessen. Da es vor allem um Ein- und Auszahlungsvorgänge geht, spricht man auch vom pagatorischen Rech-nungswesen.

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Um den Grundsätzen der ordnungsge-mäßen Buchführung (GoB) zu entspre-chen, sind zumindest ein Kassenbuch für die Aufzeichnung der Einnahmen und Ausgaben und ein Bestandsverzeichnis erforderlich. Jede Buchung muss Datum und Betragshöhe, Anlass und Verwen-dungszweck sowie eine Nummer des Be-leges enthalten. Wichtig: Keine Buchung ohne Beleg. Belege sind aufzubewahren. Man sollte sich als Kassenprüfer aus der Rechnungslegung auch ohne besonderen Sachverstand einen Überblick über die Er-gebnisse der Geschäftstätigkeit verschaf-fen können.

Der Vereinsvorstand muss sich selbst laufend und genau über den Vermögens-stand des Vereins informieren. Er ist bei Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit verantwortlich für die Einleitung eines In-solvenzverfahrens und ggf. persönlich für Schäden aus einer Verzögerung haftbar. Weitere Rechnungspflichten bestehen ge-genüber Zuwendungsgebern23 und dem Finanzamt. Erwartet wird eine Abgrenzung der Einnahmen und Ausgaben nach den vier Wirtschaftsbereichen der gemeinnützi-gen Körperschaft (vgl.Abb.24).

Das Finanzamt muss die Besteuerung und die tatsächliche Gemeinnützigkeit der Geschäftsführung einer NPO überprüfen. Von ihr hängt (neben der Satzung) die Zu-erkennung der Gemeinnützigkeit ab (§ 63 Abs. 3 AO). Dabei ist auf den Nachweis der zeitnahen und zweckentsprechenden Verwendung von Spenden besondere Rücksicht zu nehmen.

Wenn im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (WGB) der Umsatz mehr als 500.000€ oder der Gewinn mehr als 50.000€ beträgt, gelten für die Rechnungslegung eines Vereins die Anforderungen an Gewerbebetriebe bzgl. doppelter Buchführung, Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung. Die Buchführungspflicht beginnt, wenn man als Verein vom Finanzamt darauf hingewiesen wurde, mit dem folgenden Wirtschaftsjahr. Liegt der Verein unter den Grenzen im WGB bzw. betätigt er sich nur gemeinnützig, genügt eine einfache Gewinnermittlung durch Einnahme-Überschuss-Rechnung.

Die Pflicht zur Körperschafts- und Ge-werbesteuer beginnt auch im Verein unabhängig von der Buchführungs-pflicht bei 35.000 € Bruttoeinnahmen aller steuerpflichtigen WGBs. Zuneh-mend wird auch der Zweckbetrieb vom WGB über diese Einnahmegrenze un-terschieden (geplant ab 2013: 45.000€ nur im Zweckbetrieb). Allerdings wird ein Frei-betrag von 3.835 € angerechnet.

Mehrwertsteuer (MwSt.) ist im ideellen Bereich gar nicht, und im Zweckbetrieb (7%/19%) und WGB (19%) erst ab laufenden 50.000 € Bruttoumsatz (im Vorjahr max. 17.500 €) fällig. In gewerblicher Konkurrenz stehende Zweckbetriebe ohne un-mittelbaren Satzungsbezug müssen mit 19% MwSt. kalkulieren.

Abb. 15: Formulare zur Rechnungslegung im Internet

Alle Vorstände haften persönlich für Fehler bei Buch-führung und Steuerpflichten, auch wenn das Rech-nungswesen in der Vorstandschaft an einen „Schatz-meister“ delegiert wurde. Ehrenamtliche Vorstände genießen Haftungserleichterungen. Einige Zahlen müssen sich Vorstände allerdings schon merken, z.B. € 35.000 / 50.000 / 500.000...

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Soll und Haben: Kaufmännisches Rechnungswesen

Im Rechnungswesen der Einnahmen und Ausgaben fehlen wichtige Informationen zur wirtschaftlichen Lage des Vereins. Unbekannt bleiben auf der Ausgabenseite un-bezahlte Rechnungen von Lieferanten (Verbindlichkeiten) oder die Berücksichtigung wirtschaftlicher Risiken (Rückstellungen). Auf der Einnahmeseite fehlen bereits ge-stellte aber noch unbezahlte Rechnungen (Forderungen) an Kunden. Unklar bleibt auch, welche Einzahlungen und Auszahlungen nicht in das gegenwärtige Geschäfts-jahr fallen und damit die wirt-schaftliche Darstellung verfäl-schen (sog. ´Dezemberfieber´, Vorschüsse).

Der aktuelle Wert der Anla-gen und Vorräte oder der Mar-kenwert werden ebenso ver-schleiert (Abschreibungs- und Ersatzinvestitionsbedarf) wie der letztendliche wirtschaftli-che Wert des Gesamtvereins (Eigenkapital) für den Fall einer Kreditaufnahme, einer Auflösung oder eines Verkaufs.

Die fehlende Transparenz kann zu verspätet erkannten wirtschaftlichen Problemen führen. Insbesondere wenn vorrangig im ideellen Bereich gewirtschaftet wird und deshalb grundsätzlich keine Pflicht zu einem kaufmännischen Rechnungswesen be-steht. Das kaufmännische Rechnungswesen konzentriert sich im Gegensatz zum „pagatorischen“ Rechnungswesen nicht auf Einzahlungen und Auszahlungen. Hier steht die realistische wirtschaftliche Bewertung der Organisation zur Sicherheit der Eigentümer und Kapitalgeber im Vordergrund.

Erbsenzähler: Inventur und Inventar

Mit der gesetzlich vorgeschriebenen Inven-tur (§240 HGB/§140 AO) werden jährlich Ver-mögen und Schulden der NPO realistisch er-fasst. Nach dem Vorsichtsprinzip sollen Risi-ken eher überbewertet, Chancen dagegen eher unterbewertet werden. Dabei sollte man eine langfristige Bestandsperspektive ohne dringende Notsituation zugrunde legen. Die Inventur kann durch Zählen oder durch lau-fende Aufzeichnungen geschehen.

In der Anlagenliste wird zunächst das auf Dauer in der Organisation eingesetzte sächli-che Anlagevermögen (Geräte, Inventar mit ei-nem aktuellen Wert über 1.000€) einzeln auf-gelistet. Inventar mit mit einem Wert zwi-schen 150-1.000€ Netto ohne MwSt. wird zu-sammengefasst und je nach dem Jahr der Anschaffung bewertet. Schließlich werden die Vermögenswerte unterhalb 150€ Wert zu-

Abb. 16: Kreislauf des Rechnungswesens

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sammengefasst.

Die Lagerbestände und Warenvorräte werden extra ausgewiesen und mit Wiederverkaufspreisen bewertet. Dazu werden die „unfertigen Leistungen“ und die For-derungen aufgelistet. Die Konten bei Banken, Spargut-haben und das Bargeld werden gesondert aufgeführt.

Damit ist erst das eingesetzte Vermögen der NPO ge-listet, nicht aber dessen Herkunft. Mancher Euro in der Kasse ist vielleicht durch Schulden finanziert und gehört nicht der NPO. Jeder Schul-denposten (Verbindlichkeiten) wird unterschieden, z.B. ob es sich Lieferantenkredite, Bankkredite, Steuerschulden und Rückstellungen (fiktive Schulden als Risiken). Für spätere Analysen kann so bewertet werden, welcher Anteil des Vermögens fremd- bzw. selbstfinanziert ist.

Aus den Inventurdaten wird zum Ende des Geschäftsjahres das Inventar erstellt. Es ist das eigentliche Bestandsverzeichnis der NPO und dient später als ausführliche Grundlage für die komprimierte Bilanz. Im ersten Inventarteil werden die dauerhaften Vermögenswerte als Anlagevermögen, die Vorräte, Materialien, Guthaben und Forde-rungen als Umlaufvermögen untereinander gelistet.

Daraus wird die Summe des Rohvermögens gebildet. Im zwei-ten Inventarteil werden die Schul-den gelistet, die Langfristigen zu-erst und die drängenden (Liefe-rantenkredite) weiter unten. Schließlich werden die Schulden addiert. Wenn vom Rohvermögen die Schulden abgezogen werden, ergibt sich das Reinvermögen (Eigenkapital) der Körperschaft. Dieser Betrag steht nach Verkauf oder Auflösung der Körperschaft wirklich zur Verfügung.

Durch den Vergleich des aktuellen Eigenkapitals mit dem Letztjährigen lässt sich der erzielte Gewinn errechnen. Deshalb handelt es sich nicht um eine Überschusser-mittlung, sondern um einen (Rein)Vermögensvergleich: Hat es zugenommen liegt ein Gewinn vor, andernfalls ein Verlust.

Aus der Inventur entsteht das In-ventar und daraus die Bilanz! Zur Erinnerung: Das pagatorische E/A-Rechnungswesen kümmert sich nur um den Kassenaus-gangsbestand zuzüglich Einnah-men minus Ausgaben. Tappt man da nicht im Dunkeln?

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Abschreiben erlaubt: AfA

Im Gegensatz zum pagatorischen Rechnungswesen arbeitet das Kaufmännische mit den aktuellen Vermögenswerten. Die Investitionen (z.B. PKW, PC) werden nicht sofort „verbraucht“, sondern auf die Nutzungszeit gleichmäßig als Kosten des Wert-verlusts verteilt.

Dieser Wertverlust muss aber erst berechnet werden. Um ein realistisches Bild zu bekom-men, wird das dauerhafte Vereinsvermögen (Anlagevermögen) zeitnah bewertet durch die Abschreibungsrechnung (AfA = Absetzung für Abnutzung).

Der Kaufpreis wird auf die Nutzungsdauer (Abschreibungszeitraum) umgelegt. Für jedes genutzte Jahr (eigentlich: die genutzten Mona-te) wird dann der Abschreibungsbetrag als Bruchteil vom Kaufpreis abgezogen, was den jeweiligen „Buchwert“ ergibt.

Das Anlagevermögen verliert also jedes Jahr an Wert. Der Abschreibungszeitraum kann sich nach der tatsächlichen Nutzung oder amtlichen AfA-Tabellen25 richten. Deren fest-gesetzte Nutzungsdauern dürfen (zumindest fürs Finanzamt) aber nicht unterschritten werden.26

Bei der linearen AfA wird mit dem gleichen Betrag abgeschrieben, z.B. auf 5 Jahre mit 20% Abschreibung pro Jahr. Bei der degressiven AfA (aktuell nur bis 2010 er-laubt) wird dagegen jedes Jahr mit der 2,5fachen linearen AfA, maximal aber 25% zunächst auf den Neu-, und dann den Restwert abgeschrieben. Dadurch sind die AfA-Beträge am Anfang hoch (wie der Wertverlust oft auch) und später sogar niedri-ger als die lineare AfA (vgl.Abb.). Dann ist (nur) einmal der Wechsel in die lineare AfA möglich. Die AfA-Modalitäten können sich von Jahr zu Jahr ändern. Aktuell werden z.B. Anschaffungen zwischen 150-1.000€ netto gesammelt und mit 20% linear abge-schrieben.

Bilanz ziehen

Das Inventar ist für einen schnellen Überblick zu unübersichtlich. In der Bi-lanz werden die Inventarinformationen verdichtet. Aus dem Inventar (Tabelle unten links) lässt sich die Bilanz er-stellen (Tabelle unten rechts), in dem die Inventarpositionen A auf die linke (Aktiva) und die Positionen B (Schul-den) und C (Eigenkapital) auf die rechte Seite (Passiva) verteilt werden (entlang der Pfeile).

Abb. 18: Studentische Bilanz, www.der-wirtschaftsingenieur.de

Abb. 17: Vergleich lineare/degressive AfA

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Die linke Bilanzseite der Aktiva zeigt die Mittelverwendung, also in Sachanlagen (Geschäftsausstattung, Fuhrpark), Vorräten und Forderungen oder Geldanlagen und Bargeld. Die rechte Seite der Passiva zeigt die Mittelherkunft aus Fremdkapital und

Eigenkapital. Auf beiden Seiten muss logischerweise die Summe aller Positionen, die Bilanzsumme, identisch sein. Was links im Verein verwendet wird, muss rechts ir-gendwie finanziert worden sein (vgl.Abb.).

Für das Verständnis des Eigenkapitals sollte man sich immer daran erinnern, dass es rechnerisch ermittelt wird (Vermögen-Schulden) und nicht wirklich als ´Bargeld´ verfügbar sein muss.

Augen auf: Bilanzanalyse

Die Gliederung der Bilanz wird in §266 HGB be-stimmt. Sie ist ein Teil des Jahresabschlusses, ne-ben der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) und evtl. dem Anhang. Aufgrund der Bilanz sind Analy-sen der wirtschaftlichen Situation der NPO möglich. Zur Vergleichbarkeit verschiedener Bilanzen eignen sich Bilanzkennzahlen in % (vgl. Abb.), hier einige Beispiele:

a) Das Anlagevermögen sollte (rechnerisch) der

Abb. 19: Ableitung der Bilanz aus Inventar, vereinfachte Übersicht ohne unmittelbaren Bezug zu HGB oder Steuerrecht!

Inventar Betreuungsverein „ProCurat“ e.V. 20xx Bilanz Betreuuungsverein „ProCurat“ e.V. 20xxA) Vermögensteile

I ) Anlagevermögen Kaufpreis Buchwert

PKW 20xx 10.000,00 5 20% 2.000,00 8.000,00 Aktiva Passiva

Schreibtisch 20xx 400,00 10 10% 40,00 360,00 A) Anlagevermögen A) Eigenkapital 9.217,62

Schreibtisch 20xx 200,00 10 10% 20,00 180,00 Fuhrpark 8.000,00

Besprechungstisch 20xx 200,00 7 14% 28,57 171,43 Geschäftsausstattung 5.317,62 B) Verbindlichkeiten

Besprechungsstuhl 20xx 600,00 7 14% 85,71 514,29Langfristige Kredite 12.000,00

Stahlschrank 20xx 300,00 14 7% 21,43 278,57 B) Umlaufvermögen

Bürostuhl 20xx 300,00 5 20% 60,00 240,00 Vorräte 600,00

Bürostuhl 20xx 800,00 5 20% 160,00 640,00 Unfertige Erzeugnisse 3.000,00 3.000,00

Desktop PC komplett 20xx 600,00 5 20% 120,00 480,00 Forderungen 5.000,00

Notebook mit Extramonitor 20xx 800,00 3 33% 266,67 533,33 Bank und Kasse 2.300,00

Drucker-Scanner-Fax-Gerät 20xx 600,00 5 20% 120,00 480,00

Drucker-Scanner-Fax-Gerät 20xx 600,00 5 20% 120,00 480,00 Bilanzsumme 24.217,62 Bilanzsumme 24.217,62

Geringwertige Wirtschaftsgüter 20xx 1.200,00 5 20% 240,00 960,00

Summe 13.317,62

II) Umlaufvermögen

Büromaterial im Lager 600,00

Nicht abgerechn. Pauschalen 3.000,00

Forderungen 5.000,00

Festgeld 2.000,00

Barkasse 300,00 Summe 10.900,00

Anlage- + Umlaufvermögen = Rohvermögen 24.217,62

B) Schulden

Trägerkredit 10.000,00

PKW-Kredit 2.000,00

Lieferantenverbindlichkeiten 3.000,00

Schulden 15.000,00

C) Reinvermögen

Rohvermögen 24.217,62

- Schulden 15.000,00

Reinvermögen/Eigenkapital 9.217,62

Gekauft Januar...

AfA Zeit-raum

Afa-Satz in %

AfA-Be-trag

Verbindlichkeiten aus Lieferungen & Leistun-gen

Abb. 20: Bilanzkennzahlen Procurat e.V.

Bilanzanalyse in %

69,21

159,32

76,67

243,33

363,33

Goldene Bilanzregel (EK*100/AV)

Silberne Bilanzregel (EK+lfFK*100/AV)

Liqudität 1. Grades (Barliq.*100/kfVerbl.)

Liqudität 2. Grades (Barliq.+Forderungen*100/kfVerbl.)

Liqudität 3. Grades (Um-laufvermögen*100/kfVerbl.)

Prof.Adler_Prof.vonBoetticher_Skript_Sozialmanagement-Stand-28072016 (zum IVZ) Seite 24

NPO selbst gehören, d.h. das Eigenkapital müsste zumindest das Anlagevermögen decken (Goldene Bilanzregel). Wenn das nicht passt, sollte es wenigstens mit dem langfristigen Fremdkapital zusammen reichen (Silberne Bilanzregel). Sonst stehen die Gläubiger „mit einem Fuß in der Tür“ und die Körperschaft ist nicht wirklich unab-hängig.

b) Damit hängen auch die Kennzahlen zum Ver schuldungsgrad und zur Eigenkapi-talquote zusammen. Je geringer die Verschuldung und um so größer der Anteil des Eigenkapitals am Gesamtvermögen, um so unabhängiger ist die NPO. Allerdings kann es gute Gründe geben, weshalb ein „gesunder“ Anteil an Fremdkapital einer 100%igen Eigenkapitalquote vorzuziehen ist. Die Eigenkapitalquote darf nicht unter 0% rutschen, sonst besteht die Gefahr der Überschuldung der NPO. Der Vorstand muss dann evtl. Insolvenz anmelden! Zur Erinnerung: Wenn das Eigenkapital unter Null rutscht, bedeutet das laut Inventar, dass mehr Schulden als Vermögenswerte vorhanden sind.

c) Die Abdeckung kurzfristiger Verbindlichkeiten durch kurz- oder mittelfristige Liqui-dität entscheidet über die Zahlungsfähigkeit der NPO. Der Vorstand hat bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren zu beantragen. Damit geht immer die Auflösung des Vereins einher (§ 42 BGB).27 Im Beispiel ist die Liquidität ersten Grades bei 77% zwar nicht gegeben, allerdings ist der Verein unter Einrech-nung der Forderungen liquide. Rosig ist die Situation deswegen aber nicht: Die For-derungen müssen nämlich unter Druck realisiert werden, vielleicht sogar mit Abstri-chen.

Aufgrund der Bilanzkennzahlen kann der Vereinsvorstand die Wirtschaftlichkeit kon-trollieren. Die Bilanzzahlen bilden aber nur die Vergangenheit ab. Deshalb müssen Kennzahlen über jene Parameter beobachtet werden, von denen die Bilanzkennzah-len angetrieben werden. Das ist die Aufgabe des Controllings.

Doppikes Lottchen

Das Bilanzgleichgewicht ergibt sich aus der Überein-stimmung von Vermögen (Aktiva) und Finanzierung (Passiva). Damit die beiden Seiten gleich bleiben, wer-den die Buchungen im Jahresverlauf darauf abgestimmt. Die erste Grafik zeigt die Ausgangsbilanz mit einer Bi-lanzsumme von 24.217,62. Die weiteren Grafiken zeigen Geschäftsvorfälle wie Einkäufe, Umbuchungen etc.. Es wird deutlich, dass bei jeder Buchung mindestens zwei Bilanzpositionen betroffen sind. Deshalb wird diese Art der Buchführung „doppelte Buchführung in Kontenform“ oder „Doppik“ genannt. Zur Erinnerung: In der einfachen Vereinsbuchführung werden nur Einzahlungen und Aus-zahlungen dokumentiert.

Die zweite Grafik zeigt Beispiele für Aktivtausch und Passivtausch. Buchung 1.: Wenn die NPO einen PC für 500€ in Bar kauft, dann erhöht sich das Anlagevermö-gen um 500€. Der PC wird hier über die Kasse in Bar bezahlt. Deshalb reduziert sich deren Bestand um 500€. Eine Zunahme des Anlagevermögens bedeutet hier eine Abnahme des Umlaufvermögens.

Unterm Strich ist wegen dieser Umschichtung weder auf der Aktivseite der Bilanz noch in der Bilanzsumme eine Veränderung festzustellen (Aktivtausch). Buchung 2 : Auf der Passivseite verändert sich die Bilanzsumme gleichfalls nicht, wenn ein kurz-

Abb. 21: 1. Ausgangsbilanz ProCurat

Forderungen 5.000 5.000

Fuhrpark 8.000

Geschäfts-

-ausstattung

5.317,62

Bank & Kasse

2.300

Vorräte&

Unfertiges 3.600

Summe Aktiva

24.217,62

Langfristige

Kredite 12.000

Kurzfristige

Kredite VLL 3.000

Eigenkapital

9.217,62

Summe Passiva

24.217,62

Prof.Adler_Prof.vonBoetticher_Skript_Sozialmanagement-Stand-28072016 (zum IVZ) Seite 25

fristiger in einen langfristigen Kredit umgeschuldet wird (Passivtausch).

Die dritte Grafik zeigt Bewegungen so-wohl auf der Aktiv- als auch auf der Passivseite:

Buchung 3: Wird der PC Kauf für 500€ über einen kurzfristigen Lieferantenkre-dit („auf Ziel“, d.h. auf Rechnung mit ei-nem Zahlungsziel) finanziert, dann er-höhen sich das Anlagevermögen (Ge-schäftsausstattung) und auch die kurz-fristigen Kredite (Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen) gleichzei-tig. Die Aktiv- und die Passivseite neh-men um den Betrag von 500€ zu (Bi-lanzverlängerung).

Buchung 4: Gleiches passiert bei ei-nem Vorratseinkauf auf Zahlungsziel. Die Erhöhung passiert wieder auf bei-den Bilanzseiten, nämlich der Aktivsei-te: Vorräte/Umlaufvermögen und der Passivseite: kurzfristige Verbindlichkeiten/Kredi-te. Damit erhöht (verlängert) sich die Bilanzsumme von 24.217.62 auf 25.117,62.

Das Eigenkapital bleibt gleich und die Schulden sind gestiegen, folglich hat der Verschuldungsgrad zugenommen. Die be-schriebenen Bewegungen haben das Eigen-kapital aber nicht berührt und veränderten nur den Vermögensbestand.

In der vierten Grafik kommt es durch den Aufwand für Abschreibung (Buchung 5) und Energie (Buchung 6) zu einer Bilanzverkür-zung. Das wird durch keine Passivposition ausgeglichen, was sich unmittelbar auf das (rechnerisch ermittelte) Eigenkapital aus-wirkt. Unser Verein verliert 3.000€ an Eigen-kapital und macht damit einen Verlust.

In der fünften Grafik gehen auf das Konto des Vereins 500€ an Zinserträgen ein (Bu-chung 7). Dem steht kein anderes Gegen-konto zur Zweitbuchung gegenüber. Deshalb wirkt sich dieser Vorgang rechnerisch auf das Eigenkapital aus, es kommt zu einem Gewinn. Alle Vermögenszugänge ohne sächlichen Gegenwert erhöhen also das Eigenkapital (Vergütungen, Zinsen, Spen-den).

In Buchung 8 wird einem Kunden eine Betreuungsrechnung gestellt. Das Geld ist noch nicht eingegangen, sonst würde sich der Bankbestand erhöhen. Es erhöht sich der Forderungsbestand, ohne das auch ein Gegenkonto zunehmen könnte. Deshalb wirkt sich auch der Forderungszugang positiv auf das Eigenkapital als Gewinn aus. Wenn der Kunde die Rechnung dann bezahlt, kommt es wieder zu einem Aktivtausch ohne Auswirkung auf die Bilanzsumme oder das Eigenkapital, der Buchungssatz würde lauten: Bank (Zunahme) an Forderungen (Abnahme).

Abb. 22: 2. Buchungen mit Aktiv-Passiv-Tausch

Forderungen 5.000 5.000

Fuhrpark 8.000

Geschäfts-

-ausstattung

5.817,62

Bank & Kasse

1.800

Vorräte&

Unfertiges 3.600

Summe Aktiva

24.217,62

Langfristige

Kredite 12.200

Kurzfristige

Kredite VLL 2.800

Eigenkapital

9.217,62

Summe Passiva

24.217,62

(1)

PC Kauf 500€

in Bar bezahltUmschuldung 200€

(2)

Abb. 23: 3. Aktiv-Passiv-Mehrung, Bilanzverlängerung

Forderungen 5.000 5.000

Fuhrpark 8.000

Geschäfts-

-ausstattung

6.317,62

Bank & Kasse

1.800

Vorräte&

Unfertiges 4.000

Summe Aktiva

25.117,62

Langfristige

Kredite 12.200

Kurzfristige

Kredite VLL 3.700

Eigenkapital

9.217,62

Summe Passiva

25.117,62

PC Kauf 500€

auf Ziel

Kauf Büro-

Material 400€

auf Ziel

(3)

(4)

Prof.Adler_Prof.vonBoetticher_Skript_Sozialmanagement-Stand-28072016 (zum IVZ) Seite 26

Haste was, biste was: GuV

Ohne eine differenzierte Buchführung und durch ständiges Aktualisieren der Bilanz würde der Überblick verloren gehen. Außerdem möchten die Vereinsmitlieder, GmB-H-Gesellschafter, Fördermittelgeber oder Gläubiger genauer wissen, wofür Geld aus-gegeben wird und woher die Gewinne kommen. Mancher Verein verdient sein Geld nämlich nicht nur durch konkrete Leistungen, sondern vielmehr durch Spenden und Zinseinnahmen.

Auch auf der Aufwandsseite ist Transparenz wichtig, um die Belastungen durch Schuldzinsen, Personal- oder Energieaufwand und Abschreibungen zu verstehen. Sobald eine Ausgabe das Reinvermögen (Eigenkapital) des Vereins mindert, handelt es sich um Aufwand. Wenn das Reinvermögen ver-mehrt wird, ist das Ertrag. Wenn sich beispielsweise zwei Vereine zusammentun, dann sollten die Quellen für Gewinn und Verlust transparent gemacht werden.

Das Bilanzrecht schreibt deswegen vor, dass Auf-wendungen und Erträge in der Gewinn- und Verlust-rechnung (GuV) gegenüber gestellt werden. Die Ge-winn- und Verlustrechnung ist für bilanzierende Orga-nisationen vorgeschrieben. Sie sammelt die Ergebnis-se der verschiedenen Aufwands- und Ertragsrechnun-gen in einer Übersicht. Links werden die Aufwendun-gen und rechts die Erträge gelistet. Übersteigen die Erträge die Aufwendungen, wird dem Eigenkapital ein Gewinn, andernfalls ein Verlust verrechnet.

Grafik 6 zeigt abschließend, wie sich das Eigenkapi-tal unseres Vereins durch Aufwendungen und Erträge verändert hat. Der Aufwand für die Abschreibung des Fuhrparks und der Energieaufwand liegt aber unterhalb der Erträge aus Zinsen und Betreuungseinnahmen. Deshalb bleibt ein Restbetrag (Saldo) übrig, der als Gewinn das Eigenkapital erhöht.

Abb. 25: 5. Aktiv-Passiv-Mehrung, Bilanzverlängerung mit Gewinn an Eigenkapital

Forderungen 10.000 10.000

Fuhrpark 6.000

Geschäfts-

-ausstattung

6.317,62

Bank & Kasse

1.300

Vorräte&

Unfertiges 4.000

Summe Aktiva

27.617,62

Langfristige

Kredite 12.200

Kurzfristige

Kredite VLL 3.700

Eigenkapital

11.717,62

Summe Passiva

27.617,62

(7)

(8)

Abb. 26: 6. Zusammenhang Aufwen-dungen/Erträge und GuV/Eigenkapital

Summe

Aufwendungen

3.000

Eigenkapital

11.717,62

Summe

Erträge

5.500

Erträge

Zinsen 500€

Erträge Be-

treuung 5.000€

AfA Fuhrpark

2.000€

Wasser &

Energie 1.000€

Differenz

2.500

Erträge

übersteigen

Aufwendungen

= GEWINN

Abb. 24: 4. Aktiv-Passiv-Minderung, Bilanzverkürzung mit Verlust an Eigenkapital

Forderungen 5.000 5.000

Fuhrpark 6.000

Geschäfts-

-ausstattung

6.317,62

Bank & Kasse

800

Vorräte&

Unfertiges 4.000

Summe Aktiva

22.117,62

Langfristige

Kredite 12.200

Kurzfristige

Kredite VLL 3.700

Eigenkapital

6.217,62

Summe Passiva

22.117,62

(6)

(5)

AfA Fuhrpark

2.000€

Wasser &

Energie 1.000€

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Das kaufmännische Rechnungswesen der Doppik ver-bucht bereits die gestellte Rechnung an den Kunden als Forderung und Ertrag. Gleichzeitig wird die Rechnung des Energielieferanten sofort als Aufwand verbucht. Da-mit wird eine größtmögliche Transparenz angestrebt, um jederzeit Auskunft über die wirtschaftliche Lage der Körperschaft geben zu können.

Das einfache Rechnungswesen würde so erst mit Ein-gang des Geldbetrages verfahren. Daran zeigt sich er-neut: Wer einen Verein wirtschaftlich bewerten möchte, übersieht leicht die Forderungen und Verbindlichkeiten. Geldgeber wie Spender oder Banken erwarten deshalb zunehmend vom Vereinsvorstand einen kaufmänni-schen Jahresabschluss aus Bilanz und GuV.

Damit muss man rechnen: Internes Rechnungswesen

Die Buchhaltung liefert die Informationen für Bilanz und GuV. Sie ist aber auch die Grundlage für die Kostenrechnung. Dabei geht es einerseits um Kostenkontrolle, was nicht unbedingt auch Kostensenkung bedeuten muss. Andererseits sind die Angebo-te und Preise der NPO zu kalkulieren. Dazu müssen Informationen über die Kosten und Leistungen vorliegen.28 Wichtig für die Beschäftigung mit Kosten ist, dass man sich die verschiedenen Kostenarten klar macht. Die Kosten könnten zunächst unter-schieden werden in Personal-, Kapital- oder Sachkosten.

Die Unterscheidung in Einzelkosten bzw. Gemeinkosten klärt dagegen, ob die Kos-ten einzelnen Produkten (z.B. Betreute, Fachleistungsstunden) zugerechnet werden können oder nach Schlüsseln auf die Kostenstellen zu verteilen sind. Gemeinkosten entstehen fürdie Geschäftsführung, Energie oder Hausverwaltung. Sie müssen so verrechnet werden, dass keine Abteilung unnötig belastet wird und die Kostenkalku-lationen in den verschiedenen Abteilungen einer NPO gerecht verlaufen.

Im Verhalten unterscheiden sich Kosten ab-hängig von der tatsächlichen Leistungsaktivität: Fixkosten bleiben meist konstant, ob gearbeitet wird oder nicht.

Variable Kosten können sich dagegen bei zu-nehmender Leistungsmenge proportional (gleichmäßig steigend), progressiv (überpro-portional steigend) oder degressiv (fallend) ver-halten (vgl.Abb.29).

In manchen Kalkulationen wird falsch gerech-net, weil einfach die wirklichen verbuchten Kos-ten herangezogen werden. Die kalkulatorischen Kosten fallen dagegen gar nicht auf: Eine für betriebliche Zwecke genutzte Privatwohnung erhöht die Mietkosten um die „kalkulatorische Miete“. Die Abschreibungen müssen wieder herein gewirtschaftet werden. Wenn die neuen Geräte aber teurer sein sollen, müssen die AfA-Beträge um die „kalkulatorische AfA“ erhöht werden.

Vor allem Freiberufler vergessen in ihren Kalkulationen leicht, den eigenen Unter-nehmerlohn kalkulatorisch einzuplanen. So kann das eigene Gehalt aber nicht aus den erzielten Preisen und Erträgen finanziert werden. Die kalkulatorischen Kosten stammen also nicht (immer) aus der Buchhaltung, weil es nach den GoB keinen Be-leg dafür gibt.

Abb. 27: Idealtypische Kostenverläufe

Prof.Adler_Prof.vonBoetticher_Skript_Sozialmanagement-Stand-28072016 (zum IVZ) Seite 28

Ein weiterer Kalkulationsfehler entsteht, wenn Kosten einkalkuliert werden, die nicht regelmäßig entstehen oder nicht zum eigentlichen Leistungsspektrum gehören. Dann sind die Kosten und daraus errechnete Preise zu hoch angesetzt. Gleiches passiert, wenn man sich auf der Ertragsseite „schön rechnet“. Die außergewöhnlich hohe Spende oder die unerwartete Steuerrückvergütung beschönigen die Kalkulationen.

Deshalb müssen Kosten und Leistungen von Aufwendungen und Erträgen unter-schieden werden. Kosten und Leistungen sind nur betrieblich bedingt und zeitnah entstanden. Alles andere muss man als „neutralen Aufwand und Ertrag“ heraus rech-nen. Das tut manchmal weh, eröffnet aber einen Blick auf die realen Kalkulationsbe-dingungen.

Jetzt wird abgerechnet: BAB

Größere NPOs haben meist mehrere Abteilungen wie Sekretariat, Hausverwaltung, Cafeteria und Geschäftsleitung. Um Kosten und Preise für Angebote (z.B. bei Aus-schreibungen) zu kalkulieren, müssen diese Kosten verteilt werden. Nur dann kom-men diese Gemeinkosten über die Preise als Erträge wieder zurück.

Dazu ist die Definition von Kostenstellen notwendig, die für ihre eigenen Kosten ver-antwortlich sind. Das können Abteilungen oder Personen sein, im beispielhaften Be-treuungsverein ProCurat sind das die einzelnen Betreuer und das Sekretariat.

Die gemeinsam verursachten Kosten werden gesammelt (Besprechungsraummiete, Energiekosten) und im Betriebsab-rechnungsbogen (BAB) nach ei-nem Umlageschlüssel auf die Kos-tenstellen verteilt. Der Umlage-schlüssel könnte sich bzgl. Miete z.B. an den genutzten Flächen ori-entieren. Zum Schluss werden die Gemeinkosten des Sekretariats in-kl. Gehalt auf die Betreuer umge-legt, mit dem Umlageschlüssel nach Betreutenanzahl. Daraus ergeben sich dann die Gemeinkosten je Kostenstelle der drei Betreuer (vgl. Abb.).

Kalkulation: Der Preis ist heiß

Nachdem die Kostenarten und Kostenstellen analysiert wurden, können die Kosten-träger (z.B. Fachleistungsstunden, Teilnehmerbeitrag oder Pflegesatztag) kalkuliert werden.

Die Kostenträgerrechnung berech-net die Selbstkosten für ein Ange-bot, welches dann (um den Gewinn erhöht) den Angebotspreis ergibt. Ein Defizit bedeutet Zuschussbe-darf durch Fördermittel oder Spen-den. Die Kostenträgerrechnung lie-fert auch die Bewertungsgrundla-gen für angefangene, aber noch nicht fertig gestellte Dienstleistun-gen. Das wird relevant, wenn eine Betreuungspauschale bis zur Bilanz nicht abge-rechnet wurde, aber bereits Kosten aufgelaufen und Ansprüche gegen den Kunden berechtigt sind.

Abb. 29: BAB mit Gemeinkosten-Zuschlagssätzen

Gemeinkosten Hans Gerda UweMietkosten 1.000 1:2:3:4 100 200 300 400

Energiekosten 1.000 1:3:3:3 100 300 300 300Zwischensumme 200 500 600 700

Sekretariatsgehalt 4.800 4.8005.000

1:2:2 1.000 2.000 2.000Umlage Gemeinkosten 1.500 2.600 2.700

Einzelkosten der Betreuer laut Buchhaltung 15.000 16.000 15.000Zuschlagssatz in % 10 16 18

Umlage-schlüssel

Sekreta-riat

Abb. 28: Beispiel BAB Betreuungsverein mit 3 Betreuern

Gemeinkosten Hans Gerda UweMietkosten 1.000 1:2:3:4 100 200 300 400

Energiekosten 1.000 1:3:3:3 100 300 300 300Zwischensumme 200 500 600 700

Sekretariatsgehalt 4.800 4.8005.000

1:2:2 1.000 2.000 2.000Umlage Gemeinkosten 1.500 2.600 2.700

Umlage-schlüssel

Sekreta-riat

Prof.Adler_Prof.vonBoetticher_Skript_Sozialmanagement-Stand-28072016 (zum IVZ) Seite 29

Bei der Divisionskalkulation werden die gesamten Kosten durch die geleisteten Ein-heiten dividiert. Wurden 2.000 Betreuungsstunden geleistet mit 52.800€ an Kosten, ergeben sich je Betreuungsstunde 26,40€ Kosten. Diese Rechnung funktioniert nur bei immer gleichen Angeboten, aber nicht, wenn ein neues Angebot kalkuliert wird. Dann sind vielleicht nur die Einzelkosten für Arbeitszeit, Sachmittel und Fahrtkosten bekannt, aber nicht der erforderliche Gemeinkostenzuschlag, damit auch die Ge-meinkosten im Preis enthalten sind.

Bei der Zuschlagskalkulation werden deshalb über den BAB die Gemeinkostenzu-schläge in % ermittelt. Unser Betreuungsverein schlägt den einzelnen Kostenstellen über den BAB zunächst die gemeinsamen Miet-, Energie- und Sekretariatskosten zu. Wenn die jeweiligen Einzelkosten der Betreuer aus der Buchhaltung dazu herange-zogen werden, kann die Gemeinkostenumlage prozentual berechnet werden.

Im Beispiel hat Betreuer Hans 15.000€ Einzelkosten und eine Gemeinkostenumlage von 1.500 was 10% entspricht (vgl.Abb.). Gerda hat 16% Zuschlag und Uwe gar 18%. Zuschlagsunterschiede entstehen durch die jeweilige Relationen der Gemein- zu den Einzelkosten.

Angenommen, für eine Dienstleistung (z.B. Vormundschaft) müssen 20 Arbeitsstun-den á 20€, 500 Km á 0,3€ und Büromittel mit 50€ kalkuliert werden. Dann sind laut BAB zu diesen Einzelkosten von 600€ für Hans 60€ (10%), Gerda 96€ (16%) und für Uwe 108€ als Gemeinkosten aufzuschlagen.

Hans hat bei 660€ zwar die geringsten Eigenkosten, in die Preisverhandlung kann man aber damit noch nicht gehen. Vielleicht sollte ein Gewinnzuschlag addiert wer-den. Bei 10% würden sich dann 726€ ergeben. Auf diesen Barverkaufspreis kann ein Skonto zugeschlagen werden, z.B. von 2% bei Ausschöpfung des Zahlungsziels. Die 726€ entsprächen dann 98%, der Zielverkaufspreis wären also rund 741€. Um sich einen Verhandlungsspielraum von z.B. 20% zu sichern, muss der Zielverkaufspreis wieder als 80% gerechnet werden, der Angebotspreis wären dann rund 926€.

Der jetzt entstandene Nettopreis wird um 19% Mehrwertsteuer erhöht und daraus errechnet sich der schlussendliche Bruttoverkaufspreis von rund 1.102€ für den End-verbraucher, sofern er den Verkäufer nicht wieder herunter handelt ;-) In Anbetracht der Zuschläge verwundert es nicht, wenn man es beim Feilschen kaum wirklich in die Gewinnzone schafft.30

Die gezeigten Kalkulationsmodelle ba-sieren als Vollkostenkalkulation auf der Annahme, dass die Kostenstruktur mengenunabhängig bleibt. Einen an-deren Weg schlägt die Deckungsbei-tragskalkulation ein: Hier werden ei-nerseits die fixen Kosten unterschie-den, die sowieso anfallen, ob etwas getan wird oder nicht. Die variablen Kosten dagegen entstehen in Abhän-gigkeit von Aktivitäten. Wenn unser Betreuungsverein ein Betreuungsangebot kalku-lieren möchte, muss er vielleicht mit 3.000€ an Fixkosten für Sekretariat, PKW-Ab-schreibung, Büroausstattung etc. rechnen. Je Betreuungsstunde fallen an variablen Kosten vielleicht nochmal 20€ an. Wenn der Kunde bereit ist, 50€ pro Stunde zu be-zahlen, dann bleiben je vergütete Stunde 30€ als (Fixkosten-) Deckungsbeitrag übrig.

Die Betreuer müssen also mindestens 100 Stunden arbeiten, um mit den Deckungs-beiträgen die 3.000€ Fixkosten zu decken. Mit der nächsten weiteren Stunde kämen sie dann in der Gewinnzone, denn da wäre der „Break-Even-Point“ überschritten.

Prof.Adler_Prof.vonBoetticher_Skript_Sozialmanagement-Stand-28072016 (zum IVZ) Seite 30

Als Formel ausgedrückt können weitere Berechnungen für Szenarien zu Kosten, Preisen und Mengen angestellt werden, z.B. zur Fixkostenentwicklung, zum Ange-botspreis oder folgend zum Break-Even-Point, an dem die Kosten mit den Erträgen identisch sind und der Gewinn beginnt:

Preis * Menge = Variable Kosten * Menge + Fixkosten

Gemein und nützlich = Gemeinnützig?

Körperschaften (z.B. Verein, gGmbH) des Dritten Sektors nehmen dauerhaft und absichtlich Geld ein (Mitgliedsbeiträge, Spenden, Verkauf) und unterliegen auch als NPO grundsätzlich der Steuerpflicht (z.B. Körperschaftssteuer, Gewerbesteuer, Um-satzsteuer, Schenkungs-steuer, Erbschaftssteuer etc.).

Die Gesellschaft hat ein besonderes Interesse an den Ergebnissen der NPOs und fördert deren Arbeit durch Steuerbe-günstigungen. Bei jährlich ca. 5 Mrd. € Spendenein-nahmen der NPOs entge-hen Staat und Gesell-schaft leicht 1 Mrd. an Steuern. Zusätzlich erstat-tet der Fiskus viele Millio-nen € an Einkommens-steuer den Spendern zu-rück. Dies gibt einen Ein-druck von der Förderhöhe für die NPOs allein durch das Gemeinnützigkeitsrecht.

Verständlicherweise haben die Finanzämter deshalb ein großes Kontrollinteresse. Dieser Fördermodus hängt damit verständlicherweise von politischen Schwerpunkt-setzungen ab.

Grundlage für die Beurteilung der Förderwürdigkeit ist die Übereinstimmung der Satzungszwecke einer NPO mit der Liste gemeinnütziger Zwecke in der Abgabenord-nung (§ 52 AO) und deren Umsetzung in der Praxis. Die Vereinssatzung muss für die Genehmigung der Gemeinnützigkeit die Formulierungen der Abgabenordnung wie-dergeben (s. Mustersatzung in Anlage 1 zu § 60 AO, vgl. Abb. 3031) Sogar ohne Ver-einseintragung kann beim Finanzamt aufgrund der Satzung eine vorläufige 18-Mona-te gültige Körperschaftssteuerfreistellungsbescheinigung beantragt werden.

Das Finanzamt überprüft nach Einreichung der jährlichen Rechnungslegung, der Steuererklärungen sowie der Tätigkeitsberichte, ob die Voraussetzungen eingehalten wurden. Darauf folgt eine „Körperschaftsteuer-Freistellungsbescheinigung“ des Fi-nanzamts über die Steuerfreiheit des Vereins für die letzten drei Jahre.

Vorsicht Haftungsrisiko: Die NPO haftet bei Fehlern (z.B. fehlende Gemeinnützig-keit) dem Finanzamt für 30% der Einkommenssteuer und 15% der Gewerbesteuer der Beträge, die auf Zuwendungsbestätigungen ausgewiesen wurden!

Das Steuerrecht gewährt eine Steuervergünstigung, wenn eine Körperschaft (§ 51 Abs. 1 AO; eingetragene Vereine, GmbHs, Aktiengesellschaften; nach dem Gesetz

Abb. 30: Satzungsinhalte des gemeinnützigen e.V., Broschüre R-Pflz: 15

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aber auch: „Personenvereinigungen“, d.h. auch der nicht eingetragene Verein kann somit gemeinnützig sein!) ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke im Dienste der Allgemeinheit verfolgt. Die gemeinnützigen Zwecke sind in einem längeren Katalog in § 52 der AO näher definiert (s. Kasten).

Der Katalog folgt kei-ner gemeinsamen Zielrichtung, sondern die genannten Zwecke gelten aufgrund politi-scher Vorgabe als ge-meinwohlfördernd. Mildtätige Zwecke be-ziehen sich auf Perso-nen, die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes auf die Hilfe anderer angewiesen sind oder die wirtschaftlich hilfebedürftig sind.

Letzteres gilt für Personen, deren Bezüge nicht höher sind als das Vierfache (bzw. bei Alleinstehenden und - ab 1.1.2014 - Alleinerziehenden das Fünffache) des Re-gelsatzes der Sozialhilfe. Bei Personen, deren wirtschaftliche Lage aus besonderen Gründen zu einer Notlage geworden ist, dürfen die Bezüge oder das Vermögen die genannten Grenzen übersteigen. Seit 2013 gilt allein der Bezug von Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII, von Wohngeld oder vom Kinderzuschlag nach § 6a BKGG als Beleg der wirtschaftlichen Hilfebedürftigkeit.

Statt einzelner Einkommensermittlungen kann der Nachweis darüber mittels eines entsprechenden Leistungsbescheides über Sozialleistungen, statt einzelner Einkom-mensermittlungen, geführt werden (§ 53 AO). Kirchliche Zwecke beziehen sich nur auf die Aktivitäten der Religionsgemeinschaften, die Körperschaft des öffentlichen Rechts sind (§ 54 AO).

Übertreten verboten: Grundsätze der Gemeinnützigkeit

Die Grundsätze der Gemeinnützigkeit fußen auf der Selbstlosigkeit, Ausschließlich-keit und Unmittelbarkeit der Zweckerfüllung: Nach § 52 AO verfolgt eine Körperschaft "gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern."

Eine Förderung der Allgemeinheit ist nicht gegeben, wenn der Kreis der geförderten Personen per Definition fest abgeschlossen ist (z.B. Familie, Belegschaft eines Un-ternehmens), oder infolge räumlicher oder beruflicher Merkmale dauernd nur klein sein kann. Mit der Förde-rung der Allge - meinheit kollidiert auch die faktische Beschränkung des Mitglie-derkreises durch hohe Bei - träge (über 1.023 € ) und Aufnahmegebühren (über 1.534 €, jeweils Durch--schnitte).

Hinsichtlich Selbstlosigkeit (§ 55 AO) darf die NPO nicht in erster Linie eigen-wirtschaftliche Zwecke ver-folgen. Es können also un-tergeordnet auch andere,

Anerkannte sozialarbeitsrelevante Zwecke zur Förderung der Allge-meinheit sind die in §52 AO definierten Zwecke, z.B. die Förderung des Gesundheitswesens, Jugend- und Altenhilfe, Erziehung, Volks- und Be-rufsbildung, Studentenhilfe, Zwecke der Wohlfahrtsverbände, Verfolgte, Behinderte, Opferandenken, Lebensrettung, internationale Gesinnung/Völkerverständigung, Entwicklungshilfe, Verbraucherschutz, Strafgefangenenhilfe, Gleichberechtigungsthemen, Ehe- und Familien-schutz, Kriminalprävention, Förderung des demokratischen Staatswe-sens (nicht Parteienunterstützung) und die Förderung bürgerschaftlichen Engagements bzgl. gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke.

Prof.Adler_Prof.vonBoetticher_Skript_Sozialmanagement-Stand-28072016 (zum IVZ) Seite 32

sogar wirtschaftliche Zwecke verfolgt werden (sog. Nebenzweckprivileg). Mittel der Körperschaft dürfen nur für die Satzungszwecke verwendet werden. Die Mitglieder oder Gesellschafter dürfen keine Gewinnanteile und in ihrer Eigenschaft als Mitglie-der auch keine sonstigen Zuwendungen aus Mitteln der Körperschaft erhalten.

Die Mitglieder haben bei Ausscheiden oder Auflösung der Körperschaft nur An-spruch auf die eingezahlten Kapitalanteile und den ur-sprünglichen Wert ihrer ge-leisteten Sacheinlagen.

Die Körperschaft darf keine Person durch Ausgaben, die dem Zweck der Körperschaft fremd sind, oder durch un-verhältnismäßig hohe Vergü-tungen begünstigen. Bei Auf-lösung der Körperschaft darf das Vermögen der Körper-schaft, soweit es die einge-zahlten Kapitalanteile der Mitglieder und den Wert der Sacheinlagen übersteigt, nur für steuerbegünstigte Zwe-cke verwendet werden (Grundsatz der Vermögens-bindung).

Zur Selbstlosigkeit gehört auch, dass die Körperschaft ihre Mittel grundsätzlich zeit-nah (i.d.R. im Laufe der fol-genden zwei Jahre) für ihre steuerbegünstigten sat-zungsmäßigen Zwecke verwenden muss (§ 55 Abs.1 Nr. 5 AO). Der Grundsatz der Ausschließlichkeit (§ 56 AO) verlangt, dass eine Körperschaft nur ihre steuerbegüns-tigten satzungsmäßigen Zwecke verfolgt, zumindest "in erster Linie" (vgl. §55 AO). Das sog. "Nebenzweckprivileg" lässt Vereinen eine untergeordnete Betätigung in an-deren als den Satzungszwecken zu, .die Satzung darf aber keine Hinweise auf wirt-schaftliche Betätigungen enthalten.

Ausschließlichkeit bedeutet außerdem, dass eigentlich gemeinnützige Zwecke, die nicht in der Satzung genannt sind, nicht nachhaltig verfolgt werden dürfen. Dazu ist zuvor eine Satzungsänderung erforderlich, die beim Vereinsregister, oder bei einer GmbH oder AG beim Handelsregister, angemeldet und in jedem Fall erst beim Fi-nanzamt hinsichtlich der weiteren Gemeinnützigkeit überprüft werden muss. Da die tatsächliche Geschäftsführung aber auch der Satzung entsprechen muss (§§ 59, 63 AO), sind umgekehrt keine Satzungszwecke „pro forma“ zu formulieren, die aktuell nicht auch verfolgt werden. Setzt die Körperschaft nichts in dieser Richtung in Tat um, droht der Verlust der Gemeinnützigkeit.

Unmittelbarkeit im Sinne des § 57 AO verlangt, dass die Körperschaft ihre Sat-zungszwecke selbst verwirklicht. Das kann nur durch Hilfspersonen geschehen, wenn nach den rechtlichen und tatsächlichen Beziehungen das Wirken der Hilfsper-son wie eigenes Wirken der Körperschaft anzusehen ist. Auch eine Delegation der

Abb. 31: Vorgeschriebenes Formular für Spendenquittung

Prof.Adler_Prof.vonBoetticher_Skript_Sozialmanagement-Stand-28072016 (zum IVZ) Seite 33

Zweckerfüllung an eine andere Körperschaft (z.B. als heimliche Umwidmung ohne Satzungsänderung) riskiert die Gemeinnützigkeit. Der Förderverein oder Spenden-sammelverein (z.B. Rotary) stellt eine Ausnahme vom Unmittelbarkeitsgebot dar, wenn das Beschaffen von Spenden für die steuerbegünstigten Zwecke anderer Kör-perschaften in der Satzung ausdrücklich festgelegt ist.

Einesteils der Steuer wegen: Konsequenzen der Gemeinnützigkeit

Welche Vorteile bringt die Gemeinnützigkeit bei allen Beschränkungen für Spender und NPO? Die Gemeinnützigkeit oder das „Verfolgen steuerbegünstigter Zwecke“ hat Vorteile beim Einwerben von Finanzmitteln und ehrenamtlicher Mitarbeit. Spenden und ggf. Mitgliedsbeiträge können gemäß § 10b Einkommenssteuergesetz (EStG) vom Spender bis zu 20% der jährlichen Einkünfte oder bei Unternehmen 4/1.000 der Summe der Umsätze, Löhne und Gehälter (Unternehmen) als Sonderausgaben von der Steuer abgezogen werden.

Großspenden lassen sich steuerlich auf Folgejahre verteilen. „Zustiftungen“, d.h. Spenden zur Erhöhung des Vermögensstocks einer Stiftung und Stiftungsmittel bis zu 1.000.000 € können vom Stifter auf 10 Jahre verteilt im Rahmen der vorgenannten Höchstbeträge (20% bzw. 4/1.000) steuerlich geltend gemacht werden. Nicht abzieh-bar sind Mitgliedsbeiträge an Körperschaften, die den Mitgliedern eine Gegenleistung bieten z.B. Sportvereine.

Die NPO muss für Zuwendungsbestätigungen ("Spendenquittung") an Spender die amtlich vorgegebenen Formulare verwenden (§ 50 EStG-Durchführungsverordnung, www.formulare-bfinv.de, vgl. Abb.). Bei Spenden bis 200 € reicht dem Spender auch ein Einzahlungs- oder Überweisungsbe - leg als Ersatz für die Zuwendungsbestäti-gung gegenüber dem Finanzamt. Durch den sog. "Übungsleiterfreibetrag" können für eine gemeinnützige Körperschaft zudem beruflich tätige Dienstleister (Trainer, Do-zenten, Betreuer) 2.400€ jährlich steuerfrei (und sozialversi - cherungsfrei) verein-nahmen (§ 3 Nr. 26 EStG).32

Für ehrenamtliche Tätigkeiten in einer gemeinnützigen Körperschaft gibt es (alterna-tiv) einen steuerlichen Freibetrag von 720 € als allgemeine Aufwandsentschädigung (§ 3 Nr. 26a EStG „Ehrenamtspauschale“). Sofern die Ehrenamtlichen zugleich staat-liche Hilfen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II oder SGB XII beziehen, wird ih-nen auch ein höherer Erwerbstätigenfreibetrag gewährt. Übersteigender Aufwand muss vom Ehren- amtlichen nachgewiesen werden. Außerdem profitiert die NPO von der Gemeinnützigkeit auch bezüglich der von ihr selbst erwirtschafteten Mittel: Ihre Einnahmen sind weitgehend steuerfrei!

Knapp an der Steuer vorbei: Einnahmebereiche der gemeinnützigen Körperschaft

Die gemeinnützige Körperschaft wird steuerlich in vier Einnahmen-/Ausgabenbereiche eingeteilt (vgl. Abb.): Der ideelle Bereich mit Einnahmen ohne (mark-tadäquate) Gegenleistungen zur Erfüllung der Sat-zungszwecke durch Spenden, Mitgliedsbeiträge und Zuschüsse ist vollkommen befreit von allen Steuern. Spender und ggf. Mitglieder erhalten dafür eine Zu-wendungsbestätigung über die Zuwendungssumme.

Abb. 32: Beispiel Überschussermittlung

Ideeler Bereich1. Einnahmen (Zuschüsse, Spenden)2. - Ausgaben (Verwaltung, Sonstiges)3. Überschuss/Verlust

Zweckbetriebe4. Einnahmen (Gebühren, Eintritt)5. - Ausgaben (Miete, Honorare)6. Überschuss/Verlust

Vermögensverwaltung7. Einnahmen (Zinsen, Mieten)8. - Ausgaben (Bankgebühren, Abschreibungen)9. Überschuss/Verlust

Steuerpfl. wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb10. Einnahmen (Caf ete, Sponsoring)11. - Ausgaben (Wareneinkauf , Druckkosten)12. Überschuss/Verlust

Gesamtergebnis = Positionen 3+6+9+12

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Der Bereich der Vermögensverwaltung umfasst Einnahmen aus der Nutzung des Körperschaftsvermögens wie Zinsen, Mieten, Pachten und ist gleichfalls befreit von der Körperschafts- und Kapitalertragssteuer.

Im dritten Bereich des steuer-begünstigten wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs (WgB) erzielt die NPO marktadäquate Ein-nahmen für Gegenleistungen, um die satzungsmäßigen Zwe-cke zu erfüllen ("Zweckbe-trieb"), z.B. Eintrittsgelder für Kultur- und Sportveranstaltun-gen, Pflegesätze, Leistungsent-gelte, Betreuungseinnahmen.

Ab Jahreseinnahmen von 35.000€ prüft das Finanzamt genau, ob die Einnahmen not-wendig zur Satzungserfüllung waren (z.B. WfB-Werkstattver-kauf) oder nur der Einnahmebe-schaffung dienten (z.B. Floh-markt) und damit einen steuer-pflichtigen Geschäftsbetrieb darstellen. Durch den Zweckbe-trieb darf es nicht zu unnötigen Wettbewerbsproblemen mit ge-werblichen Anbietern kom-men33:

Der Zweckbetrieb ist befreit von Körperschafts- und Gewerbesteuer, die Umsatz-steuersatz reduziert sich ggf. auf 7%. Etliche WgB sind kraft Gesetz (§66ff AO) Zweckbetriebe, wie z.B. Bildungseinrichtungen, Behindertenwerkstätten, öffentlich geförderte Forschungseinrichtungen, Altenwohn- und Pflegeheime, Mahlzeitendiens-te, Blinden- und Erziehungshilfe, Krankenhäuser, Kindergärten, Studentenheime, kul-turelle Einrichtungen und Veranstaltungen.

Im vierten Bereich, dem steuerpflichtigen WgB, beginnt die Besteuerungsgrenze für Kör-perschafts- und Gewerbesteuer ab Jahresein-nahmen aller WGBs zusammen oberhalb 35.000€ (inkl. MwSt.). Dazu zählen alle Ein-nahmen außerhalb des Satzungszweckes (auch gemeinnützige!) beispielsweise durch Verkaufsstände, Fan-Artikel, Flohmärkte, Ge-tränkeverkauf während einer NPO-Veranstal-tung, Handel mit Produkten und insbesondere das Sponsoring. Der WgB darf die Körper-schaft nicht nachhaltig prägen und in der Zweckerfüllung beeinträchtigen. Auch einmali-ge und organisatorisch schlichte Aktionen wie Verkaufsbasare können als WgB eingestuft werden. Kontinuierliche Fehlbeurteilungen z.B. beim Sponsoring können für einen Verein (und evtl. den Vorstand persönlich) steuer-lich dramatische Konsequenzen durch die nachträgliche Veranlagung zur Körper-schafts-, Gewerbe- und Umsatzsteuer haben.

Abb. 33: Wirtschaftsbereiche der NPO und Mittelaustausch

Abb. 34: Zweckbetrieb contra Gewerbe!

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Vorsicht: Sponsoren können die Sporen geben!

Sponsoring bedeutet die aktive Be-teiligung der steuerbegünstigten Kör-perschaft an Werbemaßnahmen des Sponsors und sollte vorsichtshalber immer als steuerpflichtiger WgB ein-geordnet werden. Typische Elemen-te des Sponsoring sind die vertragli-che Festlegung von marktadäquaten Gegenleistungen (gegenüber freiwil-ligen Spenden ohne marktadäquate Gegenleistung) und die offensichtli-che, dominante Zielgruppenbewer-bung.

Für den Sponsor sind die Sponso-ringaufwendungen steuerlich günstiger als Spenden, wenn die o.g. Spendengrenzen bereits erreicht wurden.34

Die Abgrenzung Sponsoring/Spende kann fließend sein, z.B. abhängig vom Werbe-auftritt oder von der Größe der verwendeten Logos und sollte zielführend (auch bzgl. Einnahmelimits) geplant werden.

Vorsicht ist bei der Nennung von Sponsoren auf der Homepage geboten: Der Link zum Sponsor gilt bereits als Sponsoring:

„Kann durch einen Link auf das Logo des Sponsors zu den Werbeseiten der spon-sernden Firma umgeschaltet werden, liegt eine Werbeleistung des Vereins vor, die zur Annahme eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs führt. Dage-gen sind die Einnahmen des Vereins nicht steuerpflichtig, wenn die Internetseite zwar das Logo des Sponsors enthält, eine Umschaltung zu dessen Werbeseiten aber nicht möglich ist.“35

Wenn das Finanzamt zweimal klingelt

Der Gewinn aus dem steuerpflichtigen WGB (ab 35.000€ Jahresbruttoeinnahmen einschließlich Umsatzsteuer) unterliegt der Körperschafts- und Gewerbesteuer, wo-bei die Verluste und ein Freibetrag von 5.000 € (§24 KStG) aber vom zu versteuern-den Einkommen abgezogen werden. Die KSt beträgt seit 2008 nur noch 15%. Die Gewerbesteuer hängt wesentlich vom Hebesatz der Gemeinde ab.

Überschüsse aus dem WGB lassen sich (steuerrelevant) nicht durch Verrechnung mit Verlusten aus den drei steuerbegünstigten Bereichen reduzieren. Umsatzsteuer (im Zweckbetrieb 7%, im WGB 19%) wird vom Verein erst jenseits der Größenmerk-male des Kleinunternehmers erhoben: Ein Brutto-Umsatz unter 17.500 € und im Fol-gejahr voraussichtlich nicht über 50.000 € bleibt Umsatzsteuerfrei.

Umsatzsteuerfrei sind Einnahmen des gemeinnützigen Bereichs wie Teilnehmerge-bühren, Mitgliedsbeiträge und Spenden für die gemeinnützigen Zwecke. Im Rahmen der Vermögensverwaltung sind Vermietungen und Verpachtungen steuerfrei, ansons-ten gilt für Einnahmen der Vermögensverwaltung der reguläre Steuersatz von 19 %. Der nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 a Satz 1 UStG vorgesehene ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7% ist für die Vermögensverwaltung nicht (mehr) anwendbar, seit der Bundesfi-nanzhof festgestellt hat, dass dies nicht mit den EU-Vorgaben zur Mehrwertsteuer vereinbar ist (Urteil vom 20.03.2014 – Aktenzeichen V R 4/13). Die in den gezahlten

Abb. 35: Behindertensport-Sponsoring: Handelsblatt vom 17.09.08

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Preisen enthaltene Vorsteuer kann mit der vereinnahmten Umsatzsteuer verrechnet werden.

Mittel des ideellen Bereichs und des Zweckbetriebs dürfen nicht für die beiden an-deren Bereiche verwendet werden (umgekehrt schon). Die Teilung und Mischfinan-zierung der Verwaltungskosten über alle vier Bereiche stellt ein typisches Problem dar und kann durch ein transparentes, differenziertes Rechnungswesen verhindert werden.

Verluste aus dem WGB und der Vermögensverwaltung dürfen grundsätzlich nicht mit Überschüssen aus dem ideellen Bereich oder dem Zweckbetrieb ausgeglichen werden. Insbesondere nicht ohne kurzfristige und nachvollziehbare Rückzah-lung. Verluste im WGB lassen sich besser durch Umlagen auf die Vereinsmitglieder ausgleichen oder durch Verzicht auf die Abschreibungsberechnung (AfA) verhindern.

Abgeführte Gewinne des WGB an den gemeinnützi-gen Bereich in den letzten sechs Jahren können aber in Ver- lustjahren an den WGB zurück gewährt werden. Über- schüsse aus allen vier Bereichen müssen zeitnah i.d.R. binnen des übernächsten Kalenderjahres zweck-konform verwendet werden. D.h. erwirtschaftete Mittel müssen zügig reinvestiert und dürfen grundsätzlich nicht gehortet werden. Ausnahmen sind gegenüber dem Finanzamt generell darstellungs- und begrün-dungspflichtig durch die Rechnungslegung.

Die vormals im § 58 AO, der „steuerrechtlich unschädliche Betätigungen“ beschreibt (so u.a. die Zulässigkeit geselliger Zusammenkünfte), geregelten Ausnahmen zur Bil-dung von Rücklagen und von Vermögen, sind zum 1.1.2014 in dem neuen § 62 AO zusammengefasst worden.

Für konkrete Projekte (Anschaffungen, Bauvorhaben) und zur Sicherstellung des laufenden Betriebs (auch AfA-Raten) dürfen zweckgebundene Rücklagen gebildet werden. Ein Drittel der Überschüsse aus der Vermögensverwaltung, 1/10 der Über-schüsse aus Zweckbetrieb und WGB sowie 1/10 der Einnahmen aus dem ideellen Bereich dürfen in eine freie Rücklage eingestellt werden, die nicht zeitnah zu verwen-den ist. Die Rücklagen sind allerdings ebenso zeitnah zu bilden und auszuweisen.

Wurde der Höchstbetrag für freie Rücklagen in einem Jahr nicht ausgeschöpft, kann das in den folgenden zwei Jahren nachgeholt werden. Fällt hingegen der Grund für die Rücklagenbildung weg, ist die Rücklage aufzulösen und wiederum zeitnah zu ver-wenden D.h. Rücklagen erhöhen das Vermögen einer steuerbegünstigten Körper-schaft nur vorübergehend. Demgegenüber dürfen Erbschaften und explizit dem Kör-perschaftsvermögen gewidmete Zuwendungen (muss im Spendenzweck oder im Spendenaufruf beschrieben sein!) langfristig in das zu verwaltende Vermögen zins-bringend eingestellt werden.

Die NPO kann sich damit für schlechte Zeiten ein kleines Finanzpolster aufbauen. Dies gilt insbesondere für die Startphase einer Stiftung in den ersten 4 Kalenderjah-ren ihres Bestehens. In dieser Zeit dürfen die Überschüsse aus der Vermögensver-waltung und dem Zweckbetrieb ganz oder teilweise dem Vermögen der Körperschaft zugeführt werden, um langfristig ertragbringend eingesetzt zu werden.

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Kleider machen Firmen: Rechtsformen

Wer sich selbständig macht, muss sich um die Rechtsform seines Unternehmens kümmern. Die verschiedenen Rechtsformen werden anhand des Beispiels einer Existenzgründung in der rechtlichen Betreuung (§§1896ff BGB) diskutiert.

Einzelkämpfer

Als selbständiger einzelner Berufsbetreuer ist man gewerblicher Einzel unternehmer und zur Anzeige beim (Finanz- und) Gewerbeamt verpflichtet. Damit ist auch die ge-bührenpflichtige Mitgliedschaft in der IHK und die Gewerbesteuerpflicht verbunden. Als Einzelunternehmer haftet man persönlich mit dem Unternehmens- und Privatver-mögen. Die Absicherung der Familie im Krisenfall ist also sehr wichtig.

Andererseits sind weder gerichtliche Eintragungen oder Gründungsformalitäten noch Gründungskapital erforderlich. Die Eintragung ins Handelsregister als eingetra-gener Kaufmann (e.K.) ist freiwillig und für langfristige, umfangreiche Geschäftsaktivitäten zu empfeh-len. Auch das Rechnungswesen ist vergleichsweise unkompliziert: Unterhalb 50.000€ Gewinn pro Jahr reicht eine Einnahme-/Über-schuss-Rechnung.

Bis 2004 waren Berufsbetreuer als Freiberufler anerkannt. Damit war man von der Gewerbesteuer und der IHK-Mitgliedschaft befreit und unabhängig von Umsatz und Gewinn nicht zu einem kaufmän-nischen Rechnungswesen ver-pflichtet. Die Beantragung einer Steuernummer beim Finanzamt ist aber auch für Freiberufler erfor-derlich.

Freie Berufe sind in einem ´Katalog´ im Einkommenssteuergesetz (§ 18 Abs.1 EStG) definiert oder mit diesen Katalogberufen vergleichbar.

Sowohl Berufsstatus als auch Einkommen werden bei Freiberuflern als relativ hoch angenommen. Freiberufler ist, wer selbständig und unabhängig wissenschaftlichen, künstlerischen, schriftstellerischen Tätigkeiten höherer Art oder einer persönlichen Dienstleistung höherer Art, die eine höhere Bildung erfordert, nachgeht.

Die Firma (Unternehmensname) des Einzelunternehmers sollte den Inhabernamen enthalten und den ausgeübten Beruf (Tischlerei Müller, Betreuungsbüro Müller). We-der Einzelunternehmer noch Freiberufler können gemeinnützig sein, diese Steuerver-günstigungen stehen nur Körperschaften zu.

Abb. 36: Rechtsformen für Gründungen

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Mit gefangen - mit gehangen: Personengesellschaften

Wenn zwei Berufsbetreuer in einem gemeinsamen Betreuungsbüro zusammenar-beiten, entsteht automatisch ohne besonderen Gründungsakt eine Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts (GbR §§705-740 BGB). Dabei handelt es sich meist um „Büroge-meinschaften“, in denen sich die GbR lediglich auf gemeinsam genutzte Anlagen und Anstellungsverhältnisse bezieht, ohne gegenseitige Haftung.

Anders das Gemeinschaftsbüro, in dem gemeinsam an Betreuungsfällen gearbeitet wird. Hier kann die Berufshaftung gegenseitig gelten und evtl. nach Außen nicht ge-nerell ausgeschlossen werden. Ein Gläubiger kann sich bei der GbR zunächst an je-den Gesellschafter halten, der sich dann wiederum an seine Mitgesellschafter halten muss. Der Eintritt als Neugesellschafter in eine evtl. verschuldete Betreuer-GbR soll-te außerdem vertraglich gut geregelt werden!

Ob man als Betreuungsbüro Müller&Weber GbR nach Außen auftritt, muss also vor allem unter Haftungsgesichtspunkten geklärt werden. Eine GbR entsteht übrigens auch, wenn sich zwei gemeinnützige Betreuungsvereine auf dem Flohmarkt einen Stand teilen!

Eine Berufsbetreuer-GbR könnte sich als offene Handelsgesellschaft (OHG) in das Handelsregister eingetragen lassen, wodurch wie beim e.K. das Handelsgesetzbuch (HGB) greift und die Gesellschafter mit voller Einlage und zusätzlich mit dem Privat-vermögen haften. Ob die Handelseigenschaft wirklich vorliegt, müsste das Handels-register prüfen.

Darlehen von Geldinstituten können von der OHG zwar leichter beschafft werden, das Risiko der privaten Pleite bei Insolvenz oder Geschäftsaufgabe ist jedoch ver-gleichsweise hoch. Die Gewinnverteilung müssten die Betreuergesellschafter ver-traglich regeln oder nach dem HGB vornehmen. Demnach bekommt jeder Teilhaber 4% des eingebrachten Kapitals an Gewinn, der restliche Gewinn sowie der gesamte Verlust werden nach „Köpfen“ aufgeteilt. Bei der OHG wären alle Betreuer zur Ge-schäftsführung und Haftung verpflichtet.

Abb. 37: Übersicht der verschiedenen Rechtsformen

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Falls einer der Betreuer aber nur Geldgeber und von der Geschäftsführung und Haf-tung ausgeschlossen bleiben möchte, könnte sich die Eintragung einer Betreuungs-Kommanditgesellschaft (KG) im Handelsregister z.B. als „Betreuungsbüro Müller KG“ anbieten. Die persönliche Haftung und Geschäftsführung liegt dann beim Komple-mentär Müller, der Kommanditist Weber liefert das Kapital und erhält eine Verzinsung laut Vertrag oder nach dem HGB (§§121, 168 HGB).

Da Berufsbetreuer keine anerkannten Freiberufler mehr sind, können sie sich nicht in einer Partnerschaft nach dem Partnerschaftsgesetz zusammenschließen. Der Zu-satz „Partner“ ist übrigens für diese im Partnerschaftsregister einzutragende Rechts-form reserviert. Die Partnerschaft unterscheidet sich von der GbR/OHG durch die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung (neben dem Partnerschaftsvermögen) auf die jeweiligen Berufsausübenden und die einfachere Vertragsgestaltung als rechtsfähige Körperschaft.

Die Einzelunternehmen, GbR, Partnerschaft, OHG und KG sind Personengesell-schaften zum Vorteil von Privatpersonen und keine gerichtlich eingetragene Körper-schaften, die deshalb grundsätzlich nicht gemeinnützig sein können.

Ohne Knete keine Fete: Kapitalgesellschaften

Neben einer Personengesellschaft kann von einem oder mehreren Berufsbetreuern auch eine Kapitalgesellschaft gegründet werden.

Als Betreuungs-GmbH dürfte man jetzt einen Phantasienamen verwenden (z.B. ProCurat GmbH) und nur eine (Ein-Per-sonen-GmbH) oder beliebig viele natürli-che und/oder juristischen Personen (z.B. Vereine) als Gesellschafter haben. Sie kann gemeinnützig sein (gGmbH) und als GmbH&Co.KG als nur mit dem Stammka-pital haftende Komplementärin agieren. Die gemeinnützige GmbH darf auch offizi-ell als „gGmbH“ (§4 GmbHG) firmieren.

Zur Gründung müssten von den Betreu-er-Gesellschaftern jedoch 25.000€ Grün-dungskapital aufgebracht werden. Die Haftung ist auf das Gründungs- und spä-ter Gesellschaftskapital beschränkt (des-halb: Gesellschaft mit beschränkter Haf-tung). In der Regel bleibt das Privatver-mögen der Gesellschafter also vor Haf-tung geschützt.

Anders als bei der GbR ist bei der GmbH eine notarielle Beurkundung und ein Han-delsregistereintrag vorgeschrieben, durch den die GmbH erst rechtlich als eigenstän-dige Körperschaft entsteht. Die Betreuungs-GmbH würde zwingend die Bestellung ei-nes Geschäftsführers (§ 6 Abs.1 GmbHG) erfordern, der die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich gegenüber Dritten unbeschränkt und unbeschränkbar vertritt. Damit unterscheiden sich Geschäftsführer in Vereinen und GmbH gravierend!

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Gegenüber Personengesellschaf-ten können die Gesellschafter so-gar mit der eigenen GmbH einen Vertrag schließen (Insichgeschäf-te), wenn es der Gesellschaftsver-trag oder Gesellschafterbeschluss ausdrücklich gestattet. Die GmbH ist nach dem HGB grundsätzlich zu Bilanzierung und kaufmännischem Rechnungswesen verpflichtet.

Den Haftungsvorteilen stehen also Nachteile bei Gründungs- und Betriebsaufwand entge-gen.

Gründungen im Dritten Sektor mussten sich aus Haf-tungsgesichtspunkten bislang meist entscheiden zwi-schen vielen Beteiligten aber wenig Gründungskapital (Verein) oder wenigen Beteiligten aber hohes Gründungskapital (GmbH).

Seit 2008 bietet sich die Unternehmergesellschaft („UG“ §5a GmbHG) als Mini-GmbH an. Sie kann mit einem Euro Stammkapital gegründet werden kann. Allerdings müssen jährlich mindestens 25% des Jahresüberschusses in eine Rücklage eingestellt werden, bis die GMBH-typischen 25.000€ erreicht sind. Die UG wird dann aber nicht automatisch zur GmbH und es gibt auch keinen Zwang zur Umwandlung. Die UG ist eigentlich keine neue Rechtsform, sondern eine GmbH mit geringerem Mindestkapital und muss deshalb die Zusatzbezeichnung „haftungsbeschränkt“ führen. Hinsichtlich Steu-er und Rechnungslegung unterscheiden sich UG und GmbH aber nicht.

Neben dem geringen Stammkapital ist die UG einfacher als die GmbH zu gründen: Bei maximal drei Gesellschaftern und einem Geschäftsführer kann die Gründung im vereinfachten Verfahren mittels eines vorgedruckten Musterprotokolls erfolgen. Ge-ringere Notarkosten von etwa 20€ und Registergebühren von etwa 100 € sind weite-re Vorteile für Kleingründer. Hinsichtlich Gemeinnützigkeit dürfte die UG der Ltd. überlegen sein, weil bei der Ltd. der Unternehmenssitz nicht in der BRD sondern in England ist, und in der BRD formell nur die Niederlassung steht. Im Dritten Sektor waren bislang kaum Ltd.-Gründungen zu beobachten, erste gemeinnützige UGs gibt es dagegen schon.

Die Betreuer könnten auch eine kleine Betreuungs- Aktiengesellschaft AG gründen, sofern sie über mindestens 50.000€ Gründungskapital (bei der großen AG 500.000€) verfügen und den Gründungs- und Betriebsaufwand nicht scheuen (notarielle Beur-kundungen von Gesellschaftsvertrag und Satzung, Anmeldung zum Handelsregister, Bestellung und Besetzung der Organe Hauptversammlung-Aufsichtsrat-Vorstand, Gründungsbericht, Gründungsprüfung, Bilanzpflicht etc.).

Das Grundkapital würde dann durch Übernahme der Aktien durch die Gründer auf-gebracht, eine Börsennotierung ist nicht erforderlich. Die Aktionäre wären nicht nur von der persönlichen und über den Aktienanteil hinausgehenden Haftung befreit, sondern könnten die Aktien weiterverkaufen oder vererben. Außerdem ist die Tren-nung von Eigentum (Aktionäre) und Management (Vorstand, Aufsichtsrat) noch klarer als bei der GmbH. Neue Finanziers könnten leicht durch die Ausgabe von neuen „jungen“ Aktien hinzu genommen werden, freilich nur bei entsprechender Attraktivität der Dividende (Ausschüttung des Gewinns je Aktie).

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Die AG kann unpro-blematisch gemein-nützig sein (sofern keine Dividenden in Geld ausgeschüttet werden) und stellt wegen der demokrati-schen Verwandt-schaft mit dem Verein (ursprünglich „Aktien-verein“) durchaus ei-ne Alternative als ge-meinnützige Körper-schaft dar, wenn nur das kommerzielle Image nicht wäre.

Von Stiften und Genossen: Typische Rechtsformen im Dritten Sektor

Mit der Errichtung einer Betreuungs-Stiftung kann das Lebenswerk der Betreuer ge-sichert werden. Mit dem Stiftungsvermögen und resultierenden Erträgen soll ein vom Stifter festgelegter Zweck dauerhaft verfolgt werden können (§80 BGB). Es muss al-so meist eine (in den Bundesländern verschie-den) hohe Geldsumme mit Zinserträgen oder z.B. ein Immobilienver-mögen mit Mieterträgen eingebracht werden, was sich aber steuerlich at-traktiv verwerten lässt.

Da es sich bei der Stif-tung um eine selbständi-ge Vermögensmasse handelt, hat der Stifter und auch sonst kaum je-mand jemals mehr auf sie Zugriff.

Die Stiftung ist im deut-schen Recht das einzige Rechtsinstitut, mit dem eine natürliche Person ih-ren Willen auch noch Jahrhunderte nach ihrem Ableben für nachfolgende Generationen verbindlich ma-chen kann. Deshalb gibt es Stiftungen mit über 1000-Jähriger Geschichte (z.B. Bür-gerspitalstiftung in Wemding). Unsere Betreuer könnten die öffentliche Stiftungsauf-sicht und die Gründungsauflagen aber umgehen, und einen Betreuungsverein oder eine GmbH satzungsmäßig als Stiftung konstruieren.

Mit AG und Verein verwandt ist die Genossenschaft. Die Betreuer könnten Sie mit mindestens drei Genossen gründen (natürliche und juristische Personen sind mög-lich, §4 GenG) und gemeinsam, gleichberechtigt als demokratisches Unternehmen mit eigener Firma (z.B.“ProCurat eG“) unterhalten.

Abb. 39: Die Stiftung ist zwar eher ´undemokratisch´ aber für die Ewigkeit

Abb. 38: Die gAG als moderne Rechtsform im Dritten Sektor

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Die Genossenschaft verfolgt gesetzlich vorgegeben die ökonomische Förderung der Mitglieder und zwar primär über Leis-tungsbeziehungen zwischen den Mitglie-dern (hier die Betreuer) und der (Betreuer-)Genossenschaft, beispielsweise in der Bewirtschaftung des Betreuungsbü-ros, in Beschaffung oder Vertrieb.

Seit 2006 können Genossenschaften auch soziale oder kulturelle Zwecke verfolgen. Die typische Genossenschaftsidentität ba-siert neben dem Förderungsprinzip der Mit-glieder auf den Grundsätzen der Selbsthil-fe, Selbstverantwortung und Selbstverwal-tung und des Identitätsprinzips, nachdem die Beteiligten sowohl Genossen als auch Geschäftspartner und Eigenkapitalgeber zugleich sind.

Für die Betreuer als Genossen ist die Begrenzung der Haftung auf das Vermögen der Betreuungsgenossenschaft interessant. Die Satzung der eG kann im Falle einer Insolvenz aber Nachschusspflichten der Mitglieder vorsehen. Die Genossen müssen sich mit mindestens einem Geschäftsanteilsschein an der Genossenschaft beteiligen. Wer mehr zeichnet, hat aber nicht mehr zu sagen: Jeder Ge-nosse verfügt unabhängig von den Anteilen nur über eine Stimme in der Generalver-sammlung aller Genossen.

Gründung und Betrieb der eG sind vergleichsweise komplex: In der Gründungsversammlung wird eine Satzung beschlos-sen, der Aufsichtsrat gewählt (falls nicht die Generalver-sammlung die Funktion wahr-nimmt), der Vorstand bestellt und der Beitritt zu einem Prü-fungsverband beschlossen. Die eG muss Mitglied in einem Prü-fungsverband sein, der Kon-troll- und Aufsichtsrechte ge-genüber der eG wahrnimmt (und Kosten verursacht).

Die Genossenschaft ist in das Genossenschaftsregister des zuständigen Amtsgerichts ein-zutragen und muss über eine Satzung mit gesetzlich vorgeschriebenen Mindestinhalt verfügen. Ein Mindestkapital zur Gründung ist laut Genossenschaftsgesetz (GenG) nicht vorgeschrieben. Die ein-getragene Genossenschaft ist eine juristische Person und nach §17 GenG automa-tisch Kaufmann im Sinne des Handelsrechts (Bilanzierungspflicht!).

Abb. 41: Manche Walddorf-Schulen sind eine g.e.G., hier: Rudolf-Steiner-Schule Ismaning

Abb. 40: Stiftung mit gGmbH kombiniert

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Vereinsmeier aufgepasst

Falls die Betreuer unseres Beispiels sich nicht primär wirtschaftlich betätigen, bzw. die Selbständigkeit zugunsten eines Angestelltendaseins aufgeben wollen, bietet sich gerade im Betreuungswesen der Verein als „Betreuungsverein“ nach §1908 BGB an. In Deutschland gibt es ca. 590.000 eingetragene Vereine und etwa 800 Betreuungs-vereine, deren Zahl wegen der schwachen Förderung und der Berufsbetreuerkonkur-renz laufend abnimmt.

Im Gegensatz zur Aktiengesellschaft und zur Genossenschaft darf der Verein primär nur als „Idealverein“ ohne wirtschaftliche Absichten gegründet werden, unabhängig von der eventuellen Gemeinnützigkeit. Viele Vereine tragen das Jahr 1848 im Na-men, was auf die Gründung zur Zeit der erstmaligen Vereins- und Versammlungsfrei-heit hindeutet.

Die Betreuer könnten einen nicht eingetragenen (=nicht rechtsfähigen) Ver-ein gründen, oder den ge-gründeten Verein beim Ver-einsregister als rechtsfähi-gen e.V. eintragen lassen (§21 BGB, sofern die Grün-dungs- und Satzungserfor-dernisse gegeben sind). Der nicht eingetragene Verein wird mit mindestens zwei Mitgliedern gegrün-det, in dem eine Satzung beschlossen und eine Ver-einsvertretung gewählt wird. Lediglich die Eintragung beim Vereinsregister bleibt aus. Nach dem BGB wird er zwar als GbR (Gesamthandsgemeinschaft §§ 54 BGB) be-handelt. In der Praxis bezieht sich die Haftung aber gesamtschuldnerisch auf die handelnden Personen (v.a. Vorstand). Auch die Gemeinnützigkeit wird vom Finanz-amt nach Satzung und tatsächlicher Geschäftsführung und nicht aufgrund der Ver-einsregistereintragung gewährt.

Der nicht rechtsfähige Verein wird zwar oft gegründet, weil nicht ausreichend Mit-glieder vorhanden sind. Dennoch sollten sich Satzung und Vereinsgebaren vollstän-dig am e.V. orientieren, um im Zweifelsfall nicht doch als verdeckte GbR zu gelten. Ob der nicht rechtsfähige Verein auch als Körperschaft grundbuchfähig ist, ist strittig und damit bzgl. Erbschaftsspenden ungünstig. Dennoch kann dessen zügige Grün-dung gegenüber einer riskanten GbR viele Vorteile haben – nicht zuletzt, weil auch der nicht eingetragene Verein im Unterschied zur GbR gemeinnützig sein kann.

Der Förderverein ist übrigens keine besondere Vereinsform. Als gemeinnütziger Verein erfüllt er seine Satzungszwecke nicht selbst, sondern durch die Unterstützung einer anderen gemeinnützigen Körperschaft (z.B. Schule, Museum).

Der eingetragene Verein ist dem nicht eingetragenen in vielerlei Hinsicht überlegen. Als juristische Person kann der e.V. selbständig Rechtsgeschäfte mit Dritten ab-schließen. Die Haftung für die vereinsbezogenen Handlungen des Vorstandes ge-genüber Dritten oder Vereinsmitgliedern übernimmt der Verein mit seinem Vereins-vermögen (§ 31 BGB) und nicht das einzelne Mitglied mit dem Privatvermögen. Das gilt auch für andere Organmitglieder oder besondere Vertreter. Der Vereinsvorstand haftet aber ausnahmsweise persönlich bei Verstößen gegen Steuer- oder Sozialver-sicherungspflichten. Die Haftung der ehrenamtlichen Vereinsvorstände mit weniger als 720€ jährlicher Vergütung greift nur bei grober Fahrlässigkeit oder vorsätzlich

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zweckfremder Verwendung von Zuwendungen. Die Beweislast tragen der Verein oder das geschädigte Vereinsmitglied (§31a BGB). Die Haftungserleichterungen gel-ten auch für andere ehrenamtlich Tätige und Vereinsmitglieder, sofern sie weniger als 720€ jährliche Vergütung erhalten, im Rahmen des Vereinszwecks aktiv sind und we-der Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit vorliegen. Der Schadensersatzpflichte kann vom Verein eine Haftungsbefreiung verlangen.

Zur Gründung des e.V. sind mindes-tens sieben (natürliche oder juristi-sche) Personen nötig, die eine Grün-dungsversammlung abhalten. Dort wird eine schriftliche Satzung be-schlossen und von mindestens sie-ben Gründungsmitgliedern unter-schrieben. Die Vereinssatzung muss Aussagen enthalten zum Zweck, Na-me und Sitz des Vereins, Absicht der Eintragung in das Vereinsregister, Regelungen über Ein– und Austritt von Mitgliedern sowie zur Bildung des Vorstands. Weitere Satzungsthe-men sind eine eventuelle Beitrags-pflicht für Mitglieder, die Einberufungsmodalitäten der Mitgliederversammlung sowie die Protokollierung der gefassten Beschlüsse.

Erst nach Annahme der Satzung durch die Mitglieder wird nach deren Vorgaben der Vorstand gewählt. Im Gründungsprotokoll müssen der Ort und Zeitpunkt der Ver-sammlung, die Zahl der anwesenden Mitglieder und die Feststellung der Beschluss-fähigkeit aufgrund von mindestens sieben anwesenden Mitgliedern festgehalten sein. Im Protokoll werden mindestens Beschlüsse und Abstimmungsergebnisse zur Bera-tung und Annahme der Satzung und zur Vorstandswahl beschrieben. Das Wahlproto-koll wird vom vorher gewählten Versammlungsleiter und dem Protokollführer unter-schrieben.

Der Vorstand muss den Verein zur Eintragung in das Vereinsregister beim zuständi-gen Amtsgericht (Registergericht) schriftlich anmelden. Die Anmeldung muss von al-len vertretungsberechtigten Vorstandsmitgliedern unterzeichnet, und die Unterschrif-ten notariell beglaubigt werden. Anzugeben sind Name, Sitz und Anschrift des Ver-eins, der Tag der Errichtung der Satzung und Name, Beruf und Anschrift der Vor-standsmitglieder (§59 BGB).

Der Notar reicht dann eine Vereinsanmeldung mit den beglaubigten Unterschriften und Unterlagen (von Gründungsmitgliedern unterzeichnete Originalsatzung, Grün-dungs- und Wahlprotokoll) beim Registergericht ein.

Der e.V. hat als Vereinsorgane wenigstens den Vorstand (eine oder mehrere Perso-nen) und die Mitgliederversammlung als Mindestorgane. Der Vorstand vertritt den Verein gerichtlich und außergerichtlich. Durch die Satzung können für einzelne Ge-schäftsbereiche besondere Vertreter (§ 30 BGB) mit einer dem Vorstand vergleichba-ren Stellung eingesetzt werden, sofern eine registergerichtliche Eintragung erfolgt.

Der Vorstand unterliegt grundsätzlich dem Weisungsrecht der Mitgliederversamm-lung. Diese Stellung des Vorstands kann durch die Satzung aber weitgehend geän-dert werden. Den Vorstand oder die Mitgliederversammlung ergänzende Organe wie ein Beirat oder Kuratorium können durch die Satzung eingesetzt und mit Kompeten-zen ausgestattet werden. Die Vertretungsmacht des Vorstands nach Außen darf aber nicht beschränkt werden.

Prof.Adler_Prof.vonBoetticher_Skript_Sozialmanagement-Stand-28072016 (zum IVZ) Seite 45

Mit der für 2013 geplanten Reform des Gemeinnützigkeits- und Vereinsrechts (§ 27, 3 BGB-neu) soll die Unentgeltlichkeit d.h. Ehrenamtlichkeit des Vorstands beim ge-meinnützigen Verein ausdrücklich im Gesetz als Normalfall definiert werden. Davon abweichend kann weiterhin per Satzung aber eine angemessene Aufwandsentschä-digung und Vergütung bestimmt werden.

Die Freiheit bei der Organbildung des Vereins kann kompliziert und undurchschau-bar werden. Dazu können Kompetenzstreitigkeiten kommen, wenn sich zunehmend widersprüchliche Anspruchsgruppen in der Vorstandschaft abbilden und durchzuset-zen versuchen. Nach dem Gesetz obliegt die Geschäftsführung alleine dem Vor-stand. Der Vorstand kann jedoch im Rahmen seiner Geschäftsführung jederzeit ein-zelne Geschäfte durch Vollmacht (keine Generalvollmacht!) auf einen Geschäftsfüh-rer übertragen. Der Verein haftet für Handlungen eines Geschäftsführers und für Handlungen von Vorstandsmitgliedern gleichermaßen (§31 BGB).

Die Einbindung der Geschäftsführung ist eine wichtige Aufgabe für den Vorstand und sollte anhand der Ziele und Aufgaben einer der drei folgenden Varianten folgen:

1) Der Geschäftsführer ist ’besonderer Vertreter’ des Vereins und muss in der Satzung vorgesehen und ins Vereinsregister eintragen werden.

2) Ein Vorstandsmitglied kann als Geschäftsführer fungieren, wobei auf die Ver-gütungsregelungen zu achten ist.

3) Der Vorstand erteilt dem Geschäftsführer eine Vollmacht mit beschriebenem Vertretungsumfang und eigenem Geschäftsführungsvertrag.

Die Mitgliederversammlung ist das oberste beschlussfassende Organ des Vereins (§32 BGB). Alle Vereinsangelegenheiten, die nicht durch Satzung einem anderen Vereinsorgan zugewiesen sind, werden dort geregelt. Mitgliederversammlungen fin-den nach rechtzeitiger La-dung inklusive Tagesordnung statt. Das Recht der Mitglie-derversammlung, über die Auflösung des Vereins und den Verbleib des Vereinsver-mögens zu beschließen, kann nicht geändert werden.

Die Mitgliederversammlung ist zuständig für die Wahl des Vorstands und der Kas-senrevision, weiter für Satzungsänderungen, die Änderung des Vereinszwecks, die Entgegennahme des Jahresabschlusses und des Prüfungsberichtes, sowie für die Entlastung des Vorstands. Gesetzlich vorgegebene Mehrheiten bei Entscheidungen der Mitgliederversammlung beziehen sich nur auf anwesende Mitglieder. Sie können durch die Satzung im Sinne einer Entscheidungsvereinfachung anders bestimmt wer-den. Dies empfiehlt sich beispielsweise bei ’Karteileichen’ unter den Mitgliedern.

Die Mitgliederversammlung hat gegenüber dem Vorstand und anderen Organen In-formations- und Auskunftsrechte. Üblicherweise wird der Vorstand durch die Mitglie-derversammlung zum Ende der Amtszeit oder des Geschäftsjahres entlastet. Durch die Entlastung verzichtet der Verein auf die Geltendmachung von Schäden durch Handlungen des Vorstands im betreffenden Zeitraum, die bekannt waren oder bei Prüfung hätten bekannt werden müssen. Für mangelhafte Kontrolle eines Vereinsvor-standes haftet der Verein, selbst bei kriminellem Verhalten des Vorstands.

Prof.Adler_Prof.vonBoetticher_Skript_Sozialmanagement-Stand-28072016 (zum IVZ) Seite 46

Die Auflösung des Vereins kann über einen entsprechenden Mehrheitsbeschluss oder im Rah- men einer Liquidation we-gen fehlender Mitgliederzahl (we- niger als drei Mitglieder) oder aufgrund Insolvenz des Ver- eins geschehen.

Als Gründe für die Insolvenz kommen Zahlungsunfähig-keit und Überschuldung des Ver- eins in Betracht (§42 Abs.2 BGB). Die (drohende) Zahlungs- unfähigkeit des Vereins ist gegeben, wenn er im Zeitpunkt der Fälligkeit oder akut nicht in der Lage ist, fällige Zah- lungspflichten zu erfüllen. Hat der Verein seine Zahlungen evtl. schon eingestellt, kann ein Gläubiger nach erfolglosen Vollstreckungsversuchen einen Insolvenzantrag gegen den Verein stellen. Ein weiterer Insolvenzgrund ist die rechtliche Überschuldung des Ver-eins (§19 Insolvenzordnung), weil das Vermögen des Vereins die bestehenden Verbind- lichkeiten langfristig nicht mehr deckt. Bei Überschul- dung und Zahlungsunfä-higkeit ist der Vorstand gegenüber den Gläubigern verpflichtet, beim Amtsgericht des Vereinssitzes durch formlosen Antrag die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu be-antragen (§42 BGB). Die Vorstandsmitglieder sind bei einer schuldhaften Verzöge-rung der Insolvenzbeantragung gegenüber den alten und neu hinzukommenden Gläubigern für den daraus entstandenen Schaden gesamtschuldnerisch verantwort-lich. Die Vorstände haften dann mit ihrem Privatvermögen und zwar gegenseitig, falls ein Vorstand nicht für seinen Schadensanteil aufkommen kann.

Die Insolvenz ist für den Verein eine besonders tragische Angelegenheit, denn mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist auch der Verlus der Rechtsfähigkeit ver-bunden (§42 Abs.1 BGB). Der eingetragene Verein kann damit nicht mehr als juristi -sche Person agieren. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht außerdem die Vereinsliquidation einher, sogar wenn der Insolvenzantrag mangels Vereinsvermögen abgelehnt wurde. Die Vereinsorgane existieren zwar vorerst weiter, die vermögensre-levanten Entscheidungen gehen aber an den Insolvenzverwalter über.

Verein - Pro & Contra: Der e.V. hat als meist gewählte Rechtsform sozialer Einrich-tungen viele Vorteile: Für Verbindlichkeiten haften nicht die Mitglieder sondern der Verein als juristische Person. Die Vereinsmitglieder haben im Rahmen der Satzung die Möglichkeit zur demokratischen Mitbestimmung. Die Gründungsformalitäten sind relativ einfach. Es ist kein Gründungskapital erforderlich und die Gründungskosten bleiben auf die Kosten für den Notar, das Registergericht und die Veröffentlichung der gerichtlichen Eintragung beschränkt. Der Verein bleibt auch bestehen, wenn Mit-glieder und Vorstand wechseln.

Mit der Anerkennung der satzungsgemäß gemeinnützigen Ziele eines Vereins durch das Finanzamt können erhebliche steuerliche Vorteile verbunden sein. Da es sich ausschließlich um Gründungen von Idealvereinen handelt, ist im Sozial- und Gesund-heitswesen die Zuerkennung der Gemeinnützigkeit meist unproblematisch.

Das nur rudimentär entwickelte Vereinsrecht im BGB ermöglicht ausgesprochen fle-xible Regelungen zur Organisation des Vereins. Werden alle Möglichkeiten der ver-einsrechtlichen Gestaltung ausgenutzt und bestehen große Übereinstimmungen zwi-schen Mitgliederversammlung und Vorstand, können die Vorteile der häufig als Alter-native diskutierten gGmbH übernommen und deren Nachteile vermieden werden: „Ein Verein kann geführt werden wie eine GmbH, aber nicht umgekehrt.“36

Andererseits bergen die Mitgliederversammlung und der Bedarf, große Personen- und Interessengruppen hinter eine mehrheitsfähige Position zu vereinen, vielleicht Unwägbarkeiten. Es entstehen leicht Widersprüche zwischen unternehmerisch sinn-vollen, aber kollektiv nicht vermittelbaren Entscheidungen: „Nimmt man die Vereinss-

Prof.Adler_Prof.vonBoetticher_Skript_Sozialmanagement-Stand-28072016 (zum IVZ) Seite 47

truktur mit der Mitgliederversammlung als dem Hauptorgan des Vereins ernst und weist diesem Organ entscheidende Mitwirkungskompetenzen im laufenden Betrieb des Krankenhauses zu, können unternehmerische Gesichtspunkte leicht in den Hin-tergrund geraten.“37

Die Wahl der Leitungsor-ganisation sollte also vor dem Hintergrund verschie-dener Parameter wie Um-fang, Komplexität und Ri-siken der wirtschaftlichen Betätigung des Vereins, der Eigenständigkeit des Vereinslebens und dem Interesse der Mitglieder für die wirtschaftlichen Ak-tivitäten des Vereins erfol-gen.

Demnach sollte entschieden werden zwischen

1) einem ehrenamtlichen Vorstand und einer angestellten Geschäftsführung bei einem Übergewicht verbandlicher Themen,

2) einem hauptamtlichen Vorstand bei eher unriskanten aber überwiegenden wirtschaftlichen Aktivitäten und

3) einer GmbH-Abspaltung zum Schutz des Vereinsvermögens vor Haftung bei wirtschaftlich komplexen und riskanten Betätigungen.

Mit den vereinsrechtlichen Gestaltungsfreiheiten sind oft Unsicherheiten für die Nut-zer, Zuschussgeber und beschäftigten Personen verbunden. Außerdem driften die demokratische Basis der Mitgliederversammlung und das sich professionalisierende Vereinsmanagement oft auseinander. Wenn in wirtschaftlich aktiven Vereinen der eh-renamtliche Vorstand den Überblick über das operative Geschäft verliert, kann es zu riskanten Schnittstellenproblemen zwischen den Organen des Vereins kommen. Vor-stand und Geschäftsführung sind dann auf eine besonders gut geregelte Koordinati-on und Kommunikation angewiesen.

Häufig wird an diesem Punkt der Vereinsentwicklung die Umwandlung oder Aufspal-tung in eine GmbH diskutiert. Auch wenn der Verein zu groß wird oder wirtschaftliche Aktivitäten die Überhand nehmen, können einzelne Bereiche in Form einer GmbH, ob gemeinnützig oder nicht, abgespalten werden. Der Verein kann sich unproblema-tisch auch an Kapitalgesellschaften beteiligen, sofern die Grenzen der Mittelflüsse und Einflussnahmen eindeutig gewahrt bleiben.

Wenn der Verein als Alleingesellschafter einziger Eigentümer der GmbH bleibt, kann er relativ leicht die Kontrolle über die ausgelagerte GmbH im erforderlichen Umfang sicherstellen. Über einen Aufsichtsrat aus Vereinsmitgliedern und Experten lassen sich wirtschaftliche, fachliche und vereinspolitische Aspekte austarieren. Wird die GmbH ausgegründet, werden üblicherweise die wirtschaftlich umfangreichen und ris-kanten Geschäfte auf die GmbH übertragen.

Damit haftet die GmbH für deren Geschäfte selbst, was allerdings Spannungen zwischen Vereinsvorstand und GmbH-Geschäftsführung provozieren kann. Die recht-liche Selbständigkeit der GmbH kann deren Identifikation mit dem Verein zusätzlich reduzieren und zu einem kaum verhinderbaren Eigenleben der GmbH führen. Das Risiko für den Vorstand, den Überblick über die wirtschaftlichen Aktivitäten der GmbH vollends zu verlieren, ist nicht zu unterschätzen.38

Prof.Adler_Prof.vonBoetticher_Skript_Sozialmanagement-Stand-28072016 (zum IVZ) Seite 48

Qual der Rechtsformwahl

Die Entscheidung für eine bestimmte Rechtsform hängt davon ab, ob ein soziales Unternehmen neu gegründet, ein bereits gegründetes er-weitert oder reduziert oder die Weichen für die Zukunft neu ge-stellt werden sollen.

Oft entsteht durch externe Partner, Kunden oder Gläubiger der Bedarf nach einem Rechtsformwechsel. Bei der Neugründung ist zu klären, ob die Tätigkeit allein oder mit Partner ausgeübt wer-den soll und darf. Verkammerte Freiberufler (z.B. Rechtsanwälte) dürfen sich nicht mit Gewerbetreibenden (z.B. Berufsbetreuer) zu-sammen tun. Die Beziehungen zwischen den Partnern (Büroge-meinschaft oder Gemeinschaftsbüro) entscheiden über GbR, Partnerschaft und Genossenschaft. Bei Neugründungen stehen häufig die Zielsetzungen, Angebote

und Beteiligten noch nicht fest. Dabei sind v.a. Haftungsfragen und die Flexibilität bei Satzungs- und Mitgliederänderungen, Kapitalbeschaffung und die fachliche sowie un-ternehmerische Kompetenz zu klären, sowie die Beteiligung anderer Personen oder Körperschaften. Das Risiko der wirtschaftlichen Betätigung und die privaten Umstän-de der Verantwortlichen (Familie, Alter) entscheiden über den Abgrenzungsbedarf zwischen privater und körperschaftlicher Haftung.

Manche Formen der Handelsgesellschaften (OHG, KG, Ltd.) stehen den Dienstleis-tungsanbietern im Dritten Sektor i.d. Regel nicht zur Verfügung. Wenn Marketing und unternehmerisches Image wichtig sind, sollte eine Rechtsform mit wettbewerbsorien-tiertem, frei wählbarem Firmennamen und professionellem Image gewählt werden (z.B. UG, GmbH, AG).

Oft passt die betriebswirtschaftliche Rechtsform aber nicht zu den Beteiligungser-wartungen der Zielgruppe. Die Betriebsgröße und Komplexität der Geschäfte einer-seits sowie der Kommunikationsbedarf gegenüber den Eigentümern andererseits be-stimmen dann die Rechtsformentscheidung. Je nachdem, wie viel Einfluss auf das Sozialunternehmen genommen oder wie viel Selbständigkeit dessen Management gegeben wird, bieten sich bei beabsichtigter geringer Selbständigkeit des Manage-ments zunächst die Stiftung, dann der Verein sowie e.G., danach die UG/GmbH und zum Schluss die AG mit der größten Managementautonomie an.

Auch die langfristige Planung hinsichtlich der Leitungsnachfolge (von Gründern ge-führte Sozialunternehmen) oder der Delegation an ein professionelles Management (Alter und Krankheit des geschäftsführenden Gesellschafters) sind im späteren Ver-lauf der Unternehmensgeschichte wichtige Themen. Die UG oder kleine AG können insofern als zukunftsträchtige Rechtsformen sein.

Wenn das Sozialunternehmen eine starke ideelle Prägung hat und auf Dauer beste-hen soll, kann eine Kombination aus privatrechtlicher Rechtsform (UG/GmbH) mit ei-ner Stiftung geeignet sein. Soll das Sozialwerk für die Ewigkeit bestehen, ist die Stif -tung eine flexiblere Rechtsform als weithin angenommen. Ihr Image ist für ein nach-haltiges Fundaising ein gewichtiges Argument. Aktion Wandungswelten belegt, wie eine erfolgreiche Kombination aus e.V., gGmbH und Stiftung gelingen kann.

Prof.Adler_Prof.vonBoetticher_Skript_Sozialmanagement-Stand-28072016 (zum IVZ) Seite 49

Rechtsformen im Überblick

Einzelunternehmer Personengesellschaften

Kleingewerbetreibender Partnergesellschaft

Bürogemeinschaft Gemeinschaftsbüro

Gemeinnützigkeit nein nein nein nein nein nein nein

Gründungsakt

Registrierung bei

ein Gründungsmitglied (eine Gründung findet formal nicht statt)

kein festgelegtes Gründungskapital erforderlich

Gewerbesteuer

Sonstiges

Haftung

Rechnungswesen Einnahme- Überschussrechnung

eingetragener Kaufmann

(e. K.)

Freiberufler nach § 1 (2)

PartGGesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)

Offene Handelsgesell-

schaft OHG (= GbR von

Kaufleuten)

Betrieb eines Gewerbes

(nicht verbotene Tätigkeit

mit Gewinnerzielungsab-

sicht,

auf Dauer und selbst-

ständig )

§ 1 HGB

Kaufmann ohne Gewer-

bebetrieb (einfach struk-

turiertes Geschäft, gerin-

ges Kapital) § 1 Abs. 2

HGB

persönliche, eigenver-

antwortliche und fachlich

unabhängige Dienstleis-

tungen höherer Art im

Interesse der Auftragge-

ber und der Allgemein-

heit aufgrund besonde-

rer Qualifikation (i.d.R.

Studium)

Gründung durch Gesell-

schaftsvertrag/ Satzung

Gründung durch Gesell-

schaftsvertrag/ Satzung

Gründung durch Gesell-

schaftsvertrag/ Satzung

Gründung durch Gesell-

schaftsvertrag/ Satzung

Eintragung ins Handels-

register und Anmeldung

Gewerbeamt

Anmeldung beim Gewer-

beamt

Anmeldung beim Finanz-

amt

Eintragung ins Partner-

schaftsregister

kein Eintrag ins Handelsregister (einfache Grün-

dung), gemeinsames Tätigwerden reicht zur Grün-

dung einer GbR aus

Eintagung ins Handelsre-

gister

notwendige Per-

sonenzahl

Zusammenschluss von

Freiberuflern

mindestens zwei Gründungsmitglieder, nur für

Freiberufler und Kleingewerbetreibende

mindestens zwei Kaufleu-

te

erforderliches

Mindestkapital

gewerbesteuerpflichtig,

Freibetrag i.H.v. 24.500 €

gewerbesteuerpflichtig,

Freibetrag i.H.v. 24.500 €

keine Gewerbesteuer-

pflicht

keine Gewerbesteuer-

pflicht

Gewerbebetrieb: gewerbesteuerpflichtig; Freibe-

trag i.H.v. 24.500 €; Freiberufler GbR: nicht gewer-

besteuerpflichtig

gewerbesteuerpflichtig,

Freibetrag i.H.v. 24.500 €

notwendige Or-

gane

gemeinsame Geschäfts-

führung und Vertretung

durch die Beteiligten,

wenn nichts anderes

vereinbart

gemeinsame Geschäfts-

führung und Vertretung

durch die Beteiligten,

wenn nichts anderes

vereinbart

gemeinsame Geschäfts-

führung und Vertretung

durch die Beteiligten,

wenn nichts anderes

vereinbart

gemeinsame Geschäfts-

führung und Vertretung

durch die Beteiligten,

wenn nichts anderes

vereinbart

Unternehmens- und Pri-

vatvermögen

Unternehmens- und Pri-

vatvermögen

Unternehmens- und Pri-

vatvermögen

Gesellschafts- und Pri-

vatvermögen aller; u.U.

haftet nur einzelner

Partner, seit 2013 ist eine

teilweise Haftungsbe-

schränkung auf das Ge-

sellschaftsvermögen

möglich, die sog. "PartG

mbH"

Unternehmens- und Pri-

vatvermögen ( gemein-

same Haftung der Gesell-

schafter nur für das ge-

meinsame Büro)

Unternehmens- und Pri-

vatvermögen (gemein-

same Haftung der Gesell-

schafter für die ganze

Unternehmung)

alle haften mit Unter-

nehmens- und Privat-

vermögen

< 50000 € Gewinn/Jahr

--> nur

Einnahme-/Überschuss-

Rechnung

< 50000 € Gewinn/Jahr

--> nur

Einnahme-/Überschuss-

Rechnung

Einnahme-Überschuss-

rechnung

Einnahme-Überschuss-

rechnung

doppelte Buchführung

und Bilanzierungspflicht

Bsp. aus Sicht der

sozialen Arbeit

z.B. Betrieb einer statio-

nären Einrichtung

z.B. Vertrieb von Ar-

beitsmaterialien

z.B.: Berufsbetreuer, Ver-

fahrensbeistand, Super-

visor; Coach, Familien-

therapeut, Seminarleiter

für Kooperation von

Freiberuflern (

für Kooperation von

Freiberuflern & Kleinge-

werbe-treibenden

für Kooperation von

Freiberuflern & Kleinge-

werbe-treibenden

nur für Kooperation von

Kaufleuten; z.B. Senio-

renwohnheim, Cafeteria

für sozial Benachteiligte

Prof.Adler_Prof.vonBoetticher_Skript_Sozialmanagement-Stand-28072016 (zum IVZ) Seite 50

Körperschaften

Kapitalgesellschaften

Aktiengesellschaft (AG) Stiftung

Gemeinnützigkeit

Gründungsakt

7 Gründungsmitglieder

ohne Gründungskapital

Gewerbesteuer

Sonstiges

Haftung

Rechnungswesen doppelte Buchführung

Gesellschaft mit be-

schränkter Haftung

(GmbH)

Unternehmergesellschaft

(UG = "Mini-GmbH")

eingetragene Genossen-

schaft (eG)

eingetragener Verein

(e.V.)

ja (wenn § 51 ff. AO zu-

trifft)

ja (wenn § 51 ff. AO zu-

trifft)

ja (wenn § 51 ff. AO zu-

trifft)

ja (wenn § 51 ff. AO zu-

trifft)

ja (wenn § 51 ff. AO zu-

trifft)

ja (wenn § 51 ff. AO zu-

trifft)

Gründung durch Gesell-

schaftsvertrag/ Satzung

Gründung durch Gesell-

schaftsvertrag/ Satzung

(seit 2008 möglich)

Gründung durch Gesell-

schaftsvertrag/ Satzung

Gründung durch Gesell-

schaftsvertrag/ Satzung,

Zweck muss gemeinschaft-

licher Geschäftsbetrieb zur

Förderung der wirtschaftli-

chen, der sozialen oder kul-

turellen Belange der Mit-

glieder

Gründung durch Stiftungs-

geschäft/Satzung für den

vom Stifter festgelegten

dauerhaften Zweck

Gründung durch Gesell-

schaftsvertrag/ Satzung für

ideelle Zwecke

Eintagung ins Handelsregis-

ter + notarielle Beurkun-

dung

Eintagung ins Handelsregis-

ter + notarielle Beurkun-

dung (einfachere Grün-

dung und geringere Regis-

ter- und Notarkosten)

Eintagung ins Handelsregis-

ter + notarielle Beurkun-

dung (hoher und teurer

Gründungsaufwand)

Eintragung ins Genossen-

schaftsregister;

Anerkennung durch die zu-

ständige Stiftungsbehörde

Eintragung ins Vereinsre-

gister

notwendige Per-

sonenzahl

geht ab einer Person zu

gründen

geht ab eine Person zu

gründen; Bei vereinfachter

Gründung: max. 3 Gesell-

schafter und 1 Geschäfts-

führer

geht ab einer Person zu

gründen

mindestens 3 Genossen

(jeder hat eine Stimme,

egal welches Kapital einge-

bracht wurde)

geht ab einer Person zu

gründen

erforderliches

Mindestkapital

min. 25.000€ Gründungs-

kapital

zunächst min. 1€ Grün-

dungskapital; 25% vom

Gewinn müssen zurückge-

legt werden, bis 25.000€

Stammkapital erreicht

min. 50.000€ Gründungs-

kapital

ohne festgelegtes Grün-

dungskapital; Satzung kann

Mindestkapital festlegen

Hohe Geldsumme und Er-

träge müssen in Stiftung

eingebracht werden; in der

Praxis i.d.R. ab 50.000 €

aufwärts

gewerbesteuerpflichtig

(außer wenn Gemeinnüt-

zigkeit); Freibetrag i.H.v.

5.000 €

gewerbesteuerpflichtig

(außer wenn Gemeinnüt-

zigkeit); Freibetrag i.H.v.

5.000 €

gewerbesteuerpflichtig

(außer wenn Gemeinnüt-

zigkeit); Freibetrag i.H.v.

5.000 €

gewerbesteuerpflichtig

(außer wenn Gemeinnüt-

zigkeit); Freibetrag i.H.v.

5.000 €

gewerbesteuerpflichtig

(außer wenn Gemeinnüt-

zigkeit); Freibetrag i.H.v.

5.000 €

gewerbesteuerpflichtig

(außer wenn Gemeinnüt-

zigkeit); Freibetrag i.H.v.

5.000 €

notwendige Or-

gane

Geschäftsführer (Ge-

schäftsführung und Vertre-

tung) und Gesellschafts-

versammlung (Willensbil-

dung) (ab 500 AN Auf-

sichtsrat)

Geschäftsführer (Ge-

schäftsführung und Vertre-

tung) und Gesellschafts-

versammlung (Willensbil-

dung) (ab 500 AN Auf-

sichtsrat)

Vorstand (Geschäftsfüh-

rung und Vertretung), Auf-

sichtsrat (Kontrolle),

Hauptversammlung (Wil-

lensbildung)

Vorstand (Geschäftsfüh-

rung und Vertretung), Auf-

sichtsrat (Pflicht nur bei

mehr als 20 Genossen,

Kontrolle), Generalver-

sammlung (Willensbildung)

Vorstand (Geschäftsfüh-

rung und Vertretung)

Vorstand (Geschäftsfüh-

rung und Vertretung) und

Mitgliederversammlung

(Willensbildung)

Haftung nur mit Gesell-

schaftsvermögen, (Ge-

schäftsführer haftet der

GmbH gegenüber für ge-

machte Fehler)

Haftung nur mit Gesell-

schaftsvermögen, (Ge-

schäftsführer haftet der

UG gegenüber für gemach-

te Fehler)

Haftung nur mit Gesell-

schaftsvermögen, (Vor-

stand haftet der AG ge-

genüber für gemachte Feh-

ler)

Haftung nur mit Gesell-

schaftsvermögen, ggf.

"Nachschusspflicht" der

Genossen (Vorstand haftet

der eG gegenüber für ge-

machte Fehler)

Haftung nur mit Stiftungs-

vermögen, (Vorstand haf-

tet der Stiftung gegenüber

für gemachte Fehler)

Haftung mit Vereinsver-

mögen, (Vorstand haftet

dem Verein für gemachte

Fehler; ehrenamtlicher

Vereinsvorstand haftet nur

eingeschränkt)

doppelte Buchführung ;

Prüfverbände prüfen Ge-

nossenschaft und das ist

teuer

i.d.R. Einnahme- Über-

schussrechnung

i.d.R. Einnahme- /Über-

schussrechnung

Aus Sicht der So-

zialen Arbeit in-

teressant

alle Geschäftszwecke mög-

lich, wegen Mindestkapital

nicht unbedingt attraktiv,

Wohlfahrtsverbände ha-

ben wirtschaftliche Teile

aus Gründen der Profes-

sionalisierung oft als

gGmbH ausgegründet

alle Geschäftszwecke mög-

lich, Vorteil: beschränkte

Haftung, geringes Stamm-

kapital, vereinfachtes

Gründungsverfahren und

geringe Gründungskosten;

aber: nicht kreditwürdig

alle Geschäftszwecke mög-

lich, wegen Mindestkapital,

Gründungs- und Verwal-

tungsaufwand nicht unbe-

dingt attraktiv

seit 2006 auch Förderung

sozialer und kultureller Be-

lange möglich; aufgrund

der Genossenschaftsprin-

zipien (Selbsthilfe, Selbst-

verwaltung und -verant-

wortung) bei kollektiven

Eigentumsverhältnissen at-

traktiv

1/3 der Stiftungen befin-

den sich im sozialen Be-

reich. Ggf. als Arbeitgeber

interessant.

gebräuchliche Rechtsform

der sozialen Arbeit; aber

demokratische Willensbil-

dungsprozesse in Vereinen

harmonieren nicht immer

mit Professionalisierungs-

druck (klare Strukturen

und professionelles Mana-

gement)

Prof.Adler_Prof.vonBoetticher_Skript_Sozialmanagement-Stand-28072016 (zum IVZ) Seite 51

Organisation ist alles!?

Zu den Aufgaben von SozialpädagogInnen gehört zunehmend auch die Gestaltung der Organisation einer Sozialeinrichtung. Organisationen zeichnen sich aus durch ein Netzwerk von gesteuerten Prozessen und aufeinander bezogene Verteilungen von Aufgaben und Kompetenzen der Stellen. All das dient dazu, formale Organisations-ziele zu erreichen. Wenn ein Phänomen erst einmal als Organisation identifiziert ist, kann es mit der Organisationswissenschaft erfasst und bearbeitet werden. Organisa-tionen, die eine gesellschaftliche Funktion erfüllen oder soziale Erwartungen symboli-sieren, werden dagegen als Institution bezeichnet (z.B. Hochschule, Museum).

Organisation und organisieren hängen zwar eng zusammen, sind aber analytisch nicht identisch. Die Systemtheorie zeigt beispielsweise, dass Organisationen ein ’Ei-genleben’ und eine Eigendynamik besitzen, die unabhängig von den organisatori-schen Gestaltungsaktivitäten gesehen werden müssen.39

Im Rahmen der Aufbauorganisati-on werden Stellen beschrieben und abgegrenzt, Aufga-ben, Zuständigkei-ten und Rechte (Kompetenzen) festgelegt, wie z.B. zur rechtlichen Vertretung oder das Recht auf In-formation. Wichtig ist die Klärung der Verfügungsrechte über Personal, Geld, Sachmittel und Information. In der Stellenbeschreibung sollten mindesten diese Informationen enthalten sein. Oft wird auch in Stellenzielen formu-liert, wozu die Stelle beitragen soll und woran die Ergebnisse der Stelle zu messen sind. Das Organigramm zeigt den Stellenzusammenhang. Bei der Gestaltung der Ab-lauforganisation steht dagegen die qualitätsorientierte und wirtschaftliche Gestaltung der Abläufe (Prozesse) im Vordergrund. Dazu müssen Ressourcen (Geld, Personal, Zeit) bestimmt und zugeordnet werden. Das Pendant zur Stellenbeschreibung ist hier die Arbeitsplatzbeschreibung. In der Praxis findet man oft eine Kombination aus bei-den, was leicht zu einer problematischen Über- bzw. Unterbetonung einer Seite führt.

Aufbauorganisation: Von Kästchen und Linien

Früher stand in den Sozialeinrichtungen die Aufbauorganisation im Vordergrund der Organisationsgestaltungen, da viele Wohlfahrtsverbände eher bürokratisch wie eine öffentliche Verwaltung organisiert waren. Auch die bisherigen Tarifverträge sowie die Finanzierungsbedingungen der Kostenträger führten zu einer Überbetonung von hier-archischen Regelungen und Positionen (z.B. mittlerer, gehobener und höherer Dienst).

Andererseits wird in Sozialeinrichtungen oft auf eine formelle Regelung der Aufbau-organisation verzichtet, um eben nicht bürokratisch und Klienten-fern zu wirken. Mit dem Ergebnis, dass kaum geklärte Verantwortungen zu finden sind, was sich negativ auf die Qualität auswirken kann. Das Management muss deshalb sicherstellen, „dass die Verantwortungen und Befugnisse innerhalb der Organisation festgelegt und be-kannt gemacht werden.“40

Abb. 42: Auszug Max Weber: „Wirtschaft und Gesellschaft“ zur Bürokratie

Prof.Adler_Prof.vonBoetticher_Skript_Sozialmanagement-Stand-28072016 (zum IVZ) Seite 52

Dazu eignen sich vor allem Stellenbeschreibungen und Organigramme. Das Organi-gramm spielt bei der Darstellung und Planung der Aufbauorganisation eine wichtige Rolle. Mit dem Organigramm kann die Einarbeitung neuer Mitarbeiter oder für Kun-den die Übersicht zu Ansprechpartnern in der Einrichtung erleichtert werden. Bei Or-ganisationsproblemen (fehlende oder redundante Zuständigkeiten) kann das Organi-gramm ein Instrument zur Problemanalyse und –behebung sein.

Organigramme zeigen nur den disziplinarischen und/oder fachlichen Stellenzusam-menhang. Es werden lediglich Symbole (z.B. Kästchen) für die Stellen und Linien zur Abbildung der Stellenbeziehungen verwendet. Stelle und Arbeitsplatz sind verschie-dene Konzepte: Eine Stelle kann von mehreren Personen besetzt sein (Job Sharing). Außerdem kann eine Person mehrere Stellen inne haben (gleichzeitig Sozialpädago-gin, Qualitätsbeauftragte und Sicherheitsbeauftragte). Aus dem Organigramm kann also nicht unbedingt die Zahl der eingesetzten Mitarbeiter abgelesen werden, zumal die freiberuflichen Mitarbeiter aus sozialversicherungsrechtlichen Gründen (’Schein-selbständigkeit’) nicht ins Organigramm aufgenommen werden sollten. Ein Stellen-symbol bedeutet nicht immer, aber meistens eine Vollzeitstelle.

Entlang der Linie im Organigramm laufen die Informationsflüsse, Problemmeldun-gen, personellen Zuständigkeiten, fachliche und disziplinarische Anweisungsbezie-hungen, Verbesserungsvorschläge, Beschwerden und vor allem auch die Haftung für Fehler unterstellter Stellen. Die meisten Sozialeinrichtungen haben unterschiedliche aufbauorganisatorische Realitäten. Leider wird meist nur eine abgebildet, nämlich die Bürokratische.

Stattdessen sollte zunächst die reale Aufbauorgani-sation erhoben und dann in passenden Organigram-men visualisiert werden, je nach organisatorischem und kommunikativem Zweck. So betrachtet können sich mehrere verschiedene Organigrammtypen für ei-ne einzige Sozialeinrichtung ergeben.

Wegen der deutschen bürokratische Tradition wird oft das Einlinienorganigramm (ELO vgl.Abb.) als ty-pisch angesehen. Im ELO hat jede Stelle nur eine Lei-tungs-/Linienstelle über sich, was u.a. zu der von Max Weber beschriebenen „Bürokratie“ (vgl.Abb.) führt.41 In der Praxis der Sozialeinrich-tungen hat das ELO nur Bedeutung, um grundsätzliche Zuständigkeitsbeziehungen (z.B. wer im Haftungsfall verantwortlich ist) aufzuzeigen.

Außerdem verstehen viele bürokratisch organisierte Kooperationsorganisationen von sozialen Einrichtungen (z.B. Kostenträger, Sozialverwaltung) nur die einlinige Sichtweise. Das ELO impliziert, dass alle Informationen und Weisungen entlang der Linie laufen. Von oben nach unten fließen die Weisungen und Vorgaben, von unten nach oben die Ergebnis- und Problemmeldungen. Die idealtypische, ’reine’ Grund-form der ELO kommt in der Praxis aber kaum vor. Der Idealtypus eignet sich nur zur analytischen Orientierung und Einordnung.

Die meisten alltäglichen Kommunikations- und Rege-lungsbedarfe funktionieren selbst in einer öffentlichen Verwaltung nicht einlinig. In großen, komplexen Orga-nisationen werden die Leitungsstellen deshalb zuneh-mend von Stabstellen als Fachstellen ohne Weisungs-befugnisse unterstützt. Aus der ELO wird damit eine Stablinienorganisation (SLO vgl.Abb.) Die Stabstelle arbeitet der Leitungsstelle (Linienstelle) Informationen zu, die von ihr dann umgesetzt werden können. Typi-

Abb. 43: Einlinien-Organisation ELO

EinrichtungsleitungQualitätsbeauftragte

Abb. 44: Stab-Linien-Organisation

Einrichtungsleitung

Qualitäts-beauftragte

Prof.Adler_Prof.vonBoetticher_Skript_Sozialmanagement-Stand-28072016 (zum IVZ) Seite 53

sche Stabstellen sind Qualitätsbeauftragte, Controlling- oder Fundraisingstellen.

Am Beispiel einer Suchthilfeeinrichtung stellt sich aber vielleicht heraus, dass nicht die rein arbeitsrechtlichen Weisungsbeziehungen des Einlinienorganigramms, son-dern Anleitungs-, Unterstützungs- und Rückmeldungsbeziehungen eine wichtige Rol-le spielen. Beispielsweise könnte der Therapieleitung auf Stellen verschiedener Lini-en (Medizinischer Dienst, Arbeitstherapie, Wohnbereich) der fachliche Zugriff gestat-tet werden, eine arbeitsrechtlich relevante Überstellung soll aber ausgeschlossen bleiben. Auf den ersten Blick erscheint die Aufbauorganisation nun etwas durcheinan-der und weder als ELO noch als Stablinienorganisation abbildbar.

Aufgrund der empirisch erhobenen realen Kommunikationen kann neben dem ELO dann ein Matrixorganigramm (vgl.Abb.) in Frage kom-men, mit dem neuen Mitarbeitern, Klienten und Kunden der Überblick erleichtert wird. Im Matrix-organigramm wird zwischen fachlichen (Matrix-stelle „Qualitätsbeauftragte“) und disziplinari-schen Beziehungen (Linienstelle „Einrichtungs-leitung“) unterschieden. Die Matrixstelle hat zwar fachliche Weisungsbefugnisse gegenüber anderen Stellen, kann sich aber im Konfliktfall nur über die nächst höhere gemeinsame Leitungsstelle durchsetzen. An-dererseits ist die Matrixstelle von der Personalverantwortung einer Leitungsstelle ent-bunden. Oft entwickelt sich aus einer Stabstelle eine Matrixstelle, wenn Zeit- und Er-gebnisdruck lediglich die Vergabe von fachlichen Weisungskompetenzen erfordern.

In großen und komplexen Organisationen sind allseits getragene und verstandene Entscheidungen fast nur durch Kooperation und Kommunikation von verknüpften Teams zu erreichen. Ein Linienorganigramm kann das aber nicht abbilden. Deshalb sollte für eine Sozialeinrich-tung ein Teamorganigramm (vgl.Abb.) überlegt werden. Es zeigt die Einbindung der Teams bei Kommunikationen und Entscheidungen.

In diesem Organigrammtyp wird deutlich, wie einzelne Abteilungen in anderen Zusammenhängen oder Gremien, z.B. die Qualitätsbeauftragten der Abteilungen in einem Team übergreifenden Quali-tätszirkel, auftauchen. Diese Struktur findet sich beispielsweise auch, wenn der Sozi-aldienst und der Wohnbereich durch die jeweiligen Verantwortlichen in einem Lei-tungs- und Lenkungsgremium vertreten sind. Auch bei Projekten finden sich häufig solche „überlappenden Gruppen“42. Die disziplinarische Weisungsorientierung des Einlinienorganigramms wird über das Stablinien- und Matrixorganigramm aufge-weicht und geht im Teamorganigramm vollständig verloren.

Die alternativen Organigramme zeigen, dass für eine Einrichtung je nach Zweck (Einarbeitung, Reorganisation, Stellenbewertung) verschiedene Organigramme in Frage kommen können:

Für die Haftungsseite oder zur Kommunikation mit der Bürokratie eignet sich das Einlinienorganigramm, zur Hervorhebung einer nicht weisungsbefugten Stelle das Stab-Linienorganigramm, zur Demonstration der Trennung von fachlichen und diszi-plinarischen Stellen das Matrixorganigramm und zur Verdeutlichung der partizipati-ven Entscheidungsstrukturen das Teamorganigramm.

Abb. 45: Matrix-Organisation

Einrichtungsleitung

Qualitäts-beauftragte

Abb. 46: Teamorganisation/Über-lappende Gruppen

Abt.3

Abt.2 Abt.1

Abt.4

Qualitäts-team

Prof.Adler_Prof.vonBoetticher_Skript_Sozialmanagement-Stand-28072016 (zum IVZ) Seite 54

Kurzen Prozess machen: Ablauforganisation

Die zunehmende Bedeutung des Qualitätsmanagements rückt die Prozesse und da-mit die Ablauforganisation in den Mittelpunkt der Organisationsgestaltung. Die ISO 9000 formuliert zwei der acht Qualitätsgrundsätze hinsichtlich der Prozesssteuerung: „Ein erwünschtes Ergebnis lässt sich effizienter erreichen, wenn Tätigkeiten und da-zugehörige Ressourcen als Prozess geleitet und gelenkt werden.“ Für die Effektivität einer Sozialorganisation ist es also wichtig, dass die vielen miteinander verknüpften Prozesse erkannt und organisiert werden. Oft stellt das Ergebnis eines Prozesses die Voraussetzung für den nächsten Prozess dar. Damit kommt meist ein ganzes Pro-zesssystem zum Einsatz (vgl.Abb.).

Der Vorteil eines konsequenten Prozessansatzes liegt in der Möglichkeit zur dau-ernden Kontrolle der Prozessschnittstellen und Interaktionen zwischen den Prozes-sen. Für die Kunden der Sozialeinrichtung ergeben sich dadurch keine unnötigen Ab-stimmungen, Wartezeiten oder Informationsverluste zwischen Stellen und Abteilun-gen. Damit kennen z.B. alle Mitarbeiter des Sozialdienstes die Bedingungen zur Kli-entenaufnahme. Die Schnittstellen zur Klientenverwaltung, zur Zimmerbelegung oder zur Therapie erscheinen aus Sicht des Klienten passend aufeinander abgestimmt.

Nicht alle Prozesse haben die gleiche Bedeutung und Qualitätswirkung. Im Vorder-grund stehen die Kern- oder Wertschöpfungsprozesse, für die der Kunde zahlt, die meist in Interaktion mit dem Kunden erbracht werden und auf die sich die wesentli-chen Erwartungen der Kunden beziehen (z.B. Therapieleistung). Anhand der ’Wert-schöpfungsprozesse’ lässt sich meist eine ganze ’Wertschöpfungskette’ bilden, z.B. Klientenaufnahme, Belegung in der Einrichtung, Teilnahme an Therapieprozessen, Verlegung und Entlassung.

Parallel laufen viele Unterstützungsprozesse ab, die im Hintergrund nicht primär wertschöpfende Rahmenbedingungen sicherstellen, z.B. Materialbeschaffung, Reini-gung. Ebenso laufen parallel Führungsprozesse, mit denen strategische Probleme gelöst werden, z.B. Qualitätsmanagement und Marketing. Damit Prozesse die Ein-richtungsziele erfüllen können, müssen Prozessziele den Erfolg eines Prozesses nachweislich definieren. Besonders bei Kernprozessen sind die Prozessziele meist auch Qualitätsziele, d.h. etwas hinsichtlich Kundenzufriedenheit anzustrebendes.

Abb. 47: Prozessmodell Berufsbetreuer

Kernprozess UnterbringungKernprozess Unterbringung

KernprozessVermögenssorge

KernprozessVermögenssorge

UnterstützungsprozesseUnterstützungsprozesseFührungsprozesseFührungsprozesse

Qualitäts-management

Strategie Buchhaltung

Leistungs-dokumentation

ÄrztlichesGutachteneinholen

Unterbringungs-antrag stellen

z.B. Taschengeld auszahlen

Vermögens-aufstellung

Prozessmodell

Betreuung Erwachsener

Betrag abfragen

Verwendung klären

Auszahlmodus klärenKontostand aktualisieren

Prof.Adler_Prof.vonBoetticher_Skript_Sozialmanagement-Stand-28072016 (zum IVZ) Seite 55

Ziele eines Prozesses zur Taschengeldauszahlung an einen Klien-ten könnten beispielsweise sein, dass a) 20 Minuten an Gesprächs-zeit nicht unter- und 30 Minuten insgesamt nicht überschritten wer-den, b) das Vertrauen in die ordnungsgemäße Abwicklung der Ver-mögensgeschäfte entsteht c) eine vollständige Dokumentation in der Leistungserfassung erfolgt und d) keine suchtfördernden Aktivi-täten unterstützt werden. Aus den Angaben werden bereits Pro-zessschnittstellen und Prozesswechselwirkungen deutlich. Die Schnittstellen zwischen den Prozessen sind besonders gut zu orga-nisieren, wenn es sich um verschiedene Mitarbeiter oder gar Abtei-lungen, z.B. sozialpädagogischer Dienst und Hauswirtschaft han-delt.

Prozesseingaben können Vorgaben, Materialien, Formulare und Checklisten sein (Prozessinputs), die zum Funktionieren des Pro-zesses bereitgestellt werden. Prozesse produzieren Prozessergeb-nisse (Prozessoutputs), wie Protokolle und die Zufriedenheit der Kli-enten. Werden die In- und Outputs geplant, gesteuert und über-wacht, dann wird der Prozess stabilisiert und das Prozessziel im-mer wieder erreicht.

Mit Verfahrensanleitungen (VA) können größere Prozessstrecken geplant werden. Die Umsetzung der VA in der Praxis geschieht über Arbeitsanleitungen (AA) mit Checklisten, Formularen und Arbeitshilfen oder über Schulung und Übung. Anhand der verwendeten Checklisten, Formulare und der Prozessplanung kann in Qualitäts-audits die Einhaltung und Wirksamkeit des Prozesses überprüft werden. In der VA wird festgelegt, wer deren Erstellung (Prozessverantwortlicher), Überprüfung (Quali-tätsbeauftragter) und Freigabe (Einrichtungsleitung) verantwortet, sowie die Version und das Erstellungsdatum. Außerdem werden darin Ziele, Vorgaben und Rahmenbe-dingungen des Prozesses beschrieben.

Der festgelegte Ablauf des Prozesses wird in der VA als Text mit Verweisen auf AAs, Formulare oder andere VAs beschrieben. Im Prozessverlauf entstehende Aufzeich-nungen (ausgefüllte Checklisten, Protokolle) müssen benannt und wegen des Daten-schutzes hinsichtlich Aufbewahrung und Vernichtung gekennzeichnet werden. Ablauf-diagramme (vgl.Abb.) können die Übersicht zum Prozessablauf vereinfachen. Die ge-sammelten VAs werden im Qualitätshandbuch dokumentiert (vgl. QM-Kapitel).

Projektmanagement

In Sozialeinrichtungen werden oft Pro-jekte durchgeführt, die nicht als solche erkannt oder behandelt werden. Außer-gewöhnliche, zeitbegrenzte Aktivitäten mit einem klar umrissenen Ziel und be-grenzten Ressourcen sind Projekte. Die DIN 69901 definiert das Projekt kurz als ein „Vorhaben, das im Wesentlichen durch Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer Gesamtheit gekennzeichnet ist.“ Dazu zählen Einführungen (neues The-rapiekonzept, Fundraising), Reorganisationen (Umbau, Teamänderungen) oder un-gewöhnliche Veranstaltungen (Tag der offenen Tür).

Projektrisiken sind wie Eisberge größtenteils unsichtbar und sollten im „Tiefgang“ nicht unterschätzt werden (vgl.Abb.). Mit einem Projektmanagementkonzept lassen

Abb. 48: Flussdia-gramm

Start

BedingungPrüfungKlärung

jaja

neinnein

Ende

Prof.Adler_Prof.vonBoetticher_Skript_Sozialmanagement-Stand-28072016 (zum IVZ) Seite 56

sich Erfolgsfaktoren nutzen. Ist ein Qualitätsmanagementsystem nach ISO 9001 im-plementiert, sollten die Empfehlungen in Kapitel 8.3 „Entwicklung“ (vgl.Abb.) und die Projektnorm DIN 69901 beachtet werden.

PISTE-Projektphasen Erfolgreiche Projekte folgen einem Phasenkon-

zept, welches als Vorgabe zur Projektorganisati-on dient (vgl.Abb.). Die PISTE-Projektphasen sind zwar eigentlich für Reorganisationsprojekte entwickelt worden43, lassen sich aber auch ge-nerisch für die meisten Projekte als Orientierung verwenden. Sie bestehen aus der Problematisie-rung, IST-Analyse, SOLL-Konzept, Transformati-on (Implementierung) und Evaluation.

In der ersten Problematisierungsphase wird das Projektproblem analysiert und geklärt, ob überhaupt ein Projekt ausgelöst wer-den soll. Wichtig: Das Projektproblem sollte unbedingt als Widerspruch (z.B. Soll/Ist) formuliert werden. Nicht der Geldmangel ist ein Problem, sondern der Widerspruch zwischen dem Aufwand für ein geplantes Vorhaben und den verfügbaren Ressour-cen.

Da Projekte mit Unsicherheit verbunden sind und zuweilen von anderen Problemen ablenken sollen, kann die Projektvermeidung Sinn machen. Vor allem bei wiederholten Aktivitäten, die als „ge-tarnte Projekte“ eigentlich besser als Prozesse im Rahmen des QM gesteuert werden können.

Man erkennt die Projekternsthaftigkeit zuerst und vor allem an der Mitwirkung des Manage-ments in der Problematisierungsphase. Abgese-hen davon, werden in dieser ersten Projektphase die größten Fehler gemacht.

Wenn das Projektproblem geklärt ist, müssen die zu erreichenden Ziele festgelegt werden. Dar-an wird der Erfolg des Projekts und des Projekt-managements gemessen. Die Projektauslösung kann mit einer ersten offiziellen „Projekt-Kick-Off“-Veranstaltung geschehen. Neben den Zuständig-keiten (Organigramm des Projekts, Projektleitung), Projektressourcen und dem Pro-jektteam wird in der ersten Phase auch ein erster Projektstrukturplan (PSP) festgelegt. Aus dem PSP wird schrittweise der Projektnetzplan für die exakte Zeitplanung entwickelt. Das Ergebnis der ersten Phase sind alle Vorgaben zur Auslösung des Projekts, damit die weiteren Phasen arbeits-fähig sind.

In der zweiten IST-Analysephase werden die verfügbaren und erforderlichen Infor-mationen zur Problemlösung ermittelt. Dazu zählen Informationen über das zu lösen-de Problem, Hintergründe sowie bereits vorliegende Daten und Erfahrungen aus ver-gleichbaren Vorhaben. Da der Erfolg von Projekten von der Mitwirkung der Betroffe-nen (z.B. Mitarbeiter, Klienten, Kunden oder Lieferanten) abhängt, sind Kenntnisse

Abb. 49: Kapitel 8.3 ISO 9001: 2015

Prof.Adler_Prof.vonBoetticher_Skript_Sozialmanagement-Stand-28072016 (zum IVZ) Seite 57

über deren subjektive Einstellungen zum Problem und zum Problemlösungsbedarf sehr wichtig. Das Ergebnis der zweiten Phase sind alle relevanten Informationen für die dritte Projektphase, in der ein Soll-Konzept mit Lösungs- und Änderungsvorschlä-gen entwickelt werden soll.

In der dritten SOLL-Konzeptphase werden die Informationen der zweiten Projekt-phase verwendet, um Lösungsvorschläge zu entwickeln. Kreativität des Projektteams sowie Kommunikation und Abstimmungsprozesse mit Betroffenen und Leitungsebe-nen sind jetzt sehr wichtig. Es empfiehlt sich, die Abstimmungszyklen mit der Lei-tungsebene im Voraus zu definieren, um nicht in eine Endlosschleife der Verbesse-rungsvorschläge zu rutschen. Das Ergebnis der dritten Phase ist ein tragfähiges, rea-listisches und akzeptiertes Konzept zur Durchführung des Projekts, mit dem die Im-plementierungsphase begonnen werden kann.

In der vierten Transformationsphase (auch Implementierungsphase) wird das verab-schiedete Konzept in der Realität implementiert. Hier kommt es auf ständige Kommu-nikation, Begleitung und Information der Beteiligten und Betroffenen an. Das Projekt ist jetzt öffentlich wahrnehmbar, also wird das Vorgehen des Projektteams und –ma-nagements genau beobachtet. Einführungs- und Zeitmanagementfehler können den besten theoretischen Projektentwurf zunichte machen. Hier hat die Zeitplanung (vgl. das Kapitel zur Netzplantechnik) eine große Bedeutung.

Die fünfte Evaluationsphase überprüft die Projektergebnisse und stellt fest, ob das Projekt abgeschlossen, gescheitert oder nachträglich zu korrigieren ist. Spätestens jetzt rächt sich eine lückenhafte Problematisierungsphase ohne klare Problemanaly-se und Projektziele, an denen eine Evaluation orientiert werden könnte.

Die Phasensystematik sowie eine vollständige Projektdokumentation und -protokol-lierung der wesentlichsten Ereignisse und Entscheidungen sind hier wichtig. Die Pro-jektergebnisse werden dazu unter Effektivitäts- und Effizienzgesichtspunkten gegen die Projektvorgaben aus der ersten Phase geprüft. Zum Projektende wird die Projekt-gruppe aufgelöst.

PSP und NetzplanFür die Projektplanung ist eine Projektstruktur- und Meilensteinplanung zu empfeh-

len. Meilensteine stellen wichtige Projektereignisse dar, an denen der Projektfort-schritt überprüft werden kann. Sie können auch Motivationspunkte sein für das Pro-jektteam, die gefeiert werden.

Der Projektstrukturplan zeigt das Grobkonzept des Projekts aus der allgemeinen Phasensystematik abgeleitet. Die erforderlichen und geplanten Aktivitäten werden in eine systematische Übersicht gebracht.

Abbildung 2: Projektphasen nach dem PISTE-Konzept

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Aus dem PSP können die logische Abfolge der Projektphasen, Teilprojekte, Vorgänge und Arbeitspakete abgeleitet werden. Daraus ent-steht der Projektnetzplan, mit dem aufgrund Informationen zur Dauer der einzelnen Vorgänge früheste und späteste Anfangs- und End-termine der Einzelvorgänge sowie des gesamten Projekts berechnet werden können. Aus dem frühesten Anfangszeitpunkt (FAZ) eines Vorgangs plus dessen Dauer ergibt sich der früheste Vorgangsendzeitpunkt (FEZ), der wiederum den FAZ des unmittelbar folgenden Vorgangs definiert. Bis zum Ende gerechnet ergibt sich schließlich für den letzten Vorgang der früheste Endtermin des Gesamtprojekts.

Abb. 50: Vorgangsliste, Gant-Diagramm und Projektnetzplan erstellt mit OpenProject, heute: ´ProjectLibre´)

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Wird dieser auch als spätester Endzeitpunkt (SEZ) definiert und davon die Vorgangsdau-er abgezogen, errechnet sich der späteste Anfangszeitpunkt (SAZ) des letzten Vorgangs und jedes weiteren Vorgängers. Bei der Rückwärtsrechnung entstehen bei manchen Vor-gängen Differenzen zwischen dem FAZ und dem SAZ (bzw. FEZ/SEZ).

Diese Differenz ist der Zeitpuffer, den ein Vorgang bei Terminverschiebungen hat. Ein Vorgang kann frühestens zum FAZ beginnen oder maximal bis zum SAZ warten, um nicht die nachfolgenden Vorgänge und damit das Gesamtprojekt terminlich zu gefährden. Sind frühester und spätester Anfang bzw. Ende aber identisch (d.h. SAZ-FAZ = 0), dann gibt es keinen Puffer. Der Vorgang ist nicht verschiebbar und damit ´kritisch´.

Die Verbindung der Null-Puffer-Vorgänge wird optisch hervorgehoben. Entlang dieses ´kritischen Pfades´ darf es nicht zu Verzögerungen kommen, wenn nicht das gesamte Pro-jekt gefährdet werden soll. Die Projektleitung wird diese Vorgänge besonders überwachen und auf die erforderlichen Qualifikation und Ressourcen der Beteiligten achten.

Projektteam und Entscheidungen in ProjektenTypische Problemsituationen in Projekten entstehen bei Entscheidungen. Dabei sind unter anderem drei Aspekte von Bedeutung: Welche Leitungsstruktur hat das Projekt, welche Rollen und Motive beeinflussen das Projektteam und wie werden Entscheidungsalternati-ven gewählt. Die Aufbauorganisation von Projekten bezieht sich auf die Verteilung von Be-fugnissen und Verantwortungen, von Rechten und Pflichten, von Informations- und Be-richtspflichten.

Je nach Projekt, Organisations-größe, Dringlichkeit und Risiko des Projekts können Organi-grammalternativen genutzt wer-den. Sogar im Laufe eines Pro-jekts kann die Aufbauorganisati-on wechseln: Zu Beginn eher teamorientiert, bei Erhebungs-aufgaben eher linienorientiert, zur Soll-Konzeptformulierung wieder als Team, bei der Umset-zung als Matrix und die Evaluation mittels Stabsstelle. Insofern kann die Projektaufbauor-ganisation und -leitung von Phase zu Phase also wechseln (vgl. Organisationskapitel).

Rollen und Motive innerhalb eines Projektteams können sich gravierend unterscheiden. Die Rollen in Projekten werden manchmal von den Mitgliedern der Gruppe selbst gewählt, unbewusst übernommen oder von anderen zugewiesen. Typische Rollen können sein: Die Projektleitung und ihr eher unkritisch folgende Mitglieder. Neben der Projektleitung kann es eine Konkurrenzrolle geben, die sich nicht durchsetzen kann und keine ausreichende Unterstützung erfährt, aber ständig kritisch agiert. Eine dritte Führungsrolle (z.B. Fachau-torität, ehemalige Leitung, Seniorität) kann sich dagegen auch ohne Leitungsanspruch ein-mischen. Neben den Unkritischen kann es auch Fachrollen geben ohne besondere Loyali-täten und Bindungen. Diese sind oft auch extern besetzt und an projektexternen Dritten orientiert.

Motive zur Mitwirkung in Projekten können heterogen oder homogen sein, selbst- oder fremd-initiiert. Projektbeteiligte müssen aber jedenfalls von der Bedeutung des Projekts und vom wahrscheinlichen Projekterfolg wirklich überzeugt sein. Hier liegen zwei erste Motivationsaufgaben der Projektleitung!

Abb. 51: ProjektmanagerInnen sollten Motivationsbedingungen kennen

Prof.Adler_Prof.vonBoetticher_Skript_Sozialmanagement-Stand-28072016 (zum IVZ) Seite 60

Jetzt stellt sich für die Projektleitung die Aufgabe der fachlichen und sozialen Befähigung des Teams für die verschiedenen Projektaufgaben.

Außerdem muss die Projektleitung sicherstellen, dass Teil- und Gesamterfolge extrinsisch (eher sichtbar, materiell, von Außen) und intrinsisch (eher unsichtbar, auf innere Befriedi-gung zielend) von den Projektmitgliedern erlebt werden (vgl. die Abb. zum Motivationspro-zess).44

Die Themen zeigen, dass eine Projektleitung erfolgreicher sein kann, wenn die Interessen der einzelnen Individuen, der Gruppe insgesamt und die gemeinsame Aufgabe, die die Gruppe auch mit der Umwelt verbindet, gleichgewichtig be-rücksichtigt werden (z.B. nach der Methode der Themenzen-trierten Interaktion TZI).

Manchmal müssen Entscheidungen in Projekten aber ´er-zwungen´ werden. Dabei hilft vielleicht die Entscheidungs-matrix, z.B. um Ideen auszusortieren, Ressourcen zuzuord-nen oder Prioritäten zu erkennen. In einer Tabelle treten dabei die jeweiligen Alternativen einzeln gegeneinander an. Die Alternative mit den meisten Siegen wird dann ausgewählt. Im abgebildeten Beispiel kann sich Alternative Nr. 2 dreimal durchsetzen und ist damit siegreich.

Gratis-Ressourcen für das ProjektmanagementIm Internet gibt es eine Vielzahl von Quellen – über Wikipedia können die wichtigsten Stichwörter recherchiert werden. Google „Text&Tabellen“ bietet Möglichkeiten für gemein-sames Erstellen von Projektdokumenten (Texte, Tabellen, Broschüren, Präsentationen etc.). Damit liegt die Last nicht nur auf einer PC-Schulter. Wichtige Begriffe können bei http://projektmanagement-definition en.de nachgelesen werden. Für das Brainstorming, die Projektstrukturierung, die Dokumentenver-waltung und vieles mehr eignet sich das gratis Mindmapping-Programm „Freemind“. Die MindMaps in die-sem Skript sind damit erstellt. Protokolle, Übersichten und To-do-Listen werden da-mit übersichtlicher (http://freemind.sourcefor ge.net ).

Unverzichtbar für komplexere Projekte und vor allem zur Netzplanberechnung ist Projekt-managementsoftware, die aber bei kommerziellen Versionen meist recht teuer ist. Das gratis erhältliche Programm „OpenProject“ (http://www.projectlibre.org/) kann im Ggeen-satz zu den meisten anderen Gratisangeboten nicht nur Netzpläne berechnen, sondern auch Ressourcen und Kalender verwalten. Bei den genannten Programmen wurde darauf geachtet, dass sie immer identisch auch unter dem gratis erhältlichen Linux (z.B. Ubuntu) laufen!

Abbildung 3: Entscheidungsdiagramm

Abb. 52: Zusammenarbeit in Projekten mittels Internet

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Qualitätsmanagement

Mit der Deckelung und Kürzung von Ausgaben im Sozial- und Gesundheitswesen stiegen in den letzten Jahren parallel die Forderungen an eine definier-bare und den Erwartungen entsprechende Qualität der Sozial-angebote. Kaum ein Sozialgesetz verzichtet (zuweilen weil es einfach als „Rationlitätsmythos“ 45modern ist46) auf Forderun-gen zur Sicherung von Strukturqualität (Ausstattung, Qualifika-tion), Prozessqualität (Durchführung) und Ergebnisqualität (in-haltliche sowie mengenmäßige Ergebnisse und Wirkungen).47

Professionalisierung der Sozialarbeit durch Qualität

Für viele Sozialarbeiterinnen bewirkt die damit verbundene Konzentration auf ökonomi-sche und qualitative Aspekte der täglichen Arbeit ein neues Professionsverständnis. Um-gekehrt scheint der Mangel an Managementfähigkeiten aber mangelhafte Professionalität zu signalisieren. Die zunehmende Nutzerzentierung durch das Qualitätsmanagement führt dazu, die Perspektiven der Professionellen und Klienten in ihrer Beziehung aufeinander zu sehen und in dieser Beziehung den sozialwirtschaftlichen Leistungsprozess zu fundieren.48

Neben der Stärkung des beruflichen Selbstbewusstseins kann durch (Qualitäts-)Manage-mentkenntnisse auch der Sache der Sozialarbeiterinnen bei Verhandlungen mehr Gewicht

Abb. 53: Vorgangsliste, Gantt-Diagramm und Netzplan mit ProjectLibre

Man achte immer auf Qualität. Ein Sarg zum Beispiel muss fürs Le-ben halten... K. Tucholsky

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verliehen und zu mehr Erfolg für alle Beteiligten verholfen werden. Wenn „Sozialarbeiter/Sozialpädagogen bei den verschiedenen Anspruchsgruppen ihre Leistun-gen auch betriebswirtschaftlich legitimieren und begründen können, kann der Anspruch der anwaltlichen Vertretung der Leistungsberechtigten in Politik und Gesellschaft wirksam wahrgenommen werden und die Gesellschaft davon überzeugt werden, dass sie sich So-ziale Arbeit leisten kann und leisten muss.“49

Qualitätsnorm ISO 9000ff

Zur Qualitätssicherung stehen den Sozialeinrichtungen neben jenen der Professionen viele branchenorientierte Konzepte zur Verfügung, deren fachliche Weiterentwicklung und Anpassung an die Bedürfnisse der Einrichtung nicht immer gesichert ist. Daneben gibt es branchenunabhängige Konzepte, die sehr allgemein gehalten und auf die jeweilige Orga-nisation zu interpretieren sind, z.B. die Normenfamilie der DIN EN ISO 9000ff. Das Deut-sche Institut für Norm e.V. (DIN) gibt im Zusammen-hang mit der Internationa-len Standardisierungsorga-nisation (ISO) diese Euro-päische Norm (EN) heraus.

In der ISO 9000 (folgend immer Version 2015) wer-den Grundlagen und -be-griffe des Qualitätsmanage-mentsystems (QMS) er-klärt, die ISO 9001 be-schreibt die grundlegenden Anforderungen an ein QMS und die ISO 9004 gibt An-leitungen zur Weiterent-wicklung des QMS. Zur Do-kumentation und Überprüfung (Auditierung) des QMS wird die ISO 9001 verwendet. Unter Qualität wird hier der Grad verstanden, mit dem ein Satz inhärenter Merkmale von Produk-ten / Dienstleistungen zur Erfüllung von Anforderungen dient. Das Ziel der ISO 900x Serie ist übrigens nicht eine Zertifizierung. Die ist nur sinnvoll, wenn der Kunde das verlangt oder sich sonst ein Vorteil (z.B. für das Marketing) ergibt.

Die Grundidee des ISO-QMS besteht in einem Kreislauf von Leitungsaktivitäten, die Kun-denforderungen aufgreifen und dazu qualitätsrelevante Ressourcen bereitstellen. Die Dienstleistungsprozesse realisieren daraus die Kundenforderungen und stellen die Ergeb-nisse dem Kundenurteil. Aus den Rückmeldungen und den Erfahrungen der Dienstleis-tungsproduktion werden Lehren für eine ständige Verbesserung gezogen, was erneut Auf-gabe des Managements ist (vgl. Abb.).

Ein typisches Missverständnis: Das QMS sorgt nicht für bessere Produkte, sondern für die Fähigkeit zur besseren Erfüllung von Kundenforderungen. Die kritische Folge: Verlangt der Kunde schlechtere Produkte und können wir ihn als Lieferant nicht davon abhalten, dann haben wir ein gutes QMS, wenn wir den Kunden auch mit schlechteren Produkten zufriedenstellen können. Die spannende Frage bleibt, wie man unter solchen Umständen die Fähigkeit und Bereitschaft bewahrt, trotzdem anspruchsvollere Produkte zu liefern. Ir-gendwann muss freilich die Frage gestellt werden, ob man diesen Kunden noch mit diesen Angeboten bedienen will oder ob man nicht besser Kunden, Produkte oder gar die Bran-

Abbildung 4: QM-Modell der ISO 9001: 2015 mit Zusammenhängen der Normkapitel

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che wechselt.ISO 9000 QM-Grundsätze

Die ISO 9000 formuliert sieben Qualitätsgrundsätze, die sich sehr gut als Grundlage für die Analyse, Einführung und Auf-rechterhaltung eines QMS eignen. Für die weiteren Betrach-tungen gilt das Verständnis des PDCA-Zyklus. Alle Grundsät-ze sind als dokumentierte Prozesse zu verstehen, die geplant (Plan), realisiert und gelenkt (Do), überprüft (Check) und wei-terentwickelt (Act) werden.

Kundenorientierung

„Der Hauptschwerpunkt des Qualitätsmanagements liegt in der Erfüllung der Kundenanforderungen und dem Bestreben, die Kundenerwartungen zu übertreffen.“50

Welche Perspektive hat ISO 9000 auf die Kundenthematik?

• Nachhaltiger Erfolg wird erreicht, wenn eine Organi-sation das Vertrauen von Kunden und anderen rele-vanten interessierten Parteien gewinnt und bewahrt. Jeder Aspekt einer Interaktion mit dem Kunden bietet eine Möglichkeit, dem Kunden einen Mehrwert zu schaffen.

• Das Verstehen gegenwärtiger und zukünftiger Erfor-dernisse von Kunden und anderen interessierten Par-teien trägt zum nachhaltigen Erfolg einer Organisation bei.

• Kundenorientierung steigert den Kundenwert die Kun-denzufriedenheit und langfristig auch die Kundenbin-dung. Daraus ergeben sich Folgegeschäfte und ein verbessertes Ansehen der Organisation. Ein erweiterter Kundenstamm führt auch zu erhöhten Einnahmen und Marktanteilen.

• Mögliche Maßnahmen beziehen sich auf das Erkennen direkter und indirekter Kunden als diejenigen, denen die Organisation Nutzen bringt. Deren gegenwärtige und zukünftige Erfordernisse und Erwartungen müssen erkannt und mit den Zielen der Organisation verknüpft werden. Das erfordert die Kommunikation in der ge-samten Organisation. Die Dienstleistungen müssen so geplant, entworfen, entwi-ckelt, hergestellt und geliefert werden, dass die Erfordernisse und Erwartungen der Kunden erfüllt werden.

• Ein Messen und Überwachen der Kundenzufriedenheit, sowie das Ergreifen geeig-neter Maßnahmen sind notwendig. Das bezieht auch das Bestimmen und Ergrei-fen von Maßnahmen bezüglich der Erfordernisse und Erwartungen von Stakehol-dern ein, die die Kundenzufriedenheit beeinflussen können. Wichtig ist das aktive Management der Kundenbeziehungen zum Erreichen nachhaltigen Erfolgs.

Unter "Kunde" versteht ISO 9000 eine Person oder Organisation, die ein Produkt oder ei-ne Dienstleistung bereits empfängt oder als potenzieller Kunde empfangen könnte. Als Kunde gelten mit Nutznießern und Empfängern von Leistungen auch Personen ohne un-mittelbare Vertragsbeziehung. Kunde kann der Endkunde oder der Zwischenhändler sein.

Abbildung 5: Qualitätsgrundsätze der Firma Trumpf: www.trumpf.com

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Ein Kunde kann sogar als Prozesskunde der eigenen Organisation angehören. Als Kunde im erweiterten Sinn gilt grundsätzlich jemand, dessen Anforderungen und Erwartungen wir bereit sind zu berücksichtigen. Damit gelten auch ´Stakeholder´ als Kunden.51

Wenn wir von Kunden sprechen, meinen wir üblicherweise den "externen" Kunden, also die Prozesskunden (Klienten), Vertragskunden (manchmal rechtliche Betreuer, Vormün-der) und Finanzierungskunden (oft Kostenträger). Außerhalb des Dritten Sektors fallen die-se drei Kundenrollen meist zusammen, im Sozial- und Gesundheitsbereich sind diese Rol-len aber oft personell und institutionell getrennt. Eine erste wichtige Aufgabe ist folglich die Unterscheidung von Kunden und Lieferanten, sowie die Ermittlung, Unterscheidung und Bewertung der verschiedenen Kundensegmente. Wie lassen sich Kunden und Lieferanten unterscheiden? Kunden haben Erwartungen und Anspruch bzgl. Ergebnisse und bezahlen dafür. Lieferanten haben Anspruch auf klar formulierte Erwartungen bzgl. Zulieferungen und erhalten eine Bezahlung.

Man könnte den Kundenbegriff auch auf die interne Organisation übertragen. Etwas or-thodox betrachtet, wäre der Mitarbeiter allerdings kein Kunde, sondern eher Lieferant. Schließlich bekommt er Geld und gibt Leistungen. Interne Kunden- und Lieferantenketten haben wir aber, weil die Leistungen einer Person/Abteilung (Lieferant) für eine andere Per-son/Abteilung (Kunde) die Voraussetzung für das Weiterarbeiten sind. Der "Prozesskunde" ist wieder der "Prozesslieferant" für eine andere Person/Abteilung, bis ein Prozess unsere Organisation wieder verlässt. So gesehen penetriert ein Prozess irgendwann eine Organi-sationsgrenze, durchläuft und verlässt sie wieder. Oft um in einer anderen Organisation er-neut einzusteigen. Damit werden sogar Organisationen zu Lieferanten und Kunden. Also importieren wir die Qualitätsprobleme anderer Organisationen und wir exportieren unsere eigenen Qualitätsprobleme an andere Organisationen.

Der Qualitätsgrundsatz bezieht sich primär auf die Anforderungen und auf die Erwartun-gen von Zielgruppen. Die Zielgruppen im Dritten Sektor können diese aber nicht immer eindeutig formulieren, oder man kann sich als Professionelle/r nicht ausschließlich hierauf verlassen. Generell müssen Dienstleister bei Vertrauensdienstleistungen die eigene Pro-fessionalität in die Dienstleistungserbringung einfließen lassen. Deshalb kann es sinnvoll sein, den Aspekt der „Erfordernisse“ zu ergänzen:

a) Erfordernisse, die sich auf die professionelle Beurteilung zum Beispiel des Hilfebedarfs des Klienten beziehen. Als Orientierung könnte die Fachmeinung gelten: Worauf muss aus fachlicher Sicht geachtet werden, auch wenn der Kunde das nicht wissen kann? Entspre-chend sollte ein Ermittlungs- und Kommunikationsprozess stattfinden. Hier kommen fachli-che Standards ins Spiel, die z.B. aus fachbezogenen Qualitätssystemen adaptiert werden können.

b) Anforderungen, die der Kunde als ´Kundiger´ festlegt bzw. voraussetzen darf. Zuweilen werden diese Anforderungen schriftlich fixiert oder gemeinsam mit dem Klienten verein-bart, insb. vor dem Hintergrund der o.g. Erfordernisse. Der Kunde wird bei Nichterfüllung von Anforderungen evtl. reklamieren. Insbesondere institutionelle Kunden (Kostenträger) geben in Pflegesätzen solche ´Spezifikationen´ vor.

c) Erwartungen, die nicht fachlicher Art und aus professioneller Sicht nicht unbedingt rele-vant sind, auf die der Kunde aber dennoch reagiert. Das kann auch negativ passieren, wenn die baulichen oder hygienischen Bedingungen vom Kunden kritisch wahrgenommen werden. Die Professionellen sehen aber gerne über solche unfachlichen Aspekte hinweg und wundern sich, wenn sich die Kunden trotz scheinbar überragender Professionaliität abwenden. Positiv gewendet spricht kann auch von "Begeisterungsmerkmalen".

Diese Unterscheidungen haben wichtige Konsequenzen für das Qualitätsmanagement

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von Sozialdienstleistungen: Der Kunde bzw. dessen Vertreter entscheidet über die An-nehmbarkeit von Qualitätsmerkmalen, nicht der Professionelle. Und: Wenn unter Qualität ein Bündel von Merkmalen verstanden wird, welches zur Erfüllung von Anforderungen ge-eignet ist, dann kann paradoxerweise eine Reduzierung von Qualität (im Sinne von unbe-zahlbarer Maximalleistung) zu einer Erhöhung der Qualität (im Sinne von Kundenzufrie-denheit) führen.

Woran kann man Kundenorientierung in der Qualitätspraxis erkennen? Dazu hilft ein Ver-ständnis des jeweiligen "Kundenlebenszyklus": Beim vorvertraglichen Kontakt zeigt der (zukünftige) Kunde ein Interesse und es kommt zum Vertragsschluss. Nach dem Verkauf, also nach Vertragsschluss wird die Dienstleistung evtl. mit dem Kunden gemeinsam oder durch große Eigenanteile des Kunden (Prosument/Koproduktion) erbracht. Nachvertrag-lich besteht evtl. weiter Kontakt bzgl. Service, Reklamation oder Anschlussverkauf.

Daraus ergeben sich für uns als Lieferanten qualitätsrelevante Aktivitäten, wohl gemerkt immer auf die verschiedenen Kundengruppen spezifisch bezogen: - Ermittlung des Kundenbedarfs- Klärung/Herstellung der eigenen Fachlichkeit/Fähigkeit- Ermittlung der Anforderungen- Ermittlung der subjektiven Kundenerwartungen- Vereinbarung der angenommenen Anforderungen- Ggf. Ablehnung der Vertragsannahme- Gestaltung der Prozesse anhand fachlicher, festgelegter, subjektiver Voraussetzungen- Bereitstellung der erforderlichen Ressourcen- Laufende Beobachtung und Lenkung der Anforderungserfüllung- Dokumentation der Anforderungserfüllung- Laufendes Einholen von Rückmeldungen während der Dienstleistungserbringung- Sicherstellung der abschließenden gegenseitigen Zufriedenheit- Annahme und Bearbeitung von Reklamationen und Nachbesserungen- Sicherstellung der weiteren Serviceleistungen

Kundenorientierung bedeutet also nicht: „der Kunde ist König“, zumal es viele Kundenrol-len mit unterschiedlichen Machtpotenzialen gibt. Vielmehr ist Kundenorientierung ein ope-rationalisierter, beschreibbarer, vergleichbarer, prozesshaft organisierbarer, lenkbarer, überprüf- und messbarer Prozess. Im Qualitätshandbuch steht dann evtl. ein Kapitel: "So sorgen wir dafür, dass die Kunden bei uns im Mittelpunkt stehen." Bereits auf den ersten Blick gibt es oft Hinweise, ob eine Organisation die Kunden oder sich selbst in den Mittel -punkt stellt. Die Homepage zeigt, wie oft es um den Kunden geht oder selbstbezüglich um die eigene Organisation. Leicht sieht man, ob der Kundennutzen oder das Organisations-angebot im Vordergrund stehen.

Am wirkungsvollsten ist das Thema Kundenorientierung, wenn Rückmeldungen von den Kunden eingeholt werden. Im Vordergrund stehen Themen wie das Beschwerdemanage-ment, Evaluationen, Zufriedenheitserhebungen oder andere Formen der unmittelbaren Auseinandersetzung mit Kunden. Hier müssen Schnittstellen zur Organisation gegeben sein, und die Ansprechpartner und die Wege zur Kommunikation müssen geklärt werden.

Die Organisation muss sich bewusst sein, dass sie von ihren Ziel- und Anspruchsgruppen (Stakeholder), also Klienten, rechtlichen Vertretern, Angehörigen, Planungs- und Kosten-trägern abhängt. Es geht dabei vor allem um die Zufriedenheit von Adressaten mit den operativen Prozessen und von Finanziers mit den Angeboten. Die Organisation muss de-ren gegenwärtige und zukünftige Erwartungen und Anforderungen verstehen.

Wenn dieses Bekenntnis nicht ernsthaft ist, wird eine ISO 9000-Einführung schon in den

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ersten Phasen ins Stocken geraten und nicht wirklich gelingen können. Selbst Organisatio-nen ohne expliziten Kundenbegriff (z.B. Verwaltungen) müssen dieses erste und wichtigste ’Glaubensbekenntnis’ des QMS nach ISO 9000 ’mitbeten’ können.

Führung :

„Führungskräfte auf allen Ebenen schaffen die Übereinstimmung von Zweck und Ausrich-tung sowie Bedingungen, unter denen Personen sich für die Erreichung der Qualitätsziele der Organisation engagieren.“

ISO 9000 fordert die Organisation auf, ihre Strategien, Politiken, Prozesse und Ressour-cen zum Erreichen der Ziele in Übereinstimmung zu bringen.

Einige mögliche Hauptvorteile sind gesteigerte Wirksamkeit und Effizienz bei der Erfüllung der Qualitätsziele, bessere Koordination der Prozesse, verbesserte Kommunikation zwi-schen Ebenen und Funktionen der Organisation, Entwicklung und Verbesserung der Fä-higkeit der Organisation und ihrer Personen, die angestrebten Ergebnisse zu erbringen.

Mögliche Maßnahmen umfassen das Kommunizieren der organisationseigenen Mission, Vision, Strategie, Politiken und Prozesse in der gesamten Organisation. Das Schaffen und Aufrechterhalten gemeinsamer Werte, Fairness und Leitbilder ethischen Verhaltens auf al-len Ebenen der Organisation und einer Kultur des Vertrauens und der Integrität.

Die Personen sollten sich überall in der Organisation zur Qualitätssicherung verpflichten, insbesondere sollen Führungspersonen den Personen in der Organisation ein positives Beispiel geben.

Die Beschäftigten sind mit Ressourcen, Schulungen und Befugnissen auszustatten, damit sie zu verantwortlichem Handeln befähigt werden. Mitarbeiter sollten hinsichtlich Mitwir-kung angeregt und gelobt werden.

Was bedeutet das für die NPO? Organisation und Management müssen das Thema Quali-tät in Bedeutung und Tragweite festschreiben und durch Regelungen sowie ständige Kom-munikation in das Tagesgeschäft einbinden. Das Management hat Verantwortung für das Qualitätsthema zu übernehmen und Vorbild zu sein. Insbesondere neue Mitarbeiter müs-sen schnell erkennen können, was richtiges und falsches Verhalten ist. Deshalb sollten sich Führungskräfte und etablierte Mitarbeiter als Modelle verstehen. Recht schnell landen wir also beim Thema Organisationskultur. Darunter versteht man, dass Organisationen als Wertegemeinschaften aufgefasst werden müssen, die allen Beteiligten schlüssige Interpre-tationsangebote unterbreiten.

Die ISO 9000 macht Vorschläge, woran die Übernahme von Qualitätsverantwortung zu er-kennen ist. Wie diese Vorschläge in der individuellen Praxis umgesetzt werden, bleibt je-der Organisation selbst überlassen. Die Organisation muss sich zumindest über ihre Leit-bilder und Prinzipien im Klaren sein. Dabei stellen sich Fragen nach historischen, ökono-mischen und ideellen Hintergründen der Organisation oder nach Grundsätzen und Absich-ten der Berufsausübung. Führungskräfte müssen hier besonders Verantwortung überneh-men und Auskunft über Ziele und Strategien geben können. Es muss klar sein, wofür man steht und mit welchen ´Alleinstellungsmerkmalen´ man sich im Wettbewerb unterscheidet.

Hier gibt es kein richtig oder falsch, sondern nur die Formulierung von grundsätzlichen Absichten, Werten und Leitlinien der Organisation. Eine selbständige Berufsbetreuerin wird hier die Existenzsicherung, die eigene Sicherheit und biografische Aspekte einfließen lassen. Ein Betreuungsverein in der Tradition der Arbeiterwohlfahrt wird hier andere Hinter-gründe und Leitlinien formulieren. Hinweise auf solche grundlegenden Bedingungen einer Organisation sind in den Konzepten, auf der Homepage, durch Beobachtung in der Ein-

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richtung und durch Gespräche mit Mitarbeitern und Führungskräften erhebbar. Der typi -sche Weg ist, dass Aussagen zu Leitbildern und Leitlinien, zu Grundsätzen und Prinzipien (hier: Qualitätspolitik) von oben nach unten (top-down) entschieden, heruntergebrochen und durchgesetzt werden. Meist werden dabei aber die Mitarbeiter und das mittlere Mana-gement an der Entwicklung von Leitbildern beteiligt.

Im Hinblick auf den ersten Grundsatz der ISO 9000 (Kundenorientierung) kann es aber auch sinnvoll sein, zunächst von den Kundenerwartungen auszugehen und diese mit den Leitbildern und Leitlinien der Organisation in Beziehung zu setzen. Beide zusammen erge-ben die Mischung, mit der die Mitarbeiter einer Organisation täglich versuchen, die Erwar-tungen von Kunden zu befriedigen. Aber wie sollen die Kundenerwartungen in Prinzipien und Leitbilder der Organisa-tion einfließen?

Man kann den unkonven-tionellen Weg wählen, die bekannten oder formulierten Erwartungen an die wich-tigsten Prozesse nach ab-straktionsfähigen Aussagen zu durchsuchen. Prozesse können z.B. als Erfolgs- bzw. Zufriedenheitsmerkma-le haben: Transparenz, Au-tonomie, Chancengleichheit, Ganzheitlichkeit, Zuverläs-sigkeit, Sicherheit etc. Dar-aus lassen sich auch Werte der Organisation ableiten. Im Umkehrschluss realisie-ren die erfolgreichen Pro-zesse das Leitbild und die Qualitätspolitik der Organi-sation. Solche Gemeinsam-keiten der Kundenerwartun-gen, der Produkte und der Organisation sind von aller-größter Bedeutung für die strategische Ausrichtung ei-ner Organisation.

Die Ausrichtung der Orga-nisation ist die zweite Aufgabe von Führungskräften, was sich auf die Formulierung von Zielen und Strategien bezieht. Das Management sollte Auskunft geben können über die kurzfristigen, mittelfristigen und langfristigen Ziele, über die Vorstellung von Zukunft und die erforderlichen Maßnahmen, um auf diese Zukunft gewappnet zu sein. Das bedeutet im Umkehrschluss, über die eigenen Leistungen und Ergebnisse bzgl. Qualität auch Rechen-schaft ablegen zu können. Bekanntermaßen müssen Ziele operationalisiert und messbar sein, mit Maßnahmen unterlegt werden, Ressourcen müssen definiert ein konkreter Zeit -horizont muss angegeben werden.

Ziele können auch operativ aus einer Evaluation abgeleitet werden. In Evaluationen kom-men schließlich Themen zur Beurteilung, die als wichtig erachtet werden. Die Ergebnisse

Abbildung 6: Anwendung der ISO 9000 Qualitätsnorm in der Schule: Bislang eher eine Ausnahme...

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geben dann Anlass für Zielformulierungen. Aus den Themen der Evaluation können übri-gens auch leicht Hinweise auf hintergründige Leitbilder gezogen werden. Deshalb sollte Führung zuerst ohne Personalbezug gedacht und interpretiert werden! Auch eine einzelne Person als Selbstständiger oder als Beschäftigter kann für sich Prinzipien formulieren, die für die konkreten Prozesse und Entscheidungen bindend sind. Auch ein/e Einzelunterneh-merIn kann ein operationalisiertes und quantifiziertes Zielsystem haben. Die ISO 9001 er-wartet, dass sich die Qualitätspolitik mindestens auf die Kundenorientierung und die stän-dige Verbesserung bezieht.

Ein Qualitätsmanagement erfordert Strukturen und Ressourcen (Zeit, Geld, Kompetenzen). Durch die Bereitschaft zu erforderlichen Qualitätsinvestitionen übernimmt das Management die strukturelle Verantwortung.

Auch das Qualitätshandbuch hat mit Führung zu tun: Dienstleistungen können ohne QM erst im Nachhinein und nur spät hinsichtlich Qualität überprüft werden. Eine Möglichkeit der Vertrauensbildung ist die schlüssige Dokumentation des Qualitätsmanagementsys-tems (z.B. in einem QM-Handbuch). Sie steht den Kunden oder anderen Interessenten zur Verfügung, um sich bereits im Vorfeld von der Qualitätsfähigkeit zu überzeugen. Durch diese Qualitätsdokumentation belegt die Organisation, was, wieso, wann und mit welchen Mitteln zu tun ist und wie Verbesserungen möglich werden. In der Dokumentation des QMS werden nicht nur die ´Inputs´ wie Grundsätze, Verantwortlichkeiten und Verfahrens-weisen (Prozessbeschreibungen, Formulare, Checklisten) beschrieben. Auch ´Outputs´ sind als Aufzeichnungen über Ergebnisse dort festgehalten. Führungsverantwortung be-deutet also auch, das QM-System transparent und optimierbar zu gestalten.

Führung wird hier nicht als eine personale Eigenschaft verstanden, sie entsteht nicht von selbst oder durch Selbstmotivation der Mitarbeiter, und schon gar nicht durch Abwesenheit von Führung. Führung wird im QM wie jeder andere Prozess auch über den PDCA bear-beitet.

Engagement von Personen

„Kompetente, befugte und engagierte Personen auf allen Ebenen in der gesamten Organi-sation sind wesentlich, um die Fähigkeit der Organisation zu verbessern, Werte zu schaf-fen und zu erbringen.“

Um eine Organisation wirksam führen und steuern zu können, müssen sämtliche Perso-nen auf allen Ebenen respektiert und einbezogen werden. Anerkennung, Befähigung und Förderung von Kompetenz erleichtern die Einbeziehung von Personen zum Erreichen der Qualitätsziele einer Organisation.

Dadurch verbessert sich das Verständnis für Qualitätsziele und die Motivation zur Errei-chung steigt. Personen sollten in Verbesserungstätigkeiten einbezogen werden. Persön-lichkeitsentwicklung, Eigeninitiative und persönliche Kreativität sollten gefördert werden. Zufriedenheit, Vertrauen und Zusammenarbeit in der gesamten Organisation sowie eine erhöhte Aufmerksamkeit hinsichtlich gemeinsamer Werte und Kultur in der gesamten Or-ganisation sollten wichtige Themen sein.

Mit den Personen muss deswegen ausreichend kommuniziert werden, um das Verständ-nis für die Wichtigkeit ihrer individuellen Mitwirkung zu fördern. Das Fördern der Zusam-menarbeit in der gesamten Organisation, sowie offene Diskussionen und das Teilen von Wissen und Erfahrung sind wichtig. Personen sollten zu befugt sein, Leistungsbeschrän-kungen zu bestimmen und ohne Furcht Initiativen ergreifen können. Das Management muss Bedürfnisse der Mitarbeiter nach Mitwirkung und Lernen und Verbesserung anerken-nen. Dazu gehört auch die Unterstützung zur Selbstbeurteilung der eigenen Leistungen

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gegenüber persönlichen Zielen. Umfragen zur Bewertung der Zufriedenheit der Personen, das Kommunizieren der Ergebnisse und Ergreifen geeigneter Maßnahmen fördern das Engagement der Personen.

Was bedeuten die Forderungen der ISO 9000 für das Personalmanagement? Es wurde gezeigt, dass Führung zunächst ohne Personal gedacht werden muss – sonst verwechselt man leicht Mitarbeiterführung von Unternehmensführung. Die Grundsätze Führung und Personen hängen trotzdem offensichtlich zusammen, denn beide ergeben den Erfolgsmix, wenn es um die Kundenzufriedenheit geht. Viele Führungskräfte sehen sich fälschlicher-weise oft selbst als den Wertschöpfungsfaktor. So als würde der Steuermann und nicht die Ruderer das Boot vorantreiben. Tatsächlich zeigt die Motivationsforschung, dass Mitarbei-ter sich für die Ziele einer Organisation einsetzen, wenn sie sich diese Ziele aneignen und tatsächlich mit befriedigenden Ergebnissen rechnen können. Neben der Festlegung von Verantwortungen und Befugnissen für die Mitarbeiter, sollte auch jedem klar sein, wie man persönlich zur Qualitätsverbesserung beitragen kann (dazu im Kapitel Projektmanagement eine kleine Grafik).

Wenn Personen sich einbringen sollen, dann müssen sie mitreden und mit entscheiden können. Freilich nur zu den Themen, die für sie relevant sind und die sie auch beurteilen können. In manchen Organisationen wird deshalb eine Kommunikations- und Entschei-dungsmatrix angelegt, die zeigt, wer in welche Entscheidungen über welche Gremien ein-bezogen ist. Es leuchtet ein, dass man als Praktikant nicht unbedingt bei strategischen Entscheidungen beteiligt sein muss. Auch die mittlere Führungskraft möchte nicht in jedem Gremium mitwirken. Als Sozialpädagogin sollten man aber bei fachstrategischen Themen schon die eigene Meinung einbringen können.

Es geht auch um die Frage, wo und wie man Kritik äußern kann und ob es möglich ist, Verantwortung für Funktionen und Projekte zu übernehmen. Die Mitarbeitervertretung ist so gesehen ein wichtiges Instrument der Qualitätssicherung, wenn sie von beiden Seiten (!) als solches interpretiert wird. Aus Qualitätssicht macht ein Kampf zwischen Manage-ment und Beschäftigten nämlich keinen Sinn. Das Management steht in der Pflicht, Struk-turen und Prozesse bereitzustellen, damit Mitarbeiter sich einbringen können.

Personalrat, Ehrenamtsbeiräte, Kommissionen, Ausschüsse, Teamsitzungen, Teamklau-suren (jeweils durch Protokolle, Einladungen oder Aushänge nachweisbar), Evaluationen, Personalgespräche, Mitarbeiterjahresgespräche, Zielvereinbarungsgespräche, Fortbil-dungsplanung, interner Newsletter sind Befunde, die auf eine Erfüllung des Grundsatzes hinweisen können. Auch die Beteiligung an Projekten kann dazu zählen. Die meisten Or-ganisationen verfügen zwar bereits über Angebote zur Einbeziehung von Personen, kön-nen diese aber nicht aus Qualitätsgesichtspunkten beschreiben.

Interessant ist hier auch das Beurteilungssystem. Zunehmend bewährt sich die 360° Be-wertung, bei der nicht nur Führungskräfte die Mitarbeiter, sondern umgekehrt auch die Mit-arbeiter die Leistungen des Managements bewerten können. Oft werden dafür standardi-sierte Verfahren eingesetzt, was aber in kleinen Organisation weder möglich noch nötig ist.

Die Verantwortung für die aufbauorganisatorische Gestaltung kann über realitätsgetreue Organigramme (siehe das Kapitel zur Aufbauorganisation) und Stellenbeschreibungen nachgewiesen werden. Hier geht es nicht nur um die Formulierung von passenden Aufga-ben, sondern insbesondere um die Kompetenzen (Verfügungskompetenz über Sachmittel, Entscheidungskompetenzen, Anweisungskompetenzen, das Recht auf Informationen und Beteiligung an Gremien usw.). Eine Qualifikationsübersicht sollte nicht nur unmittelbar for -melle Qualifikationen berücksichtigen, sondern auch Talente, besondere Fähigkeiten und Erfahrungen. Über die laufende Erweiterung der Kompetenzen und über die gemeinsame

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Gestaltung der Aufgaben findet nicht nur eine Einbeziehung der Mitarbeiter und Ehrenamt-lichen statt. Auch deren Fähigkeiten werden zum Nutzen der Organisation einsetzbar.

Deutlich wird, dass der Grundsatz `Einbeziehung von Personen´ im QM nach ISO 9000 kein hehrer und hohler Anspruch bleiben muss, sondern als dokumentierter Prozess entwi-ckelt, gelenkt, überprüft und verbessert wird. Entsprechend kann der Grundsatz als PDCA-gesteuerter Prozess im QM-Handbuch dokumentiert werden.

Prozessorientierter Ansatz

„Beständige und vorhersehbare Ergebnisse werden wirksamer und effizienter erzielt, wenn Tätigkeiten als zusammenhängende Prozesse, die als kohärentes System funktio-nieren, verstanden, geführt und gesteuert werden.“

Das QMS besteht aus zusammenhängenden Prozessen. Wenn verstanden wird, wie Er-gebnisse durch dieses System erzielt werden, kann eine Organisation das System und seine Leistung optimieren. Das ermöglicht es, Anstrengungen auf Schlüsselprozesse und Verbesserungsmöglichkeiten zu richten, Ein System angepasster Prozesse ermöglicht be-ständige und vorhersehbare Ergebnisse. Ein wirksames Prozessmanagement optimiert die Leistung, führt zu einer effizienten Verwendung von Ressourcen und reduziert funkti-onsübergreifende Barrieren. Kunden und Stakeholdern kann Vertrauen in Bezug auf Be-ständigkeit, Wirksamkeit und Effizienz vermittelt werden.

Maßnahmen der Prozessorientierung umfassen das Festlegen von Zielen des Systems und der notwendigen Prozesse, um diese zu erreichen. Befugnisse, Verantwortungen und Rechenschaftspflichten für das Führen und Steuern von Prozessen müssen eingeführt werden. Leistungsfähigkeit oder deren Einschränkung muss berücksichtigt werden. Wech-selseitige Abhängigkeiten zwischen Prozessen und die Analyse der Auswirkung von Ände-rungen einzelner Prozesse auf das System als Ganzes erweitern die Prozessperspektive. Das Führen und Steuern von Prozessen und ihren wechselseitigen Beziehungen als Sys-tem lässt die Qualitätsziele der Organisation wirksamer und effizienter erreichen. Die not-wendigen Informationen müssen verfügbar sein, um die Prozesse zu betreiben und zu ver-bessern sowie die Leistung des Gesamtsystems zu überwachen, zu analysieren und zu bewerten. Risiken müssen berücksichtigt und gesteuert werden, wenn sie Ergebnisse von Prozessen und die Gesamtergebnisse des QMS beeinflussen können.

Mit der Normreform 2015 wurden die Qualitätsgrundsätze zum Management von Prozes-sen und von Schnittstellen zusammengelegt:

Einen zentralen Stellenwert misst die ISO 9000 der Stabilität von Prozessen zu. Da nicht alle Prozesse exakt gesteuert werden können und müssen, sollte sich die Organisation wenigstens über die wichtigsten Prozesse klar werden. In vielen Sozialorganisationen wer-den Probleme allerdings oft zunächst als persönliche Defizite in der Motivation, als Proble-me im Team oder als Führungsversagen von ’denen da oben’ interpretiert. Die ISO 9000 fragt dagegen zunächst nach Schwierigkeiten in den Prozessen und dann erst, wer was von den Schwierigkeiten hat.

Das Ziel einer Sozialeinrichtung ist es, über die Befriedigung der Kundenforderungen die eigenen Absichten zu erreichen. Damit ist offensichtlich, woran man die wichtigsten Haupt- oder Kernprozesse erkennt. Hauptprozesse erzeugen Wertschöpfung, mit ihnen verdient die Organisation eigentlich ihr Geld. Hauptprozesse erfüllen die Forderungen von Kunden, Behörden oder Gesetzen. Damit werden sie in ihrer Wirkung und Qualität z.B. von den Kli -enten oder den Kostenträgern sehr direkt wahrgenommen. Bei genauer Betrachtung wird deutlich, dass Hauptprozesse meist beide Bedingungen erfüllen.

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Manchmal ist der Zusammenhang zwischen Wertschöpfung und Kundenforderung aber nicht eindeutig, vor allem wenn Klient, Zahler und Vertragspartner nicht identisch sind. Welche Prioritäten die Organisation dann setzt, bleibt weitgehend ihr überlassen. Ent-scheidend ist allerdings, dass sie sich durch Qualitätspolitik und Qualitätsziele klare und angemessene Rahmenbedingungen setzt.

Neben den Hauptprozessen haben ’Nebenprozesse’ (vgl. Unterstützungsprozesse im Or-ganisationskapitel) Einfluss auf die Qualität der Organisation. Nebenprozesse der Verwal-tung oder Beschaffung werden von den Klienten oder Kostenträgern zwar nicht wahrge-nommen, auch ist damit kein Geld zu verdienen. Dennoch haben sie Bedeutung für die Wirksamkeit und Effizienz der Hauptprozesse, wenn beispielsweise der Toner für den Dru-cker nicht rechtzeitig bestellt wird, das Fax kein Papier mehr hat oder das Finanzamt die Steuer festgesetzt, weil wieder einmal die rechtzeitige Abgabe der Steuererklärung ver-säumt wurde. Dann werden jene Hauptprozesse blockiert, die Wertschöpfung und Kun-denzufriedenheit bringen. Mithin entstehen dadurch sogar erhöhte Kosten und Unzufrie-denheit bei Klienten und Kostenträgern. Entsprechend geht die ISO 9000 davon aus, dass Qualitätsverantwortung auch am Bewusstsein der Zusammenhänge zwischen Neben- und Hauptprozessen zu erkennen ist.

Auf der Suche nach den wichtigen Prozessen einer Organisation braucht es erstmal keine Mitarbeiterbefragungen. Zunächst bietet es sich an, die Stellen- oder Arbeitsplatzbeschrei-bungen zu analysieren, in der Konzeption und in den Angeboten finden sich Aussagen zu Prozessen, auch in der Dokumentation über Klienten oder Patienten können wir Nachwei-se über Aktivitäten und Prozesse finden. Verträge, Leistungs- und Pflegesatzvereinbarun-gen legen gleichfalls oft fest, wofür man Geld bekommt und was die Kernprozesse sind. In manchen Organisationen gibt es bereits Standards (z.B. Pflegestandards) oder gesetzli-che Vorgaben zu bestimmten Prozessen. Eine ergiebige Quelle sind auch Einarbeitungs-richtlinien oder Einarbeitungshandbücher! Schließlich bietet es sich an, alle Formulare und Checklisten zu sammeln, denn sie sind Hinweise auf Prozesse, die einer besonderen Len-kung und Kontrolle bedürfen.

Die fruchtbarste Quelle auf der Suche nach Prozessen sind Evaluationen: Dort werden Themen abgefragt, die wichtig sind. Folglich sollten diese Themen als Prozesse gesteuert werden. Nun kann man sich auf die Suche nach solchen Steuerungen machen und ggf. nachrüsten.

Oft kann man in einer Organisation nur für sich selbst ein QM einführen, dazu eignen sich fünf Schritte zur Prozessorientierung:a) Zunächst protokollieren, was man konkret tut. Man führt also eine Art Tagebuch gleich

vom ersten Tag an! Alle Aufgaben und Projekte so behandeln, als müssten diese öfters wiederholt werden. Deshalb macht es Sinn, gleich zu dokumentieren, was man wie und womit macht.b) Im nächsten Schritt wird das Dokumentierte verdichtet formuliert, man rechtfertigt

(Grundsätze, Absichten) und bewertet eigene Aktivitäten hinsichtlich Effektivität (Zielerrei-chung) und Effizienz (Ressourcenschonung). Jetzt hat man schon eine an der Praxis ori-entierte Verfahrensanleitung für einen Prozess erstellt. Dazu helfen auch Ablaufdiagram-me, wie im Kapitel zur Ablauforganisation beschrieben.c) Damit sich daraus eine praktikable Grundlage ergibt, sollte man Möglichkeiten zur Ab-

stützung des geplanten Prozesses überlegen, beispielsweise Formulare, Checklisten oder andere Handreichungen.d) Wenn jetzt dieser Ablauf erneut vorkommt, können die Planungen einsetzen.e) Dabei wird man feststellen, dass der eine oder andere Schritt nicht funktional ist, oder

dass etwas an einer Checkliste ergänzt werden muss. Zu verbessern sind jetzt sowohl die

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Verfahrensanleitung als auch die dazugehörigen Dokumente (Checklisten und Formulare).

Nicht nur die Prozesse, deren Hintergründe und Abstützungen werden im QM-Handbuch dokumentiert, sondern auch wie man den Grundsatz selbst beherzigt. Die Kunden und Lieferanten schöpfen daraus Vertrauen.

Die Normversion bis 2015 kannte noch den Grundsatz des „Systemorientierten Manage-ments“: „Erkennen, Verstehen, Leiten und Lenken von miteinander in Wechselbezie-hung stehenden Prozessen als System tra-gen zur Wirksamkeit und Effizienz der Orga-nisation beim Erreichen ihrer Ziele bei.“ In der Praxis hängen die meisten Prozesse nämlich zusammen. Das Verstehen und Ver-knüpfen der Zusammenhänge ist nicht nur aus ökonomischer Sicht sehr wichtig. Gera-de die Schnittstellen machen Probleme und entscheiden über die Zufriedenheit, wenn Kunden und Lieferanten davon unmittelbar betroffen sind (z.B. Wartezeiten, Übergaben). Prozessbeschreibungen und Ablaufdiagramme sollten deshalb auch die Schnittstellen, vorausgehende und nachfol-gende Prozesse thematisieren.

Mit der Forderung, das QMS als „kohärentes System“ zu verstehen, weißt die Norm au-ßerdem darauf hin, dass die Qualitätsgrundsätze insgesamt zusammenhängen. Aus der Verknüpfung der Qualitätsgrundsätze zu einem System ergeben sich ´Qualitätsstories´, z.B.: Kundenzufriedenheit wird durch Führungsaktivitäten in der Organisation vermittelt und durch Prozesse erreicht. Bei Dienstleistungen ist dazu die Einbindung der Mitarbeiter unabdingbar, aber auch die Erwartungen der Kunden an zugelieferte Produkte müssen er-füllt werden. Funktionieren die Prozesse, dann sind die Kunden und die Mitarbeiter glei -chermaßen zufrieden. Dazu sollte man sich aber Daten beschaffen und Verbesserungs-möglichkeiten nutzen. Zufriedenen Kunden sind bereit, die Angebote öfters zu nutzen und vielleicht mehr dafür zu bezahlen. Dadurch können Mitarbeiter mehr verdienen, bessere Lieferanten können genutzt und anspruchsvollere Prozesse eingesetzt werden. Vielleicht gelingt eine Optimierung der Prozesse, damit die Kunden nicht so lange warten müssen, damit weniger Ressourcen verbraucht werden und die Mitarbeiter entsprechend ihrer Fä-higkeiten arbeiten können.

In der Dokumentationspraxis machen eine Prozessübersicht (vgl. Fischgräten-Diagramm im Organisationskapitel) oder eine Prozessmatrix deutlich, welche Prozesse wie zusam-menhängen. In den Prozessbeschreibungen sollten die Zusammenhänge und Wechselwir-kungen mit anderen Prozessen unbedingt beschrieben werden.

Ständige Verbesserung

„Erfolgreiche Organisationen legen fortlaufend einen Schwerpunkt auf Verbesserung.“

Welche Zusammenhänge formuliert die ISO 9000 zum Thema Verbesserungen? Verbes-serung ist für eine Organisation wesentlich, um gegenwärtige Leistungsniveaus aufrecht zu erhalten, auf Änderungen der internen und externen Bedingungen reagieren und neue Chancen schaffen zu können. Dadurch verbessern sich Prozessleistung, Leistungsfähig-

Abbildung 7: Von der Linienorganisation zur Qualitätsorganisation: aus der DIN Unterstützungsanleitung 2004

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keit der Organisation und die Kundenzufriedenheit. Es kommt zu einer verstärkten Aus-richtung auf Ursachenuntersuchung und -bestimmung‚ gefolgt von Vorbeugungs- und Kor-rekturmaßnahmen. Das verbessert auch die Fähigkeit, interne und externe Risiken vor-wegzunehmen und darauf zu reagieren.

Schrittweise sowie bahnbrechende Verbesserungen werden ermöglicht. Lernen als Vor-aussetzung für Verbesserungen und ein verstärkter Antrieb zur Innovation können resultie-ren. Das Fördern der Einführung von Verbesserungszielen auf allen Ebenen der Organisa-tion kann zur Verbesserung beitragen.

Personen aller Ebenen sollten darin ausgebildet und geschult werden, wie grundlegende Werkzeuge und Verfahren zum Erreichen der Verbesserungsziele anzuwenden sind. Die Mitarbeiter sollten kompetent sein, Verbesserungsprojekte erfolgreich zu fördern und ab-zuschließen. Verbesserungsprojekte sollten nachverfolgt, überprüft und auditiert werden, und zwar in der Planung, Durchführung, im Abschlusses und den Ergebnissen. Überlegun-gen zu Verbesserungen sollten in die Entwicklung neuer oder veränderter Produkte, Dienstleistungen und Prozesse einfließen. Das Erkennen und Anerkennen von Verbesse-rung fördert die Motivation.

Was bedeutet das für die Praxis der NPO? Verbesserungen können sich zwar spontan er-geben, erfolgreiche Sozialorganisationen überlassen den Verbesserungsprozess aber nicht dem Zufall oder wenigen motivierten Mitarbeitern. Stattdessen eignet sich der PDCA-Zyklus als Grundlage für ständige Verbesserungen: Auf die Planung z.B. von Prozessen (Plan) folgt die Umsetzung (Do). Jetzt setzt mit der Erfolgsüberprüfung (Check) der Ver-besserungsprozess mit eventuellem Handlungsbedarf (Act) an.

Um Verbesserungspotenziale aufzudecken, sind die Rückmeldungen der Experten (Kun-den und Mitarbeiter) von größter Bedeutung. Kundenkritik ist dabei besonders wertvoll: Wenn keine Kritik und Beschwerden von Kunden geäußert werden, bedeutet das nämlich nicht unbedingt auch zufriedene Kunden. Und wenn die Kunden mit der Beschwerdereak-tion zufrieden sind, steigt die Gesamtzufriedenheit sogar nochmals deutlich an.

Umgekehrt teilen enttäuschte Kunden ihre Unzu-friedenheit zwar vielen anderen Person mit52 – nur eben nicht der verursachenden Organisati-on. Nach Einführung eines Beschwerdemanage-ments müssen die Beschwerden also ansteigen und ständig abgefragt werden.

Qualitätsverbesserungen entstehen oft durch Rückmeldungen der Betroffenen, deshalb müs-sen entsprechende Vorkehrungen zur Kommuni-kation (Evaluation, Kundenbefragung, Feed-back) und deren Motivierung getroffen werden. Auch Fehlermeldungen innerhalb der Organisati-on müssen aufgezeichnet, bewertet und verarbeitet werden. Die Qualitätsnorm erwartet, dass gezeigt wird, wie Verbesserungen ermöglicht, Fehler verhindert und Vorbeugungs-maßnahmen eingerichtet werden. Das bezieht sich auf alle Elemente des QMS, also auch auf die Fortschreibung der Qualitätsziele und der Qualitätspolitik.

Der Grundsatz der ständigen Verbesserung (kontinuierlicher Verbesserungsprozess KVP) fordert, dass ein Verbesserungskreislauf eingeführt wird. Dazu gehört, dass - SOLL/IST-Abweichung festgestellt und Verbesserungsziele formuliert werden - die Verantwortung für den Verbesserungsprozess übertragen wird - ein Zeitraum zur Veränderung definiert wird

Abbildung 8: Reichweiten bei Kunden(un)zufriedenheit: Hobohn 1999

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- Maßnahmen vorgenommen werden - die konkrete Verbesserung über Messungen nachgewiesen werden kann.

Evaluation und Beschwerdemanagement werden oft vermieden aus Angst vor der Unfä-higkeit, mit Kritik umzugehen. Tatsächlich sind die meisten Rückmeldungen eher zu positiv als zu kritisch. Wer auf Evaluation verzichtet, verzichtet damit vor allem auf Lob und Rück-meldungen über Stärken. Deshalb sollte man nicht nur Beschwerden einholen, sondern al-le möglichen Rückmeldungen. Aus der Beschwerdemanagementforschung ist außerdem bekannt, dass die Beschwerdereaktion so wichtig wie das beschwerdefreie Produkt selbst sein kann. Die Rückmeldung über eine Beschwerde wird vom Beschwerdeführer u.U. so wichtig genommen, wie das konkrete Ergebnis. Oder anders formuliert: Mit der Reaktion auf eine Beschwerde zufriedene Kunden sind oft die zufriedeneren Kunden. Außerdem ist jede Beschwerde ein gratis Kommunikationsanlass.

Ständige Verbesserung produziert Fehlermeldungen. Diese dürfen aus KVP-Sicht aber nicht einfach behoben werden. Das KVP-Fehlermanagement besteht aus drei Schritten: a) Fehlervorbeugung, damit es gar nicht erst zu Fehlern kommt b) Fehlerlenkung, damit das konkrete Problem behoben wird und c) Fehlerkontrolle, damit der Fehler nicht erneut auf-tritt. Das lässt sich einfach realisieren, in dem die Prozessbeschreibungen mögliche Feh-lerquellen und darauf gerichtete Reaktionen beinhalten.

Ständige Verbesserung ist also keine „innere Haltung und Aufgabe aller Mitarbeiter“, son-dern ein PDCA-Prozess im Rahmen des QM.

Faktengestützte Entscheidungsfindung:

„Entscheidungen auf Grundlage der Analyse und Auswertung von Daten und Informatio-nen führen wahrscheinlich eher zu den gewünschten Ergebnissen.“

Entscheidungsfindung kann ein komplexer Prozess und mit Unsicherheit behafteter Pro-zess sein. Verschiedene Arten und Quellen von Eingaben und deren möglicherweise sub-jektive Interpretation erschweren sachbezogene Entscheidungen. Es ist deshalb wichtig, die Zusammenhänge von Ursachen und Wirkungen sowie potenziell unbeabsichtigte Fol-gen zu verstehen. Auf Tatsachen, Nachweise und Datenanalyse basierende Entscheidun-gen, führen zu größerer Objektivität und Vertrauen in die Entscheidungsfindung.

Mögliche Hauptvorteile einer faktengestützten Entscheidungsfindung sind verbesserte Ent-scheidungsfindungsprozesse, eine verbesserte Bewertung der Prozessleistung und bes-sere Fähigkeiten, gesetzte Ziele zu erreichen. Die betriebliche Wirksamkeit und Effizienz kann dadurch steigen. Die Fähigkeit, Meinungen und Entscheidungen zu überprüfen, in Frage zu stellen und zu ändern wird durch Faktenbasierung optimiert, ebenso die Fähig-keit, frühere Entscheidungen hinsichtlich Wirksamkeit zu bewerten.

Das Bestimmen, Messen und Überwachen von Kennzahlen hilft, die Leistung der Organi-sation darzulegen. Dazu sollten alle erforderlichen Daten den relevanten Personen zur Verfügung stehen. Daten und Informationen müssen ausreichend präzise, verlässlich und sicher sein und die Analyse und Bewertung der Daten und Informationen sollte mit Hilfe geeigneter Verfahren erfolgen. Personen müssen kompetent sein, um Daten wie benötigt analysieren und bewerten können. Das Treffen von Entscheidungen und Ergreifen von Maßnahmen basierend auf Nachweisen sollte ausgewogen mit Entscheidungsaspekten aus Erfahrung und Intuition ergänzt sein.

Die Norm fragt also, ob Entscheidungen der Organisation wirklich auf empirischen Daten beruhen oder auf nicht objektivierbarer Intuition und Machtbeziehungen im Team. Verant-

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wortungsbereitschaft für Qualität äußert sich auch an der Bedeutung von Ergebnissen der sozialen Arbeit. Die Klienten selbst können schlechte Ergebnisse der Interventionen und Prozesse kaum beurteilen oder die Professionellen bei Unzufriedenheit wirklich bestrafen.

Damit rücken die Methoden der Erfolgsmessung für Sozialdienstleistungen in den Vorder-grund. Die Qualitätsnorm erwartet, dass sich die Organisation wirksame Instrumente zur Messung ihrer Leistungen auch hinsichtlich der Qualitätsziele und Qualitätspolitik überlegt. Dazu können die Ergebnisse von strategischen oder prozessualen Planungen oder der administrative Aufwand, Fehlerhäufigkeit bei Anträgen oder die fehlende Kostendeckung und Wirtschaftlichkeitsanalysen zählen.

Externe Messungen sind mit Peer-Reviews durch Berufskollegen oder durch Vergleiche mit anderen Organisationen mittels Benchmarking möglich. Die wichtigste Messung ist aber die Wahrnehmung der Zufriedenheit von Kunden und anderen betroffenen Personen, die für die Organisation von Bedeutung sind. Ohne die Bereitschaft, sich Nachweise und Fakten über Ergebnisse und Verbesserungsmöglichkeiten zu beschaffen, ist ein Qualitäts-management nach ISO 9000 nicht möglich.

Damit geht dieses Konzept über Modelle hinaus, die lediglich die Anwendung von Stan-dards und den Input an Ressourcen wie Qualifikation, Sachausstattung oder Fortbildungs-aktivitäten festschreiben und überprüfen.

Der Grundsatz der sachbezogenen Entscheidungen hängt eng mit Datenerhebungen zu-sammen. Dazu muss man natürlich nicht nur die Unterschiede zwischen quantitativen und qualitativen Methoden kennen, sondern auch wissen, wann welche Methode geeignet ist, um eine Hypothese zu überprüfen. Dem ersten Reflex eines Fragebogeneinsatzes sollte man standhalten und stattdessen durch Beobachtungen und unmittelbare Ergebnisse der Prozesse selbst Daten erheben.

Gerade in Sozialeinrichtungen wird man häufig mit Ressentiments und Widerständen ge-gen statistische Erhebungen konfrontiert. Die Probleme der Sozialarbeit mit quantitativen Datenerhebungen, sprich Statistik, können bis in die Frankfurter Schule zurückverfolgt werden: „Alles, was empirische Sozialforschung war, kam dem Adorno im Prinzip als ober-flächlich vor und wurde sehr zurückgewiesen."53 Diese tief verwurzelte Skepsis gegenüber quantifizierenden Erhebungen in der Sozialarbeit muss man im Qualitätsmanagement be-rücksichtigen.

Der Grundsatz fragt schlussendlich auch nach Orten und Modalitäten von Entscheidun-gen in Sozialeinrichtungen. Dabei können allem soziologische (Gruppen, Werte, Macht), psychologische (Ängste, Bedürfnisse, Motive) und organisatorische (Aufbau/Ablauf) Be-dingungen eine Rolle spielen. Immer stellen sich Fragen, ob die Ursachen für eine anste-hende Entscheidung objektiv darstellbar sind, ob die Erhebungsmethoden den sozialwis-senschaftlichen Gütekriterien entsprechen und ob die gezogenen Schlussfolgerungen be-lastbar sind. Der Grundsatz sachbezogener Entscheidungen kann im QM-Handbuch also leicht als QM-Prozess im PDCA-Muster beschrieben werden.

Beziehungsmanagement

„Für nachhaltigen Erfolg führen und steuern Organisationen ihre Beziehungen mit relevan-ten interessierten Parteien, z.B. Anbietern.“

Relevante interessierte Parteien und deren Inputs können die Leistung einer Organisation beeinflussen. Nachhaltiger Erfolg ist wahrscheinlicher, wenn die Beziehungen zu allen in-teressierten Parteien geführt und gesteuert werden, um deren Auswirkung auf eigene Leis-tungen zu optimieren. Beziehungsmanagement mit Anbietern und Partnernetzwerken ist

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deshalb von besonderer Bedeutung. Hauptvorteile eines aktiven Beziehungsmanage-ments sind eine verbesserte Reaktion auf Möglichkeiten und Einschränkungen z.B. von Lieferanten. Es kommt zu einem gemeinsamen Verständnis der Ziele und Werte unter den Beteiligten, woraus eine verbesserte Fähigkeit zur Wertschöpfung aller Beteiligten durch gemeinsames Nutzen von Ressourcen und Kompetenzen sowie eine gemeinsame Steue-rung qualitätsbezogener Risiken resultiert. Eine gut geführte und gesteuerte Lieferkette bietet einen stabilen Zufluss von Produkten und Dienstleistungen.

Maßnahmen des Beziehungsmanagements sind z.B. das Bestimmen relevanter interes-sierter Parteien (z.B. Anbieter, Partner, Kunden, Investoren, Angestellte oder die Gesell-schaft als Ganzes) und ihrer Beziehung zur Organisation. Die zu steuernden Beziehungen zu interessierten Parteien müssen ggf. bewertet und priorisiert werden. Beim Aufbau von Beziehungen sollten kurzfristige Gewinne gegen langfristige Überlegungen abgewogen werden.

Das Sammeln und Teilen von Informationen, Expertenwissen und Ressourcen mit relevan-ten interessierten Parteien verbessert die Kooperation. Leistungsmessungen und Rück-meldungen bezüglich der Leistung an interessierte Parteien können zu Verbesserungsini-tiativen führen. Gemeinschaftliche Entwicklungs- und Verbesserungstätigkeiten mit Anbie-tern, Partnern und anderen interessierten Parteien sollten eingeführt werden. Anregen und Anerkennen von Verbesserungen und Erfolgen von Anbietern und Partnern steigert die Motivation zur Kooperation.

Die Normversion bis 2015 bezog das ´Beziehungsmanagement´ nur auf Lie-feranten: „Eine Organisation und ihre Lieferanten sind voneinander abhän-gig. Beziehungen zum gegenseitigen Nutzen erhöhen die Wertschöpfungs-fähigkeit beider Seiten.“ Dieser Ansatz wurde jetzt erheblich geweitet auf „alle interessierten Parteien“ - der Unter-schied zur Gruppe der Kunden ver-wischt. Letztlich zählen jetzt auch Lie-feranten zu den relevanten Stakehol-dern. Dennoch sollte die Lieferanten-Kunden-Kette nicht unterschätzt wer-den.

Sozialeinrichtungen sind eingebunden in vielfältige Beziehungen. Oft sind Einrichtungen von der Zuarbeit ihrer Kooperationspartner wie Sozialdienste, niedergelassene Ärzte, Gerichte, Be-hörden usw. abhängig, deren Quali-tätsfähigkeit die der eigenen Organisa-tion beeinflusst. Das aktive Manage-ment der ´Kunden-Lieferanten-Kette´ durch gemeinsame Messungen, Vereinbarungen und Prozessentwicklungen verhindert wirksam den Import von Qualitätsproblemen.

Es empfiehlt sich, wie beim Grundsatz der Kundenorientierung auch, alle Lieferanten zu-nächst aufzulisten und hinsichtlich deren Relevanz für die Kundenzufriedenheit und die Er-reichung der Qualitätsziele der gesamten Organisation oder einzelner Prozesse zu bewer-ten. Je nach Produkt spielen die Zulieferungen wie Wasser, Reinigung, Strom, Essen,

Abb. 54: NTV.de vom 06.10.2012

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Hausärzte, Therapeuten, Fußpflege, freiberufliche Dozenten usw. eine andere Rolle.

Für die Praxis eignen sich zur Analyse die bestehenden Verträge und Reklamationen. Manche Organisationen haben sogar Beschaffungsrichtlinien. Das Ziel sollte eine auf die wesentlichen Prozesse bezogene Kontrolle, Bewertung und Unterstützung der Lieferanten sein. Lieferanten kennen zwar ihr eigenes Produkt, aber nicht immer die Bedingungen der Lieferung und des Einsatzes! Etliche Probleme und Skandale erwachsen den Sozialein-richtungen nämlich nicht durch ihre Mitarbeiter oder durch die fachlichen Prozesse, son-dern durch unbeobachtete und ungeeignete Lieferanten.

Umgekehrt kann manche Sozialorganisation mit der Auswahl von Lieferanten nach Kun-denerwartungen punkten, z.B. durch ökologische Energieversorger, durch Produkte aus fairen Bedingungen oder durch die Geldanlage bei Öko-Banken. Die Priorität auf den bil -ligsten Lieferanten zu legen steht demnach traditionell und konzeptionell im krassen Wi-derspruch zum Konzept des Qualitätsmanagements nach ISO 9000! Eines der 14 Quali-tätsgebote von Edward Demming besagt: "Beende die Praxis, Geschäfte auf der Basis des niedrigsten Preises zu machen."

Damit wird der Grundsatz zu den Lieferantenbeziehungen offensichtlich mit jenem der Führung verknüpft. Aber auch andere Grundsätze lassen sich leicht einklinken, was dem Systemansatz der ISO 9000 entspricht.

Dokumentation des QM

Wie die sieben Qualitätsgrundsätze stabil realisiert werden, schreibt man am besten im Qualitätsmanagementhandbuch auf. Veränderungen lassen sich so leichter planen und zuordnen. Die Einarbeitung neuer MitarbeiterInnen wird erleichtert und mit Kunden oder Lieferanten lässt sich eindeutiger kommunizieren.

Besonders die qualitätskritischen Schlüsselprozesse sollten 'narrensicher' beschrieben werden, d.h. was wann von wem womit getan wird. Daraus ergeben sich einfache Hand-reichungen für die Praxis, wie Checklisten, Formulare oder Gedächtnisstützen (vgl. das Kapitel zur Ablauforganisation).

Diese Verfahrensanleitungen sind wie das gesamte dokumentierte QMS das Geheimre-zept für den Erfolg der NPO – sie unterliegen also einer besonderen Geheimhaltung! Schließlich hat das alles Zeit, Geld und Nerven gekostet... Die ausgefüllten Formulare, Protokolle etc. sind Aufzeichnungen und unterliegen differenzierten Datenschutzbedingun-gen.

Man sollte also nicht nur den generellen Zugriff auf QM-Dokumente, sondern auch deren Schutz und Vernichtung als Prozess beschreiben. Wichtig: Die QM-Dokumentation muss für alle einen Nutzen stiften, sonst wird (mit Weber gesprochen) daraus schnell wieder ein neues „stahlhartes Gehäuse der Bürokratie“.

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Die Sozialeinrichtung zu Markte tragen: Marketing im Dritten Sektor

Für das deutsche Sozial- und Gesund-heitswesen ist Marketing schon seit Jahren kein Fremdwort mehr. Fundraising und Sponsoring können mittlerweile gar in eige-nen Ausbildungsgängen gelernt werden. Leitbilder sind vereinbart und eingeführt und Websites implementiert. Bislang hatte das aber weniger mit Marketing als vielmehr mit der Gestaltung der Organisationsoptik und der Schaffung von Identitätsmerkmalen für die Kunden und Mitarbeiter zu tun. Typisch dafür ist auch der obligate ’Tag der offenen Tür’, um der Bevölkerung einen kurzen Ein-blick in die wunderbare Welt des Sozialen zu gewähren und der Öffentlichkeit eine Vi-talkontrolle zu ermöglichen, bevor das hauseigene Marketing wieder in einen ko-matösen Zustand verfällt. Marketing wird im Dritten Sektor oft mit Werbung gleichgesetzt und damit abgelehnt. Statt dessen steht die Öffentlichkeitsarbeit per Flyer und Zeitungs-beiträge im Vordergrund der Marketingdefintion und -anstrengungen. Das betrifft freilich nur die kleinen Sozialorganisationen; die Großen der Sozialbranche geben längst viel Geld aus für Marktforschung, ´fokussieren´ bestimmte ´Zielgruppensegmente´ und beauftragen Marketingagenturen für eine ausgefeilte Kommunikationspolitik auf allen Kommunikations-kanälen.

Sag mir wo die Kunden sind: Bedingungen und Konsequenzen des Sozialmarketing

Marketing als Kosmetik reicht aber zukünftig nicht mehr aus, um die gestiegenen Anforde-rungen an die Einrichtungen zu bewältigen: In den meisten Branchen im Dritten Sektor gehö-ren Kostendeckungsgarantien der Vergangen-heit an, Deregulierung der Sozialmärkte ist an-gesagt, Neues Steuerungsmodell und Kontrakt-management, Einkauf von Sozialdienstleistun-gen aufgrund von Verträgen statt öffentlichen Zuweisungen, Rückzug des Staates aus der Verantwortung, Mengensteuerung in Kranken-häusern, Betreuungsstundenbuchungen durch Eltern in Kindergärten, Preisfixierungen oder Ausschreibungswettbewerbe in der Berufsbil-dung.

Ein Nebeneinander von staatlichen, freigemeinnützigen und erwerbswirtschaftlichen oder freiberuflichen Anbietern hat sich in vielen Märkten entwickelt. Neuerdings kommt noch die Globalisierung der Dienstleistungsmärkte im Kranken-, Altenpflege- und Suchttherapiebe-reich hinzu, mit dem seit Jahren dauernden Kampf der deutschen Wohlfahrtsverbände um die Bewahrung eines Sonderstatus für deutsche (frei)gemeinnützige Sozialdienstleister.

Abb. 56: Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege 1970-2000, IDW 2004: 22

Abb. 55: Einrichtungsträgerschaften 2001, IDW 2004: 26

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Eine Konsequenz des Wettbewerbs ist die abnehmende Un-terscheidbarkeit der Sozialangebote. Am Markt bleiben außer-dem nicht nur jene Einrichtungsträger, die die geforderten Leis-tungsmerkmale zum niedrigsten Preis anbieten. Die Preiswer-testen müssen sich auch zusätzlich dem Urteil der Kunden stellen und deren Sicht und Informationsbedürfnis adaptieren. Nicht anders als in den meisten Branchen der deutschen Wirt-schaft, die gleichfalls mit der gestiegenen Vergleichbarkeit von Preisen und Leistungen und immer kompetenteren Kunden konfrontiert werden.

Die Klienten erhalten immer mehr Wahlmöglichkeiten, neuer-dings am deutlichsten erkennbar in der Diskussion um das per-sönliche Budget für Behinderte, Voucher für die Tagesbetreu-ung oder die Gutscheine im Berufsbildungsbereich: „Für das Marketing sozialer Träger tauchen jetzt zentrale Fragen auf: Wie entscheiden sich Klienten, wenn Dienstleistungen sich (fast) nicht nach Qualität, Produkteigenschaft und Preis unter-scheiden lassen? Und wie entscheiden sich Klienten, wenn es zwar Unterschiede in der Qualität von Dienstleistungen gibt, diese aber nicht vor Inanspruchnahme der Leistung überprüf-bar sind, sondern erst nach der Leistungserbringung?“54

Zunehmend setzt sich in den Sozialeinrichtungen vor Ort die Einsicht durch, dass der Vorrat an Besonderheiten sozialer ge-genüber erwerbswirtschaftlichen Dienstleistern abnehmen soll55 damit die Übertragbarkeit betriebswirtschaftlicher Methoden erleichtert wird.

Besonders bei den Sozialmanagern mit Nähe zum operativen Geschäft findet sich oft schon eine ausgeprägte Markt- und Wettbewerbsorientierung.56 Die ehe-malige Sozialnische mit eigenen Effizi-enzstandards und dem dazugehörigen ’funktionalen Dilettantismus’ hat sich also weitgehend aufgelöst: „Freie Träger sind keine irgendwie ’besonderen’ Organisa-tionen, in denen andere als normale Ra-tionalitätsstandards gelten. (…) Freie Träger sind ganz ’normale’ Organisatio-nen, in denen die ökonomischen Geset-ze menschlichen Handelns genauso gel-ten wie überall im Leben.“57 Marketing darf und muss zum Standardrepertoire des Sozialmanagements gehören. Aller-dings fehlt es an theoretischer und empi-rischer Forschung zu Besonderheiten des Drittens Sektors, die nicht dem Wett-bewerb ausgesetzt werden dürfen und durch kapitalistische Konzepte nicht aus-reichend erklärt werden können.

Abb. 58: Einrichtungen und Beschäftigte der Wohlfahrtsverbände, IDW 2004: 9

Abb. 57: Marktanteile DRK, IDW 2004: 28

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Einige Zahlen beleuchten die große Marktmacht des Dritten Sektors: Die Wohlfahrtsver-bände verfügten bereits im Jahre 1996 über rund 44 Mrd. € an Einnahmen, ohne Einrech-nung der Einkünfte aus eigenem Vermögen. Im Jahr 2000 unterhielten die Spitzenverbän-de der Freien Wohlfahrtspflege 93.566 Einrichtungen und Dienste mit 3.270.536 Betten bzw. Plätzen und etwa 10.000 Beratungsstellen und mobile Dienste. Von über 100.000 deutschen Selbsthilfegruppen ist ungefähr ein Drittel einem Wohlfahrtsverband ange-schlossen.

Fast 1,2 Millionen Menschen sind beruf-lich in den gemeinnützigen Sozialeinrich-tungen beschäftigt. Allein die bedien Kir-chen beschäftigen fast 1 Million Men-schen.58 Damit waren im Jahr 2000 unge-fähr 3,7 % aller Erwerbstätigen in Deutsch-land bei den Wohlfahrtsverbänden berufs-tätig. Die Freie Wohlfahrtspflege beschäf-tigt damit so viele Arbeitskräfte wie die Sie-mens AG, Daimler AG, Deutsche Bahn AG und Deutsche Post AG in Deutschland zu-sammen. An die 3 Millionen Menschen en-gagieren sich dazu ehrenamtlich in den ge-meinnützigen Einrichtungen der Wohl-fahrtsverbände.

Aus Sicht des Personalmarketings ist bedeutend, dass der Anteil der Teilzeitbeschäftigten mit 38% doppelt so hoch ist, wie in der Gesamtwirtschaft. Auch der Frauenanteil liegt in der freigemeinnützigen Sozialwirtschaft mit 75% deutlich höher als in der Gesamtwirt -schaft mit 44%. Im Vergleich mit anderen Wirtschaftszweigen haben lediglich Fahrzeug-bau, Maschinenbau, Elektrotechnik und Metallerzeugung eine deutlich höhere Wertschöp-fung als die Freie Wohlfahrtspflege.59

Tit for Tat: Marketing als AustauschkonzeptMarketing kann mit Vermarktung oder Marktbearbeitung übersetzt werden. Marketing

kann sich auf das Marketing einer Dienstleistung beziehen oder eine Funktion in einem Unternehmen als Marketingmanagement beschreiben.

Wann immer Marketing als Thema des Leistungsabsatzes an Bedeutung gewinnt, kann von einer zunehmenden Orientierung von Märkten an Käufern und nicht mehr an Anbie-tern ausgegangen werden. Sogenannte Verkäufermärkte beschäftigen sich weniger mit Marketing als mit der Frage, wie die Produktion gesteigert und die Kosten minimiert wer-den können. Erst auf bereits gesättigten Käufermärkten mit einer besseren Position der Kunden stellt sich eine verkaufsorientierte Denkweise ein, die sich am Absatz und an der Reduzierung von Absatzwiderständen bei Zielgruppen orientiert.

Mit der Entwicklung zu Käufermärkten im Dienstleistungsbereich gewinnt Marketing als Absatzkonzept oberste Priorität. Die Engpässe vieler Unternehmen auch im Sozial- und Gesundheitsbereich liegen aber nicht immer im Absatz, sondern in der Beschaffung. Das Marketingkonzept funktioniert nicht nur als Absatzmarketing, sondern auch als Beschaf-fungsmarketing zur Lösung von Beschaffungsproblemen durch die Bearbeitung von Be-schaffungsmärkten, beispielsweise zur Personalbeschaffung im Personalmarketing.

Ob das Fundraising als Spendenmarketing dem Absatz- oder Beschaffungsmarketing zu-gerechnet wird, ist strittig. Die Frage ist, ob Spender als Kunden oder als Lieferanten inter -

Abb. 59: Wirtschaftliche Bedeutung des Dritten Sektors in der BRD 2007, Anteil Bruttowertschöpfung in %, Rosenski 2007: 217

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pretiert werden. Strategisch und Konzeptionell würde sich Kundenperspektive anbieten, um das Risiko einer Unterbewertung der Spender zu vermeiden..

Um die Vielzahl von Unternehmen, Institutionen und Organisationen im Sozialsektor mit ihren verschiedenen Umwelt- und Kundenbeziehungen, gesellschaftlichen Aufträgen und oft widersprüchlichen Zielsystemen dem Marketingkonzept zugänglich zu machen, bedarf es eines grundsätzlichen und sehr offenen ´generischen´ Marketingverständnisses.

Darin stehen nicht Gewinnmaximierung oder Güterorientierung im Vordergrund, sondern die Steuerung von Austauschvorgängen: Marketing bezieht sich demnach auf „die Analy-se, die Planung, die Durchführung und die Kontrolle sorgfältig ausge-arbeiteter Programme, deren Zweck es ist, freiwillige Austausch-vorgänge in spezifischen Märkten zu erzielen und somit das Errei-chen der Organisationsziele zu er-möglichen. Dabei stützt sich das Marketing in starkem Maße auf die Gestaltung des Organisationsan-gebotes mit Rücksicht auf die Be-dürfnisse und Wünsche der Ziel-gruppen, sowie auf effektive Preis-bildungs-, Kommunikations- und Distributionsmaßnahmen, durch deren Einsatz die Zielgruppen auf wirksame Weise informiert, moti-viert und versorgt werden kön-nen.“60

In einem sehr engen Zusammenhang zwischen Kundennutzen und Unternehmenszweck bedeutet Marketing die “Analyse, Planung und Kontrolle aller auf aktuelle und potentielle Märkte ausgerichteten Unternehmensaktivitäten, die zum Ziel haben, durch die dauerhafte Befriedigung der Kundenbedürfnisse die Unternehmensziele zu realisieren.“61

Der Kunde im Mittelpunkt und ständig im Weg

Da im Dritten Sektor meist Dienstleistungen angeboten werden, lohnt sich ein Blick auf Spezifika des Dienstleistungsmarketings. Idealtypisch fallen bei Dienstleistungen anbieter-seitige Produktion und kundenseitiger Verbrauch zusammen. Damit wird jede Dienstleis-tung, abermals idealtypisch, zu einem einzigartigen und nicht wiederholbaren Ereignis. Dieser Zusammenhang wird auch mit dem „Uno-actu Prinzip“ von Dienstleistungen be-schrieben.

In der Realität fallen freilich die Dienstleistungserstellung und die kundenseitige Annahme oft auseinander, wie am Beispiel einer Fortbildung deutlich wird: Didaktik, Methodik und Materialerstellung sowie Validierung durch Übung und Experiment sind in der Regel zeit-lich unabhängige und durchaus lager- und transportfähige Anteile einer Fortbildungs-dienstleistung und unterscheiden sich räumlich und zeitlich von der wahrgenommenen Fortbildungsveranstaltung mit Dozentenpräsenz.

Abb. 60: Entwicklung der Beschäftigten in der Sozialwirtschaft 1970-2000, IDW 2004: 21

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Aus ergebnis- und leistungsorientierter Perspektive sind Dienstleistungen immaterieller Natur und bringen keine direkten Besitz- oder Eigentumsveränderungen mit sich, auch wenn sich die Dienstleistung beispielsweise auf einen Sachgegenstand oder ein Tier be-zieht.62

Der abstrakte und immaterielle Charakter von Dienstleistungen ermöglicht den Kunden individuelle Erwartungen und Vorstellungen über die damit verbundenen Prozesse und Wirkungen. Dadurch kann es aber auch zu unterschiedlichen Beurteilungen der gleichen Dienstleistung zwischen verschiedenen Kunden kommen. Der Einfluss des Dienstleisters auf die individuelle Bewertung ist im Vergleich zu Sachgütern jedoch nur begrenzt.

Die Beurteilung von Dienstleistungen vor Inanspruchnahme durch den Kunden geschieht häufig durch die Suche und Bewertung bestimmter Indikatoren, mit denen Qualität assozi-iert wird, wie Ausstattung oder Personal. Der Dienstleister muss also, ähnlich der Verpa-ckung im Sachgütermarketing, zusätzlich zur Leistungserstellung seine Angebote noch mit entsprechenden Merkmalen und Hinweisen ausstatten (markieren), um die Wahrnehmung und Kaufentscheidung der Kunden zu steuern.

Bei Dienstleistungen fallen die Erstellung und der Verbrauch sehr eng zusammen. Der Kunde kann die Leistung weder vor dem Verbrauch kaufen und lagern noch seine Kaufentschei-dung wieder revidieren. Außer einer Rechnung bleibt dem Kun-den häufig nichts materiell be-greif- und messbares übrig. Da-mit unterscheiden sich Dienst-leistungen für den Kunden hin-sichtlich der Eigentums- und Ver-fügungsrechte grundsätzlich von Sachgütern: Man kann den eige-nen Therapieerfolg eben nicht weiterverkaufen! Andererseits glauben die Kunden vorschnell, Sozialdienstleistungen kopieren zu können, oft zu Lasten der Be-troffenen (z.B. in der häuslichen Pflege).

Außerdem kann der Dienstleister seine Leistungen nicht auf Vorrat produzieren und vor der Auslieferung auf Fehler hin kontrollieren. Der Kunde muss zum Dienstleister oder der Dienstleister zum Kunden, oftmals treffen sich Dienstleister und Kunde bei einem weiteren Dienstleister (z.B. ein freiberuflicher Dozent führt bei einem Bildungsträger eine Fortbil -dung für Pflegekräfte durch), der nur die technische Umgebung und weitere Beschaffungs- oder Absatzdienste erbringt.

Die fehlende Lager- und Transportfähigkeit von Dienstleistungen führt leicht zu Nachfra-geschwankungen und damit verbundenen Anpassungsschwierigkeiten.

Der Dienstleister hat deshalb besondere Anforderungen an die Planung seiner Kapazitä-ten, an die Personal- und Ausstattungsvorhaltung, an die zeitliche und räumliche Koordi-nation der Dienstleistungserbringung und an die Anpassung und Entwicklung der örtlichen Nachfragestruktur zu bewältigen.

Abb. 61: Sozialunternehmen: FAZ vom 24.06.2012

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Damit hängen auch Nachteile der blockierten Produktivitätssteigerung von Dienstleistungen gegenüber der industriellen Fertigung zusam-men. Wenn die Produktivität von Dienstleistun-gen kaum gesteigert werden kann, die Lohnkos-ten sich aber davon unabhängig der Restwirt-schaft anpassen, wird es zu einer steigenden ’Kostenkrankheit’ d.h. einem immer größeren Ge-fälle zwischen Produktivität und Kosten für Dienstleistungen allgemein und Sozialdienstleis-tungen insbesondere führen.63

Der Kunde ist nicht nur Käufer und Nutzer eines Dienstleistungsangebots. Er oder ein Objekt des Kunden wird an der Dienstleistungserstellung mehr oder weniger intensiv als ’externer Faktor’ beteiligt und muss in die Prozesse des Dienst-leisters integriert werden, es entsteht zwangsläu-fig „ein enger Transaktionsverbund in sachlicher, personeller und zeitlicher Hinsicht“.64

Also entzieht sich ein wesentlicher qualitätsbe-stimmender Aspekt der Leistungserbringung ei-ner Steuerung und Kontrolle des Dienstleisters. Er wird von der Motivation des Kunden und sei-ner Mitwirkungs- und Integrationsbereitschaft, der ´Compliance´, abhängig. Eine förderliche, individuelle und häufig vertrauliche Bezie-hung zwischen Kunde und Dienstleister wird zu einem wesentlichen Erfolgsfaktor im Leis-tungsgeschehen. An den Dienstleister werden folglich besondere Erwartungen hinsichtlich seines sozialen Verhaltens, Kommunikationsfähigkeit und psychischer Stabilität gestellt.

Erfolgreiche Dienstleister konzentrieren sich deshalb vor allem auf die Sicherung der Dienstleistungsqualität, die kontinuierliche Analyse von Kundenerwartungen und -zufrie-denheit durch Marktforschung und Beschwerdemanagement, sowie auf die Gewinnung, Motivation und Entwicklung von qualifizierten Mitarbeitern als zentraler Erfolgsfaktor.65

Unerträgliche Schwierigkeit der Dienstleistung

Für soziale und gesundheitsbezogene Dienstleistungen bestehen grundsätzliche Unter-schiede zu Dienstleistungen anderer Branchen. Zunächst ist der deutsche Sozialdienst-leistungsmarkt extrem heterogen mit unterschiedlichen Gesetzesbezügen, unterschiedli-chen Verwaltungen und noch dazu mit Besonderheiten des Gemeinnützigkeits-, des Kör-perschafts- und Standes- bzw. Freiberuflichkeitsrechts.

Gravierender noch sind die Unterschiede hinsichtlich der Beziehung zwischen Dienstleis-ter und Kunde: Die Informationslage der Kunden ist vergleichsweise schlecht und asym-metrisch, wie zwischen Laie und Experte.

Die Fähigkeit des Kunden zur Dienstleistungskopie (wie beim Friseur durch Selbstschnei-den oder beim Steuerberater mittels Steuererklärungssoftware) ist oft mit psychischen, seelischen oder körperlichen Risiken verbunden und zum Teil gar verboten (operative Ein-griffe von nicht-ärztlichen Laien gelten als Körperverletzung, Rechtsvertretungsmonopol

Abbildung 9: Auf Kundenfang ergeben sich die unmöglichsten Allian-zen, FTD 03.03.2009

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der Rechtsanwälte, Vertretungsautorität des gesetzlichen Betreuers). Das bedeutet einer-seits für den Dienstleister eine gewisse Exklusivität der Aufgabenwahrnehmung, die sich als Professionalisierungserfolg auch auf die wirtschaftliche Sicherheit des Professionellen auswirken kann. Andererseits kann gerade dieser Aspekt leicht zur Unzufriedenheit bei Kunden führen, weil sie sich vom Professionellen abhängig fühlen.

Die subjektiv empfundene Abhängigkeit des Kunden vom Dienstleister als Therapeut oder Arzt verhindert die wirksame Artikulation von Erwartungen. Viele Kunden sind krank-heitsbedingt gar nicht erst in der Lage oder bereit, Wünsche und Kritik zu formulieren, was die Zufriedenheitsmessung äußerst erschwert.66

Die multiplen Kundenbezie-hungen mit teilweise wider-sprüchlichen Erwartungen erschweren für den Dienst-leister eine Konzentration auf ein Zielgruppensegment. Häufig treten dem Dienst-leister verschiedene Kun-dentypen gleichzeitig gegen-über. So ist es für die Be-rufsbetreuerin nicht leicht „dem Kundenwillen“ zu fol-gen, wenn der zahlende Kunde zwar die Justizkasse ist, als unmittelbarer Ver-tragskunde über die Betreu-erbestellung aber das Be-treuungsgericht gilt und das Betreuungsrecht letztlich jedoch Wohl und Willen der Betreuten in den Mittelpunkt der Be-treuungsarbeit stellt.

Die Gesellschaft hat außerdem diffus begründete aber konkret formulierte Erwartungen z.B. an eine inszenierte gerechte Leistungsgestaltung (keine Zwei-Klassen-Medizin) oder an eine Qualitätsunterschiede verschleiernde Kommunikationspolitik (Werbeverbote im Heilmittelrecht oder Standesrecht der Freien Berufe). Dennoch handelt es sich um Dienst-leistungen, die einer Analyse und Steuerung bedürfen.

Das erschweren aber die Professionellen mit ihren Standesorganisationen und Ausbil-dungsinstitutionen oft selbst, wenn sie nicht nachvollziehbare Besonderheiten der Erbrin-gung sozialer Dienstleistungen reklamieren. Daraus kann die Neigung zur Nichtbewertbar-keit und präpotenten Professionalisierung resultieren.

Besonders die Schwierigkeiten mit dem Kundenbegriff in der Sozialarbeit beleuchten den tendenziellen Selbstausschluss dieser Berufsgruppe aus dem Dienstleistungsparadigma. Damit gehen auch Probleme der Fehleinschätzung und –interpretation der Kundenerwar-tungen einher, die sich in vielen Branchen, ob Krankenhaus oder Therapieeinrichtung be-obachten lassen. Oft entsprechen die Zufriedenheitskriterien der Klienten zwar den Erwar-tungen der Professionellen. Die Gewichtung und Bedeutung der Kriterien sind häufig aber spiegelverkehrt verteilt: Was den Professionellen wichtig ist, ist den Klienten eher unwich-tig und umgekehrt.67 In einem Verkäufermarkt, in dem die Klienten nicht als Kunden und die Kostenträger eher als Gegner aufgefasst werden, mag ein solches Verhalten auch ra-tional sein. Unter Marktbedingungen des Käufermarktes ist das allerdings fatal!

Abbildung 10: Kundenanalysen führen zu neuen Angeboten: Handelsblatt vom 22.04.2008

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Ein guter Ton braucht viel Luft: MarketinginstrumenteDas Marketingkonzept ist ein idealtypischer Ablaufplan, um keinen Schritt zu übersehen

und Ressourcen effizient zu nutzen (Zeit, Geld, Personal). Es lässt sich sowohl auf das ge-samte Einrichtungsmarketing als auch auf kleine Projekte wie einen Flohmarkt oder zur Verbesserung der Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung einsetzen.

In der ersten Phase werden über Marketinganalysen die relevanten Informationen ge-sammelt, um Marketingziele formulieren zu können. Dann wird eine Marketingstrategie festgelegt, auf deren Grundlage die Marketinginstrumente ausgewählt und konfiguriert werden. Die Entscheidung über den Marketing-Mix ist eine der wichtigsten Phasen im Marketing. Die Implementierung der Marketingstrategie und die Überprüfung der Effekte im Marketingcontrolling schließen den Kreislauf.

Analysen zu Stärken & Schwächen

Voraussetzung für sinnvolle Marketingziele und -strategien sind Analysen der eigenen Or-ganisation und der Umwelt der Sozialeinrichtung. In der Unternehmens- oder Potenzial-analyse kommt die eigene Organisation auf den Prüfstand. Hier geht es um die Aufbau- und Ablauforganisation, Kultur und Branche der Sozialeinrichtung, ebenso um deren Pro-dukte, Kunden und Wettbewerber.

Für Dienstleister ist es schließlich auch wichtig zu wissen, wie die aktuelle Dienstleis-tungsqualität zu bewerten ist. Dazu eigenen sich zunächst die fünf Servqual-Kriterien68, nach denen Dienstleistungen wahrgenommen werden, insbesondere nach Optik und Ein-druck (materielle Aspekte der Dienstleistung), nach Zuverlässigkeit (Erfüllung der Erwar-tungen) und Entgegenkommen (rasche Erfüllung der Käuferbedürfnisse), nach Kompetenz (Fachwissen, Höflichkeit und Glaubwürdigkeit des Personals) und schließlich nach Empa-thie (Engagement für den Käufer, individuelle Behandlung der Probleme des Käufers)

Der bestehende Marketing-Mix wird gleichfalls untersucht hinsichtlich der Gestaltung der Angebote (Produktpolitik), der Preis- und Gebührengestaltung (Preispolitik), der Lage der Einrichtung, Öffnungszeiten und Formen der Leistungserbringung (Distributionspolitik), In-ternetauftritt, Werbeverhalten, Adressdatenbanken und Medienkontakte (Kommunikations-politik) und Personalqualifikation, Fortbildungsthemen, Personalentwicklungskonzept, Mit-arbeiterzufriedenheit (Personalpolitik). Aus der Potenzialanalyse sollte ein Stärken-Schwä-che-Profil resultieren, mit dem vor allem eine wettbewerbsrelevante Orientierung erreicht wird.

Analysen zu Chancen & Risiken

Die Wettbewerbsanalyse schließt sich an die Eigenanalyse an und untersucht im Prinzip die gleichen Kriterien. Freilich liegen in der Regel deutlich weniger oder nur fragmentari -sche Informationen über die Wettbewerber vor. Oft ist erst eine Wettbewerberbeobachtung einzuführen, weil im Sozialwesen aufgrund der traditionellen Bedarfsorientierung und staatlichen Planung kein Wettbewerbsverständnis vorliegt. Für manche Organisationen ist der Wettbewerb verschleiert und nur schwer identifizierbar.

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Im Dienstleistungsbereich spielt die Kopierbarkeit der Leistungen durch Kunden eine große Rolle. Grundsätzlich sollten jene Mög-lichkeiten und Anbieter genau analysiert werden, die in der Lage sind, die eigenen Angebote zu substituieren und die aus Sicht der Kunden einen vergleichbaren Nutzen stiften. Diese Substituti-ons analyse lässt sich leicht unter der Fragestellung einleiten: Was würden unsere Kunden machen, wenn unsere Einrichtung für eine bestimmte Zeit schließen müsste? Wer wäre ’hilfreich’ zur Stelle, um uns ’zu helfen’?

Leicht wird deutlich, dass beispielsweise für die evangelische Kirche am Ort nicht die ka-tholische Kirche der eigentliche Wettbewerber ist, da Eltern ihre Kinder wohl nicht am Sonntag morgen in den Kindergottesdienst der anderen Konfession schicken würden. Die wettbewerbswirksameren Alternativen wären Kindertheater, Kino am Sonntag morgen oder Familienangebote der Vereine etc.

Wettbewerber mit einem vergleichbaren Leistungsspektrum stellen die horizontale Kon-kurrenz (hier die katholische Kirche) dar. Hingegen sind vertikale Konkurrenten jene Orga-nisationen, deren Angebote zum Teil deckungsgleich mit den eigenen sind (hier das Ver-einsangebot am Sonntag morgen).69

Die Wettbewerbsanalyse sollte unbedingt mit einer Bewertung und Positionierung der Or-ganisation und der Angebote im Vergleich mit anderen, vor allem den schärfsten Wettbe-werbern in einer Wettbewerbsmatrix oder einem Konkurrenzportfolio abschließen. In die Kriterien sind dabei auch die Kundenwahrnehmung und nicht sichtbare und dennoch wirk-same Positionierungsaspekte (Qualifikation des Personals, Wirtschaftlichkeit etc.) einzu-beziehen.

Die Umweltanalyse bezieht sich auf die allgemeine und kundenspezifische demographi-sche Situation, psychographische Fragen stellen sich nach vorherrschenden Meinungsbil-dern und Einstellungen der Menschen, mit denen die Organisation in Austauschbeziehun-gen steht. Trendanalysen unterstützen das Marketing ganz besonders:

Megatrends sind für alle Menschen und damit auch für die Zielgruppen der Sozialeinrich-tung von Bedeutung (life-long-learning, Globalisierung, Internet). Megatrends sollte das Marketing, sofern es sich nicht um eine explizite Gegenstrategie (Nischenstrategie oder anachronistische Retrostrategie) handelt, unbedingt aufgreifen und keinesfalls ignorieren. Mesotrends (Neue Steuerung, Ökonomisierungsdiskussion, QM) gelten für den 3. Sektor und dessen Branchen sowie für den erweiterten Kreis der Kunden (Sozialarbeit, Bundes-land, Gesamtsuchtbereich). Mikrotrends sind die unmittelbar wirkenden Fachtrends (per-sönliches Budget) und regionalen Trends (Auflösung der Kindergärten in der Kommune, Zusammenlegungen von Kliniken im Landkreis) mit großer Bedeutung für die spezielle Einrichtung oder einen speziellen Kundenkreis (Konkurs eines großen örtlichen Arbeitge-bers für teilzeitbeschäftigte Frauen).

Abb. 62: Logos der Wohlfahrtsmarken

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Für das Sozial- und Gesundheitswesen ist die Beobachtung der rechtlichen Entwicklung und der Entwicklungen in anderen Feldern der Sozialarbeit oder des Gesundheitswesens sehr aufschlussreich. In der Regel starten sozialrechtliche Entwicklungen wie beispielswei-se das persönliche Budget in einem bestimmten Bereich der oft außerhalb der eigenen Wahrnehmung liegt. Dort wird erprobt und später wer-den die Ergebnisse auf ande-re Bereiche übertragen.

Die Ergebnisse der Analy-sen zu Stärken und Schwä-chen sowie zu Chancen und Risiken werden in einer SWOT-Matrix gegenüberge-stellt, um Strategieüberlegun-gen zu ermöglichen (SWOT: Strengths-Weaknesses/Op-portunities-Threads vgl. Abb.). Für jedes Feld der Ma-trix werden strategische Schlussfolgerungen gezogen, z.B. das SO-Feld auszubau-en und Engagements im WT-Feld abzuziehen.

Analyse der Kunden und Kooperationspartner

Die spezifischen Kundenbeziehungen und weitere Anspruchsgruppen unterscheiden sich je Branche im Dritten Sektor erheblich.

Der Patient oder Klient als Leistungsempfänger nimmt eine Leistung in Anspruch und er-wartet ganz eigennützig eine bestmögliche Versorgung zur Überwindung der Problemlage

Der Leistungserbringer als Betreuer, Verein oder Altenheim stellt eine Leistung her, mit der eine Einkommenserwartung und evtl. zusätzlich eine weltanschauliche oder religiöse Mission verbunden ist. Der Bedarfsfeststeller als der Dienstleister (Sozialpädagoge) selbst oder eine andere Institution (MDK) hilft dem Leistungsempfänger, seinen Bedarf festzu-stellen und zu konkretisieren. Er verfolgt ein Kostenminimierungs- oder Leistungsmaximie-rungsinteresse.

Der Anspruchsgestalter (Gesetzgeber, Behörde, Sozialgericht) regelt das Austauschver-hältnis zwischen Empfänger und Erbringer und legt den eventuellen Sozialleistungsan-spruch des Empfängers z.B. gegenüber dem Träger der Sozialhilfe fest, mit Interessen der Kostenminimierung und der politischen wie öffentlichen Legitimation.

Der Kostenträger, beispielsweise die Krankenversicherung, das Sozialamt oder die Bun-desagentur für Arbeit erbringt für den Leistungsempfänger eine Gegenleistung ebenfalls mit den Interessen der Kostenminimierung und Legitimation.70

Die konkrete Kunde nanalyse fragt zunächst nach einer genauen Definition und Beschrei-bung der Zielgruppe und nach dem Nutzen, den die Kunden durch die Transaktionen mit der Einrichtung haben. Wichtig ist dabei die Unterscheidung zwischen dem antizipierten Nutzen der Sozial- oder Gesundheitseinrichtung und dem tatsächlichen Nutzen bei den

Abbildung 11: SWOT-Analyse einer Therapieeinrichtung: Adler/Engelbrecht 2009

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Kunden hinsichtlich der Verwertung des Sozialangebots (vgl.Abb.): Während eine Tafel für Einkommensschwache Lebensmittel verteilt, um deren Einkommensdefizite zu reduzieren, nutzen manche Klienten das evtl. als Möglichkeit, die freiwerdenden Finanzmittel für Dro-genkonsum einzusetzen, oder um sich mit anderen Menschen zu treffen. Gleiches gilt für die ehrenamtlichen Mitarbeiter, die evtl. weniger die soziale Notlage der Klienten als viel -mehr die interessante Beschäftigung und eine abwechslungsreiche Tagesstruktur im Blick haben.

Qualitative und quantitative Kundenanalysen beziehen sich auch auf die Kundendichte in der Nähe des Standortes und auf die Größe des potentiellen Kundenkreis. Fraglich ist auch, ob die Zielgruppe zukünftig eher wachsen oder kleiner werden wird und welche sonstigen grundlegenden Veränderungen zu erwarten sind. Die Alters- und Einkommens-struktur, die Interessen und das bisherige Nutzungsverhalten der Zielgruppen hinsichtlich der Angebote und jener der Konkurrenten sind ebenfalls wichtige Kundenanalysen. Dabei sollten die Konditionen der bisherigen Nutzung, die Präferenzen, die Bindungs- und Wech-selbereitschaft, die Preisempfindlichkeit und die Bewertung von Qualitäts- und Standort-faktoren eingehend untersucht werden.

Die Kunden bilden den Markt. Damit ist die Kundenanalyse eng mit der Marktanalyse ver-knüpft. Die offizielle Datenlage ist im Sozialbe-reich jedoch meist sehr dürftig. Deshalb helfen neben amtlichen Statistiken oft nur eigene Marktforschungen weiter. Zu untersuchen ist das Marktpotential als die theoretisch absolute Aufnahmefähigkeit des Marktes mit eigenen Leistungen, beispielsweise die Anzahl aller Pfle-gebedürftiger oder gesetzlich Betreuter in einer Region. Demgegenüber bezeichnet das Markt-volumen die Absatzmenge, die von allen Anbie-tern einer bestimmten Dienstleistung in einem bestimmten Zeitraum auf einem bestimmten Markt abgesetzt wurde, z.B. die Pflegetage je Region. Der Marktanteil bezeichnet schließ-lich den vom betreffenden Dienstleister realisierten Teil des Marktvolumens, also der pro-zentuale Anteil der eigenen Pflegetage am Marktvolumen.

Kompass im Sozialmarkt: Marketingziele & Strategien

Aus den Analysen lassen sich die Rahmenbedingungen für Zielformulierungen und Mar-ketingstrategien ableiten. Marketingziele können sich auf die Verbesserung des Images auf einer Skala, auf ein geändertes Kundenverhalten, auf innovative Angebote, auf Markt-anteilssteigerung oder auf die Preisgestaltung beziehen. Wichtig ist, dass die Marketing-ziele mit dem Zielsystem der Sozialeinrichtung abgestimmt werden. Weiter müssen die Marketingziele quantifiziert formuliert sein und die eigene Messbarkeit mit verfügbaren und beherrschbaren Methoden beinhalten. Sinnvoll kann eine Unterteilung in Ober-, Unter- und Teilziele sein. Marketingziele sind nur sinnvoll zu formulieren, wenn die Treiber der Marke-tingziele gleichfalls bekannt sind. Eine Erhöhung von Bachelor- oder Masterarbeitsinteres-senten kann evtl. von der Erhöhung der Kontaktrate mit Studierenden abhängen.

Aus den marktbezogenen Marketingzielen ergeben sich verschiedene Marketingstrategi-en. Mit der Strategie der Marktdurchdringung will der Dienstleister mit bestehenden Ange-boten in seinem aktuellen Marktsegment wachsen. Hierzu muss er in einem Verdrän-gungswettbewerb mit Konkurrenten seinen Marktanteil erhöhen. Bei der Strategie der Markterschließung soll Unternehmenswachstum durch die Erschließung neuer Marktseg-

Abbildung 12: Zweckbetrieb oder nicht? www.rheinland-portal.com

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mente für die bestehenden Angebote erzielt werden. Im Rahmen einer Produktentwick-lungsstrategie entwickelt die Sozialeinrichtung neue Angebote für die bereits bestehenden Marktsegmente, in denen sie aktiv ist. Mit einer Diversifikationsstrategie entwickelt der Dienstleister neue Angebote für neue Zielgruppen. Aus Sicht der Servqual-Kriterien sicher die riskanteste Option.

Eine zentrale Marketingstrategie liegt in der Fokussierung auf bestimmte Markt- oder Kundensegmente. Aus Sicht der Segmentierungsstrategie gibt es den Kunden und den Markt überhaupt nicht mehr. Es gibt nur noch beispielsweise soziographisch oder krank-heitsbezogen eng definierte und in ihrer Relevanz genau bestimmte Zielgruppen, auf die weitere Marketingaktivitäten ausgerichtet werden.

Gerüttelt-nicht gerührt: Marketing-Mix

Mit dem Marketing-Mix (vgl. Abb.) werden die Marketingziele und Strategien reali-siert. Im Gütermarke-ting beinhaltet der Marketing-Mix die vier Elemente Produkt-politik, Preispolitik, Distributionspolitik und Kommunikations-politik. Im Dienstleis-tungsmarketing wer-den diese 4-P (Pro-duct, Price, Place-ment, Promotion) um die Personalpolitik ergänzt.

Produkt-/Angebotspolitik

Im Rahmen der Produkt- oder Angebotspolitik ist zu entscheiden, ob Dienstleistungen va-riiert, neu hinzugenommen oder aufgegeben werden müssen. Für Sozialeinrichtungen werden erweiterte gewerbliche Angebote im Rahmen des Nebenzweckprivilegs der Ge-meinnützigkeit auch aus Sicht des Zusatznutzens für die Klienten immer wichtiger.

Sogenannte Cross-Sel ling- Produkte knüpfen dabei an den vorhanden Dienstleistungen an und erweitern den Kundenbezug; beispielsweise bieten manche Arztpraxen auch Bü-cher zu Gesundheitsthemen an und erhöhen damit die Patientenbindung. Gleichzeitig fin-det eine Verlagerung des Umsatzes auf dienstleistungsferne Güter statt. Dabei ist zu über-legen, ob vorgelagerte oder nachfolgende Dienstleistungen entlang der Wertschöpfungs-kette integriert werden können. Mancher Berufsbetreuer bietet hauswirtschaftliche Versor-gung schon vor der Bestellung als gesetzlicher Betreuer an und übernimmt nach dem Tod des Betreuten auch die Nachlassverwaltung und Haushaltsauflösung.

Besonders bei schwer kopier- und beurteilbaren Dienstleistungen (Arzt, Beratung) ist zu beachten, dass die Kunden den Prozess der Dienstleistungserbringung und nicht deren Ergebnis als eigentliches Produkt interpretieren. So sind die Kunden eines Zahnarztes vielleicht mit der Zahnbehandlung zufrieden, aber nicht mit der nachlässigen Terminver-waltung und dem rüden Umgangston in der Praxis.

Abbildung 13: Marketing-Mix, Beibst 2000: 41

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Das Image, die Marke, der Firmenname eines Dienstleisters haben für die Produktpolitik gleichfalls eine besondere Bedeutung. Durch die abnehmbare Unterscheidbarkeit bei-spielsweise bei Pflegediensten, kommt der Marke ’Caritas’ oder ’Diakonie’ eine besondere Bedeutung als Vertrauens- oder weltanschaulicher Identifikati-onsaspekt zu. Deshalb sollte die Markenführung im Dienstleistungsmarketing nicht primär als Teil der Kommunikations- sondern der Produktpolitik interpre-tiert werden.71

Erfolgreiche Markenführung kann sogar zu neuen derivativen Absatzleistungen führen, beispielsweise Kappen und Shirts mit Markenaufdrucken, wie es manche US-amerikanischen Hochschulen bereits seit Jahren erfolgreich vormachen. Seit längerem haben die großen Organisationen im Dritten Sektor den Zu-sammenhang zwischen Marketing und Fundraising erkannt. Deshalb spielt die Markenbildung und -führung eine besondere Rolle. Das Brand Feel Ranking (Abb., http://www.wuv.de) listet auch emotional erfolgreiche Marken des Drit-ten Sektors auf.

Die Zufriedenheit des Kunden hängt vor allem von seiner subjektiven Wahrnehmung der Dienstleistungsprozesse ab. Mit dem Trend des mündigen Kunden auch im Sozial- und Gesundheitswesen nehmen Kritikfähigkeit und Kritikbereitschaft erheblich zu. Deshalb sollten Feedback-Möglichkeiten, ob durch Klientenbefragung oder durch Beschwerdema-nagement als Teil der Produktpolitik interpretiert und implementiert werden.72

Die verschiedenen Kundensegmente nehmen jedoch nur für sie jeweils relevanten Ange-bote wahr. Deshalb sind die Angebote und deren Variationen eindeutig an relevanten Ziel-gruppen und deren antizipierten Verhaltensweisen (Akzeptanz mit Werbe- und Bindungs-wirkung, oder Reaktanz mit Abwanderung oder Reduzierung der Leistungsinanspruchnah-me) auszurichten.

Preis- und Gegenleistungspolitik

Der Angebots- wie auch der Preispolitik sind im gemeinnützigen Bereich enge steuer-rechtliche Grenzen gesetzt. Preispolitisch ist es außerdem schwierig, einer bereits ökono-misch benachteiligten Klientel zusätzliche Kosten aufzulasten. Der Preisbegriff kann im so-zialen Dienstleistungsmarketing auch als Gegenleistungspolitik interpretiert werden. Im Ehrenamtsmarketing können Gegenleistungen in Sinnhaftigkeit der Freizeitverwendung, in Kompetenzennutzung oder einfach in einer Tagesstrukturierung für Ehrenamtliche liegen.

Der Blick auf die Preispolitik sollte aber auch in monetärer Hinsicht aus Kunden-perspektive geweitet werden. Zwar sind Pflegesätze und Praxisgebühren kaum von den Dienstleistern beeinflussbar. Aus Kundensicht addieren sich aber zu den nicht verhandel-baren Kosten etliche Zusatzkosten, die insgesamt und hinsichtlich der Wechselbereitschaft bewertet werden. Zum Krankenhausbesuch kommen evtl. Mietkosten für ein TV und das Telefon, Aufwand für Blumen und Süßigkeiten, Parkplatzgebühren und Anreisekosten für PKW oder ÖPNV dazu.

Mancher Patient sieht häufiges Treppen steigen im Krankenhaus durchaus als Aufwand, der die Wechselneigung zu einer Einrichtung mit Aufzug beeinflusst. Preise und Aufwen-dungen sind als wettbewerbsorientierte Preispolitik vor allem in Relation zur Konkurrenz zu gestalten.

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Die kostenorientierte Preispolitik erfordert dagegen eine Kostenrechnung, um neben den Kosten auch mögliche Rabatte zu kalkulieren.

In manchen Dienstleistungsbranchen oder für manche Dienstleistungen einer Sozialein-richtung kann auch eine nachfrageorientierte Preispolitik mit höheren Preisen bei hoher Nachfrage und umgekehrt möglich sein. Bei Veränderungen der Preisgestaltung sind die Reaktionen der Zielgruppe genau zu beobachten. Es kann teurer sein, den abgewander-ten Kunden wieder zurück zu gewinnen, als den Preis zu reduzieren.73

Aus Segmentierungssicht muss es kein einheitliches Preissystem geben, da jedes Ziel-gruppensegment die Gegenleistungen gesondert wahrnehmen und bewerten wird. Des-halb müssen preispolitische Entscheidungen eine klare Fokussierung auf eindeutig umris-sene Kundensegmente nachweisen können.

Distributionspolitik

Die Distributionspolitik bezieht sich auf die Gestaltung der Transaktionen und Austausch-prozesse zwischen dem Dienstleister und dem Kunden. Auf den ersten Blick sind bei Dienstleistungen die Anforderungen an die Distribution gering, da es keine Absatzkanäle zu entwickeln gilt. Aus Sicht des Kunden dürfte aber gerade die Distributionspolitik ein wichtiger Aspekt der Dienst-leistung sein.

Wenn der schmerzleidende oder psychisch belastete Kunde persönlich zum Dienstleister muss, dort un-ter vielen anderen Men-schen ohne Anspruch auf Anonymität zu warten hat, in großen Praxen Meter für Meter von Raum zu Raum verschoben wird, ist die ge-fühlte Wartezeit oft überdi-mensional groß.

Distributionspolitische Ent-scheidungen können sich also auf die Gestaltung und Verteilung der Zeit in den Räumen des Dienstleisters, auf die Öffnungszeiten oder die La-ge und Erreichbarkeit der Einrichtung beziehen. Mithin alles Aspekte, die sich der Kunden zu beurteilen traut.

Distributive Elemente werden vom Kunden leicht mit der Produktpolitik verwechselt. So ist die telefonische anstatt der persönlichen Beratung kein neues Angebot, sondern die Veränderung der Lieferbedingungen. Das Produkt, nämlich die Beratung, bleibt gleich, le -diglich der Distributionsmodus hat sich geändert. Gleiches gilt für Beratungsangebote über das Internet oder für neue Öffnungszeiten (vgl. Abb.).

Es ist offensichtlich, dass Änderungen der distributiven Aspekte von Dienstleistungen leichter und weniger riskant sind, als produktpolitische Optionen. Bedeutsamer ist aber noch, dass die Kunden die Änderungen der Öffnungszeiten oder Beratungsmodalitäten leicht als produktpolitische Variation oder Innovation interpretieren.

Der Dienstleister kann also durch gezielte Kommunikation eine distributionspolitische Än-

Abbildung 14: Online-Therapie ist eigentlich kein neues Produkt, sondern ein neuer Distributionsweg

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derung leicht als produktpolitische Innovation ’verkaufen’.74 Wichtig ist freilich, dass die Distributionspolitik nicht auf alle Zielgruppen angewendet wird, sondern gezielt Kunden-segmente angesprochen oder abgewehrt werden.

Kommunikationspolitik

Die Kommunikationspolitik wird in den Sozial- und Gesundheitseinrichtungen leicht auf die Öffentlichkeitsarbeit reduziert, diese wiederum wird mit der Werbung verwechselt und schließlich werden viele öffentlichkeitswirksame Aktivitäten wie der Tag der offenen Tür gar nicht erst als kommunikationspolitisches Element interpretiert.

Zunächst ist zu unterschei-den zwischen Öffentlich-keitsarbeit (Public Relati-ons/PR) als eher unspezifi-sche Vertrauenswerbung und Imageförderung für die Organisation und Werbung als mehr oder weniger ziel-gruppenspezifische Anspra-che mit einer Handlungs-auslösung und Nachfrage-steuerung.

Vor allem die Werbung un-terliegt in den Gesundheits-branchen (oft überschätzter und tatsächlich ständig nachlassender) Restriktio-nen im Heilmittel- und Stan-desrecht. Es darf angenom-men werden, dass die Wer-beverbote der Freien Beru-fe vor allem der Qualitätsverschleierung dienen. Sie fügen den besten Dienstleistern Scha-den zu, während Dienstleister mit Qualitätsproblemen von den Werbeverboten eher profi-tieren.

Neben PR und Werbung steht im sozialen Dienstleistungsmarketing auch die Verkaufs-förderung zur Verfügung. Besonders der beliebte ’Tag der offenen Tür’ sollte in der Marke-tingstrategie klar als Verkaufsförderung mit direktem Kundenkontakt ausgestaltet werden. Das bedeutet, dass die Türen eben nicht für alle Menschen, sondern vor allem für be-stimmte favorisierte Zielgruppensegmente geöffnet werden sollten. Weiter sind dafür Mar-ketingziele zu formulieren und zu überprüfen.

Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt das Internet, allerdings nicht für alle Zielgrup-pensegmente! Das Internet bietet sowohl kommunikationspolitische als auch distributions-politische Möglichkeiten und unterstützt die Kundenbindung auf unvergleichlich kosten-günstige Art. Der Kunde leistet außerdem durch den Zugang zur Homepage bereits eine aufnahmesteigernde Aktivität und bleibt eine messbare Zeit mit den Themen des Dienst-leisters in Kontakt. Im Vergleich zu einer am AIDA-Konzept (Attention-Interest-Desire-Acti-on) orientierten klassischen Werbung sind die Internetkosten für den Dienstleister vernach-lässigbar.

Werbung und Öffentlichkeitsarbeit sollten hinsichtlich der Medien und Sprache sowohl in

Abbildung 15: Zielgruppengerechte Sprache der Werbung, Handelsblatt 24.10.2007

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sichtbarer Übereinstimmung mit der Organisationskultur stehen, als auch an den Kommu-nikationsgewohnheiten der Zielgruppen anknüpfen. Die Kommunikationspolitik muss wie alle anderen Instrumente des Marketing-Mix eine segment- und zielgruppenorientierte Be-gründung nachweisen können.

Personalpolitik

Unter Personalpolitik sind alle Marketin-gentscheidungen zu verstehen, die sich auf den Arbeitsplatz und das Arbeitsum-feld der Mitarbeiter, deren Einstellung zum Kunden und zu den angebotenen Dienstleistungen beziehen. Qualifikation und Personalentwicklungskonzept, die Kommunikation mit und unter den Mitar-beitern sowie Auswahl, Pflege und Aus-stellung des in Kundenkontakt stehenden Personals sind weitere Elemente der Personalpolitik (vgl.Abb.75).

Von den Kunden werden technische Aspekte der Personals wie Fachkompetenz, Ausbildung und die erlebte Sachlichkeit be-wertet. Kunden nehmen die unmittelbare Beziehungsqualität als das soziale Verhalten zum Kunden und zwischen dem Personal genau wahr. Die sichtbare Identifikation des Personals mit der Dienstleistung und dem Erfolg des Unternehmens werden vom Kunden ebenfalls registriert.

Eine wichtige Unterstützung der Personalpolitik können Zielvereinbarungen und Mitarbei-terbefragungen, Personalpflege (vgl.Abb.) und Qualitätszirkel liefern. Vor allem hinsichtlich der Fortbildungsthemen sollten Dienstleister darauf achten, dass das Dienstleistungsthe-ma an sich, die Perspektive der Kunden und eine klare Bejahung von Kundensegmenten oberste Priorität haben.

Im Sozial- und Gesundheitsbereich sollte die Personalentwicklung das Thema Beschwer-demanagement aktiv verfolgen. Nur dann können die in Kundenkontakt stehenden Mitar-beiter die Stimulierung und Annahme von Beschwerden und Feedbacks der Kunden als Verbesserungspotenziale begreifen.

Es gibt Hinweise darauf, dass der positive Umgang mit Beschwerden zu einer höheren Kundenzufriedenheit beiträgt, als fehlerfreie Dienstleistungen.

Internet und Marketing

Das Internet wird für das Marketingmanagement zur „Eier-legenden Wollmilchsau“: Für die Kommunikationspolitik bietet es zielgruppengerechte Kommunikationsmöglichkeiten mit Text, Bild, Ton und Film bis hin zu Interaktionsmöglichkeiten mit dem Kunden. Und das al -les für sehr wenig Geld. Es bietet Alternativen der Distributionspolitik, mit denen nicht nur Kunden gewonnen und gebunden, sondern auch Kosten reduziert werden können.

Ein Fernlehrangebot beispielsweise über das Internet ist eigentlich kein neues Produkt für einen Bildungsanbieter, sondern ein andersartiger Distributionsmodus. Aber der Kunden-nutzen steigt durch Mobilität und Vergleichsmöglichkeiten.

Abbildung 16: Personalanforderungen im Kundenkontakt, Kleinaltenkamp 2003: 206

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Kostensenkungen können an den Kunden weitergegeben werden, was den Einfluss auf die Preispoli-tik zeigt. Der Kunde wird das Inter-netangebot als Variante der Pro-duktpolitik wahrnehmen, nutzen und positiv bewerten.

Leider wird das Internet von vielen Sozialeinrichtungen nicht konse-quent genutzt – vielleicht rächt sich hier spät die lange gehegte Technikfeindlichkeit einer „Frank-furter Schule“ geprägten Sozialar-beit. Im Fundraising kostet das die rückständigen Einrichtung bereits richtig Geld: Die großen Wohl-fahrtsverbände generieren längst enorme Spendenumsätze über das Internet.

Ein Blick auf die Benchmark unter den Internetfundraisern lohnt sich, um Ideen zu sammeln: World-Visi-on kann durch das Internetfundraising von einem produktpolitischen Makel ablenken. Die Organisation hat nämlich nur ein einziges Spendenprodukt und ist nicht wie andere Wohl-fahrtsverbände ein „Spenden-Vollsortimenter“. Das Internet hilft World-Vision, die Spen-denzielgruppen genau zu segmentieren und jedem und jeder den eigenen Wunsch nach Solidarität mit den Klienten nach Gusto zu befriedigen.

Fundraising: Spender an der Angel - nie mehr Mittelmangel

Spendenwerbung und Fundraising können synonym ver-wendet werden. Es geht immer um die Beschaffung von Mitteln gemeinnütziger Organisationen. Ein etwas enger gefasster Fundraising-Begriff beschränkt Fundraising auf die Beschaffung von Mitteln für am Gemeinwohl orien-tierte Zwecke, die durch den Geber ohne eine deren Marktwert entsprechende Gegenleistung des Empfän-gers bereitgestellt werden, also auf Spenden jeglicher Art. Damit werden echtes Sponsoring (Werbemöglichkeit als Gegenleistung) oder Bußgeld-Fundraising (Geldauf-lagen der Gerichte bei Straftaten) ausgeklammert.

Fundraising ist die systematische Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle sämtlicher Aktivitäten einer Nonprofit-Organisation (NPO), welche darauf abzielen, alle für die Erfüllung des Satzungszwecks benötigten Ressourcen (Geld-, Sach- und Dienstleistungen) durch eine konsequente Ausrichtung an den Bedürfnissen der Ressourcenbereitsteller ohne marktadäquate materielle Gegenleistung zu beschaffen. Die mit der Mittelbeschaffung für gemeinnützige Zwecke betrauten Personen werden Fundraiserinnen und Fundraiser ge-nannt.

BRD

Land / Angaben

in %

selbst erwirt-

schaftete Ein-

nahmen 

Zuwendungen

der öffentl.

Hand  

Spenden 

Rumänien   54  11  36 Slowakische Republik  

56  21  23 

Spanien   49  32  19 Ungarn   35  27  18 Tschechien   40  43  18 USA   57  31  13 Peru   68  19  13 Israel   26  64  10 Großbrit. 45  47  9 Frankreich   35  58  8 Mexiko   85  9  6 Australien   62  31  6 Finnland   58  36  6 Österreich   44  50  6 Belgien   18  77  4 Japan   62  34  3 

32  64  3 

Niederlande   36  60  2 Alle Länder  47  42  11 Quelle: http://w w w .fundraising-verband.de

Abbildung 17: Im Online-Fundraising von World-Vision verschwimmen die Grenzen des Mar-keting-Mix

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Daten zum FundraisingIm internationalen Vergleich finanzieren sich die deut-schen NPOs kaum durch Spenden (vgl.Abb.). Die Euro-päisierung wird die NPOs wegen des hohen Anteils staatlicher Förderung und damit verbundenen Subventi-onsrisiken unter Druck setzen.

In Deutschland werden jährlich ca. 2 Milliarden Euro in Geld gespendet. Die Durchschnittsspende liegt bei ca. 110€, wobei es spektakuläre Großspenden gibt. Befra-gungen ergeben ein Spendenaufkommen der Bevölke-rung zwischen 3-5 Milliarden Euro pro Jahr. Dazu kom-men 8 Milliarden Euro Kirchensteuer und Sachspenden. Das Ehrenamt als Zeit- und Know-how-Spende nicht einmal eingerechnet. Insgesamt dürfte damit das jährli-che Spendenaufkommen 2007 bei ca. 15 Milliarden Eu-ro gelegen haben. Die meisten Spenden werden zu Weihnachten gegeben.

Die Spendenquote pendelt zwischen 40-50% der Bevöl-kerung ab 14 Jahren. Die Frauen sind allerdings etwas spendenfreundlicher. Die über 65 Jährigen spenden deutlich häufiger (ca.60%) als z.B. die 30-50 Jährigen (ca.40%).

Das Spenden per Internet nimmt sowohl von der Häufig-keit als auch der Spendenhöhe deutlich zu. Gleichfalls an Bedeutung gewinnt die Erbschaftsspende (vgl.Abb.).

Das Mailing als Spendenbrief stellt mit 34% der geworbenen Spender noch immer ein wichtiges Fundrai-singinstrument dar, v.a. bei den wichtigen älteren Spendern. Die Jüngeren reagieren aber deutlich geringer darauf (ca. 15%). Insbe-sondere angesichts der Werbe-briefflut von ca. 1,5 Milliarden Werbebriefen, wovon fast 300 Mil-lionen auf Spendenbriefe entfal-len.76 Die Spendenzwecke unter-scheiden sich gravierend. Die Kir-chen erhalten außer den Gelds-penden noch Kirchgeld (z.B. Bay-ern) und Kirchensteuern. Die ver-schachtelten Organisationsverhält-nisse und nicht immer durchsichti-gen nationalen und internationalen Verbandszugehörigkeiten machen vor allem die katholische Kirche zum Spendenspitzen-reiter!

Abbildung 18: Spendenzwecke und Spendenhöhe pro Jahr, Lakemann 2012: 28

Organisation

116.792.720 30.474.879

115.521.000 44.952.000

85.497.770 179.242

82.857.200 531.400

81.900.000 39.200.000

80.038.766 30.349

66.386.408 829.776

55.964.586 3.882.802

Misereor 52.800.000 1.792.43550.714.215 742.904

50.696.794 7.006.042

47.104.066 10.896.877

46.973.929 557.786

40.105.000 1.413.000

Spenden/Beitr.

Einnahmen 2007

davon

Erbschaften

2007 EUR

Hermann-Gmeiner-Fonds

SOS Kinderdorf Deutsche UNICEFJohanniter-Unfall-HilfeDeutsche KrebshilfeWorld Vision DeutschlandPäpstliches Missionswerk Brot für die Welt BRD

Bischöfliche Adveniat Katholisches Missionswerk Christoffel Blindenmis.Kindernothilfe DuisburgGreenpeace BRDQuelle: w w w .fundraising-verband.de

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Grundregeln im FundraisingDie Fundraising-Pionierin Marita Hai-bach, hat einige Grundregeln der er-folgreichen Spenderwerbung be-schrieben(vgl. Abb.).77 Zunächst soll-te nicht die Mittelbeschaffung son-dern der langfristige Aufbau einer in-dividuellen Spenderbeziehung im Vordergrund stehen. „Friendraising“ geht vor Fundraising!

Obwohl oft die NPO-Marke bespen-det wird, und deren Marketing damit sehr wichtig ist, geht es um eine per-sönliche Beziehung zwischen Orga-nisationsvertreter und Spender. Sozi-alberufler haben es professionell schwer, die eigenen Anliegen dem Spender eher unfachlich aber hand-lungsauslösend zu vermitteln.

Eine effektive Emotionalisierung ge-hört neben der Sachaufklärung zum Fundraising. Schließlich geht es um soziale und gefühlsbezogene The-men und Beziehungen!

Die Information von Spendern über die Projekte, die Organisation, Erfol-ge und Misserfolge binden Spender und NPO zu einer sozialen Gemein-schaft. Mit einer auf Zielgruppen bezogenen Offenheit haben manche NPOs aber Proble-me. Spender müssen typisiert, segmentiert und entwickelt werden:

Spender haben verschiedene Informationsmedien und -verhalten sowie unterschiedliche Spendensummen und -anlässe. Die Spenderkultur unterscheidet sich sehr nach soziographischen Merkmalen. Es gibt weder den typischen Spender noch haben Spender gleichbleibende Lebensbedin-gungen und Aufmerksamkeiten für Probleme.

Die Spenderpyramide (vgl. Abb.) ist ein Konzept zur Einordnung und Entwicklung von Spendern bis hin zur Testamentspende. Die Bedankung von Spendern wird oft vernachlässigt. Sie stellt aber im Rahmen einer Bedankungsstrategie ein Instrument der Spenderbindung und -entwicklung dar.

Abbildung 19: Fundraisingregeln nach Marita Haibach

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Fragen zur Bearbeitung des Skripts und zu den Modulen

Hier finden Sie Fragen zur Bearbeitung des Skripts:

3. Sektor-Theorie

Unterscheiden sie die drei Sektoren. Welche Probleme bereitet die Sektoreneinteilung? Wie lässt sich der 3. Sektor eingrenzen? Welche Erklärungsansätze gibt es für den 3. Sek-tor?

Im Bauch der NPO - Betriebliche Funktionen der NPO

Welche acht Funktionsbereiche bzw. Managementaufgaben werden unterschieden? Wel-che Themen könnten ergänzt werden?

Finanzierung

Wie unterscheiden sich Entgelt- und Zuschussfinanzierung? In welchen Bereichen wer-den Pflegesätze zur Finanzierung eingesetzt? Wie werden Pflegesatz oder Fachleistungs-stunde berechnet, welche Gemeinsamkeiten bestehen? Wie unterscheiden sich Instituti-ons- und Projektzuschuss? Welche Formen der Teilfinanzierung lassen sich unterschei-den? Woraus kann der Finanzierungsmix einer NPO bestehen?

Wieso wirken sich Wirtschaftskrisen und Beitrags-/Steuersenkungsprogramme problema-tisch auf die NPO-Finanzierung aus? Welche Konsequenzen könnte die Bankenkrise für die Finanzierung der NPOs haben? Unter welchen Bedingungen könnte das Fundraising (Spendenwerbung) hier eine Lösung darstellen?

Regiert Geld die NPO-Welt?

Unterscheiden Sie Minimal- und Maximalprinzip. Nennen Sie beispielhaft drei Hintergrün-de der Ökonomisierung im 3.Sektor. Wie unterscheiden sich Produktivität, Wirtschaftlich-keit und Rentabilität? Was ist das Qualitätsziel einer Organisation? Wie beeinflusst die Mission einer NPO das Zielsystem? Weshalb ist das Zielsystem einer NPO komplexer als eines gewerblichen Unternehmens?

Welche Zielbereiche fasst die BSC ins Auge? Wie stellt man sich mit dem EFQM-Modell das Management einer NPO vor?

Externes Rechnungswesen

Welche Erwartungen bestehen an das Rechnungswesen eines Vereins und worin liegen die Probleme dieser reduzierten Anforderungen? Wieso ist das Rechnungswesen für den Verein und seinen Vorstand von existentieller Bedeutung? Unter welchen Bedingungen kann auch ein gemeinnütziger Verein bilanzierungs-/buchführungspflichtig werden? Wel-che Informationen fehlen im Einnahme-/Ausgaben-Rechnungswesen, wieso wird dieses „pagatorisch“ orientiert genannt?

Inventur&Inventar

Wie wird das Reinvermögen/Eigenkapital durch das Inventar ermittelt? Unterscheiden Sie Forderungen, Verbindlichkeiten und Rückstellungen. Was bedeutet die Abschreibung für die Darstellung der wirtschaftlichen Situation und die Kalkulationen der NPO? Wie funktio-niert die lineare Abschreibung?

Bilanzierung

Wie entsteht aus dem Inventar die Bilanz und wo erscheint jetzt das zuvor ermittelte Ei-genkapital? Welche Positionen stehen in der Bilanz wo und wieso muss die Bilanzsumme auf der Aktiv- und Passivseite übereinstimmen? Was bedeuten die goldene und silberne

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Bilanzregel? Wie kann die Liquiditätssituation analysiert werden?

Doppik

Welche zwei Seiten haben die Konten und wie unterscheiden sich Aktiv- und Passivkon-ten? Was bedeutet bei einer Buchung „Soll an Haben“? Wie wird ein (Bestands-) Konto abgeschlossen und in die Bilanz übertragen? Wie unterscheiden sich die Erfolgs- von den Bestandskonten und wohin werden diese abgeschlossen? Worüber gibt die GuV Auskunft und wie wird sie in die Bilanz abgeschlossen?

Internes Rechnungswesen

Welche Kostenarten können unterschieden werden? Welche Bedeutung haben die kalku-latorischen Kosten? Wie unterscheiden sich Einzel-/ Gemeinkosten und fixe/variable Kos-ten? Welche unterschiedlichen Kostenverhalten sind zu beachten?

Wozu dient ein BAB? Wie werden die Kosten auf die Endkostenstellen umgelegt und worauf ist dabei zu achten?Wie unterscheiden sich die Divisions- und die Zuschlagskalku-lationsmethode?Wie werden Zuschläge und Abschläge (z.B. Rabatte) kalkuliert? Wie wer-den Deckungsbeitrag und Break-eben-Point berechnet? Welche Szenarien lasen sich mit der Deckungsbeitragsrechnung kalkulieren?

Gemeinnützigkeit (auch Fundraising)

Von welchen Größenordnungen kann man im Spendenwesen der BRD ausgehen? Wel-che Bedeutung hat die AO für die Gemeinnützigkeit? Unterscheiden Sie gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Zwecke (§§52-54 AO). Beschreiben Sie die vier Grundsätze der Gemeinnützigkeit. Unterscheiden Sie die vier Einnahmebereiche der gemeinnützigen Kör-perschaft.

Erklären Sie die steuerlichen Konsequenzen der Gemeinnützigkeit für die NPO und für Spender. Welche Besonderheiten gelten für das Sponsoring? Wie unterscheiden sich freie und zweckgebundene Rücklagen? Welcher Unterschied wird bei Rücklagen aus der Ver-mögensverwaltung gegenüber anderen Bereichen der gemeinnützigen Körperschaft ge-macht?

Rechtsformen

Wie unterscheiden sich Freiberufler und Einzelgewerbetreibende? Wie entsteht eine GbR und welche Risiken sind damit verbunden? Unterscheiden Sie die Praxisgemeinschaft und die Gemeinschaftspraxis. Was ist die Besonderheit der Partnerschaft als Rechtsform? Welche Vor- und Nachteile hat eine GmbH und wie unterscheidet sich davon die UG? Wie-so stellt die gemeinnützige AG eine ernsthafte Alternative für Spenden sammelnde NPOs dar? Welche Besonderheiten haben Stiftung und Genossenschaft und wieso eignen sie sich besonders im 3.Sektor?

Wie wird ein eingetragener Verein gegründet und welcher Unterschied besteht zum nicht rechtsfähigen Verein? Welche Organe hat der Verein?Wie lässt sich der e.V. mit anderen Rechtsformen günstig kombinieren? Um welche Themen geht es im Überblick bei der Wahl der geeigneten Rechtsform?

Organisation

Aufbauorganisation

Welche Themen gehören zur Aufbau- und welche zur Ablauforganisation? Überlegen Sie ein Beispiel der Praxis, welches aus einer Kombination aufbau- und ablauforganisatori-scher Defizite resultiert. Wie unterscheiden sich die Einlinien- und die Matrixorganisation? Welche Probleme können sich für eine Stabsstelle ergeben? Wieso kann eine NPO meh-

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rere (Linien)Organigramme haben und welche Ergänzung bietet das Teamorganigramm?

Ablauforganisation

Was wird mit einem Fischgräten-Diagramm dargestellt? Wie unterscheiden sich Wert-schöpfungs- von Unterstützungsprozessen? Wie unterscheiden sich Prozessziele und Prozessergebnisse? Wie werden Prozesse durch VAs und AAs entwickelt und abgesi-chert? Was wird in Prozessaudits überprüft? Welche beiden Symbole sind im Ablaufdia-gramm mindestens enthalten?

Projektmanagement

Woran kann man Projekte erkennen und wieso ist diese Unterscheidung wichtig? Was bedeutet das Akronym PISTE? In den ersten beiden Projektphasen werden oft langfristig gravierende Fehler gemacht, welche könnten das sein?

Wie unterscheiden sich FAZ und FEZ bzw. SAZ und SEZ bei zwei gegenseitig abhängi-gen Vorgängen? Wie wird der Zeitpuffer je Vorgang berechnet? Was bedeutet der kritische Pfad? Wie unterscheiden sich Gantt-Diagramm (recherchieren Sie bei Wikipedia) und Netzplan? Welche Entscheidungen zur Aufbauorganisation sind bei Projekten zu fällen? Welche motivationalen Aspekte spielen bei Projekten eine bedeutende Rolle?

Qualitätsmanagement

Wo finden sich Qualitätsforderungen in den SGBs? Welche Konzepte der Qualitätssiche-rung werden in der SA angewendet? Wie sichern die Professionen die Qualität und wel-chen Beitrag lieferte Donnabedians Konzept?

Wo liegen die Defizite der Qualitätssicherung von Professionen, welche Erweiterungen sind erforderlich? Wie sind die ISO-Qualitätsnormen aufgebaut und was hat das DIN damit zu tun?

Qualitätsgrundsätze

Welche sieben Grundsätze sind die Basis für das ISO 9000-QMS? Erklären Sie die Grundsätze zur Kundenorientierung und zur Führung. Geben Sie jeweils ein treffendes Beispiel aus der SA-Praxis. Welche Kundentypen gibt es und wo liegt für die SA die Her-ausforderung, diese zu bestimmen/unterscheiden? Erklären Sie die Grundsätze zu Mitar-beitern und Prozessen - geben Sie jeweils ein treffendes Beispiel aus der SA-Praxis. Er-klären Sie die Grundsätze zu sachbezogenen Entscheidungen, zum KVP und zu Koopera-tionspartnern/Lieferanten. Wie unterscheiden sich Kunden und Lieferanten und wieso ist diese Unterscheidung von Bedeutung? Geben Sie jeweils ein treffendes Beispiel aus der SA-Praxis.

Was bedeutet der PDCA-Zyklus und wie lässt er sich auf die Qualitätsgrundsätze anwen-den? Was passiert bei Qualitätsaudits? Welche Bedingungen sind an ein Beschwerde-/Feedback-Management zu stellen? Welche Risiken gibt es bei Evaluationen ohne QMS? Wie wird das QMS dokumentiert? Welche Anforderungen werden an Doku-mente und Aufzeichnungen gestellt? Was steht im QM-Handbuch?

Marketing

Wie unterscheiden sich Käufer- und Verkäufermärkte, Beschaffungs- und Absatzmarke-ting im Sozialwesen? Welche Bedingungen verstärken den Bedarf zum Einsatz des Mar-ketings in Organisationen des Dritten Sektors? Welchen Nutzen bringt das Marketingkon-zept für die Sozialeinrichtungen und welche kritischen Einwände können Sie zu den mögli-chen Konsequenzen eines (falschen) Marketingeinsatzes formulieren?

Wo liegen die allgemeinen Besonderheiten des Dienstleistungsmarketings und verstärkt

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im 3. Sektor? Welche Trends beeinflussen alle bzw. nur die verschiedenen Branchen und Felder der Sozialarbeit? Wie werden Marketingziele formuliert? Überlegen Sie zwei Mar-ketingziele für eine Sozialeinrichtung.

Marketing-Mix

Überlegen Sie ein Praxisbeispiel zur Produktpolitik und machen sie Vorschläge zur Opti-mierung. Welche Bedeutung hat die Preispolitik unter den Bedingungen des persönlichen Budgets?

Wie werden Preise und Rabatte kalkuliert (vgl. im Skript zur Zuschlags-, Handels- und Deckungsbeitragskalkulation)? Welche Preispolitik kennen Sie aus Ihrer Erfahrung in Sozi-aleinrichtungen und welche Vorschläge haben Sie zur Optimierung? Welche Distributions-politik kennen Sie aus Ihrer Erfahrung in Sozialeinrichtungen und welche Vorschläge ha-ben Sie zur Optimierung? Wie kann die Variation der Distributionspolitik zur Kostensen-kung im Sozialwesen beitragen? Was hat der Grundsatz „ambulant vor stationär“ damit zu tun?

Wie unterscheiden sich PR und Werbung und wieso tut sich die Sozialarbeit mit Werbung so schwer? Wie sieht die Kommunikationspolitik in Einrichtungen des Sozialwesens meist aus und welche Vorschläge haben Sie zur Optimierung? Welche Erfahrungen zur Perso-nal- und Servicepolitik haben Sie gemacht und welche Vorschläge haben Sie zur Optimie-rung? Welche Verbindungen ergeben sich zum Qualitätsmanagement? Welche Bedeutung hat das Internet-Marketing für das Sozialmarketing und insb. den Marketing-Mix?

Fundraising

Welche Spenderunterschiede sind zu beobachten und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für das Fundraising? Welche Spendenzwecke werden wie bespendet und wel-che Konsequenzen ergeben sich daraus für NPOs? Welche Spendeninstrumente werden unterschieden und wie sind diese im Marketing-Mix einzuordnen? Welche zehn Vorschlä-ge zum Fundraising macht Marita Haibach? Welche Hintergründe hat die Spenderpyrami-de und wie lässt sie sich für das Fundraising umsetzen?

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Anmerkungen und Literatur

1 So der Titel eines Buches von Strachwitz, G.R.: Dritter Sektor - Dritte Kraft. Versuch einer Standortbestim-mung, Stuttgart 1998

2Darauf wies v.a. der US-Soziologe Amitai Etzioni in den 70er Jahren im Rahmen seiner kommunitaristi-schen Theorien hin. Zur Dritter-Sektor-Theorie vgl. den Überblick in Bentem, N.v.: Vereine, eingetragene Ver-eine, Dritter-Sektor-Organisationen, Münster 2006: 92

3 Toepler, S./Anheier, H.: Theorien zur Existenz von Non-Profit-Organisationen, in: Hopt, K. u.a.: Nonprofit-Organisationen in Recht, Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen 2005: 47

4 Vgl. Münder in: Bieritz-Harder u.a.: LPK SGB XII, 9. Aufl., § 5 Rn. 13 ff

5 Toepler, S./Anheier, H.: Theorien zur Existenz von Non-Profit-Organisationen, in: Hopt, K. u.a.: Nonprofit-Organisationen in Recht, Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen 2005: 54

6 Seibel, W.: Funktionaler Dilettantismus : Erfolgreich scheiternde Organisationen im "Dritten Sektor" zwi-schen Markt und Staat, Kassel 1992: 17

7 Vgl. Anheier, H./Toepler, S. (2005): Definition und Phänomenologie der Non-Profit-Organisation, in: Hopt, K.J.(Hippel, Th.v./Walz, R.: Nonprofit-organisationen in Recht, Wirtschaft und Gesellschaft: Theorien- Analy-sen- Corporate Governance, Tübingen: 17-34

8 Vgl. Wendt, R.W. (1998) Wirtschaften müssen wir allemal. Ökonomie ist kein Gegner - Soziale Arbeit hat sie nötig, in: Blätter der Wohlfahrtspflege 11-12/1998

9 Ein Leser der Zeit-Online Ausgabe vom 11.03.2009: „Die Nutella kommt aus dem Supermarkt, der Strom aus der Steckdose, das Benzin aus dem Zapfhahn, das Geld aus dem Automaten, die Jobs (für die linkslibe -rale Akademikerkaste) von einer unendlich zahlungsfähigen öffentlichen Hand...“

10 Vgl. Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern, VBVG

11 Vgl. Decker, F. (1997): Management für soziale Institutionen, Landsberg: 112ff

12 Vgl. Wendt, W. (1998) a.a.O.

13 Vgl. Sieper, M. (2007): Strategische Planung in Nonprofit-Organisationen, BoD Hamburg: 17

14 Vgl. Rosenski, N.: Die wirtschaftliche Bedeutung des Dritten Sektors, Statistisches Bundesamt März 2012: 214

15 Sankt Gallener Management Modell: http://de.wikipedia.org/wiki/St._Galler_Management-Modell

16 Abb. aus Wikipedia, nach Kaplan, R. S. / Norton, D. P. (1997): Balanced Scorecard, Strategien erfolgreich umsetzen, Stuttgart

17 Vgl. Ridder, G./Schmidt, R.(o.D.): Non Profit Management - Entwurf eines Vertiefungsfaches im Fachbe-reich Wirtschaftswissenschaften, Universität Hannover

18 EFQM: European Federation of Quality Management, Abb.http://www.paeger-consulting.de/html/efqm-modell.html, mehr zum Modell unter www.efqm.org

19 § 666 BGB Auskunfts- und Rechenschaftspflicht: „Der Beauftragte ist verpflichtet, dem Auftraggeber die erforderlichen Nachrichten zu geben, auf Verlangen über den Stand des Geschäfts Auskunft zu erteilen und nach der Ausführung des Auftrags Rechenschaft abzulegen.“

20 § 259 Abs.1 BGB Umfang der Rechenschaftspflicht: „Wer verpflichtet ist, über eine mit Einnahmen oder Ausgaben verbundene Verwaltung Rechenschaft abzulegen, hat dem Berechtigten eine die geordnete Zu-sammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitzuteilen und, soweit Belege erteilt zu werden pflegen, Belege vorzulegen.“ Hinsichtlich der Besteuerung gleichlautend: § 63 Abs. 3 AO.

21 § 260 BGB Pflichten bei Herausgabe oder Auskunft über Inbegriff von Gegenständen: „(1) Wer verpflich-tet ist, einen Inbegriff von Gegenständen herauszugeben oder über den Bestand eines solchen Inbegriffs Auskunft zu erteilen, hat dem Berechtigten ein Verzeichnis des Bestands vorzulegen.“

22 §4 Abs.3 EStG: „Steuerpflichtige, die nicht auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, (…) können als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnah-men über die Betriebsausgaben ansetzen. (…) Die Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und Wirtschafts-güter des Umlaufvermögens (sind Anm. R.A. …) in besondere, laufend zu führende Verzeichnisse aufzuneh-men.“

23 Z.B. Allgemeine Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung der Stadt Jena (ANBest-P/Jena), Quelle: http://www.jena.de/fm/41/ANBest_P.pdf

24Grafik entnommen aus: http://www.vereinsbesteuerung.info

25 Aktuelle AfA-Tabellen unter

http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_308/DE/BMF__Startseite/Service/Downloads/Abt__IV/047,tem-

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Anmerkungen und Literatur

plateId=raw,property=publicationFile.zip26 Die Unterscheidung ist wichtig! Die steuerlichen AfA-Bedingungen sind freilich nur relevant für den steuer-pflichtigen WGB. Ist die gemeinnützige Körperschaft gar nicht zur Körperschaftssteuer veranlagt, dann kön-nen eigene und meist realistischere AfA-Bedingungen formuliert werden. Dadurch ist die Übereinstimmung des externen mit dem internen Rechnungswesen auch größer. Vgl. §7 EStG: § 7 Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung: „Bei Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuer-pflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, ist jeweils für ein Jahr der Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzusetzen, der bei gleichmäßiger Verteilung dieser Kosten auf die Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung auf ein Jahr entfällt (Absetzung für Abnutzung in gleichen Jahresbeträgen). Die Absetzung bemisst sich hierbei nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts. (…) Im Jahr der Anschaffung oder Herstellung des Wirtschaftsguts vermindert sich für dieses Jahr der Absetzungsbetrag nach Satz 1 um jeweils ein Zwölf-tel für jeden vollen Monat, der dem Monat der Anschaffung oder Herstellung vorangeht. (…) Bei beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, bei denen es wirtschaftlich begründet ist, die Absetzung für Abnut-zung nach Maßgabe der Leistung des Wirtschaftsguts vorzunehmen, kann der Steuerpflichtige dieses Ver-fahren statt der Absetzung für Abnutzung in gleichen Jahresbeträgen anwenden, wenn er den auf das einzel-ne Jahr entfallenden Umfang der Leistung nachweist.“

27 §42 BGB Insolvenz: „Der Verein wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst. (…) Der Vorstand hat im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung die Eröffnung des Insolvenzverfah-rens zu beantragen. Wird die Stellung des Antrags verzögert, so sind die Vorstandsmitglieder, denen ein Ver-schulden zur Last fällt, den Gläubigern für den daraus entstehenden Schaden verantwortlich; sie haften als Gesamtschuldner.“

28 Vgl. Nicolini, H. (2005): Kostenrechnung in der sozialen Arbeit, in: Schubert 2005: 311-339

29 Abb. 19 aus Scheck, H./Scheck, B. (2007): Wirtschaftliches Grundwissen für Naturwissenschaftler und In-genieure: Für Naturwissenschaftler und Ingenieure, Weinheim: 153

30 Vgl. Weber, M. (2005): Kaufmännisches rechnen von A- Z: Formeln, Rechenbeispiele, Tipps für die Pra-xis, Freiburg / Diese Rechnung lohnt sich auch bei Flohmaktkalkulationen: Den niedrigsten Preis einfach um ein oder zwei Verhandlungsabschläge erhöhen!

31 Steuertipps Rpflz. (2007): Steuertipp – Gemeinnützige Vereine, Ministerium der Finanzen Rheinland-Pfalz (Hg.)

32 Vgl. http://www.stmas.bayern.de/ehrenamt/steuertipps/

33 Auszug aus dem Monatsbericht des BMF – 11/2007: 68 zum Risiko eines Wettbewerbsvorteils für Zweck-betriebe

34 Zum Fundraising allgemein und zum Spendenrecht u.a. der Beitrag von Lindemann in: Fundraising-Aka-demie (2006): Fundraising Handbuch für Grundlagen, Strategien und Methoden: Handbuch für Grundlagen, Strategien und Methoden, Wiesbaden: 686ff

35 „Sponsoring-Erlass“ Finanzministerium Bayern 21.02.2000 - koordinierter Ländererlass 11.02.2000

36 Kaspers, U.: Betriebswirtschaft für Sozialarbeiter und Sozialpädagogen, Regensburg 2000: 90

37 Eichhorn, S:/Schmitt-Rettig, B. (Hrsg.) (2001): Krankenhausmanagement. Zukünftige Struktur und Orga-nisation der Krankenhausleitung. Stuttgart: 159

38 Vgl. Koch, Ch./Holt, Th.v.: Verein oder GmbH? Zur Ansiedlung wirtschaftlicher Aktivitäten bei Verbänden, in: NDV 9/2002: 315-325

39 Vgl. Hill, W. u.a.: Organisationslehre Band 1+2, Stuttgart 1989

40 ISO 9001: 21 Kap.5.5

41 Vgl. Weber, M.: Wirtschaft und Gesellschaft, Ausgabe Zweitausendeins, Neu-Isenburg 2005

42 Vgl. Likert, R.: The Human Organization. Its Management and Value, New York 1967

43 Vgl. das Reorganisationsmodell von Hill, W. u.a.: Organisationslehre Band 1+2, Stuttgart 1989

44 In Anlehnung an das Weg-Ziel-Motivationsmodell von Porter/Lawler vereinfacht abgebildet in Pelz, W.: Kompetent führen, Wiesbaden 2004: 117

45 Vgl. Greiling, D.: Performance Measurement in Nonprofit-Organisationen, Mannheim 2007: 391

46 Tucholsky soll gemeint haben: „Man achte immer auf Qualität. Ein Sarg zum Beispiel muß fürs Leben hal -ten.“, Fichtl, G.: Zitate für Beruf und Karriere, Planegg 2007: 83

47 Diese Unterteilung geht zurück auf: Donabedian, Avedis: Evaluating the Quality of Medical Care, in: Mil-bank Mem. F.Q. 44/1966: 66-206

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Anmerkungen und Literatur

48 Vgl. Wendt, W,R.: Versorgungsbeziehung als Entwicklungsaufgabe, in: Sozialwirtschaft 3/2007: 16-19

49 Maier, P.: Wie viel Betriebswirtschaftslehre braucht die Soziale Arbeit", Masterarbeit EFH-Nürnberg 2007: 106

50 ISO 9000: 13ff

51 ISO 9000: 28

52 Vgl. für Bibliotheken: Hobohn, H.-Ch.: König Kunde in der Bibliothek, Vortrag Potsdam 1999

53: Koch, C./Andresen, S. (Hg.): Maria Jahoda. Ich habe die Welt nicht verändert. Lebenserinnerungen einer Pionierin der Sozialforschung, Weinheim 2002: 126, ähnlich dazu auch: 134

54 Halfar, B. (o.D.): Marken in der Sozialwirtschaft, in: http://www.sozialbank.de/finale/inhalt/servicel/fachbei-traege4611.shtml#_ftn4, ohne Datum

55 Vgl. Nährlich, S. (o.D.): Was sind die und was bleibt von den Besonderheiten der Nonprofit-Organisatio-nen? Eine ökonomische Betrachtung, in: www.dritter-sektor.de, ohne Datum

56 Vgl. Verdi/PLS-Ramboll (2004): Fallstudie: Die Strategien der Wohlfahrtsverbände im Markt der Gesund-heitseinrichtungen 2003, in: www.verdi.de

57 Seibel, W. (1992): Besondere Managementrisiken bei Wohlfahrtsverbänden, in: Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit 1/1992: 10-19, S.16

58Vgl. IDW: Wohlfahrstverbände in Deutschland, Auf den Schultern der Schwachen, Köln 2004

59 Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e. V.(Hg.): Die Freie Wohlfahrtspflege–Profil und Leistungen. Freiburg/i.Br. 2002: 95, Grafik: Rosenski, N.: Die wirtschaftliche Bedeutung des Dritten Sek-tors, Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik, März 2012

60 Kotler,P. (1987): Marketing für Nonprofit-Organisationen. Stuttgar: 5

61 Meffert, H.: Marketing. Grundlagen der Absatzpolitik, 7. Aflg. Wiesbaden 1986: 82

62 Vgl. Kotler, Ph./Keller, K.L./Bliemel, F. (2007): Marketing-Management. Strategien für wertschaffendes Handeln, München

63 Vgl. Baumol, J.W./Bowen, G.W.: Performing Arts – The Economic Dilemma, New York 1966

64 Vgl. Beibst, G.: Dienstleistungsmarketing, FVL Studienbrief, Berlin 2000: 10

65 Vgl. Beibst 2000: 8-11

66 Vgl. Adler, R./Thiem, M. (2007): Revelanz-Phänomene und weitere Bedingungen fundamental klientenori-entierter Zufriedenheitsbefragungen in einer soziotherapeutischen Einrichtung, in: Konturen - Fachzeitschrift zu Sucht und sozialen Fragen 2/2007

67 Vgl. Adler, R.: Patientenzufriedenheit in der stationären Suchthilfe. Konzept und Realisierung der Bewoh-nerbefragung in einer soziotherapeutischen Gemeinschaft mit dem QUALITC, in: Konturen 5/2002: 28-32

68 Vgl. Zerres, Ch./Zerres, M. (2005): Handbuch Marketingcontrolling, Berlin

69 Vgl. Bruhn, M./Tilmes, J. (1994): Social Marketing, Einsatz des Marketing für nicht kommerzielle Organi-sationen, Stuttgart: 89-91

70 Vgl. Greiling, D. (2002): Begleitunterlagen zur Vorlesung „Einführung in die Ökonomik sozialer Dienstleis-tungen, WS 02/03, Universität Hohenheim

71 Esch, R. (Hg. 2005): Moderne Markenführung: Grundlagen. Innovative Ansätze. Praktische Umsetzun-gen, Wiesbaden

72 Vgl. Bruhn, M./Tilmes, J. (1994): 107-133

73 Vgl. Bruhn, M./Tilmes, J. (1994): 208-216

74 Vgl. Bruhn, M./Tilmes, J. (1994): 194-207

75 Kleinaltenkamp, M.: Dienstleistungsmarketing, Vorlesung SS03 am Institut für Marketing Universität Berlin 2003

76 Die Fundraisingakademie Frankfurt/M. stellt online viele Materialien bereit: http://www.fundraisingpraxis.-de/

77 Vgl. Haibach, M.: Handbuch Fundraising, Spenden, Sponsoring, Stiftungen in der Praxis, Frankfurt/M. 2006