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1 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Schüler, M. Wegner, H. Plessner (Hrsg.), Sportpsychologie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-56802-6_1 Einführung in die Sportpsychologie Julia Schüler, Mirko Wegner und Henning Plessner 1 1.1 Sportlerin des Jahres? – 2 1.2 Die Sportpsychologie: Definition und Gegenstandsbereich – 3 1.2.1 Beschreiben, erklären, vorhersagen und verändern – 3 1.2.2 Zentrale Definitionen – 3 1.3 Teildisziplinen der Sportpsychologie und ihre Forschungsfragen – 4 1.3.1 Differenzierung nach theoretischen Perspektiven – 4 1.3.2 Differenzierung nach Anwendungsfeldern – 6 1.4 Geschichte der Sportpsychologie – 8 1.5 Institutionalisierung der Sportpsychologie – 10 1.5.1 Fachgesellschaften – 10 1.5.2 Professuren und Ausbildung von Studierenden – 11 Literatur – 12

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© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Schüler, M. Wegner, H. Plessner (Hrsg.), Sportpsychologie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-56802-6_1

Einführung in die SportpsychologieJulia Schüler, Mirko Wegner und Henning Plessner

1

1.1 Sportlerin des Jahres? – 2

1.2 Die Sportpsychologie: Definition und Gegenstandsbereich – 31.2.1 Beschreiben, erklären, vorhersagen und verändern – 31.2.2 Zentrale Definitionen – 3

1.3 Teildisziplinen der Sportpsychologie und ihre Forschungsfragen – 4

1.3.1 Differenzierung nach theoretischen Perspektiven – 41.3.2 Differenzierung nach Anwendungsfeldern – 6

1.4 Geschichte der Sportpsychologie – 8

1.5 Institutionalisierung der Sportpsychologie – 101.5.1 Fachgesellschaften – 101.5.2 Professuren und Ausbildung von Studierenden – 11

Literatur – 12

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2 J. Schüler et al.

5 Fühlen Sie sich inspiriert durch die Fotos von Sieger-posen und angesprochen von den meist sehr starken leistungsbezogenen Worten (z. B. brillant, einzigartig, unglaublich, noch nie dagewesen, Weltrekord, Erfolgs-serie, Höchstleistung)?

5 Hören Sie förmlich das Anfeuern der Fans auf den letz-ten Metern des 100 m-Sprints?

5 Schmecken Sie noch die bittere Niederlage eines eigenen sportlichen Versagens, wenn Sie emotionale Bilder der Verlierer und Verliererinnen sehen?

5 Oder riecht Ihnen der Hochleistungssport zu sehr nach Kommerz und Sie bevorzugen eher den freizeit- und gesundheitsorientierten Sport?

Dass wir den Sport, sei es als Aktive oder als Zuschauende, mit allen Sinnen wahrnehmen und hoffentlich meist auch genießen können, lässt schon vermuten, dass es sich bei Sport um mehr als die „Aktivität größerer Muskelgruppen“ handelt. Dieses Lehrbuch soll zeigen: Wir sind mit allen psychischen Dimensionen dabei: Kognition, Emotion, Moti-vation, mit unseren Persönlichkeitseigenschaften, dem Stand unserer körperlichen Entwicklung und verzahnt mit unserer sozialen Umwelt (. Abb. 1.1).

Dieses Buch soll Ihr Interesse wecken, die psycho-logischen Aspekte des Sports genauer verstehen zu wollen. Sehr wahrscheinlich werden Sie nie Sportler oder Sport-lerin des Jahres. Nutzen Sie stattdessen dieses Buch für ein mindestens ebenso wichtiges Ziel: Verwenden Sie die gewonnenen Erkenntnisse, um sportbezogenes Verhalten besser (gemeint ist eigentlich wissenschaftlich fundiert) beschreiben, erklären und vorhersagen zu können.

Lernziele5 Den Begriff der Sportpsychologie definieren und den

Gegenstandsbereich in eigenen Worten wiedergegeben können

5 Beispiele für sportpsychologische Fragen aus den unterschiedlichen Perspektiven der Psychologie (Teildisziplinen) generieren können

5 Die wichtigsten Eckpunkte der Entwicklung der Sportpsychologie kennen

5 In eigenen Worten erklären können, warum Theorie und Praxis der Sportpsychologie miteinander verzahnt sind

5 Wissen, welche Funktion Fachgesellschaften und weitere Formen der Institutionalisierung der Sportpsychologie haben

1.1 Sportlerin des Jahres?

Schauen Sie zur Einstimmung auf dieses Buch doch mal auf die Homepage der International Association of Athletics Federation (7 https://www.iaaf.org) und werfen Sie einen Blick auf die Sportler und Sportlerinnen des Jahres oder wählen Sie die auf Deutschland bezogene „Sportler des Jah-res“- Variante (7 http://www.sportler-des-jahres.de/). Oder wählen Sie den Zugang über den Deutschen Olympischen Sportbund (7 https://www.dosb.de/de/olympia/). Gönnen Sie sich ein paar Minuten, um sich etwas durch die Welt des Hochleistungssports treiben zu lassen.5 Sehen Sie (z. B. an der Auflistung der Weltrekorde

im Weitsprung), wie ausgezeichnet Leistung in Zah-len übersetzt werden kann und so erst messbar und vergleichbar wird?

. Abb. 1.1 Den Sport mit allen Sinnen wahrnehmen. (© skynesher/Getty Images/iStock)

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3 1Einführung in die Sportpsychologie

Verändern Weiß man mehr über Ursache-Wirkungs-Be-ziehungen – also z. B. dass Teamkohäsion zu Teamleistung führt –, können Maßnahmen zur Veränderung oder Inter-ventionen abgeleitet werden. Hier werden gezielt Faktoren verändert (z. B. Teambuilding), um ein erwünschtes Ergeb-nis (z. B. höhere Teamkohäsion) zu erzielen. Komplexe Interventionsstrategien, die beispielsweise darauf abzielen, die Motivation zum Sporttreiben bei Grundschulkindern zu erhöhen, basieren häufig auf der Kombination mehre-rer Theorien (z. B. Theorien der Selbstkontrolle, Gruppen-kohäsion).

1.2.2 Zentrale Definitionen

Wir haben oben dargelegt, dass klare Definitionen die wich-tigste Voraussetzung für wissenschaftliches Vorgehen sind. Leider gestaltet sich hier die Praxis der Theoriebildung schwie-riger als der genannte einfache Grundsatz. Es gibt zahlreiche Definitionen von Sportpsychologie, die geprägt sind von ver-schiedenen theoretischen Perspektiven oder Wissenschafts-verständnissen. Wir erachten im vorliegenden Lehrbuch die folgende, relativ breit akzeptierte Definition als zielführend.

Sportpsychologie

„Die Sportpsychologie ist eine empirische Wissenschaft, die die Bedingungen, Abläufe und Folgen der psychischen Regulation sportlicher Handlungen untersucht und daraus Möglichkeiten ihrer Beeinflussung ableitet“ (Nitsch 1978, S. 6).

Aus dieser Definition ist bereits abzulesen, dass die Sport-psychologie sowohl eine grundlagenorientierte als auch eine anwendungsorientierte Wissenschaftsdisziplin dar-stellt. Sie will ihren theoretischen Erkenntnisgewinn in der Praxis anwenden.

Die Gegenstandsbestimmung der Sportpsychologie, die sich in einem amerikanischen Lehrbuch von Wein-berg und Gould (2015, S. 4) findet, entspricht im Kern der angeführten Definition, nimmt jedoch noch eine Differen-zierung in „Sport“ und „Bewegung“ vor. Der übergeordnete Begriff, der Sport und Bewegung umfasst, ist die körperliche Aktivität. Körperliche Aktivität umfasst alle Bewegungen, die durch Skelettmuskeln hervorgerufen werden und zur Verausgabung von Energie führen (USDHHS 1996).

Körperliche Aktivität

„Körperliche Aktivität umfasst alle Bewegungen, die durch Skelettmuskeln hervorgerufen werden und zur Verausgabung von Energie führen“ (USDHHS 1996).

Körperliche Aktivität umfasst also sportliche Aktivität im Sinne strukturierter körperlicher Aktivität, die sich zumeist

1.2 Die Sportpsychologie: Definition und Gegenstandsbereich

1.2.1 Beschreiben, erklären, vorhersagen und verändern

Das Ziel der Sportpsychologie ist es, menschliches Erleben und Verhalten im Kontext sportlicher Aktivität zu beschreiben, zu erklären, vorherzusagen und letztendlich auch zu verändern.

Beschreiben Die Beschreibung ist das Fundament für alles Weitere. Wie im Bauwesen muss dies auch in der Wissen-schaft sitzen, sonst ist alles darauf Aufgebaute nicht stabil. Zur Beschreibung von Phänomenen werden psychologische Begriffe verwendet, die sich mehr oder weniger mit der Alltagssprache decken. So würde man „Selbstkontrolle“ oder „Teamkohäsion“ als Laie vermutlich eher als „Willens-stärke“ oder „ein gutes Team“ bezeichnen und vermutlich etwas großzügiger damit sein, was alles hierunter zu fassen ist. Fachtermini zu vergeben setzt hingegen voraus, Sach-verhalte gründlich zu analysieren und zu ordnen. Im bes-ten Falle führt dies zu klaren Definitionen, die die weitere wissenschaftliche Handhabung vereinfachen. So wird bei-spielsweise Teamkohäsion definiert als das Bestreben einer Gruppe, vereint zu bleiben und zueinander zu halten, um gemeinsame Ziele zu erreichen und die Zufriedenheit aller Gruppenmitglieder zu gewähren (Carron et al. 1998, S. 213).

Erklären Als Nächstes gilt es, die beschriebenen Phänomene zu erklären. Warum unterscheiden sich beispielsweise Teams in ihrer Teamkohäsion? Welche Fak toren begünstigen und welche behindern sie? Die Sportpsychologie verwendet zur Beantwortung dieser Fragen Theorien, aus denen Phänomene abgeleitet werden können. Die Logik der Forschung (ein Buchtitel des Wissenschaftstheoretikers Karl Popper, 1902–1994) besteht darin, allgemeine Gesetzmäßigkeiten, z. B. über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge, widerspruchsfrei zu formulieren, dann aber zu versuchen, diese zu widerlegen. Diesem Grundsatz der Falsifikation liegt die Idee zugrunde, dass man aus Einzelfällen (z. B. durch Befragungen oder Beobachtungen in Experimenten) keine allgemeinen Gesetze ableiten kann („Man kann nicht mehr wissen, als man weiß“; Popper 1935). Hiernach gibt es auch keine allgemeingültige Erklärung eines Phänomens.

Vorhersagen Hypothesen, wie „Teambuilding-Maßnahmen erhöhen die Teamkohäsion“ oder „Eine hohe Teamkohäsion führt zu besserer Teamleistung“, sind an sich schon Vor-hersagen. Meistens decken sich diese mit den erklärenden Modellen. Hypothesen gilt es zu testen und aus den Ergeb-nissen wird abgeleitet, ob die Annahmen unter den ganz spezifischen Umständen der Datenerhebung (z. B. Alter der Studienteilnehmenden, Sportart) und unter Angabe von Irr-tumswahrscheinlichkeiten zutreffen oder nicht.

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4 J. Schüler et al.

im zweiten Teil dieses Buches. Bei dieser notwendigen Systematisierung handelt es sich jedoch um eine zu starke Vereinfachung, weil sie die enge Verwobenheit von Theo-rie, Empirie und praktischer Anwendung nicht ausdrücken kann. Unsere Empfehlung für die Nutzung dieses Lehrbuchs lautet daher: Verbinden Sie Theorie und Praxis. Sie ver-stehen die praktischen Anwendungsaspekte im zweiten Teil des Buches besser, wenn Sie auf das entsprechende theo-retische Fundament im ersten Teil des Buches bauen kön-nen. Andersherum können Sie ein tieferes Verständnis von Theorien und Modellen erlangen, wenn diese durch die Pra-xis greifbar werden.

1.3.1 Differenzierung nach theoretischen Perspektiven

Als Ordnungsprinzip der theoretischen Grundlagen der Sportpsychologie dienen Subdisziplinen der Mutter-disziplin Psychologie. Dazu zählen:5 Kognitionspsychologie5 Motivationspsychologie5 Emotionspsychologie5 Persönlichkeitspsychologie5 Entwicklungspsychologie5 Sozialpsychologie

Die Subdisziplinen unterscheiden sich in der Perspek-tive, aus der Phänomene im Sport betrachtet werden. Kognitions-, Motivations-, Emotions-, Persönlichkeits-, Entwicklungs- und Sozialpsychologen und -psychologinnen unterscheiden sich beispielsweise schon in den Fragen, die sie sich stellen, wenn sie Phänomene im Sport beobachten (7 Exkurs: Trainingsweltmeister – Der Blick aus unterschied-lichen Perspektiven).

durch eine hohe Intensität kennzeichnet (z. B. Turnen, Fuß-ball, Basketball, Leichtathletik, Fitnesssport). Zudem sind bewegungsbezogene Alltags- oder Freizeitaktivitäten ein-geschlossen, die beispielsweise im beruflichen Kontext (z. B. mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren, längere Strecken zu Fuß zurücklegen, Treppen steigen, heben, stemmen), im fami-liären und häuslichen Kontext (z. B. Gartenarbeit, spielen, klettern mit Kinder) oder bei anderen Freizeitaktivitäten (z. B. spazieren gehen, schwimmen) auftreten (. Abb. 1.2).

Auch in der Beschreibung einer europäischen Vereinigung für Sportpsychologie (FEPSAC, s. u.), was unter Sportpsycho-logie zu verstehen ist, findet sich der Terminus der körper-lichen Aktivität wieder. Die Beschreibung umfasst auch die in der allgemeinen Einführung genannten verschiedenen psychologischen Dimensionen (z. B. Motivation, Kogni-tion, Emotion, Motorik), auf denen der sportpsychologische Fokus liegen kann. Sie macht ebenfalls deutlich, dass sich die Sportpsychologie nicht nur mit wettkampforientiertem Leistungssport, sondern mit einer ganzen Bandbreite an Erscheinungsformen (z. B. gesundheitsorientiert, Sport in Ausbildungssystemen) befasst und auch nicht nur die Sport-treibenden selbst, sondern auch Personen des sportlichen Umfeldes (z. B. Trainer, Trainerin, Offizielle, Zuschauende, Eltern) zum Gegenstand ihrer Forschung macht. Detaillierte Beschreibungen des Gegenstands der Sportpsychologie kön-nen auf 7 http://www.fepsac.com/activities/position_statements/ (Zugegriffen: 16. Januar 2018) nachgelesen werden.

1.3 Teildisziplinen der Sportpsychologie und ihre Forschungsfragen

Die wohl gröbste Einteilung der Sportpsychologie ist die in ihre theoretischen Grundlagen, dargestellt im ersten Teil dieses Buches, und in ihre Anwendungsfelder, ausgeführt

. Abb. 1.2 „Körperliche Aktivität“ umfasst auch Alltagsaktivitäten wie beispielsweise das Fahren mit dem Fahrrad zur Arbeit. (© LightFieldStudios/Getty Images/iStock)

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5 1Einführung in die Sportpsychologie

Unterschiede fokussiert. Das Kapitel „Volition im Sport“ (7 Kap. 10) hebt hervor, dass Sport häufig auch Selbst-kontrolle und weitere willentliche Prozesse erfordert.

Die Emotionspsychologie befasst sich mit der Beschreibung, Erklärung, Vorhersage und Veränderung von Emotionen, Gefühlen, Affekten und Stimmungen. In zwei Kapiteln werden die Grundlagen von Emotion und Stimmung (7 Kap. 11) und die für den Sport hochrelevante Emotion Angst (7 Kap. 12) behandelt.

Im Teil „Persönlichkeit und Entwicklung“ kommen Grundannahmen der Persönlichkeitspsychologie und der Entwicklungspsychologie zur Geltung. Der Gegenstands-bereich der Persönlichkeitspsychologie sind Unterschiede zwischen Personen im Hinblick auf verschiedene psychische Funktionen und Fähigkeiten. Die Entwicklungspsychologie befasst sich mit Veränderungen menschlichen Erlebens und Verhaltens über die Lebensspanne.

In 7 Kap. 13, „Person-Situations-Interaktion“, wird berück-sichtigt, dass weder Personen mit ihren Merkmalen und Fähig-keiten noch Merkmale der Umwelt für sich allein genommen menschliches Verhalten und Erleben bestimmen, sondern dass Person und Situation in einer komplexen Wechsel-beziehung zueinander stehen. In „Persönlichkeitsentwicklung durch Sport“ (7 Kap. 14) wird dargelegt, dass sich bestimmte Persönlichkeitseigenschaften (z. B. das Selbstkonzept) im Kon-text Sport ausformen oder verändern können. Das 7 Kap. 15, „Sport über die Lebensspanne“, erläutert zum Ende dieses Themenblocks, ob, wie und warum sich Sportverhalten vom Kindes- bis ins hohe Erwachsenenalter verändert.

Die genannten Subdisziplinen verzweigen sich wiede-rum in verschiedene, teilweise recht heterogene Themen-felder. Zur Illustration dieser Themen werden im Folgenden die Unterkapitel in diesem Lehrbuch kurz angeführt.

Die Kognitionspsychologie befasst sich mit der Informationsverarbeitung, genauer gesagt mit Zuständen und Prozessen, die von der Aufnahme von Reizen bis hin zum Erleben und Verhalten angesiedelt sind. In diesem Lehrbuch werden die zentralen kognitiven Prozesse „Wahr-nehmung und Aufmerksamkeit“ (7 Kap. 2), „Lernen und Gedächtnis“ (7 Kap. 3) und „Urteilen und Entscheiden“ (7 Kap. 5) näher ausgeführt. Zudem ist mit den Kapiteln „Neurokognition (Schnittstelle zwischen Neurobiologie und Kognitive Psychologie) und Bewegung“ (7 Kap. 4) sowie „Embodied Cognition“ (Wechselspiel zwischen Körper und Kognition; 7 Kap. 6) Raum für Themen gegeben, die sich in den letzten Jahren in der sportpsychologischen Forschung rasant entwickelt haben.

Die Motivationspsychologie fragt nach den Beweg-gründen für Verhalten. Genauer gesagt befasst sie sich mit zielgerichtetem Verhalten, seiner Richtung, Intensität und Ausdauer. Die Kapitel beschreiben „Motivation und Ziele“ (7 Kap. 7) und unterscheiden mit intrinsischer und ext-rinsischer Motivation (7 Kap. 8) zwei Subformen. Wäh-rend diese Inhaltsbereiche der Allgemeinen Psychologie zugeordnet werden, also allgemeine Gesetzmäßigkeiten zu erklären und vorherzusagen versuchen, basiert das Kapitel „Implizite Motive im Sport“ (7 Kap. 9) auf einer differential-psychologischen Sichtweise, indem es auf interindividuelle

Exkurs

Trainingsweltmeister – Der Blick aus unterschiedlichen Perspektiven

Ein Phänomen, anhand dessen die Unterschiedlichkeit der Perspektiven der psychologischen Subdisziplinen illustriert werden soll, ist das des Trainingswelt-meisters oder der Trainingsweltmeisterin. Hierbei handelt es sich um Personen, die ihre sehr guten Leistungen im Training im Wettkampf, also eigentlich genau dann, wenn es darauf ankommt, nicht abrufen können. Welche Fragen würden wohl Vertreter und Vertreterinnen der verschiedenen Disziplinen hierzu als Erstes einfallen?

Kognitionspsychologie: Der Fokus der Kognitionspsychologie liegt auf Prozessen der Informationsverarbeitung.5 Werden Informationen in der

Wettkampfsituation schlechter verarbeitet? Können beispielsweise notwendige Wissensinhalte nicht abgerufen werden? Wie wird die Situation wahrgenommen und bewertet?

Motivationspsychologie: Der Fokus der Motivationspsychologie liegt auf

der Analyse der Zielgerichtetheit von Verhalten.5 Macht Vermeidungsmotivation

(Bloß nicht versagen!) der echten Weltmeisterschaft einen Strich durch die Rechnung? Oder hemmen unrealistische Zielsetzungen die Leistung im Wettkampf (zu leichte oder zu schwere Ziele)?

Emotionspsychologie: Der Fokus der Emotionspsychologie liegt auf der Entstehung und Wirkung von Emotionen und Emotionsregulation.5 Sind Emotionen, z. B. die

Wettkampfangst, die Ursache des Phänomens Trainingswelt-meisterschaft?

Persönlichkeitspsychologie: Der Fokus der Persönlichkeitspsychologie liegt auf stabilen Merkmalen einer Person und Unterschieden zwischen Personen.5 Welche Persönlichkeitsmerkmale

kennzeichnen Trainingsweltmeister und Trainingsweltmeisterinnen

und was unterscheidet diese von Athleten und Athletinnen, denen es gelingt, ihre (Best-)Leistungen im Wettkampf abzurufen?

Entwicklungspsychologie: Der Fokus der Entwicklungspsychologie liegt auf der Betrachtung von Entwicklungs- und Veränderungsprozessen über die Lebensspanne.5 Gibt es Altersstufen, in denen soziale

Vergleichsprozesse besonders relevant und identitätsstiftend sind? Ist die Trainingsweltmeisterschaft altersgebunden?

Sozialpsychologie: Der Fokus der Sozialpsychologie liegt auf der Person in ihrer Interaktion mit der sozialen Umwelt.5 Unter welchen Umständen führt die

Anwesenheit anderer Personen (z. B. Konkurrenten, Zuschauer) zu Leistungseinbußen und wann trägt sie zur Leistungssteigerung bei?

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6 J. Schüler et al.

und damit einhergehenden gesundheitsschädigenden Folgen entgegengewirkt werden? Welche psychischen Leistungsanforderungen müssen unsere Spitzensport-treibenden bei Olympischen Spielen meistern und wie schulen wir diese?

1.3.2 Differenzierung nach Anwendungsfeldern

Neben der Differenzierung der Sportpsychologie nach theoretischen Perspektiven kann auch nach unterschied-lichen Anwendungsfeldern der Sportpsychologie differen-ziert werden. Die Anwendung der Sportpsychologie muss, um nicht willkürlich und laienhaft zu sein, auf empirisch geprüften psychologischen Theorien basieren. Gute sport-psychologische Praxis stellt und beantwortet ihre Fragen also auf der Basis von Forschungsperspektiven der oben skizzierten psychologischen Subtheorien (s. hierzu auch Selbstreflexion). Eigentlich sind somit die in diesem Buch behandelten Anwendungsfelder „Sport und Leistung“ und „Sport und Gesundheit“ nicht von den theoretischen Grundlagen zu trennen. Diesen Sachverhalt soll . Tab. 1.1 verdeutlichen.

In „Leistungssport“ beschreiben wir, wie Prozesse der „Selbstregulation im Leistungssport“ (7 Kap. 19) und „Kog-nitives Training“ (7 Kap. 20) aussehen und gelingen können. „Gruppendynamik und Teambuilding im Sport“ (7 Kap. 21) sind beispielsweise für Mannschaftssportarten hochrelevant und „Talentauswahl und -entwicklung im Sport“ (7 Kap. 22) sind weitere zentrale Themen im Leistungssport.

In „Gesundheit“ betrachten wir das Zusammenwirken von Sport und verschiedenen Facetten der psychischen und physischen Gesundheit. In 7 Kap. 23 werden Modelle zur Erklärung von Gesundheitsverhalten beschrieben. 7 Kap. 24 handelt von „Sport, Wohlbefinden und psychi-scher Gesundheit“, 7 Kap. 25 thematisiert „Sport, Stress und Gesundheit“ und 7 Kap. 26 eruiert Sport im Zusammen-hang mit „Krankheit und Verletzungen“.

Die meisten Kapitel dieses Lehrbuchs ermöglichen dar-über hinaus einen starken Anwendungsbezug zum Kontext Schule. Das Handeln von Lehrpersonen beinhaltet bei-spielsweise Fragen danach, wie Schülerinnen und Schüler motiviert werden können (Motivation), wie sie dabei unter-stützt werden können, mit Wut, Enttäuschung und Angst im Sportunterricht umzugehen (Emotionen) oder wie ein positives Klassenklima erzeugt werden kann (soziale Pro-zesse). Die Autorinnen und Autoren dieses Lehrbuchs ziehen deshalb immer wieder Beispiele aus dem Sportunter-richt heran. Die Lesenden dieses Lehrbuchs mit Schulbezug sind darüber hinaus eingeladen, eigene Anwendungsbei-spiele in der Schule mitzudenken.

Unter der Überschrift „Soziale Prozesse“ finden sich Theo-rien und Modelle, die überwiegend aus der Sozialpsycho-logie stammen. Deren Gegenstandsbereich ist die Analyse von Erleben und Verhalten in sozialen Kontexten. 7 Kap. 16, „Sozialer Einfluss“, erläutert, welchen Einfluss die Gegen-wart anderer Personen im Kontext Sport hat, sowie ob und unter welchen Bedingungen andere die eigene sportliche Leistung begünstigen oder dieser abträglich sind. Des Weite-ren wurden aus der Vielfalt der hochinteressanten Themen-felder der Sozialpsychologie die Themen „Gruppenleistungen“ (7 Kap. 17) und „Interaktion und Kommunikation“ (7 Kap. 18) aufgrund ihrer hohen Relevanz für den Sport ausgewählt.

Unsere Ausführungen mögen den Eindruck erwecken, dass Forschungsfragen immer klar und eindeutig Teil-disziplinen und Themengebieten zuzuordnen sind. Natür-lich sind genauso häufig die Grenzen fließend. Die Fragen und Phänomene überlappen also Teildisziplinen. Fragen wie „Wie kann körperliche Aktivität im Kindes- und Jugend-alter gefördert werden?“ sind Querschnittsfragen, zu denen Vertreter und Vertreterinnen mehrerer Subdisziplinen bedeutende Beiträge liefern können. Forschende ziehen daher bestenfalls erklärende Konstrukte aus verschiedenen Disziplinen und deren Zusammenwirken in Betracht, wohl wissend, dass auch die Zuordnungskategorien Kognition, Motivation, Emotion, Persönlichkeit, Entwicklung und Soziale Prozesse eben „nur“ hypothetische Konstrukte sind. Diese Kategorien sind Systematisierungsversuche mit dem Ziel der Vereinfachung komplexer Zustände und Prozesse.

Reflexion

Woher stammen eigentlich die Fragen, die sich die Subdisziplinen der Sportpsychologie stellen?Ein Teil der Fragen stammt aus der Forschung. Forschung gibt Antworten, generiert aber auch Fragen. Erwartete und unerwartete Studienergebnisse sind die Grundbausteine für optimierte zukünftige Forschungsfragen, Untersuchungsmethoden, Hypothesenformulierungen und Prüfungen.Viele Fragen können erst angegangen werden, wenn die Messinstrumente zu deren Beantwortung zur Verfügung stehen. So erweitert sich der theoretische Fokus beispielsweise aufgrund neuer Möglichkeiten der Messung. So können Selbstkontrollprozesse durch bildgebende Verfahren die Entwicklung eines guten Fragebogens macht plötzlich die Erfassung einer Variable sehr einfach, bewährte Studienparadigmen verbreiten sich, Datenverarbeitungsprogramme werden zugänglich und anwendungsfreundlicher.Ein Teil der Fragen entspringt auch praktischen Problemstellungen aus den Anwendungsfeldern der Sportpsychologie und betrifft häufig übergeordnete gesellschaftlich relevante Fragen. Beispiele hierfür sind: Wie kann einem körperlich inaktiven Lebensstil

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7 1Einführung in die Sportpsychologie

dieser Quelle ging das bekannte Zitat hervor: „Nichts ist praktischer als eine gute Theorie.“Bitte beantworten Sie für sich: Warum fußt professionelle sportpsychologische Beratung (z. B. von Spitzensporttreibenden oder Personal Coaches im Gesundheitsbereich) auf Theorie und gesicherten empirischen Befunden? Warum brauchen wir „Theorie“?Lewins Aussage richtet allerdings auch einen Vorwurf an die Theoretiker und Theoretikerinnen, die mit intellektueller Überheblichkeit oder ängstlich die Probleme in der Praxis ignorieren. Dabei gilt – Lewins Zitat umformuliert – doch genauso, dass nichts „theoretischer“ ist als die Praxis. Langjährige Erfahrungen und Beobachtungen in der Praxis sind verdichtete Empirie, die in Gesetzmäßigkeiten ausgedrückt werden könnten. Denken Sie an Best-Practice-Beispiele aus der Industrie, also an Methoden oder Vorgehensweisen, die sich in der Praxis bewährt und gegenüber anderen als eine Art „De-facto-Standard“ durchgesetzt haben. Die „Daten“ liegen hier sozusagen schon vor, nur eben ungeordnet und nicht dokumentiert. Die Formalisierung einiger Best-Practice-Beispiele könnte zu gewinnbringenden Hypothesen führen, die nach weiterer empirischer Unterstützung in Theorien münden könnten.

Reflexion

Was soll der Hype um „Theorie“?Sie haben nun wirklich genug von der ganzen Theorie und wollen endlich in die Praxis!? Sind Erfahrungen in der Praxis nicht viel wichtiger für die Erklärung und Behandlung von Problemen? Theorie lässt sich ja doch häufig nicht in die Praxis umsetzen!Kurt Lewin (1890–1947), einer der beeindruckenden Pioniere der Psychologie und Begründer der experimentellen Sozialpsychologie und Gestaltpsychologe, beantwortete diese Fragen mit einem klaren Statement. Er erkannte und benannte die mangelnde gegenseitige Berücksichtigung von Theorie und Praxis als schwerwiegendes Problem. In seinem 1951 erschienenen Paper „Problems of research in social psychology“ konstatierte er: „Many psychologists working today in an applied field are keenly aware of the need for close cooperation between theoretical and applied psychology. This can be accomplished in psychology, as it has been accomplished in physics, if the theorist does not look toward applied problems with highbrow aversion or with fear of social problems, and if the applied psychologist realizes that there is nothing so practical as a good theory“ (Lewin 1951, S. 169). Aus

. Tab. 1.1 Anwendungsfelder und theoretische Verankerungen

Anwendungsfelder

Leistungssport Gesundheit

Kognition Wie lassen sich Schiedsrichterentscheidungen verbessern?7 Kap. 2 (Wahrnehmung und Aufmerksamkeit), 7 Kap. 5 (Urteilen und Entscheiden)

Wie kann mentales Training helfen, dauerhaft an einem Gesundheitssportkurs teilzunehmen?7 Kap. 20 (Kognitives Training)

Motivation Ist ein starkes Leistungsmotiv das Geheimnis des Erfolges?7 Kap. 7 (Motivation und Ziele), 7 Kap. 9 (Implizite Motive im Sport)

Wie lässt sich der Sportmuffel zur Bewegung motivieren?7 Kap. 8 (Intrinsische Motivation), 7 Kap. 15 (Körper-liche Aktivität über die Lebensspanne), 7 Kap. 24 (Sport, Wohlbefinden und psychische Gesundheit)

Emotion Welche Emotionen sind für Höchstleistungen förderlich und welche hinderlich?7 Kap. 11 (Emotionen im Sport), 7 Kap. 12 (Angst im Sport)

Tragen positive Emotionen zur Aufrechterhaltung des Sporttreibens bei?7 Kap. 11 (Emotionen im Sport), 7 Kap. 15 (Körper-liche Aktivität über die Lebensspanne), 7 Kap. 24 (Sport, Wohlbefinden und psychische Gesundheit)

Persönlich-keit

Zeichnen sich Topathletinnen und Topathleten durch besondere Persönlichkeitseigenschaften aus? 7 Kap. 13 (Person, Situation und Person-Situation-Interaktion), 7 Kap. 14 (Persönlichkeitsentwicklung durch Sport), 7 Kap. 22 (Talentauswahl und -entwicklung im Sport)

Verbessert Sporttreiben das Selbstkonzept von Schülern und Schülerinnen?7 Kap. 13 (Person, Situation und Person-Situation- Interaktion), 7 Kap. 14 (Persönlichkeitsentwicklung durch Sport), 7 Kap. 22 (Talentauswahl und -entwicklung im Sport)

Entwicklung Welche Faktoren sind für Talentauswahl und Talententwicklung wichtig?7 Kap. 22 (Talentauswahl und -entwicklung im Sport)

Sagt das Sport- und Bewegungsverhalten im Kindesalter die sportliche Aktivität im Erwachsenalter vorher?7 Kap. 14 (Persönlichkeitsentwicklung durch Sport), 7 Kap. 15 (Körperliche Aktivität über die Lebensspanne)

Soziale Prozesse

Welches Teamklima führt zu Höchstleistung?7 Kap. 17 (Gruppenleistungen), 7 Kap. 18 (Interaktion und Kommunikation)

Trägt soziale Unterstützung zu gesundem Sportverhalten bei?7 Kap. 17 (Gruppenleistungen), 7 Kap. 25 (Sport, Stress und Gesundheit)

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8 J. Schüler et al.

Soweit bekannt, wurde der Begriff „Sportpsychologie“ erstmalig von Pierre de Coubertin um die vorletzte Jahr-hundertwende (Coubertin 1900) gezielt verwendet. Couber-tin war, inspiriert durch die Olympischen Spiele der Antike, maßgeblich an der Initiierung der Olympischen Spiele der Neuzeit beteiligt, war Gründer des Internationalen Olym-pischen Komitees (1894) und hat erkannt, dass für die phy-sische Leistungsentwicklung im Sinne von „Citius, altius, fortius“ (Motto der Olympischen Spiele; lat. für schneller, höher, stärker) psychologische Faktoren eine entscheidende Rolle spielen.

Der Beginn der europäischen sportpsychologischen Forschung ist durch ein starkes Interesse an sportpsycho-logischen Themenfeldern von Schülern Wilhelm Wundts, dem Gründer des ersten Experimentellen Instituts für Psychologie (Universität Leipzig, 1879), gekennzeichnet. Von Edward Wheeler Scripture beispielsweise stammen laborexperimentelle Studien (z. B. Scripture 1894) zur Fragestellung, ob Fechter sich in ihren Reaktionszeiten („mentale Schnelligkeit“) und Bewegungszeiten (Aus-führungsgeschwindigkeit von Bewegungen) von anderen Personengruppen unterscheiden. Ein weiteres der ersten veröffentlichten Experimente aus den Geburtsstunden der Experimentellen Psychologie stammt von Norman Triplett (1861–1934) und behandelt die Fragestellung, ob und unter welchen Umständen die Anwesenheit anderer die sportliche Leistung verbessert (7 Methoden: The Competition Machine).Ebenfalls beeinflusst von Wundt, vor allem über dessen Schüler Hugo Münsterberg, gründete Robert Werner

Suchen Sie Beispiele dafür, warum Theorie und Praxis ein gutes Paar sind. Warum kommt die Eine nicht ohne die Andere aus, auch wenn sie sich häufig streiten?

1.4 Geschichte der Sportpsychologie

Die Dynamik und Geschwindigkeit der Entwicklung einer jungen Wissenschaftsdisziplin wie der Sportpsychologie (Anfänge etwa Ende des 19. Jahrhunderts) werden durch einen hoch komplexen Kontext bestehend unter anderem aus gesellschaftlichen Werten (z. B. Wertigkeit des Sports) und Problemstellungen (z. B. körperliche Aktivität als Methode, um Übergewicht bei Kindern zu verhindern), wirtschaftlichen Gegebenheiten (z. B. finanzielle Förderung des Sports), Neuerungen in verwandten Wissenschafts-disziplinen (z. B. Beitrag der psychologischen Grund-lagendisziplinen; Neurowissenschaften) und technischen Entwicklungen (z. B. höhere Reliabilität von bestehenden Messinstrumenten und Hinzugewinnung neuer valider Ins-trumente) bestimmt. Die Interaktionen sind komplex und die Einzelbeiträge sind wohl kaum sauber herauszulösen.

Wir betrachten daher im Folgenden die Geschichte der Sportpsychologie eher punktuell und heben Meilensteine her-vor. Für Interessierte der vergangenen Entwicklungsgeschichte sei auf detailliertere Beschreibungen verwiesen (Bäumler 2009; Kornspan 2009).

Methoden: The Competition MachineDie Inspiration zu seiner Studienserie gewann Norman Triplett aus der Analyse offizieller Aufzeichnungen der Fahrzeiten in der Radsaison 1897, die er in seinem Artikel The dynamogenic factors in pacemaking and competition im Jahre 1898 im American Journal of Psychology publizierte. Triplett fiel auf, dass die Fahrzeiten meistens besser waren, wenn das Rennen mit Konkurrenten gefahren wurde, als wenn die Radrennfahrer nur gegen die Zeit antraten. Diese Beobachtung setzte Triplett in einem Experiment um, dessen Ergebnisse im Kern seine Beobachtungen stützen. Für die Untersuchung seiner Fragestellung entwickelte Triplett eine „Competition Machine“, die es ermöglichte, in einem laborexperimentellen Setting zwei Personen gegeneinander oder alleine fahren zu lassen und deren Leistung exakt zu registrieren (. Abb. 1.3).Triplett erläuterte die Funktion der Competition Machine wie folgt:

„Die Apparatur für die Studie bestand aus zwei Angelspulen, deren Kurbeln sich in einem Durchmesser von etwa 4,5 cm drehten. Sie waren auf einer Y-förmigen Rahmenkonstruktion auf einem schweren Tisch gespannt, wie in der Skizze illustriert. Die Seiten dieser Rahmenkonstruktion befanden sich ausreichend weit auseinander, so dass zwei Personen ermöglicht werden konnte, nebeneinander zu drehen. Bänder aus gedrehten Seidenfäden liefen entlang gut lackierter Spulen und wurden zwei Meter entfernt bei C und D durch Seilrollen geführt. Die Aufzeichnungen wurden für die Strecke von A nach D vorgenommen. Die Strecke B nach C wurde lediglich für die Temposteuerung und Wettkampfbedingungen verwendet. Das Rad an der Seite, mit dem die Aufzeichnungen vorgenommen wurden, übermittelte

die vollzogenen Bewegungen an einen Rekorder, bei dem ein Stift eine Kurve auf die Trommel eines Kymographen zeichnete. Die Richtung der Kurve entsprach der Frequenz der Umdrehungen – je größer die Geschwindigkeit war, desto kürzer und geradliniger war die resultierende Linie“ (Triplett 1898; Übersetzung durch die Autoren und die Autorin).

Tripletts Studie war komplexer als hier skizziert (so untersuchte er beispielsweise zusätzlich die Radfahrleistung mit und ohne Tempomacher), als grobe Kernaussage kann aber festgehalten werden, dass die Anwesenheit anderer Personen die Leistung bei einer motorischen Aufgabe steigerte. Dieses Phänomen hat unter dem Begriff der sozialen Erleichterung (engl.: social facilitation) zahlreiche sozialpsycho-logische Studien nach sich gezogen.

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9 1Einführung in die Sportpsychologie

survey for athletes and coaches (Griffith 1928), in denen er seine Erfahrungen mit professionellen Sportteams wissen-schaftlich zu erklären und wissenschaftliche Erkenntnisse für die Praxis zu nutzen versuchte. Griffith arbeitete ab 1938 für die Chicago CUBS (Chicago Cubs Baseball Club), stieß aber mit seiner psychologischen Betrachtungsweise sport-licher Leistung auf einigen Widerstand (s. Green 2003). Die Wertigkeit, die Griffith psychischen Vorgängen für sportliche Höchstleistungen und deren gesellschaftliche Konsequenzen zumisst, kommt in dem folgenden Zitat zum Ausdruck.

» Je mehr im sportlichen Wettstreit vom Geiste Gebrauch gemacht wird, desto größer wird das Können unserer Sporttreibenden sein, desto ausgezeichneter wird der Wettkampf, desto stärker werden die Ideale des Sportsgeistes, desto länger werden unsere Spiele landesweit in unserem Leben bestehen, und desto wahrhaftiger werden sie zu solchen reichen persönlichen und sozialen Effekten führen, die ihnen zugeschrieben werden (Griffith 1925, S. 193, Übersetzung durch die Autoren und der Autorin).

Schulte (1897–1933) im Jahre 1920 das erste sportpsycho-logische Laboratorium an der neu gegründeten Deut-schen Hochschule für Leibesübungen in Berlin und hielt als Dozent für Psychologie und Pädagogik Vorlesungen in Sportpsychologie. Dies war der Beginn der Institutionali-sierung der Sportpsychologie in Deutschland. Schulte pub-lizierte Leib und Seele im Sport (1921; zitiert nach Bäumler 2009) und seine Bestrebungen, psychotechnische und medi-zinische Prüfapparate zu entwickeln, fanden unter anderem Ausdruck in der Veröffentlichung Eignungs- und Leistungs-prüfung im Sport (1925; zitiert nach Bäumler 2009).

International lässt sich der Beginn der Institutionalisie-rung der Sportpsychologie in einem ähnlichen Zeit rahmen bestimmen (7 Exkurs: Sportpsychologie – Ein internationales Faszinosum). So wurde 1925 das erste amerikanische Forschungsinstitut für den Leistungssport (Athletic Research Laboratory, University of Illinois at Urbana-Champaign) gegründet. Diese Gründung durch Coleman R. Griffith (1893–1966) gilt als Geburt der amerikanischen Sportpsychologie. Kurz darauf publizierte Griffith die Bücher Psychology of Coa-ching (Griffith 1926) und Psychology of Athletics: A general

COMPETITION MACHINE

a

b

c

d

. Abb. 1.3 Tripletts Competition Machine. (Adaptiert aus Triplett 1898)

Exkurs

Sportpsychologie – Ein internationales Faszinosum

Dorothee Alfermann (geb. 1949), langjährige Professorin für Sportpsychologie an der Universität Leipzig, gilt als erfahrene Kennerin und Gestalterin der Wissenschaftsdisziplin Sportpsychologie. In einem Vortrag (im Rahmen ihres Ausscheidens als Hochschul-lehrerin) mit dem Titel „Faszinosum Sportpsychologie – Zur Identität einer Wissenschaftsdisziplin im internationalen Kontext“ auf der Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie (asp) in Münster im Jahr 2016 blickte sie

auf die Entwicklung der Sportpsychologie zurück. In diesem Vortrag hob Alfermann vor allem die zunehmend beschleunigte Internationalisierung der Sportpsychologie in den vergangenen zwei Jahrzehnten hervor, die sie unter anderem an den folgenden fünf Indikatoren festmachte (die Erläuterungen stammen von den Autoren und der Autorin des vorliegenden Kapitels):1. Gemeinsame Wissenschaftssprache Erläuterung: Das Publizieren in einer

gemeinsamen Sprache (Englisch)

ermöglicht den Austausch und die Verbreitung von Forschungs-erkenntnissen (z. B. Befunde, Methoden) und lädt länderüber-greifend zu kritischen Auseinander-setzungen und Weiterentwicklungen ein.

2. Steigender Anteil von Beiträgen deutschsprachiger Autoren in internationalen Zeitschriften

Erläuterung: Der prozentuale Anteil von Beiträgen deutschsprachiger Autoren und Autorinnen in

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10 J. Schüler et al.

1.5 Institutionalisierung der Sportpsychologie

1.5.1 Fachgesellschaften

Ein Indikator dafür, wie gut eine Wissenschaftsdisziplin etabliert ist, ist ihr Institutionalisierungsgrad. Ein Beispiel für die Institutionalisierung der Sportpsychologie ist der Zusammenschluss von in der Sportpsychologie Tätigen in Dachverbänden und Fachgesellschaften, die ihre Interes-sen in Wissenschaft und Anwendung vertreten. Zu ihren Aufgaben zählen beispielsweise die Organisation von Fach-tagungen, die Qualitätssicherung von Ausbildungscurricula, die Formulierung berufsethischer Rahmenrichtlinien, die Nachwuchsförderung, das Bereitstellen von Informations-portalen und die Öffentlichkeitsarbeit.

> Fachgesellschaften für Sportpsychologie in Deutschland sind beispielsweise die Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie (asp) und die Fachgruppe Sportpsychologie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs). Die Sportpsychologie ist auch im Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) mit Sportpsychologie für den Spitzensport verankert.

Die 1969 gegründete Arbeitsgemeinschaft für Sportpsycho-logie (asp; 7 https://www.asp-sportpsychologie.org/) vertritt die Sportpsychologie in und außerhalb der Universitäten und zielt auf die „Förderung und Weiterentwicklung der Sportpsycho-logie in Forschung, Lehre und in den Anwendungsfeldern des

internationalen Zeitschriften ist, so Alfermann, in relativ kurzer Zeit angestiegen und macht mittlerweile einen relativ großen Anteil (weltweit betrachtet) aus. Am Beispiel der Journals Psychology of Sport and Exercise (PSE) und Journal of Sport and Exercise Psychology (JSEP) stieg der Anteil der Beiträge deutschsprachiger Autoren und Autorinnen von 3,1 % (JSEP) bzw. 5,3 % (PSE) im Zeitraum von 2000–2005 auf 10,3 % (JSEP) bzw. 7,3 % (PSE) im Zeitraum von 2010–2015 an.

3. Impact Factor (IF) Erläuterung: Eine weitere Rolle für

die Internationalisierung spielt die große Bedeutung, die die Wissenschaftsgemeinschaft dem Impact Factor einer Zeitschrift beimisst. Der Journal Impact Factor ist eine Kennzahl, die anzeigt, wie häufig ein in einer Zeitschrift veröffentlichter Artikel in anderen wissenschaftlichen Artikeln durchschnittlich zitiert

wird. Er wird, obwohl sehr kritisch diskutiert, häufig zur Bewertung von Forschungsleistungen herangezogen. Eine Publikation in deutschsprachigen Zeitschriften, die wegen ihrer kleineren (nur deutschsprachigen) Leserschaft nur einen niedrigen IF erreichen kann, wird aus diesem Grund weniger wahrgenommen als eine Publikation in englischsprachigen Journals, die rein aufgrund der Sprache mehr Personen zugänglich ist und so häufiger zitiert werden kann.

4. International zusammengesetzte Arbeitsgruppen

Erläuterung: Der Trend zu international zusammengesetzten Arbeitsgruppen ist nicht spezifisch für die Sportpsychologie, sondern findet sich in den meisten Wissenschafts-disziplinen. Bei einer Analyse von 19,9 Mio. Zeitschriftenartikeln über fünf Jahrzehnte hinweg zeigte sich, dass internationale Teams erfolgreicher bei der Wissensgenerierung, gemessen

an der Häufigkeit der Zitationen ihrer Paper und dem Impact Factor der Zeitschriften (s. u.), sind als Alleinautoren (Wuchty et al. 2007). Dies mag unter anderem an der höheren Expertise und Vernetzung internationaler Arbeitsgruppen liegen.

5. Englischsprachige internationale Studiengänge

Erläuterung: Die Zahl der englischsprachigen internationalen Studiengänge in der Sportpsychologie und Sportwissenschaft steigt an. Dies ermöglicht, Studierende aus anderen, nicht-deutsch-sprachigen Ländern aufzunehmen und Heterogenität in Lehre und Forschung zu fördern. Zudem erleichtern internationale Studiengänge die spätere berufliche Etablierung in Forschung (z. B. PhD) und Praxis (z. B. Diagnostik und Interventionen in der Rehabilitation, Coaching) auch über Landesgrenzen hinweg.

Leistungs-, Breiten- und Gesundheitssports“ ab (7 https://www.asp-sportpsychologie.org/content.php?cont=168). Sie bie-tet Ausbildungscurricula für den Leistungs- und Gesund-heitssport an und richtet Jahrestagungen aus. Bezogen auf die Forschung bietet die asp Methodenfortbildungen an und för-dert den wissenschaftlichen Nachwuchs durch die Verleihung des Karl-Feige-Preises und des asp-Studienpreises. Bezogen auf die Praxis bietet die asp eine Informationsplattform für Traine-rinnen und Trainer sowie für Athletinnen und Athleten sowie ein Informationsangebot für Journalistinnen und Journalisten. Die Zeitschrift für Sportpsychologie (7 https://www.hogrefe.de/produkte/zeitschriften/zeitschrift-fuer-sportpsychologie/), 1987 als erste deutschsprachige Fachzeitschrift für Sportpsychologie gegründet, ist Organ der asp und der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs).

Die Fachgruppe Sportpsychologie der DGPs (7 https://www.dgps.de/index.php?id=2001098) wurde im Jahr 2015 gegründet und ist explizit eine Wissenschaftsvereinigung. Sie vergibt unter anderem alle zwei Jahre einen Nachwuchs-preis für theoretische Entwicklungen in der sportpsycho-logischen Forschung (erstmalig 2018).

Die Fachgruppe Sportpsychologie in der Sektion Wirtschaftspsychologie des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP; 7 http://www.wirt-schaftspsychologie-bdp.de/fachgruppen/sportpsychologie/) existiert seit 2012 und hat vor allem die Interessen der in der Praxis tätigen Sportpsychologen und Sportpsycho-loginnen auf der Agenda.

Das Bundesamt für Sportwissenschaft (BISp; 7 https://www.bisp.de) hat die Aufgabe, „Forschungsbedarf zu

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11 1Einführung in die Sportpsychologie

Arbeit in Europa. Sie will Informationen bereitstellen, Kooperationen fördern und den Forschungsnachwuchs unterstützen. Die FEPSAC publiziert seit 2000 das inter-national anerkannte Journal Psychology of Sport and Exercise sowie Bücher und Newsletter und richtet ihren Hauptkongress im Zweijahresturnus aus. Durch die Ver-gabe von Ehrenmitgliedschaften und Stellungnahmen zu übergeordneten und aktuellen Themen (z. B. Ethikricht-linien, Doping) versucht sie zudem Wertesysteme inner-halb der Sportpsychologie abzubilden.

Die International Society of Sport Psychology (ISSP) ist eine multidisziplinäre Organisation, die Forschung zu menschlichem Verhalten im Bereich Sport, im Bereich körperliche Aktivität und in Gesundheitssettings anregen und fördern will (7 https://www.issponline.org/). Zu ihren Mitgliedern zählen Vertreterinnen und Vertreter aus Psychologie und Pädagogik, Leistungssporttreibende sowie Trainerinnen und Trainer. Die ISSP hat sich die Verbreitung von Wissen durch Kongresse (vierjährig stattfindend) und Newsletter zur Aufgabe gemacht und zielt ganz explizit auf die Qualitätsverbesserung in der Forschung und in den Anwendungsfeldern der Sportpsychologie ab. Die ISSP wurde 1965 gegründet. Im gleichen Jahr richtete der ita-lienische Sportpsychologe Ferruccio Antonelli den ersten Weltkongress für Sportpsychologie in Rom aus. Das offi-zielle Journal der ISSP ist das fünf Jahre später gegründete International Journal of Sport and Exercise Psychology (IJSEP, seit 1970).

Die Gründung der North American Society of Psycho-logy of Sport and Physical Activity (NASPSPA; 7 https://www.naspspa.com/) erfolgte im Jahr 1967. Ihre offiziellen Zeitschriften sind das Journal of Sport and Exercise Psy-chology (JSEP) und das Journal of Motor Learning and Development (JMLD). Die Leitlinien (Mission Statement) der NASPSPA fokussieren auf die Entwicklung und Opti-mierung wissenschaftlicher Untersuchungen von Sportver-halten und körperlicher Aktivität, die Bereitstellung und Verbreitung von Informationen sowie die kontinuierliche Qualitätsverbesserung in Forschung und Lehre in der Sport-psychologie im Allgemeinen sowie der motorischen Ent-wicklung und dem motorischen Lernen im Besonderen.

Ganz explizit auf die Anwendung von Sportpsychologie bezogen ist die Association of Applied Sport Psychology (AASP), die von ihrer Gründung im Jahr 1986 bis zum Jahr 2007 American Association for the Advancement of Applied Sport Psychology (AAASP) hieß. Journals für angewandte Sportpsychologie, die von dieser Fachgesellschaft angeregt wurden, sind The Sport Psychologist (seit 1986) und das Journal of Applied Sport Psychology (seit 1989).

1.5.2 Professuren und Ausbildung von Studierenden

Wie gut eine Disziplin etabliert ist, zeigt sich neben dem Zusammenschluss in Fachgesellschaften auch in anderen Merkmalen der Institutionalisierung, beispielsweise in der

ermitteln und Forschungsvorhaben auf dem Gebiet des Sports (Ressortforschung) zu initiieren, zu fördern und zu koordinieren, die Forschungsergebnisse auszuwerten und den Transfer der Forschungsergebnisse in die Praxis in Zusammenarbeit mit dem Sport zielgruppenorientiert vor-zunehmen“. Der Fokus liegt hierbei auf dem Spitzensport. Das BISp fördert die Forschung durch das Ausschreiben von Forschungsprogrammen und versteht sich als Wissensver-mittler (z. B. Wissensmanagement, Sportinformationsportal, Literatur- und Forschungsdatenbanken). Sportpsychologie im Spitzensport (7 https://www.bisp-sportpsychologie.de/SpoPsy/DE/Home/home_node.html) bietet beispielsweise ein Informationsportal (z. B. zur sportpsychologischen Forschung und Betreuung im Spitzensport), ein Kontaktportal (z. B. Expertensuche) und ein Diagnostikportal (z. B. Fragebogen).

> Beispiele für internationale Fachgesellschaften für Sportpsychologie sind:5 Swiss Association of Sport Psychology (SASP)5 Österreichisches Bundesnetzwerk

Sportpsychologie (ÖBS)5 Fédération Europeénne de Psychologie des Sports

et des Activités Corporelles (FEPSAC, Europäische Föderation der Psychologie von Sport und Körperlicher Tätigkeiten)

5 International Society of Sport Psychology (ISSP)5 North American Society of Psychology of Sport and

Physical Activity (NASPSPA)5 Sektion Sport, Exercise and Performance

Psychology der American Psychological Association (APA)

5 Association of Applied Sport Psychology (AASP)

Die Swiss Association of Sport Psychology (SASP) wurde 1968 gegründet und ist ein Teilverband eines psycho-logischen Dachverbandes in der Schweiz (Föderation Schweizer Psychologinnen und Psychologen, FSP). Die SASP bietet ein Informationsportal für Weiterbildungen, stellt eine Plattform für Informationen und Kontakt-möglichkeit für Fachpersonen und pflegt die internationale Zusammenarbeit mit sportpsychologischen Organisationen und dem in- und ausländischen Fachkollegium.

Das Österreichische Bundesnetzwerk für Sportpsycho-logie (ÖBS) wurde 2005 mit dem Ziel gegründet, eine pro-fessionelle flächendeckende sportpsychologische Versorgung für den österreichischen Leistungssport zur Verfügung zu stellen. Das ÖSB bietet, in Zusammenarbeit mit dem Sport-ministerium; die komplette Infrastruktur für Psychologie im Leistungssport. Hierzu zählt sie Diagnostik, Beratung und Betreuung, wissenschaftliche Evaluation und Fortbildung.

Die Fédération Europeénne de Psychologie des Sports et des Activités Corporelles (FEPSAC, Europäische Föde-ration der Psychologie von Sport und Körperlicher Tätig-keiten; 7 http://www.fepsac.com/) ist eine 1969 gegründete europäische Vereinigung von Sportpsychologinnen und Sportpsychologen. Das in den Statuten genannte Ziel der FEPSAC ist die Förderung wissenschaftlicher, ausbil-dungs- und anwendungsbezogener sportpsychologischer

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Anzahl der Professuren an Universitäten und der Verankerung im Ausbildungssystem. Wenngleich die Anzahl der Profes-suren in Deutschland für Sportpsychologie weitaus geringer ist als die der seit vielen Jahrhunderten etablierten Diszipli-nen (z. B. Medizin), vertreten doch rund 40 Professuren die Sportpsychologie und tragen zu einem vielfältigen Angebot an Bachelor- und Masterstudiengängen bei, die allgemeine (Bachelor- und Masterstudiengänge in Sportwissenschaft) oder spezifischere (z. B. Bachelor in Human Movement in Sports and Exercise, Masterstudiengänge in Health Science und Sportpsychologie) Ausrichtungen anbieten.

Die Grundlage für die Ausbildung von Studieren-den und wichtige Informationsquellen für praktisch arbeitende Sportpsychologinnen und Sportpsychologen sind Lehrbücher der Sportpsychologie, die immer wie-der aktualisiert werden und in überarbeiteten Neuaus-gaben von Wissenschaftsverlagen publiziert werden. Selbstverständlich gibt es ausgezeichnete ältere deutsch-sprachige Publikationen, Überblicksarbeiten (z. B. Bände in Enzyklopädien), Publikationen, die sich gezielt an in der Sportpraxis Tätige richten, sowie eine Vielzahl englisch-sprachiger Arbeiten. In den letzten zehn Jahren (2008–2018) wurden jedoch nach Recherchen der Autoren und der Autorin dieses Kapitels nur sechs deutschsprachige Bücher publiziert, die im Titel „Sportpsychologie“ tragen und explizit als Lehrbücher konzipiert sind (Alfermann und Stoll 2016; Baumann 2015; Brand 2010; Hänsel et al. 2016; Herbert und Peters 2008; Stoll et al. 2010). Das Exemplar, das die Lesenden in den Händen halten, soll hierzu einen weiteren Beitrag leisten.

Fragen zur Lernkontrolle1. Was ist das Ziel der Sportpsychologie?2. Definieren Sie „Sportpsychologie“ und erläutern Sie

ihre grundlagen- und anwendungsorientierte Kompo-nente.

3. Nennen Sie eine Definition für den Oberbegriff „körperliche Aktivität“. Können Sie Beispiele für deren Subfacetten nennen?

4. Welches sind die Subdisziplinen der Psychologie und aus welchen Perspektiven betrachten sie Phänomene des Sports?

5. Was bedeutet Kurt Lewins Aussage, dass nichts prakti-scher ist als eine gute Theorie?

6. Können Sie die Geschichte der Sportpsychologie und die mit ihr verbundenen Namen nachzeichnen?

7. Was versteht man unter der „Institutionalisierung“ einer Wissenschaftsdisziplin. Nennen Sie Beispiele für die Sportpsychologie.