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www.boeckler.de – Juni 2009 © Hans-Böckler-Stiftung Netzwerk Mitbestimmte Personalarbeit Einführung Warum lernförderliche Arbeitsgestaltung? Die arbeitenden Menschen und die Betriebe sehen sich durch veränderte ökonomische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen vor große Herausforderungen gestellt. Durch die Globalisierung verschärft sich der Wettbewerb, die Unternehmen antworten mit stärke- rer Kundenorientierung, innovativen Produkten und Dienstleistungen, Programmen zur Kostensenkung oder mit der Optimierung betrieblicher Abläufe. Die wirtschaftliche Situati- on der Unternehmen wird vor allem durch die Qualität der Produkte und Produktionspro- zesse bestimmt. Produkt- und Prozessqualität sind abhängig von den Kompetenzen der Mitarbeiter, 1 denn nur kompetenten Beschäftigten gelingt die kontinuierliche Verbesserung und Lösung betrieblicher Problemstellungen in einem sich ständig veränderndem Umfeld. Dynamische Wettbewerbsbedingungen und daraus resultierende Anforderungen machen es zunehmend notwendig, dass alle Beteiligten ständig weiter lernen. Neben der Entwick- lung fachlicher oder methodischer Kompetenzen ist es notwendig, sich mit neuen Techno- logien und Arbeitsformen auseinander zu setzen, dem wachsenden Leistungsdruck stand- zuhalten und mit Unsicherheit umgehen zu können. Herkömmliche Weiterbildungskonzep- te können dies nur eingeschränkt unterstützen. Eine moderne Personalpolitik ergänzt die Personalentwicklung daher um eine lernförderliche Organisationsentwicklung. Dies muss sich auf alle Unternehmensbereiche beziehen, denn die Erschließung der Leistungspoten- ziale älterer oder sogenannter gering-qualifizierter Beschäftigter erlangt vor dem Hinter- grund des Fachkräftemangels und des demografischen Wandels einen hohen Stellenwert. Kompetenz umfasst alle Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kenntnisse, Wissensbestände und Erfahrun- gen eines Menschen, die ihn bei der Bewältigung vertrauter oder neuartiger Arbeitsaufgaben handlungs- und reaktionsfähig machen und sich im erfolgreichen Umgang mit veränderten An- forderungen zeigen. Es werden die vier Facetten der Fach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkom- petenz unterschieden und als Handlungskompetenzen zusammengefasst (vgl. Kauffeld, S. 2006). 1. Was ist Lernförderlichkeit in der Arbeit und Arbeitsgestaltung? Ein wichtiger Ansatz zur Entwicklung von Handlungskompetenzen ist neben formalen Wei- terbildungskonzepten das Lernen im Prozess der Arbeit. Im betrieblichen Alltag besteht ______________________________________________________________________________________________________ 1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei nicht neutral zu verwendenden Begriffen die männliche Form genutzt. Wenn z.B. von Mitarbeitern die Rede ist, sind auch Mitarbeiterinnen gemeint. Dr. Ellen Schäfer Frieling und Schäfer GbR 1

Einführung Warum lernförderliche Arbeitsgestaltung? · PDF filetheoretischen Überlegungen von Hacker (1986, 1998) und Volpert (1987), die sich mit den

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www.boeckler.de – Juni 2009 © Hans-Böckler-Stiftung Netzwerk Mitbestimmte Personalarbeit

Einführung Warum lernförderliche Arbeitsgestaltung?

Die arbeitenden Menschen und die Betriebe sehen sich durch veränderte ökonomische

und gesellschaftliche Rahmenbedingungen vor große Herausforderungen gestellt. Durch

die Globalisierung verschärft sich der Wettbewerb, die Unternehmen antworten mit stärke-

rer Kundenorientierung, innovativen Produkten und Dienstleistungen, Programmen zur

Kostensenkung oder mit der Optimierung betrieblicher Abläufe. Die wirtschaftliche Situati-

on der Unternehmen wird vor allem durch die Qualität der Produkte und Produktionspro-

zesse bestimmt. Produkt- und Prozessqualität sind abhängig von den Kompetenzen der

Mitarbeiter,1 denn nur kompetenten Beschäftigten gelingt die kontinuierliche Verbesserung

und Lösung betrieblicher Problemstellungen in einem sich ständig veränderndem Umfeld.

Dynamische Wettbewerbsbedingungen und daraus resultierende Anforderungen machen

es zunehmend notwendig, dass alle Beteiligten ständig weiter lernen. Neben der Entwick-

lung fachlicher oder methodischer Kompetenzen ist es notwendig, sich mit neuen Techno-

logien und Arbeitsformen auseinander zu setzen, dem wachsenden Leistungsdruck stand-

zuhalten und mit Unsicherheit umgehen zu können. Herkömmliche Weiterbildungskonzep-

te können dies nur eingeschränkt unterstützen. Eine moderne Personalpolitik ergänzt die

Personalentwicklung daher um eine lernförderliche Organisationsentwicklung. Dies muss

sich auf alle Unternehmensbereiche beziehen, denn die Erschließung der Leistungspoten-

ziale älterer oder sogenannter gering-qualifizierter Beschäftigter erlangt vor dem Hinter-

grund des Fachkräftemangels und des demografischen Wandels einen hohen Stellenwert.

Kompetenz umfasst alle Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kenntnisse, Wissensbestände und Erfahrun-gen eines Menschen, die ihn bei der Bewältigung vertrauter oder neuartiger Arbeitsaufgaben handlungs- und reaktionsfähig machen und sich im erfolgreichen Umgang mit veränderten An-forderungen zeigen. Es werden die vier Facetten der Fach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkom-petenz unterschieden und als Handlungskompetenzen zusammengefasst (vgl. Kauffeld, S.2006).

1. Was ist Lernförderlichkeit in der Arbeit und Arbeitsgestaltung?

Ein wichtiger Ansatz zur Entwicklung von Handlungskompetenzen ist neben formalen Wei-

terbildungskonzepten das Lernen im Prozess der Arbeit. Im betrieblichen Alltag besteht

______________________________________________________________________________________________________

1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei nicht neutral zu verwendenden Begriffen die männliche Form genutzt. Wenn z.B. von Mitarbeitern die Rede ist, sind auch Mitarbeiterinnen gemeint.

Dr. Ellen Schäfer

Frieling und Schäfer GbR

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jedoch die Gefahr, den Kompetenzerwerb durch Routinetätigkeiten, einen hohen Standar-

disierungsgrad des Arbeitssystems, formalisierte Organisationsstrukturen oder eine feh-

lende Lernkultur einzuschränken. Daher spielt die Arbeitsgestaltung eine wichtige Rolle.

Arbeitsgestaltung umfasst technische, organisationale und personale Maßnahmen zur Optimie-rung der Arbeitsprozesse. Dabei geht es um ein aufgabengerechtes, optimales Zusammenwir-ken von Menschen, Betriebsmitteln sowie Arbeitsgegenständen in einem Arbeitssystem, um humane Arbeit und hohe Wirtschaftlichkeit zu erreichen (vgl. Frieling, E.; Sonntag, K. 1999).

Es gibt unterschiedliche Ansätze, die Arbeit zu gestalten. Zu nennen sind zum einen ergo-

nomische Kriterien der Arbeitsumgebung (Licht, Farbe, Klima, Lärm, Schadstoffe, Vibrati-

on) und der Mensch-Maschine-Schnittstelle (Bedienbarkeit, Softwaregestaltung, Arbeitssi-

cherheit), die heute in vielen Unternehmen weitgehend erfüllt werden.

Zum anderen sind die Arbeitsaufgaben von Interesse, da diese das Verhalten und Erleben

der Beschäftigten bestimmen. Lernen vollzieht sich zu wesentlichen Teilen durch die Aus-

einandersetzung mit den Tätigkeiten. Ar-

beitsaufgaben sollen daher vollständig und problemhaltig sein, d.h. Elemente der Planung,

Vorbereitung, Ausführung sowie Kontrolle um-

fassen. Die Bedeutung und die Ergebnisse der

eigenen Arbeit müssen nachvollziehbar sein,

damit die Beschäftigten ihre eigenen Arbeits-

handlungen beurteilen und optimieren können.

Daher ist es unerlässlich, dafür zu sorgen, dass die Beschäftigten möglichst umfassende

Informationen über Arbeitsaufträge und wichtige betriebliche Belange erhalten. Neben

einer angemessenen Selbstständigkeit bei der Ausführung sollen die Mitarbeiter über Ent-

scheidungsspielräume verfügen, an der Verteilung von Aufgaben und der Auswahl oder

Beschaffung von Arbeitsmitteln beteiligt werden. Zudem bieten lernförderliche Tätigkeiten

sowohl Gelegenheiten als auch Notwendigkeiten zur Interaktion, zur Zusammenarbeit und

zur (persönlichen) Weiterentwicklung.

Information

Planung

Vorbereitung

Ausführung

Kontrolle

Optimierung

Tätigkeit

Gestaltungsmöglichkeiten liegen auch im Bereich der (Arbeits-) Organisation mit ihren

verschiedenen Strukturmerkmalen wie z.B. Anzahl der Beschäftigten, Führungsspanne,

Arbeitszeit- und Entgeltmodelle. Im Fokus stehen die betrieblichen Produktionskonzepte

und insbesondere die verschiedenen Formen von Team- oder Gruppenarbeit. Unter-

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schiedlich ausgeprägte Autonomiebedingungen und Möglichkeiten zur Beteiligung (Parti-

zipation) tragen zur Kompetenzentwicklung der Gruppenmitglieder bei, während eine star-

ke Arbeitsteilung und Standardisierung diese Prozesse behindert. In organisatorischer

Hinsicht gilt ein regelmäßiger Wechsel des Arbeitsplatzes (Job Rotation), die Teilnahme

an Qualitätszirkeln oder systematischer Erfahrungsaustausch als lernförderlich. Dies kann

als kommunikatives, reflexives oder selbstgesteuertes Lernen bezeichnet werden: Durch

Gespräche über die Arbeitsausführung, die gemeinsame Reflexion gewonnener Erkennt-

nisse oder selbstständige Entscheidungen, wie Anforderungen optimal zu erfüllen sind,

werden Lernprozesse gefördert. Es wird davon ausgegangen, dass Lernprozesse hier-

durch sogar stärker unterstützt werden als durch Seminare, Unterweisungen oder Schu-

lungen, in denen die scheinbar beste Arbeitsweise vorgeführt wird.

Eine weitere Rolle spielt die Unternehmenskultur, als besonders bedeutsam gilt ein koope-

rativer Führungsstil.

Mögliche Gestaltungsfelder

Arbeitsumgebung Arbeitsaufgaben Arbeitsorganisation

Nutzung ergonomischer Gestaltungskriterien

Schaffung vollständiger, prob-lemhaltiger Tätigkeiten

Gestaltung von relevanten Strukturmerkmalen

z.B. Beleuchtung, Farbgestal-tung, Lärm, Klima, mechani-sche Schwingungen, Gefahr-

stoffe, Arbeitsmittel

z.B. Selbstständigkeit, Partizi-pation, Kommunikation, Ko-operation, Information und Feedback am Arbeitsplatz

z.B. Produktionsablauf, Gruppenarbeit, Arbeits-

teilung, Hierarchie, Arbeitszeit und Entgelt

Unternehmenskultur

2. Theoretischer Bezug

Ausgangspunkt der Ansätze zur Lernförderlichkeit bilden die tätigkeits- bzw. handlungs-

theoretischen Überlegungen von Hacker (1986, 1998) und Volpert (1987), die sich mit den

inneren Steuerungsprozessen von arbeitenden Menschen (psychische Regulation) und

der Entstehung/Entwicklung von Fähigkeiten und Fertigkeiten befasst haben. Aufgrund

ihrer Untersuchungen unterscheiden sie drei Ebenen von Arbeitshandlungen:

1) Die Basis stellen sensumotorische Handlungsabfolgen auf der ‘Gewohnheitsebene’

dar, die mit Fertigkeiten gleichgesetzt werden können: Bewegungsabläufe sind weit-

gehend automatisiert und gelangen nicht unbedingt in das Bewusstsein, d.h. sie wer-

den nicht in jeder Einzelheit gesteuert. Beispiele sind Schreiben mit einem Stift, Bedie-

nen einer Tastatur, Schlagen mit einem Hammer:

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2) Darüber befindet sich die ‘Regelebene’ mit den perzeptiv-begrifflichen Teilhandlungen:

Im Gedächtnis abgespeicherte Handlungsschemata werden bewusst eingesetzt und

steuern die Arbeitsausführung. Beispiele hierfür sind Formulierung einer Überlegung,

Eingabe eines Programmbefehls, Befestigung einer Latte mit einem Nagel.

3) Auf der intellektuellen ‘Wissensebene’ steht das Entscheidungsverhalten im

Vordergrund: Gemeint sind gezielt gesteuerte, auf Wissen und Können basierende

Handlungsabfolgen, mit denen konkrete Pläne oder Strategien verfolgt werden.

Beispiele sind Schreiben eines Briefes, Anwendung oder Einsatz eines

Computerprogramms, Bau einer Kiste.

Die aufeinander aufbauende (hierarchische) Struktur wird ergänzt durch eine zeitliche (se-

quenzielle) Abfolge von Teiltätigkeiten, die durch die Zielorientierung gegliedert ist. Eine

Person führt motorische Bewegungsmuster oder gedankliche Informationsprozesse durch,

die schrittweise zum Ziel führen. Dabei erfolgen in Abhängigkeit von dem vorher gedach-

ten Ergebnis (antizipiertes Ziel) fortlaufende Vergleichs-, Veränderungs- und Rückkopp-

lungsprozesse, die das Handeln steuern (regulieren). Aufgrund von Wechselwirkungen

zwischen Mensch und Arbeitssystem sowie Veränderungen im Tätigkeitsbereich verän-

dern sich Ziele. Dies erfordert Anpassungen im Sinne eines mehrfachen Durchlaufens des

Regelkreisens, d.h. die Teiltätigkeiten werden solange wiederholt, modifiziert oder durch

weitere ergänzt, bis das gesetzte Ziel schließlich erreicht ist.

Handlungsregulation und Lernförderlichkeit

Die Aufgabe der Arbeitsgestaltung besteht darin, mögliche Beeinträchtigungen innerhalb

der Steuerungs- oder Regulationsvorgänge zu vermeiden und vollständige Tätigkeiten zu

schaffen (vgl. ausführlich Frieling u.a., 2006; Bigalk, 2006). Zu einer vollständigen Tätigkeit

gehört, dass sie geplant, vorbereitet, ausgeführt und kontrolliert wird. Die Arbeitenden

organisieren ihre Aufgaben und die Verbesserung der Arbeitsergebnisse kooperativ und

im gegenseitigen Austausch. So wird eine zyklische bzw. sequenzielle Vollständigkeit

erreicht. Von hierarchischer Vollständigkeit spricht man, wenn zur Arbeitsausübung

vielfältige kognitive Anforderungen auf den genannten Regulationsebenen erforderlich

sind. Kompetenzen entwickeln die Mitarbeiter dann, wenn Aufgaben aufgrund ihrer

Komplexität und Variabilität die Lösung von Problemen erfordern oder zeitliche,

organisatorische sowie inhaltliche Freiheitsgrade zur Auswahl von Handlungsalternativen

bestehen. Wichtig ist es, selbstständig Ziele setzen und verfolgen zu können und an

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Informations- und Entscheidungsprozessen beteiligt zu werden.

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Zyklische oder sequenzielle Vollständigkeit (nach Hacker, 1995)

Hierarchische

Neben der gedanklichen, bewussten Steuerung des Arbeitshandelns spielen Motivation

und gefühlsmäßige Befindlichkeiten der Beschäftigten eine zentrale Rolle. Die erlebte

Sinnhaftigkeit, die wahrgenommene Verantwortung und die Kenntnis des Arbeitserfolges

steigern die intrinsische Motivation (d.h. aus eigenem Antrieb etwas tun), die Intensität der

Arbeitsleistung und den Grad der Arbeitszufriedenheit. Die Neigung zu Fehlzeiten (Absen-

tismus) oder zum Ausscheiden aus dem Unternehmen wird durch diese Aspekte vermin-

dert. Ein hohes Maß an Selbstbestimmung fördert die Kreativität und die Bereitschaft der

Beschäftigten, sich aktiv für Verbesserungen einzusetzen. Die eigene Arbeit und deren

Ergebnisse zu optimieren bedeutet gleichzeitig, Kompetenzen zu entwickeln. Sind Tätig-

keiten hingegen stark arbeitsteilig, standardisiert, einfach und wenig vielfältig, behindern

sie das Lernen oder führen gar zum Verlust von Qualifikationen und Kompetenzen.

Verknüpfung von Personal- und Organisationsentwicklung

Für die Anpassung an neue Anforderungen und den gezielten Einsatz von Mitarbeitern

sind Maßnahmen zur Arbeits- und -ablaufgestaltung ebenso erforderlich wie Weiterbil-

dungsmaßnahmen. Notwendig ist eine flexible, auf das Gesamtunternehmen abgestimmte

Personal- und Organisationsentwicklung, um die verschiedenen Lernformen miteinander

zu verzahnen. Prozesse individueller und gruppenbezogener Kompetenzentwicklung sol-

len von den Beteiligten mitgestaltet und weitgehend selbst organisiert werden. Um das

Leistungsvermögen der Beschäftigten und die für moderne Arbeits- bzw. Produktionsab-

läufe erforderlichen Kernkompetenzen zu entwickeln, müssen die Arbeitsplätze daraufhin

Unter Lernen versteht man im Allgemeinen eine relativ dauerhafte Veränderung des Verhaltens und des Handlungspotenzials sowie den Erwerb von Wissen und Fertigkeiten. Gedanklich sind diese Prozesse oft mit Verbesserungen - wie etwa dem Zuwachs an Wissen - verbunden, jedoch ist ebenfalls eine Rückentwicklung oder ein Verlernen möglich.

Vollständigkeit

veau und lfalt

itiver orderungen

Organisation und Optimierung als Kooperation

und Kommunikation

Planung

VorbereitungNi Ausführung KontrolleViekognAnf

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analysiert werden, inwieweit sie lernförderlich sind oder gestaltet werden können. Darüber

hinaus müssen sowohl vorhandene sowie (künftig) benötigte Kompetenzen systematisch

erfasst und dokumentiert werden.

Personal- und Organisationsentwicklung

Weiterbildung (off the job) Lernen im Arbeitsprozess (near/ on the job)

z. B. interne/ externe Semina-re, Schulungen, Trainings,

Info-Veranstaltungen

z. B. Erfahrungsaustausch, Gruppenbesprechungen,

Qualitätszirkel

z. B Arbeitsanreicherung, Arbeitsplatzwechsel, Planungsaufgaben

formelles Lernen (eher fremdorganisiert)

informelles Lernen (eher selbstorganisiert)

erfahrungsbasiertes Lernen (nicht organisiert)

Kompetenzentwicklung

3. Nutzen lernförderlicher Arbeitsgestaltung

Lernen im Arbeitsprozess erfährt im Zusammenhang mit ständiger Veränderungen der

Unternehmensstrukturen, schneller technologischer Entwicklungen und wachsenden Qua-

litätserwartungen der Kunden eine Hochkonjunktur. Seminare, Lehrgänge oder andere

arbeitsplatzferne Formen der Weiterbildung werden kritisiert, weil sie zu wenig flexibel

oder erst im Nachhinein auf (betriebs-)spezifische Anforderungen reagieren. Auch entste-

hen relativ große Transferverluste beim Anwenden des Gelernten im Betrieb. Zudem bietet

das Lernen am Arbeitsplatz und im Vollzug der Tätigkeit größere Chancen, am Entwick-

lungsniveau der Beschäftigten anzuknüpfen. Der Lernbedarf ergibt sich unmittelbar aus

den Anforderungen und den zu bewältigenden Aufgaben. Nutzen und Erfolg lassen sich

aus Arbeitsergebnissen, überwundenen Schwierigkeiten oder beseitigten Fehlern ablesen.

Unter ökonomischen Gesichtspunkten bietet sich als weiterer Vorteil, dass zeitgleich ge-

lernt und Arbeitsaufgaben erfüllt oder verbessert werden (vgl. Lipsmeier, 2000).

Für Unternehmen besitzen die Kompetenzen der Mitarbeiter und die Lernfähigkeit der ge-

samten Organisation eine Schlüsselrolle zur erfolgreichen Positionierung am Markt. Ein

nachhaltiger Vorteil gegenüber der Konkurrenz wird durch einzigartige Ressourcen er-

reicht. Einzigartig sind Ressourcen, die sich nicht leicht nachahmen oder ersetzen lassen

und die einmalig oder knapp sind (vgl. Osterloh, 2001). Dies trifft auf Ressourcen zu, die in

langfristigen betriebsinternen Prozessen erzeugt werden, wie es bei Kompetenzen und

organisationalem Wissen der Fall ist.

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Auch aus Sicht der Mitarbeiter sind Kompetenzen zu einer Schlüsselfrage geworden, da

sie den Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit sichern (vgl. Scholz, 2004). Beschäftigungsfä-

higkeit (Employability) beschreibt die Fähigkeit, die eigene Arbeitskraft auf Basis von

Handlungskompetenzen, Wertschöpfungs- und Leistungsfähigkeit ständig neu und flexibel

anbieten bzw. einsetzen zu können. Kompetenz besitzt in Zeiten unsicherer Erwerbsver-

hältnisse eine Orientierungsfunktion, die mit der Auflösung tradierter Berufsmuster einher-

geht: Der Gefahr, die Sicherheit eines festes Arbeitsverhältnisses zu verlieren, lässt sich

durch eine Vielfalt an Fähigkeiten und Fertigkeiten begegnen.

Lernförderliche Arbeitsbedingungen gelten als Grundvoraussetzung für nachhaltige Kom-

petenzentwicklung und in der Folge für die Schaffung von Innovationen und kontinuierli-

chen Verbesserungsprozessen. Beschäftigte auf allen betrieblichen Ebenen sind in der

Lage, hierzu einen Beitrag zu leisten, wenn sie den nötigen Freiraum bekommen, an Ent-

scheidungen beteiligt werden und Fehler als Chance zur Optimierung und zum Lernen

begriffen werden. Dies steigert die Fach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenz, unter-

stützt die Bindung zum Unternehmen (Commitment), wirkt Fehlzeiten entgegen und erhöht

die Zufriedenheit und Flexibilität der Mitarbeiter. In vielen Untersuchungen konnte darüber

hinaus nachgewiesen werden, dass sich ein so geförderter Kompetenzerwerb positiv auf

die Motivation und die Einstellungen der Beschäftigten auswirkt, einen Beitrag zum Wohl-

befinden sowie zum Belastungsabbau leistet, und somit insgesamt gesundheitsförderlich

ist (vgl. Hacker, 1998; Bergmann u.a.; 2000, 2004; Frieling u.a., 2006).

Vorteile lernförderlicher Arbeit

Für Unternehmen Für Beschäftigte

Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit

Schaffung von Innovationen und kontinuierli-chen Verbesserungsprozessen

Erhaltung und Förderung von Lernfähigkeit und Veränderungsbereitschaft

Erhöhung der Produkt- und Prozessqualität Erhöhung der Arbeitsqualität und Zufriedenheit

Reduzierung von Fehlzeiten und Fluktuation Reduzierung von Belastungen

Steigerung der Bindung von Mitarbeitern an das Unternehmen (Commitment)

Steigerung des physischen und psychischen Wohlbefindens

Positive Entwicklung des Unternehmenserfolgs

Für weitere Nachfragen steht die Hans-Böckler-Stiftung zur Verfügung: [email protected]

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Literatur

Bergmann, B.; Fritsch, A.; Göpfert, P.; Richter, F.; Wardanjan, B.; Wilczek, S. (2000): Kompetenzentwicklung und Berufsarbeit. Münster: Waxmann. Bigalk, D. (2006): Lernförderlichkeit von Arbeitsplätzen – Spiegelbild der Organisation? Kassel: University Press. Frieling, E.; Bernhard, H.; Bigalk, D.; Müller, R.F. (2006): Lernen durch Arbeit. Entwicklung eines Verfahrens zur Bestimmung der Lernmöglichkeiten am Arbeitsplatz. Münster: Wax-mann. Hacker, W. (1986): Arbeitspsychologie. Psychische Regulation von Arbeitstätigkeiten. Bern: Hans Huber Verlag. Hacker, W. (1998): Allgemeine Arbeitspsychologie - Psychische Regulation von Arbeitstä-tigkeiten. Bern: Hans Huber Verlag. Kauffeld, S. (2006): Kompetenzen messen, bewerten und entwickeln. Göttingen: Hogrefe. Lipsmeier, A. (2000): Der Betrieb als Lernort: Arbeiten und Lernen. In B. Dewe (Hg.): Be-triebspädagogik und berufliche Weiterbildung: Wissenschaft-Forschung-Reflexion. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. Osterloh, M. (2001): Wettbewerbsfähigkeit in der Wissensgesellschaft oder: Können Orga-nisationen lernen? In QUEM-Report, Heft 68, S. 123-140. Berlin: ABWF. Volpert, W. (1987): Psychische Regulation von Arbeitstätigkeiten. In U. Kleinbeck; J. Rutenfranz (Hg.): Enzyklopädie der Psychologie (Bd. 1, S. 1-42). Göttingen: Hogrefe.

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