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Einkommensteuer und subjektive Leistungsfähigkeit: Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Kinderfreibetrag/Kindergeld und persönlichem Existenzminimum Author(s): Hartmut Söhn Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 51, H. 3 (1994), pp. 372-409 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40912620 . Accessed: 15/06/2014 07:51 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 185.2.32.49 on Sun, 15 Jun 2014 07:51:29 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

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Einkommensteuer und subjektive Leistungsfähigkeit: Die Rechtsprechung desBundesverfassungsgerichts zu Kinderfreibetrag/Kindergeld und persönlichemExistenzminimumAuthor(s): Hartmut SöhnSource: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 51, H. 3 (1994), pp. 372-409Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40912620 .

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Einkommensteuer und subjektive Leistungsfahigkeit Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu

Kinderfreibetrag/Kindergeld und personlichem Existenzminimum

von

Hartmut Sohn

1. Einleitung

Der 1. und der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts haben 1990 und 1992 iiber die Beriicksichtigung kindesbedingter Unterhaltsleistungen (Bundesverfassungsgericht, 1990, S. 60 und S. 198) und existenznotwendiger personlicher Aufwendungen (Bundesverfassungsgericht, 1992, S. 153) im Einkommensteuerrecht entschieden. Das Echo auf diese Rechtsprechung war hochst unterschiedlich: Die Beschliisse des 1. Senats sind - jedenfalls im grundsatzlichen - auf uberwiegende Zustimmung gestoBen, der BeschluB des 2. Senats ist in der Tagespresse1 und in ersten Stellungnahmen des steuerrechtlichen Schrifttums 2 ungewohnlich scharf kritisiert worden 3. Das ist u. a. auf unterschiedliche Grundpositionen der beiden Senate zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben fur eine Besteuerung nach der subjektiven Leistungsfahigkeit zuruckzufuhren. Die Auffassungen stehen insoweit (noch) ,,beziehungslos nebeneinander"4. Bei einer kritischen Bestandsauf- nahme stellt sich daher auch die Frage, wie eine - wiinschenswerte - Har- monisierung aussehen sollte.

1 Vgl. die Nachweise in Kolner Steuerdialog (1992, S. 9163). 2 Vgl. z. B. Arndt (1993 a, S. 1 ff.), Felix (1992, R. 87), Sangmeister (1992, S. 2341 ff.),

ferner Schemmel (1993, S. 70 ff.). 3 Vgl. aber auch Tipke (1993 c, S. 19), der von einem ,,Meilenstein auf dem Wege zur gleichmaBigen Besteuerung nach der Leistungsfahigkeit" spricht; ferner Thormalen und Specht (1993, S. 362): ,,Fur das deutsche Steuersystem und seine Weiterentwicklung ist ... (der BeschluB des Bundesverfassungsgerichts) moglicherweise ein Riesenschritt."

4 Der VorlagebeschluB des Bundesfinanzhofs an das Bundesverfassungsgericht zur Hohe des Kinderfreibetrags fur Eltern mit einem Kind im Jahre 1987 (Bundesfinanzhof, 1993, S. 755) konnte zu einer Klarung fuhren. Vgl. auch Arndt und Schumacher (1993, S. 533-535; 1994, S. 961 ff.).

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Einkommensteuer und subjektive Leistungsfahigkeit 373

2. Steuerliche Beriicksichtigung kindesbedingter Unterhaltskosten

Der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts hat 1990 seine Rechtspre- chung zur steuerlichen Berucksichtigung von kindesbedingten Unterhalts- kosten neu bestimmt (Bundesverfassungsgericht, 1990, S. 60 ff. und 198ff.) und ausdriicklich eine ,,Abweichung von BVerfGE 43, 108" tenoriert5.

2.1. Die Rechtsprechung des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts

Minderungen der Leistungsfahigkeit von Eltern, die durch unvermeidba- re Aufwendungen fur Kinder eintreten, miissen bei der Einkommensbe- steuerung (der Eltern) - so die nahezu einhellige Meinung im steuerrechtli- chen Schrifttum 6 - durch einen Abzug von der Bemessungsgrundlage be- riicksichtigt werden (Besteuerung nach der subjektiven Leistungsfahig- keit)7.

5 Eine ,,neue Phase" in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur steuer- lichen Behandlung von Unterhaltsaufwendungen hatte bereits mit dem Urteil zur Be- steuerung alleinerziehender Eltern (Bundesverfassungsgericht, 1982, S. 344 ff.) begonnen, in dem das Gericht dem Leistungsfahigkeitsprinzip eine Verpflichtung des Gesetzgebers entnimmt, zwangslaufige Privatausgaben steuerlich durch eine Reduzierung der Bemes- sungsgrundlage zu beriicksichtigen. Unvermeidbare Privatausgaben minderten das be- steuerbare Einkommen; die Steuer durfe nur auf das disponible Einkommen zugreifen. Der sog. Abzugsgrenzenbeschlufi setzte diese ,,neue Linie" fort: Fur die steuerliche Berucksichtigung zwingender Unterhaltsverpflichtungen diirften keine realitatsfernen Grenzen gezogen werden (Bundesverfassungsgericht, 1984 a, S. 223), und das Sozialhilfe- recht konne hierfur wesentliche Anhaltspunkte liefern. Vgl. ferner Bundesverfassungsge- richt, 1984 b, S. 297 f.: Zwangslaufige Unterhaltsaufwendungen an den geschiedenen Ehegatten; 1984c, S. 152f.: Unterhaltsverpfiichtungen gegeniiber Kindern; 1987, S. 127: Einkommensteuerbelastung dauernd getrennt lebender Ehegatten; ferner Pezzer (1987, S. 757 ff.; 1989, S. 219 ff. m.w.N. zur Entwicklung der Rechtsprechung im einzelnen). Zur steuerlichen Berucksichtigung von Berufsausbildungskosten von Kindern vgl. jetzt Bun- desverfassungsgericht, 1994, S. 991 f. 6 Vgl. z.B. Birk (1983a, passim; 1983b, S.293ff.), Bockenforde (1986, S. 335 ff.), Kirchhof (1985, S. 319 ff.; 1986a, S. 25 ff.; 1986 ff. b, Rdnr. A 126 ff.; 1986c, S. 127 ff.; 1988a, S. 29; 1988b, S. F51 ff.), Klein (1987a, S. 773 ff.; 1987b, S. 779ff), Lang (1983, S. 103 ff.; 1985a, S. 12ff; 1981/88, S. 191 ff, 620ff; 1990, S. 331 ff), Moderegger (1991, passim), Pezzer (1987, S. 757 ff.; 1989, S. 219ff), Sohn (1985, S. 400ff; 1986a, S. 324ff; 1986 ff. b, Rz. A 17; 1988a, S. 347 f.; 1988b, S. 154 ff.; 1990, S. 356 ff), Tipke (1971, S. 16f.; 1983, S. 41 ff; 1985, S. 78 f.; 1993b, S. 672ff; 1993c, S. 13ff), Tipke und Lang (1984, S. 127 ff; 1991, S. 208 ff), Vogel (1974, S. 2105 f.; 1975, S. 409ff; 1977, S. 31 ff; 1984, S. 197 ff), Zeidler (1985, S. 3ff). 7 Vgl. auch den BeschluB der steuerrechtlichen Abteilung des 57. Deutschen Juristen- tags in Mainz: ,,Der Einkommensteuer unterliegt nur der Teil des Erwerbseinkommens, der fur den Steuerpflichtigen disponibel ist. Die unvermeidbaren Aufwendungen fur die eigene Existenzsicherung und den Unterhalt der Familienangehorigen miissen deshalb von der Besteuerung freigestellt sein. Erst auf das sich ergebende zu versteuernde Ein- kommen ist der Tarif anzuwenden. Die Regressionswirkung bei steuermindernden Abzii- gen ist keine Steuervergiinstigung, sondern systemnotwendige Kehrseite der Progression bei den steuerbegriindenden Zufliissen" (Deutscher Juristentag, 1988, S. N214).

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Der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts hat diese Auffassung mit einer - fur das Gericht eher - ungewohnlichen Deutlichkeit und Stringenz verfassungsrechtlich festgeschrieben (Jiiptner, 1990, S. 307: ,,steuerlicher Meilenstein"), die verfassungsrechtlichen Vorgaben fur eine leistungsfahig- keitskonforme Besteuerung insoweit unmiBverstandlich klargestellt und seine friihere Rechtsprechung korrigiert:

- Der Staat miisse dem Steuerpflichtigen von Verfassungs wegen sein Einkommen insoweit ,,steuerfrei" belassen, als es zur Schaffung der Min- destvoraussetzungen fur ein menschenwiirdiges Dasein benotigt werde. Das folge aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V. mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG. Ebenso wie der Staat nach diesen Verfassungsnormen ver- pflichtet sei, dem mittellosen Burger diese Mindestvoraussetzungen erfor- derlichenfalls durch Sozialleistungen zu sichern, diirfe er dem Burger das selbst erzielte Einkommen bis zu diesem Betrag (Existenzminimum) nicht entziehen (Bundesverfassunsgericht, 1990, S. 85).

- Aus Art. 1 Abs. 1 i.V. mit Art. 20 Abs. 1 GG, aber auch aus Art. 6 Abs. 1 GG folge ferner, daB bei der Besteuerung einer Familie das Existenz- minimum samtlicher Familienmitglieder ,,steuerfrei" bleiben miisse. Das gelte unabhangig davon, wie die Besteuerung im einzelnen ausgestaltet sei und welche Familienmitglieder dabei als Steuerpflichtige herangezogen wiirden. Auch wenn - wie regelmaBig bei Familien mit noch nicht selbst verdienenden Kindern - nur einzelne Familienmitglieder (Eltern) Einkom- men erzielen und auf Grund gesetzlicher Verpflichtung fur den Unterhalt der weiteren Familienmitglieder aufkommen, miisse das Existenzminimum fur die gesamte Familie ,,steuerfrei" bleiben. Wenn der Steuerstaat einem Steuerpflichtigen die Mittel fiir die Unterstutzung unterhaltsbediirftiger Fa- milienmitglieder entziehe, miisse er die unterhaltsbediirftigen Personen in entsprechender Hohe auf Grund der verfassungsrechtlichen Verpflichtung aus dem Sozialstaatsgebot selbst unterstutzen. Daher sei es ,,inkonsequent", dem gesetzlich unterhaltspflichtigen Burger (Eltern) die fiir die Unterhal- tung von Familienangehorigen benotigten Mittel im Wege der Besteuerung ganz oder teilweise zu entziehen (Bundesverfassungsgericht, 1990, S. 85 f.).

- Die ,,Steuerfreiheit" des Familienexistenzminimums wirke sich auch auf die Besteuerung eines Einkommens aus, das dieses Existenzminimum iibersteige. Das Existenzminimum musse dem Steuerpflichtigen nicht nur nach Abzug der Steuern erhalten bleiben. Der Gesetzgeber durfe auch nur das dariiber hinausgehende Einkommen der Besteuerung unterwerfen, weil anderenfalls Familien mit unterhaltsbediirftigen Kindern gegeniiber sonsti- gen Familien, gegeniiber kinderlosen Ehepaaren und gegeniiber kinderlo- sen Alleinstehenden benachteiligt seien (Bundesverfassungsgericht, 1990, S. 86). Werde die Besteuerung fiir Kinderlose und Steuerpflichtige mit Kin- dern nach einem einheitlichen Tarif vorgenommen, so seien die letzteren

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gegeniiber den ersteren benachteiligt, wenn von ihrem Einkommen der Unterhaltsaufwand fur Kinder nicht (wenigstens) in Hohe des Existenzmi- nimums abgezogen werde. Denn sie wiirden dadurch im Ergebnis einer hoheren Steuerbelastung unterworfen als kinderlose Ehepaare oder Allein- stehende, weil sie bei gleichem Ausgangseinkommen die gleichen Steuerla- sten tragen wiirden wie Kinderlose, obwohl ihr Einkommen in Hohe des Existenzminimums der Kinder gebunden sei und ihnen daher insoweit nicht zur freien Verwendung zur Verfugung stehe (Bundesverfassungsgericht, 1990, S. 88).

- Soweit das Einkommen der Familie zur Gewahrleistung des Existenz- minimums der Kinder erforderlich sei, sei es unabhangig vom sozialen Status der Familie nicht disponibel und konne nicht Grundlage der steuerli- chen Leistungsfahigkeit, kein besteuerbares Einkommen sein (Bundesver- fassungsgericht, 1990, S. 87 f.). Die fur den Steuerpflichtigen unvermeidba- ren Sonderbelastungen durch Unterhaltsverpflichtungen minderten seine Leistungsfahigkeit und diirften ohne VerstoB gegen Art. 3 Abs. 1 GG vom Gesetzgeber nicht unberiicksichtigt bleiben (Bundesverfassungsgericht, 1990, S. 86). Auch Unterhaltsaufwendungen fur Kinder seien danach grund- satzlich keine Aufwendungen im privaten Bereich, die nach der Grundregel des § 12 Nr. 1 EStG steuerlich als allgemeine Kosten der Lebensfuhrung nicht abzugsfahig seien. Vielmehr musse beriicksichtigt werden, daB durch diese Aufwendungen die steuerliche Leistungsfahigkeit gemindert werde. Beim Kinderunterhalt folge diese Konkretisierung des Leistungsfahigkeits- prinzips zusatzlich aus der grundlegenden Entscheidung der Verfassung in Art. 1 Abs. 1 und 6 Abs. 1 GG. Der Staat, der die Wiirde des Menschen als hochsten Rechtswert anerkenne (Bundesverfassungsgericht, 1977, S. 227 m. w. N.) und Ehe und Familie dem besonderen Schutz des Staates anheim- gegeben habe, durfe Kinder und private Bediirfnisbefriedigung nicht auf eine Stufe stellen und deshalb auf Mittel, die fur den Lebensunterhalt von Kindern unerlaBlich seien, nicht in gleicher Weise zugreifen wie auf finan- zielle Mittel, die zur Befriedigung beliebiger Bediirfnisse eingesetzt wiirden. Er musse die Entscheidung der Eltern zugunsten von Kindern achten und diirfe den Eltern im Steuerrecht nicht etwa die Vermeidbarkeit von Kindern in gleicher Weise entgegenhalten wie die Vermeidbarkeit sonstiger Lebens- fiihrungskosten (Bundesverfassungsgericht, 1990, S. 87).

- Eine Regelung, die das Existenzminimum bei der Besteuerung von Steuerpflichtigen mit unterhaltsbediirftigen Kindern auBer Betracht lasse, konne nicht mit sozialpolitischen Erwagungen gerechtfertigt werden, selbst wenn die Regelung nur Steuerpflichtige mit uberdurchschnittlichem Ein- kommen treffe. Das folge aus der (hier relevanten) Unterscheidung zwischen vertikaler und horizontaler Gerechtigkeit. In vertikaler Hinsicht musse die Besteuerung hoherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung

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niedriger Einkommen dem Gerechtigkeitsgebot geniigen, in horizontaler Richtung darauf abgestellt werden, da8 Steuerpflichtige bei gleicher Lei- stungsfahigkeit auch gleich hoch besteuert wiirden. Im Verhaltnis zu kinder- losen Steuerpflichtigen gleicher Einkommensstufe, also auf horizontaler Ebene, konne eine steuerliche Mehrbelastung von Steuerpflichtigen mit unterhaltsbediirftigen Kindern durch den Umstand, daB eine Nichtberiick- sichtigung bei iiberdurchschnittlichem Einkommen leichter zu verkraften sei, nicht gerechtfertigt werden. Denn anderenfalls ware, sofern nur das Einkommen hoch genug sei, jede steuerliche Ungleichbehandlung auf hori- zontaler Ebene hinzunehmen und das Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfahigkeit auBer Kraft gesetzt. Eine Durchbrechung der horizonta- len Steuergerechtigkeit konne nicht mit dem Gedanken der vertikalen Steu- ergerechtigkeit legitimiert werden. Der Gesetzgeber diirfe Bezieher hoherer Einkommen nur in einer Weise starker besteuern, die zugleich dem unmit- telbar aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Grundsatz der horizontalen gleichmaBigen Besteuerung Rechnung trage. Er diirfe nicht die Bezieher hoherer Einkommen mit unterhaltsbediirftigen Kindern starker besteuern als Einkommensbezieher gleicher Stufe ohne Kinder (Bundesverfassungsge- richt, 1990, S.89f.).

- Da die Minderung der Leistungsfahigkeit im verfassungsrechtlich gebo- tenen Umfang durch einen Abzug der Aufwendungen von der steuerlichen Bemessungsgrundlage beriicksichtigt werden miisse, wirke sich die Entla- stung in einem Einkommensteuersystem mit progressivem Tarif ebenfalls progressiv aus. Mit der Ersetzung progressiv entlastender Kinderfreibetra- ge durch einen einheitlichen, von der Steuerschuld abziehbaren Entla- stungsbetrag - oder durch ein einheitliches Kindergeld - werde die Besteu-

erung im Vergleich zu Kinderlosen nicht nur linear, sondern auch hinsicht- lich der Steuerprogression verscharft, soweit durch den Entlastungsbetrag die Besteuerung des Existenzminimums nicht ausgeglichen werde (Bundes- verfassungsgericht, 1990, S. 90).

2.2. Besteuerung nach der Leistungsfahigkeit und der sog. Kinder las tenausgleich

Der Abzug eines Kinderfreibetrags von der Bemessungsgrundlage ist

(auch) nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts keine Steuervergiinsti- gung oder Begiinstigung, kein steuerlicher Vorteil, keine Steuerersparnis, keine Forderung der Familie, keine Subvention o.a., sondern die Beriick- sichtigung einer durch die Zahlung von unvermeidbaren Privatausgaben (Unterhaltsleistungen) verminderten Leistungsfahigkeit der Eltern, die dem einfachen Gesetzgeber verfassungsrechtlich vorgegeben ist8. Damit ist der

8 Vgl. z. B. Lang (1990, S. 338), Klein (1987 b, S. 780), Oepen (1992, S. 686 m.w.N.)-

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in der steuerpolitischen Diskussion aufgestellten Behauptung, daB Kinder- freibetrage ,,sozial ungerecht" seien9, der Boden entzogen 10. Nur Steuer- pflichtige mit und ohne Kinder konnen und mussen verglichen werden (,,horizontale Steuergerechtigkeit"). Dem Vergleichspaar ,,Steuerpflichtige mit niedrigem und hohem Einkommen" (,,vertikale Steuergerechtigkeit") ist durch eine entsprechende Gestaltung des Steuertarifs Rechnung zu tra- gen * 1 . Ungenau bzw. irrefuhrend ist auch der weitgehend gebrauchliche Ausdruck ,,Familienlastenausgleich"; denn damit wird der Eindruck er- weckt, daB der Kinderfreibetrag (zusammen mit dem Kindergeld) eine staatliche Transferleistung sei. Das ist jedoch nicht der Fall. Durch den Abzug eines Kinderfreibetrags ,,leistet" der Staat nichts, den Eltern wird nichts ,,gewahrt", sie ,,erhalten" nichts, und es werden keine ,,Lasten aus- geglichen", sondern nur und ausschlieBlich die - verminderte - subjektive Leistungsfahigkeit der Eltern rich tig bemessen12.

2.3. Unvermeidbare Privatausgaben und Einkommensverwendung

Kinderbedingte Aufwendungen sind zwar private Ausgaben, aber keine nichtabzugsfahigen Aufwendungen i. S. des § 12 Nr. 1 EStG, sondern mus- sen von Verfassungs wegen (Art. 1 Abs. 1 , 20 Abs. 1 , 3 Abs. 1 , 6 Abs. 1 GG) steuerlich beriicksichtigt werden, weil sie indisponibel sind 13. Die schlichte Orientierung an der einfachgesetzlichen Unterscheidung zwischen abzugs- fahigen Erwerbsaufwendungen (Betriebsausgaben, Werbungskosten) und nichtabzugsfahigen Ausgaben zur Einkommensverwendung (auch) in der fruheren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Bundesverfas- sungsgericht, 1976, S. 119 f., 121) konnte/kann dies nicht in Frage stellen14. Der 1. Senat hat insoweit seine friihere Auffassung deutlich geandert. Ebenso unmiBverstandlich wird die z. T. im okonomischen Schrifttum auf-

9 Vgl. z. B. Amtliche Begriindung des Entwurfs eines Dritten Steuerreformgesetzes (Bundesregierung, 1974, S. 212): Der Abzug von der Bemessungsgrundlage bewirke als ,,Kehrseite des progressiven Einkommensteuertarifs mit steigendem Einkommen eine uberproportionale Begiinstigung . . ."; ferner Buob (1990, S. 582), Matthaus-Maier (1988, S. 254 ff.). 10 Jiiptner (1990, S. 31 1), Lehner (1993, S. 261), Paus (1990, S. 395). Vgl. ferner bereits Isensee (1988, S. N55), Lang (1983, S. 110f.). 11 Vgl. bereits Pezzer (1987, S. 769); ferner Andel (1992, S. 270ff.), Lang (1990, S. 347). 12 Oepen (1992, S. 688), Tipke (1993 b, S. 682). Der Begriff ,,Kinderlastenabzug" (so Felix, 1990 a, S. 472) ist zwar weniger mifiverstandlich, aber unscharf, weil ,,Lasten" nicht abgezogen werden konnen (sondern nur Aufwendungen). Vgl. auch Oepen (1992, S. 688), der den Begriff ,,Familienbesteuerung" vorschlagt. 13 Bundesverfassungsgericht (1990, S. 87 f.). Vgl. dazu bereits Kirchhof (1986c, S. 126ff.). 14 Klein (1987 a, S. 789; 1987 b, S. 781); ferner Lang (1983, S. 104).

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gestellte Behauptung, Kinder seien ,,Privatsache" und kinderbedingte Auf- wendungen ,,disponible Einkommensverwendung"15, zuriickgewiesen16. Zwar ist die elterliche Entscheidung ,,fur Kinder" frei, Eltern sind aber gesetzlich verpflichtet, ihre Kinder zu unterhalten (§§ 1601 ff. BGB); und da es - nur - um die Besteuerung der Eltern geht, kann der einfache Gesetzge- ber die Erfullung der von ihm selbst normierten Unterhaltspflichten der Eltern bei der Besteuerung nicht ignorieren.

2.4. Kinderfreibetrag und Kindergeld - verfassungsrechtliche Vorgaben

In der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre wird z. T. die Auffassung ver- treten, ein Abzug kinderbedingter Unterhaltsaufwendungen sei keine Folge des Leistungsfahigkeitsprinzips, sondern eine ,,sozialpolitische Entschei- dung", der Kinderfreibetrag eine ,,Sozialleistung"17. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei deshalb zwar nicht im Ergebnis, wohl aber in der Methode verfehlt, ,,6konomisch unhaltbar". Da allein die oko- nomische Sicht entscheidend sei, konnten nur ,,Verfugungsbetrage" Prii- fungsmaBstab sein. Die Nichtbesteuerung des Einkommens in Hohe des Existenzminimums eines Kindes durch den Abzug eines Kinderfreibetrages von der Bemessungsgrundlage bewirke bei Einkommen unterhalb des Exi- stenzminimums nichts, bei hoheren Einkommen fuhre der Abzug zu einem mit dem Einkommen wachsenden Steuerverzicht des Staates. Das sei nicht gerechtfertigt, weil der Abzug eines Kinderfreibetrags (Nichtbesteuerung) einen Einnahmeverzicht des Staates bedeute, der - wie immer - gleichbe- deutend mit einem gleich hohen Transfer sei18.

Ob die Begriindung des Bundesverfassungsgerichts tatsachlich ,,6kono- misch nicht haltbar" ist, miissen und sollten Okonomen entscheiden 19. Fur eine rechtliche Beurteilung sind jedenfalls bindende verfassungsrechtliche Vorgaben maBgebend; und daran ist auch jede wirtschaftliche Betrachtung gebunden 20, wenn sie eine verfassungsrechtlich zulassige Wertung sein will (Tipke, 1993 b, S. 679). Die Behauptung, daB die (unterstellte) okonomische

15 Vgl. z. B. Seidl (1987, S. 210); ferner die Nachweise bei Tipke (1993 b, S. 672 ff.). 16 Bundesverfassungsgericht (1990, S. 87). Vgl. dazu auch Oepen (1992, S. 686). 17 Bareis (1991a, S. 38 ff.; 1991b, S. 1399ff, 1434ff; 1991c, S.405ff), Schneider (1984, S. 356 ff; 1990, S. 133 ff; 1992, S. 1737); ferner Biergans und Wasmer (1985), S. 57 ff) und zuletzt Siegel und Schneider (1994, S. 599 ff). 18 Vgl. dazu auch bereits Tipke (1993 b, S. 676 ff). 19 Vgl. statt vieler (fur die betriebswirtschaftliche Steuerlehre) Dziadkowski (1991a, S. 10; 1991c, S. 805 ff); Bach (1991, S. 122 f. m.w.N. (fur die Finanzwissenschaft)). 20 Praktikabilitat einer Konzeption reicht fur sich allein nicht. DaB es ,,keine logische Restriktion" gibt, die dazu zwingt, die Minderung der steuerlichen Leistungsfahigkeit der Eltern druch einen Kinderfreibetrag zu beriicksichtigen (so Willeke und Onken, 1991, S. 5, 7, 9, 10), ist richtig, andert aber nichts daran, daB steuerpolitisch/familienpolitisch Erwunschtes - auch - verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechen muB.

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Sicht entscheidend sei und deshalb auf Verfugungsbetrage abgestellt werden musse, wird auch durch standige Wiederholung nicht richtig; Verfassungs- recht ist vorrangig. Was (betriebs)wirtschaftlich sinnvoll und logisch mog- lich ist, mag okonomisch eine zweckmaBige Losung sein. Keine Alternative kann sich jedoch iiber zwingende verfassungsrechtliche Vorgaben hinweg- setzen, wenn sie verfassungsrechtlich zulassig in die (Besteuerungs-)Praxis umgesetzt werden soil. Verfassungsrecht hat strikten Vorrang vor jeder abweichenden okonomischen Beurteilung/Wertung.

Aus der - allein entscheidenden - verfassungsrechtlichen Sicht ergibt sich folgendes: Die Besteuerung ist staatlicher Eingriff21, der ein ,,Zugriffsob- jekt" i.S. finanzieller Leistungsfahigkeit voraussetzt (Sohn, 1988 b, S. 161 f.). Ohne Leistungsfahigkeit ist eine Besteuerung als staatlicher Eingriff defini- tionsgemaB ausgeschlossen; der Eingriff ist schon deshalb verfassungswid- rig, weil er zur Zweckerreichung ungeeignet sein muB (ObermaBverbot). Das Leistungsfahigkeitsprinzip ist folglich eine ebenso notwendige wie un- verzichtbare Grundregel jeder staatlichen Besteuerung; es hat eine verfas- sungsrechtliche Schliisselrolle", um ,,die grundrechtlichen Freiheitselemente der Privatniitzigkeit, Privatautonomie, Belastungszumutbarkeit sowie die grundrechtliche und die soziale Gleichheit zu praktischer Konvergenz zu bringen" (Isensee, 1988, S. N37). DaB die Besteuerung gleichmaBig sein (Art. 3 Abs. 1 GG), Belastungsgerechtigkeit wahren und - im hier behandel- ten Zusammenhang - zusatzlich Art. 6 Abs. 1 GG, insbesondere das Be- nachteiligungsverbot dieser Verfassungsvorschrift22, beachten muB, ist ei- nerseits zweifelsfrei, kann aber andererseits nicht in Frage stellen, daB zu- nachst und iiberhaupt Leistungsfahigkeit vorhanden sein muB, um - auch und zugleich - gleichmaBig besteuern zu konnen.

Damit sind auch vereinzelte Versuche der betriebswirtschaftlichen Steu- erlehre, das Leistungsfahigkeitsprinzip als ,,uberholtes Besteuerungsprin- zip" zu disqualifizieren und ,,Neutralitat" zum allein maBgeblichen ,,Be- steuerungsideal" zu erheben (so Wagner, 1992, S. 2ff.), von vorneherein untauglich, weil der in jeder Besteuerung liegende staatliche Eingriff nicht gesehen, der entscheidende verfassungsrechtliche ,,Hintergrund" nicht ver- standen wird. Besteuerung nach der Leistungsfahigkeit ist ein verfassungs- rechtlich zwingendes Besteuerungsprinzip. Neutralitat kann nur ein zusatz- liches Kriterium fur eine leistungsfahigkeitskonforme Besteuerung sein.

Art. 1 Abs. 1 i. V. mit Art. 20 Abs. 2, 3 Abs. 1 und 6 Abs. 1 GG schirmen gegen eine Besteuerung des familiaren Existenzminimums ab23. Das Fami-

21 Klein (1987a, S. 777); vgl. ferner Moderegger (1991, S. 76). zz Vgl. dazu z.B. Klein (1987a, S. 777); Moderegger (1991, S. 28 ff.) jeweils m.w.N. Zi Bundesverfassungsgericht (1990, S. 85 f.); ebenso Pezzer (1987, S. 764). Zum abwei- chenden, ,,freiheitsrechtlichen Begriindungsansatz" des 2. Senats vgl. unten sub 3.

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Page 10: Einkommensteuer und subjektive Leistungsfähigkeit: Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Kinderfreibetrag/Kindergeld und persönlichem Existenzminimum

380 Hartmut Sohn

lienexistenzminimum ist kein besteuerbares Einkommen 24, ein verfas- sungsrechtlich zulassiger Steuereingriff ausgeschlossen; denn insoweit fehlt von vornherein und notwendig steuerliche Leistungsfahigkeit. Wenn die Rechtsordnung Eltern verpflichtet, das Existenzminimum ihrer Kinder zu finanzieren 25, durfen die Eigenmittel, die hierfur kraft bindenden Rechtsbe- fehls verwendet werden miissen, keinem staatlichen Besteuerungseingriff mehr unterliegen (konnen)26, weil sie nicht mehr fur Steuerzahlungszwecke zur Verfugung stehen (konnen). Das Zugriffsobjekt fur einen steuerlichen Eingriff (besteuerbares Einkommen der Eltern) fehlt. Ob Bediirftigkeit der Kinder vorliegt, ist irrelevant; uber Familien- oder Sozialpolitik ist (hier) nicht zu entscheiden (Tipke, 1993 c, S. 16).

DaB der Staat seinen Verpflichtungen als Sozialstaat nachkommt, kann die Nichtsteuerbarkeit des Familienexistenzminimums nicht in Zweifel zie- hen27. Dem Steuerstaat ist es verwehrt, einen Burger zunachst durch einen steuerlichen Eingriff zum ,,Sozialfall" werden zu lassen und dessen Existenz- minimum anschlieBend als Leistungsstaat durch sozialstaatliche HilfsmaB- nahmen zu sichern. Eigenleistung, Eigentumsschutz und eigenfinanzierte Existenz haben Vorrang vor staatlicher Hilfe und staatlichem Eigentumser- satz (Isensee, 1988, S. N42). ,,Steuerverschonung geht vor Sozialleistung" (Tipke, 1993 b, S. 679; 1993 c, S. 16). Das Steuerrecht darf das grundrechtlich sanktionierte Subsidiaritatsprinzip nicht verletzen und die grundsatzliche Nachrangigkeit staatlicher Sozialhilfe nicht unterlaufen28. Oder noch an- ders: In verfassungsrechtlicher Sicht ist der Einsatz selbsterwirtschafteter Mittel fur den Unterhalt eigener Kinder ,,qualitativ" etwas anderes (,,aliud") als eine Finanzierung mit staatlichen Transfers nach einer vorherigen Ent- ziehung der Eigenmittel durch Besteuerung; vom Staat Empfangenes ver- mittelt a priori nicht das gleiche MaB an individueller Freiheit wie das Selbsterworbene29. Okonomisch mogen Verfugungsbetrage entscheidend sein. Verfassungsrecht erlaubt jedoch keine rein quantitative, sondern ver- langt eine qualitative Betrachtungsweise. Deshalb ist die Kritik von Ba- reis 30 schon im Ansatz verfassungsrechtlich ,,unhaltbar".

24 Der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts (1990, S. 60) spricht z. T. ungenau von der ,,Steuerfreiheit" des Existenzminimums; richtig muB es ,,Nichtsteuerbarkeit" heiBen (Dziadkowski, 1991a, S. 9). Vgl. auch Felix (1990a, S. 472: ,,Nichtantastbarkeitstheo- rie"); ferner Finanzgericht Baden- Wiirttemberg (1987, S. 33). 25 Ebenso i. E. Juptner (1990, S. 316), Oepen (1992, S. 688); vgl. ferner Janssen (1991, S. 23). 26 Tipke (1993 c, S. 16). 27 Klein (1980, S. 527), Oepen (1992, S. 685). 2* Isensee (1988, S. N42f.), Kirchhof (1982, S. 308 f.), Lang (1983, S. 121), Pezzer (1987, S. 765). 29 Kirchhof (1982, S. 306), Sohn (1988b, S. 170f.); vgl. ferner Vogel (1987, §27, Rz. 13, 18). 30 Vgl. die Nachweise in Fnl7.

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Einkommensteuer und subjektive Leistungsfahigkeit 381

Die Nichtsteuerbarkeit des Familienexistenzminimums gilt fur ,,arme und reiche Eltern" gleichermaBen (unabhangig von der Einkommens- hohe)31. Denn eine steuerliche Nichtberucksichtigung zwangslaufiger Un- terhaltsaufwendungen fur Kinder verletzt jedenfalls das Gebot horizontaler Steuergerechtigkeit, weil Steuerpflichtige mit Kindern im Verhaltnis zu Steuerpflichtigen ohne Kinder bei gleicher Einkommensstufe gleich hoch belastet wiirden, obwohl Eltern mit Kindern weniger leistungsfahig sind.

2.5. Kinderfreibetrag und/oder Kindergeld?

Der 1 . Senat des Bundesverfassungsgerichts stellt es dem Gesetzgeber frei (gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum), die kindesbedingte Minderung der Leistungsfahigkeit entweder im Steuerrecht zu beriicksichtigen oder ihr statt dessen im Sozialrecht durch die Gewahrung eines dafur ausreichenden Kindergeldes Rechnung zu tragen oder auch eine Entlastung im Steuerrecht und eine solche durch Kindergeld miteinander zu kombinieren32. Werde die kindesbedingte Minderung der Leistungsfahigkeit ausschlieBlich im Steuerrecht beriicksichtigt, habe ein etwaiges Kindergeld nur noch die Funktion einer allgemeinen Sozialleistung. Falls das Kindergeld zusatzlich die Funktion besitze, einen Ausgleich fur eine unzureichende steuerliche Berucksichtigung (zu niedriger Kinderfreibetrag) zu schaffen, miisse das Kindergeld fur die verfassungsrechtliche Priifung in einen fiktiven Kinder- freibetrag umgerechnet und dann zusammen mit dem im Einkommensteu- errecht enthaltenen Freibetrag dem Betrag des Existenzminimums gegen- iibergestellt werden33.

Der 1 . Senat des Bundesverfassungsgerichts zeigt zwar eine gewisse ,,Pra- ferenz fur den Kinderfreibetrag" 34, die Rechtsprechung zur Wahlfreiheit des Gesetzgebers zwischen Kinderfreibetrag und Kindergeld wird jedoch nicht aufgegeben35. Das iiberzeugt nicht.

Wenn das fur das Existenzminimum eines Kindes benotigte Einkommen kein besteuerbares Einkommen sein kann (nicht entzogen werden darf ) und eine gleich hohe steuerliche Belastung von Steuerpflichtigen mit und Steuer- pflichtigen ohne Kinder das Postulat horizontaler Steuergerechtigkeit ver- letzt, ist eine Besteuerung, die kindesbedingte Unterhaltslasten unberiick- sichtigt laBt, nicht nur nicht leistungsfahigkeitskonform, sondern ein verfas-

31 Bundesverfassungsgericht (1990, S. 86); vgl. bereits Pezzer (1987, S. 767; 1989,

S. 224), Zeidler (1983, S. 604). Bundesverfassungsgericht (1990, S. 84); Bundesverfassungsgericht (1982, S. 354).

Ebenso die Amtliche Begriindung des Entwurfs des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 (1982, S. 66).

33 Dazu unten sub 3. 34 So die Wertung durch Juptner (1990, S. 309). 35 Kritisch bereits Lang (1990, S. 339).

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382 Hartmut Sohn

sungswidriger Steuereingriff. Sozialleistungen konnen zwar eine solche ver- fassungswidrige Besteuerung ,,finanziell ausgleichen", aber nicht die Verfas- sungswidrigkeit des Besteuerungse/Hgr/#s heilen 36, das Kindergeld deshalb keine ,,Existenzminimumfunktion" im Steuerrecht ubernehmen (Lang, 1990, S. 339).

Sofern das selbst erwirtschaftete Familieneinkommen der Hohe nach nur das sozialhilferechtliche Familienexistenzminimum erreicht, muB es jeden- falls dem Steuerpflichtigen belassen werden (Lower, 1991, S. 101 ff.): Das folgt einmal aus Art. 1 Abs. 1 GG. Die Wiirde des Menschen ist oberstes Konstitutionsprinzip, Art. 1 Abs. 1 GG eine ,,richtungsweisende Wertent- scheidung", die ,,die engere personliche Lebenssphare und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen" gewahrleistet (allgemeines Personlichkeitsrecht; Bundesverfassungsgericht, 1986, S. 170) und insoweit die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit begrenzt37. Zur geschiitzten Selbstbestimmtheit eines Menschen gehort es auch, daB die existenzsichernden Aufwendungen fur unterhaltsbedurftige Kinder aus selbst erwirtschafteten Mitteln aufgebracht werden konnen/durfen und nicht durch eine Besteuerung der eigenen Mittel soziale Bediirftigkeit eintritt mit der Folge, daB zur Existenzsicherung der Kinder Sozialhilfe in Anspruch genommen werden muB38. Eine Besteue- rung, die soziale Bediirftigkeit herbeifuhrt, die den Einzelnen zum bloBen Objekt staatlichen Handelns macht, ist verfassungswidrig39 und nicht nur eine verfassungsrechtlich folgenlose ,,Torheit"40. Der Steuerstaat muB den Burger als ,,eigenstandig und selbstverantwortlich" respektieren (Bundes- verfassungsgericht, 1982, S. 319); verfassungsrechtlich gilt der Primat der Selbstverantwortung41. Das fur das familiare Existenzminimum Erwor- bene darf deshalb nicht besteuerbar sein42. Der 2. Senat des Bundesverfas- sungsgerichts hat zwar - bisher - nur iiber das personliche Existenzmini- mum entschieden43, jedoch auch (bereits) ausdriicklich festgestellt, daB ei- nem Steuerpflichtigen von seinem Erworbenen - unter Beriicksichtigung von Art. 6 Abs. 1 GG - (auch) das ,,familiare" Existenzminimum belassen

36 Isensee (1982, S. 384), Sohn (1988b, S. 170). 37 Lower (1991, S. 102), Zippelius (1950 fif., Rdnr. 102m.w.N.). 38 Moderegger (1991, S. 81 £T.), Pezzer (1987, S. 765), Lower (1991, S. 102), Sohn (1988b, S.162f.). 39 Juptner (1990, S. 310), Lower (1991, S. 104). Selbst erwirtschaftete, indisponible Mittel konnen auch nicht mehr i.S. des Art. 14 Abs. 2 GG ,,zugleich" dem Wohle der Allgemeinheit dienen; sie mussen dem Eigentumer belassen werden (Lower, 1991, S. 103 m.w.N.; ebenda auch m.N. zu den Besteuerungsgrenzen aus Art. 12 Abs. 1 GG). 40 Lower (1991, S. 103) gegen Herzog (1988, S. 291). 41 Tipke (1989, S. 308), Felix (1990 a, S. 472: ,,Steuerstaat geht vor Sozialstaat"). Vgl. ferner Schemmel (1989, passim). 42 Pezzer (1987, S. 765); ferner Benda (1983, S. 529). 43 Bundesverfassungsgericht (1992, S. 153); vgl. dazu unten sub 3.

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Einkommensteuer und subjek five Leistungsfdh igkeit 383

werden miisse. Damit ist jedenfalls insoweit eine steuerliche Beriicksichti- gung kindesbedingter Unterhaltsaufwendungen zwingend und Kindergeld keine verfassungsrechtlich zulassige Alternative (mehr).

Entsprechend verlangt das grundrechtlich sanktionierte Subsidiaritats- prinzip, der Selbsthilfe innerhalb des engeren Familienverbandes den hohe- ren Rang beizumessen (Zeidler, 1983, S. 604); erst und nur wenn ausrei- chende Eigenmittel fehlen, darf staatliche Forderung eingreifen. Die Exi- stenzsicherung der Familie durch selbst erwirtschaftete Mittel ist in verfas- sungsrechtlicher Sicht qualitativ etwas anderes als eine durch die Besteue- rung der Eigenmittel notwendig werdende Finanzierung durch Sozial- hilfe44. Die Berucksichtigung des familiaren Existenzminimums ist folglich ein verfassungsrechtlich stringenter Bestandteil des Besteuerungstatbestan- des (Lang, 1990, S. 339). Kinderfreibetrag und Kindergeld sind keine belie- big austauschbaren Mittel, Steuerrecht und Sozialrecht nicht ,,zwei Seiten derselben Medaille" (a. A.: Pezzer, 1989, S. 225), die gleiche MaBstabe anle- gen miissen. Eine (Ver-)Bindung besteht lediglich in der Richtung (einseitig), daB das nicht steuerbare familiare Existenzminimum keinesfalls niedriger sein darf als das sozialhilferechtliche Familienexistenzminimum - ein Un- terschreiten indiziert Verfassungswidrigkeit -, aber hoher sein kann und bei einer Orientierung am ,,Menschenbild des Grundgesetzes" auch deutlich hoher sein muB45'46.

2.6. Zur Bemessung eines Kinderfreibetrags

2.6.1. MaBgeblichkeit der zivilrechtlichen Unterhaltspflicht?

Im steuerrechtlichen Schrifttum wird die Auffassung vertreten (vgl. insbe- sondere Klein, 1987 a, S. 795 m.w.N.), ein Kinderfreibetrag diirfe unbescha- det zulassiger Typisierungen und Pauschalierungen nicht ,,unter der zivil- rechtlichen Mindestbelastung" der Eltern (§§1601, 1602ff., 1610 BGB; §§1615a-g BGB) liegen; die Unterhaltstabellen bestimmten die verfas- sungsrechtlich maBgebliche Minderung der Leistungsfahigkeit47. Wenn und weil das Zivilrecht liber den Sozialhilfesatzen liegende Unterhaltslei-

44 Auch wenn das Einkommen (nach Steuern) hoher ist als das sozialhilferechtliche Existenzminimum, folgt die Nichtsteuerbarkeit des Familienexistenzminimums jedenfalls und immer aus Art. 3 Abs. 1 GG (horizontal Steuergerechtigkeit, vgl. oben sub 2.1.). 45 Isensee (1988, S. N43), Schemmel (1991 a, S. 489 m.w.N.).

Vgl. auch den BeschluB der steuerrechtlichen Abteilung des 57. Deutschen Juristen- tags (1988, S. N215): ,,Das steuerliche Existenzminimum darf von Verfassungs wegen nicht unter dem sozialrechtlichen, sondern muB um der Grundrechte willen deutlich iiber diesem liegen." 47 Ebenso: Juptner (1990, S. 313), Lang (1983, S. 110), Moderegger (1991, S. 88 f.), Vogel (1977, S. 41; 1984, S. 203).

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384 Hartmut Sohn

stungen fur Kinder festlege und das Strafrecht die Nichterfullung der zivil- rechtlichen Zahlungspflichten unter Strafe stelle (§ 170 b StGB), sei nur ein steuerlicher Abzug in der zivilrechtlich geschuldeten Hohe systemkonform. Der Gesetzgeber diirfe lediglich weitgehend pauschalieren48. Dem ist das Bundesverfassungsgericht nicht gefolgt: Der 1. Senat hat allerdings die frii- here Gesamtbetrachtung ,,kindesbedingter EntlastungsmaBnahmen und Sachleistungen des Staates" (Bundesverfassungsgericht, 1976, S. 121 f.) auf- gegeben und ausdriicklich festgestellt, daB staatliche Aufwendungen fur die Einrichtung eines Schul-, Bildungs- und Ausbildungssystems usw. nur ho- here Aufwendungen der Eltern verhindern49, aber nichts an der Nichtsteu- erbarkeit des kindesbedingten Existenzminimums andern und daB sonstige ,,kindesbedingte Erleichterungen" im Steuerrecht und in anderen Gesetzen lediglich ,,Sonderbelastungen" beriicksichtigen bzw. von besonderen Bedin- gungen abhangen, die nicht bei jedem Steuerpflichtigen mit Kindern gege- ben sind, so daB sie die ,,allgemeinen Unterhaltskosten" von Eltern nicht beruhren (Bundesverfassungsgericht, 1990, S. 88 f.). Im iibrigen wird aber folgendes gesagt: Aus Griinden der Praktikabilitat konne das Existenzmini- mum eines Kindes bei der Besteuerung in einem einheitlichen Betrag be- riicksichtigt werden; eine Staffelung nach Altersgruppen sei von Verfassungs wegen nicht zwingend. Der Betrag miisse zwar so bemessen sein, daB er ,,in moglichst alien Fallen" den entsprechenden Bedarf abdecke. Jedoch folge weder aus Art. 3 Abs. 1 noch aus Art. 6 Abs. 1 GG, daB der Gesetzgeber die Unterhaltsleistungen fur Kinder in voller Hohe des biirgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruchs, der sich regelmaBig nach der Lebensstellung der El- tern bestimme, berucksichtigen miisse. Eine individuelle Bemessung des Entlastungsbetrags scheide schon deshalb aus, weil dadurch das Besteue- rungsverfahren unverhaltnismaBig erschwert wiirde. Es sei aber auch sach- lich nicht geboten, die steuerliche Entlastung fur kindesbedingte Aufwen- dungen am biirgerlich-rechtlichen Unterhalt auszurichten und sie damit letztlich nach dem sozialen Status der einzelnen Familie zu bestimmen. ,,Dabei" sei zu berucksichtigen, daB der Staat beim unterhaltsberechtigten Kind auf eine Besteuerung des Unterhalts - die verfassungsrechtlich zulas- sig sei, soweit der Unterhalt das Existenzminimum iibersteige - verzichte und damit das Nettoeinkommen der Eltern ,,ungeschmalert der Familie als Bedarfs- und Versorgungsgemeinschaft" verbleibe (Bundesverfassungsge- richt, 1990, S. 91).

Praktikabilitatsgrunde sprechen sicherlich gegen eine individuelle Be- messung und fur einen einheitlichen Kinderfreibetrag. Im iibrigen uberzeugt

48 Dazu insbesondere Bundesverfassungsgericht (1984a, S. 223); Vogel (1984, S. 197 ff. m.w.N.). 49 So bereits Klein (1987 a, S. 789), Pezzer (1987, S. 760).

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Einkommensteuer und subjektive Leistungsfahigkeit 385

die Begriindung des Bundesverfassungsgerichts jedoch nicht. Unterhaltslei- stungen werden zwar bei den Unterhaltsempfangern (Kinder) nicht besteu- ert, das Einkommen des ,,Familienverbandes" bleibt jedoch regelmaBig nicht ,,ungeschmalert", weil die steuerliche Mehrbelastung der progressiv besteuerten Eltern durch die Nichtabzugsfahigkeit der burgerlich-rechtlich geschuldeten Unterhaltsleistungen groBer ist als eine steuerliche Belastung der Unterhaltsleistungen bei den (regelmaBig) niedriger besteuerten Kin- dern50. AuBerdem verkennt das Bundesverfassungsgericht die personale Rechtsnatur der Einkommensteuer. Die Nichtbesteuerung von Unterhalts- leistungen beim Empfanger widerspricht zwar dem System einer am Lei- stungsfahigkeitsprinzip orientierten Besteuerung. Eine systemwidrige Nicht- erfassung steuerlicher Leistungsfahigkeit der Kinder rechtfertigt jedoch keine ,,Oberbesteuerung" unterhaltspflichtiger Eltern. Kinder und Eltern werden jeweils fur sich besteuert (Grundsatz der Individualbesteuerung); eine ,,Veranlagungsgemeinschaft" besteht nicht. Soweit Eltern Unterhalt leisten miissen, ist die subjektive Leistungsfahigkeit der Eltern gemindert; das muB und kann nur bei der Besteuerung der Eltern beriicksichtigt wer- den. Die Nichtberiicksichtigung der Unterhaltspflichten bedeutet daher ei- nen Steuereingriff in eine tatsachlich (so) nicht (mehr) vorhandene Bemes- sungsgrundlage; sie fuhrt zu einer Belastung nicht disponiblen Einkommens (ebenso Paus, 1990, S. 398). Das widerstreitet einer leistungsfahigkeitskon- formen Besteuerung der Eltern (Sohn, 1985, S. 406; 1986 a, S. 331) - einerlei, ob die Unterhaltsempfanger (Kinder) die Unterhaltsleistungen versteuern oder nicht -, ferner dem Grundsatz horizontaler Steuergerechtigkeit (Jiipt- ner, 1990, S. 314). Das Bundesverfassungsgericht argumentiert der Sache nach mit einem Korrespondenzprinzip, das sich zwar im geltenden Einkom- mensteuerrecht findet, aber mit dem Grundsatz der Individualbesteuerung unvereinbar ist: Jeder Steuerpflichtige ist nach seiner Leistungsfahigkeit zu besteuern51; eine Ausnahme gilt nur fur Ehegatten.

2.6.2. Umrechnung von Kindergeld in einen Kinderfreibetrag Halt man (mit dem 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts) die ganzliche

oder partielle Ersetzung eines Kinderfreibetrags durch ein Kindergeld 52 fur verfassungsrechtlich zulassig, stellt sich die Frage, ob die in diesem Fall von

50 Juptner (1990, S. 313), Paus (1990, S. 398). 31 Vgl. bereits Sohn (1985, S. 406); ferner Paus (1990, S. 397 f.), Pezzer (1987, S. 766 f.); aber auch Isensee (1988, S. N 58).

Eine reine Kindergeldlosung hat der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts zwar nicht im einzelnen gepriift, aber auch nicht ausgeschlossen. Fur eine vollige Ersetzung der Kinderfreibetrage durch ein einheitliches Kindergeld tritt insbesondere die SPD ein (vgl. z. B. Matthaus-Maier, 1988, S. 252 ff.).

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386 Hartmut Sohn

Verfassungs wegen notwendige Umrechnung eines Kindergeldes in einen fiktiven Kinderfreibetrag zu einer zutreffenden steuerlichen Beriicksichti- gung der kindesbedingten Unterhaltsaufwendungen fuhrt53. Das Bundes- verfassungsgericht hat lediglich beispielhafte Umrechnungen eines Kinder- geldes in einen einheitlichen Kinderfreibetrag mit drei verschiedenen Steu- ersatzen (30, 40 und 56 v. H.) 54 durchgefuhrt 55 und allgemein verlangt, da8 das Existenzminimum nach einer Umrechnung des Kindergeldes ,,in mog- lichst alien Fallen" den entsprechenden Bedarf abdecken miisse (Bundesver- fassungsgericht, 1990, S. 91). In der anschlieBenden Diskussion ist z.T. ein Umrechnungssatz von 40 v. H. fur ausreichend gehalten worden 56. Grund- satzlich gilt jedoch folgendes: Soil ein VerstoB gegen das Gebot horizontaler Gerechtigkeit vermieden werden, muB ein umgerechnetes Kindergeld (reine Kindergeldlosung) bzw. ein Kinderfreibetrag zusammen mit einem in einen fiktiven Kinderfreibetrag umgerechneten Kindergeld (Kombination von - einem steuerlich zu geringen - Kinderfreibetrag und Kindergeld) ,,in mog- lichst alien Fallen" der Minderung der Leistungsfahigkeit von Steuerpflich- tigen mit Kindern in Hohe des Existenzminimums der Kinder Rechnung tragen. Bei einem unzureichenden steuerlichen Kinderfreibetrag muB folg- lich das umzurechnende Kindergeld so bemessen sein, daB auch noch bei Steuerpflichtigen mit dem hochsten Grenzsteuersatz die Aufwendungen fur das kindesbedingte Existenzminimum erreicht werden (Ross, 1990, S. 612; 1994, S. 50), die Umrechnung deshalb mit dem jeweiligen Spitzensteuersatz erfolgen 57; denn anderenfalls werden Steuerpflichtige mit Kindern nicht ,,in moglichst alien Fallen" hinreichend entlastet. Das bedeutet, daB das - einen fehlenden/unzureichenden steuerlichen Kinderfreibetrag ersetzende/ergan- zende - Kindergeld entweder (1. Alternative) mit hoherem Einkommen der Eltern steigen (,,Staffelung des Kindergeldes nach der Hohe des Einkom- mens der Eltern") 58 oder (2. Alternative) fur alle Steuerpflichtige (einheitlich und) so hoch festgesetzt werden muB, daB es zugleich die Funktion einer (mit wachsendem Einkommen abnehmenden) staatlichen Sozialleistung hat, sobald der Empfanger nicht dem hochsten Grenzsteuersatz unterliegt.

53 Verneinend z. B. Ross (1990, S. 612); vgl. ferner Lehner (1993, S. 266 fif. m.w.N.). 54 Bundesverfassungsgericht (1990, S. 91). Vgl. aber auch Lang (1990, S. 340): Jede

Abweichung von dem im Einzelfall anzuwendenden Steuersatz bewirkt Diskriminierung oder Privilegierung. 33

Bundesverfassungsgericht (1990, S. 95 f.). In mehreren Nichtannahme-Beschliissen des Bundesverfassungsgerichts (1988 a, R. 40; 1988 b, R. 283; 1988 c, R. 41; 1988d, R. 42) war - ohne iiberzeugende Begriindung (Kanzler, 1990, S. 458) - der Eingangssteuersatz zugrundegelegt worden (hiergegen bereits Pezzer, 1989, S. 222). JO Vgl. Oepen (1992, S. 6881.), Bundesministenum der Finanzen (1993, S. 4), Finanz- gericht Koln (1993, S. 525). 57 Juptner (1990, S. 310 f.), Ross (1990, S. 612). 58

Juptner (1990, S. 311), Paus (1990, S. 395).

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Einkommensteuer und subjektive Leistungsfdhigkeit 387

Die erste Alternative diirfte politisch nicht durchsetzbar, die zweite zumin- dest zur Zeit nicht finanzierbar sein (dazu Jiiptner, 1990, S. 31 1 m. N.). Des- halb ware ein ausreichender, einheitlicher steuerlicher Kinderfreibetrag und ein Kindergeld, das nur noch die Funktion einer Sozialleistung hat (,,diiales System", Klein, 1987 a, S. 790), die insgesamt bessere Losung.

3. Steuerliche Berucksichtigung des personlichen Existenzminimums

Der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts hat die sich aus (der jeweili- gen Fassung des) § 32 a Abs. 1 Satz 2 EStG ergebenden Einkommensteuer- tarife der Jahre 1978 bis 1984, 1986, 1988 und 1991 wegen Unvereinbarkeit ,,mit der grundrechtlichen Garantie des einkommensteuerrechtlichen Exi- stenzminimums" (Bundesverfassungsgericht, 1992, S. 169) fur verfassungs- widrig erklart und den Gesetzgeber verpflichtet, spatestens mit Wirkung zum 1. Januar 1996 eine Neuregelung zu treffen. Bis dahin bleiben die verfassungswidrigen Regelungen weiter anwendbar. Nur bei sog. Grenz- steuerzahlern muB(te) der Gesetzgeber bereits ab Veranlagungszeitraum 1993 sicherstellen, daB die zur Deckung des existenznotwendigen Bedarfs erforderlichen ,,Erwerbsbeziige" belassen werden.

Zum steuerlichen Existenzminimum hat das Gericht folgendes festge- stellt:

- Dem der Einkommensteuer unterworfenen Steuerpflichtigen musse nach Erfullung seiner Einkommensteuerschuld von seinem Erworbenen soviel verbleiben, als er zur Bestreitung seines notwendigen Lebensunter- halts und - unter Berucksichtigung von Art. 6 Abs. 1 GG - desjenigen sei- ner Familie bedurfe (Existenzminimum).

- Die Hohe des steuerlich zu verschonenden Existenzminimums hange von den allgemeinen wirtschaftlichen Verhaltnissen und dem in der Rechts- gemeinschaft anerkannten Mindestbedarf ab. Der Steuergesetzgeber musse dem Einkommensbezieher von seinen Erwerbsbeziigen zumindest das be- lassen, was er dem Bedurftigen zur Befriedigung seines existenznotwendigen Bedarfs aus dffentlichen Mitteln zur Verfugung stelle.

- Bei einer gesetzlichen Typisierung sei das steuerlich zu verschonende Existenzminimum grundsatzlich so zu bemessen, daB es in moglichst alien Fallen den existenznotwendigen Bedarf abdecke, kein Steuerpflich tiger also infolge einer Besteuerung seines Einkommens darauf verwiesen werde, sei- nen existenznotwendigen Bedarf durch Inanspruchnahme von Staatslei- stungen zu decken.

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388 Hartmut Sohn

3.1. Existenzminimum als Untergrenze der Besteuerung Nach Ansicht des 2. Senats bildet der existenznotwendige Bedarf von

Verfassungs wegen die Untergrenze fur den staatlichen Zugriff durch die Einkommensteuer (Bundesverfassungsgericht, 1992, S. 169). Das deckt sich im - betragsmaBigen - Ergebnis mit der Auffassung des 1. Senats 59. Der 2. Senat geht zudem (zunachst) noch einen Schritt weiter als der 1. Senat; denn mit der Feststellung, daB der Steuergesetzgeber dem Einkommensbezieher von seinen ,,Erwerbsbeziigen" 60 mindestens das belassen musse, was er dem Bediirftigen zur Befriedigung seines existenznotwendigen Bedarfs aus 6f- fentlichen Mitteln zur Verfugung stelle, wird die vom 1. Senat fur die Be- rucksichtigung kindesbedingter Unterhaltsverpflichtungen zugelassene ,,Wahlfreiheit" zwischen steuerlicher Berucksichtigung (Kinderfreibetrag} und Sozialleistung (Kindegeld)61 insoweit nicht ubernommen; eine Beruck- sichtigung bereits bei der Besteuerung ist zwingend. Das ist verfassungs- rechtlich und steuersystematisch ein wesentlicher Fortschritt (ebenso Schemmel, 1993, S. 76) - und eine verbindliche Vorgabe fur die steuerpoli- tische Diskussion.

Der 2. Senat stiitzt sich nicht auf Art. 1 Abs. 1 i. V. mit Art. 20 Abs. 1 GG, sondern wahlt einen ,,freiheitsrechtlichen Begriindungsansatz": Steuerge- setze muBten in ihrer freiheitsbeschrankten Wirkung jedenfalls an Art. 2 Abs. 1 GG gemessen werden. Ein Steuergesetz greife in die allgemeine Handlungsfreiheit gerade in deren Auspragung als personliche Entfaltung im vermogensrechtlichen und im beruflichen Bereich (Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG) ein. Deshalb diirfe ein Steuergesetz keine ,,erdrosselnde Wir- kung" haben, das geschiitzte Freiheitsrecht mithin nur so weit beschrankt werden, daB dem Grundrechtstrager (Steuerpflichtigen) ein Kernbestand des Erfolges eigener Betatigung im wirtschaftlichen Bereich in Gestalt der grundsatzlichen Privatniitzigkeit des Erworbenen und der grundsatzlichen Verfugungsbefugnis iiber die geschaffenen vermogenswerten Rechtspositio- nen erhalten bleibe. Hieraus folge, daB dem der Einkommensteuer unter- worfenen Steuerpflichtigen nach Erfullung seiner Einkommensteuerschuld von seinem Erworbenen so viel verbleiben musse, als er zur Bestreitung seines notwendigen Lebensunterhalts und - unter Berucksichtigung von Art. 6 Abs. 1 GG - desjenigen seiner Familie bediirfe (,,Existenzminimum"; Bundesverfassungsgericht, 1992, S. 169). Der 2. Senat auBert sich weder hier noch an anderer Stelle zur abweichenden Begriindung des 1. Senats. Des- halb ist die Annahme, daB der verfassungsrechtliche Ansatz des 1. Senats

59 S. obensub2.1. °" Zu diesem Begntt s. unten sub 3.3. 61 Zur Kritik s. oben sub 2.5.

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Einkommensteuer und subjektive Leistungsfdhigkeit 389

vom 2. Senat aufgegeben worden sei (so Arndt, 1993 a, S. 6) (werden sollte), reine Spekulation. Vorerst stehen zwei unterschiedliche Ansatze bezie- hungslos nebeneinander (Schemmel, 1993, S. 83).

DaB die Besteuerung freiheitsbeschrankende Wirkung hat, so daB der steuerliche Eingriffan Art. 2 Abs. 1, 14 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG zu messen ist, ist in der rechtswissenschaftlichen Literatur und in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seit langem anerkannt62. Eine ,,freiheitsrecht- liche Begriindung" miiBte auch nicht zwangslaufig zu einem schwacheren Schutz gegen Besteuerungseingriffe in das Existenzminimum fuhren (vgl. insbesondere Lehner, 1993, S. 337 ff., 380 ff., 400 f.). Ob jedoch der vom 2. Senat entwickelte ,,freiheitsrechtliche Verschonungsansatz" (und so wie er verstanden wird) fur das personliche Existenzminimum verfassungsrecht- lich und/oder steuersystematisch einen Fortschritt bedeutet (so Lehner, 1992, S. 1641, 1642), ist eher fraglich.

Der 2. Senat hat die auch nach der Verfassungsrechtsprechung geringe Schutzwirkung der Art. 2 Abs. 1,12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG gegen Besteue- rungseingriffe63 (offensichtlich) durch eine Neubestimmung des Verbots der ,,Erdrosselungssteuer" verstarken wollen. Dem Steuerpflichtigen nriisse ,,ein Kernbestand des Erfolges eigener Betatigung im wirtschaftlichen Be- reich in Gestalt der grundsatzlichen Privatniitzigkeit des Erworbenen und der grundsatzlichen Verfugungsbefugnis fiber die geschaffenen vermogens- werten Rechtspositionen" erhalten bleiben (Bundesverfassungsgericht, 1992, S. 169) und von den das Existenzminimum fibersteigenden Einkom- mensteilen jeweils angemessene Betrage verbleiben; ein Progressions- sprung, der die vertikale Gleichheit im Verhaltnis geringerer zu hoheren Einkommen auBer acht lasse, sei verfassungswidrig (Bundesverfassungsge- richt, 1992, S. 170). Das bedeutet zwar eine verfassungsrechtliche Beschran- kung der - politischen - Entscheidung fiber den Tarifverlauf und eine Be- grenzung des Steuereingriffs ,,nach oben" (Limitierung durch die Privatnut- zigkeit des Erworbenen). Die verfassungsrechtlichen Schranken sind aber so allgemein (formuliert), daB der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers praktisch nicht eingeengt wird (kritisch auch Schemmel, 1993, S. 74). Kon- kret ist nur die kategorische Forderung des 2. Senats, dem Steuerpflichtigen das selbst erworbene Existenzminimum zu belassen (Besteuerungsunter- grenze).

62 Vgl. dazu insbesondere Friauf (1989, S. 29 f.), Kirchhof (1981, S. 271), Lehner (1992, S. 1642; 1993, S. 337 ff. m.w.N.). 63 Arndt (1993a, S. 7), Schemmel (1993, S. 73 ff.). Zum Verhaltnis Besteuerung - Berufsfreiheit/Gewahrleistung des Eigentums, insbesondere zu den Versuchen, die Be- steuerung ,,durch Art. 14 GG" zu beschranken, vgl. zuletzt - sehr kritisch - Tipke (1993a, S.436ff., 442ff., 452ff. m.w.N.).

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390 Hartmut Sohn

Die verfassungsrechtliche Garantie des einkommensteuerrechtlichen Exi- stenzminimums wird vom 2. Senat nicht nur anders begriindet; der verfas- sungsrechtliche Schutz gegen Besteuerungseingriffe wird (dadurch) zudem tatsachlich zuruckgenommen 64, auf eine bloBe ,,Mindest-Geldbetragsga- rantie" reduziert.

- Nach Ansicht des /. Senats ergibt sich aus Art. 1 Abs. 1 i. V. mit Art. 20 Abs. 1 GG die Nichtsteuerbarkeit des familiaren Existenzminimums65. Das gilt jedenfalls, wenn das durch kindesbedingte Unterhaltsleistungen geminderte Einkommen der Eltern das familiare Existenzminimum nicht iibersteigt66. In diesem Fall liegt von vorneherein kein besteuerbares Ein- kommen vor; der Abzug von der Bemessungsgrundlage ist zwingend. 1st das Einkommen hdher als das familiare Existenzminimum, darf der Gesetz- geber nach Meinung des 1 . Senats ,,auch nur das dariiber hinausgehende Einkommen der Besteuerung unterwerfen"; begriindet wird dies allerdings nicht mit Art. 1 Abs. 1 GG i. V. mit Art. 20 Abs. 1 GG, sondern mit dem Gebot horizontaler Gerechtigkeit (Bundesverfassungsgericht, 1990, S. 86).

- Der 2. Senat hat zwar entschieden, daB der existenznotwendige Bedarf von Verfassungs wegen die Untergrenze fur den Zugriff der Einkommen- steuer bildet (Bundesverfassungsgericht, 1992, S. 169), stellt jedoch zugleich fest, daB dies allerdings nicht bedeute, ,,daB jeder Steuerpflichtige vorweg in Hohe eines nach dem Existenzminimum bemessenen Freibetrags verschont werden" miisse (Bundesverfassungsgericht, 1992, S. 169 f.). In welcher Weise der Gesetzgeber dieser verfassungsrechtlichen Vorgabe Rechnung trage, sei ihm iiberlassen. Der Gesetzgeber suche dem derzeit zu genugen, indem er zwangslaufige private Aufwendungen von der Bemessungsgrundlage ab- ziehe, einen existenznotwendigen Bedarf in einem in den Tarif eingearbeite- ten Grundfreibetrag von der Einkommensteuer freistelle und der hoheren Belastbarkeit der Steuerpflichtigen mit hoherem Einkommen durch einen progressiven Tarif Rechnung trage. Das sei verfassungsrechtlich zulassig. In

64 Arndt (1993 a, S. 3) spricht (weitergehend) von einem ,,Traditionsbruch", einer neuen ,,vierten Phase" der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Besteue- rung. 65 S. obensub2.1.

66 Die Annahme von Arndt (1993 a, S. 5), daB sich der 1. Senat nicht unmittelbar auf Art. 1 Abs. 1 i. V. mit Art. 20 Abs. 1 GG bezogen habe, ist ebenso unrichtig wie die (nicht begriindete) Behauptung von Schmidt- Liebig (1992, S. 108 f.), daB der im Kindergeld- beschluB festgestellte VerfassungsverstoB nicht auf einer unmittelbaren Anwendung der Art. 1 Abs. 1 i. V. mit Art. 20 Abs. 1 GG beruhe. Der 1. Senat hat - erst und nur - die Nichtsteuerbarkeit des Familienexistenzminimums bei einem das Existenzminimum ubersteigenden Einkommen ,,lediglich" mit dem Gebot horizontaler Gerechtigkeit be- griindet (s. oben sub 2.1.).

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Einkommensteuer und subjektive Leistungsfdhigkeit 391

einem solchen ,,Regelungssystem"67 hingen Tarif und Bemessungsgrund- lage in ihrer verfassungsrechtlichen Vertretbarkeit wechselseitig voneinan- der ab. Wenn der Gesetzgeber einen Grundfreibetrag im Tarif vorsehe und der mit wachsendem Einkommen steigenden Belastbarkeit des Steuerpflich- tigen durch die Gestaltung des Tarifs Rechnung trage, sei es ihm ,,unbenom- men", in folgerichtig gestalteten Obergangen den Tarifverlauf so zu gestal- ten, daB die Entlastungswirkung des angemessenen qualifizierten Existenz- minimums, das zunachst bei alien Steuerpflichtigen berucksichtigt werde, ,,schrittweise kompensiert" werde. Entscheidend sei, daB von den ,,das Exi- stenzminimum ubersteigenden Einkommensteilen dem Steuerpflichtigen je- weils angemessene Betrage" verblieben, also nicht ein ,,Progressionssprung" stattfinde68, der die vertikale Gleichheit im Verhaltnis geringerer zu hohe- ren Einkommen auBer acht lasse (Bundesverfassungsgericht, 1992, S. 170).

Das bedeutet konsequent zu Ende gedacht: Dem Steuerpflichtigen miis- sen lediglich ,,nach Steuern" ein das personliche Existenzminimum nicht iibersteigendes Einkommen zur Ganze und von den ubersteigenden Ein- kommensteilen jeweils ,,angemessene Betrage" belassen werden. Im ubrigen gilt ,,Gestaltungsfreiheit" der Legislative. Der Gesetzgeber konnte fur das Existenzminimum einen Freibetrag vorsehen (Abzug von der Bemessungs- grundlage), den jetzigen Grundfreibetrag beibehalten oder einen Abzug von der Steuerschuld einfiihren. Ein Abzug von der Bemessungsgrundlage ist nach dieser Ansicht von Verfassungs wegen nicht zwingend69'70.

67 DaB das Bundesverfassungsgericht die unterschiedlich geregelte Beriicksichtigung indisponibler privater Aufwendungen ernsthaft als ,,Regelungssystem" qualifiziert (Bun- desverfassungsgericht, 1992, S. 170), obwohl eher ein ,,ungeregeltes, nicht aufeinander abgestimmtes Nebeneinander" vorliegt, soil hier nicht weiter kommentiert werden. Der Steuergesetzgeber wird jedenfalls erfreut zur Kenntnis nehmen, daB er ein ,,Regelungss>>- stem" geschaffen hat!

bS Deshalb ist der Verlauf des Grenzsteuersatzes der sog. kleinen Losung, mit der fur die Ubergangszeit von 1993 bis 1995 der Forderung des Bundesverfassungsgerichts nach einer sofortigen ,,Entlastung" der Bezieher geringer Einkiinfte Rechnung getragen wer- den soil (Bundesminister der Justiz, 1993, S. 1569), alles andere als ,,unproblematisch" (vgl. Thormahlen und Specht, 1993, S. 362 mit Fn. 28). D" Ebenso: Giloy (1986, S. 56 fl.), Glanegger (1993, Anm. 1 b), Klein (1988, S. N 171 f.), Martens (1989, S. 209), Lehner (1986, S. 59 ft; diese Auffassung hat Lehner ausdriicklich aufgegeben, vgl. Lehner, 1992, S. 643), Stephan (1988 ff., Rdnr. 10), Schmidt- Liebig (1992, S. 107fT.) mit z.T. polemischer Argumentation; Tipke (1990, S. 350; 1993c, S. 18 f.), Weiser(1991, S. 661). 70 Nach Auffassung von Bareis (1991 c, S. 41 1) muB der Tarif ,,auf das Markteinkom- men ohne Abzug irgendeines ,Existenzminimums4 angewendet" werden. Das Existenz- minimum beeinflusse ,,allein den Bereich der Tarifzone". Dazu ist nochmals zu wieder- holen: Verfassungsrechtliche Vorgaben fur Besteuerungseingriffe sind auch fur jede okonomische Alternative vorrangig (s. oben sub 2.4.), und zur Aufhellung der maBgebli- chen verfassungsrechtlichen Zusammenhange tragen die ,,6konomischen" Forderungen von Bareis nichts bei.

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392 Hartmut Sohn

Die ,,neue Linie" des 2. Senats ist scharf kritisiert worden. Felix spricht von einem Riickzug aus der ,,Vorweg-Theorie"71/,,Nichtantastbarkeits- Theorie"72 und einer Ersetzung durch eine bloBe ,,Rest-Theorie". Arndt (1993 a, S. 7) beklagt, daB die Besteuerung nach der subjektiven Leistungsfa- higkeit (subjektives Nettoprinzip) ,,zur Disposition gestellt werde" 73. Diese Kritik mag gelegentlich iiberzogen sein; verfassungsrechtlich und steuersy- stematisch bringt die Rechtsprechung des 2. Senats jedenfalls insgesamt mehr Ruckschritt als Fortschritt.

Unvermeidbare Privatausgaben mindern das disponible Einkommen; die Einkommensteuer darf nur auf disponibles Einkommen zugreifen (Bundes- verfassungsgericht, 1982, S. 344 ff.). Was ein Steuerpflichtiger fur sein per- sonliches Existenzminimum verwenden muB, ist indisponsibel; insoweit fehlt notwendigerweise steuerliche Leistungsfahigkeit (vgl. auch Lehner, 1992, S. 1643; 1993, S. 410 f.). Eine an der Leistungsfahigkeit orientierte Einkommensbesteuerung muB alien Steuerpflichtigen einen entspre- chenden Abzug von der Bemessungsgrundlage gewahren74. Denn ,,fur Arme wie Reiche" gilt: Was sie fur den existenznotwendigen Bedarf auf- wenden mussen, steht fur eine Steuerzahlung nicht mehr zur Verfugung (Tipke, 1989, S. 308; 1990, S. 349). Durch eine Einbeziehung der fur den existentiellen Bedarf benotigten Eigenmittel in die Bemessungsgrundlage des staatlichen Steuereingriffs wird die Bemessungsgrundlage falsch, weil sie in Hohe des Existenzminimums zu hoch ist. Insoweit kann Einkommen von vornherein kein Zugriffsobjekt staatlicher Besteuerung sein. Nur ein Abzug des Existenzminimums von der Bemessungsgrundlage verwirklicht eine leistungsfahigkeitskonforme Besteuerung75.

71 Felix (1992, R. 87). 72 Felix (1990a, S. 472). 73 Lehner (1992, S. 1643 f.) begriiBt den ,,freiheitsrechtlichen Verschonungsansatz" des 2. Senats zwar als ,,Meilenstein in der Verfassungsrechtsprechung", konstatiert aber, daB die Entscheidung im Ergebnis doch zum Teil wieder zurucknehme, was sie in bezug auf die Bemessung dieses freiheitsrechtlich gepragten Existenzminimums verlange. 74 Ebenso: Lehner (1993, S. 410) mit einer Ableitung aus Art. 14 GG.

75 Ebenso z.B.: Buob (1991, S.9ff.), Arndt (1993a, S. 5), Dotsch (1991, S. 317), Dziadkowski (1991 a, S. 9; 1991 b, S. 281, 282; 1991 c, S. 807, 808 f.), Esser (1993, S. 757), Friauf (1989, S. 29, 30), Isensee (1988, S. N42ff., 66), Kirchhof (1988b, S. F58ff.; 1988c, S. N174; 1986 ff. b, Rdnr. 11; 1986c, S. 130ff.), Lang (1985b, S. 21; 1981/88, S. 195 f.), Lehner (1990, S. 163), Pezzer (1987, S. 770 f.), Schemmel( 1991b, S. 54 ff.; 1993, S. 72), Tipke und Lang (1991, S. 213 f.), Traxel (1989, S. 128), Vorwold (1992, S. 265 f.), Uelner (1988, S. N 22 f.), Niedersachsisches Finanzgericht (1991 , S. 260 f.), Finanzgericht Minister (1991, S. 253), Finanzgericht des Saarlandes, (1991, S. 331). Schmidt-Liebig (1992, S. 110) behauptet, daB ,,der Schutz des Existenzminimums keine Leistung sei, die mit Mitteln des Einkommensteuerrechts sinnvoll erbracht werden" konne. Wenn ein Steuerpflichtiger nach Abzug der Einkommensteuer iiber geringere Mittel als nach den Sozialhilfesatzen verfuge, komme ein BilligkeitserlaB (§ 227 AO) in Betracht. Diese Auf- fassung verfehlt nicht nur in prinzipieller Weise die Grundsatze einer leistungsfahigkeits-

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Einkommensteuer und subjektive Leistungsfdhigkeit 393

Das fur das personliche Existenzminimum benotigte Einkommen ist nicht nur aus systematischen Griinden, sondern auch und bereits von Ver- fassungs wegen nicht besteuerbar, ein Abzug des Existenzminimums von der Bemessungsgrundlage deshalb (auch) verfassungsrechtlich geboten76.

- Das ergibt sich fur ein das Existenzminimum nicht ubersteigendes Einkommen (sog. Grenzsteuerzahler) jedenfalls aus Art. 1 Abs. 1 i.V. mit Art. 20 Abs. 1, 3 Abs. 1 GG77. Insoweit besteht ein striktes Besteuerungs- verbot; darin ist dem 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts78 zuzustim- men. Der ,,freiheitsrechtliche Verschonungsansatz" des 2. Senats fuhrt zum gleichen Ergebnis, ist aber nicht iiberzeugender.

- Die Nichtsteuerbarkeit des ,,Anfangs-Einkommens" gilt allgemein - fur sog. Grenzsteuerzahler und wenn das Einkommen hoher ist als das personliche Existenzminimum - und folgt allgemein aus den materiell- rechtlichen Vorgaben der Art. 1 Abs. 1 GG i. V. mit Art. 20 Abs. 1 GG 79' 80. Das Existenzminimum muB nicht nur jedem Steuerpflichtigen nach Steu- erabzug erhalten bleiben: Der Gesetzgeber darf nur das dariiber hin- ausgehende Einkommen der Besteuerung unterwerfen81; das fur den exi- stentiellen Bedarf notwendige Einkommen ist - immer 82 - von Verfassungs

konformen Besteuerung. Ein dem finanzbehordlichen Ermessen iiberlassener SteuererlaB kann auch keinesfalls allgemein die notwendige einkommensteuerrechtliche Beriicksichti- gung des Existenzminimums (bereits) bei der Steuerfestsetzung ersetzen. 76 Ebenso: Isensee (1988, S. N43), Lang (1981/1988, S. 195 f.), Kirchhof (1986c, S. 128, 150f.; 1988b, S. F59; 1988c, S. N174), Sohn (1988b, S. 168 f.), Traxel (1989, S. 127 f.). 77 Vgl. oben sub 2.4.

78 Dazu oben sub 2.1. 79 Vgl. auch Niedersachsisches Finanzgericht (1992, S. 367), Felix (1992, R. 87), Pez-

zer (1989, S.223f.), a. A.: Dotsch (1991, S. 317), Lehner (1990, S. 761), Tipke (1990, S. 349 f.; 1993b, S. 685; 1993c, S. 18 f.), Vorwold (1992, S. 265); vgl. ferner Lower (1991, S. 104 f.). 80 Lehner (1990, S. 761) folgert die Nichtsteuerbarkeit des personlichen Existenzmini- mums (erst) aus der ,,gleichheitskonformen Verwirklichung gerechter Steuerbelastung". Vgl. aber auch Lehner (1993, S. 410 f.). 81 Ebenso: Finanzgericht Minister (1991, S. 253). Vgl. auch Bundesverfassungsgericht (1990, S. 87).

Die Auffassung, dafi ein VerstoB gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht vorliege, wenn alle Steuerpflichtigen durch ein zu niedriges Existenzminimum betroffen und benachteiligt seien (Dotsch, 1991, S. 317; Kanzler, 1990, S. 458; Tipke, 1990, S. 350; 1993c, S. 19; Vorwold, 1992, S. 265), ist nur formal zutrefTend. Denn durch einen Abzug von der Bemessungsgrundlage werden Steuerpflichtige je nach Einkommenshohe als Reflex des progressiven Einkommensteuertarifs folgerichtig unterschiedlich hoch entlastet; die tarif- liche Grundfreibetragslosung (oder ein Abzug von der Steuerschuld) behandelt daher ,,Ungleiches gleich" (Felix, 1990 b, S. 8243; Lang, 1990, S. 331; Lehner, 1992, S. 1643). Vgl. ferner Kirchhof (1988 b, S. F57): Bei einer Einbeziehung des existenznotwendigen Einkommens in die Bemessungsgrundlage wird die darauf entfallende Steuer durch eine Tarifkorrektur ,,in einem die Progression nicht umkehrenden, gleichbleibenden Abzug von der Steuerschuld (nur) teilriickerstattet".

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394 Hartmut Sohn

wegen indisponibel (Sohn, 1988 b, S. 163 m. w. N.). Jedem ist das steuerliche Existenzminimum zuzubilligen, auch dem ,,Reichen" (Kirchhof, 1986 c, S. 129 f., 151; 1988 b, S. F57). Was fur ein menschenwiirdiges Dasein beno- tigt wird, ist deshalb durch Art. 1 Abs. 1 GG der Besteuerung von vornher- ein und immer entzogen83. Eine Einbeziehung in die Bemessungsgrund- lage behandelt das fur die Sicherung der eigenen Existenz Benotigte als steuerbar, d. h. als Zugriffsobjekt staatlicher Besteuerung, obwohl die Ver- fassung den selbstverantwortlichen und freien Grundrechtstrager (Steuer- pflichtigen) will (Art. 1 Abs. 1 GG), der folglich mit seinem Existenzmini- mum keinem staatlichen Zugriff unterliegen darf84*85. Der Einwand, ,,reiche" Steuerpflichtige benotigten keine steuerliche Verschonung des Exi- stenzminimums, weil sie es schon hatten86, ist (so) nicht zutreffend bzw. greift zu kurz. Dem ,,Reichen" muB zwar das Existenzminimum nicht ,,be- lassen" werden, weil er finanziell darauf angewiesen ware. Das Existenzmi- nimum ist aber fur jedermann indisponibel. DaB jedem Steuerpflichtigen das Existenzminimum nur ,,betragsmaBig belassen" werden muB, ent- spricht nicht der von Verfassungs wegen gebotenen ,,qualitativen Betrach- tungsweise".

Der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts ist der Ansicht, daB Bemes- sungsgrundlage und Tarif in ihrer verfassungsrechtlichen Vertretbarkeit wechselseitig voneinander abhangen und der Tarifverlauf so gestaltet wer- den konne, daB ,,die Entlastungswirkung des angemessen quantifizierten Existenzminimums, das zunachst bei alien Steuerpflichtigen beriicksich- tigt" werde, ,,schrittweise kompensiert" werde (Bundesverfassungsgericht, 1992, S. 170) bzw. daB die Entlastungswirkung eines ausreichenden Grund- freibetrags bei hoherem Einkommen in der progressionsansteigenden Steuer- belastung ,,schrittweise aufgehen" konne (Bundesverfassungsgericht, 1992, S. 178). Diese Feststellungen sind in der steuerpolitischen Diskussion er- wartungsgemaB in erwimschtem Sinne verstanden87, im steuerrechtlichen Schrifttum unterschiedlich betwertet worden. So meint z. B. Schemmel (1993, S. 75), der 2. Senat iiberlasse dem Gesetzgeber, ob er das Existenzmi- nimum bei alien Steuerpflichtigen von der Steuer ,,befreie". Die Gewah-

83 Ebenso: Pezzer (1989, S. 224), Schemmel (1993, S. 75), Traxel (1989, S. 127 f.). 84 Zur Begriindung der Nichtsteuerbarkeit des Existenzminimums mit einem ,,aus der

Eigentumsgarantie des Art. 14 GG zu entfaltenden Prinzip" vgl. Lehner (1990, S. 761 f.; 1993, S. 364 ff., 410 f.). 83 Eine Erstreckung der Bemessungsgrundlage aut das existenzsichernde binkommen ist fur die staatliche Einnahmenerzielung auch nicht erforderlich (UbermaBverbot).

86 So z.B. Klein (1988, S. M172), Martens (1989, S. 209), Schmidt-Liebig (1992, S. 110). 87 Vgl. z. B. Bundesministerium der Finanzen (1993, S. 1 F): ,,Es stellt sich auch die Frage, ob und inwieweit der Grundfreibetrag bei mittleren und hoheren Einkommen abgebaut werden kann".

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Einkommensteuer und subjektive Leistungsfdhigkeit 395

rung der ,,vollen Steuerbefreiung" werde bei besser verdienenden Steuer- pflichtigen zu einer ,,Steuervergunstigung", die in weiten Teilen politisch gestaltbar sei. Die Steuerbefreiung selbst werde als ,,sozialpolitische Ver- schonung" betrachtet, die ,,dann natiirlich den Steuerpflichtigen versagt werden" konne, ,,die dieser Verschonung nicht" bedurften. Tipke (1993 b, S. 686; 1993 c, S. 19) halt nunmehr auch eine ,,Freigrenze mit gleitendem Ubergang" fur verfassungsrechtlich zulassig88.

Wie die Aussagen des 2. Senats zu verstehen sind, laBt sich nicht sicher sagen. Jedenfalls ist folgendes festzuhalten: Die behauptete wechselseitige Abhangigkeit von Bemessungsgrundlage und Tarif uberzeugt nicht bzw. ist zumindest miBverstandlich (formuliert). Bemessungsgrundlage und Tarif sind zwar nicht isoliert zu betrachten, aber fur sich zu beurteilen89:

- Die Bemessungsgrundlage muB zunachst/wr sich verfassungskonform sein; dazu gehort auch die Nichtsteuerbarkeit des Existenzminimums (Ab- zug von der Bemessungsgrundlage). Der Tarif darf erst auf eine ,,richtige" Bemessungsgrundlage angewendet werden.

- In der Tarifgestaltung ist der Gesetzgeber weitgehend frei. Nach An- sicht des 2. Senats miissen dem Steuerpflichtigen lediglich von den das Existenzminimum iibersteigenden Einkommensteilen jeweils angemessene Betrage verbleiben, und es darf kein ,,Progressionssprung" stattfinden. Der Gesetzgeber kann folglich eine durch ein hoheres steuerliches Existenzmini- mum eintretende steuerliche Entlastung durch einen starker progressiven Tarif ,,schrittweise kompensieren" bzw. die Entlastungswirkung eines ange- hobenen, ausreichenden Grundfreibetrags bei hoherem Einkommen in der progressionsansteigenden Steuerbelastung ,,schrittweise aufgehen" lassen. Darauf hat im iibrigen bereits der 1 . Senat des Bundesverfassungsgerichts im sog. KindergeldbeschluB ausdriicklich hingewiesen (Bundesverfassungs- gericht, 1990, S. 90).

- Das personliche Existenzminimum muB als solches immer und bei alien Steuerpflichtigen beriicksichtigt werden. Ein (schrittweiser) ,,Abbau" bzw. eine Streichung ist nicht nur mit einer leistungsfahigkeitskonformen Be- steuerung unvereinbar, sondern ebenso mit Art. 1 Abs. 1 GG. Das gilt auch fur eine bloBe ,,Freigrenze". Das Existenzminimum ist fur jeden Steuer- pflichtigen indisponibel, die steuerliche Verschonung nie eine Steuervergun- stigung. Nur iiber die Hohe des steuerlichen Zugriffs auf die zutreffende und verfassungskonforme Bemessungsgrundlage ist - auch bei mittleren und hoheren Einkommen - bei der Tarifgestaltung zu entscheiden.

88 Fruher ist Tipke entschieden gegen eine ,,Grundfreigrenze" eingetreten, weil man anderenfalls auch eine Besteuerung des Bruttoeinkommens fur zulassig halten miisse (Tipke, 1989, S. 308). Warum jetzt verfassungsrechtlich etwas anderes gelten soil, wird nicht erklart.

8y Dziadkowski (1991 a, S. 11); a. A.: Dotsch (1991, S. 317).

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- Der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts stellt mit einer rein ,,be- tragsmaBigen Betrachtungsweise" ohne zwingenden Grund und ohne iiber- zeugende Begriindung die - nicht zuletzt durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten - Grundsatze einer leistungsfahig- keitskonformen Besteuerung ,,zur freien Disposition" des Gesetzgebers. Selbst ein steuerlicher Zugriff auf die Bruttoertrage lieBe sich danach ver- fassungsgemaB ,,gestalten"! Der ,,freiheitsrechtliche Verschonungsansatz" des 2. Senats darf deshalb nicht die Ankniipfung des 1 . Senats an Art. 1 Abs. 1 i. V. mit Art. 20 Abs. 1 GG ersetzen; die unterschiedlichen Ansatze sind vielmehr wie folgt zu ,,harmonisieren": Verfassungsrechtliche Grund- lage fur das personliche (und das familiare) Existenzminimum muB bei jedem Steuerpflichtigen Art. 1 Abs. 1 i. V. mit Art. 20 Abs. 1 GG sein; der freiheitsrechtliche Ansatz des 2. Senats wirkt ,,erganzend" (Lehner, 1992, S. 1643), insbesondere fur eine strikte Vorrangigkeit der steuerlichen Ver- schonung des Existenzminimums vor Sozialleistungen (Schemmel, 1993, S. 84).

3.2. Bemessung des Existenzminimums

Die Hohe des steuerlich zu verschonenden Existenzminimums hangt nach Ansicht des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts von den allge- meinen wirtschaftlichen Verhaltnissen und dem in der Rechtsgemeinschaft anerkannten Mindestbedarf ab. Es sei Aufgabe des Gesetzgebers, diesen Bedarf einzuschatzen. Soweit er jedoch im Sozialhilferecht den Mindestbe- darf bestimmt habe, der bei einem mittellosen Burger im Rahmen der sozialstaatlichen Fiirsorge durch Staatsleistungen gedeckt werden miisse, diirfe das von der Einkommensteuer zu verschonende Existenzminimum diesen Betrag jedenfalls nicht unterschreiten. Der Steuergesetzgeber miisse dem Einkommensbezieher von seinen Erwerbsbezugen zumindest das be- lassen, was er dem Bediirftigen zur Befriedigung seines existenznot- wendigen Bedarfs aus offentlichen Mitteln zur Verfugung stelle. MaBgroBe fur das einkommensteuerliche Existenzminimum sei der im Sozialhilfe- recht jeweils anerkannte Mindestbedarf (Bundesverfassungsgericht, 1992, S. 170f.).

Das entspricht der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsge- richts zur Bedeutung sozialhilferechtlicher Vorgaben fur die Bemessung der existenzsichernden Privataufwendungen, die einkommensteuerlich beriick- sichtigt werden miissen90, bedeutet allerdings auch, daB sich eine ,,Absen-

90 Zur Berechnung im einzelnen, insbesondere zum Ansatz der Aufwendungen fur Wohnung, Heizung und des ,,Mehrbedarfs fur Erwerbstatige", vgl. Dziadkowski (1991 b, S. 283 ff.), Dotsch (1991, S. 316), Schemmel (1993, S. 78 ff. m.w.N.), Thormahlen und Specht (1993, S. 356 ff.); ferner Lehner (1993, passim).

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Einkommensteuer und subjektive Leistungsfahigkeit 397

kung" oder ein ,,Einfrieren" der Sozialhilfesatze auf die Hohe des steuerli- chen Existenzminimums auswirken konnen. Das steuerliche Existenzmini- mum darf jedenfalls nicht niedriger sein als das sozialhilferechtliche; deut- lich hoher kann es und sollte es aber sein. AuBerdem hat der 2. Senat (Bundesverfassungsgericht, 1992, S. 180) den Gesetzgeber verpflichtet, das steuerliche Existenzminimum ,,an die Bediirfnisse der jeweiligen Gegenwart kontinuierlich anzupassen". Das ist jedenfalls ein Fortschritt.

Das Einkommensteuerrecht kann den existenzsichernden Aufwand indi- viduell oder gruppenbezogen erfassen, darf das Existenzminimum nach Auffassung des 2. Senats aber auch in einem fur alle Steuerpflichtigen einheitlichen Betrag regeln. Eine solche das steuerliche Massenverfahren erleichternde Typisierung sei von Verfassungs wegen zulassig (Bundesver- fassungsgericht, 1992, S. 172). Allerdings nriisse ein einheitlicher Betrag ,,in moglichst alien Fallen" das Existenzminimum abdecken, also kein Steuer- pflichtiger infolge einer Besteuerung seines Einkommens darauf verwiesen werden, seinen existenznotwendigen Bedarf durch die Inanspruchnahme von Staatsleistungen zu decken. Etwas anderes laBt der 2. Senat nur aus- nahmsweise zu, wenn - wie gegenwartig auf dem Wohnungsmarkt - wegen eines erheblichen Preisgefalles kein realitatsgerechter einheitlicher Durch- schnittswert ermittelbar ist. In einem solchen Fall diirfte sich der Gesetzge- ber bei der Bemessung an einem ,,unteren Wert" orientieren, falls er zu- gleich zur erganzenden Deckung des Bedarfs Sozialleistungen zur Verfu- gung stelle (Bundesverfassungsgericht, 1992, S. 172).

3.3. Belassen der ,,Erwerbsbeziige" in Hohe des Existenzminimums

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, daB der Steuergesetzge- ber dem Einkommensbezieher von seinen ,,Erwerbsbeziigen" zumindest das belassen musse, was er dem Bedurftigen zur Befriedigung seines exi- stenznotwendigen Bedarfs aus offentlichen Mitteln zur Verfugung stelle91. Der Begriff ,,Erwerbsbezuge" hat irritiert. Er sei vollig neu, und was als Erwerbsbeziige anzusehen sei, noch recht unklar92. Das Bundesverfas- sungsgericht habe damit einen ,,weiteren Einkommensbegriffim deutschen Einkommensteuerrecht geschaffen" (Thormahlen und Specht, 1993, S. 361), der ,,verfassungsrechtlich nicht unproblematisch" sei (Arndt, 1993 b, S. 977).

Der Begrifif ,,Erwerbsbeziige" ist aber tatsachlich nicht neu, sondern wird im steuerrechtlichen Schrifttum seit langerem als zusammenfassener Ober-

91 Bundesverfassungsgericht (1992, S. 171). An anderer Stelle spricht das Gericht vom ,,Erworbenen" (a.a.O., S. 169). 92 Theis (1992, S. 2579), Thormahlen und Specht (1993, S. 361).

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begriff fur die positiven Faktoren der (steuerbaren) Einkiinfte verwendet93 und diirfte auch vom Bundesverfassungsgericht so verstanden werden: Ge- meint sind die nach geltendem Recht steuerbaren Ertrage, Betriebseinnah- men (Gewinneinkunfte) und Einnahmen (UberschuBeinkiinfte).

Der Begriff ,,Erwerbsbeziige" ist gleichwohl zumindest miBverstandlich. Denn hinter diesem Ausdruck steckt (offensichtlich) die sog. Marktein- kommenstheorie 94, die ,,nur das am Markt erwirtschaftete Einkommen" als (zulassiges) Zugriffsobjekt der Einkommensteuer ansieht und das Ein- kommen als ,,alle Einkiinfte aus einer Erwerbstatigkeit, die mit Gewinn-/ UberschuBerzielungsabsicht erwirtschaftet worden sind", definiert (Tipke und Lang, 1991, S. 201 f.). DaB das geltende Einkommensteuerrecht im Einkiinftekatalog des § 2 Abs. 1 EStG Markteinkommen erfaBt95 und eine Besteuerung des am Markt Erworbenen einer besonderen Rechtfertigung bedarf, steht auBer Frage. Die Einkommensteuer erfaBt jedoch schon jetzt nicht nur Markteinkommen (vgl. auch Lang, 1981/88, S. 537 ff.; 1985b, S. 98 f.), wie § 22 Nr. 1 a EStG unschwer erhellt96'97, und die Einkommen- steuer muB sich von Verfassungs wegen auch nicht auf eine Erfassung von Markteinkommen beschranken98; der Einkiinftekatalog des §2 Abs. 1 EStG ist insoweit fur den Gesetzgeber nicht abschlieBend (ebenso Tipke, 1993 b, S. 567). Wenn und soweit Leistungsfahigkeit i.S. der Reinvermo- genszugangstheorie vorliegt, ist eine weitergehende Besteuerung, insbeson- dere eine Ausdehnung der Steuerbarkeit auf Unterhaltsbeziige oder staat- liche Transferleistungen (auch) von Verfassungs wegen keinesfalls ausge-

93 Tipke und Lang (1991, S. 244). Kirchhof (1986 ff. b, Rdnr. A 367; 1993, S. 87) spricht von ,,Erwerbseinkommen" bzw. ,,Erwerbseinnahmen". 94 Vgl. dazu zuletzt Wittmann (1992, S. 6 m.w.N.) sowie Kirchhof (1986 ff. b, Rdnr. A 303 ff, 363 ff); ferner die Nachweise bei Tipke (1993 b, S. 566). 95 Tipke (1993 b, S. 567) bezeichnet die Markteinkommenstheorie als ,,auf das Prak- tische zuriickgenommene Reinvermogenszugangstheorie"; ebenso Lang (1981/88, S. 18 f., 30, 56, 169). 96 DaB der Leistungsaustausch beim sog. Realsplitting ,,auBerhalb des Leistungsfa- higkeitssystems des EStG" liege (so Wittmann, 1992, S. 41), ist falsch; das Gegenteil trifft zu. Nur in das Konzept einer Markteinkommenstheorie paBt die Reeelune nicht.

97 Auch ein Teil der nach § 3 EStG steuerfreien Beziige ist nicht ,,am Markt erwor- ben".

98 Ebenso: Tipke (1993 b, S. 567); a. A. mdglicherweise Kirchhof (1986 ff b, Rdnr. A 305 ff; 1988 b, S. F 20 ff). Kirchhof rechtfertigt die Einkommensteuer aus Art. 14 GG, und zwar damit, daB Einkommen ein durch die Individualleistung des Burgers und die Leistung der staatlichen Gemeinschaft hervorgebrachtes Gemeinschaftsprodukt sei. Der erwerbende Burger nutze den staatlich organisierten und geforderten Markt sowie die vom Staat angebotene rechtliche Ordnung. Diese Ansieht ist auf weitgehende Ablehnung gestoBen (vgl. z. B. Isensee, 1988, S. N45; Tipke, 1993 b, S. 558 ff m.w.N.; Wendt, 1988, S.715).

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Einkommensteuer und subjektive Leistungsfdhigkeit 399

schlossen", sondern allenfalls erst recht zulassig. Der Begriff ,,Erwerbsbe- ziige" paBt deshalb nur regelmaBig, greift folglich schon de lege lata zu kurz und ist de lege ferenda eher miBverstandlich, weil er verfassungsrechtliche Schranken der Besteuerung ,,suggeriert", die tatsachlich nicht bestehen.

3.4. Anrechenbarkeit steuerfreier Einnahmen?

Auf ein einheitliches steuerliches Existenzminimum sollten nach Ansicht des Bundesfinanzhofs die Nichtbesteuerung privater VerauBerungsge- winne, steuerfreie Transferleistungen nach §§ 3- 3b EStG, der Freibetrag nach § 13 Abs. 3 EStG, der Werbungskosten-Pauschbetrag (§ 9 a EStG), der Sonderausgabenabzug (§§10, 10c EStG) und der Abzug auBergewohnli- cher Belastungen (§§ 33 ff. EStG) ,,anrechenbar" sein100. Dem hat das Schrifttum widersprochen 101. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Kri- tik bestatigt. Der Gesetzgeber durfe steuerfreie Leistungen oder Einkom- mensteile, die von der Einkommensteuer freigestellt seien, bei einer generel- len, das Existenzminimum fur jeden Steuerpflichtigen typisierenden Frei- stellung nur anrechnen, wenn ihr Tatbestand (erstens) den existenzsichern- den Aufwand erfasse und (zweitens) diese Entlastung allgemein gewahrt werde (Bundesverfassungsgericht, 1992, S. 176). Das verfassungsrechtliche Gebot, den zur Deckung des existenzsichernden Aufwands erforderlichen Teil des erzielten Einkommens von der Besteuerung freizustellen, werde insbesondere nicht dadurch erfullt, daB einzelne Gruppen von Steuerpflich- tigen in besonderen Einnahme- oder Einkommenstatbestanden entlastet wurden, die nicht allgemein, sondern nur unter besonderen Vorausset- zungen erreichbar seien. Nicht anrechenbar seien deshalb z. B. Leistungen nach dem Bundesausbildungsforderungsgesetz und sonstige z. Z. nach §§ 3-3 b EStG steuerfreie Leistungen (sie seien zur Deckung eines besonde- ren Bedarfs bestimmt und entlasteten nur einzelne Gruppen von Steuer- pflichtigen, ebenso Niedersachsisches Finanzgericht, 1991, S. 260), das Wohngeld (da es wegen seiner Abhangigkeit von besonderen Einkommens- und Mietzinsgrenzen nicht alien Steuerpflichtigen zustehe) sowie der Frei- betrag nach § 13 Abs. 3 EStG, der Arbeitnehmer-Pauschbetrag nach § 9a Abs. 1 Nr. 1 EStG, der Sparer-Freibetrag nach § 20 Abs. 4 EStG und der Altersentlastungsbeitrag nach §24a EStG, weil nur bestimmte Gruppen

99 So auch ausdriicklich der 1 . Senat des Bundesverfassungsgerichts im sog. Kinder- geldbeschluB (Bundesverfassungsgericht, 1990, S. 91). 100 Bundesfmanzhof (1990a, S. 972); vgl. ferner Bundesfinanzhof (1990b, S. 104; 1991, S. 91). 101 Buob (1991, S. 10), Dotsch (1991, S. 316), Dziadkowski (1991a, S. 11; 1991b, S. 284), Lehner (1990, S. 761), Schemmel (1991 b, S. 48 ff.); vgl. ferner Niedersachsisches Finanzgericht (1991, S. 260).

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von Steuerpflichtigen anspruchsberechtigt seien und/oder die Freibetrage anderen, vom existenznotwendigen Bedarf unabhangigen Zwecken dien- ten102.

Da - nach Ansicht des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts - nur jedem Steuerpflichtigen von seinen ,,Erwerbsbezugen" (nach Steuern) das Existenzminimum verbleiben muB, ist es dem Gesetzgeber jedoch nicht verwehrt, (steuerbare, aber) steuerbefreite Einnahmen und sonstige von der Einkommensteuer freigestellte Bezuge, die im Einzelfall (individuell) zur Deckung des allgemeinen, existenzsichernden Bedarfs bestimmt und ver- wendbar sind, ferner Steuerungsvergunstigungen und (Verlust-)Abzuge, die im Einzelfall das zu versteuernde Einkommen, nicht aber das tatsachlich verfugbare Einkommen gemindert haben, individuell auf das von den ,,Er- werbsbeziigen" zu belassene Existenzminimum anzurechnen. § 32 d Abs. 2 EStG (i.d.F. durch das Standortsicherungsgesetz v. 13. 9. 1993 103) kann folglich individuell anrechenbare ,,Betrage" vorsehen104; der Katalog der ,,Betrage" ist allerdings unvollstandig105.

3.5. Rechtsfolgen der Verfassungswidrigkeit der Grundfreibetrdge

Die vom Bundesverfassungsgericht aus der festgestellten Verfassungs- widrigkeit der Grundfreibetrage der Jahre 1978 bis 1984, 1986, 1988 und 1991 gezogenen Rechtsfolgen (Bundesverfassungsgericht, 1992, S. 177-181) sind auf ungewohnlich scharfe Kritik gestoBen. Der 2. Senat hat §32a EStG zwar insgesamt fur verfassungswidrig, aber nicht fur nichtig erklart und dariiber hinaus entschieden, daB die verfassungswidrige Bemessung des steuerlichen Existenzminimums von Verfassungs wegen auch nicht riickwir- kend beseitigt werden miisse. Es geniige, wenn der Gesetzgeber die gebotene Neuregelung fur die Zukunft treffe. Gesichtspunkte einer ,,verlaBlichen Finanz- und Haushaltsplanung sowie einer entsprechenden Finanz- und Haushaltswirtschaft" sollen gegen eine riickwirkende Neuregelung spre-

102 Ebenso: Dotsch (1991, S. 316), Niedersachsisches Finanzgericht (1991, S. 260), Finanzgericht des Saarlandes (1991, S. 331). Zur Nichtanrechenbarkeit der Vergiinsti- gungen nach §§7b, 10 e EStG vgl. Dotsch (1991, S. 316), Niedersachsisches Finanzge- richt (1991, S. 260) und Finanzgericht des Saarlandes (1991, S. 331), zur Nichtanrechen- barkeit privater VerauBerungsgewinne vgl. Finanzgericht des Saarlandes (1991, S. 331).

103 Bundesminister der Justiz (1993, S. 1569). 1U* Da der Katalog der anrechenbaren, steuertreien ,,Bezuge" nicht aul einen generel- len, das Existenzminimum fur jeden Steuerpflichtigen typisierenden, einheitlichen Betrag, sondern individuell angerechnet wird, urn im Einzelfall den vom ,,steuerbaren Einkom- men" zu belassenden Mindestbetrag zu berechnen, besteht keine Diskrepanz zu den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts zur Bemessung eines einheitlichen, steuerli- chen Existenzminimums (unrichtig daher Arndt, 1993 b, S. 977).

105 Vgl. dazu (kritisch) Lang (1993, S. 664).

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Einkommensteuer und subjektive Leistungsfahigkeit 401

chen 106 und auch der Zweck des Grundfreibetrags, dem Steuerpflichtigen das existenznotwendige Einkommen zu belassen, keine riickwirkende Kor- rektur verlangen. Die Steuerfreiheit des Existenzminimums diene der Be- friedigung des gegenwartigen Bedarfs; die steuerliche Entlastung verfehle daher ihren Zweck, wenn sie nicht zeitnah zu dem jeweiligen Bedarf ge- wahrt werde107. Ein zu gering bemessener Freibetrag stelle zwar einen schwerwiegenden VerfassungsverstoB dar, wenn deshalb der steuerliche Zu- griff bei Steuerpflichtigen mit einem geringen Einkommen das Existenzmi- nimum (teilweise) wegbesteuert habe und diese ihren existenzsichernden Aufwand anderweitig hatten decken miissen. In Notlagen habe dafur je- doch Sozialhilfe in Anspruch genommen werden konnen. Das lasse es insgesamt verfassungsrechtlich noch ertraglich erscheinen, wenn der Ge- setzgeber eine angemessene steuerliche Entlastung des Existenzminimums erst fur die Zukunkt regele. Bis zu einer Neuregelung sei daher der - verfas- sungswidrige - § 32 a EStG weiter anwendbar. Der Gesetzgeber miisse le- diglich mit Wirkung vom Veranlagungszeitraum 1996 an die verfassungs- widrige durch eine verfassungsgemaBe Regelung ersetzen. Diese Frist er- mogliche es ihm, Tatbestande, durch die Erwerbsbeziige fur Zwecke der Einkommensbesteuerung gemindert oder von dieser ganz oder teilweise ausgenommen wiirden, mit dem Ziel vollstandiger Beriicksichtigung und gleicher Belastung aller Erwerbsbeziige bei Belassung des Existenzmini- mums zu iiberpriifen. Der Gesetzgeber habe allerdings bereits ab Veranla- gungszeitraum 1993 sicherzustellen, daB den Steuerpflichtigen die existenz- notwendigen Erwerbsbeziige belassen wiirden; Steuereingriffe in das Exi- stenzminimum seien unverziiglich einzustellen.

DaB das Bundesverfassungsgericht das eigene VerfassungsprozeBrecht ausgestaltet bzw. weiterentwickelt und deshalb u. a. Normen nur fiir verfas- sungswidrig, aber nicht fur nichtig erklart und in solchen Fallen zwar regel- maBig eine ,,Anwendungssperre", jedoch ausnahmsweise auch die weitere Anwendung der verfassungswidrigen Regelungen fur eine Ubergangszeit anordnen kann, wird letztlich nicht ernsthaft in Frage gestellt 108. Eigentli- cher Kritikpunkt ist der vom Bundesverfassungsgericht zugelassene Aus- schluB einer ruckwirkenden Korrektur (auch) der noch nicht bestandskraf- tigen Steuerbescheide 109. Darin liege ein ,,Freibrief ' fur bzw. eine ,,Einla- dung" an den Steuergesetzgeber, ,,verfassungswidrige Gesetze zu erlassen", weil er sicher sein konne, daB er eingenommene Betrage nicht zuriickzahlen

106 Zur Kritik vgl. z. B. Schemmel (1993, S. 81 f.); ferner Felix (1992, R. 87). 107 Vgl. dazu - kritisch - Schemmel (1993. S. 82). 108 Vgl. z. B. Lower (1991, S. 98 m.w.N.): ferner Schemmel H993. S. 81V 109 Vgl. z. B. Arndt (1993a, S. 1, 7ff.), Bilsdorfer (1993, S. lOff.), Felix (1992, R. 87), Sangmeister (1992, S. 2341 fif.), Schemmel (1993, S. 81 f.), Spath (1993, S. 424 f.).

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miisse 1 10. Der Staat werde dazu verleitet, in Zukunft darauf zu achten, daB ,,eher groBere als kleinere Haushaltsrisiken aus verfassungsrechtlich zwei- felhaften Regelungen" entstiinden (Schemmel, 1993, S. 81); denn das 6f- fentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsfuhrung werde hoher be- wertet als das Recht des Burgers auf Schutz vor verfassungswidrigen Geset- zen. Das Leistungsfahigkeitsprinzip nutze nichts, wenn es der Gesetzgeber absichtlich 1 1 1 oder unabsichtlich verletzen diirfe, ohne Sanktionen fur die Vergangenheit in Kauf nehmen zu miissen (Arndt, 1993 a, S. 8). Der ,,ver- fassungsverstoBende Gesetzgeber" werde ,,pramiert"; es heiBe: ,,Alle Macht dem Gesetzgeber - auch zu Lasten des Rechtswerts" (Felix, 1992, R. 87). Der Hinweis des Gerichts, daB sich Grenzsteuerzahler in der Vergangenheit in Notlagen an das Sozialamt hatten wenden konnen, zeuge ,,von schwer ertraglichem Zynismus"; offensichtlich gehe ,,Sozialhilfe vor Rechts- schutz" (Sangmeister, 1992, S. 2342).

Diese Kritik ist harsch, aber verstandlich, weil und wenn der Rechts- schutz gegen eine verfassungswidrige Besteuerung nur noch zur Herstellung verfassungsgemaBer Zustande in zukunftigen Jahren fuhrt bzw. fiihren kann und ein politischer MiBbrauch moglich ist. Wie das Bundesverfas- sungsgericht in anderen Fallen entscheidet, sollte gleichwohl zunachst ab- gewartet werden. Dennoch ware es besser gewesen, wenn das Gericht dem Gesetzgeber eine angemessene Zeit fur die ,,Reparatur" der verfassungs- widrigen Regelung und einen weiteren - auch langeren - Zeitraum fur die ,,Reparation" (Riickzahlung der verfassungswidrig erhobenen Steuern) ge- setzt hatte (so Spath, 1993, S. 425).

110 Arndt (1993 a, S. 1), Bilsdorfer (1993, S. 10), Spath (1993, S. 425). 111 Vgl. z. B. Spath (1993, S. 613), der Anzeichen dafiir sieht, daB der Gesetzgeber aus haushaltspolitischen Griinden die verfassungsrechtliche Prixfung steuerrechtlicher Vor- schriften einkalkuliere.

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Abstract

The first and the second division of the German Constitutional Court demand that children's maintenance and subsistence allowances are taken into consideration in in- come-tax law (taxation according to personal ability to pay). The basic constitutional positions of the two divisions, however, differ substantially: The first division draws from Art. 1 s. 1 in conjunction with Art. 20 s. 1 Grundgesetz (GG - basic law) as well as Art. 6 s. 1 GG the conclusion that, when subjecting a family to taxes, the subsistence level of every member of the family has to remain tax-free (reduction of the tax base); with this aim in view a governmental support payment for dependent children (Kindergeld) could become a - too low assessed - child tax allowance (Kinderfreibetrag). In contrast, the second division bases the fiscal consideration of the personal subsistence level on Art. 2 s. 1, 12 s. 1, 14 s. 1 GG and merely demands that after having payed off his tax liability the taxpaper has to have as much left from his income as he need to pay the necessary cost of living. A reduction of the tax base would not be constitutionally cogent; parlia- ment could as well retain the present basic personal exemption (Grundfreibetrag) or introduce a substraction from tax liability.

Kurzfassung

Der 1. und der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts verlangen eine Berucksichti- gung kindesbedingter Unterhaltsleistungen und existenznotwendiger Aufwendungen im Einkommensteuerrecht (Besteuerung nach der subjektiven Leistungsfahigkeit). Die ver- fassungsrechtlichen Grundpositionen der beiden Senate unterscheiden sich jedoch we- sentlich: Der 1. Senat folgert aus Art. 1 Abs. 1 i.V. mit Art. 20 Abs. 1 GG sowie aus Art. 6 Abs. 1 GG, daB bei der Besteuerung einer Familie das Existenzminimum samtlicher Familienmitglieder steuerfrei bleiben muB (Kiirzung der Bemessungsgrundlage); dabei konne ein staatliches Kindergeld in einen - zu gering bemessenen - Kinderfreibetrag um- gerechnet werden. Der 2. Senat stiitzt demgegeniiber die steuerliche Beriicksichtigung des personlichen Existenzminimums auf Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG und fordert lediglich, daB einem Steuerpflichtigen nach Erfiillung seiner Einkommensteuerschuld von seinem Erworbenen soviel verbleibt, wie er zur Bestreitung des notwendigen Lebensunter- halts bedarf. Eine Kiirzung der Bemessungsgrundlage sei verfassungsrechtlich nicht zwin- gend; der Gesetzgeber konne auch den bisherigen Grundfreibetrag beibehalten oder einen Abzug von der Steuerschuld einfiihren.

Prof. Dr. Hartmut Sohn Universitat Passau Lehrstuhl fur Staats- und Verwaltungsrecht, insbesondere Finanz- und Steuerrecht D-94030 Passau Deutschland

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