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Einsatz in Louden

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Terra Astra 498

Einsatz in Louden

ARNDT ELLMER

Die Hauptpersonen des Romans:

Fürst Yshgonyr - Herrscher des Planeten Kayshyrstan.

Lavyrma von Dorhagen - Regierungschefin des Veran-Systems.

Helder von Anceynt – Der Sonderbeauftragte Verans auf heißer Spur.

Mike Seinrad – Kommandant der VOLANDRA.

Der Kaiser von Louden – Ein geheimnisvoller Mann bereitet seine Herrschaft vor.

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1. „Links weicht! Rechts weicht!“ brüllten die beiden

Peitschenschwinger unentwegt und bahnten sich einen Weg durch die Menge. Wo ihre Peitschen trafen, blieben freudige Gesichter zurück, was wiederum die Laune der beiden Peitschenschwinger hob. Sie schlugen noch härter zu als vorher.

Rasch bildete sich eine Gasse, durch die die Sänfte mit ihren vier Trägern leicht hindurchpaßte. Die Menschen verneigten sich.

„Ein langes Leben für Yshgonyr!“ riefen sie, wenn die Sänfte an ihnen vorbeigetragen wurde. Gleichzeitig schlugen sie ihrem Nachbarn ins Gesicht, daß es klatschte.

Der Fürst zog die Vorhänge der Sänfte zurück und winkte dem Volk zu. Das Klatschen verstärkte sich, wurde zu tosendem Beifall. Die sich rötenden Gesichter der den Weg säumenden Menschen sprachen eine deutliche Sprache. Sie zeigten dem Fürsten, was er ihnen wert war.

Yshgonyr lächelte gütig. Er hörte die Rufe und erkannte, daß die Menschen ihn wie einen Kaiser verehrten. Und er war stolz darauf, daß er vor wenigen Tagen vor das Volk getreten war und ihm den Weg für die Zukunft gezeigt hatte. Das Ziel war nahe.

Der Weg der Sänfte führte zum Marktplatz der Hauptstadt. Gondyr war Regierungssitz und größter Warenumschlagsplatz des Planeten zugleich. Yshgonyr hatte es verstanden, die Fehler seiner Vorgänger zu beseitigen und Wirtschaft und Politik zentral an einem Ort und in einer Hand zu vereinen. Durch das vordere Fenster seines Tragekorbs sah er den Gipfel des Weiß haller s, des höchsten Berges der nördlichen Hemisphäre. Der Berg lag drei Kilometer von Gondyr entfernt. Seine Spitze trug eine Kappe aus ewigem Eis. An seinem der Stadt zugewandten Fuß lag der Raumhafen, über den sich der Handelsverkehr mit den übrigen Welten des Imperiums abspielte.

Yshgonyr sah die Schatten, die sich vor dem Schneegipfel wie kleine, schwarze Scheiben ausnahmen. Es waren die Silhouetten der landenden und startenden Schiffe.

„Es sind wieder Gemüseschiffe, Herr!“ sagte sein Zepter-

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träger, der links von der Sänfte ging. „Sie kommen, wie immer, pünktlich.“

„Wenn sie erneut welke Ware liefern wie das letzte Mal, schicke ich sie zu Xakarax“, antwortete der Fürst.

Dann versank er in Nachdenklichkeit. Er wartete auf den Augenblick, den ihm der Markt um diese Tageszeit bieten würde.

Im Geklatsche der Ohrfeigen erreichte die Sänfte den Markt. Die Gasse weitete sich zu einem großen Platz mit achteckigem Grundriß und etwa zweihundert Metern Durchmesser. Der Platz war säuberlich in acht Abteilungen unterteilt, in denen die verschiedenen Gilden und Zünfte ihre Stammplätze hatten. Die spitzen Dächer der mit buntem Tuch bezogenen Stände leuchteten im Licht der Sonne Kay.

Yshgonyr ließ die Sänfte anhalten. Er beugte sich nach vorn, zog den Vorhang ganz zur Seite, so daß er einen umfassenden Blick auf das Treiben werfen konnte. Links, am Rande der Gasse, begann die Abteilung der Backhändler und Konfiteure, daran anschließend lagen die Stände der Obstpflücker und Rebweiner, weiter hinten kamen die Gemüsemänner.

Der Fürst gab seinen Trägern ein Zeichen. Sie nahmen die Sänfte auf und steuerten sie dorthin, wohin Yshgonyr es gebot. Der Fürst verglich das Treiben mit dem der Abende.

Er stellte fest, daß um die Mittagszeit viel mehr los war. Ein Summen wie von einem Insektenschwarm lag über dem Platz. Es klang eintönig. Zwischendurch hörte er ein paar Worte heraus, die sich regelmäßig wiederholten. Es war das Feilschen der Händler und Käufer um die Waren, das Ausrufen der Preise und das Nennen der Bedingungen.

Inzwischen hatten die meisten Menschen die Ankunft des Fürsten bemerkt. Sie hielten in ihren Zeremonien und Gebärden inne und wandten sich der Sänfte zu. Rhythmisch erklang die Begrüßung des Herrschers.

Yshgonyr erblickte im Gewimmel der Leiber Gvavaz, seinen Hofeinkäufer. Er rief ihn an und befahl ihn zu sich. Gvavaz eilte herbei und blieb neben der Sänfte stehen. Er wartete darauf, daß der Fürst ihn ansprach. Dessen Augen aber blickten starr an ihm vorüber in die Ferne, zum Verkaufsstand der Kupferbläser. Die Gestalten dort waren in lebhafter Bewegung, obwohl der übrige Markt sich aus einem wogenden

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Leibermeer bis zur Unbeweglichkeit besänftigt hatte. Dazwischen wieder das Blinken von Metall. Für einen Sekundenbruchteil sah Yshgonyr eine hohe, eckige Gestalt.

„Warte!“ rief der Fürst dem Hofeinkäufer zu. Ohne auf seine Würde zu achten, sprang er aus der Sänfte

heraus und ging mit weit ausholenden Schritten über den Markt. Die Menschen machten ihm bereitwillig Platz. Sie wunderten sich allerdings.

Noch nie war Yshgonyr zu Fuß über den Markt gegangen. Sein Verhalten wirkte so fremdartig, daß viele Menschen die Arme sinken ließen. Das Klatschen der Ehrerbietung ebbte ab, verstummte schließlich ganz.

Vor einer Traube aus Händlern und Kaufern blieb der Fürst stehen. Deutlich hörte er, wie zwei Männer um den Kaufpreis feilschen. Yshgonyr ahnte den Zusammenhang. Ohne auf die Gesichter der Männer zu achten, die scheu vor ihm zurückwichen, drängte er zu den Feilschenden durch. Jetzt sah er die beiden Männer und zwischen ihnen die hohe Gestalt eines Roboters.

„Ein Roboter!“ pfiff er. „Das also habe ich gesehen!“ Und zu dem Händler sagte er: „Wo hast du die Maschine her? Seit einer Ewigkeit hat man auf Kayshyrstan keinen Roboter gesehen. Sie sind seltener als Gold oder Schwarzstein, aus dem man Raumschiffe baut.“

„Er kam mit einem der letzten Schiffe aus dem Durant-Sektor“, antwortete der geschäftstüchtige Mann, während er seinen Interessenten pausenlos ohrfeigte. „Er hat mich ein Vermögen gekostet.“

„Ein Roboter!“ flüsterte Yshgonyr. „Die Gelegenheit kommt nicht wieder. Wie teuer ist er?“

Der Händler deutete auf den Mann neben sich. „Kalakam, den du als den Führer der Kupferbläser kennst,

mein Fürst, bietet zwanzigtausend Güldsen.“ Das war der Gegenwert eines zweistöckigen Patrizierhauses, wie sie rund um den Markt standen.

„Ich gebe dir das Doppelte und die Konzession, deinen Handel auf die Straße nach Durden ausdehnen zu dürfen“, entschied der Fürst. Kalakam zuckte mit den Schultern.

Ich passe“, sagte er und entfernte sich. Yshgonyr wandte sich an den Roboter.

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„Hast du neben deiner Seriennummer einen Namen?“ fragte er.

„Man nennt mich Nemo“, lautete die metallische Antwort. „Folge mir in meinen Palast, Nemo. Ich werde dafür Sorge

tragen, daß du nach meinen Wünschen programmiert wirst!“ Der Herrscher des Planeten Kayshyrstan ging durch die

Menschenmenge zu seiner Sänfte zurück. Der Roboter folgte ihm. Bald waren beide in der Gasse verschwunden, die zum Palast führte.

*

Fasziniert betrachtete Yshgonyr die glänzende Gestalt des

Robots. Die Maschine aus weißlichblau schimmerndem, hochverdichtetem Edelstahl war einen Meter und neunzig hoch und von humanoider Prägung. Arme, Beine und Körper besaßen menschliche Proportionen, der Kopf trug ein in Erz geschnittenes Gesicht. Man hätte die Gestalt für einen verkleideten Menschen halten können.

„Ich habe bisher kein Maschinenwesen gesehen, das so menschlich gebaut war wie du“, sagte der Fürst langsam. „Nenne mir deine Seriennummer und deinen Herstellungstyp.“

„Es gibt beides nicht“, kam die Antwort. Der Roboter stand etwa fünf Meter von Yshgonyr entfernt auf dem spiegelnden Fußboden des Thronsaals, der den matten Schimmer der Decke wiedergab. Sein Kopf drehte sich nach allen Richtungen. Er musterte die Ausstattung des Raumes und tat anderes mehr, was dem Fürsten allerdings entging, da es sich um die Tätigkeit von Meßgeräten handelte.

„Was heißt das?“ Yshgonyr wurde aufmerksam. „Ich bin eine Einzelanfertigung“, erhielt er zur Antwort. „Wie wirst du programmiert?“ „Ich kann nicht programmiert werden, da ich über ein

eigenes Bewußtsein verfüge!“ Der Fürst sprang auf. Hastig kam er die Stufen herab. Dicht

vor dem Roboter blieb er stehen. „Das gibt es nicht. Dafür mußt du Beweise erbringen. Es ist

noch nie ein Roboter mit eigenem Bewußtsein geschaffen worden. Wer hat dich hergestellt?“

Der Roboter mit dem Namen Nemo trat zwei Schritte zurück.

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Wieder wanderten seine künstlichen Augen durch den Raum, als suchten sie etwas. Sie musterten ausdruckslos die Stalaktiten, die von der Decke herabhingen. Das Innere der Maschine tastete den Mechanismus ab, der sie dort oben hielt. Dann kehrten die Augen zu dem Fragenden zurück, betrachteten ihn von oben bis unten, musterten das markante Gesicht des Fürsten mit der fliehenden Stirn, dem breiten Mund und der flachen Nase. Für kurze Zeit hafteten sie an der rechten Hand des Fürsten, der erwartungsvoll und leicht nach vorn gebeugt dastand. Sie sahen auf den Mittelfinger seiner rechten Hand, der einen weißen Streifen trug, wo früher einmal ein Ring gesteckt haben mußte. Der Ring war entfernt worden. Der Ringkranz hatte eine sternförmige Narbe hinterlassen.

„Das sind viele Fragen auf einmal“, antwortete er. Der Fürst lauschte dem seltsamen Klang der von künstlichen Bändern erzeugten Stimme. „Ich kann sie nicht auf einmal beantworten. Wie ich hergestellt wurde, ist eine lange Geschichte. Viele Faktoren haben dabei eine Rolle gespielt. Sie werden dich nicht interessieren.“

Yshgonyr umrundete die Gestalt, die unbeweglich stand. Nichts an dem künstlichen Körper rührte sich. Alles war kalt, maschinenhaft. Und doch ging etwas von ihr aus, etwas Undefinierbares. Eine Art Odem. Was war dieser Roboter?

„Wie ist dein Bewußtsein beschaffen?“ forschte Yshgonyr. „Wer ist in der Lage, künstliches Bewußtsein zu erzeugen?“

„Niemand. Aber mein Bewußtsein enthält etwas Wichtiges. Es ist eine Botschaft, und sie ist an eine Person gerichtet. Diese Person könntest du sein, Fürst Yshgonyr von Kayshyrstan.“

Der Fürst kehrte auf seinen Thron zurück. Es war ihm unbehaglich, vor dem Roboter zu stehen und an ihm emporblicken zu müssen. War es nun ein Roboter, oder wie sollte er die Maschine sonst nennen?

Yshgonyr lauschte auf das leise Summen, das von den Aggregaten in ihrem Innern kam.

„Nimm Platz“, sagte er spontan, während er mit der Hand dazu einlud. Er verfolgte die Bewegungen der Maschine, die sich in einem der steinernen Sessel niederließ, genau unter einem der Stalaktiten.

Der Roboter begann zu erzählen.

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2. Zufrieden musterte Kommandant Swygan die Rundsicht-

schirme, die den oberen Teil der Zentralewandung in Anspruch nahmen und ihm ein vollständiges Rundumbild lieferten. In Flugrichtung stand ein einzelner, roter Stern, das Zielobjekt. Seitlich und hinter dem Schiff leuchteten die unzähligen Sterne der Milchstraße. Das helle Band der Zentrumsregion glitzerte vielversprechend.

„Wann wird es soweit sein, daß wir bis dorthin vorstoßen, wo Stern an Stern steht, wo es unbekannte Gravitationserschei-nungen gibt, schwarze Löcher, in denen die Zeit stillsteht?“ überlegte Swygan laut.

Er blickte auf den Chronographen, der an der Instrumententafel über dem Sessel des Piloten hing. Die Uhr zeigte eine halbe Stunde bis zum Ende des Countdowns. Dann würde die vorletzte Übung des Fluges absolviert werden.

Zweitausend Raumkadetten nahmen an dem Flug teil. Sie wurden abwechselnd in den verschiedenen Schiffsabteilungen eingesetzt und auf Herz und Nieren geprüft. Für alle ging es um nicht mehr und nicht weniger als ihre Offiziersprüfung. Hatten sie diese einmal bestanden, war der Weg zu einem verantwortungsvollen Posten auf einem Schiff und dem Leutnantsrang nicht mehr weit.

Swygan grinste. Die Prüfungen waren hart. Sie erforderten nicht nur ein ungeheures Wissen, sie verlangten auch Instinkt und Menschenkenntnis. Es war erstaunlich, daß bei diesem Flug erst drei der Prüflinge ausgestiegen waren. Weitere vier waren durch Verletzungen ausgefallen. Damit lag die Quote weit unter dem Durchschnitt. Bei allen vorangegangenen Prüfungsflügen hatte es wesentlich höhere Ausfälle gegeben.

„Wer weiß“, dachte der Kommandant. „Zwei Tests stehen noch bevor. Erst danach kann ein Resümee gezogen werden. Vielleicht gibt es noch ein paar Versager.“

Die beiden letzten Prüfungen waren die schwersten. Es wurde dabei mit Mitteln gearbeitet, die nicht ganz legal waren. Dennoch hatten sich die Tricks als nützlich erwiesen. Es wurden Phantomprogramme verwendet, ohne daß die Kadetten etwas davon wußten. Die Programme waren so ausgeklügelt,

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daß niemand dahinterkommen konnte. Ein nicht vorhandenes Raumschiff erschien plötzlich auf den Bildschirmen und den Ortungsgeräten, lieferte ein einwandfreies Echo, und auch die übrigen Meßwerte entsprachen den Erwartungen. Dieses Schiff setzte überraschend zum Angriff an. Ohne daß das Schulschiff in Wirklichkeit Treffer erhielt, zeigten die Geräte solche an. Auf den Bildschirmen erschienen Explosionen, der sorgsam versiegelte Zusatzcomputer ließ das Schiff schlingern und wackeln. Es war eine perfekte Ernstsituation. Nur die Stammbesatzung und die Ausbilder wußten, daß der Gegner nicht wirklich existierte.

Ein Zischen zeigte an, daß sich die Tür der Zentrale öffnete. Eine füllig wirkende Frau in der Uniform eines Majors kam herein. Zielstrebig ging sie auf den Kommandanten zu. Vor ihm blieb sie stehen und salutierte.

„Major de Paka zur Stelle“, meldete sie. Ihr junges Gesicht und der Pagenhaarschnitt standen im Gegensatz zu ihrer Figur.

„Danke, Major“, antwortete Swygan. „Ich bitte Sie, das Kommando für die nächste Übung zu übernehmen!“

Er räumte seinen Sessel für die Ausbildungsleiterin, der die zweitausend Kadetten unterstanden. Major de Paka nahm Platz.

„Sind alle Vorbereitungen getroffen?“ fragte sie den Ersten Offizier. Dieser nickte.

„Der Countdown wird fünf Minuten vor seinem Ende abgebrochen. Die Kadetten müssen zehn Minuten davor auf ihren Positionen sein“» sagte er.

Die Majorin nickte. Sie schaltete an den Armaturen, die in der rechten Armlehne des Sessels eingelassen waren. Sie stellte den Rundruf ein.

Wenige Sekunden später klang ihre Stimme durch das ganze Schiff. Ein Teil der Bildschirme wurde vorübergehend umgeschaltet. Sie zeigten Mannschaftsräume und Kabinen, in denen sich Kadetten von ihren Stühlen erhoben oder aus den Betten schwangen. Sie hatten fünf Minuten Zeit, sich einsatzbereit bei ihren Offizieren zu melden. Vier Minuten und fünfzig hatte es der letzte von ihnen geschafft. Die Bereitmeldungen gingen ein.

Major de Paka zog einen kleinen Zettel aus der Brusttasche ihrer Kombination.

„Achtung“, sagte sie in das Mikrofon. „Die Abteilung F 22

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hat sich in der Zentrale zu melden. Alle übrigen verteilen sich nach Plan 3.“

Zwanzig Tests hatten die Kadetten zu absolvieren. Achtzehn davon waren gelaufen. Von den zwanzig Verteilungsplänen standen Plan 3 und 5 noch aus.

Jetzt begann das Orientieren. Die Pläne wurden gezückt und vorgelesen. Danach begaben sich die Kadetten schweigend auf die verschiedenen Schiffssektoren, wo sie die reguläre Besatzung von ihren Plätzen ablösten.

In Dreierreihen kamen die Angehörigen der Abteilung F 22 in der Zentrale an. Sie bildeten eine Gruppe von dreißig Kadetten. In Habachtstellung blieben sie hinter dem Sessel der Ausbildungsleiterin stehen und warteten, bis sich diese erhob. Major de Paka lächelte wie jedesmal.

„Sprechen Sie sich untereinander ab, wer die einzelnen Positionen besetzt“, sagte sie knapp. „Die Zeit drängt. Acht Mann bitte sofort in den Gefechtsstand.“

Ohne Absprache entfernten sich acht Kadetten in den hinteren Teil der Zentrale, wo eine Leiter zum Gefechtsstand führte.

Die übrigen zweiundzwatizig verteilten sich im Kommandostand. Jeder stellte sich hinter einen Sessel, in denen die Angehörigen der regulären Besatzung arbeiteten.

Pünktlich eine Viertelstunde vor Countdownende kam die Anweisung de Pakas an Zentrale und Gefechtsstand. Die Offiziere erhoben sich und machten den Kadetten Platz, die übergangslos ihre neuen Positionen auszufüllen hatten.

Die Stammbesatzung zog sich in die Nähe der Eingangstür zurück, wo sich eine kleine Empore befand. Sie ließen sich in den bereitstehenden Sesseln nieder und schnallten sich an. Swygan war bereits da. In der Zentrale kehrte die übliche Ruhe ein. Nach fünf Minuten kamen die Klarmeldungen aus allen Abteilungen. Noch zehn Minuten bis zum Ende des Countdowns.

Die Stimme erklang völlig unerwartet. Sie platzte mitten in die geistige Vorbereitung auf den kommenden Test hinein. Niemand rechnete mit ihr.

„An Kommandant! Ich habe einen Reflex auf den Instrumenten!“

Die Meldung kam vom verantwortlichen Ortungskadetten,

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der am linken Ende der Steuerwand saß. Der Raumkadett, der den Platz des Kommandanten inne hatte, drückte mehrere Knöpfe an seinen Tafeln. Speichergeräte wurden aktiviert, Daten auf die Bildschirme projiziert.

„Auswertung?“ fragte der Kommandant. „Der fremde Körper tauchte in einer Entfernung von vier

Lichtminuten aus dem Zwischenraum auf. Er fliegt mit Kurs auf unser Schiff“, antwortete der Orter. Inzwischen lagen alle Daten vor.

„Das Schiff hat spindelähnliche Form!“ rief der Kommandant. Sein Kadettengesicht drückte Erstaunen aus. Er hatte sich wie die anderen auf die geplanten Manöver und Tests konzentriert.

„Es ist kein Schiff des Imperiums. Niemand innerhalb des von Veran verwalteten Universums fliegt eine solche Konstruktion“, bestätigte der Orter. Er nahm seine Augen von den Anzeigen und suchte instinktiv nach der Gestalt von Major de Paka. Die Ausbildungsleiterin stand etwa fünf Meter hinter dem Kommandantensessel. Sie rührte sich nicht, beobachtete nur die Bildschirme und die Kadetten.

„Wir behalten unseren Kurs bei“, entschied der Kommandant. „Der Countdown für den Test wird abgebrochen.“

Mehrere Aggregate und Rechner nahmen ihre Arbeit auf. Man konnte die Nervosität der Prüflinge förmlich spüren.

„Countdown abgebrochen“, kam die Meldung. „Schiff hat uns in drei Minuten erreicht“, sagte der Orter.

„Behält Anflugkurs bei.“ „Anfunken, auf allen Frequenzen“, entschied der

Kommandant. Das fremde Schiff antwortete nicht. Es blieb stumm. Jetzt

führte es eine auf den Instrumenten deutlich sichtbare Kurskorrektur durch. Sie brachte es auf direkten Kollisionskurs.

„Wir verringern unsere Eigengeschwindigkeit um zwanzig Prozent auf drei Zehntel LG“, sagte der Kommandant.

Der Pilot reagierte sofort und gab die entsprechenden Signale. Sein Adjutant unterstützte ihn dabei. Das Schiff näherte sich weiter. In einer halben Minute mußte die Kollision erfolgen.

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„Kritische Grenze in elf Sekunden erreicht!“ brüllte in diesem Moment Major de Paka. Alle erschraken. Nur der Pilot reagierte geistesgegenwärtig und gab einseitig Schub auf die Triebwerke. Das Schiff wurde fast unmerklich aus seiner Flugbahn getrieben. Noch fünfzehn Sekunden. Sie sahen, wie ein Reflex auf sie zuraste. Die Optikbildschirme zeigten die Schwärze des Alls, aus der sich blitzschnell eine spärlich beleuchtete Spindel löste und auf das Schiff zustürzte. Mehrere der Kadetten schrien auf und rissen die Arme vor das Gesicht. Die Spindel raste heran und verdeckte fast den gesamten Rundschirm. In geringem Abstand jagte sie an dem Ausbildungsschiff vorbei.

„Schutzschirme an!“ erklang die Stimme des Kommandanten. Der verantwortliche Mann handelte. Die Schirme, die nur im Gefahrenfall und beim Zwischenraumflug benutzt werden durften, legten sich um das Schiff. Sie zeigten sich als rosaroter, durchscheinender Vorhang.

.Achtung! Schiff wendet und fliegt erneut Angriffskurs!“ gellte die Stimme des Orters. Bevor jedoch ein neuer Befehl des Kommandanten kam, geschah etwas Unerwartetes. Ein blitzender Lichtstrahl löste sich von der Spindel und raste auf das Schiff zu. Ohne daß die Besatzung etwas dagegen unternehmen konnte, schlug der Schuß in die Schirme ein und wurde abgelenkt. Das Schiff begann leicht zu schwanken.

Die Augen der Ausbilder wanderten aufmerksam hin und her. Sie registrierten, daß alle Kadetten aufgeregt ihre Funktionen erfüllten. Gerufene Kommandos eilten hin und her. Ein neuer Schlag erschütterte das Schiff. Es schaukelte bedenklich. Für die toauer von zwanzig Sekunden fiel die künstliche Schwerkraft aus. Ein dritter Schlag warf das Schiff aus seiner Bahn.

Der Pilot handelte. Da kein entsprechender Befehl vom Kommandanten kam, beschleunigte er mit Maximalwerten und entfernte sich schräg aus der Schußbahn des Gegners, der nach kurzem Zögern nachsetzte.

„Geschützstand fertig zum Feuern!“ befahl jetzt der Kommandant. „Gebt Feuer!“

Aus den Rohren des Schiffes eilten mehrere Strahlensalven hinaus. Sie streiften den Angreifer und zwangen ihn zu einem Ausweichmanöver. Die Feuerkraft des Ausbildungsschiffs war

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offensichtlich dem Fremden überlegen. Inzwischen hatten sich die Kadetten eingeschossen. Sie gaben der Automatik die entsprechenden Befehle oder nahmen die Zieleinstellung von Hand vor. Die Spindel wurde von mehreren Treffern erschüttert und kam ebenfalls vom Kurs ab. In ihrem Schutzschirm leuchtete es grell auf.

„So ist es gut. Gebt ihnen mehr davon“, murmelte der Kommandant in sein Mikrofon. Und an den Funker gewandt, fragte er: „Noch keine Antwort auf unsere Anrufe?“

„Keine. Fremdkörper hüllt sich in Schweigen.“ „Ein Schiff aus einer fremden Milchstraße?“ fragte jemand. Die jungen Kadetten wurden von seltsamen Gefühlen

befallen. Waren sie hier auf ihrem Prüfungsflug durch Zufall auf fremde Intelligenzen getroffen? Warum mischte sich Swygan nicht ein oder ein anderer Offizier?

Blitzschnell ruckte der Kopf des Piloten herum und streifte die Empore, auf der die erfahrenen Raumfahrer tief in ihren Sesseln saßen. Ihre Mienen waren unbewegt. Der junge Pilot sah wieder auf seine Instrumente. Aber hinter seiner Stirn arbeitete es.

„Das fremde Schiff setzt sich ab!“ „Wir folgen ihm. Schalte den Reflexspürer ein!“ befahl der

Kommandant seinem Piloten. Jedes Schiff hinterließ im Zwischenraum einen spezifischen

Reflex, dem man folgen konnte. Er besaß eine fünfdimensionale Komponente und war mit gewöhnlichen Instrumenten nicht feststellbar. Der Spürer filterte die verzerrenden Einflüsse des Zwischenraums aus und interpretierte das vierdimensionale Restgerüst.

Das Ausbildungsschiff folgte der Spindel in den Zwischenraum. Aus verschiedenen Sektoren kamen Meldungen, daß alles in Ordnung war.

„Wenn wir aus dem Zwischenraum kommen, eröffnen wir sofort das Feuer“, sagte der Kommandant. „Sollte es am Zielpunkt des Fremden von Spindelschiffen wimmeln, setzen wir uns sofort ab.“

Die Kadetten starrten auf das graue Flimmern der Bildschirme, das für den Zwischenraumflug charakteristisch war. Der Kadett an der Ortung biß sich die Lippen wund. Wie hypnotisiert hingen seine Augen an den Meßwerten.

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„Austritt!“ schrie er plötzlich. Geistesgegenwärtig reagierte der Pilot und schaltete die Zwischenraumprojektoren ab.

„Vorhin hätte es beinahe eine Kollosion gegeben“, sagte Major de Paka tadelnd zu dem jungen Kommandanten, hinter dessen Sessel sie stand. „Sie haben zulange gezögert.“

Niemand hörte ihre Worte. Alle starrten sie auf die Schirme und die Anzeigen.

„Feind voraus!“ rief der Orter. „Das Spindelschiff und sechs Kugelraumer!“

„Feuer!“ befahl der Kommandant. „Halt!“ Der laute Befehl kam von der Empore. Die Offiziere

hatten sich losgeschnallt. Swygan eilte durch die Zentrale. „Nicht schießen!“ ordnete er an. Aber es war zu spät. Der Geschützstand hatte die Schiffe

unter Beschüß genommen. Erst nach den Worten des Stammkommandanten war er eingestellt worden.

Irgendwo dort drüben hatten ein paar Strahlen Unruhe gestiftet. Die Kugelraumer strebten auseinander. Einer von ihnen verschwand im Zwischenraum. Die Spindel hing unschlüssig dazwischen. Anscheinend erregte sie drüben kein Aufsehen.

„Psychologisch richtig“, murmelte de Paka. „Mit einem Unterschied.“

„Und der wäre?“ fragte der junge Kommandant, während das Schiff abbremste und der Funker seine Arbeit wieder aufnahm.

Swygan hatte inzwischen eine versiegelte Box in der Nähe seines Sessels aufgebrochen und den Zusatzcomputer bedient. Plötzlich verschwand das Spindelschiff von den Geräten.

„Die Spindel hat nie existiert!“ sagte de Paka. Die Kugelraumer aber waren da. Einer von ihnen war

verschwunden. „Schutzschirme abschalten“, sagte der junge Kommandant

aufatmend und in dem Gedanken, veranische Schiffe vor sich zu haben. Die Schirme erloschen. Fast gleichzeitig tauchte in unmittelbarer Nähe des Schiffes der verschwundene Kugelraumer auf. Er kam aus dem Zwischenraum, jagte dicht am Schiff vorbei und verschwand wieder im übergeordneten Raum.

„Kein Funkkontakt!“ „Das ist unmöglich“, sagte Swygan. „Benutzen Sie die

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richtige Frequenz?“ „Die übliche“, antwortete der Funker. „Dann fliegen Sie die Schiffe an und versuchen Sie deren

Identität herauszufinden!“ befahl Swygan dem Piloten und wunderte sich darüber, daß er plötzlich Ohrensausen bekam. Verunsichert sah er sich um. De Paka blickte ihn fragend an. Dann wurde sie von einem Augenblick zum ändern kreideweiß. Sie bewegte die Lippen.

„Was ist los, Swygan?“ flüsterte sie. „Was ist schiefge-gangen?“

„Schiefgegangen?“ echote der Kommandant. Er sah, wie im Hintergrund einer der Kadetten die Hand vor den Mund hielt und sich dann übergab. „Es müssen die Nachwirkungen des Schwerkraftausfalls sein. Anders kann ich mir es nicht erklären.“ Vor Swygans Augen tanzten vorübergehend rote Ringe.

Mehrere Kadetten meldeten Übelkeit. Aus dem Maschinensektor ging die erste Anfrage ein. Der junge Kommandant in seinem Sessel konnte sie nicht mehr beantworten. Er war bewußtlos geworden.

„Es kann nicht der Ausfall sein“, krächzte de Paka. Schwankend ging sie auf die Plätze zu, an denen der Orter und sein Adjutant saßen. Sie studierte die Anzeigen. Von irgendwoher drang das Stürzen eines Körpers an ihre Ohren. Dann eilte sie schnell zum Platz des Kommandanten. Swygan stützte sich schwer auf die Rückenlehne und hielt sich fest.

„Den Notruf!“ stammelte er. „Wir müssen den Notruf abstrahlen!“

Major de Paka drückte unsicher einen Sensor an den Armaturen der Kommandotafel. Sie sah aus schmerzenden Augen die Aufzeichnung der Ortungsergebnisse an. Ungläubig hob sie den Kopf.

„Wir sind zwanzig Sekun ... von Gamma - Strah ... getroffen ... als 5000 rem. Not...“

Aus verschleierten Augen sah sie Swygan stürzen. Sie schwankte und kämpfte mit der Übelkeit. Ihr Mittagessen meldete sich zurück. Schwerfällig drehte sie sich um. Sie spürte, wie ihr das Bewußtsein schwand. Mit aller noch verbleibenden Kraft schlug sie auf das Glasfensterchen ein, hinter dem der Notrufknopf lag. Dann brach sie über dem

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Kommandopult zusammen. Ihre Finger hingen einen Zentimeter über dem rettenden Knopf.

*

Lavynna von Dorhagen sah ihren Freund durch das mit

hellgrünem Setyrwein gefüllte Glas an. Die Flüssigkeit schaukelte langsam. Das Gesicht Heider von Anceynts wirkte verzerrt, in die Breite gezogen.

„Ich glaube, einen solchen Urlaub könnte ich öfters nehmen“, sagte Lavynna. „Ein Vierteljahr Belisan, dann mal acht Wochen Larinth...“

„Und so weiter. Aber leider will es das Schicksal, daß wir nicht in den Genuß unserer Träume kommen“, unterbrach sie Helder. „Der Platz, an dem wir stehen und auf den wir uns emporgearbeitet haben, läßt es nicht zu. Unsere Pflicht ist unser Schicksal, vergiß es nie!“

„Ich darf gar nicht daran denken, daß ich übermorgen wieder hinter meinem Schreibtisch sitzen soll“, seufzte Lavynna. „Als erstes kommt Regina Terpinto, den Terminplan in der Hand. ,Lady von Dorhagen' sagt sie, ,um zehn Uhr ist die Besprechung mit der vierzehnköpfigen Ministerrunde des Imperiums, um elf müssen Sie zur Konferenz mit der Regierung von Veran usw.!“

„Du hättest dich eben nicht zur Regierungschefin unseres Imperiums wählen lassen sollen“, entgegnete Helder erheitert. „Verantwortung bringt Arbeit mit sich.“

„Du hast es gut. Bist ein einfacher Beamter mit hohen Auszeichnungen, wartest darauf, daß man dich zu einem der nächsten Sondereinsätze abberuft, wo man einen Mann deiner Qualifikation benötigt. Was treibst du eigentlich in der Zwischenzeit?“

„Du weißt es so gut wie ich. Hundsgewöhnliche Schreib-tischarbeit. Nach jedem Einsatz tippe ich durchschnittlich fünfundsiebzig Seiten Bericht. Wenn ich Glück habe, kommt er nicht zur Korrektur zurück, sondern wird gleich vervielfältigt und an die entsprechenden Stellen weitergeleitet.“

„Ich kann mir denken, daß du auch nicht gerade sehnsüchtig auf diese Zeit wartest.“

Von Anceynt erhob sich und kam um den Tisch herum. Er

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ließ sich neben Lavynna nieder und legte zärtlich die Arme um sie. Der Setyr begann gefährlich zu schwappen. Die Regierungschef in setzte das Glas ab. Sie erwiderte die Zärtlichkeit ihres Freundes.

„Wir sollten vielleicht einmal daran denken, unser Zusammensein auf eine juristische Basis zu stellen“, flüsterte Helder. „Wir sind lange genug zusammen.“

„Warum nicht?“ kam die Antwort. „Aber du weißt, daß wir nur wenig Zeit haben, uns um unser Privatleben zu kümmern. Außerhalb des Urlaubs, meine ich. Was soll werden, wenn wir in eine gemeinsame Wohnung ziehen?“

„Die uns die Sicherheitsbehörde vielleicht gar nicht genehmigt! Es wird sich ein Weg finden lassen.“

„Natürlich. Doch wollen wir die uns bleibenden Stunden bis übermorgen nicht dazu nutzen, von unserem Urlaub zu zehren?“ Helder von Anceynt hatte nichts dagegen. Er ging in das Nebenzimmer seines Appartements und holte einen Stapel der Holospulen, die er bereits während der Urlaubstage auf Quimsan hatte entwickeln lassen. Die Filme beinhalteten die ersten sechs Wochen mit ihren Ausflügen zu den Sehenswürdigkeiten des Kundan-Sektors, zu den Smaragdmonden mit ihren Wasserfällen, dem Totenfluß Thanator, der Ewigen Brücke zwischen zwei Planeten und nicht zuletzt dem pulsierenden Fragment von Umbal, einem flüssigen Planetenkern, der als kläglicher Rest einer Sternenkatastrophe übriggeblieben war.

„Die übrigen Filme sehen wir uns nächstes Wochenende an“, sagte Helder, während er den Projektor aus dem Fußboden fuhr und die Spulen übereinander einlegte.

Lavynna lehnte sich zurück. Langsam verdunkelte sich der Raum. Die Vexscheiben der Atriumwohnung mitten im Zentrum der Hauptstadt wurden undurchsichtig. Automatisch schaltete sich die Innenbeleuchtung an.

Helder von Anceynt drückte den Bedienungsknopf des Projektors und machte das Licht aus. Er setzte sich wieder zu Lavynna. Eng umschlungen verfolgten sie die Bilder, die auf der Projektionskugel erschienen. Ab und zu standen sie auf und gingen um die Kugel herum, betrachteten die Aufnahmen von allen Seiten. Holograf ie in ihrer ausgereiften Entwicklungsphase war etwas Schönes.

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„Da, siehst du dort den dicken Kerl?“ Lavynna lachte. „Das war dieser Spaßmacher, der im Intervideo auftritt. Was habe ich über den gelacht!“

Helder betrachtete die Aufnahmen, die sie auf dem Luftkissenboot gemacht hatten, mit dem sie den Totenfluß überquert hatten. Die Holospule gab trotz ihrer eindrucksvollen Darstellungsfähigkeit die Wirklichkeit nur unzureichend wieder: Der Totenfluß, ein Ring aus Wasser um einen sonst kahlen Planetoiden. Ein Ring mit einer Atmosphäre drumherum, die atembar war. Der Ring konnte sowohl auf der Außen- als auch auf der Innenseite befahren werden. Nur den Schnittzonen der Schwerkraftfelder durfte niemand zu nahe kommen.

Ausgerechnet Gono Gonzo, der Galaxis berühmtester Spaßmacher, war in der Nähe einer der Schnittzonen über Bord gefallen und abgetrieben. Nur mit Mühe war er von den abgeschossenen Rettungsringen eingefangen worden.

„Ich glaube, er wußte gar nicht, in welcher Gefahr er schwebte!“ kommentierte Helder. Er dachte an das Geheimnis der künstlichen Schwerkraft dieses Flusses, die schon bei seiner Entdeckung vorhanden gewesen war. Niemand war bisher dahintergekommen. Der Totenfluß zählte zu den sieben Weltwundern der Milchstraße.

Während sie noch Lavynnas Aufnahmen der dramatischen Rettungsaktion des Spaßvogels verfolgten, zirpte der Videocom. Helders Kopf fuhr unwillig herum.

„Ich habe die automatische Bandaufnahme dazwischen“, sagte er. „Wir sind ungestört.“

Das Zirpen aber blieb. Wie auf Nadeln saßen die beiden auf ihrer Wassercouch. Schließlich wurde es Helder zu bunt. Er sprang auf, eilte zum Anschluß und schaltete ein. Ein Alltagsgesicht wurde sichtbar. Der Mann trug das Brustabzeichen eines Funkers.

„Guten Tag, Mister von Anceynt“, sagte er. „Wir versuchen die Regierungschefin zu erreichen. Ist sie bei Ihnen?“ .

Helder atmete tief durch. „Ja, sie ist hier“, antwortete er zurückhaltend. „Sie hat noch

Urlaub!“ „Es handelt sich um einen Notfall!“ Lavynna hatte sich erhoben und war neben Helder getreten.

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„Was gibt es?“ fragte sie. „Lady von Dorhagen, es ist ein Notfall eingetreten. Ich

handle im Auftrag Ihres Stellvertreters, Waltor von Pensa.“ Der Funker berichtete vom Verlust des Schulschiffs, von

dessen ausgebliebenen Routinemeldungen, der anschließenden Suche und dem, was das Patrouillenschiff VOLANDRA gefunden hatte. Helder und Lavynna wurden um eine Nuance blasser.

„Ein Schulschiff mit Kadetten angegriffen?“ flüsterte die Regierungschefin entsetzt. „Mit einer unbekannten Waffe?“

„Das Schiff wurde vierundzwanzig Stunden später entdeckt. Nur wenige an Bord leben noch, sind aber ohne Bewußtsein. Sie können nicht auf die VOLANDRA geschafft werden, da Strahlungsalarm besteht.“ „Konnte die Art der Strahlung festgestellt werden?“ erkundigte sich von Anceynt.

„Es handelt sich um eine hohe Dosis Gammastrahlung!“ „Das ist unmöglich!“ Lavynna zuckte ein Gedanke durch den

Kopf. „Es gibt keinen Zweifel“, bekräftigte der Funker. „Wieviel Zeit ist seit dem Auffinden des Schiffes

vergangen?“ „Drei Stunden. Der Kommandant der VOLANDRA hat

sofort Alarm ausgelöst. Ein umfassender Bericht wird heute abend eingehen.“

„Gut, dann beraume ich für morgen früh acht Uhr eine außerordentliche Sitzung an“, entschied Lavynna. „Geben Sie das an Waltor von Pensa und die Minister weiter!“

Der Funker nickte und schaltete ab. Lavynna wandte sich zu Helder, der das Licht angemacht

hatte. „Gammastrahlung!“ sagte sie. „Das glaube ich nicht!“ Von Anceynt sah sie fragend an. „Vor etwa zehn Jahren hat ein Wissenschaftlerstab hier auf

Veran die theoretischen Voraussetzungen für eine solche Waffe entwickelt“, fuhr sie fort. „Damals wurde der Gedanke einer Konstruktion des Gammastrahlers sofort verworfen. Alle Pläne wurden vernichtet. Die beteiligten Wissenschaftler mußten eine Erklärung unterschreiben, daß sie ihr Wissen um diese Möglichkeit für sich behalten würden. Seither hörte man nie mehr etwas von der Gammawaffe. Und jetzt soll sie plötzlich

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aufgetaucht sein. Die Verseuchung des Schiffes wird eine andere, natürliche Ursache haben!“

„Das hätte man sicher festgestellt. Schließlich besitzt das Schiff einen automatischen Fahrtenschreiber, der jede Einzelheit eines Fluges genau festhält. Wer war eigentlich der Erfinder dieser Waffe?“

„Professor Xumataka Ern. Er starb kurze Zeit später auf Jojan, wohin er sich zurückgezogen hatte.“

„Ein Fall für die Abwehr“, flüsterte Helder. „Ein Fall für dich“, erwiderte Lavynna. „Du bist

Sonderbeauftragter. Man wird dich rufen, heute oder morgen.“ Von Anceynt nickte. „Gut. Dann auf in den Einsatz. Erholt bin ich ja inzwischen

genug. Zumindest setzt der Sicherheitsminister das voraus.“ Sie sahen sich weitere Filme an. Aber sie fanden keinen

Gefallen mehr daran. Immer wieder beschäftigten sich ihre Gedanken mit dem verhängnisvollen Zwischenfall am Rand des Louden-Sektors. Wer war dort am Werk? Sie hofften, bald mehr zu wissen.

3. Das Veranische Imperium stellte das größte Macht- und

Staatsgebilde dar, das es in der Milchstraße gab. Eigentlich war außer diesem menschlichen Reich kein anderer Machtfaktor bekannt. Entstanden war es durch die angestrengte Siedlungspolitik, die das übervölkerte Veran im Zeitalter der beginnenden Erschließung höherer Dimensionen wie des Zwischenraums betrieben hatte. Innerhalb weniger hundert Jahre hatten sich auf vielen Siedlerwelten Völker mit eigenständigen Kulturen gebildet.

Das Veranische Imperium umfaßte ungefähr dreitausend Planetensysteme, die in Handels- und Verwaltungssektoren unterteilt waren. Alle Fäden liefen auf Veran zusammen, wo die Imperiumsregierung die Zügel fest in Händen hielt. Allerdings gab es auch Separationsbestrebungen einzelner Planeten oder Sektoren. Aber auch hier galt nach wie vor der Wahlspruch

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„Einigkeit macht stark“. Zwar hatte man bisher nirgendwo einen Feind oder fremde Intelligenzen entdeckt, aber eine Rasse, die daran war, die gesamte Galaxis für sich zu gewinnen, rechnete auch mit diesem Fall.

Es war nicht verwunderlich, daß der Kommandant des fünfzehnhundert-Mann-Schiffes VOLANDRA, Mike Semrad, gerade mit dem Gedanken spielte, das Schulschiff sei von Fremden überfallen worden, als er den Beauftragten der Regierung in der Hauptschleuse des Schiffes abholte. Helder von Anceynt war braungebrannt. Von weitem sah man ihm an, daß er einen längeren Urlaub hinter sich hatte. Mit ausholenden Schritten kam er herein. Er schüttelte dem Kommandanten die Hand.

„Es hätte genügt, wenn Sie mir ein Beiboot geschickt hätten“, sagte von Anceynt. Semrad nickte.

„Wir sind auf diese Weise schneller. Das Aus- und Einschleusen eines Beiboots nimmt Zeit in Anspruch“, sagte er. „Es ist den höchsten Regierungsstellen daran gelegen, daß die Untersuchung des Vorfalls so schnell wie möglich abgeschlossen wird.“

Helder folgte Semrad durch den langen Korridor bis zum Lift, der sie hinauf in die Schiffszentrale brachte.

Die VOLANDRA war ein fünfhundert Meter durch-messendes Kugelschiff. Bis auf wenige Ausnahmen wurden Schiffe in dieser Form gebaut, die sich gerade bei Landungen auf Planeten als die günstigste Form bezüglich Luftwiderstand, Energieverbrauch und Steuerfähigkeit erwiesen hatten. Unterteilt war das Schiff, das zur Klasse der leichten Patrouillenkreuzer gehörte, in fünfundzwanzig Ebenen.

Semrad stellte von Anceynt seinen Offizieren vor. Einen kannte Helder. Er hatte früher auf einem Schiff Dienst getan, mit dem er zu mehreren Einsätzen geflogen war.

„Wir starten bereits in einer halben Minute“, verkündete Semrad. „Die Regierungschefin hat uns persönlich angewiesen, uns zu beeilen.“

„Lavynna“, dachte Helder. „Sie will es wissen.“ Er ließ sich die Magnetspulen geben, auf denen die

bisherigen Ergebnisse der Untersuchungen festgehalten waren. Während die VOLANDRA abhob und den Weltraum erreichte, beschäftigte er sich bereits mit den Aufzeichnungen.

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Aufmerksam studierte er die Leuchtfläche des Lesegeräts, das man ihm im Hintergrund der Zentrale zugewiesen hatte. Er merkte nicht, daß das Schiff in den Zwischenraum ging. Erst, als er zufällig einmal aufblickte und die Bildschirme betrachtete, erkannte er, daß sie unterwegs waren.

Lavynna von Dorhagen hatte von der Gammawaffe gesprochen. Alle Messungen und Feststellungen, die bisher getroffen worden waren, deuteten darauf hin. Trotzdem stand mit Sicherheit fest, daß eine solche Waffe nie gebaut worden war. Pläne dazu hatte es gegeben, aber sie waren geheimgehalten und wenig später vernichtet worden. Von Anceynt hoffte, daß man doch noch auf einen Hinweis stoßen würde, der für das Ganze eine natürliche Erklärung liefern und die Katastrophe als Unglücksfall erklären würde.

Nach drei aufwendigen Zwischenraumetappen, zwischen denen jeweils eine zehnminütige Pause zur Beruhigung der Projektoren eingelegt wurde, kehrte das Schiff zum letzten Mal auf diesem Flug in den Normalraum zurück. Vor ihm lag das Unglücksschiff.

*

Helder von Anceynt sah etwa zwanzig Beiboote der

VOLANDRA, die in einem Spiel aus Licht und Schatten eine kugelförmige Abschirmung bildeten. In der Mitte dieser Kugel hing der Raumer, von unzähligen Scheinwerfern angestrahlt und deren Licht zurückwerfend.

„Das Unglücksschiff“, sagte Kommandant Semrad zu Helder, der zu ihm trat. „Sein Eigenname ist TITIUS. Als wir es fanden, hatte es so gut wie keine Fahrt. Wir schließen daraus, daß es vor dem Unglück eine Begegnung gehabt hat, die es veranlaßte, seinen Flug zu unterbrechen.“

„Die Auswertung des Filmmaterials und des Fahrtenschreibers?“ fragte von Anceynt. „Hat sie bisher nichts ergeben?“

„Unsere Wissenschaftler haben es versucht. Die Strahlung hat das Film- und Magnetmaterial verdorben. Es sind keinerlei Anhaltspunkte geblieben.“

Der Beauftragte Verans nickte. Natürlich, er hätte gleich darauf kommen müssen, daß die kurzwellige Strahlung nicht

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nur den menschlichen Organismus schädigte, sondern auch andere empfindliche Objekte beeinträchtigte.

„Also so gut wie keine Spur“, murmelte er. Mike Semrad zuckte mit den Schultern. „Wir bemühen uns immer noch; eine Spur zu finden. Über

hundert Besatzungsmitglieder und Wissenschaftler arbeiten mit dem Kommando zusammen, das sich drüben befindet.“

„Haben Sie einen Schutzanzug für mich?“ „Es sind mehrere in den Beibooten vorhanden, die nicht

benutzt werden.“ „Dann bringen Sie mich zu einem der Beiboote“, bat von

Anceynt. Das Unglücksschiff war hermetisch abgeriegelt. Ohne

Genehmigung kam niemand bis zu einer seiner Schleusen durch. Helder von Anceynt war angemeldet. Von einem der Beiboote aus schwebte er hinüber zu der offenen Schleuse, die im Licht der Scheinwerfer gut auszumachen war. Acht Minuten war er unterwegs, ab und zu mit Hilfe seines Rückentornisters die Richtung und Stabilität seines Fluges korrigierend. Dann stand er mit seinen Füßen am Rande des offenen Schottes. Er hangelte sich hinein, betätigte den Schließmechanismus. Nach dem Druckausgleich öffnete er das Innenschott.

Zwei Männer erwarteten ihn. Durch die dicken Helm-scheiben konnte er ihre Gesichter nur undeutlich erkennen. Sie gaben ihm die Hand, so gut es die Handschuhe zuließen.

„Machen Sie sich auf einen fürchterlichen Anblick gefaßt“, sagte einer der beiden. „Die Strahlung hat schreckliche Auswirkungen auf die Körper. Sie sind in diesem Zustand kaum zu identifizieren.“

„Wie viele Tote hat es bisher gegeben?“ erkundigte sich Helder.

„Es sind alle gestorben. Vor einer Stunde der letzte.“ Erschüttert senkte von Anceynt den Kopf. „Es war ein Schulschiff“, flüsterte er. „War es bewaffnet?“ „Es hat die Bewaffnung eines jeden Patrouillenschiffs. Und

sie wurde benutzt. Untersuchungen der Geschütze und der Energiereserven haben es bewiesen.“

„Dann hat ein Kampf stattgefunden!“ „Vermutlich. Das Schiff war bei seiner Entdeckung in den

Zwischenraumschirm gehüllt, der sich bei der Rückkehr in den

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Normalraum gewöhnlich automatisch abschaltet. Er muß nachträglich aktiviert worden sein. Es gelang uns, ihn per Funk zu desaktivieren.“

Die beiden Männer führten von Anceynt in das Schiff hinein. In einem leeren Saal der Krankenabteilung lag ein Teil der Leichen aufgebahrt. Die Anzeigen der Luftmeßgeräte wiesen erschreckende Werte auf. Die Luft im Saal war ein einziger Schwall von Fäulnis und Gift.

„Es sind der Kommandant und seine Offiziere, wie wir an Hand der Körperdaten feststellen konnten“, erklärte wieder einer der beiden Führer.

Von Anceynt trat an die vorderste Reihe der Aufgebahrten heran. Er konnte keinen richtig erkennen. Ein Großteil der Körperzellen dieser Menschen hatten sich durch den Strahleneinfluß verändert. Sie waren deformiert, ein Teil der Zellkerne war zerstört. Unförmige Auswüchse zeugten von erheblicher Wucherung. Die freiliegenden Gesichter bis zur Unkenntlichkeit entstellt, ohne Augen und Nasenbein, nur ein aufgequollenes Stück Fleisch, lagen sie da. Helder von Anceynt wandte sich ab.

Die beiden Männer führten ihn weiter durch das Schiff. Mehrere Säle waren mit den Toten gefüllt.

Zwei Etagen tiefer trafen sie auf etliche Wissenschaftler, die mit den Untersuchungen von Maschinen und Computern beschäftigt waren. Von Anceynt stellte sich vor.

„Es ist erfreulich“, sagte Professor Konstantinou, der Betreuer der Fachleute, „daß die Regierung einen Mann schickt. Wir können bisher nichts sagen, was Aufschluß über die Ereignisse geben würde.“

„Die Gammastrahlung, wie wirkt sie im einzelnen?“ wollte Helder wissen.

„Sie ruft mehrere Effekte hervor“, erklärte der Professor. „Sie setzte Elektronen im Körper frei, die die Zellkerne zerstören. Photoeffekt heißt das. Der Compton-Effekt führt zu einer Bombardierung der Hüllenelektronen jeder Zelle mit Photonen. Es kommt zu Energieübertragung, Streuung und Richtungsänderungen der Elektronen. Das hat Deformation zur Folge. Und ab einer gewissen Dosis tritt die Paarbildung auf. Ein Photon dringt bis in Kernnähe vor, verwandelt sich in ein Elektron/Positron-Paar, das dann m Energie zerfällt.“

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„Der unbekannte Angreifer hat auf alle Fälle gewußt, was er anrichtet?“ fragte Helder und erkannte im selben Augenblick, daß er fast schon überzeugt war, daß es sich um Vorsatz handelte.

„Die Gammawaffe wurde in einem Bereich von einem Megaelektronenvolt eingesetzt. Hier ist die Reichweite der Strahlung in Wasser oder organischem Gewebe besonders hoch. Sie beträgt fünfundsechzig Zentimeter.“

„Was mich wundert, ist, daß der Schutzschirm und die Schiffshülle keinen Schutz geboten haben“, kam von Anceynts Stimme über die Lautsprecher in den Anzügen.

„Die Schirme sind kein Schutz gegen solche Art kurzwelliger Strahlung, und die Schiffshülle aus Schwarzstein wirkt als Leiter“, antwortete einer der Wissenschaftler.

Helder von Anceynt war kein Wissenschaftler. Aber die Angaben der Männer und Frauen der Untersuchungsgruppe genügten ihm. Er konnte sich jetzt ein umfassendes Bild über die Vorgänge machen.

Da war ein Schiff, das zur Ausbildung von Kadetten diente, von einem unbekannten Gegner überfallen worden. Es war eine Waffe zum Einsatz gekommen, die es nicht geben konnte. Die Toten aber sprachen eine deutliche Sprache.

Der Beauftragte Verans kehrte zur VOLANDRA zurück. Als erstes mußte er die Imperiumsregierung informieren und weitere Anweisungen abwarten. Dann konnte er die Suche nach einer Spur aufnehmen. Eine Viertelstunde sprach er mit verschiedenen Stellen auf Veran. Zu Lavynna kam er nicht durch, sie war zu beschäftigt. Helder von Anceynt begab sich in seine Kabine und wartete.

*

Außer dem Rascheln der Gewänder gab es keine Geräusche

im Thronsaal. Es knisterte nach Seide und Batist. Dazwischen war das verhaltene Klingeln kleiner Glöckchen, die die Ärmel der weiten Jacken säumten und deren Tonhöhe den Stand ihrer Träger symbolisierte.

In wohlabgemessenen Schritten hielten die Landgrafen Einzug in den Saal, in dem ihr Fürst seine Audienzen hielt, in dem er aber auch die Regierungsgeschäfte erledigte, Gesetze

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diktierte und Absprachen mit den diplomatischen Vertretern anderer Welten hielt. Heute hatte er sie gerufen, die Landgrafen, seine Vertrauten, seinen verlängerten Arm.

Die Reihe der zwölf Grafen teilte sich. Sie schritten in zwei Hälften zu je sechs links und rechts an der Wand des runden Saales entlang, nachdem sie das hohe, mit goldenen Stukkaturen und Blattgold verzierte Portal passiert hatten. Wenn einer von ihnen mit seinen Ärmeln oder den Rocksäumen der Wand zu nahe kam, dann sangen die goldenen Tapeten auf ihren Luftpolstern und bildeten sanfte Wellen, die sich rund um den Saal fortsetzten. Kamen sie von beiden Seiten und trafen hinter dem erhöhten Thronsessel des Fürsten zusammen, erzeugten sie einen Ton, der sich wie Glockenschlag anhörte.

Die Landgrafen erreichten die Stufen, die zum Thron hinaufführten. Das matte, elfenbeinfarbene Holz strahlte Wärme aus und stand in krassem Gegensatz zu den steinernen Sesseln, die unterhalb der Stufen in einem Halbkreis ange-ordnet waren, den Sitzplätzen der Grafen.

Noch war der Thron unbesetzt. Fürst Yshgonyr, unangefochtener Herrscher über Kayshyrstan, befand sich in seinen Gemächern. Das hatte nichts zu bedeuten, wußten die Grafen.

In genau festgelegter Reihenfolge ließen sich die zwölf auf den kühlen Sitzen nieder. Über ihnen hingen die metallenen Stalaktiten, riesige, erzene Tropfsteine, dreikantig mit geschliffenen Kanten. Ihre Seitenflächen glänzten im hellen Licht der Kristalleuchter, die den Raum um den Thron erhellten.

Die Stalaktiten waren etwa zwei Meter lang. Ihre Grundflächen verschmolzen eng mit der Decke, die in Patinatönen schimmerte. Zwölf waren es insgesamt, jeder hing genau über einem der zwölf Sitze.

Die Landgrafen senkten ihre Häupter und verharrten. Sie warteten auf das Eintreffen des Fürsten.

Ein Gong kündigte ihn an. Die Grafen erhoben sich. In seine roten Lieblingsrobe gehüllt, kam Yshgonyr aus dem

Hintergrund des Saales herbei, flankiert von zwei Dienern, die das Zepter und die Krone trugen. Würdevoll stieg der Fürst die Stufen hinan und ließ sich in seinem Sessel nieder. Die beiden

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Diener stellten sich rechts und links neben ihm auf. „Wohlergehen dem ganzen Planeten!“ begann der Fürst die

übliche Einleitung. Er berichtete in kurzen Worten über das, was ihn bewegte. Er sprach von den neuen Bewässerungsprojekten der Hochregion am Tayganpaß, über die Leroyhochebene, die in ein Speicherbecken verwandelt werden sollte. Er sprach über die überwundenen Schwierigkeiten zwischen Tauschhandel und Kauf mit Zahlungsmitteln des Imperiums, die auf Kayshyrstan gleichzeitig nebeneinander bestanden. Nur auf einen wesentlichen Punkt kam er nicht zu sprechen. Immer wieder in letzter Zeit hatten die Landgrafen ihn daran erinnert. Jedesmal hatte der Fürst sie hingehalten. Es war ihnen nicht gelungen, ihm konkrete Aussagen darüber zu entlocken, was sie am meisten bewegte. Heute nun sollte es anders sein.

Aufmerksam wanderten die Augen des Fürsten über die Gesichter seiner Landgrafen. Kein Muskel zuckte in ihnen. Erwartungsvoll saßen die Männer da. Oder langweilten sie sich? Yshgonyr sah zu Rendendag, dem jüngsten. Der gebürtige Gondyrer lächelte jetzt leicht. Er besaß die Grafenwürde erst seit einem halben Jahr und hatte den alten Koroz abgelöst, der Blauland regiert hatte.

,Du bist noch jung', dachte der Fürst, ,und hältst mit deiner Meinung selten hinter dem Berg. Aber ich werde dich eines Tages zur Räson bringen.'

Abrupt blickte er zu Foxyarden, dem ältesten. Foxyarden stammte von der anderen Seite des Planeten. Seine Residenz war Toromyn, eine dreistöckige Festung, vollgepfropft mit Personal und Leibwächtern. Foxyarden hatte nichts zu fürchten. Im Gegensatz zu Blauland gab es in Wolwerhöhe keine Abweichler. Aber Foxyarden hielt die Traditionen hoch. Traditionen mit Leben zu erfüllen, war sein höchstes Ziel. Dazu gehörte die Hofhaltung mit über zweihundert Wächtern und einer ähnlichen Zahl Bediensteter.

Graf Foxyarden zuckte unter Yshgonyrs Blick mit den Wimpern. Langsam stand er auf. Sein Gewand plusterte sich auf. Die Glöckchen klingelten energisch.

„Alles recht und gut, mein Fürst“, sagte er mit tiefer Stimme. „Du weißt, daß wir mit allen deinen Vorschlägen einverstanden sind. Sie sind wie immer von technischer Perfektion und tragen

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allen Umständen Rechnung, die Kayshyrstan und seine Bewohner betreffen. Wir werden den Damm bauen, die Hochebene fluten und die letzten Wüstengebiete des Planeten bewässern. Damit wird unser Planet vorbildlich in der ganzen Galaxis dastehen.

Was uns aber mehr beschäftigt, sind die Unruhen, die in letzter Zeit in immer deutlicherer Form entstehen. Es gärt in der Bevölkerung!“

„Es dauert nicht mehr lange, dann wird es nicht mehr zu verhindern sein, daß unserem Volk Menschen erwachsen, die Gewalt anwenden, um etwas zu erreichen!“ rief Syrwinkel aus seinem Sitz. „Die Ämtereien werden verunsichert.“

Drei weitere Grafen erhoben sich. Dem Alter nach sprachen sie. Sie drückten dieselben Bedenken aus und warnten vor der Zukunft des Planeten, wenn nicht bald etwas geschieht.

„Kayshyrstan stagniert“, beschwor Foxyarden seinen Fürsten. „Die Zeit des Aufbaus ist vorüber. Denke an deinen Vorfahr, mein Fürst!“

Vor langer Zeit, es lag mehrere Jahrhunderte zurück, hatte einer der Ahnen Yshgonyrs den Planeten geeint, die Kolonisten unter einen Hut gebracht, ihnen eine zentrale Regierung gegeben. Kurz darauf war Kayshyrstan als selbständiger Planet in das Veranische Imperium eingetreten und war dem zweiundzwanzig Planetensysteme umfassenden Louden-Sektor eingegliedert worden. Seither war es mit dem Planeten stetig aufwärtsgegangen.

„Es ist an der Zeit, den Prozeß des Wachstums weiterzuführen“, fuhr Foxyarden fort. „Das Bewußtsein der Menschen hat den heutigen Stand der Entwicklung eingeholt, ihr Geist drängt nach neuen Wegen und einem größeren Rahmen.“

Yshgonyr nickte. Wohl wußte er um die Problematik der menschlichen Psyche. Er kannte die Besonderheiten seines Volkes und der Menschen, die hier und auf Jojan, dem zweiten Planeten, harte Siedlerarbeit geleistet hatten. Sie alle waren von dem glücklichen Gedanken beseelt, für ein hohes Ziel zu arbeiten. Alle hatten sie recht. Sie übersahen nur eines.

„Unser System mit seinen zwei Planeten ist einmalig in der Galaxis“, sagte der Fürst jetzt. Seine Stimme hatte einen energisch gefärbten Klang. Die Landgrafen spürten, daß seine

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Worte unumstößlich sein würden. „Es gibt nichts Vergleichbares. Das müssen wir berücksichtigen. Was wir auch tun werden, es wird auf Veran und in der übrigen Galaxis nicht auf Gegenliebe stoßen.“

„Deshalb sollen wir die Hände in den Schoß legen?“ Das war Fragoler, der Reblandgraf. Sein fülliger Körper fand

in dem steinernen Sessel kaum Platz. Yshgonyr erkannte, daß er seine Getreuen jetzt nicht weiter hinhalten durfte. Er räusperte sich.

„Nie hat jemand die Hände in den Schoß gelegt, geschweige denn sein Haupt zu Xakarax hinabgelassen“, sagte er. „Vertraut auf die Eingebungen eures Fürsten. Seit langem habe ich mir Gedanken gemacht, wie die Zukunft aussehen wird. Ich weiß das Ziel und den Weg. Aber es ist nicht der Zeitpunkt, darüber zu reden. Es gibt eine Möglichkeit, unserer Entwicklung gerecht zu werden. Es ist ein steiniger Weg. Niemand außer uns würde ihn gutheißen. Der Weg führt über die Vorsicht.“

Zum ersten Mal meldete sich Rendendag. Der Blaulandgraf erhob sich spontan.

„Was geschieht mit den Bewohnern der Leroyhochebene, wenn diese geflutet wird?“ fragte er. „Wer ist bereit, sie aufzunehmen? Kann Bardybar sie aufnehmen, ihnen Häuser bauen und Arbeit geben?“

Seine Augen suchten den Felsgrafen. Bardybars dürre Gestalt verschwand beinahe in ihrem Sitz. Nur der lange Hals und der hohe, spitze Schädel ragten über die harten Armlehnen hinaus. Der Felsgraf schüttelte den Kopf.

„Alle Bergwerke sind geschlossen“, verkündete er. „Die Bauern haben kaum Arbeit. Sie werden unruhig. Ich kann die Leute der Hochebene nicht aufnehmen.“

Rendendag fragte herum. Fürs erste war keiner der Landgrafen bereit, für die Umsiedler zu sorgen. Der Blaulandgraf wandte sich an den Fürsten.

„Du siehst es selbst“, sagte er. „Wenn Menschenleben gefährdet werden, erhältst du meine Zustimmung nicht. Zudem bin ich anderer Ansicht, was unseren Weg in die Zukunft betrifft. Mit Allgemeinplätzen dürfen wir uns nicht aufhalten. Deshalb habe ich einen konkreten Vorschlag zu machen. Wir sollten einen Handelspakt mit einem oder zwei anderen Planeten an der Peripherie Loudens abschließen. Wir könnten

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uns damit wertvolle Vorteile verschaffen und die aufgestauten Erwartungen unseres Volkes ablenken.“

Der Handel mit anderen Welten, die zum Teil wertvolle Rohstoffe exportierten, lief seit Menschengedenken über Veran, wodurch die Waren zusätzlich mit Steuern und Zwischenhandelsprofiten belastet waren. Das konnte man doch ändern.

„Unser Ziel ist so großartig, daß es eines solchen Handelspakts nicht bedarf. Und es ist bald erreicht“, antwortete der Fürst. Aufgeregtes Raunen entstand unter den Grafen. Die Etikette des Hofes vergessend, begannen sie untereinander zu flüstern, bis sie ein unterdrückter Ruf des Zepterträgers zur Ordnung rief. Die Augen des Kronenträgers waren halb geschlossen. Der Mann döste vor sich hin.

Yshgonyr breitete die Arme aus zum Zeichen, daß die Grafen entlassen waren. Wie sie gekommen waren, gingen sie hinaus. Gedankenverloren sah der Fürst ihnen nach. Seine Augen brannten sich am Rücken des Blaulandgrafen fest. Dieser schoß über sein Ziel hinaus.

„Fast macht er den Eindruck, als sei er von den Abweichlern beeinflußt“, flüsterte Yshgonyr unhörbar.

Seine Augen wanderten empor zu den Stalaktiten, die starr wie Pfeiler der Ewigkeit in den Raum ragten. Würde er eines Tages genötigt sein, einen der verborgenen Kontakte seines Thrones auszulösen und einen der Pfeiler herabfallen zu lassen? Würde es eines Tages erforderlich sein, einen der menschlichen Pfeiler seines Reiches fallenzulassen?

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4. Kommandant Mike Semrad zuckte mit den Schultern. Noch

immer hing die VOLANDRA in unmittelbarer Nähe des Unglücksschiffs im Raum. Die Beiboote waren in ihre Hangars eingeschleust, der Untersuchungstrupp unter allen erdenklichen Vorsichtsmaßnahmen in das Schiff zurückgekehrt. Draußen trieben die Schutzanzüge, die der gefährlichen Strahlung ausgesetzt gewesen waren.

„Schade“, meinte Semrad zu Helder von Anceynt, der sich in der Zentrale aufhielt. „Es ist das erste Mal, daß ich ein Schiff vernichte. Es tut mir weh. Ich bin selbst einmal kurze Zeit auf der TITIUS geflogen.“

Er hatte den Befehl erhalten, das verseuchte Schiff samt den Toten zu zerstrahlen. Die Ausführung des Befehls stand unmittelbar bevor.

„Wir werden anschließend sofort Fahrt aufnehmen und uns auf die Suche machen“, erwiderte Helder. Veran hatte ihm Anweisungen erteilt, wie er vorzugehen hatte. Sie deckten sich im großen und ganzen mit seinen eigenen Vorstellungen. Hoffnungen machte er sich keine. Er besaß keinerlei Anhaltspunkte, mußte aus dem Nichts heraus beginnen. Das einzige, was er wußte, war die Position des Schiffes am Rand des Louden-Sektors. Das Sonnensystem, das sich in der Nähe befand, war das Pentasystem, eine weißgelbe Sonne mit fünf Planeten, von denen der dritte und vierte bewohnt waren.

Während die Geschütze der VOLANDRA zu feuern begannen, fragte sich Helder, warum das Schiff an dieser Stelle überfallen worden war. Hatte der Angreifer seine Entdeckung befürchtet? Das spräche dafür, daß er im Pentasystem zu suchen war. Helder wußte nur zu gut, daß das nicht sein mußte. Er rechnete sogar fest damit, daß er in diesem Sonnensystem nichts finden würde. Wer war schon so verrückt und brachte jemanden vor der eigenen Haustür um! Aber es war die einzige Spur, die er verfolgen konnte.

Die TITIUS verging im Beschuß der VOLANDRA. Die Schwarzsteinhülle schmolz dahin wie Blei. Auch der letzte Rest des Wracks und seiner Insassen verdampfte. Schließlich blieb nichts davon übrig als ein paar Gasschwaden, die sich

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verteilten und bald aus den Echos des davoneilenden Schiffes verschwanden. Die VOLANDRA nahm Kurs auf Penta. In einem Sprung überwand sie die Strecke von einem halben Lichtjahr.

Von Veran aus gesehen lag das Pentasystem an der östlichen Peripherie des Louden-Sektors. Viele der Direktflüge in diesem Sektor gingen an Penta vorbei. Der Stern diente den Schiffen als Orientierungspunkt. Hier kamen sie aus dem Zwischenraum und programmierten die letzte Etappe, die sie jeweils mit Genauigkeiten von einer halben Lichtsekunde in die verschiedenen Systeme hineinbrachte.

Die VOLANDRA hielt zehn Millionen Kilometer außerhalb der Bahn des fünften Planeten an. Semrad ließ eine Funkverbindung mit der Hauptwelt Gernot herstellen. Vom dritten Planeten aus wurde der Flugverkehr in diesem Gebiet kontrolliert. Das Schiff erhielt Einflugerlaubnis und landete. Helder von Anceynt suchte persönlich das Regierungsgebäude auf und führte ein längeres Gespräch mit den zuständigen Ministern und dem Präsidenten. Er versuchte, sie zu Nachforschungen zu bewegen. Er erkannte bald, daß man ihm nicht helfen konnte. Es gab keine Spuren oder Mutmaßungen. Ergebnislos verließ er die Hauptstadt Planck und kehrte in das Schiff zurück.

„Was gedenken Sie zu tun?“ erkundigte sich der Kommandant, während er Anweisungen gab. Blitzschnell zogen vor seinem geistigen Auge die Meldungen vorbei, die er in Bild und Ton schon über von Anceynt gehört hatte.

„Es gibt auf jeder Welt Quellen, an denen man Dinge erfährt, die man über offizielle Stellen nie erfahren würde“, sagte Semrad.

„Genau. Ich benötige alle Daten über Gernot, die im Zentralarchiv auf Veran zu finden sind.“

Hyperfunkgespräche eilten hin und her. Überraschend erhellte sich ein Bildschirm. Der Kopf einer Frau wurde sichtbar. Sie lächelte.

„Lavynna!“ rief von Anceynt und trat in den Aufnahmebereich der Kamera. „Wie geht es dir?“

„Gut, danke. Du kommst nicht weiter? Das glaube ich nicht!“ „Ich werde die Nachforschungen auf inoffizieller Ebene

fortsetzen, wie immer. Bisher hat mich mein sechster Sinn nie

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im Stich gelassen.“ „Er wird dir auch diesmal helfen!“ behauptete Lavynna von

Dorhagen. „Du benötigst die Daten über Gernot?“ Semrad zog die Augenbrauen hoch. Von Anceynt

schmunzelte. „Kluges Weib!“ rief er frohgelaunt. „Ich kenne dich!“ antwortete Lavynna versonnen. „Wann

sehen wir uns wieder?“ „Hoffentlich bald!“ sagte Helder. Die Verbindung wurde unterbrochen. Die Folie am Decoder

begann zu laufen. Der Computer spuckte die Daten aus, die dem Zentralarchiv zur Verfügung standen. Helder von Anceynt zog die Folie ab und begann sie aufmerksam zu studieren.

„Na, dann wollen wir hoffen, daß wir etwas erreichen“, brummte er.

*

Die Gleitbänder im Industrieviertel Plancks waren tückisch.

Ab und zu wurden sie ohne Vorwarnung angehalten, wenn einzelne Fahrzeuge oder Kolonnen die Bänder überquerten. Oft kam es vor, daß Menschen dabei stürzten. Ab und zu verletzte sich jemand. Einmal, vor kurzer Zeit, war es geschehen, daß die Elektronik, die die Bänder steuerte, ausgefallen war. Ein mit Metallstangen beladenes Fahrzeug kam mit hoher Geschwindigkeit die Straße entlang, die Sensoren reagierten nicht. Der hohe Wagen fuhr auf die sich bewegenden Bänder auf, wurde mitgerissen und prallte mit voller Wucht gegen ein Gebäude. Die stabilen Plastbetonwände hielten, aber der Transportwagen kippte um. Etwa zweihundert Metallstangen regneten aus Höhen bis zu acht Metern auf die Menschen herab, die sich bei dem Versuch, die ruhende Straße zu gewinnen, ineinander verhedderten und stürzten. Zwanzig Personen wurden von dem Hundertzwanzigtonner erfaßt und buchstäblich zerquetscht.

Helder von Anceynt kannte sich mit dieser Art von Fortbewegungsmittel gut aus. Sein Begleiter weniger. Ihm waren die Schwerkraftfelder in den Liftschächten der Raumschiffe vertrauter. Mike Semrad kämpfte mit dem Gleichgewicht.

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Sie passierten die Stelle, wo das Unglück geschehen war. Die Spuren an der Häuserfassade sprachen eine deutliche Sprache. Das zerfetzte Band war bereits ausgebessert, der Beförderungsverkehr lief reibungslos. Nur eines war merkwürdig. Der Grund für den Ausfall der Automatik, die als fehlerlos galt, war nicht gefunden worden.

Die beiden Männer benutzten zielstrebig die Bänder, die in das Zentrum der Stadt führten. Mehrmals mußten sie absteigen und auf andere Bänder überwechseln. Oder sie passierten Nahtstellen, wo eines der Bänder aufhörte und das nächste anschloß. An diesen Stellen geriet Mike Semrad jedesmal aus dem Gleichgewicht, da die Geschwindigkeiten der Bänder nicht immer ganz übereinstimmten.

Der Kommandant der VOLANDRA trug Zivilkleidung wie von Anceynt und hatte seine zivile Erkennungsmarke bei sich. Die Schiffsgesetze untersagten es ihm, seinen Dienstausweis zu benutzen, wenn er nicht in Uniform auftrat.

Neben den Männern eilten hohe Fassaden vorbei. Wenn sie sich zurücklehnten, dann sahen sie den mit Rotwolken verhangenen Himmel als kleinen Ausschnitt über sich. Dazwischen lag ein fast unsichtbarer Schimmer des blauen Vorhangs, der die Oberfläche des Planeten vor den schädlichen Strahlen der Rotwolken schützte. Diese waren Überreste einer Katastrophe, die bei der Fusion von Atomkernen hoher Ordnungszahl entstanden waren. Eine atomare Katastrophe größeren Ausmaßes. Wenn nicht die Magnetfelder gewesen wären, die den blauen Vorhang erzeugten, hätte der Planet evakuiert werden müssen.

„Was geschieht, wenn eines Tages eines der Felder ausfällt und die Strahlung durchkommt?“ fragte Semrad. Der Beauftragte Verans schüttelte den Kopf.

„Es werden laufend Projektoren bereitgehalten, mit denen ein solches Unglück vermieden werden soll“, sagte er. „Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht.“

„Hier möchte ich nicht leben“, bemerkte der Kommandant spontan.

„Die Menschen hier haben gelernt, mit den Gefahren einer hochtechnisierten Umwelt zu leben. Sie machen sich darüber keine Gedanken. Gelegentliche Unfälle nehmen sie hin, ohne sich beeindrucken zu lassen. Sie sind immun gegen

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Überraschungen.“ „Eine Zivilisation, die sich völlig der Technik anvertraut?“ „Ungefähr. Die Bewohner Gernots sind in gewisser Weise

gleichgültig. Es ist wohl auf die Umwelt zurückzuführen, wirkt sich aber auf andere Lebensbereiche genauso aus. Lediglich der Geschäftssinn scheint nicht davon betroffen.“

„Sie kennen sich gut aus“, stellte Semrad fest. „Waren Sie schon mal hier?“

„Nein. Ich habe nur die Daten über das Pentasystem studiert.“

Sie bewegten sich jetzt durch eine Gegend, wo die Häuser nicht mehr unendlich hoch in den Himmel ragten. Sie wurden niedriger, dafür schloß sich eines nahtlos an das nächste an. Querstraßen oder Abzweigungen gab es keine.

„Irgendwo in der Mitte der Stadt gibt es einen Weg, der zum Raumhafenviertel führt“, setzte Helder seine Erklärungen fort. Er erwiderte ab und zu die neugierigen Blicke, die man auf sie warf. Ihre Kleidung wies sie sofort als Bürger Verans aus. Die Mode dort war beinahe zeitlos im Unterschied zu vielen anderen Welten. „Dort finden wir am ehesten, was wir suchen.“

Sie hatten den Raumhafen ungesehen verlassen und auf einem Umweg die Stadt betreten. Sie wollten den Eindruck erwecken, daß sie aus dem Landesinnern kamen. Sie erreichten eine Kreuzung und wechselten auf das rote Band über. Rot war die Farbe, die zum Raumhafen führte. Nach kurzer Zeit bemerkten sie einen Unterschied. Die Betonkolonnen der Gebäude hörten auf. Sie“ bildeten einzelne Blöcke und trugen bunte Schilder an ihren Fassaden, Niederlassungen der Handelskompanien. Das rote Band trug sie bis zur Eingrenzung des Raumhafens. Die Männer sprangen ab.

„Wie gehen wir vor?“ fragte Semrad. Von Anceynt musterte ihn eingehend. Irgendwie, fand er, paßte Semrad nicht in einen Zivilanzug. Oder hatte er diesen Eindruck nur deshalb, weil er ihn ausschließlich in Uniform kannte?

„Es spielt keine Rolle. Wir können an beliebiger Stelle anfangen. Beginnen wir dort drüben am Ende der Hafenpassage!“ schlug Helder vor.

Er deutete auf das Gebäude ganz aus Glas, in dem sich die Zollstellen für die Reisenden befanden.

Gleich gegenüber dem Ausgang des Glaspalasts begann das

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Vergnügungsviertel, wie es fast an jedem Raumhafen in der Galaxis zu finden war. Die beiden Männer steuerten darauf zu. Sie näherten sich einem niedrigen Pavillon mit flachem Dach, über dessen Tür in großspurigen Lettern der Name „PARADIES VON GERNOT“ prangte. Helder verzog das Gesicht und öffnete die Tür.

Sie kamen in einen kleinen Vorraum, der von der Schankstube durch einen schweren, dunkelgrünen Samtvorhang getrennt war. Lärm drang ihnen entgegen.. Von Anceynt schlug den Vorhang zurück. Langsam trat er ein. Seine Augen erfaßten die fast vollbesetzte Gaststube. An den Tischen saßen größtenteils Hafenarbeiter und widmeten sich dem Kartenspiel. Ein paar vornehm dreinschauende, aber zerlumpt gekleidete Kerle hatten sich um einen Tisch in einer Ecke versammelt. Sie gehörten zu jener Sorte von Sternentramps, die nirgends und überall zu Hause waren. Meistens verdingten sie sich auf Schiffen als Verladearbeiter und blieben auf irgendeinem Planeten, bis sie ihre Heuer verspielt oder vertrunken hatten und neue Arbeit fanden. Beide Gruppen aber würden einen Offizier auf Kilometerentfernung riechen.

Helder von Anceynt warf einen Blick zur Seite und stellte beruhigt fest, daß Kommandant Semrad mit hängenden Schultern neben ihm stand, den Kopf leicht gesenkt wie ein zum Sturm ansetzender Stier, die Hände in den Hosentaschen vergraben. Auf diese Weise machte er eher den Eindruck eines Preisboxers als eines Offiziers.

Bei ihrem Eintritt hatten sich die Köpfe der Tramps ruckartig in ihre Richtung gewandt, während sich die Hafenarbeiter von ihrem Spiel nicht ablenken ließen.

„Holla, wen haben wir denn da?“ rief einer der Tramps und richtete sich in seinem zerrissenen Rock auf wie ein König. „Hoher Besuch aus der Wiege des Imperiums. Was habt ihr denn vor?“

Von Anceynt gab keine Antwort. Seine Augen wanderten weiter zur Theke im Hintergrund. Er sah zwei Türen. Die eine führte offensichtlich zu den Toiletten, die andere wohl in den Keller. Ein mit Gläsern gefülltes Regal wirkte stämmig und unverrückbar, doch Helder erkannte, daß es sich lediglich um eine billige Imitation aus Furnier oder Plast handelte. Er vermutete dahinter einen geheimen Ausgang und suchte bereits

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nach dem Mechanismus. Er wurde abgelenkt. Der Zerlumpte war aus der Ecke

hervorgekommen. Er baute sich vor ihm auf. „Na, sind die Herren zu fein, uns mit einer Antwort zu

beglücken?“ fragte er anzüglich. „Dann sollten sie ihr Glück woanders suchen. Vorher aber ist der übliche Begrüßungsschluck fällig.“

Der Sonderbeauftragte Verans drehte die Handflächen nach außen. Sein Blick galt dem Wirt, der zustimmend die Augenlider senkte.

„Wer seid ihr überhaupt?“ fragte Semrad in diesem Moment. Der Zerlumpte horchte auf.

„Soll das ein Verhör sein?“ erkundigte er sich vorsichtig. „Streich dir deinen Schluck ans Hosenbein“, brummte Helder

unwillig. „Wenn du ausgebrannt bist, such' dir Arbeit. Wenn es sich aber um die Gepflogenheit der Begrüßungsrunde handelt, will ich nicht kleinlich sein.“ Er winkte dem Wirt. „Eine Runde vom besten Wein, den ihr habt!“ rief er ihm zu. Die Gestalt hinter der Theke nickte zustimmend mit dem Kopf.

Der Zerlumpte schien sichtlich beeindruckt. Er machte zwei Schritte rückwärts und zeigte den Anflug einer Verbeugung.

„Danke, meine Herren“, flüsterte er. „Dürfen wir euch einladen, an unserem Tisch Platz zu nehmen?“

Von Anceynt willigte ein. Erstes Ziel für ihn war es, erst einmal ins Gespräch zu kommen. Dazu waren ihm die Tramps gerade recht. Der Zerlumpte begleitete sie zu dem Tisch, wo seine Genossen saßen. Wie durch Zufall waren zwei Plätze frei, die vorher noch besetzt gewesen waren, wie Helder glaubte. Der Wirt brachte den Wein.

„Ich bin Baron Müllner, und das sind meine Freunde!“ stellte sich der Zerlumpte vor und machte eine ausholende Geste mit der Hand.

„Das ist Mike, ich heiße Helder“, erwiderte von Anceynt und tauschte mit dem Baron den Begrüßungsschluck. Sie setzten sich.

„Was führt euch nach Gernot, Touristen seid ihr nicht?“ forschte der Tramp, der sich großspurig Baron nannte. Helder von Anceynt dämpfte seine Stimme.

„Wir sind auf der Suche nach einer Information!“ flüsterte er. „Wir geben keine Informationen!“ sagte Müllner laut. „Ihr

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seid hier verkehrt!“ „Es handelt sich um eine Auskunft, die nichts mit Gernot zu

tun hat“, fügte der Beauftragte Verans hinzu. Einer der Hafenarbeiter hatte sich erhoben. Sein Stuhl war

umgefallen. Jetzt kam er herbei und baute sich vor Helder auf. „Wenn ihr Zicken macht, waschen wir euch die Knochen“,

zischte er gefährlich. „Das Beste ist, ihr haut ab.“ Er deutete auf die Tramps. „Und laßt unsere Freunde hier in Ruhe.“

Semrad, der dem Mann bisher die Seite gezeigt hatte, drehte sich im Stuhl um. Der Arbeiter zuckte zurück.

„Dich kenne ich doch!“ rief er. Und noch lauter fügte er hinzu: „Ich fresse einen Radiumbesen, wenn du nicht ein Schiffskommandant bist!“

Semrad schüttelte den Kopf. Viele Arbeiter erhoben sich. „Wir wollen keine Spione unter uns!“ rief jemand. „Sie

gehören aufgehängt.“ Drohend schoben sich die Männer näher. Die Tramps verhielten sich bis jetzt passiv.

In diesem Augenblick ging das Licht in der Kneipe aus. Es war stockfinster. Die wenigen Fenster waren mit bunten Plakaten und Brettern versperrt. Von Anceynt zuckte zusammen, als ihn jemand am Arm faßte. Er schob sich vom Stuhl.

„Ich bin der Wirt“, flüsterte es neben seinem Ohr. „Wo ist dein Kamerad?“

Helder faßte nach Semrad und zog ihn mit sich. Der Wirt führte sie hinter die Theke. Sie hörten ein Scharren, dann wurden sie durch eine Tür geleitet. Hinter ihnen wieder das Scharren. Ein Gaslicht flammte auf. Das alles hatte nur wenige Sekunden gedauert.

Sie standen in einem schmalen Gang. Der Wirt machte ein bedenkliches Gesicht.

„Ich stehe gut mit dem Imperium, deshalb dulde ich keine Zwischenfälle“, sagte er schnell. „Geht diesen Gang entlang, dann kommt ihr in eine Parallelstraße. Verschließt den Ausgang gut.“

„Wir sind durch den Gläserschrank gegangen?“ forschte Helder. Der Wirt machte große Augen, aber er nickte.

„Du bist aufmerksamer als ein gewöhnlicher Bürger oder Tourist“, antwortete er. „Geht jetzt, und laßt euch hier nie mehr blicken!“

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Er entfernte sich in der anderen Richtung. Vermutlich führte der Gang in den Keller oder den Anbau dahinter.

Die beiden Männer folgten den Anweisungen des Wirtes. Sie traten in eine Straße und wurden nicht bemerkt. Mit weiten Schritten eilten sie davon. An der nächsten Ecke blieb Semrad stehen.

„Wir sollten uns nicht so weit entfernen“, sagte der Kommandant. „Mit Sicherheit will der Baron etwas von uns.“

„Wie kommen Sie darauf?“ fragte Helder und dachte, daß man einen Schiffskommandanten nirgendwo mit hinnehmen konnte. Es gab immer jemanden, der ihn kannte.

„Er machte dem Wirt heimlich Zeichen, als sich die Hafenarbeiter erhoben.“

Helder von Anceynt war zu sehr auf den Arbeiter fixiert gewesen, als daß er es bemerkt hätte. Er überlegte kurz.

„Wir benutzen das nächste Transportband und lassen uns in Richtung zum Zentrum tragen. Wenn er uns sprechen will, wird er uns folgen.“

Sie stiegen auf das gelbe Band. Zehn Minuten glitten sie dahin. Wenige Menschen kamen ihnen entgegen. Das Band hinter ihnen war leer. Schon wollte Helder an der Richtigkeit von Semrads Aussage zweifeln, als sie kurz vor der ersten Verteilerstation eine Gestalt sahen, die aus einer Seitenstraße kam und auf ihr Band überwechselte. Es war Müllner. Gegen die Gleitrichtung eilte er heran.

„Wir haben nicht viel Zeit“, sagte er. „Was wollen Sie wissen?“

„Kann ich Ihnen trauen?“ fragte Helder. „Sie können. Noch nie hat ein Tramp sein Wort gebrochen.“ Von Anceynt hatte von der Verläßlichkeit der Tramps gehört

und hoffte, daß Müllner ein ernstzunehmender Vertreter seiner Zunft war.

„Es gehen seltsame Dinge vor“, sagte er. „Raumschiffe werden überfallen und mit einer tödlichen Strahlung bombar-diert. Weiß man hier etwas darüber?“

„Nein“, sagte Müllner nachdenklich. „Da muß ich Sie leider enttäuschen. Aber es gibt etwas anderes.“

„Vermutlich hat es nichts mit unserem Problem zu tun“, sagte Semrad.

„Es hängt wohl mit Drogenhandel zusammen“, entgegnete

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Müllner. „Meine Männer haben nachts unbeleuchtete Gleiter landen und starten sehen. Sie haben ein- oder ausgeladen.“

„Und wo war das?“ fragte von Anceynt. „Diese Information ist zwanzigtausend wert.“ Der Baron

lächelte. „Ich werde Ihnen sofort einen Scheck auf die Zentralbank des

Planeten Guadeloupe geben. Sollten Sie mich hereingelegt haben, wird es für mich ein leichtes sein, ihn sperren zu lassen.“

„Oh, ich komme demnächst nach Guadeloupe“, sagte Müllner.

Helder zog sein Scheckbuch und füllte einen der Schecks aus.

„Wo?“ fragte er. „Tarags Valley“, flüsterte Müllner. „Sehen Sie sich Tarags

Valley an.“ Er nahm den Scheck entgegen. Grußlos sprang er vom Band

und war bald an der nächsten Ecke verschwunden.

* „Xakarax ist unendlich weise. Er läßt uns auf Kayshyrstan

wohnen und macht uns zu dem, was uns von anderen Völkern und Planeten unterscheidet“, sprach Lotho Ulmas, der Weise. Dabei zwirbelte er die Spitzen seines ehrwürdigen Schnurrbarts. Der schüttere Halbmond seines Stirnhaars bildete wirre Muster.

„Xakarax in der Tiefe wird uns auch in Zukunft beschützen. Doch jetzt sagt mir, was euch bedrückt!“

Auffordernd sah er in die Runde der etwa fünfzig Männer, die zu seiner Wohnnische am Siligsberg gekommen waren. Einer der Männer trat vor, nachdem er seinen Tribut der Ehrerbietung geleistet hatte.

„Es ist nicht mehr alles wie früher, o Weiser“, sagte der Mann. „Früher gab es in Blauland keine unzufriedenen Menschen. Sie lebten frohgelaunt vor sich hin, gingen ihrer Arbeit nach und hatten immer die Möglichkeit, weiterzukommen. Sie dehnten sich nach allen Ländern aus, eroberten die steinigen Regionen der Berge. Damals wurde Felsland geschaffen und der Felsgraf eingesetzt. Bis zur

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Leroyhochebene drangen die Bewohner des Tieflands vor. Was aber ist heute?“

Der Mann breitete die Arme aus und deutete mit dem Kopf hinter sich, wo beängstigend nahe die Stadt lag.

„Sogar bis in die Nähe deiner heiligen Behausung sind die Mauern Ramallahs vorgedrungen, o Weiser. Eine Stadt grenzt an die andere, die weiten Ebenen mit ihrem Duft von Ferne und Unendlichkeit schrumpfen von Jahr zu Jahr, von Tag zu Tag. Bald werden sie aus dem Bewußtsein der Menschen ausgelöscht sein. Die Menschen werden dann auch ausgelöscht sein!“

„Bei Xakarax“, fiel ihm ein anderer ins Wort. „Es dauert nicht mehr lange, dann werden die Bewohner Faffahs ihres Daseins überdrüssig sein. Sie wer den sich entleiben.“ „Es gibt eine andere Möglichkeit“, sagte Lotho Ulmas schnell. „Seht zum tiefblauen Himmel empor. Hinter ihm liegen die Sterne mit ihren unzähligen Welten. Faffah wird nicht sterben.“ ,

„Faffah und die anderen Städte werden aber auch nicht weiterleben“, sagte der Mann energisch. „Oder glaubst du, Xakarax hat die anderen Welten nach unserem Ebenbild erschaffen? Viele von uns waren dort. Sie sind geflohen, weil sie es nicht aushalten konnten. Nein, es muß einen anderen Weg geben!“

„Ich werde zu Xakarax beten, daß keiner sein Haupt zu ihm hinablassen möge. Er wollte mich mit Erleuchtung beglücken bis zu eurer Wiederkehr“, betete Lotho. „Jetzt aber sagt mir, was euch sonst noch bewegt!“

Es stellte sich heraus, daß alle wegen des eines Anliegens gekommen waren. Lotho Ulmas schickte sie weg und trug ihnen auf, wiederzukommen, wenn der Nerys seinen höchsten Stand erreicht hatte.

„Das Problem ist schwerwiegend. Es darf nicht einfach abgetan werden“, überlegte er laut. „In absehbarer Zeit werde ich mit dem Fürsten und seinen Grafen sprechen müssen. Jetzt aber gibt es Wichtigeres zu tun.

Die zwölf Weisen unseres Planeten müssen zum gemeinsamen Handeln gebracht werden!“

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5. Die zwanzig Meter hohe Wassersäule erlosch. Sie fiel in sich

zusammen, der feine Staub aus hauchfeinen Tropfen, den der Wind mit sich trug, blieb aus. Das Flußbett leerte sich.

Im feuchtglitzernden Felsgestein gähnte eine dunkle Öffnung. Sie lag in Bodenhöhe über dem mit Steinen und Geröll gefüllten Bett. Jetzt, wo ihr Vorhandensein offenbar war, konnte sie vom rechten Ufer aus leicht erreicht werden. Eine Felsplatte führte bis zu ihr hinüber.

Keiner, der in der Nähe des Tales wohnte, wußte von der Existenz der Höhle. Und die Menschen, die jetzt ihre Gleiter auf dem mit Blaumoos bewachsenen Boden abstellten und ausstiegen, waren nicht von hier. Sie trugen die Tracht eines fremden Landes. Ihre Bewegungen waren schnell und vorsichtig. Sie betraten die Öffnung im Felsen und verschwan-den.

Sie gelangten in eine mit Kisten vollgestopfte Höhle, die das Wasser vor langer Zeit in den Stein gegraben hatte. Sie folgten den Anweisungen des Mannes, der an ihrer Spitze ging. Flüsternd erteilte er seine Kommandos. Die Menschen, ausnahmslos Männer, nahmen schweigend jeweils zu zweit eine der Kisten auf und trugen sie vorsichtig, aber eilig hinaus zu den Gleitern, wo sie sie einluden. Die ersten dreißig Kisten wurden verstaut.

Der Mann, der die Anweisungen gab, blieb in der Höhle. Er war wütend. Deutlich war seiner Stimme die Mißbilligung eines Ereignisses anzuhören, das offensichtlich daran schuld war, daß die Höhle geräumt werden mußte. Nur seinem gutfunktionierenden Meldesystem hatte er es zu verdanken, daß er gewarnt war. Er achtete nicht auf die schweißbedeckten Gesichter der Männer, die die Kisten hinausbrachten. Er sah darüber hinweg, daß sie ihn anstarrten, seine Maske die sein Gesicht verdeckte. Er sprach nur das Nötigste.

Der Kaiser von Louden drängte. Höchste Eile war geboten. Die Kisten durften niemandem in die Hände fallen. Zuviel hing von ihrem Inhalt ab. Sechzig Kisten waren bereits draußen. Der Kaiser blickte auf seine Uhr. Zu lange. Die Männer brauchten viel zuviel Zeit. Er trat hinzu. Seine Hände,

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harte Arbeit nicht gewohnt, packten zu. Mit einem Ruck lud er sich eine der leichteren Kisten auf die Schultern, trug sie im Schutz seiner Maske hinaus. Die Männer machten ihm Platz. Er konnte sich auf sie verlassen. Nie wäre es einem von ihnen eingefallen, ihm jetzt die Maske herunterzureißen. Sie akzeptierten die Notwendigkeit, daß er unerkannt bleiben mußte.

„Wenn es soweit ist, werde ich mein Gesicht zeigen!“ hatte er gesagt, als er sie für sein Unternehmen angeheuert hatte.

Wieder waren dreißig Kisten verstaut. Etwa die Hälfte lag noch drinnen. Erneut der Blick auf die Uhr. Eine Viertelstunde blieb höchstens noch. Der Mann mit der Maske, der sich Kaiser von Louden nannte, rief seine Männer zusammen. Er sagte ihnen, daß sie schneller arbeiten oder den Transport einstellen sollten. Wieder trieb er seine Gefolgsleute an, legte selbst Hand an die schweren Kisten. Einer der kostbaren Ringe, die er trug, blieb dabei an einem der Stahlbänder hängen, die den Inhalt der Kisten vor neugierigen Augen schützten. Der goldschimmernde Ringkranz wurde mitgezogen, als der Kaiser die Kiste in einen der Gleiter rutschen ließ. Der Ringkranz schälte die Haut von der Oberseite des Fingers. Kleine Fleischfetzen blieben an ihm hängen. Der Ring platzte auf und fiel zu Boden, wo er unbemerkt liegenblieb.

Wieder feuerte der Kaiser die Männer zu höchster Eile an. Die Viertelstunde verging, es wurden zwanzig Minuten daraus. Endlich trugen sie die letzten Behältnisse heraus. Noch einmal ging der Maskierte in die Höhle hinein, sah sich um. Er stellte zufrieden fest, daß nichts vergessen worden war. Er ging hinaus und winkte mit der Hand. Die Männer stiegen ein. Der Kaiser von Louden griff zu dem kleinen Kästchen, das er bei sich trug, und betätigte einen Sensor an seiner Oberfläche.

Aus der Höhe näherte sich langsam Rauschen. Dann donnerte das Wasser herab, breitete sich geräuschvoll aus und floß in seinem Bett dahin, als sei nichts gewesen. Die Gischt sprühte bis zu den Gleitern hinüber.

Der maskierte Mann betrat das vorderste Fahrzeug und schloß die Schiebetür hinter sich. Gemeinsam hoben die Gleiter ab, nahmen langsam Fahrt auf. Sie flogen zum oberen Ende des Tales, überquerten in geringer Höhe den Paß und gewannen die dahinterliegende Ebene. Sie beschleunigten und

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verschwanden nach kurzer Zeit in dem Dunstschleier, der über der Ebene lag. Nichts deutete darauf hin, daß es sie jemals gegeben hatte.

*

„Das Tal macht einen unberührten Eindruck“, meldete der

Pilot des Großgleiters. Semrad nickte. Das Fahrzeug flog über Tarags Valley. In immer enger werdenden Kreisen näherte es sich dem Boden. Seine Insassen versuchten, einen Überblick zu bekommen. Sie entdeckten nichts Auffälliges. Nach fünf Runden landete der Gleiter.

„Lassen Sie Ihre Mannschaft ausschwärmen“, sagte Helder von Anceynt zu Semrad. Der Kommandant der VOLANDRA leitete den Einsatz persönlich.

„Hoffentlich hat uns dieser zerlumpte Tramp nicht angeschmiert“, murmelte er. „Dann kann er sich auf etwas gefaßt machen!“

Seit Müllner sich von ihnen getrennt hatte, waren eineinhalb Stunden vergangen. Von Anceynt und Semrad waren so schnell wie möglich in das Schiff zurückgekehrt. Sie hatten bei der zuständigen Verwaltungsstelle um Erlaubnis nachgesucht, in dem Tal eine Suchaktion durchführen zu dürfen. Sie hatten diese Erlaubnis erhalten.

Helder von Anceynt stieg aus und blickte sich intensiv um. Er rechnete nicht damit, einen Hinweis auf sein Problem zu finden. Aber das hatte der Tramp auch nicht behauptet. Im Gegenteil, der Vorfall um das Schulschiff war nicht zu ihm durchgedrungen, was von Anceynt als gutes Omen dafür wertete, daß die Abschirmung und Geheimhaltung in diesem Fall funktioniert hatte.

Was würden sie in Tarags Valley finden? Der Sonderbeauftragte Verans rechnete damit, zumindest auf ein weiteres Problem zu stoßen, mit dem er sich befassen würde.

Die vierzig Mann unter Hauptmann Theunissen kämmten langsam das Tal ab. Sie suchten nach Spuren am Boden, nach Gegenständen, die jemand verloren haben konnte, und nach versteckt angebrachten Instrumenten. Nach geraumer Zeit entdeckten sie den ersten Anhaltspunkt.

„In der Nähe des Wasserfalls steht das Gras an vielen Stellen

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schräg, als sei es vor kurzem niedergedrückt worden“, meldete Theunissen. Von Anceynt eilte hinüber.

„Es sind Abdrücke von Fahrzeugen“, stellte er fest. „Sie sind noch nicht alt. Es muß vor kurzem jemand hier gewesen sein.“

„Ob der Betreffende wußte, daß wir kommen?“ fragte Semrad.

„Wenn ja, dann sind wir zu spät dran“, antwortete Helder ruhig. „Sehen wir uns weiter um.“

Der Beauftragte der Zentralregierung folgte ein paar Fußspuren, die hinüber zum Wasserfall führten. Am Ufer fand er zermahlene Kiesel und Felssplitter. Sie lagen in großer Zahl herum, als hätten sich mehrere Menschen hier aufgehalten und bewegt. Er rief Semrad zu sich. Der Kommandant untersuchte die Krümel.

„Es sieht aus, als seien hier Lasten transportiert worden“, sagte er.

„Zum Wasser?“ erkundigte sich Theunissen aus der Nähe. „Wohl kaum“, rief Semrad hinüber. Von Anceynt war anderer

Ansicht. „Ich glaube doch“, sagte er. „Ich muß an die Wasserfälle der

Smaragdmonde denken. Dort waren die Felsen hinter den Wasserfällen ausgehöhlt, man konnte hinter ihnen entlanggehen und sich in eines der Höhlencafes setzen. Nur müßte dann hier eine Möglichkeit vorhanden sein, hinter das Wasser zu kommen, ohne naß zu werden.“

Er sah auf die stürzenden Wassermassen, die von Fels zu Fels sprangen und keinen Zwischenraum ließen.

Semrad gab kurze Anweisungen. Der Gleiter stieg auf und entfernte sich. Er folgte dem Wasserlauf, der den Fall speiste. Kurz darauf kehrte er zurück. Die Besatzung hatte ein Stauwehr gefunden, mit dessen Hilfe die Flut umgeleitet werden konnte.

„Es wird irgendwo einen Mechanismus geben“, vermutete Semrad. „Wir werden ihn suchen. Inzwischen glaube ich selbst daran, daß wir hinter dem weißen Vorhang aus Gischt etwas finden werden.“

Es dauerte nicht lange, dann erstarb das Rauschen, die letzten Wogen stürzten herab und gaben den Blick auf eine Höhlung frei, die doppelte Manneshöhe besaß und ähnlich breit war.

„Das Geheimnis des Unbekannten“, murmelte von Anceynt.

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Dann schritt er auf der felsigen Uferplatte bis zum Höhleneingang vor. Semrad und die Mannschaft folgten ihm.

Handlampen flammten auf. In ihrem Schein sahen die Männer einen fünfzehn Meter durchmessenden Hohlraum. Er war leer. Untersuchungen zeigten jedoch, daß auch hier vor kurzem jemand gewesen sein mußte. An mehreren Stellen fanden die Männer Reste von synthetischem Kautabak. Der Felsboden war gekennzeichnet durch Schleifspuren, die eindeutig darauf hinwiesen, daß in dieser Höhle etwas gelagert worden war.

„Man hat hier vor kurzem etwas entfernt“, stellte Semrad fest. „Es muß sich um heiße Ware gehandelt haben, sonst hätte man sich nicht die Mühe gemacht, einen solchen Aufwand für das Versteck zu betreiben.“

Helder von Anceynt sog die Luft ein. Er ging in der Höhle hin und her. Dann kniete er sich hin und schnupperte am Boden entlang.

„Riecht jemand etwas?“ fragte er. Er hatte einen merkwürdigen Geruch wahrgenommen, der den feuchten Höhlenmoder leicht überlagerte. Auch der Kommandant und die Besatzung rochen es. Niemand konnte jedoch sagen, was es für ein Geruch war.

„Wir sind also wieder zu spät gekommen“, sagte Helder. „Ich hatte immer gehofft, wir hätten Glück. Aber das scheint nicht der Fall zu sein.“

„Noch ist nichts verloren. Der Zufall führt uns vielleicht auf eine Spur“, entgegnete Semrad.

Von Anceynt schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht mehr daran. Die Nachforschungen haben

sich festgefahren. Wir haben nichts erreicht. Das hier war unsere letzte Chance. Die Mörder der zweitausend Kadetten und der Schiffsbesatzung sind in Sicherheit, und auch hier ist nichts zurückgeblieben außer einem fast nicht spürbaren Duft. Gehen wir!“

Sie verließen die Höhle. Draußen stand der Gleiter inzwischen in der Nähe der Felsplatte. Die Männer gingen hinüber und stiegen ein. Helder von Anceynt lehnte sich im Einstieg noch einmal zurück und blickte zum Höhleneingang hinüber. Er beschloß, ihn wieder durch den Wasserfall zu verschließen.

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Plötzlich sah er im Gras etwas blinken. Er kehrte um und schritt hinüber. Vor ihm lag ein Ring im Gras, ein kostbarer Ring mit Edelsteinen besetzt. Er hob ihn auf und betrachtete ihn. Das Rund des über den Finger zu streifenden Teiles war geplatzt. Am Ringkranz entdeckte Helder Blutspuren, ein paar kleine Haut- und Fleischfetzen.

„Ein wertvolles Stück“, sagte er. „Wenn er zu unserem Unbekannten gehört, der die Höhle ausgeräumt hat, kann er zu einem wichtigen Indiz werden. Die Mediziner werden die Körperwerte der Person feststellen, wenn sie das Blut und die Hautteilchen analysieren.“

Sorgfältig trug er den Ring in den Gleiter hinein.

* Eine Suche nach verdächtigen Fahrzeugen blieb erfolglos. Es

gab auch keine Raumschiffe, die derzeit den Planeten verließen. Allerdings wußten sowohl Helder als auch der auskunftgebende Beamte der Flughafenkontrolle, daß darin die Dunkelziffer unangemeldet startender und landender Boote nicht enthalten war. Immer wieder gelang es einem, sich der planetenweiten Radarerfassung zu entziehen.

Der gefundene Ring lag inzwischen in den Labors. Dr. Ja Sankaroy, die Chefärztin der VOLANDRA, befand sich bereits bei der Analyse der Hautrückstände. Semrad machte den Vorschlag, nochmals Müllner aufzusuchen. Vielleicht war der Tramp bereit, weitere Angaben zu machen. Oder er wußte inzwischen mehr.

Helder von Anceynt beschloß, sich diesmal allein auf den Weg zu machen.

Während er sich auf verschiedenen Gleitbändern dahintragen ließ, merkte er immer mehr, daß etwas anders war als bei seinem ersten Besuch. Das Treiben der Menschen unterschied sich in eigenartiger Weise von dem, was er in Planck bisher erlebt hatte.

Zuerst vermutete er, daß es sich um die Rotwolken handelte. Aber wo immer es ein Stück freien Himmels gab, bot das Firmament nichts Außergewöhnliches. Dann schnappte Helder einige Wortfetzen auf. Und je näher er dem Stadtzentrum kam, desto häufiger wechselten laute Bemerkungen die Bänder.

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Helder begriff, daß sich etwas zugetragen hatte, das so ungewöhnlich war, daß es sich die Menschen auf der Straße zuriefen. Und irgendwann dazwischen hörte er das Wort „Baron“ fallen.

Helder von Anceynt wechselte das Band. Er nahm die Richtung zu den Kneipen am Raumhafen. Ohne die Begleitung Semrads mochten ihn die meisten übersehen, obwohl es keine vierundzwanzig Stunden her war, daß sie hatten fliehen müssen. Verschiedene Gedanken gingen Helder durch den Kopf. War mit „Baron“ etwa Müllner gemeint, oder gab es andere Personen in der Stadt, die auch diesen Titel trugen?

Von der gegenüberliegenden Straßenseite hörte Helder einen Ruf. Er sah einen Mann, der ihm winkte, sein Band verließ und herüberkam.

„Kennst du mich noch?“ fragte er. „Ich soll dir etwas bestellen, vom Baron!“

Helder erinnerte sich, das Gesicht flüchtig gesehen zu haben. „Du bist einer von Müllners Leuten“, stellte er fest. „Was gibt

es?“ „Du sollst nicht traurig sein, wenn er das Geld nicht abhebt.

Er hat den Scheck vernichtet, bevor er in falsche Hände kam.“ „Warum denn?“ „Hörst du nicht, was die Leute reden? Komm!“ Er führte von Anceynt bis zum jenseitigen Ende des

Raumhafens. Sie kamen an eine Straßenkreuzung, an der Reinigungsmaschinen soeben dabei waren, das Blut aufzuwischen, das dort eingetrocknet war.

„Hier ist es gewesen“, sagte der Tramp. „Vor etwa zwei Stunden. Jemand hat Müllner verfolgt und ihn erstochen. Am hellichten Tag und auf offener Straße!“

„Ist der Täter bekannt?“ „Nein. Niemand weiß, wer es gewesen ist. Wüßten wir es,

lebte der Betreffende nicht mehr!“ „Zu dumm, daß Müllner den Scheck vernichtet hat! Hätte er ihn behalten und sich abnehmen lassen, könnten wir den Weg des Papiers verfolgen und den Menschen festsetzen, der ihn einlöst. Wieder ist es ein Mißerfolg.“

„Das ist richtig. Aber keiner kann es ändern.“ „Hat Müllner sonst noch etwas gesagt?“ „Es ist zu spät. Der Weg dessen, der im Tal war, ist zu weit

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entfernt.“ „Wir haben einen Anhaltspunkt, einen Ring“, wollte Helder

sagen. Aber eigenartigerweise kamen ihm die Worte nicht über die Lippen. Statt dessen fragte er: „Mehr nicht?“

„Nein, wahrscheinlich waren es seine letzten Worte.“ „Danke“, sagte von Anceynt und sah dem Tramp nach, wie er

das Band wechselte und in die Richtung fuhr, aus der er gekommen war. Kurz darauf erreichte er selbst den Raumhafen und kehrte in die VOLANDRA zurück.

Helder von Anceynt bezweifelte nicht, daß der Tod des Barons, der inzwischen auch von offiziellen Stellen der Stadt bestätigt worden war, mit der Entdeckung der Höhle in Tarags Valley zusammenhing. Jemand mußte Müllner als Mitwisser entlarvt haben oder gar als Verräter. Das Verhalten des Barons deutete darauf hin, daß Müllner mehr gewußt hatte, als er zu sagen bereit war.

„Jetzt hat es auch im .Fall Gernot Blutvergießen gegeben“, sagte er zu Semrad, als dieser ihn in seiner Kabine aufsuchte. Helder schilderte dem Kommandanten, was er von dem Tramp erfahren hatte.

„Was werden Sie tun?“ „Mir bleibt nichts anderes übrig, als dem Planeten den

Geheimdienst auf den Hals zu hetzen“, bekannte von Anceynt. „Es muß geklärt werden, was da vor sich geht. Jene Behälter, oder was immer es war, das in der Höhle gelagert wurde, müssen gefunden werden.“

Mehr konnte er im Augenblick weder sagen noch tun. Der Geheimdienst würde sich des Falles annehmen. Er, Helder, würde weiter nach Spuren der Mörder suchen, die das Schulschiff auf dem Gewissen hatten. Der Beauftragte Verans sandte einen kurzen Bericht an seine Dienststelle. Er konnte sich an den Fingern abzählen, wie sie reagieren würde. Sie rief ihn nach Veran zurück.

Die VOLANDRA verließ das Pentasystem ohne brauchbare Ergebnisse. Das Schiff flog Veran an und brachte Helder von Anceynt dorthin, wo jemand sehnlichst auf ihn wartete.

„Wahrscheinlich wird der Überfall auf das Schiff nie geklärt werden“, sagte er, als er endlich mit Lavynna allein war.

„Es ist sinnlos, die Patrouillenflüge im Louden-Sektor zu verstärken. Es kommt doch nichts dabei heraus!“

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Helder von Anceynt hatte resigniert.

6. Zwei Wächter standen an der Rundung des Stollens, der

hinaus in das Steintal führte. Sie hielten kleine, wenig rußende Fackeln in beiden Händen und lauschten auf Geräusche, die die Ankunft weiterer Menschen ankündigen würden.

Die beiden Männer trugen lange, seitlich bis zu den Hüften eingeschnittene Hemden, die sie als Diener aus dem Felsland auswiesen. Ihre graubraunen Arme und Beine ragten wie gefährliche Sicheln daraus hervor. Ihre Köpfe waren kahlgeschoren, was besagte, daß die beiden Wächter im Dienst Ericmans standen.

„Ich bin gespannt, wie lange er uns dieses Mal warten läßt“, raunte Fraawe Uß. Er war der Weise des Reblands und ein besonders guter Freund von Fragoler, dem Reblandgrafen.

Lotho Ulmas antwortete nicht. Er starrte auf die im Fackelschein flackernden, mit wohlriechenden Ölen gesalbten Glatzen der beiden Wächter. Er dachte nach. Er überhörte auch die hastig geflüsterte Entschuldigung seines Nebenmanns, der im düsteren Licht nicht darauf geachtet hatte, daß der Weise Ulmas sich in tranceähnlicher Verinnerlichung befand.

Lotho Ulmas überlegte, wie er auf diesem Thing auftreten sollte. Noch hatte er keine Zeit gehabt, sich mit Yshgonyr zu besprechen. Und er wußte, daß der Fürst gerade in dieser Hinsicht sich als Zauderer erwiesen hatte. Die Entscheidung drängte.

Der Weise des Blaulands konnte sich zu keinem Entschluß durchringen. Zu offensichtlich waren die Anzeichen dafür, daß es eine Entscheidung von weitreichender Bedeutung werden konnte. Auch andere Planeten konnten davon berührt werden. Erst jetzt nahm er wahr, daß jemand zu ihm gesprochen hatte. Lotho Ulmas löste sich aus seiner Starre und sah Fraawe Uß von der Seite an.

„Ich habe es gehört“, antwortete er. „Es liegt nicht in meiner Absicht, Ericman zu kritisieren, aber

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ich stimme dir zu.“ Vor noch nicht langer Zeit hatte das Thing der Weisen den

Felslandweisen Ericman zu seinem Bestimmer gewählt, erstaunlicherweise einstimmig, obwohl es im Kreis der Weisen Kayshyrstans seit jeher unüblich war, sich selbst zu wählen. Eine Stimmenthaltung war zumindest geboten. Selbstwahl kam, wenn man vorher keinen anderen Kandidaten vorgeschlagen hatte, den man dann wählen mußte, fast dem Sakrileg des Selbstvorschlags gleich.

Lotho Ulmas sah Ericman vor sich, wie er im Schein der Kerzen mit zufriedenem, nicht demütigem Gesicht die Wahl angenommen hatte. Damals war es dem Blaulandweisen aufgegangen, daß die Wahl ein Fehlschlag gewesen war. Und wer hatte den Vorschlag gemacht? Wardhes Eduer, der Weise von Wolwerhöhe, jener Region auf der entgegengesetzten Seite des Planeten, die vom Grafen Foxyarden verwaltet wurde.

„Eduer ist genauso überspannt und verschroben wie sein Graf“, sagte Ulmas unhörbar zu sich. „Er hat Ericman nur deshalb unterstützt, weil er den alten Fuchs nicht vergraulen wollte.“ Damit meinte er Haurolf Bardybar, den Felslandgrafen.

„Du solltest dich wieder der Meditation widmen“, hörte Ulmas in diesem Augenblick die Stimme Fraawe Uß' neben seinem Ohr. „Dein Gesicht spricht Bände!“

Lotho Ulmas zähmte seine ausdrucksvolle Mimik und beschäftigte sich mit gedanklichen Übungen zur Konzentration. Er verlor jeden Zeit- und Raumsinn und sah sich schon schwerelos im Reich des Xakarax schweben, den Kopf umrahmt von brennenden Wachskerzen, den Leib bedeckt mit der blau-weiß-orange-nen Fahne des Herrscherhauses. Sein Erwachen dauerte fast eine Ewigkeit.

Feste Schritte waren zu hören. Die beiden Wächter sahen sich kurz an, dann verneigten sie sich und hielten die Fackeln über sich empor. Ericman trat ein. Der Bestimmer schritt zu der dem Eingang gegenüberliegenden Holzbank, wo er sich auf dem Mittelplatz zwischen den Weisen niederließ. Er senkte den Kopf und schloß die Augen.

Die elf Weisen taten es ihm nach. Sie wußten, daß sich die Wächter mit den Fackeln jetzt entfernten und am Eingang zum Steintal Aufstellung nahmen. Als sie die Augen öffneten, war

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es um sie herum finster. Nur der pfeifende Atem Fragolers war zu hören.

„Xakarax möge uns beschützen!“ flehte Ericman mit seiner monotonen Stimme. „Er möge uns mit Erleuchtung beglücken. Eine schwere Zeit kommt auf uns zu.“

Wieder trat eine längere Zeit des Schweigens ein. Lotho Ulmas versuchte die Mauer aus Finsternis mit Hilfe seiner empfindlichen Augen und seines Geistes zu überwinden. Es gelang ihm nicht. Schließlich räusperte er sich.

„Scharen von verunsicherten Menschen kommen zu unseren Felshängen, sammeln sich vor unseren Wohnnischen und verdecken die letzte Sicht auf das ewigblaue Wasser“, begann er. „Die Menschen suchen einen Ausweg.“ Das Rascheln eines Umhangs deutete an, daß Ulmas aufstand und die Hände erhob. „Vor langer Zeit hat ein Fürst den Planeten geeint und den Grundstein dafür gelegt, daß sich das Volk entwickeln konnte bis zum heutigen Tag“, fuhr er fort. „Jetzt ist es voll entwickelt, ausgereift. Es gibt keinen Fortgang mehr, es sei denn, wir würfen unsere Kultur und Gesellschaft um, zerstörten alles und fingen von vorn an. Wollen wir das?

Ich sage euch, nein. Wir wollen es nicht. Unser Volk hat Hojan urbar gemacht. Die Entwicklung dort schritt noch rascher voran als auf unserem Mutterplaneten, auf dessen heiliger Felserde wir stehen. Hojan hat denselben Wert wie wir erreicht.

Was sollen wir tun? Was sollen wir dem Volk sagen, wenn es beim Höchststand des Nerys' zu uns kommt und eine Antwort will?“

„Sollen wir denn eine Antwort geben?“ fragte Ericman zurück.

„Es ist unsere Pflicht. Was können wir anderes tun. Wir sind die zwölf Weisen Kayshyrstans und haben dem Volk eine Antwort zu geben!“ antwortete Ulmas eindringlich. Er hielt die Frage des Bestimmers für ein Zeichen von Dekadenz, aber noch war es zu früh, dies offen zu sagen. Er setzte sich.

Wieder ein Rascheln. Eine angenehme Stimme begann die Geschichte des Volkes von Kayshyrstan zu erzählen. Wohlmoduliert und in einer Klarheit, wie sie noch nie dagewesen war, rezitierte Wolketon, der Weise des Hügelhains, die Überlieferung.

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„Und Xakarax hat alle Welten nach unserem Ebenbild geschaffen. Es ist nur Schreckliches mit ihnen geschehen, das wir rückgängig machen müssen. Laßt uns aufbrechen!“ beendete er seinen Vortrag.

Spontanes Beifallsgemurmel kam auf. Ericman räusperte sich zornig.

„Es ist nicht üblich, im Rat der Weisen es dem gemeinen Volk nachzumachen und zu jeder unpassenden Gelegenheit zu applaudieren!“ wies er die Weisen zurecht. Auch das letzte Geräusch erstarb. Wieder war es still wie zu Anfang.

„Wir sollten vor das Volk treten und ihm die Wahrheit sagen“, hob Wardhes Eduer an. „Wir sollten es aufklären und ihm sagen, daß auch wir keine Lösung haben.“

„Das wäre der Untergang!“ Lotho Ulmas sprang auf. „Ist nicht allen Weisen bisher die Erfahrung zuteil geworden, daß die Menschen lieber sterben, als in einer fremden Umgebung zu vegetieren, was schlimmer ist als der Tod? Noch zaudert Yshgo-nyr, aber es wird nicht mehr lange dauern, dann wird er ein Wort der Entscheidung sprechen müssen. Und er wird sich dabei auf unseren Rat stützen wollen.“

„Du meinst, Weiser des Blaulands, es gibt keine Alternative?“ fragte Ericman leise. „Was wird aus den Meinungen der Landgrafen? Müssen wir nicht auf sie Rücksicht nehmen?“

„Auf das Volk müssen wir Rücksicht nehmen. Während die Grafen und der Fürst sich um die wirtschaftlichen und politischen Geschäfte des Planeten kümmern, müssen wir uns um das Wohlergehen der Seelen des Volkes bemühen. Dazu sind wir da!“ rief Ulmas.

„Gut“, entschied Ericman. „Deine Gesinnung ist aufrichtig. Wir wollen darüber abstimmen, ob eine Entscheidung fallen soll.“

Alle zwölf nestelten an ihren Gewändern. Jeder zog einen Zettel zur Abstimmung hervor. Weiß bedeutete ja, schwarz nein. Sie warfen die Zettel durcheinander auf den Boden. Dann entzündete Ericman eine kleine Kerze, die er bei sich trug, und leuchtete. Acht weiße und vier schwarze Zettel lagen am Boden. Die Entscheidung war gefallen.

„Du bist der größte Kämpfer für diese Entscheidung“, wandte sich Ericman an Lotho Ulmas. „Übernimm du es, mit dem

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Fürsten zu sprechen.“ Der Blaulandweise nickte. Der Bestimmer löschte die Kerze. „Laßt uns jetzt über den Inhalt der Entscheidung und über

das sprechen, was wir dem Volk sagen wollen“, sagte er. „Der Nerys hat fast seinen höchsten Stand erreicht.“

Diesmal war der Saal in das grünsmaragdenes Licht von Glynsir getaucht. Die kühle Luft strich an den Wänden entlang und regte die Behänge zu leichtem Vibrieren an. Der Eingang war verschlossen.

Dort, wo die steinernen Sessel wie stumme Zeugen im Halbrund standen, erhob sich die Gestalt eines Weisen. Der tiefblaue Umhang wallte in unruhiger Bewegung hin und her. Seine Richtung deutete auf den Thron, auf dem der Fürst in aufmerksamer Haltung saß und zuhörte.

„Höre denn die Verkündung der Weisen, mein Fürst!“ rief Lotho Ulmas.

„Einst hat ein Fürst unser Volk geeint. Er hat ihm Land gegeben und einen Geist, damit er über das Land wache und es reiche Frucht bringe. Das Land blühte und wurde groß. Die Felsen verloren ihre Bedrohlichkeit, sie unterwarfen sich uns und wurden eins mit den übrigen Ländern. Damals hat einer von Yshgonyrs Vorfahren den Felslandgrafen eingesetzt.

Jetzt haben Volk und Land eine Grenze erreicht, wie sie damals die Felsregionen gewesen sind. Nur an der neuen Grenze wacht ein unüberwindliches Heer aus finsteren Nebeln darüber, daß niemand die paradiesischen Länder dahinter betritt. Das ist unser Untergang!“

Lotho Ulmas reckte sich empor. Auge in Auge mit dem Fürsten murmelte er die Beschwörungsformeln der Tiefengeister, wie sie nur einmal im Jahr von den Weisen gesprochen wurden, wenn es galt, den Tag des niedrigsten Sonnenstands zu bannen.

„Die Grenze fordert Überwindung. Sie ist in uns, wir müssen unser Innerstes überwinden, um den Finsternissen zu widerstehen. Unser Weg führt hinaus über die magische Grenze. Wir müssen uns die Zukunft erkämpfen.

Du, Yshgonyr, Fürst unter den Fürsten, rüste deine Heere, führe dein Volk, damit es nicht zugrunde geht an sich selbst und dem heiligen Drang seiner ewigen Sendung, der in ihm ist. Führe es hinaus. Dorthin, wo es Felsen gibt, die zu Bäumen

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und Brot werden sollen, wo es Finsternis gibt, in die wir das Licht tragen. Sprich endlich das erlösende Wort, auf das dein Volk wartet!“

Das Schweigen lag über der Erde des Marmos und des Glanzes. Irgendwo harrte ein Wunsch auf Erfüllung, begeisterte sich der Mensch an der Hoffnung. Und vor dem Volk verschlossen saß in seinem Palast der Fürst.

„Ich habe deine Worte vernommen, Weiser des Blaulands, Abgesandter des Thing“, sagte Yshgonyr nach einer Weile. „Es gibt nur eine Unstimmigkeit in der Botschaft der Weisen“, fuhr er fort. „Die Wahrheit besteht darin, daß unser Volk von einer anderen Welt stammt, deren Name uns nicht bekannt ist. Es ist länger her, als wir zurückrechnen können. Nicht einmal auf Veran weiß man Genaues darüber.“

„Xakarax hat die anderen Welten nach unserem Ebenbild geschaffen“, entgegnete Ulmas. „Zweifelst du daran?“

„Du sprichst wie ein Abweichler“, entgegnete Yshgonyr. „Du weißt, daß meine Worte Wahrheit sind. Bist du oder einer der anderen Weisen schon einmal auf einer fremden Welt gewesen?“

Lotho Ulmas schüttelte sein ehrwürdiges Haupt. „Siehst du! Es gibt auf allen diesen Welten keine Spuren von

Xakarax oder unserem Volk. Es hat sie nie gegeben.“ „Dann weiß ich keinen Rat“, seufzte der Blaulandweise. „Rendendag, dein Graf, besitzt mehr Energie als alle Weisen

Kayshyrstans und Ho Jans zusammen“, warf Yshgonyr dem Weisen vor. „Warum zaudert ihr?“

„Auch du zauderst!“ sagte Ulmas bestimmt. „Ich trete nur nicht an die Öffentlichkeit. In Wahrheit habe

ich den einzig möglichen Weg in die Zukunft bereits beschritten. Xakarax wird auf den anderen Welten Einzug halten, ohne daß sie es merken. Wir dürfen nicht offen auftreten.“

Das Fürsten Gesicht spiegelte die Entschlossenheit zum Handeln noch stärker, als es seine Worte zum Ausdruck bringen konnten. Der Blaulandweise öffnete den seinem Volk typischen, breiten Mund, als wolle er etwas entgegnen. Aber er schloß ihn wieder, verneigte sein Haupt kurz und spürte den Hinweisen Yshgo-nyrs nach.

„Was hast du vor, mein Fürst?“ fragte er schließlich.

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„Es gibt nur diesen Weg, über den ich nicht sprechen kann. Die Entscheidung wurde von mir allein getroffen. Sie wird von mir allein getragen. Niemand kennt sie außer mir. So wird es bleiben. Aber ihr müßt mit dem Volk sprechen. Ich darf es nicht.“

„Was sollen wir dem Volk sagen?“ „Sagt ihm das, was du mir vorgetragen hast. Aber fügt hinzu,

daß es nicht mehr lange dauern wird, dann wird das Tor in die Zukunft weit offen stehen. Dann werdet auch ihr Kayshyrstan verlassen.“

„Ein Exodus?“ rief Lotho Ulmas. „Vielleicht. Xakarax weiß es. Geh jetzt. Der Nerys hat seinen

höchsten Standerreicht!“ Die Glöckchen des Blaulandweisen klingelten lautstark vor

Erregung. Der Fürst deutete zum Portal, das sich geöffnet hatte. Ulmas wandte seine Augen zum Ausgang, wo der Marmorboden und das Mauerwerk in purpurnen Schein getaucht waren.

Der Weise eilte hinaus. Er sah den blutroten Mond am hellen Himmel stehen. Inmitten des blauen Firmaments wirkte er wie ein zorniges Auge. Der Weise des Blaulands wandte sich ab und eilte zu seiner Wohnnische bei Ramallah zurück. Er hatte eine Aufgabe zu erfüllen.

7. Äußerlich konnte man den Kugelraumer nicht von einem der

üblichen veranischen Patrouillenschiffe unterscheiden. Sie glichen sich in Typ und Bauart vollkommen. Nicht einmal die Farbe hatte etwas zu sagen, denn Patrouillenschiffe gab es in allen Schattierungen je nach dem Geschmack der Dienststelle, der sie unterstanden. Daß es sich in diesem Fall um einen Kauffahrer handelte, erkannte man lediglich an den Containern, die das Schiff an einer langen Kette wie einen Schwanz hinter sich her zog.

Das Handelsschiff kam wie eine Riesenschlange aus dem Zwischenraum. Im Licht der weißen Sonne leuchteten die

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untereinander starr verbundenen Kugeln wie kleine Sterne von hoher Dichte. Das Schiff mit seinen zwanzig weißen Zwergen im Schlepptau verlangsamte seine Fahrt und steuerte den siebten Planeten des Sonnensystems an. Mit der gewohnten Routine ging es in eine Umlaufbahn um Damrijan und bereitete einen Teil der Container zur Leichtung vor.

Dieser Vorgang lief überall im Menschenreich gleich ab. Das Schiff sandte einen Ankunftsimpuls an die Raumhafenbehörde, erhielt eine Antwort und löste die entsprechenden Container aus seinem Verband, die die Waren für die betreffende Welt enthielten, und wartete.

Die planetare Verwaltung schickte dann eine paar Leichter vom Boden herauf oder von einer Orbitalstation herüber, die die Container andockten und auf Wunsch die Lücken mit leeren Kugeln ausfüllten. Oder das Schiff nahm volle Container mit anderen Waren in seinen Verband auf.

Damrijan gehörte zu jenen Welten, die zwar mit allen Segnungen eines hochindustrialisierten Imperiums bedacht worden waren, aber abseits der Hauptrouten des interstellaren Handels lagen. Der siebte Planet des Elfplanetensystems der Sonne Warschauz erhielt nur alle drei bis fünf Wochen regelmäßigen Besuch von Handelsschiffen, offizielle Raumer des Imperiums wurden so gut wie nie gesehen.

Als an diesem 9. Mavius des Jahres 1861 Veranzeit das Handelsschiff NASSAU in die Kreisbahn einschwenkte, stimmte das alles noch, bis auf eine Kleinigkeit. Die Bodenstation der Welt im Louden-Sektor gab keine Antwort auf die Anrufe aus dem Schiff. Die NASSAU wartete.

Nach zwei Umkreisungen schickte die Schiffsführung einen Lander hinab zur Oberfläche. Die Ortung hatte festgestellt, daß es keine Anzeichen für eine Katastrophe gab. Die Energieemissionen von Kraftwerken kamen deutlich im Schiff an. Gleichzeitig war es unwahrscheinlich, daß sämtliche Funkstationen des Planeten ausgefallen waren, ohne daß es Ersatzgeräte gegeben hätte. Also stimmte etwas nicht auf Damri-jan.

Der Lander steuerte Lux, den Haupthafen des Planeten, an. Er war leer. In der Nähe der Hafenkontrolle setzte das Beiboot der NASSAU auf. Die Männer und Frauen der Besatzung gingen von Bord und sahen sich um. Der Raumhafen war

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verwaist. Kein Mensch weit und breit. Nach kurzer Rücksprache mit dem Orbit machte sich der

Lander zur nahegelegenen Stadt auf. Dort, so hoffte man, mußte es Menschen geben, die eine Erklärung hatten. Diese Vermutung war jedoch nur teilweise richtig. Und die Erkenntnis des wahren Zusammenhangs jagte den Menschen einen Schauer des Grauens nach dem anderen über den Rücken.

An der Ausfallstraße zum Raumhafen hielten sich Menschen auf. Aber sie nahmen von dem Lander und der aussteigenden Besatzung keine Notiz. Sie standen, saßen oder lagen in der Sonne, bewegten sich nicht, und ihre Gesichter zeigten ohne Ausnahme Zufriedenheit und Glück. Ein Lächeln, das die Zuschauer verwunderte und ensetzte. Die Damrijaner kümmerten sich nicht um die Neuankömmlinge.

Vorsichtig gingen die Menschen aus der NASSAU weiter. Sie marschierten die Straße entlang in die Stadt hinein. Sie fanden offene Türen, offene Tore. Überall Menschen, die glücklich vor sich hin stierten.

Sie fanden Schuhe und Strümpfe, Menschen die sich in der Dusche unter einem trockenen Wasserhahn drehten und solche, die am Tisch saßen, Messer und Gabel in den Händen hielten und nicht wußten, was sie damit anfangen sollten. In einem Flur stießen sie auf eine Frau, die sich in Krämpfen wand, ohne den verinnerlichten Gesichtsausdruck loszuwerden, der ein deutliches Zeichen dafür war, daß sie keinen Schmerz empfand. Sie befand sich jenseits der Schwelle des Körperlichen.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde es den Männern und Frauen aus dem Lander klar, daß die Menschen in dieser Stadt süchtig waren. Sie standen unter dem Einfluß eines Rauschmittels, das sie in einen apathischen Zustand versetzte. Dann stießen sie auf die ersten Toten. Menschen, die ohne Einwirkung von Gewalt gestorben waren.

Der Lander informierte die Schiffsführung im Orbit. Die NASSAU schleuste mehrere Beiboote aus, die ausschwärmten und sich über die Oberfläche Damrijans verteilten. Bald kamen aus anderen Städten und bewohnten Regionen gleichlautende Meldungen. Damrijan befand sich im Dämmerschlaf.

Nach kurzer Absprache mit der Reederei, für die jede Minute

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Wartezeit ein finanzieller Verlust war, kehrten die Lander in den Orbit zurück, dockten am Mutterschiff an und wurden eingeschleust. Gleichzeitig liefen in der Zentrale der NASSAU weitere Aktivitäten an. Ein Rundruf wurde ausgegeben, das Schiff ging in einen kreisförmigen Orbit, ein Zeichen dafür, daß es sich auf einen längeren Aufenthalt vorbereitete. Dann richteten sich die Hyperantennen des Handelsschiffs auf jenes Gebiet weit draußen im Sternengewimmel aus, in dem die Zentrale des Imperiums lag.

Die NASSAU fuhr alle Kraftwerke hoch und schickte eine Botschaft in den Kosmos.

Alle Kontrollichter im Komandostand der Zentrale leuchteten rot bis auf die Triebwerksanzeigen. Das Schiff gab Sijdon-Alarm, die höchste Alarmstufe innerhalb des Imperiums. Nur im äußersten Notfall durfte sie verwendet werden. Die von einem schrillen Heulton begleiteten rhythmischen Funksignale bedeuteten: Ein Planet befindet sich in Gefahr.

*

„Sind schon Werte bekannt?“ Die Stimme der Fragerin klang

gehetzt. „Nein“, kam die Antwort des Mannes vom Bildschirm. „Wir

können noch keine Ergebnisse vorweisen.“ Mira Alcanter wandte sich ab. Sie verließ das Kegelzelt und

trat auf den Boden des Raumhafens hinaus, auf dem etwa zwanzig Lander standen. Sie schritt hinüber zu einer Gruppe von Ärzten, die sich anschickten, in die Stadt vorzudringen, die sich vor ihnen erhob.

„Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich Ihnen anschließe?“ fragte Mira. Sie war die Kommandantin eines Hospitalschiffs, das in der Nähe Loudens geflogen war und den Notruf aufgefangen hatte.

„Selbstverständlich nicht, Kommandantin“, sagte einer der Ärzte. „Wir sind für jede Unterstützung dankbar.“

Die Gruppe war eine von mehreren, die sich auf Damrijan bereits im Einsatz befanden. Stunde für Stunde kämmten sie die Straßen und Häuser durch. Überall begegneten sie demselben Bild. Menschen, die sich dem Nichtstun hingaben. Allen war ein melancholisches, verträumtes Lächeln eigen,

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ohne daß sie auch nur ein Wort gesprochen hätten. „Wir haben das Trinkwasser untersucht“, informierte einer

der Ärzte die Kommandantin. „Wir haben keine Rückstände gefunden.“

„Wo in aller Welt soll die Ursache für den Zustand dieser Menschen dann herkommen?“ fragte Mira. „Gibt es keinen Anhaltspunkt, keine Spur, die es uns ermöglicht, Schlußfolgerungen zu ziehen?“

„Wir vermuten, daß die Ursache in den Früchten oder Pflanzen zu suchen ist, die dieser Planet hervorbringt.“

„Aber früher hat es keine Meldungen von Damrijan gegeben, das müßten wir wissen“, warf ein anderer Mediziner ein.

Sie betraten ein Haus, in dem sich über hundert apathische Menschen aufhielten. Die Ärzte machten sich an die Untersuchung einzelner Personen.

Nach einer Weile trugen sie die gewonnenen Informationen zusammen und notierten sie.

„Die Patienten leiden unter Sehstörungen. Auch ihr Gehör weist Anzeichen von Schwäche auf. Der Herzschlag liegt im Durchschnitt um zwanzig Schläge über dem normalen menschlichen Mittelmaß. Bei einigen sind erste Anzeichen von Nahrungs- und Flüssigkeitsmangel erkennbar.“

Sie kamen in andere Räume, die früher als Schlaf- oder Wohnräume benutzt worden waren. Auch hier lagerten Menschen und träumten vor sich hin. Ein übler Geruch hing in der Luft. Er rührte von Abfällen und Exkrementen her. Mira Alcanter setzte sich mit ihrem Schiff in Verbindung und forderte ihren Stellvertreter auf, Reinigungsgruppen abzustellen und Roboter zu schicken.

Irgendwo in der Wirrnis der träumenden Stadt trafen sie auf Verhungerte. Die von der NASSAU gefundenen Toten waren bereits obduziert. Nur hatte der in ihren Blutbahnen gefundene Fremdstoff bisher nicht die Ergebnisse gebracht, die man sich gewünscht hätte. Mira Alcanter gab den eintreffenden Robotern die Anweisung, die Toten vor die Stadt zu tragen und auf einen Haufen zu legen. Die einzige Chance, einer um sich greifenden Epidemie Herr zu werden, war die Verbrennung der Verstorbenen. Einer der Lander würde seine Strahlkanone einsetzen müssen.

Inzwischen landeten weitere Schiffe auf Damrijan oder

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fanden sich in einem Orbit ein. Ein reger Funkverkehr entwickelte sich. Immer mehr Helfer sanken der Oberfläche des Planeten entgegen und machten sich an die Arbeit. Biologen und ihre Assistenten starteten Expeditionen in die Natur Damrijans, die nicht gerade vielfältig, aber üppig war und über eine teils gefährliche Fauna verfügte. Pflanzen und Tiere wurden eingesammelt, untersucht, die ersten Reagenzproben in die Schiffe geschickt. Jede Probe verlief negativ. Keine hatte etwas mit dem Zustand der Menschen zu tun.

Anfragen eilten hin und her. „Wir sind noch nicht weiter“, hieß es in jeder Verlautbarung.

Die medizinischen Untersuchungsgruppen erlebten, wie ihnen die Menschen regelrecht unter der Hand wegstarben. Sie waren verhungert, weil sie nicht mehr wußten, daß sie Nahrung und Flüssigkeit aufzunehmen hatten, wenn sie weiterleben wollten. Es schien, als sei der ganze Planet dem Tod geweiht.

In diesem Stadium setzte sich schnell die Erkenntnis durch, daß es eines anderen Vorgehenes bedurfte, dem Tod einer ganzen Welt vorzubeugen.

Eine Blitzkonferenz fand statt. Je ein Schiff landete in der Nähe jeder größeren Stadt des Planeten. Die Mannschaften füllten die Lander mit Proviant, fuhren in die Städte. Damit begann eine der größten Hilfsaktionen, die es je im Imperium gegeben hatte. Millionen träumender Menschen mußten zwangsernährt werden, ohne daß sie sich dessen bewußt geworden wären. Bei vielen kam diese Hilfe bereits zu spät.

Über die errichtete Dauerfunckbrücke nach Veran erfuhren die freiwilligen Samariter, daß ein Schiff unterwegs war, ein Patrouillenkreuzer, der in Kürze eintreffen würde. Aus den Labors hörte man zuversichtliche Meldungen. Langsam rückten die Wissenschaftler dem Fremdstoff zu Leibe. Es handelte sich um eine sich nicht zersetzende Droge.

„Damit können wir den Verdacht, die Ursache in Damrijans Pflanzenoder Tierwelt zu suchen, endgültig begraben“, sagte Mira Alcanter bei der nächsten Besprechung aller Schiffskommandanten. „Es muß eine Droge sein, die künstlich hergestellt wurde.“

Diese Feststellung barg Zündstoff in sich. Nicht nur, weil es nur den staatlich genehmigten Konzernen möglich war,

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Medikamente herzustellen, sondern auch, weil jemand für die Zustände auf Damrijan verantwortlich sein mußte. Es war auszuschließen, daß die Bewohner des Planeten sich absichtlich in einen solchen Zustand versetzt hatten.

Weitere Schiffe, die dem Notruf gefolgt waren, trafen ein. Ihre Besatzungen wurden dringend zur Fütterung der Einwohner benötigt. Die Lebensmittelvorräte der Raumer schmolzen dahin. Nur die Notrationen blieben vorläufig in den Kühlräumen. Dazu kamen die Vorräte, die die Menschen aus der Zeit vor dem Drogenrausch in ihren Städten gelagert hatten. Konserven gab es ausreichend. Die Frischwaren befanden sich im Stadium der Fäulnis. An ihnen konnte ungefähr der Zeitraum abgeschätzt werden, seitdem sich Damrijan in diesem Zustand befand. Er betrug eineinhalb Wochen.

Es war der Zufall, daß in dieser Zeit keine Hyperfunkgespräche mit dieser Welt geführt worden waren oder niemand sich die Mühe machte, der ausbleibenden Verbindung mit Verwandten, Handelspartnern und anderen nachzugehen und Meldung zu machen.

Zu diesem Zeitpunkt der Hektik auf Damrijan, an dem zwei neue Gesichtspunkte aufgetaucht waren, die sofort verfolgt wurden, nämlich die Analyse der unbekannten Droge und die Suche nach Plätzen, wo sie gelagert wurde, erschien die Riesenkugel des Patrouillenschiffs über dem Planeten und senkte sich langsam herab.

*

Drei Wochen war es her, daß Helder von Anceynt das

Pentysystem verlassen hatte. Jetzt befand er sich erneut in Louden, und wieder war es ein Problem von höchster Brisanz, das ihn in diesen Sektor führte.

Der Sonderbeauftragte legte sich die drei Vorfälle zurecht, die es innerhalb kürzester Zeit in diesem Sektor gegeben hatte. Da war zuerst der Strahlenüberfall auf das Kadettenschiff gewesen. Dann hatte es auf Gernot einen Toten gegeben, dessen Mörder der Geheimdienst bisher nicht gefunden hatte. Und jetzt träumte ein ganzer Planet vor sich hin, und seine Bewohner starben. Drei Fälle, die nichts miteinander zu tun hatten, und

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bei keinem war eine Lösung absehbar. Von Anceynt verließ die VOLANDRA, mit der er gekommen

war, und begab sich an Bord des Handelsschiffs NASSAU. Er stand dreißig Schiffsführern gegenüber, die alle dem Sijdon-Alarm gefolgt waren. Von Anceynt ließ sich ausführlich informieren. Er nahm Einblick in die Untersuchungsergebnisse.

„Es steht zweifellos fest, daß es sich um eine Droge handelt, die der gesamten Bevölkerung zugänglich gemacht wurde“, resümierte er. „Denn auch in Dörfern und Einsiedlerhöfen sind die Menschen davon betroffen. Das läßt vermuten, daß sie über die Wasserversorgung eingebracht wurde.“

„Wasseruntersuchungen wurden durchgeführt“, antwortete Mira Alcanter, die sich zur Wortführerin der Kommandanten gemacht hatte. „Sie verliefen negativ, es wurden nicht einmal Spuren der Droge ermittelt. Es muß eine andere Möglichkeit geben.“

Helder von Anceynt wußte keine, die eine bessere Gewähr für die planetenweite Verbreitung gegeben hätte. Er setzte es ihnen auseinander.

„Sämtliche Wasserreservoirs und Aufbereitungsanlagen, alle Tiefbrunnen und Hochspeicher, die Zapfanlagen an den Flüssen werden überprüft“, schlug er vor. „Sollten sie Spuren unsachgemäßer Benutzung finden, wissen wir Bescheid.“

Da die Besatzungen der auf Damrijan liegenden Schiffe voll mit der Versorgung der Bevölkerung und der Suche nach Drogenlagern beschäftigt waren, kehrte Helder auf die VOLANDRA zurück und setzte seinen Plan Semrad auseinander. Der Kommandant teilte die Mannschaft auf und schickte sie auf die Suche.

Von Anceynt funkte eine kurze Mitteilung nach Veran. Anschließend suchte er sofort die Laboratorien auf, in denen die Droge gewonnen wurde. Für ihn kam es jetzt darauf an, daß er sich über alle Einzelheiten informierte. Irgendwie wurde er das Gefühl nicht los, daß die Vorgänge in Louden keine Anhäufung von Einzelfällen waren, sondern daß sie zusammenhingen. Seine Aufmerksamkeit wurde dadurch neu geweckt, das Gefühl der Resignation, mit dem er Louden verlassen hatte, wich neuer Hoffnung, doch noch eine Spur zu entdecken und die Kadettenmörder eines Tages dingfest zu machen.

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„Ein Massenmörder hier, einer dort“, überlegte er. „Wenn das kein Indiz für einen Zusammenhang ist!“

Er erlebte eine Überraschung.

* Helder wurde von Professor Dan Ross in Empfang

genommen. Der Wissenschaftler unterrichtete ihn bereitwillig über alle Einzelheiten, die er bisher über die Droge herausgefunden hatte.

„Wir haben sie in pulverisiertem Zustand vorliegen. Es dürfte ihre ursprüngliche Zustandsform sein. Wenn man sie in die Trinkwasserversorgung eingegeben hat, war das kein Problem. Sie ist absolut wasserlöslich und schmeckt fast neutral“, sagte er und nickte bekräftigend.

„Welchen Geschmack oder Geruch hat sie in fester Form?“ erkundigte sich von Anceynt.

„Einen merkwürdigen Geruch. Man kann ihn schlecht mit anderen vergleichen. Kommen Sie!“

Er führte Helder in eines der Labors, in dem ein Schwärm von Personen mit Experimenten beschäftigt war.

„Es ist unser Ziel, so schnell wie möglich ein Gegenmittel zu finden“, erklärte ROSS. „Da sich die Substanz nicht zersetzt, kann sie nur dadurch unschädlich gemacht werden.“

Er hielt von Anceynt ein Schälchen mit einem rosaroten Pulver unter die Nase. Der Sonderbeauftragte Verans roch daran. Dann richtete er sich ruckartig auf. Fassungslos starrte der Professor auf sein Gesicht.

„Ich kenne den Geruch“, sagte von Anceynt dumpf. „Ich gehe jede Wette ein, daß diese Droge auf einem anderen Planeten gelagert wurde.“

„Sie sind diesem Geruch schon begegnet?“ fragte ROSS erstaunt.

„Vor drei Wochen auf Gernot, ebenfalls im Louden-Sektor“, rief Helder aus. „Geben Sie mir die Substanz mit. Ich werde die Suchmannschaft fragen, die mich in Tarags Valley begleitet hat!“

Ehe Ross eine Antwort geben konnte, hatte von Anceynt ihm die Schale abgenommen und war hinausgestürmt. Er eilte auf dem schnellsten Weg zur VOLANDRA und trommelte die

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Mannschaft zusammen. Semrad und mehrere Männer, die in der Höhle den Geruch

wahrgenommen hatten, stimmten ihm zu. „Also doch noch eine Spur!“ Helder atmete auf. „Ich hatte

schon befürchtet, den Fall Gernot ungeklärt lassen zu müssen.“

* In der VOLANDRA gingen ununterbrochen Mitteilungen

und Ortungsergebnisse ein. Weitere Schiffe befanden sich im Anflug auf Damrijan. Das Patrouillenschiff hatte die Funktion der Koordination übernommen. Noch immer fehlte es an Helfern, um die Bevölkerung versorgen zu können. Weitere Tote wurden gemeldet.

Helder von Anceynt hatte sich in seine Kabine zurückgezogen. Er verarbeitete das, was er seit der Landung erfahren hatte. Er benötigte Zeit dazu, und Ruhe. Nie hätte er sich träumen lassen, auf Damrijan einen festen Zusammenhang zu entdecken zu dem Ereignis, das auf Gernot stattgefunden hatte. Müllner hatte mehr gewußt, als er sagte, das stand für Helder jetzt endgültig fest. Er war zum Schweigen gebracht worden.

„Es ist ein Gegner am Werk, der keine Skrupel kennt“, murmelte Helder. Er starrte zur Decke und zählte die feinen Öffnungen des Luftsiebs der Klimaanlage. „Das Lager in Tarags Valley, der Einsatz der Droge auf Damrijan und ihre schreckliche Wirkung. Beide Vorgänge müssen mehr bedeuten, als ersichtlich ist. Sie gehören in einen größeren Zusammenhang, den wir nicht kennen. Hat der Tod der zweitausend Kadetten und der Besatzung der TITIUS auch damit zu tun?“

Von Anceynt sprang auf. Er eilte hinaus und zur Zentrale. Er traf Mike Semrad am Hyperfunk stehend.

„Ich habe einen furchtbaren Verdacht“, rief er ihm zu. „Damrijan ist Teil eines Planes, der sich auf mehrere Welten erstreckt, auf ganz Louden oder auf das Imperium!“

Er setzte ihm seine Gedanken auseinander. Semrad sah ihm in die Augen.

„Das heißt, wir sind einer Bedrohung ausgesetzt, der wir nicht Herr werden“, sagte der Kommandant düster. „Bis jetzt

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ist es nicht gelungen, das Gegenmittel zu finden. Die Wissenschaftler sind weiter davon entfernt als zuvor.“

„Es ist eine schleichende Bedrohung, ich bin auf alles gefaßt“, erklärte Helder. „Ich werde gleich Veran anrufen. Die Flotte soll in Alarmbereitschaft versetzt werden.“

„Eine Bedrohung!“ rief Semrad aus. „Woher kommt sie? Ist es eine Bedrohung von innen oder von außen? Wer könnte ein Interesse daran haben, daß auf Menschenwelten die Bevölkerung stirbt wie die Fliegen. Es muß ein schrecklicher Gegner sein. Ein Feind aus den Tiefen des Alls!“

8. Der Raumhafen der Hauptstadt glich einem Heerlager.

Zwischen den Schiffen erstreckten sich die Zeltlager bis hinein in die Stadt. Mit den Mitteln der zur Verfügung stehenden Raumer hatten die Ärzte ein Lazarett und mehrere Außenlabors eingerichtet, in denen die Mediziner wie die Besessenen arbeiteten. Keiner von ihnen hatte je in seinem Leben eine solche Situation erfahren. Das Leben von Millionen Menschen hing von ihrer Einfallskraft, der Genauigkeit und der Ausdauer ab, mit der sie bei der Arbeit waren. Das Patrouillenschiff Verans hatte zusätzlich seinen gesamten wissenschaftlichen Stab zur Verfügung gestellt. Dr. Ja Sankaroy, Chefärztin der VOLANDRA, arbeitete mit ihren modernen Geräten an der Gewinnung des Gegenmittels mit.

„Bald haben wir es leichter“, teilte Mira Alcanter ihr mit. Sie ging durch die Zelte und erkundigte sich in den Laboratorien der Schiffe nach den Fortschritten. „Veran hat zwei Hospitalschiffe losgeschickt. Sie müßten bald da sein. Wie sieht es bei euch aus?“

„Wir sind keinen Schritt weitergekommen“, seufzte Ja Sankaroy. „Wenn es irgendwelche Anhaltspunkte gäbe. Aber die Droge ist uns von der chemischen Zusammensetzung her unbekannt.“

„Manchmal zweifle ich, ob wir überhaupt etwas ausrichten“, erwiderte Mira Alcanter. „In den vergangenen achtzig Minuten

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sind über tausend Menschen in den verschiedenen Regionen des Planeten gestorben. Und die Dunkelziffer aus jenen weniger bevölkerten Gebieten, in denen wir aus Personalmangel nicht helfen können, ist hoch. Wo führt das hin?“

„Wenn ich es wüßte. Nicht einmal von Anceynt, der für Einsätze wie diesen geschult ist, scheint einen Überblick über das Ausmaß zu haben.“

*

Der Mann, von dem Dr. Ja Sankaroy in diesem Moment

sprach, flog mit einem Gleiter über Damrijan. Er suchte jene abgelegenen Gebiete auf, in denen wenig Menschen lebten. Die er fand, zeigten Symptome, die er aus den Städten zu Genüge kannte. Über Funk gingen laufend Meldungen aus allen Teilen des Planeten ein. Sie verhießen nichts Gutes.

Helder von Anceynt war erschüttert. Erneut wurde er sich bewußt, daß er alle drei Ereignisse in

Verbindung brachte, obwohl es keinen Beweis dafür gab, daß der Fall des Schulschiffes mit den beiden anderen Fällen zusammenhing. Der Beauftragte des Imperiums fragte sich, ob es sein sechster Sinn war, der ihn dies vermuten ließ.

Während er weiterhin den Meldungen lauschte, drückte er den Gleiter tief hinunter in ein Tal, in dem er Tiere ausgemacht hatte. In der Nähe einer eingezäunten Weide setzte er auf und stieg aus. Kein Mensch war weit und breit zu sehen. Die Weide, eindeutig als Rinderweide erkennbar, war verlassen. Lediglich am gegenüberliegenden Ende des Tales lagen ein paar Kühe im Gras.

Helder schritt hinüber und stellte fest, daß die Rinder krepiert waren. Auf der Weide rundherum stand das Gras höher als üblich. Die Tiere waren an derselben Seuche zugrunde gegangen wie die Menschen auch. Sie hatten Wasser getrunken, das mit der Droge versetzt war.

Helder machte kehrt und schritt das Tal in der anderen Richtung ab. Bei dem kleinen Gehöft am unteren Talausgang machte er halt. Das Haus war verlassen. Keine Menschen und keine Toten. Draußen an der Stallung lag ein hölzerner Trog, auf der Erde. Eine Wasserleitung führte hinein. Sie war

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abgestellt, aber der Trog enthielt abgestandenes Wasser. Von Anceynt schaltete. Er rannte in das Haus und kam kurz

darauf mit einer Kanne zurück. Er nahm Wasser aus dem Trog, verschloß die Kanne mit ihrem Deckel und ging zum Gleiter zurück. Er rief Semrad an.

„Lassen Sie den Ärzten und Chemikern mitteilen, daß ich mit einer Wasserprobe zurückkomme, die vielleicht einen Rückstand der Droge enthält.“

„Ist recht“, erwiderte der Kommandant. „Wenn es weiterhilft. In Kürze wird es sowieso besser aussehen. Wir werden Unterstützung bekommen. Eines der Schiffe, die gerade gelandet sind, berichtet von größeren Schiffsbewegungen im Gebiet um Tergantil-Pfalz.“

„Tergantil-Pfalz?“ echote Helder. „Das ist so ziemlich die trübste Gegend im ganzen Sektor.

Liegt dort nicht Garnes, der Planet der Spielhöllen?“ Semrad nickte.

„Dann frage ich mich, was die Schiffe dort tun“, fuhr von Anceynt fort. „Wenn sie helfen wollen, sollen sie auf den schleunigsten Weg nach Damrijan kommen!“ Er unterbrach die Verbindung. Vor seinem geistigen Auge entstand ein merkwürdiges Bild. Es zeigte regen Flugverkehr im ganzen Louden-Sektor, hervorgerufen durch den Alarm. Und es zeigte einen Verband von Schiffen, die sich in Tergantil-Pfalz sammelten, ohne auf den Alarm zu achten.

Unschlüssig drehte Helder von Anceynt den Ring zwischen seinen Fingern. Er streifte ihn über. Der Ring gehörte zu einem großen Finger.

„Ich werde ihn weiter in meiner Kabine aufbewahren“, dachte der yeranische Beauftragte. „Vielleicht ist er mir eines Tages nützlich.“

Der Ring war ein Beweisstück. Noch stand nicht fest, daß sein Besitzer mit den Vorgängen auf Gernot zu tun hatte. Aber Helder hatte den Ring so unmittelbar im Bereich der Höhle gefunden, daß ein Zufall fast ausgeschlossen war.

Er hielt den Ring gegen das Licht. Der unversehrt in seiner Fassung hängende Stein funkelte

in einer diamantenen Klarheit, wie Helder sie selten erlebt hatte.

„Bestimmt ist es einer der unbezahlbaren Opera-Diamanten“,

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murmelte er. „Sein Besitzer muß ein reicher Mann sein.“ Er wurde in seinen Betrachtungen gestört. Im Nebenzimmer

summte der Videocom. Helder legte den Ring weg, eilte hinüber und betätigte den Freigabesensor. Es war Semrad.

„Die unbekannten Schiffe sammeln sich weiter in der Nähe der Sonne Tergantil-Pfalz“, sagte der Kommandant. „Sollen wir ein Boot hinschicken?“

„Ist es möglich, daß es sich bei den Schiffen um eine Ansammlung unseres unbekannten Gegners handelt?“ fragte von Anceynt zurück. „Wir sollten das überprüfen. Ich schlage vor, wir verlassen mit der VOLANDRA Damrijan, sobald wir abkömmlich sind, und sehen uns die Sache an!“

Semrad ließ einen Rundruf los. Niemand hatte etwas dagegen einzuwenden, daß das Schiff vorübergehend ausfiel. Das Ärzteteam und die Wissenschaftler unter Dr. Ja Sankaroy zogen endgültig in die Zeltstadt aus und richteten sich dort notdürftig ein.

Auf dem Gebiet der Zwangsernährung der Bevölkerung wurden neue Fortschritte erzielt. Die Sterblichkeitsquote sank langsam ab. Eine ganze Flotte kleiner Lazarett- und Seuchenschiffe aus dem Louden-Sektor traf ein, unter ihnen zwei Raumer Fürst Yshgonyrs. Die Besatzungen dieser beiden Schiffe machten einen Eindruck, als seien sie jahrelang in Gefangenschaft gewesen Wie besessen stürzten sie sich in den Einsatz und versuchten, Bewegung in die Situation zu bringen.

Drei Stunden nach dem Entschluß, zu starten, verließ die VOLANDRA die Oberfläche Damrijans und schwenkte in einen Orbit ein. Nach einem kurzen Orientierungsgespräch mit einem Handelsschiff, das gerade aus dem Notfal-Sektor kam und bei seinem Anflug auf Damrijan Tergantil-Pfalz in einer Linearpause gestreift hatte, nahm Semrad Fahrt auf. Das Schiff beschleunigte mit den für Patrouillenkreuzer üblichen Maximalwerten und verschwand im Zwischenraum.

*

„Es ist dringend!“ beschwor die Frau auf dem Bildschirm den

diensttuenden Funker. „Die Information muß sofort weitergegeben werden!“

„Ich werde mein Bestes tun“, versprach der Mann und

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schaltete sich aus der Verbindung aus. Er drückte mehrere Knöpfe, legte schließlich einen Hebel um. Lange Zeit rührte sich nichts.

Endlich aber kam eine Verbindung zustande. Eine ältere Frau sah den Funker mürrisch an.

„Warum werden wir gestört?“ fragte sie barsch. „Es gibt Wichtigeres zu tun, als Gespräche zu führen.“

„Das weiß ich. Aber sagen Sie mir wenigstens, wie ich den Sonderbeauftragten Helder von Anceynt erreichen kann. Er erhält soeben einen . dringenden Anruf von der Imperiumsregierung.“

„Von Anceynt ist nicht hier“, sagte die Frau. „Gedulden Sie sich einen Moment!“

Wieder wartete der Funker. „Helder von Anceynt hat vor einer Viertelstunde Damrijan

verlassen. Er fliegt Tergantil-Pfalz an“, sagte die Frau schließlich.

„Danke!“ Blitzschnell schaltete der Funker um. Lavynna von Dorhagen

sah ihn wütend an. „Sie lassen sich Zeit, als seien Sie im Urlaub!“ rief sie heftig. Der Funker zuckte mit den Schultern. „Ich kam nicht durch“, entschuldigte er sich. „Helder von

Anceynt befindet sich auch nicht hier. Er ist seit einer Viertelstunde auf dem Weg nach Tergantil-Pfalz!“

„Dann ist es zu spät!“ rief die Regierungschefin des Imperiums. „Nein, vielleicht doch nicht. Versuchen Sie, das Schiff zu erreichen. Sie kennen seine Position. Bis unsere Sendeanlagen auf das Gebiet eingerichtet wären, würde es zu lange dauern.“

„Ich höre“, sagte der Funker und schaltete das Band ein. „Sagen Sie von Anceynt, die zentrale Datenkartei auf Veran

hat eine Prognose gestellt. Danach deutet die Vorgehensweise der gesuchten Verbrecher in allen drei Fällen auf einen gemeinsamen Urheber hin. Dies allerdings unter dem Gesichtspunkt, daß es in diesem Zeitraum im Imperium keine anderen Vorkommnisse gegeben hat.“

„Die Anordnung ist gespeichert“, sagte der Funker. „Wir werden sofort eine Antennenkette aus zehn Schiffen bilden und die Sendung gezielt abstrahlen.“

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„Verwenden Sie den Notfallkode des Imperiums. Verschlüsselungsstufe A. Und beeilen Sie sich!“

Die Verbindung wurde unterbrochen. Der Funker rief sofort die zehn Raumer, die in nächster Nähe seines Schiffes auf dem Raumhafen standen. Innerhalb von zehn Minuten gelang eine Verbundschaltung. Tergantil-Pfalz wurde angepeilt, die VOLANDRA um die Annahme einer Botschaft gebeten. Sie antwortete nicht.

*

In der undurchdringlichen Schwärze des interstellaren

Raumes entstand ein leuchtendroter Riß im Gefüge des Universums. Er strahlte hell auf und entließ einen Schatten aus seinem Bann, der irgendwohin verschwand. Ebenso schnell, wie er entstanden war, wurde der Riß unsichtbar.

Mit den üblichen Begleiterscheinungen des Zwischenraumsprungs kehrte das Schiff in den Normalraum zurück und nahm mit einem Viertel der Lichtgeschwindigkeit Kurs auf das System Tergantil-Pfalz.

„Sechzehn Schiffe!“ sagte Semrad in sein Mikrofon. Er saß auf dem Platz des Piloten und beobachtete die automatischen Kursanzeigen. „Stellen Sie fest, um welche Typen es sich handelt!“

Die Aufforderung erging an den Orter. Der Offizier schaltete an seinen Geräten und stellte Vergleichsrechnungen mit dem Schiffscomputer an.

„Alles Kugelschiffe der Handelsklasse“, sagte er dann. „Ohne Ausnahme tausend Meter Durchmesser. Sie versuchen, den Ortungsschutz der Doppelsonne zu gewinnen.“

„Auf der üblichen interstellaren Frequenz anrufen“, sagte von Anceynt, der im Sessel des stellvertretenden Kommandanten saß. Er überließ alles Semrad und griff nur ab und zu in den Ablauf des Unternehmens ein. Notfalls allerdings war er befugt, die Befehlsgewalt an sich zu ziehen. Vier Meter neben ihm saß der Funker und mühte sich ab.

„Nichts“, sagte er. „Wir erhalten keine Antwort. Man ignoriert uns.“

Semrad blickte kurz zu von Anceynt hinüber. Sie verständigten sich mit den Augen.

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„Wir fliegen den Verband an!“ befahl der Kommandant. Die Triebwerke der VOLANDRA begannen zu dröhnen, als

das Schiff den Kurs änderte und in eine Flugbahn einschwenkte, die es nahe an der weißen Zwergkomponente des Doppelsterns vorbeiführen würde, wo die sechzehn Schiffe langsam driftend im Raum hingen.

Der fremde Verband war verdächtig. Als schwerwiegender Verstoß war es zu bewerten, daß er den Sijdon-Alarm der NASSAU ignoriert hatte, der auf alle Fälle angekommen war.

„Was geht hier vor?“ fragte Helder laut. Alle Besatzungsmitglieder beschäftigten sich mit dieser Frage.

„Achtung!“ rief der Orter in diesem Augenblick. „Eines der Schiffe hat Fahrt aufgenommen!“

An den Instrumenten verfolgten sie, wie der Kugelraumer im Zwischenraum verschwand.

Helder von Anceynt wurde bleich. Er ahnte etwas. Plötzlich durchzogen Bilder sein Inneres. Sie zeigten ihm Tod und Verderben.

„Fliehen!“ schrie er. „Schnell in den Zwischenraum!“ Semrad sah ihn erstaunt an. „Wozu?“ fragte er. „Ich sehe keine Gefahr!“ Seine Augen

wanderten zum Gürtel von Anceynts, wo eine Waffe baumelte. Zum ersten Mal sah der Kommandant den Sonderbeauftragten bewaffnet. „Der Bursche ist geflüchtet!“

Gleichzeitig biß er sich fast auf die Zunge. Alarm gellte auf. „Schiff in unmittelbarer Nähe aufgetaucht!“ schrie jemand. „Fordern Sie es zum Beidrehen auf!“ rief Semrad zurück,

doch Helder von Anceynt übertönte ihn. „Schutzschirme ein! Wir setzen uns ab!“ dröhnte seine

Stimme. Jetzt erwies es sich von Nachteil, daß Semrad selbst das

Schiff flog. Bei einem seiner Offiziere hätte von Anceynt mit seinem Befehl sofort Erfolg gehabt. Der Kommandant aber stand auf der Leitung. Der Funker versuchte nochmals sein Glück. Ohne Erfolg. Mit flammenden Düsen raste der Raumer auf die VOLANDRA zu.

„Schirm ein, schnell!“ donnerte der Sonderbeauftragte Verans. „Sie verwenden die Gammawaffe!“ Er riß sich den Sicherheitsgurt vom Leib und sprang auf. Es war zu spät.

Auch Helder von Anceynt spürte das Kribbeln und Jucken,

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das seinen Körper durchdrang. Die Meßgeräte spielten verrückt. Langsam fuhren die Kraftstationen für die Schirme hoch.

Im Hintergrund der Zentrale zeigten sich die ersten Anzeichen der Katastrophe. Die in starkem Maß aufkommende Übelkeit führte bei vielen Besatzungsmitgliedern zu sofortiger Handlungsunfähigkeit. Semrad stammelte etwas, was Helder nicht verstand.

Von Anceynt hatte seine Waffe gezogen. Ihm fiel ein, was Professor Konstantinou ihm gegenüber gesagt hatte. Die Schirme boten gar keinen Schutz vor der Strahlung.

„Das Notsignal!“ schrie Helder. „Geben Sie das Notsignal ab!“

Semrad machte eine fahrige Bewegung mit der rechten Hand, dann brach er zusammen.

Flucht! Das war der einzige Gedanke, der Helder von Anceynt in

diesem Augenblick bewegte. Nur eine schnelle Rettung konnte die Chance des Überlebens wahren.

Schräg oberhalb seines Standorts leuchtete der rote Rahmen des Sicherungskastens für die Zwischenraumautomatik. Er war mit einem Kodeschlüssel gesichert, den nur Semrad besaß. Ihn zu suchen, war sinnlos. Helder hätte zuviel Zeit verloren.

Ein Schuß peitschte durch die Zentrale. Der Kasten schmolz zusammen. Ein zweiter Schuß aus dem Handlaser riß die Verkleidung weg. Sie flog ein paar Meter und krachte irgendwo gegen die Anzeigentafel. Da lag der rettende Knopf frei vor Helder.

In diesem Moment gab es in der Konsole eine kleine Explosion. Die Hitze des Strahles hatte irgendwo wichtige Kabel beschädigt. Helder zog seine Hand schnell zurück. Mit zusammengekniffenen Augen sah er zu, was geschah.

Die Steuerkonsole war sekundenlang in grelles Licht getaucht. Überschlagsblitze knatterten und knisterten hin und her. Die Metallteile standen unter Strom. Helder erhielt einen Schlag, der ihn zu Boden warf.

Der Sonderbeauftragte des Imperiums, der aus ungezählten Einsätzen als Sieger hervorgegangen war, gab auf. Er kapitulierte vor der grausamen, unmenschlichen Macht, die ihm den Tod bestimmt hatte. Er wußte nicht, daß seine beiden

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Schüsse und die hervorgerufenen Kurzschlüsse den Notruf ausgelöst hatten. Er lag mit offenen Augen da und

wartete auf den Tod. . Helder sah die Blitze, die um seinen Kopf tanzten, die sich

überschlagenden Energien, die ein wirres Sperrfeuer über seinem Körper bildeten. Weiße und rosafarbene Schmelzspuren zogen sich über die Konsole.

Weiter rechts lag Semrad. Er war ohne Bewußtsein. Er befand sich außerhalb des direkten Gefahrenbereichs der langsam brennenden Kabel und Verkleidungen. Um ihn herum bewegte sich keine erhitzte Luft.

„Ich muß hier weg, sonst verbrenne ich bei lebendigem Leib!“ stöhnte Helder. Er versuchte, sich zur Seite zu rollen. Es gelang ihm, aber er berührte dabei die Metallsäule eines Sessels. Erneut erhielt er einen Stromschlag. Er verlor das Bewußtsein und dämmerte hinüber in jene Gegenden und Zeiten, aus denen es für gewöhnlich keine Rückkehr gibt. Sein letzter, bewußter Gedanke galt Lavynna.

9. Die Hand mit dem Tuch senkte sich. Die weiße,

reflektierende Fläche verschwand aus dem Blickfeld der beiden Männer.

„Das Zeichen ist da!“ rief Bardybar und gab den Männern einen Wink, die an den Balken standen und auf ihren Einsatz warteten.

„Die Sperre des Kanals ist bereit, zu zerbrechen“, fuhr er fort. „Was sagst du nun?“

Die Frage war an Rendendag gerichtet, den Blaulandgrafen. „Ich bewundere die Kunst der Kanalbauer“, gab dieser offen

zu. „Nie hätte ich mir träumen lassen, daß es möglich ist, in den harten Stein der Leroyberge eine Rinne zu hauen, in der das Wasser des Raysh fließen kann.“

„Nur eine Hälfte seines Wassers“, verbesserte Haurolf Bardybar. „Die andere fließt weiter die Schlucht hinab in die Ebene. Und damit der Wasserspiegel des Flusses nicht sinkt,

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hat Yshgonyr angeordnet, daß zwei Staubecken mit Schleusen für die Lastschiffe angelegt werden. Der Raysh muß schiffbar bleiben, wir dürfen Pfahlstädte nicht die Arbeitsplätze wegnehmen.“

„Der Raysh wird die Hochebene überfluten und einen See bilden“, stellte Rendendag fest. „Wo wird das Wasser abfließen, damit der See nicht über die Gipfel steigt?“

Der Felsgraf deutete mit der Hand in den tiefen Grund zu ihren Füßen.

„Hier werden Sie die Felsen hinabstürzen. Sie werden den Grund auffüllen bis zu einer Höhe von vierzig Metern. Das überschüssige Wasser wird darüber hinwegfließen in das Steintal hinab, wo der Graben beginnt, der durch Rebland führt.“

„Fragoler wird sich freuen, daß er einen Kanal bekommt. Dann ist er nicht mehr vom Willen des Wetters abhängig.“

„Fragoler hat bereits ein Bewässerungsprojekt in Angriff genommen. Sich selbst will er eine Badeanlage und Wasserspiele bauen lassen. Doch sieh hinüber, die Rauchzeichen kommen.“

Weit drüben, noch hinter der Stelle, wo das Tuch gezeigt worden war, kräuselten weiße Wölkchen in den Himmel. Zehnmal, dann hörten sie auf.

„Fangt an!“ rief Bardybar. Die Männer an den Balken setzten den Mechanismus in

Bewegung. Sie legten runde Steine in die kleinen Holzbahnen, die sie aus halbierten und ausgehöhlten Baumstämmen gebaut hatten. Die Steinkugeln rollten bis zum Ende der Bahnen, fielen etwa zehn Meter in die Tiefe und erhielten so viel Geschwindigkeit, daß sie die Sperren durchschlugen, die das Felsgestein in seiner Lage hielten.

Langsam erst, dann immer heftiger, begannen die Felsen zu rollen. Geröll rutschte nach und rieselte in die Tiefe. Die großen Brocken setzten sich durch die zerstörten Sperren in Bewegung.

Ein Dröhnen trieb den Berghang hinauf bis zu der Stelle, wo die beiden Grafen und die Männer standen. Mit leuchtenden Augen betrachteten Bardybar und Rendendag das Werk.

Immer mehr Felsen polterten zu Tal. Der Boden unter den Männern zitterte. Dann ebbte das Dröhnen langsam ab, die

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letzten Steine waren gefallen. „Das Feuer!“ rief jetzt Bardybar. Die Männer zündeten einen Holzhaufen an. Bald loderte die

Flamme empor und wurde drüben jenseits der Hochebene gesehen. Der Posten dort gab das Zeichen weiter an die Gruppe, die sich am Raysh aufhielt.

Sie beseitigte die Sperre des Wassers. Mit brennenden Augen musterten die beiden Grafen die

Ferne. Sie warteten auf etwas. Und dann sahen sie es. Dort, wo als dunkler Spalt die in den Fels getriebene Rinne in die Ebene mündete, begann es zu glitzern. Wasser trat aus und ergoß sich in die Ebene.

„Gleich wissen wir Bescheid!“ jubelte Bardybar. Übergangslos stand auf dem Felsen über der Rinne ein

weißer, in der Sonne leuchtender Fleck und verharrte. „Es ist geschafft!“ rief jetzt auch Rendendag, der es sah. Sie

erkannten keine Einzelheiten, wußten nur, daß jetzt dort droben Ericman stand und das gelungene Werk segnete.

„Freut euch!“ rief Bardybar den Männern zu. Diese sahen suchend in die Ferne, aber ihre Blicke waren teilnahmslos. Sie sprachen nicht, blickten nur stumm und entfernten sich dann, wobei sie einander möglichst aus dem Weg gingen.

Der Felsgraf wandte sich an Rendendag. „Was ist nur los mit ihnen!“ jammerte er. „Wie die Weisen es befürchtet haben“, erwiderte der

Blaulandgraf. „Es ist eingetroffen. Die Krise ist da.“

* Die Männer in den Strahlenschutzanzügen waren ein

deutliches Zeichen für das, was geschehen war. Sie trieben zwischen den beiden Schiffen hin und her, die in einem Abstand von zweihundert Kilometern in der Kreisbahn um Damrijan hingen. Als der Notruf eingetroffen war, hatten sich sofort vier Raumer des Imperiums auf die Suche gemacht. Mit Schleppstrahlen hatten sie die verseuchte VOLANDRA schließlich nach Damrijan gebracht.

„Es kommt eines zum anderen“, seufzte Mira Alcanter, die als verantwortliche Leiterin der Koordination für die Versorgung der Bevölkerung bis über den Kopf in Arbeit

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steckte. „Kaum hat man irgendwo mal Luft, gibt es ein neues Problem.“

Die meisten Helfer gingen in ihrer Arbeit auf. Viele nahmen die Nachricht von der Vernichtung der VOLANDRA und den zwölfhundert Opfern gar nicht wahr, weil sie zu tief in anderen Dingen steckten.

Lediglich das Ärzteteam des Schiffes ließ seine Arbeit liegen, trommelte ein paar Assistenten zusammen und machte sich an die Arbeit.Dr. Ja Sankaroy dankte dem Schicksal, daß sie auf Damrijan geblieben war.

Die ersten Toten wurden aus dem Schiff geschoben. Taumelnd trieben sie hinüber zu einer Plattform, die von der VOLANDRA ausgeschleust worden war. Da alle Computersysteme des Unglücksschiffs versagten war das von Hand gemacht worden. Zwanzig Menschen hatten eine Stunde daran gearbeitet.

Die Plattform war für gewöhnlich der Aufnahme lebloser Güter zugedacht. Auf Asteroiden belud man sie mit Erz oder Gestein. Jetzt diente sie zur Aufnahme der Toten.

Von der Oberfläche des Planeten näherte sich ein Lander dem Rettungsschiff GONDELSTRAHL. Die Ärzte der VOLANDRA kamen an Bord. Dr. Ja Sankaroy wurde vom Kommandanten der GONDELSTRAHL empfangen.

„Wir haben die Situation unter Kontrolle, Doktor“, sagte er. „Wenn Sie mir bitte folgen wollen!“

Er führte die Gruppe in die medizinische Abteilung seines Schiffes. In ihr wimmelte es von Ärzten und Krankenpflegern. Vor der hermetisch abgeriegelten Intensivstation machten sie halt.

„Sie können hinein zu ihnen“, sagte der Kommandant. „Lassen Sie sich in die Schutzkleidung helfen.“

„Warum sind die Kranken hierhergebracht worden?“ erkundigte sich Ja Sankaroy. „Beim ersten Überfall mit Gammastrahlung hat man es tunlichst vermieden, die Verseuchten an Bord eines anderen Schiffes zu holen.“

„Die Strahlung hat noch nicht lange gewirkt. Es sind ein paar Fälle darunter, die nicht so stark betroffen sind. Wir hoffen, sie noch einmal zum Bewußtsein erwecken zu können.“

„Sie meinen, es besteht Aussicht auf Rettung?“ „Ich weiß es nicht.“ Der Kommandant zuckte mit den

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Schultern. Sie betraten die Station und zogen Schutzkleidung an. Unter der Führung eines der Ärzte, die an der Rettungsaktion beteiligt waren, betraten sie die Räume, in denen die Geschädigten lagen.

„Sie sind alle identifiziert“, sagte der Arzt. „Wie sind ihre Chancen?“ fragte Ja Sankaroy. „Der

Kommandant Ihres Schiffes scheint mir zuversichtlich.“ „Wir versuchen mit allen Mitteln, bei den weniger

Betroffenen eine Besserung herbeizuführen. Dies kann allerdings nur auf chemischer Basis durch die Zuführung von Absorptionen erfolgen. Da die meisten Organe aber geschädigt sind, teilweise schwer, ist der Erfolg zweifelhaft. Sie werden die Zuführung der AS-Mittel nicht verkraften.“

„Woran sind die Toten gestorben?“ „Ich habe die Daten der ersten Katastrophe eingeholt. Sie

sind fast identisch. Zelldeformationen und Organversagen.“ „Was ist mit Helder von Anceynt?“ Der Arzt horchte auf. „Wir haben ihn in ein Einzelzimmer gelegt, total verdunkelt“,

sagte er. „Anordnung von Veran. Obwohl er sich in der Schiffszentrale aufhielt, wo es keine Überlebenden gab, scheint er weniger betroffen als die anderen. Einer der Wissenschaftler, die drüben auf der VOLANDRA waren, hat es festgestellt. Anceynt ist bewußtlos, aber es sind an ihm noch keine Anzeichen der Deformation festzustellen.“

„Zeigen Sie mir ihn!“ Der Arzt führte sie hin. Ja Sankaroy trat an die fahrbaren

Überwachungsgeräte und kontrollierte sie. Der Puls des Sonderbeauftragten war hoch. Hundert Schläge pro Minute. Die Funktionen der Nieren, der Lungen und anderer Organe waren miserabel.

Ja Sankaroy sah auf die Liege. Im Dunkel konnte sie nichts erkennen. Der Arzt der GONDELSTRAHL drehte den Lichtregler ein klein wenig auf. Helder von Anceynt lag auf einem Metallgestell, das strahlungs-absorbierend wirkte. Mehrere Infusionsschläuche verbanden ihn mit seiner Umwelt. Über dem Gesicht war eine Atemmaske befestigt, die frischen Sauerstoff zuführte. Helder rührte sich nicht.

„Ich hoffe, daß wir Erfolg haben“, sagte der Arzt. „Wir müssen ihn durchkriegen“, erklärte Ja Sankaroy. „Er ist

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der Mann, der am meisten über die Zusammenhänge und diesen unheimlichen Gegner weiß.“

*

Lavynna war es, als sei der Urlaub soeben zu Ende gegangen,

die erste arbeitsreiche Woche noch nicht vorbei. So hatten sie die Ereignisse in Atem gehalten.

Sie legte sich in ihrem Sessel zurück und schloß die Augen. Sie sah Helder und sich an den Wasserfällen der Smaragdmonde, am Totenfluß und an der Ewigen Brücke zwischen den beiden Planeten Manur und Tomrah. Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie auf dieser Brücke ein Stück entlanggegangen, von der dritten zur vierten Station. In künstlicher Schwerkraft, aber mit dem Raumanzug bekleidet, war sie mit Helder Arm in Arm gegangen.

Jetzt, eineinhalb Monate später, hätte sie vieles darum gegeben, noch einmal dort zu sein. Es ging nicht. Die Regierungsgeschäfte hielten sie unausweichlich in Trab. Die Ereignisse auf Damrijan hatten eine Woge politischen Zündstoffs emporgewirbelt. Die Oppositionellen im veranischen Parlament sprachen bereits davon, daß die Bewältigung der Krise nur in einer gemeinsamen Aktion aller Kräfte bewirkt werden könne. Die Regierung selbst sei unfähig, die Bedrohung durch die Gammawaffe und die Droge abzuwenden.

Die Worte des Führers der Volkspartei, Wreden Abonmey, klangen in ihren Ohren nach. Was geschah, wenn der unbekannte Gegner Veran angriff, bevor man es merkte? Was würde geschehen, wenn die Zentrale des Imperiums in einen Drogenrausch der Apathie versinken würde?

Erste Gesetze und Verordnungen waren bereits erlassen. Regelmäßig wurden auf Veran jetzt Tiefbrunnen, Flüsse und Reservoirs überprüft und nach Spuren fremder Stoffe untersucht. Aber außer den üblichen Werten an Halogenkohlenwasserstoffen und beigefügten Weichmachern gab es keine Schadstoffe.

Lavynna hoffte, daß es so bleiben würde. Sie vertraute darauf, daß Helder den Verbrechern auf die Spur kam. Selbst, wenn er ihren Anruf nicht erhielt, würde er von selbst auf die

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Zusammenhänge stoßen. Nur, was hatte es mit der nachträglichen Mitteilung auf sich, die von Damrijan gekommen war? Man hatte ihr mitgeteilt, daß die VOLANDRA nicht antwortete.

Lavynna machte sich darüber geringe Sorgen. Sie hatte es im Lauf ihrer langen Freundschaft mit Helder nicht gezählt, wie oft sie ihn zwischen den Sternen zu erreichen versucht hatte, ohne daß er sich gemeldet hatte. Und jedesmal war es ein plausibler Grund gewesen.

Die Regierungschefin horchte auf. Es hatte geklingelt. Der säuselnde Klang der Wohnungsglocke hallte im Flur nach. Wer mochte es sein?

Lavynna schaltete die Fernsehwand der Wohnungstür ein. Es sah aus, als würde die Tür durchsichtig. Das war nicht der Fall. Ihre Rückseite bildete lediglich eine Fernsehwand, die das Bild von draußen übertrug.

Lavynna sah eine Frau in der Kleidung der Regierungsangestellten. Sie sah auffordernd zur Kameraoptik empor, die über der Tür installiert war. Lavynna öffnete.

„Kommen Sie herein“, sagte sie freundlich. „Schickt Wreden Abonmey Sie zu mir, oder handelt es sich um die morgige Parlamentsdebatte?“

„Nein, leider nicht, Lady von Dorhagen“, sagte die Frau bedrückt. „Es ist etwas anderes.“

Lavynna bat die Besucherin in die Wohnung und bot ihr einen Platz an.

„Sprechen Sie“, sagte sie dann. „Ich bin Abigail von Verner, Sekretärin im Ministerium für

Sicherheit“, begann sie. „Man hat mich ausgesucht, Ihnen eine Botschaft zu überbringen, die man besser nicht über den Videocom schicken wollte.“

„Sie haben Hemmungen, es mir zu sagen“, stellte Lavynna fest. „Heraus damit!“

„Es ist... Helder von Anceynt hat...“, begann Abigail. „Er hat einen Unfall gehabt!“

Lavynnas Augen wurden groß. Sie sprang auf. „Was ist geschehen, wie geht es ihm?“ rief sie. „Die VOLANDRA ist in die Gammastrahlenfalle geflogen“,

platzte die Sekretärin heraus. „Mein Gott!“ Lavynna schwankte. Abigail von Verner sprang

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auf und stützte sie. „Er ist tot!“ hauchte die Regierungschefin. „Er lebt!“ rief Abigail. „Sein Körper ist verseucht, aber die

Ärzte sind zuversichtlich!“ „Das sind sie immer!“ Lavynna weinte und sank in den

Sessel zurück. „Wo ist er?“ „Auf der GONDELSTRAHL, um Damrijan.“ Lavynna von Dorhagen schloß die Augen. „Verbinden Sie mich mit der GONDELSTRAHL!“ flüsterte

sie erstickt. „Die Hälfte der Besatzungsmitglieder ist gestorben!“ Dr. Ja

Sankaroy rief es laut aus. „Was wird mit den anderen sein?“ Die Verantwortlichen auf Damrijan hatten die

Unglücksbotschaft so lange wie möglich zurückgehalten. Jetzt, nach knapp sechs Stunden, ließ es sich nicht mehr machen. Das verantwortliche Gremium der Kommandanten schickte eine gemeinsame Verlautbarung an die offiziellen Stellen. Der Minister für Sicherheit auf Veran hatte dem zugestimmt. Die Familienangehörigen wurden informiert.

Le Tounier sah von einem der Patienten auf und legte das Tuch weg, mit dem er Schweißperlen abgetupft hatte.

„Was soll ich sagen?“ fragte er leise zurück. „Wir können nur abwarten, ob unsere Behandlung wirkt. Vielleicht gelingt es uns, ein Dutzend zu retten?“

Die Frage klang verzweifelt. Seit Stunden kämpften annähernd fünfzig Ärzte und Wissenschaftler um das Leben von dreißig Menschen. Sie hatten ihre Pfleglinge auf Damrijan zurückgelassen in der Hoffnung, daß das inzwischen angelernte Raumschiffspersonal seine Arbeit allein weiterführen konnte.

Ein Teil der noch lebenden Verseuchten besaß noch Chancen auf ein Weiterleben. Bei den meisten mußten Organverpflanzungen vorgenommen werden. Das konnte aber nur geschehen, wenn der Körper sich in einem einigermaßen stabilen Zustand befand. Immer wieder kam es zu Zelldeformationen. Bei einem der Toten hatten die Ärzte mehrere Operationen vorgenommen, um die sich ausbreitende Deformation zu stoppen. Es war ihnen nicht gelungen. Der Mann war auf dem Operationstisch gestorben.

Le Tounier war ein Arzt nach altem Stil. Er operierte ohne Schutzanzug, nur mit Absorbern vollgestopft und mit

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Handschuhen, die strahlungsabweisend präpariert waren. Aber auch er war mit seinem Latein am Ende. Als der neunundzwanzigste der hoffnungsvollen Fälle starb, legte er sein Besteck weg und ging hinaus in den Weltraum, wo er sich mehrere Stunden treiben ließ. Nur die Funkanrufe, die er ab und zu beantwortete, zeigten, daß er sich bei voller körperlicher und geistiger Gesundheit befand. Er wollte nur allein sein.

Ja Sankaroy und ihr Stab wachten am Bett des einzigen Mannes, der noch reelle Überlebenschancen besaß. Helder von Anceynt war der einzige, bei dem bisher kein Organ versagt hatte. Er lag in der Dunkelkammer, die Meßapparate übertrugen seine Werte ins Nebenzimmer. Bei genaueren Untersuchungen hatte Sankaroy festgestellt, daß mit Helder tatsächlich ein Wunder passiert sein mußte. Seine untere Körperhälfte war völlig verseucht, auch der Brustkorb schwer in Mitleidenschaft gezogen. Die Dosis, die er erwischt hatte, lag aber wesentlich unter der, die die anderen Besatzungsmitglieder der Zentrale aufwiesen. Sie waren bereits alle tot.

Was verwunderte, war die Tatsache, daß der Kopf Helders fast gar keine Strahlung abbekommen hatte. Und noch etwas stellte Ja Sankaroy fest. Von Anceynt wies Spuren hoher Energien und mehrere Brandwunden auf. Er mußte elektrische Schläge erhalten haben, was mit den Beobachtungen des Untersuchungskommandos übereinstimmte, wonach es in der Zentrale der VOLANDRA zu erheblichen Kurzschlüssen und Kabelbränden gekommen war.

Ja Sankaroy wandte sich zu den Angehörigen ihres Teams von der VOLANDRA um. Alle hielten sich in der Krankenstation in der Nähe Helders auf.

„Wir werden heute nacht eine Nierenspülung durchführen“, sagte sie. „Außerdem probieren wir, die Leberwerte zu verbessern. Diese beiden Organe dürfen auf keinen Fall versagen.“

Die Stunden vergingen, in denen alles vorbereitet wurde. Ja Sankaroy stand dann bereit, den Eingriff vorzunehmen.

„Zwei weitere Menschen sind gestorben“, sagte einer ihrer Mitarbeiter, der das Zimmer betrat. „Ein Koch und eine Ingenieurin.“

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Ein leiser Ausruf ließ Ja Sankaroy herumfahren. „Da, die Werte verändern sich!“ flüsterte Doktor Spicall. Die Funktionswerte der Organe verschlechterten sich. Ja

Sankaroy legte das antiseptische Spray aus der Hand, mit dem sie ihre Schuhe einsprühte.

Sie ging hinüber in die Dunkelkammer, untersuchte den Körper Helders. Einer seiner Füße wies deutliche Zeichen von Wucherung auf. Eine Röntgenaufnahme kam nicht in Frage. Also beschloß die Ärztin, zu schneiden. Helder von Anceynt mußte unter allen Umständen gerettet werden.

„Vorbereiten für die Operation“, ordnete sie an, als sie wieder im Nebenzimmer stand. „Wir werden gleichzeitig einen Fuß amputieren.“

Zehn Minuten später fielen die Nieren aus. Helder von Anceynt mußte früher als geplant an die künstliche Niere angeschlossen werden. Die Operation erforderte eineinhalb Stunden.

Sicherheitshalber ließ Ja Sankaroy ihn auf dem Bett festschnallen, damit er sich nicht durch unterbewußte Bewegungen in Lebensgefahr brachte. Doch Helder war immer bewußtlos, ein schlechtes Zeichen, wie die Ärztin wußte.

Kurz darauf erhielt sie eine persönliche Botschaft des Ministeriums für Sicherheit. Es enthielt Angaben, was im Ernstfall zu tun war, um das Leben dieses Mannes zu erhalten. Ja Sankaroy hatte nicht gedacht, daß die Männer und Frauen auf Veran die Möglichkeit eines solchen Eingriffs in die Persönlichkeit Helder von Anceynts in Erwägung ziehen würden. Aber sie hatte es schwarz auf weiß. Von Anceynt war so wichtig, daß nichts unmöglich war.

*

Die Werte Helders sanken weiter ab. Ja Sankaroy rechnete

jetzt damit, daß es nicht mehr lange dauern würde, bis der Exitus eintrat.

Doktor Ja Sankaroy ging in die Funkzentrale der GONDELSTRAHL und ließ sich mit Veran verbinden. Eine Viertelstunde dauerte es, bis sie Verbindung bekam. Die Hyperkanäle liefen seit Stunden heiß.

Bevor sie dem Ministerium aber grünes Licht signalisieren

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konnte, erhellte sich der Bildschirm. Ja Sankaroy blickte in ein von Tränen aufgelöstes, entschlossenes Gesicht. Erst nach längerem Hinsehen erkannte sie die Frau.

„Lady von Dorhagen!“ rief sie. „Sie sind Doktor Ja Sankaroy, nicht wahr?“ fragte Lavynna.

„Tun Sie, was Sie können. Retten Sie ihn!“ „Es geht ihm nicht gut, seine Organe versagen“, antwortete

die Ärztin und wunderte sich, woher sie den Mut nahm, so offen zu der Frau zu sprechen.

„Aber es muß doch eine Möglichkeit geben, ihn zu retten!“ flehte Lavynna. Bäche von Tränen ergossen sich über ihre Wangen. „Sein Leben ist wichtig. Alles andere spielt keine Rolle.“

„Ja“, sagte die Ärztin leise. „Es gibt eine Möglichkeit, ihn zu retten, Lady. Aber es ist eine Entscheidung, die ich nicht allein treffen kann.“

Lavynnas Augen weiteten sich hoffnungsvoll. „Was bedeutet das, Doktor?“ fragte sie mit vibrierender

Stimme. „Es bedeutet, daß ... Nun, daß nur sein Gehirn gerettet

werden kann.“ „Retten Sie ihn. Tun Sie alles, damit er überlebt!“ rief die

Regierungschefin. Die Verbindung erlosch.

10. Mitten in dem Kranz aus sechzehn Raumschiffen führte ein

geheimer Gang in den Erdboden hinein. Er war als einer der unzähligen Kühlschächte im Plastboden des Raumhafens getarnt. Nie wäre jemand auf die Idee gekommen, daß da, wo stündlich die heißen Gase landender und startender Schiffe den Untergrund beanspruchten, der Eingang in die Aufenthaltsräume des Mannes war, der in Zukunft die Geschicke der Menschen in seinen Händen halten würde.

Der Gang führte tief hinab und verlief dann längere Zeit eben, bis er in einer Halle mündete, von der aus es in mehreren Etagen übereinander Aufenthaltsräume und Wohnungen gab,

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eingelassen in den Hang eines Berges, von dem man einem guten Blick auf den Hafen und die Stadt werfen konnte. Es war das heimliche Reich, die Basis des Imperiums, das sich einst Kaiserreich von Louden nennen würde.

Der Kaiser von Louden hielt sich in seinem Unterschlupf auf. Er saß an einem der Tische eines umfangreichen Bibliothekzimmers und studierte in Geschichtswerken die Vergangenheit des Imperiums. Er war ungestört. Niemand hielt sich in seinem Stützpunkt auf. Erst später würde er ihn den Kämpfern seines jungen Reiches als Unterkunft überlassen. Dann, wenn ihre Zahl so groß wurde, daß sie sich nicht mehr unter der Bevölkerung des Planeten verstecken konnten.

Der Kaiser trug keine Maske. Sein Gesicht war großzügig proportioniert. Es zeugte von Klugheit, gepaart mit eisernem Willen zur Macht.

Es trug die deutlichen Spuren großer und schwerer Verantwortung, die es nie geleugnet hatte und in Zukunft weiter zu tragen bereit war. Es studierte die Vergangenheit, um Erkenntnisse für die Zukunft zu gewinnen. Ab und zu schweifte sein Blick zu der kleinen Uhr, die auf dem Wandbord zwischen den Büchern stand.

Der geheimnisvolle Mann erhob sich. Er trat an eine Konsole und spielte sich die gespeicherten Nachrichten des Tages vor. Er hörte und sah, was sich auf Damrijan ereignete, er lächelte über die Hektik und Verwirrung, die das Unglück der VOLANDRA hervorriefen. Und er fragte sich, warum das Imperium gegenüber der Presse offiziell immer noch von einem Unglück sprach, obwohl die Wahrheit bereits durchgesickert war.

Sein Plan war aufgegangen. Zwar hatte er nicht damit gerechnet, daß Damrijan so früh entdeckt würde. Er hatte sich vorgestellt, den Planeten erst einmal sich selbst zu überlassen und dann die aussterbende Bevölkerung nach und nach durch seine Menschen zu ersetzen. Durch Menschen, die etwas aus Damrijan machen würden, eine Bastion des neuen Kaiserreichs.

Zwei Dinge waren es, die er nicht hatte voraussehen können. Die schnelle Wirkung der verflüssigten Droge und das Auftauchen des Handelsschiffs NASSAU. Jetzt war Damrijan vorerst für ihn verloren. Und auch die automatische Station, die

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er auf diesem Planeten versteckt hatte, war wertlos geworden. Sie konnte keine Nachrichten senden, ohne entdeckt zu werden.

Der Kaiser von Louden rechnete damit, daß die Schiffe des Imperiums und ihre Besatzungen eine Weile auf dem Planeten bleiben würden, so lange, bis ein Gegenmittel gefunden war. Es würde lange dauern, und Damrijan würde seinen Zweck erfüllen. Der Planet würde von den anderen Machenschaften ablenken, die in Louden in dieselbe Richtung zielten und mit denselben Mitteln erreicht werden würden. Langsam aber sicher würden Menschen in die zerstörten Gefüge planetarer Machtstrukturen eindringen und diese übernehmen. Dann konnten die Bevölkerungsverschiebungen stattfinden. Anschließend war es immer noch möglich, die Wirkung der Droge zu neutralisieren und die Restbevölkerung einzugliedern.

„Es wird keine degenerativen Züge in der Entwicklung meines Volkes geben“, sagte der Kaiser und schaltete das Speichergerät ab. „Alles wird nach Plan verlaufen und niemand wird merken, daß auf diesen Planeten plötzlich andere Menschen wohnen als bisher.“

Der Kaiser von Louden verließ den Raum und stieg hinab in die unterste Etage. Dort befand sich der Tresor mit den Plänen. Es waren Zeitpläne. Der geheimnisvolle Mann wußte, daß das Timing bei seinem großangelegten Unternehmen einer der wichtigsten Faktoren war. Alle anderen konnten nicht hundertprozentig kalkuliert werden, da sie doch meist von der menschlichen Einschätzung abhängig waren.

Er studierte die Pläne. Das Beste war, wenn er den nächsten Schritt bald unternahm. Der gewonnene Vorsprung durfte nicht verschenkt werden.

Der Kaiser begab sich in die Funkzentrale seines Stützpunkts. Über die Geheimfrequenz rief er alle verantwortlichen Agenten an, die dafür zu sorgen hatten, daß die Schiffe rechtzeitig unterwegs waren. In unterschiedlichen Abständen würden sie starten, die verschiedensten Waren zu anderen Planeten oder nach Veran transportieren und sich zwischendurch zu einem kurzen Unternehmen treffen, anschließend wieder auseinanderfliegen. Daß alle sechzehn auf einmal auf dem Raumhafen standen, grenzte an einen Zufall.

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Daß er sich auf die Agenten verlassen konnte, wußte der Kaiser. Der deutlichste Beweis war das Manöver in Tergantil-Pfalz gewesen. Sofort, als der Sijdon-Alam von Damrijan kam, hatte er darauf spekuliert, daß Veran Spitzenkräfte entsenden würde. Die Einschätzung war richtig gewesen. Helder von Anceynt, der bereits auf Gernot spioniert hatte, war plötzlich da. Und er flog in die Falle Tergantil-Pfalz.

Eigentlich hatte der Kaiser mit so viel Naivität nicht gerechnet. Aber nachdem sich die Gelegenheit bot, schlug er zu. Schließlich war es für einen guten Zweck. Und die Absicht, die ihn dazu trieb, konnte durchaus positiv, weil entwicklungsfördernd, genannt werden.

Der Kaiser wußte, daß er äußerste Geheimhaltung üben mußte. Viele Sektoren und auch Veran würden für sein Vorgehen kein Verständnis aufbringen. Ihre Mentalität war einfach anders. Sie besaßen nichts von dem, was in den Überlieferungen des Quumran festgehalten war. Auch das würde sich ändern.

Wieder stieg der Kaiser die Etagen empor. Diesmal bis zur obersten. Er kleidete sich um, legte Gewänder an, die ihn als Angehörigen des Planeten auswiesen, auf dem er sich bewegte. Durch eine Schranktür verschwand er in einem Stollen, der am Rand des Berges entlang in die Tiefe führte, bis er in einem Felsenloch zwischen Büschen und Gestrüpp endete. Hier verließ er die Bergregion und schritt gemächlich zu dem kleinen Holzhaus hinüber, das in unmittelbarer Nähe stand.

Niemand hätte ihn in dem Bauern vermutet, der wenig später mit einem Eselsfuhrwerk das Holzhaus verließ und zur Stadt fuhr. Auch der Kaiser von Louden hatte noch andere Dinge zu tun, als nur seine Herrschaft vorzubereiten.

Als die Nacht hereinbrach, legte er den Weg in umgekehrter Richtung zurück. Gegen Mitternacht betrat der Mann mit der Maske den Boden des Raumhafens und ging an Bord seines Flaggschiffs, mit dem er kurze Zeit später startete.

Er war zufrieden. Veran war gegen seine Droge hilflos. Es würde ihm ohne Schwierigkeiten gelingen, nach und nach alle Planeten des Sektors lahmzulegen, was er nicht beabsichtigte. Aber er badete sich in der Möglichkeit, dies tun zu können und schließlich gegen Veran zu fliegen, wenn es alle Kräfte in den Louden-Sektor warf.

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Das Flaggschiff flog hinaus aus dem System, das seine Heimat war. Es steuerte einen Treffpunkt an und wartete. Und nach dem Eintreffen des letzten Schiffes steuerte der Verband aus sechzehn Raumern ein Sonnensystem Loudens an, landete ungesehen auf einem bewohnten Planeten, machte sich an der Wasserversorgung zu schaffen und überließ die so eroberte Welt sich selbst und dem Tod, der eilig Einzug halten würde.

Der Mann mit der Maske stand in der Zentrale seines Flaggschiffs.

Hochaufgereckt erlebte er das alles mit. In seinen Augen spiegelte sich die Zukunft. Eines Tages würde er nicht nur Herr über Louden, sondern über das ganze Imperium sein. Veran hatte verspielt.

Er hatte gewonnen.

Ende des ersten Teils

Lesen Sie nächste Woche in Terra Astra 499

DER KAISER VON LOUDEN

von Arndt Ellmer. Die heimliche Invasion in vollem Gang - ein teuflischer Plan

wird durchgeführt.