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1 © JOACHIM HERZ STIFTUNG Einstieg WAS KANN STRUKTURPOLITIK LEISTEN? MÖGLICH- KEITEN UND GRENZEN DER EU-KOHÄSIONSPOLITIK Blickt man nach Europa, so gibt es auch dort gravierende Unterschiede in der wirtschaftlichen Entwicklung einzelner Länder und Regionen. Während einige Mitgliedsstaaten nach dem EU-Beitritt ein beeindruckendes Wirtschaftswachstum erreicht haben, sind heute gerade die südlichen Länder wie Italien, Griechenland oder Portugal in der Krise. Das Gefälle zwischen den wirtschaftsstarken und weniger entwickelten Staaten geht immer stärker auseinander. Mit ihrer Strukturpolitik möchte die EU daher nicht nur den wirtschaftlichen Wandel begleiten und fördern, sondern vor allem den wirtschaftlichen Rückstand der am stärksten abgehängten Gebiete verringern. Diese sogenannte „Kohäsionspolitik“ (Kohäsion = Zusammenhalt) zielt vor allem darauf ab, die Lebensverhältnisse in allen EU-Staaten anzugleichen, mit dem Ziel die Akzeptanz des politischen Gebildes „Europäische Union“ zu erhöhen und einem möglichen Zerbrechen der Vertragsgemeinschaft vorzubeugen. Doch wie kann die EU diese Ziele erreichen? Und wie erfolgreich ist ihre Struktur- und Kohäsionspolitik wirklich? ÜBERBLICK ÜBER DIE UNTERRICHTSEINHEIT THEMENBEREICH Wirtschaftspolitik g EU-Strukturpolitik VORWISSEN Strukturwandel, Instrumente staatlicher Strukturpolitik ZEITBEDARF 2 Unterrichtsstunden METHODEN Lernplakat, fiktives Interview KOMPETENZEN Die Schülerinnen und Schüler… erläutern die Ziele der EU-Kohäsionspolitik sowie die Finanzierung durch verschiedene Fonds. erklären die strukturpolitischen Zielsetzungen der EU an konkreten Fallbeispielen aus ihrer Region. setzen sich mit der Kritik an der EU-Kohäsionspolitik auseinander. SCHLAGWORTE Europäische Union, EU-Kohäsionspolitik, Strukturpolitik, EU-Strukturfonds, Strukturwandel AUTOR Dr. Peter Kührt PRODUKTION C.C. Buchner Verlag

Einstieg - Teach Economy...nach Warschau Präsentation der Karte mit dem Whiteboard / OHP Unterrichtsgespräch 15' Erarbeitung I Die SuS erstellen eine Übersicht über die strukturpolitischen

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Page 1: Einstieg - Teach Economy...nach Warschau Präsentation der Karte mit dem Whiteboard / OHP Unterrichtsgespräch 15' Erarbeitung I Die SuS erstellen eine Übersicht über die strukturpolitischen

1 © JOACHIM HERZ STIFTUNG

Einstieg

WAS KANN STRUKTURPOLITIK LEISTEN? MÖGLICH-KEITEN UND GRENZEN DER EU-KOHÄSIONSPOLITIK

Blickt man nach Europa, so gibt es auch dort gravierende Unterschiede in der wirtschaftlichen

Entwicklung einzelner Länder und Regionen. Während einige Mitgliedsstaaten nach dem

EU-Beitritt ein beeindruckendes Wirtschaftswachstum erreicht haben, sind heute gerade die

südlichen Länder wie Italien, Griechenland oder Portugal in der Krise. Das Gefälle zwischen den

wirtschaftsstarken und weniger entwickelten Staaten geht immer stärker auseinander. Mit ihrer

Strukturpolitik möchte die EU daher nicht nur den wirtschaftlichen Wandel begleiten und

fördern, sondern vor allem den wirtschaftlichen Rückstand der am stärksten abgehängten

Gebiete verringern. Diese sogenannte „Kohäsionspolitik“ (Kohäsion = Zusammenhalt) zielt vor

allem darauf ab, die Lebensverhältnisse in allen EU-Staaten anzugleichen, mit dem Ziel die

Akzeptanz des politischen Gebildes „Europäische Union“ zu erhöhen und einem möglichen

Zerbrechen der Vertragsgemeinschaft vorzubeugen. Doch wie kann die EU diese Ziele erreichen?

Und wie erfolgreich ist ihre Struktur- und Kohäsionspolitik wirklich?

ÜBERBLICK ÜBER DIE UNTERRICHTSEINHEIT

THEMENBEREICH Wirtschaftspolitik g EU-Strukturpolitik

VORWISSEN Strukturwandel, Instrumente staatlicher Strukturpolitik

ZEITBEDARF 2 Unterrichtsstunden

METHODEN Lernplakat, fiktives Interview

KOMPETENZEN Die Schülerinnen und Schüler…

• erläutern die Ziele der EU-Kohäsionspolitik sowie die Finanzierung durch verschiedene Fonds.

• erklären die strukturpolitischen Zielsetzungen der EU an konkreten Fallbeispielen aus ihrer

Region.

• setzen sich mit der Kritik an der EU-Kohäsionspolitik auseinander.

SCHLAGWORTE Europäische Union, EU-Kohäsionspolitik, Strukturpolitik, EU-Strukturfonds, Strukturwandel

AUTOR Dr. Peter Kührt

PRODUKTION C.C. Buchner Verlag

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2 © JOACHIM HERZ STIFTUNG

Was kann Strukturpolitik leisten? Möglichkeiten und Grenzen der EU-Kohäsionspolitik

ZIELE DER EU-KOHÄSIONSPOLITIK UND IHRE GRENZEN

Strukturpolitik ist der Oberbegriff für alle staatlichen Maßnahmen zur Steuerung der grundle-

genden Strukturen einer Volkswirtschaft. Es geht dabei um die Vermeidung, Abmilderung und

Überwindung von wirtschaftlichen Fehlentwicklungen und Krisen, die durch den Strukturwandel

in Produktion und Konsum hervorgerufen werden.

Auch die Europäische Union ist inzwischen ein zentraler Akteur, wenn es um strukturpolitische

Maßnahmen geht. Denn zwischen den wirtschaftsstarken und den weniger entwickelten

Regionen der Europäischen Union besteht ein großes wirtschaftliches Ungleichgewicht. Dieses

Gefälle abzubauen, ist ureigenste Aufgabe der EU-Kohäsionspolitik und einer der zentralen

Politikbereiche der Europäischen Union. Etwa ein Drittel der Haushaltsmittel der EU werden dafür

eingesetzt. Grundlage ist die im EG-Vertrag verankerte Zielsetzung der Mitgliedstaaten, „die

Unterschiede im Entwicklungsstand der verschiedenen Regionen und den Rückstand der am

stärksten benachteiligten Gebiete […] zu verringern.“ (Artikeln 174 bis 178 des Vertrages über die

Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)).Die Strukturpolitik ist ein Teilbereich der allgemei-

nen Wirtschaftspolitik. Ihre Aufgabe ist es insbesondere, strukturschwachen Regionen dabei zu

helfen, Standortnachteile abzubauen und Anschluss an die allgemeine Wirtschaftsentwicklung zu

finden. Die EU-Struktur- und Kohäsionspolitik ergänzt damit die nationale Regionalpolitik.

Für die Jahre bis 2020 hat sich die europäische Struktur- und Kohäsionspolitik insbesondere fünf

Ziele gesetzt:

• Förderung der Beschäftigung

• Förderung von Forschung und Entwicklung

• Verstärkter Umweltschutz und nachhaltige Energiewirtschaft

• Verbesserung der Bildung

• Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung.

Alle Mitgliedsstaaten können sich mit konkreten Projektvorschlägen an die EU wenden und

Mittel aus einem von sechs „Finanztöpfen“ beantragen:

• Europäische Regionalfonds

• Europäischer Kohäsionsfonds

• Europäischer Sozialfonds

• Europäischer Landwirtschaftsfonds

• Europäischer Fischereifonds

• Beschäftigungsinitiative Jugendarbeitslosigkeit.

Die Projekte sollen dazu dienen, Beschäftigung, Wirtschaftswachstum und Wettbewerbsfähigkeit

in allen EU-Staaten zu fördern, um damit zugleich die wirtschaftlichen und sozialen Ungleichhei-

ten in den einzelnen Regionen der Europäischen Union zu verringern. Insgesamt sind für die o. g.

Projekte im Zeitraum 2014 bis 2020 643 Mrd. Euro vorgesehen. Die größten Mittel stehen für

Regionalentwicklung (43 %), die Landwirtschaft (23 %) und soziale Belange (19 %) zur Verfügung.

Sachanalyse

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3 © JOACHIM HERZ STIFTUNG

EinstiegWas kann Strukturpolitik leisten?

Möglichkeiten und Grenzen der EU-Kohäsionspolitik

Literaturhinweise:

• Dörr, Julian (2016): Die europäische Kohäsionspolitik, Eine ordnungsökonomische Perspektive.

• Dietrich, Julien (2015): Die Entwicklungen der EU-Strukturpolitik und die Auswirkungen für die

Europäische Union.

• Deeke, Axel (2010): Arbeitsmarktpolitik mit dem Europäischen Sozialfond.

Die Kritik an der europäischen Struktur- und Kohäsionspolitik geht in zwei Richtungen:

Einmal wird kritisiert, dass sich die Lebensverhältnisse in Europa trotz Milliarden von Struktur-

hilfen zumindest teilweise nicht wirklich annähern. Viele finanzielle Hilfen kommen durch

Fehlplanungen und Korruption nicht dort an, wo sie sollten. Zudem wird die Mittelverwendung

kaum überwacht. Milliarden von Geldern versickern so völlig wirkungslos. Auch in Deutschland

wird z. B. die Kritik am Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer immer lauter, dessen Mittel nur

noch zu einem Bruchteil für den Infrastrukturausbau in den neuen Bundesländern verwendet

wird und in zwischen zu einer Art Steuerzuschlag geworden ist.

Zum anderen wirkt die Strukturpolitik häufig strukturkonservierend, indem sie veraltete, nicht

mehr konkurrenzfähigen Branchen wie den Steinkohlebergbau subventioniert und künstlich am

Leben erhält. Eigentlich sollte sie aber Wirtschaft und Arbeitskräfte für die Herausforderungen

der Zukunft fit machen.

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4 © JOACHIM HERZ STIFTUNG

Was kann Strukturpolitik leisten? Möglichkeiten und Grenzen der EU-KohäsionspolitikUnterrichtsverlauf

Zeit Phase Inhalte Materialien Tipps/Hinweise

1. Unterrichtsstunde

10' Einstieg I Die SuS beschreiben das EU-geförderte Prestigeprojet „Rail Baltica“ und werden dadurch für die Motive der EU-Strukturpolitik sensibilisiert.

M1 Den Anschluss finden – mit dem Schnellzug von Tallin nach Warschau

Präsentation der Karte mit dem Whiteboard / OHP

Unterrichtsgespräch

15' Erarbeitung I Die SuS erstellen eine Übersicht über die strukturpolitischen Ziele und Mittel (Fonds) der EU.

Film: Strukturpolitik (Interaktiver Erklärfilm)

M2 Die Ziele und Mittel der europäischen Strukturpolitik

Partnerarbeit

Methode: Lernplakat

20' Anwendung Die SuS setzen sich mit konkreten Förder-beispielen aus ihrer Region und mit der Zielsetzung der EU zur Förderung dieser Projekte auseinander. Sie präsentieren ihre Ergebnisse.

M3 Europa in meiner Region

Gruppenarbeit

Methode: fiktives Interview

Arbeitsgrundlage: Die Broschüre „Europa in meiner Region. Erfolgs-geschichten in Deutschland“ auf www.teacheconomy.de

2. Unterrichtsstunde

5' Einstieg II Die SuS beschreiben die Situation in den von der EU stark geförderten südlichen Ländern Italien, Portugal und Griechenland.

Unterrichtsgespräch

25' Erarbeitung II Die SuS setzen sich mit der Kritik an der europäischen Struktur-politik und der staat-lichen Strukturpolitik generell auseinander.

M4 Europas Illusion von den gleichen Lebens-standards

M5 Die EU-Struktur-politik in der Kritik

Arbeitsteilige Partnerarbeit bei der Texterschließung

15' Vertiefung Die SuS nehmen Stellung zu der Aussage aus dem Text: „Wer auf Strukturerhaltung setzt, erweist sich als kurzsichtig handelnder Akteur.“

M5 Die EU-Struktur-politik in der Kritik

Einzelarbeit

Aufgabe 4c auch als Hausauf-gabe möglich

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5 © JOACHIM HERZ STIFTUNG

Was kann Strukturpolitik leisten? Möglichkeiten und Grenzen der EU-KohäsionspolitikMaterialien

AUFGABE

1. a) Beschreiben Sie das Projekt „Rail Baltica“ und erklären Sie, welche Vorteile die Hochgeschwindigkeits-

bahn für die baltischen Länder mit sich bringt.

b) Erläutern Sie, welche Motive für die EU ausschlaggebend waren, dieses Infrastrukturprojekt in dieser

Region zu fördern.

M1 Den Anschluss fi nden – mit dem Schnellzug von Tallin nach Warschau

© wikimedia.org/Gintare.saulyteBau der Rail Baltica in Litauen 2011

© wikimedia.org/Ministry of Transport and Communication of the Republic of LatviaKarte der geplanten Bahnstrecke (mit der verworfenen Streckenvariante über Vilnius)

Die baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland

haben in den Jahren seit dem Zusammenbruch der

Sowjetunion bedeutende wirtschaftliche Entwicklungen

durchlaufen. Nur die Verkehrsinfrastruktur erinnert noch

an frühere Zeiten: 950 Kilometer sind es von Warschau

nach Tallinn. Die Reise von Polen nach Estland mit dem

Zug gleicht einem mehrtägigen Abenteuer mit mehr-

maligem Umsteigen, nicht aufeinander abgestimmten

Fahrplänen und langsamen Regionalzügen.

Nach ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurden die

Gleise der Bahnen im Baltikum in der Breitspurweite von

1520 mm gebaut und sind bis heute hauptsächlich auf

den West-Ost-Verkehr mit Russland ausgerichtet.

Zwischen Estland, Lettland und Litauen existiert derzeit

kein direkter Passagierverkehr mit der Bahn, und auch

der Frachttransport auf der Schiene ist beschränkt. Jetzt

soll das Baltikum Anschluss an Europa finden. Und dazu

steuert Brüssel 85 % der Gelder aus dem Fördermittel-

topf 2014–2020 für ein neues Großprojekt bei, das

Projekt „Rail Baltica“: Gebaut wird eine Hochgeschwin-

digkeitsbahn mit Gleisen in der europäischen Standard-

spurweite von 1435 mm, befahrbar für Personenzüge

mit bis zu 240 Kilometern pro Stunde und für Güterzüge

mit maximal 120. Mehr noch soll es in fernere Zukunft

eine Verlängerung durch einen rund 60 Kilometer

langen Tunnel unter der Ostsee bis nach Helsinki geben.

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Materialien

© JOACHIM HERZ STIFTUNG

Was kann Strukturpolitik leisten? Möglichkeiten und Grenzen der EU-Kohäsionspolitik

Strukturpolitik (Interaktiver Erklärfi lm)

Der Film führt in die Möglichkeiten staatlicher Strukturpolitik zur Steuerung der wirtschaftlichen Entwicklung ein.

Ausgehend von dem Strukturwandel, werden die Ziele und Instrumente staatlicher Strukturpolitik erklärt. Auch die

EU ist ein zentraler Akteur, wenn es um strukturpolitische Maßnahmen geht. Denn zwischen den wirtschaftsstarken

und den weniger entwickelten Regionen der Europäischen Union besteht ein großes wirtschaftliches Ungleich-

gewicht. Dieses Gefälle abzubauen, ist ureigenste Aufgabe der EU-Kohäsionspolitik, die damit die nationale Regional-

politik ergänzt. Doch wie kann das gelingen? Und sind strukturpolitische Maßnahmen immer erfolgreich?

M2 Die Ziele und Mittel der europäischen Strukturpolitik

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Zwischen den wirtschaftsstarken und -schwachen

Regionen der Europäischen Union (EU) besteht ein

großes Gefälle. Dieses Gefälle abzubauen, ist Aufga-

be der EU-Strukturpolitik. Im Vertrag über die

Arbeitsweise der Union (AEUV) haben sich die

Mitglied staaten zum Ziel gesetzt, „die Unterschiede

im Entwicklungsstand der verschiedenen Regionen

und den Rückstand der am stärksten benachteilig-

ten Gebiete zu verringern.“ (Artikel 174)

Mit Strukturfonds fördert die Europäische Union

das wirtschaftliche Wachstum und die Beschäf-

tigung in den Mitgliedstaaten direkt. Immer geht es

darum, Arbeitsplätze zu schaffen oder zu erhalten.

Von 2014 bis 2020 sind Ausgaben in Höhe von ins-

gesamt 325 Milliarden Euro vorgesehen. Die För-

derung ist Teil der Europa 2020-Strategie, die auf ein

intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachs-

tum setzt.

Bei der Vergabe der Mittel gilt das Prinzip der Subsi-

diarität: Die Verantwortung für die Umsetzung wird

von einer möglichst bürgernahen Verwaltungs-

ebene wahrgenommen. In Deutschland sind dies in

der Regel die Bundesländer, in manchen Fällen

auch der Bund, die der Europäischen Kommission

im Rahmen eines regionalen Entwicklungsplans

Förderregionen vorschlagen, Finanzierungspläne

aufstellen und die jeweiligen Ziele und Maßnah-

men der Strukturförderung ausarbeiten.

Die Kommission erstellt in Abstimmung mit den

Mitgliedstaaten der EU ein Gemeinschaftliches

Förder konzept (GFK), in dem Förderschwerpunkte,

finanzielle Mittel und Investitionsformen festgelegt

werden.

Die Gemeinschaftlichen Förderkonzepte bilden die

Basis für Operationelle Programme (OP), mit deren

Hilfe die Projekte durch regionale und lokale Part-

ner abgewickelt werden. Die Strukturhilfe wird nur

„komplementär“ gewährt: Die Mitgliedstaaten der

EU müssen mindestens 25 Prozent, in der Regel

aber die Hälfte der Projektmittel selbst aufbringen.

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Der Europäische Fonds für regionale Entwick-

lung (EFRE) dient in erster Linie der Förderung von

Regionen mit wirtschaftlichem Aufholbedarf.

Gefördert werden Investitionen zur Schaffung und

Erhaltung dauerhafter Arbeitsplätze sowie Projekte

zur Ver besserung der Infrastruktur. Zudem soll das

Entwicklungspo tential der Regionen durch die

Unterstützung lokaler Initiativen vor allem kleiner

und mittlerer Unter nehmen (KMU) verbessert wer-

den.

Die einzelnen Fonds

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Hauptaufgabe des Europäischen Sozialfonds

(ESF) ist die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Die

Entwicklung beruflicher Kenntnisse, Fähigkeiten

und Qualifikationen zur Eingliederung von Lang-

zeitarbeitslosen und Jugendlichen werden daher

ebenso unterstützt wie die berufliche Bildung und

Umschulung von Personen, denen der Ausschluss

aus dem Arbeitsmarkt droht. Weiterer Schwer-

punkt ist die Förderung der Chancengleichheit

von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt.

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Materialien

© JOACHIM HERZ STIFTUNG

Was kann Strukturpolitik leisten? Möglichkeiten und Grenzen der EU-Kohäsionspolitik

Die Bundesregierung, Strukturpolitik, Abruf am 18.12.17

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Der Europäische Ausrichtungs- und Garantie-

fonds für die Landwirtschaft, Abteilung Aus-

richtung (EAGFL-A), unterstützt die Anpassung

der Agrarstrukturen in den Mitgliedstaaten im

Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und för-

dert die Entwicklung des ländlichen Raumes. Er

vergibt Investitions hilfen zur Senkung der Pro-

duktionskosten und Steigerung der Effizienz der

Betriebe sowie zur besseren Vermarktung land-

und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse. Weiterhin

unterstützt der EAGFL-A die Verbesserung der

länd lichen Infrastruktur, die Sanierung der Dörfer

sowie die Entwicklung des Fremdenverkehrs und

des Handwerks.

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Das Finanzierungsinstrument für die Ausrich-

tung der Fischerei (FIAF) gewährt Zuschüsse für

die Finanzierung von Investitionen zur Umstruk-

turierung und Modernisierung der Fischereiflotte

sowie zur Ver besserung der Vermarktungs- und

Verarbeitungs bedingungen.

85Der Kohäsionsfonds fördert Projekte des Um-

weltschutzes und der Verkehrsinfrastruktur in

Mitglied staaten, deren Bruttoinlandsprodukt (BIP)

pro Kopf weniger als 90 Prozent des Unionsdurch-

schnitts beträgt.

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Materialien

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Was kann Strukturpolitik leisten? Möglichkeiten und Grenzen der EU-Kohäsionspolitik

M3 Europa in meiner Region

Die EU wird direkt in eurer Nachbarschaft wirksam. Im Mai 2017 konnten

sich die Bürgerinnen und Bürger in ganz Europa vor Ort selbst ein Bild

davon machen, wie stark der Europäische Fonds für regionale Entwick-

lung die Wirtschaft, den sozialen Zusammenhalt und die Innovationskraft

in einzelnen Regionen voranbringt. Im Rahmen der Aktion „Europa in

meiner Region“ öffneten auch in Deutschland bundesweit EU-geförderte

Projekte ihre Türen und gewährten einen Blick hinter die Kulissen. Was

tut die EU für die regionale Entwicklung in Deutschland? Wofür werden

die EU-Mittel konkret eingesetzt? Und wie erfolgreich sind die geförderten

Projekte?

© Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg

AUFGABEN

2. Erstellen Sie ausgehend von dem Film und M2 ein Plakat, das die Ziele und Finanzierungsmittel der

Strukturpolitik der EU übersichtlich darstellt.

3. a) Kennen Sie von der EU geförderte Projekte in Ihrer Region? Recherchieren Sie in Kleingruppen auf der

Seite der Europäischen Kommission (https://ec.europa.eu/germany/eu-funding/grants_de) oder mithilfe

der Projektbeispiele im Rahmen der Aktion „Europa in meiner Region“ (M3) und stellen Sie zwei

Projekte aus Ihrer Region vor.

Gehen Sie dabei auf folgende Fragen ein:

• Worum geht es bei dem geförderten Projekt/Unternehmen?

• Wie hoch ist die EU-Förderung und im Rahmen welchen Fonds wird diese gewährt?

• Welche Zielsetzung verfolgt die EU mit ihrer Fördermaßnahme?

b) Ein Reporter wird Sie als EU-Parlamentarier fragen, warum die EU die von Ihnen vorgestellten Projekte

fördert. Bereiten Sie sich auf dieses fiktive Interview vor, indem Sie mögliche Fragen und Antworten

formulieren. Spielen Sie das Interview (2 Gruppenmitglieder) vor der Klasse.

Die Broschüre stellt verschiedene Projektbeispiele vor, die aus

unterschiedlichen EU-Fonds gefördert werden.

Die Broschüre finden Sie auf www.teacheconomy.de

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Materialien

© JOACHIM HERZ STIFTUNG

Was kann Strukturpolitik leisten? Möglichkeiten und Grenzen der EU-Kohäsionspolitik

M4 Europas Illusion von den gleichen Lebensstandards

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Afrika, scherzt man in Italiens Norden gerne, das

beginne südlich von Rom. Es ist ein wenig politisch

korrekter Verweis auf Korruption, Mafia und Miss-

management im Süden des Landes. Vor allem aber ist

die wirtschaftliche Situation damit gemeint.

Seit Jahren ist der Süden abgehängt. Seit Jahren müht

sich die Europäische Union ab, das zu ändern. Stets

neues Geld wird in Regionen wie Apulien, Basilikata,

Kalabrien, Kampanien, Sardinien und Sizilien ge-

pumpt. Geholfen hat es bislang wenig.

[…] Das geht aus regionalen Daten hervor, die das Ins-

titut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln zusammen-

stellte und die der „Welt“ vorliegen. Das Institut hat

den Süden Italiens in der Kategorie der „Zurückge-

fallenen“ eingeordnet, die trotz der Armut unter dem

Durchschnitt wachsen.

Zahlen wie diese können Zweifel an der bisherigen

europäischen Strukturpolitik wecken. Denn das Ziel

ist es doch, dass die wirtschaftlich benachteiligten

Teile Europas zu den entwickelten und wohlhaben-

den Regionen aufholen, also schneller wachsen.

Seit Jahrzehnten wird sehr viel Geld für das im EU-

Vertrag festgelegte Ziel bewegt, „den Rückstand der

am stärksten benachteiligten Gebiete zu verringern“.

Zwischen 2014 und 2020 sind Ausgaben im Umfang

von 352 Milliarden Euro geplant – ein Drittel des EU-

Haushalts.

Der größte Teil des Geldes fließt traditionell nach Ost-

europa und in die Länder Spanien, Portugal, Italien

und Griechenland. Eigentlich ist die EU-Kohäsions-

politik eine große Umverteilungsmaschine.

Doch es gibt Zweifel am Erfolg der gigantischen

Entwicklungshilfe. […] Die CDU-Haushaltsexpertin

im Europäischen Parlament, Ingeborg Gräßle (CDU),

entsetzt sich schon seit Jahren darüber, dass Mittel in

Wahrheit verschwendet werden statt sinnvoll

eingesetzt.

Andre Taube, Europas Illusion von den gleichen Lebensstandards, www.welt.de, 28.7.2016

Das Verteilen des Geldes für die Kohäsionspolitik sei

mittlerweile zu einem Selbstzweck geworden. „Sie

werden nicht sanktioniert, wenn sie keinen Erfolg

haben. Sie haben aber auch nichts davon, wenn sie

einen Erfolg haben“, sagt sie der „Welt“. „Es ist ein

perverses System.“

Insbesondere verstört sie die Situation in Italien.

Immer wieder ist sie vor Ort, um mit Beamten zu

sprechen und Projekte anzusehen. Immer wieder

kehrt sie mit dem Gefühl nach Hause, dass sich nicht

wirklich etwas bewegt.

„Für mich ist Süditalien der klassische Beweis, dass

wir mit der jetzigen Form der Kohäsionspolitik

gravierende Fehler machen“, sagt Gräßle. „Es kann

doch nicht sein, dass ein Gründungsmitglied der EU

schon seit so vielen Jahrzehnten stets neues Geld

erhält, ohne Erfolg vorzuweisen.“ […]

Wie erfolgreich die Strukturpolitik insgesamt ist, das

ist umstritten. Traditionell soll die Politik die unter-

entwickelten Regionen in die Lage versetzen, zu den

reichen Teilen Europas aufzuschließen. Mit Investiti-

onen in die Infrastruktur etwa.

„Einen starken Fortschritt machten ganzheitlich

viele osteuropäische Länder sowie einige Regionen

in Spanien und Portugal“, heißt es in der IW-Untersu-

chung. Auf der anderen Seite gebe es aber eine Viel-

zahl von Regionen, die mit einem unterdurchschnitt-

lichen Wachstum wirtschaftlich weiter abgehängt

werden. Neben Italien betrifft das viele Gebiete in

Griechenland, Frankreich und Großbritannien.

Aber auch in Deutschland gibt es diese Regionen. Der

Landkreis Märkisch-Oderland in Brandenburg etwa

wuchs nur um knapp 16 Prozent. Damit liegt das

Gebiet ungefähr auf dem Wohlstandsniveau von

Messina in Sizilien und wuchs auch nicht stärker.

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AUFGABE

4. Beschreiben Sie, ausgehend von M4, die dort dargestellte Bestandsaufnahme in den von der EU geförder-

ten Regionen Italien, Portugal und Griechenland.

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Materialien

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Was kann Strukturpolitik leisten? Möglichkeiten und Grenzen der EU-Kohäsionspolitik

M5 Die EU-Strukturpolitik in der Kritik

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Als unbedenklich gilt weithin die regionale Struk-

turpolitik. Die „Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung

der regionalen Wirtschaftsstruktur“ soll vor allem

die standortpolitischen Nachteile ländlicher Gebiete

und vieler Randzonen vermindern. [...]

Zu beachten ist [...], dass finanzielle Investitionsan-

reize als Dauermaßnahme eine schädliche Gewöh-

nung an staatliche Hilfen (Subventionsmentalität)

erzeugen, zu Wettbewerbsverzerrungen führen und

Ausgleichsmaßnahmen nicht geförderter Regionen

auslösen können. Beim Ausbau der Verkehrswege ist

die einseitige Förderung von öffentlichen Unterneh-

men (defizitäre Eisenbahnen) und die bewusste

Hinnahme von Engpässen in anderen Wegenetzen

aus ideologischen Gründen als Fehlentwicklung der

regionalen Strukturpolitik zu kennzeichnen.

Die sektorale Strukturpolitik, die den ständigen

strukturellen Wandel der Wirtschaft fördernd be-

gleiten soll, hat widersinniger Weise weit überwie-

gend struktur konservierenden Charakter. Der Druck

von Interessentengruppen, einschließlich der Ge-

werkschaften, und die Sorge vor Arbeitsplatzverlus-

ten veranlassen Politiker häufig dazu, Schutzmaß-

nahmen zugunsten tendenziell schrumpfender

Wirtschaftszweige zu e rgreifen. Wie die Geschichte

des Steinkohlenbergbaus und des Eisenbahnver-

kehrs zeigt, verzögern die für die Steuerzahler höchst

kostspieligen Strukturkonservierungen jedoch

lediglich die letztlich doch unaufhaltsamen Anpas-

sungsschritte. Wer auf Strukturerhaltung setzt, er-

weist sich als kurz sichtig handelnder Akteur. [...]

Gelegentlich haben Politiker behauptet, sie wüssten

besser als die angeblich meist kurzfristig denken den

Unternehmer, welche Wirtschaftsbereiche sich

rasch entwickelten und deshalb mit produktorien-

tierten Forschungssubventionen zu fördern seien

(„vorausschauende Strukturpolitik“).

Walter Hamm, Strukturpolitik, Konrad-Adenauer-Stiftung, Abruf am 19.12.17

Die Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. (KAS) ist eine parteinahe Stiftung, die ideell der CDU nahesteht. Ihr Auftrag ist es u. a., die politische Bildung und die europäische Einigung zu fördern.

Solche Behauptungen haben sich regelmäßig als ver-

fehlt und als An maßung von Wissen erwiesen.

Andererseits werden aussichtsreiche Produktlinien,

etwa die Gen technik und die Kernkrafttechnik, in

ihrer Entwicklung aus politischen Gründen massiv

behindert.

Nichts einzuwenden ist gegen die verstärkte Förde-

rung der Grundlagenforschung und gegen eine

bislang weithin fehlende vorausschauende

Förderung der Ausbildung in Mangelberufen. Im

Übrigen sollte sich die sektorale Strukturpolitik

darauf konzentrieren, Entwicklungshemmnisse in

aussichtsreichen Branchen (Marktzugangsbeschrän-

kungen und staat liche Regulierung) zu beseitigen.

Zur Förderung des strukturellen Wandels gehört

auch der Abbau überzogener, langwieriger Geneh-

migungsverfahren bei Unternehmensgründungen

und größeren Investitionsvorhaben. Zu beachten ist

ferner, dass die stän dige Ausweitung von Mitbestim-

mungsvorschriften, die zunehmende staatliche

Regulierung des Arbeits marktes und der Arbeitsver-

träge auf eine gesamtwirtschaftlich unerwünschte

Einschränkung der privaten Verfügungsrechte hin-

auslaufen. Eine sinkende Bereitschaft zur Unterneh-

mensgründung und zur Schaffung neuer Arbeits-

plätze ist die unmittelbare Folge.

Es wäre verfehlt, aus vorstehender Kritik den Schluss

abzuleiten, am besten werde auf die regionale und

die sektorale Strukturpolitik verzichtet. Unzweifel-

haft ist Strukturpolitik insoweit erwünscht, als sie

die wirtschaftliche Entwicklung nachhaltig fördert.

Auch gegen eine zeitlich befristete Sozialpolitik, die

die Folgen des Strukturwandels erträglich gestaltet,

ist nichts einzuwenden. Im Übrigen sind die

Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Handeln

so zu setzen, dass wirksame Anreize für strukturelle

V eränderungen entstehen.

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AUFGABE

5. a) Gleiche Lebensstandards in der EU – ist die europäische Strukturpolitik wirklich ein Erfolg?

Beurteilen Sie die Wirksamkeit der EU-Strukturpolitik mithilfe von M4 und M5.

b) „Wer auf Strukturerhaltung setzt, erweist sich als kurzsichtig handelnder Akteur“ (M5, Zeile 30f.).

Nehmen Sie Stellung zu dieser Aussage in Form eines Internetposts.