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57 Stahlbau 83 (2014), Heft 1 DOI: 10.1002/stab.201420135 Berichte Eis- und Schwimmstadion Lentpark in Köln Marc Schulitz Joachim Güsgen Jan Kaußen 1 Einleitung In zwei Jahren Bauzeit entstand in Köln das neue Eis- und Schwimmsta- dion Lentpark nach Entwürfen von Schulitz Architekten aus Braunschweig (Bild 1). Der komplett verglaste Ge- bäudekomplex beherbergt eine Eishalle mit Eishockeyspielfläche (Bild 2) und Eishochbahn (Bild 3), eine Schwimm- halle (Bild 4) mit Sportbecken und Lehrschwimmbecken, eine Saunaland- schaft und Gastronomie. Einzigartig in Europa ist die Eishochbahn, die als Rundkurs durch alle Gebäudeteile führt und so für spannende Ein- und Ausblicke sorgt. Eine intelligente Ver- netzung der technischen Anlagen er- laubt es, die vermeintlich widersprüch- lichen klimatischen Anforderungen der Eis- und Schwimmhalle synerge- tisch zu nutzen und besonders ener- gieeffizient und ressourcensparend zu betreiben. Zentrale Entwurfsidee des Neu- baus ist ein komplett verglaster Soli- tär mit dreieckförmigem Grundriss, der die unterschiedlichen Gebäudebe- reiche sowohl funktionell wie formal vereint. Insgesamt umfasst das Ge- bäude eine Bruttogeschossfläche von mehr als 12000 m 2 . Der parkähnliche Außenraum bietet zudem Platz für ei- nen Naturbadeteich sowie Liege- und Erholungsbereiche. Eine Besucherat- traktion ist die an der Innenseite der Fassade verlaufende Eishochbahn, die in 4,50 m Höhe den gesamten Solitär in einer Länge von 260 m einfasst. Sie ist mit der Eishalle räumlich verbun- den und im Bereich des Schwimmba- des nur durch ein transparentes, hoch wärmegedämmtes Glasband klima- tisch getrennt. Das als leichte Netz- struktur geplante Stahldachtragwerk erlaubt direkte Ausblicke auf die Sil- Bild 1. Außenansicht Lentpark (© Margot Gottschling) Bild 3. Eishochbahn (© Jörg Hempel) Bild 2. Eishalle (© Jörg Hempel)

Eis- und Schwimmstadion Lentpark in Köln

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Page 1: Eis- und Schwimmstadion Lentpark in Köln

57Stahlbau 83 (2014), Heft 1

DOI: 10.1002/stab.201420135

Berichte

Eis- und Schwimmstadion Lentpark in KölnMarc SchulitzJoachim GüsgenJan Kaußen

1 Einleitung

In zwei Jahren Bauzeit entstand in Köln das neue Eis- und Schwimmsta-dion Lentpark nach Entwürfen von Schulitz Architekten aus Braunschweig (Bild 1). Der komplett verglaste Ge-bäudekomplex beherbergt eine Eishalle mit Eishockeyspielfläche (Bild 2) und Eishochbahn (Bild 3), eine Schwimm-halle (Bild 4) mit Sportbecken und Lehrschwimmbecken, eine Saunaland-schaft und Gastronomie. Einzigartig in Europa ist die Eishochbahn, die als Rundkurs durch alle Gebäudeteile führt und so für spannende Ein- und Ausblicke sorgt. Eine intelligente Ver-netzung der technischen Anlagen er-laubt es, die vermeintlich widersprüch-lichen klimatischen Anforderungen der Eis- und Schwimmhalle synerge-tisch zu nutzen und besonders ener-gieeffizient und ressourcensparend zu betreiben.

Zentrale Entwurfsidee des Neu-baus ist ein komplett verglaster Soli-tär mit dreieckförmigem Grundriss, der die unterschiedlichen Gebäudebe-reiche sowohl funktionell wie formal vereint. Insgesamt umfasst das Ge-bäude eine Bruttogeschossfläche von mehr als 12000 m2. Der parkähnliche Außenraum bietet zudem Platz für ei-nen Naturbadeteich sowie Liege- und Erholungsbereiche. Eine Besucherat-traktion ist die an der Innenseite der Fassade verlaufende Eishochbahn, die in 4,50 m Höhe den gesamten Solitär in einer Länge von 260 m einfasst. Sie ist mit der Eishalle räumlich verbun-den und im Bereich des Schwimmba-des nur durch ein transparentes, hoch wärmegedämmtes Glasband klima-tisch getrennt. Das als leichte Netz-struktur geplante Stahldachtragwerk erlaubt direkte Ausblicke auf die Sil-

Bild 1. Außenansicht Lentpark (© Margot Gottschling)

Bild 3. Eishochbahn (© Jörg Hempel)

Bild 2. Eishalle (© Jörg Hempel)

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folgt über Streifen- und Einzelfunda-mente sowie über Gründungsplatten unter den Kernen.

Die Dachkonstruktion beruht auf einer Netzstruktur mit einem rauten-förmigen Grundmodul (Bild 6). Aus der Nutzung ergibt sich eine Dreitei-lung des Daches mit drei unterschied-lichen Hauptspannweiten. Die be-schriebene Netzstruktur besteht für die kleinen Spannweiten außerhalb der Hallenbereiche aus einfachen Walz-trägern. Für die großen Spannweiten von 25,00 m über dem Schwimmbad und bis zu 41,80 m über der Eisfläche kommen leichte, unterspannte Stahl-konstruktionen zum Einsatz (Bild 7). Um eine möglichst leichte, effiziente und den Anforderungen an die Dach-entwässerung angepasste Dachkonst-ruktion zu erreichen, wurde während der Entwurfsplanungsphase die Dach-form über der Eishalle (große Spann-weiten) mit Hilfe der Formfindungs-methode optimiert. Hierbei wird die Dachfläche über der Eishalle derart ausgeformt, dass unter konstantem In-nendruck eine gleichförmig gekrümmte Dachfläche entsteht (Prinzip der Mi-nimalflächen). Die Schnittgrößen, die in den Trägern (Obergurten) der Dach-fläche infolge der äußeren Belastung entstehen, sind überwiegend Normal-kräfte (Bild 8). Biegemomentenanteile, die für das Biegeknickverhalten der

houette der Stadt, die Parklandschaft oder das Eishockeyspielfeld und die Badelandschaft. Umgekehrt lassen sich von der Eisfläche sowie vom Schwimmbecken aus die Eisläufer auf der Hochbahn beobachten. Außenlie-gende Lamellen reduzieren hier ge-zielt den sommerlichen Wärmeeintrag und unerwünschte Blendwirkungen im Innern. Von außen erhält die Fas-sade dadurch ihr dynamisches Er-scheinungsbild. Im Innern profitieren die Besucher von viel natürlicher Be-lichtung und dem abwechslungsrei-chen Spiel von Licht und Schatten.

2 Intelligente Lösungen für hohe Energieeffizienz

Aufgrund der hohen Wirtschaftlich-keit und des niedrigen Energiever-brauchs wurde das Gebäude als erste Eissportstätte Europas in das Green-Building-Programm der EU aufgenom-men. Die synergetische Vernetzung der räumlichen Dispositionen und technischen Anlagen für die vermeint-lich gegensätzlichen Funktionen Eis-sport und Schwimmen ist in vielerlei Hinsicht vorteilhaft. Die Herstellung

des Eises ist begleitet von der Ent-wicklung großer Wärmemengen, die üblicherweise in die Atmosphäre ab-geleitet werden. Im Lentpark hingegen werden durch die Koppelung von Eis-sporthalle und Hallenbad die Energie-verbräuche minimiert, da die Abwärme der Eisproduktion zur Aufheizung des Bades genutzt wird (Bild 5). Die Wär-merückgewinnung der Lüftungsanla-gen hat einen Wirkungsgrad von über 85 %. Für das Badewasser, die WCs und die Eisaufbereitung kommt Brun-nen- und Regenwasser zum Einsatz. Auf dem Dach befindet sich eine groß-flächige Photovoltaikanlage.

3 Tragwerk

Das Tragwerk des Lentparks besteht im Unter- und Erdgeschoss aus Stahl-beton. Die Stahlkonstruktion des Dachs wird im 1. Obergeschoss durch Stahlstützen sowie durch die beiden Erschließungskerne getragen. Die Sta-bilität des Gebäudes wird durch die Kombination von Stahlbetonwänden in den Kernen und drei Aussteifungs-verbänden in der Fassade gewährleis-tet. Die Gründung des Gebäudes er-

Bild 4. Schwimmhalle (© Jörg Hempel)

Bild 5. Energiediagramm Lentpark (© SCHULITZ Architekten)

Bild 6. 3D-Ansicht Dachmodell(© Arup)

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aus bis zu elf umlaufenden Lamellen-bändern aus gewölbten Edelstahlble-chen. Je nach Lage am Gebäude än-dern die Lamellen ihren Neigungs-winkel von horizontal zu vertikal. Die Anordnung der Lamellen erfolgt nach einer Systematik, die sich aus der Überlagerung gegenläufiger Anforde-rungen an Energietechnik, Bauphysik, gestalterischen Wünschen und Blick-beziehungen ableitet: Transparenz und Blickbeziehungen zur Stärkung des Erlebnischarakter, minimaler Energie-

halb von ± 8 mm parallel zur Fassaden-ebene. Um die bauphysikalisch erfor-derliche thermische Trennung zwi-schen dem Schwimmbad und der Eishochlaufbahn zu gewährleisten, sind die Walzprofile des Dachtrag-werks am Übergangsbereich durch Stirnplattenstöße mit elastomeren Zwischenlagen getrennt.

Die hohe Wirtschaftlichkeit der Stahlkonstruktion wird auch beim Brandschutz deutlich. Durch die ge-zielte Anordnung von Wärmeabzugs-flächen in der Dachebene konnte die Stahlkonstruktion ohne Brandschutz-anforderung ausgeführt werden. Dies ist besonders in den zeitweise feuchten Eisbereichen und den Nassbereichen des Schwimmbades mit chlorhaltiger Luft von Vorteil, um einen einheitli-chen und wirtschaftlichen Korrosions-schutz zu gewährleisten. Auf feuer-hemmende Beschichtungen, die meist im Konflikt stehen mit den hier vor-handenen Raumkonditionen, konnte so verzichtet werden.

4 Gebäudehülle

Das gestaltprägende Element des Lent-parks ist die außenliegende Lamellen-fassade (Bild 10). Sie umschließt die thermische Gebäudehülle in einer zweiten Ebene zur Verschattung, Licht- und Blicklenkung. Sie besteht

druckbeanspruchten Obergurte von Bedeutung sind, werden minimiert. Die Vorteile der mit Hilfe der Form-findungsmethode ermittelten Dachflä-che liegen neben der bereits erwähn-ten geeigneten Form für die Dachent-wässerung in der Minimierung der erforderlichen statischen Höhe und der erforderlichen Stahlmenge. Hier-durch wurde die erforderliche Stahl-menge in der Dachkonstruktion auf ca. 60 kg/m² in der endgültigen Form reduziert.

Die bedingt durch die Tempera-turunterschiede innerhalb der Gebäu-dehülle auftretenden Verformungen des Dachtragwerks werden über die Fassadenanschlüsse aufgenommen. Durch die horizontale Lagerung der Dachkonstruktion an den beiden zen-tral gelegenen Kernen (Bild 9) und die zentrale Anordnung der Aussteifungs-verbände in den Seitenflächen des dreieckförmigen Grundrisses werden Zwangskräfte in der Konstruktion in-folge unterschiedlicher Temperaturbe-anspruchung vermieden. Die Dachflä-che kann sich somit zu den abgerun-deten Spitzen des dreieckförmigen Grundrisses hin frei ausdehnen. Die horizontalen Verformungen, die in-folge gleichförmiger Temperaturände-rungen an den Dachrändern entste-hen, liegen innerhalb von ± 15 mm quer zur Fassadenebene und inner-

Bild 7. Dach Eishalle (links) und Schwimmbad (rechts) (© SCHULITZ Architekten)

Bild 8. Normalkraft-verlauf in der Dach-konstruktion (© Arup)

Bild 9. Festlager an den Kernen(© Arup)

Bild 10. Lamellenfassade (© Jörg Hempel)

Page 4: Eis- und Schwimmstadion Lentpark in Köln

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Zwischenraum dient als Fluchtbalkon für die obere Eisbahn.

Autoren dieses Beitrages:Ass.-Prof. Dipl.-Arch. ETH Marc SchulitzSCHULITZ Architekten GmbHViewegstraße 26 38102 Braunschweig

Dr.-Ing. Joachim GüsgenSenior Structural EngineerDipl.-Ing. Jan KaußenSenior Structural EngineerARUPSpeditionstraße 940221 Düsseldorf

nung 15° über die Horizontale hinaus im Bereich der Nordseite (Lichtlen-kung in das Gebäude hinein). Aus der Überlagerung der Anforderungen an die Lamellenfassade ergibt sich ein abwechslungsreiches Spiel von unter-schiedlichen Reflexionen. Nachts lässt eine Effektbeleuchtung die Fassade farbig leuchten. Die Unterkonstruk-tion der Lamellen besteht aus einer Stahlkonstruktion aus T-Profilen, die thermisch getrennt am Haupttrag-werk des Gebäudes befestigt sind. Der sich zwischen den Lamellen und der thermischen Gebäudehülle ergebende

eintrag zur Optimierung der Kältelei-stung für die Eiserzeugung, gleichför-mige Verschattung zur Sicherstellung einer homogenen Eisqualität. Die La-mellenbänder bestehen aus 60 cm breiten und ca. 2,4 m langen gewölb-ten, teilweise gelochten Edelstahlble-chen. Die Neigungswinkel variieren zwischen einer Anordnung 85° aus der Horizontalen (annähernd senk-recht) an der östlichen Rundung und einer horizontalen Anordnung ent-lang der nach Süden gerichteten lan-gen Geraden (sich öffnend zur Park-landschaft) bis hin zu einer Anord-