6
Im Rahmen des geförderten Projekts Elena entwickeln kleine mittelständische Unternehmen aus Baden-Württemberg einen Elektroantrieb-Nachrüstsatz zur Hybridisierung konventioneller Lieferwagen. Die ATZ präsentiert als Beispiel die Umrüstung eines Mercedes-Benz Sprinter. ELEKTROANTRIEB-NACHRüSTSäTZE FüR KONVENTIONELLE LIEFERWAGEN DIPL.-ING. (FH) CHRISTIAN WILK ist Projektingenieur bei der Euro Engineering AG in Stuttgart. DIPL.-ING. PHAN-LAM HUYNH ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Forschungsinstitut für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren in Stuttgart. DR.-ING. MICHAEL GRIMM ist Bereichsleiter Kraft- fahrzeugmechatronik/ Elektronik beim Forschungsinstitut für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren in Stuttgart. PROF. DR.-ING. HANS-CHRISTIAN REUSS ist Leiter des Lehrstuhls Kraftfahrzeugmechatronik am Institut für Verbrennungsmotoren und Kraftfahrwesen der Universität Stuttgart. AUTOREN FORSCHUNG ELEKTROMOBILITäT 998

Elektroantrieb -Nachrüstsätze für konventionelle Lieferwagen

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Elektroantrieb -Nachrüstsätze für konventionelle Lieferwagen

Im Rahmen des geförderten Projekts Elena entwickeln kleine mittelständische Unternehmen aus Baden-Württemberg einen Elektroantrieb-Nachrüstsatz zur Hybridisierung konventioneller Lieferwagen. Die ATZ präsentiert als Beispiel die Umrüstung eines Mercedes-Benz Sprinter.

ELEkTRoANTRIEB-NAcHRüSTSäTZE füR koNvENTIoNELLE LIEfERWAgEN

Dipl.-ing. (FH) CHristian Wilk

ist Projektingenieur bei der Euro Engineering Ag

in Stuttgart.

Dipl.-ing. pHan-lam HuynH

ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim

forschungsinstitut für kraftfahrwesen und fahrzeugmotoren in

Stuttgart.

Dr.-ing. miCHael grimmist Bereichsleiter kraft-fahrzeugmechatronik/

Elektronik beim forschungsinstitut für

kraftfahrwesen und fahrzeugmotoren in

Stuttgart.

proF. Dr.-ing. Hans-CHristian reuss ist Leiter des Lehrstuhls

kraftfahrzeugmechatronik am Institut für

verbrennungsmotoren und kraftfahrwesen der

Universität Stuttgart.

AUToREN

ForsCHung ELEkTRoMoBILITäT

998

Page 2: Elektroantrieb -Nachrüstsätze für konventionelle Lieferwagen

1 einleitung

Um das Ziel der Bundesregierung von einer Million Elektrofahr­zeugen in Deutschland bis 2020 zu erreichen, fördert das Bun­desministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) die Elektromobilität in acht Modellregionen mit insgesamt 130 Mil­lionen Euro aus dem Konjunkturpaket II. Das Programm wird von der Nationalen Organisation Wasserstoff­ und Brennstoffzellen­technologie (NOW GmbH) koordiniert.

Im Rahmen der Modellregion Elektromobilität Region Stuttgart haben sich zwölf Partner verbunden, um gemeinsam das Projekt Elena (Elektroantrieb­Nachrüstsätze) zur Förderung der Elektromo­bilität zu starten. Ziel des Verbundprojekts ist die Entwicklung von Elektroantrieb­Nachrüstsätzen für konventionelle Lieferwagen mit Dieselantrieb und der Aufbau eines Prototyps zur Erprobung und zu Demonstrationszwecken. Bei dem Projekt wurde ein ganzheitlicher Entwicklungsansatz verfolgt. Dieser umfasst neben der Entwicklung der reinen Nachrüstlösung auch den Aufbau von Batterie­Ladesta­tionen und die Schulung und Ausrüstung von Werkstattpersonal.

Das Besondere bei diesem Projekt ist, dass es sich bei den Pro­jektpartnern hauptsächlich um kleine mittelständische Unterneh­men, unterstützt von Hochschulen und Forschungsinstituten aus Baden­Württemberg handelt. Die Projektpartner und deren Aufga­ben im Elena­Projekt sind in ❶ dargestellt.

2 entWiCklungspHasen

In der ersten Projektphase musste zunächst ein Hybridisierungs­konzept erarbeitet werden. Dazu wurden die derzeitig auf dem Markt befindlichen Konzepte und Ideen bei der Hybridisierung recherchiert und bewertet. Nach Analyse der möglichen Hybrid i­sierungskonzepte kristallisierten sich zwei Varianten als denkbare Lösungen für den Elektroantrieb­Nachrüstsatz heraus: der serielle und der parallele Hybridantrieb. Um bei der Entscheidung zwischen den beiden favorisierten Varianten zu unterstützen, wurde ein Si­mulationsmodell erstellt, das wichtige Fahrzeugkenndaten wie Be­schleunigung, Elastizität und Reichweite unter Berücksichtigung von Fahrprofil, Rekuperation und Boostbetrieb des Fahrzeugs für beide Hybridtechniken lieferte. Auch das Einsparpotenzial bezüg­lich Dieselkraftstoff und CO2­Ausstoß konnte simulativ für beide Hybridvarianten und den damit möglichen Betriebsstrategien er­mittelt und miteinander verglichen werden. Nach Betrachtung der Simulationsergebnisse und Bewertung der bekannten Vor­ und Nachteile der beiden Hybridtechniken fiel die Entscheidung zu Gunsten des Parallelhybridantriebs, ❷. Dieser hat den entschei­denden Vorteil, dass das ursprüngliche Fahrverhalten vollständig erhalten bleibt und zusätzlich rein elektrisches und somit emissi­onsfreies Fahren möglich ist. Das vom Modell simulierte Beschleu­nigungsverhalten des beladenen Lieferwagens mit einem Parallel­hybridantrieb für die drei verfügbaren Fahrmodi ist in ❸ dargestellt. Für den weiteren Entwicklungsprozess spielte die Entscheidung für

den Parallelhybrid und den dadurch verfügbaren reinen Elektrobe­trieb des Fahrzeugs vor allem bei der Modifizierung und Steuerung der Nebenaggregate eine wichtige Rolle. Diese müssen auch im rein elektrischen Fahrbetrieb vollständig zur Verfügung stehen.

1 EINLEItUNG

2 ENtWICKLUNGSPHASEN

3 GANZHEItLICHER ENtWICKLUNGSANSAtZ

4 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

araDex agElektrischer Antrieb, konstruktion Motor

FraunHoFer ipa Produktionskonzept, folgemaßnahme, verwertungsplan, Projektmanagement

ForsCHungsinstitut Für kraFtFaHrWesen unD FaHrzeugmotoren stuttgart

Simulation fahrverhalten

HelDele gmbH Batterie-Ladestationen

Huber automotive ag fahrzeugsteuerung

ibz, HoCHsCHule esslingenSystemarchitektur, Pflichtenheft, Prüfplan, koordination der Integration

J. eberspäCHer gmbH & Co. kg Heizgeräte

kompetenznetzWerk meCHatronik bW e. v.

kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit

lauer & Weiss gmbHMechanik-konstruktion gesamtsystem, kühlung für Batterie und elektrische Antriebe

telemotive ag kommunikationsschnittstellen

tüv süD automotive gmbH Sicherheitskonzept

Ws engineering gmbH Werkstattausrüstung, Schulung

❶ Die Elena-Partner und ihre Aufgaben

basisFaHrzeugMercedes Benz Sprinter 313 cDI

kastenwagen mit Hochdach

verbrennungsmotor

oM 651 DE 22 LA

Pnenn = 95 kW

Mmax = 305 Nm

nmax = 4200/min

elektromotor

Motortechnologie: asynchron

Art der kühlung: Wasserkühlung

Pnenn = 60 kW

Pkurzzeitüberlast = 120 kW

Mnenn = 227 Nm

Mmax, kurzzeitüberlast = 458 Nm

nmax = 5910/min

nmax, geschleppt = 8500/min

l = 395 mm

d = 268 mm

m = 100 kg

traktionsbatterie besteHenD aus 3 batteriepaCks

Q = 48 Ah

E = 17,4 kWh

Unenn = 360 v

Je batteriepaCk

l = 1080 mm

b = 145 mm

h = 200 mm

m = 43 kg

zWisCHengetriebe – über-setzungen HybriDstrategie

Hybridbetrieb: 1:1,423 (Elektromotor) 1:1 (verbrennungsmotor)

Rein elektrisch: 1:1,423

Rein verbrennungsmotorisch: 1:1

❷ Technische Daten

12I2011 113. Jahrgang 999

Page 3: Elektroantrieb -Nachrüstsätze für konventionelle Lieferwagen

Zu Beginn des Entwicklungsprozesses wurde als erstes der transportermarkt nach geeigneten Fahrzeugen zum Umrüsten un­tersucht. Neben dem Interesse der Projektpartner, ein Fahrzeug aus deutscher Herstellung zu wählen, lagen die Kriterien zur Aus­wahl vor allem im Bereich der Stückzahl der verkauften Einheiten und der Eignung des Basisfahrzeugs, einen Nachrüstsatz integrie­ren zu können. So fiel die Wahl auf den Sprinter 313 von Mercedes­ Benz in der meistverkauften Version mit mittlerem Radstand und Dieselmotor mit einer Leistung von 95 kW.

Im nächsten Schritt mussten die bereits durchgeführten Simu­lationsuntersuchungen weiter verfeinert werden, um die benötig­ten technischen Eckdaten wie Drehmoment und Leistung sowie Batteriekapazität in Abhängigkeit des verfügbaren Bauraums fest­zulegen. So wurde die Dimensionierung des elektrischen Antriebs, vor allem im rein elektrischen Fahrbetrieb, in Bezug auf Steigfä­higkeit, Geschwindigkeit und Reichweite durch ausgiebige Simu­lationen ermittelt. Dabei stand die Dimensionierung des elektri­

schen Antriebs im Zielkonflikt mit dem verfügbaren Bauraum. Die Simulation wurde mit einem komplexen Modell in Matlab/Simu­link durchgeführt, während die Dimensionierung der Komponen­ten aufgrund der in der Simulation errechneten Daten erfolgte und mit den nutzbaren Bauräumen in einem CAD­Modell abgestimmt wurde. Dies hatte vor allem Einfluss auf die Dimensionierung des Elektromotors, da dieser an der Kardanwelle des Fahrzeugs mit Hilfe eines Zwischengetriebes angeflanscht werden sollte und der Bauraum begrenzt ist.

Neben dem elektrischen Antrieb, der speziell für den Nachrüst­satz entwickelt wurde, mussten noch eine Reihe weiterer Kompo­nenten, die für den elektrischen Fahrbetrieb erforderlich sind, zu­sätzlich im Fahrzeug integriert werden. Bei diesen Bauteilen han­delt es sich sowohl um neu entwickelte als auch auf dem Markt erhältliche Komponenten. Der Asynchronmotor wird durch einen Wechselrichter angesteuert. Beide sind exakt aufeinander abge­stimmt und bilden so ein kompaktes und effizientes System. Das gesamte elektrische Antriebssystem wurde vor dem Einbau in das Fahrzeug auf dem Prüfstand ausgiebig getestet und optimiert. Der wassergekühlte Elektromotor verfügt über eine Dauerleistung von 60 kW und ein Drehmoment von 227 Nm. Die Spitzenleistung be­trägt 120 kW bei einem Spitzendrehmoment von kurzzeitig bis zu 458 Nm. Der Elektromotor wiegt inklusive Gehäuse knapp 100 kg. Um die Leistung über die Kardanwelle auf die Hinterachse zu über­tragen, wird ein zusätzliches Zwischengetriebe benötigt. Da die Ent­wicklung eines neuen Getriebes den zeitlichen und finanziellen Rahmen des Projekts gesprengt hätte, wurde nach einer schnelle­ren und günstigeren Lösung gesucht. Hier wurde nach ausgiebiger Recherche ein Verteilergetriebe aus einem Fahrzeug mit Allradan­trieb gefunden, welches sich nach Kontaktaufnahme mit dem Ge­triebehersteller als mögliche Lösung herausstellte. Die zweiteilige Kardanwelle wurde durch eine dreiteilige ersetzt und der Elektro­motor mit Hilfe des Zwischengetriebes mit der Kardanwelle verbun­den. Das eingebaute Zwischengetriebe mit zwei internen Kupplun­gen ermöglicht eine Zuschaltung des Elektromotors zum Verbren­nungsmotor, sowie die trennung des Verbrennungsmotors von der Hinterachse, ❹. So sind drei mögliche Fahrzustände schaltbar: der

❸ Beschleunigungsverhalten bei beladenem fahrzeug

❹ Schematische Darstellung Zwischengetriebe

ForsCHung ELEkTRoMoBILITäT

1000

Page 4: Elektroantrieb -Nachrüstsätze für konventionelle Lieferwagen

rein verbrennungsmotorische Antrieb, der rein elektromotorische Antrieb und die Kombination beider Antriebsquellen.

Um den elektrischen Antrieb aus Elektromotor und Wechselrich­ter, das Zwischengetriebe und die traktionsbatterien unter dem Fahrzeug anzubringen, wurden spezielle Halter und Rahmen kons­truiert, ❺. Diese müssen zum einen die Kräfte abstützen und die Komponenten gegen Schläge schützen, aber auch die Möglichkeit der Nachrüstung an das Basisfahrzeug muss gewährleistet sein. Bei der Auslegung dieser Halter und Rahmen wurden Festigkeits­untersuchungen durchgeführt. Dabei wurden verschiedene Be­triebslastfälle in Finite­Elemente­Modellen simuliert.

Für die Kühlung der Antriebskomponenten wurde ein zweiter Kühlkreislauf mit eigenem Kühler installiert, der durch zusätzlich integrierte elektrische Wasserpumpen die Wärmeabfuhr beim rein elektrischen Fahren und im Hybridbetrieb regelt. Dabei wurden zur thermischen Absicherung und zur Auslegung des Kühlkreis­laufes der elektrischen Komponenten Strömungssimulati onen durchgeführt.

Aufgrund der ausführlichen Bauraumuntersuchung zu Beginn des Projekts war es möglich den Nachrüstsatz ohne größere Ver­änderungen des Basisfahrzeugs zu integrieren. So musste ledig­lich die Abgasanlage versetzt und die Kardanwelle getauscht wer­den, ❻. Dank des guten Packaging im Unterboden steht der kom­plette Laderaum weiterhin zur Verfügung.

Neben den Komponenten des Antriebs wurden weitere Kompo­nenten benötigt, um rein elektrisches Fahren zu ermöglichen, oh­ne Einbußen in Bezug auf Fahrverhalten und Komfort zu verursa­

❺ Motor-/getriebeeinheit und Befestigungen

❻ komponenten im Unterboden des Elena-fahrzeugs:1 getriebe 2 Elektromotor 3 verlegte Abgasanlage 4 kardanwelle 5 Wechselrichter 6 Hv-Anschlussbox Ladegeräte 7 Traktionsbatterie

Contact John AldridgeTel: +44 (0) 1189 886823Email: [email protected]

2012 On the road againEuropean Automotive Technology Roadshow mit

Bereits zum 8. Mal öffnet diese Roadshow Anbietern von Komponenten, Software und Dienstleistungen die Türen bei den OEMs und Tier 1 Automotive Lieferanten in Europa.

• Stellen Sie Ihre Produkte direkt den Entscheidern in der Automobilindustrie vor.• Treffen Sie Ingenieure aus den Bereichen Design, Projekt, Testing und F&E.• Zeigen Sie Ihre Produkte auf dem eigenen Stand im Demonstrationfahrzeug.• Profitieren Sie von persönlichen Kundengesprächen durch Ihre Mitarbeiter direkt an Bord.

Besuchte Firmen 2011:Aston Martin, Audi, Bentley, BMW, Daimler, Ford, Honda, Hyundai, Jaguar, Land Rover, Johnson Controls, Nissan, Opel, Toyota, TRW, ZF

Begleiten Sie uns auf direktem Weg zu Ihren Neukunden!

12I2011 113. Jahrgang 1001

Page 5: Elektroantrieb -Nachrüstsätze für konventionelle Lieferwagen

chen. So wurde eine Zusatzheizung installiert, um während des elektrischen Fahrbetriebs den Komfort für den Fahrer aufrecht zu erhalten. Die Heizung besteht aus einem Heizmodul, welches mit Ethanol befeuert wird, einem kleinen Ethanoltank und der dazu­gehörigen Regelelektronik. Die erwärmte Luft wird über das beste­hende Gebläse in den Fahrzeuginnenraum geführt, wobei der Fah­rer die gewünschte temperatur bequem vom Cockpit aus über ein zusätzlich eingebautes Heizungsbedienelement regeln kann. Als weitere Peripheriekomponente wurde eine elektrische Lenkhilfe­pumpe installiert, die im elektrischen Fahrbetrieb für die Unter­stützung des Fahrers beim Lenken sorgt. Hier wurde ein auf dem Markt befindliches Serienteil verwendet, welches für die Anforde­rungen in diesem speziellen Fall angepasst wurde.

Neben dem zusätzlichen Niedervoltkabelbaum, der die zusätz­lichen Niedervoltkomponenten verbindet, wurde ein Hochvoltka­belbaum installiert. Dieser verbindet alle Hochvoltkomponenten bestehend aus Elektromotor, Wechselrichter, traktionsbatterie, HV­Anschlussbox, DC/DC­Wandler und Ladegerät. Die traktions­batterie besteht aus drei Modulen, die am Unterboden des Fahr­zeugs angebracht sind. Die Nennspannung der Batterie liegt bei 360 V. Die Kapazität der Batterie beträgt circa 17 kWh bei einem Gewicht von circa 130 kg. Damit ist eine Reichweite von circa 50 km im rein elektrischen Fahrbetrieb möglich. Das Ladegerät wurde im Cockpit unter der Beifahrersitzbank untergebracht und ermöglicht das Laden sowohl einphasig an 220 V als auch an drei­phasigen Ladestationen.

Für die Regelung des gesamten Systems wurde ein spezielles Steuergerät entwickelt, welches die Kommunikation zwischen den nachgerüsteten Komponenten übernimmt. Des Weiteren liest es alle im Originalsteuergerät gesendeten Daten aus und verarbeitet diese mit. Dies ist insbesondere für sicherheitsrelevante Funkti­onen wie ESP und ABS notwendig, damit diese auch im rein elekt­rischen Fahrbetrieb zur Verfügung stehen. Außerdem überwacht das zusätzliche Steuergerät die Funktionsfähigkeit der Komponen­

ten des Nachrüstsatzes, ❼. Das entwickelte Steuergerät wurde vor dem Einbau in das Elena­Fahrzeug im Simulationsmodell ohne Sicherheitsrisiko auf Funktionsfähigkeit und ­sicherheit getestet, verifiziert und validiert. Für den Fahrer bleibt dieser Regelungs­aufwand jedoch unbemerkt. Er hat als einzige Schnittstelle das neu entwickelte HMI­Display mit touchscreen, ❽, mit dem er die Betriebsmodi auswählen kann und über relevante Daten wie Ladezustand informiert wird.

Neben den bereits vorhandenen konventionellen Gas­ und Bremspedalen wurde noch eine Art Retarderschalter am Cockpit installiert, über den der Fahrer die Möglichkeit hat, die Stärke der Rekuperation des elektrischen Antriebs in mehreren Stufen einzu­stellen, ❾. Hiermit hat der Fahrer im Hybridbetrieb auch die Mög­lichkeit, die traktionsbatterie während der Fahrt zu laden. Es ist immer der Fahrer, der entscheiden kann, in welchem Betriebsmo­dus er fahren will. Er wird nicht von einer elektronischen Regelung bevormundet. So ist auf langen Strecken ein rein verbrennungs­

❼ Systemarchitektur Steuergerät

❽ HMI-Display

ForsCHung ELEkTRoMoBILITäT

1002

DO

I: 10

.136

5/s3

5148

-011

-023

3-7

Page 6: Elektroantrieb -Nachrüstsätze für konventionelle Lieferwagen

motorisches Fahren mit dem Dieselmotor in einem sehr guten Wirkungsgradbereich möglich, ohne den elektrischen Antrieb mit­zuschleppen, da dieser vollständig entkoppelt ist. Ist die trak­tionsbatterie allerdings entladen, kann er durch Einkoppeln des elektrischen Antriebs die Batterie laden, indem der Elektromotor als Generator genutzt wird. So bleibt der Fahrer unabhängig und ist nicht an eine Ladesäule gebunden. Kommt er jedoch in hüge­liges Gelände oder will sportlicher fahren, kann der Fahrer im Hyb­ridmodus die Leistung beider Antriebssysteme voll ausschöpfen. In Umweltzonen oder Hallen hat der Fahrer wiederum die Möglich­keit, rein elektrisch und somit völlig emissionsfrei zu fahren. Dies ist bis zu einer elektronisch abgeregelten Geschwindigkeit von cir­ca 90 km/h möglich. Hier kann der Fahrer auch mit Hilfe seines Lenkstockschalters die Bremskraft regeln. Er schont dadurch sei­ne konventionelle Bremse und hat weniger Verschleiß. Da sowohl der Verbrennungsmotor als auch der Elektromotor ihre Kräfte über die Hinterachse auf die Straße bringen, bleibt die ursprüngliche Fahrdynamik des Heckantriebs in allen drei Fahrmodi erhalten.

3 ganzHeitliCHer entWiCklungsansatz

Wesentliche Bestandteile für den erfolgreichen Entwicklungsprozess innerhalb von 18 Monaten waren die Erstellung umfangreicher Las­tenhefte mit den Spezifikationen der einzelnen Komponenten und den Schnittstellen zwischen diesen Komponenten sowie die sehr gute Abstimmung zwischen den beteiligten Projektpartnern.

Das Projekt beinhaltete neben der Entwicklung der reinen Nach­rüstlösung auch weitere wichtige themengebiete der Elektromo­bilität. So wurde eine Batterie­Ladestation aufgebaut und die Kommunikation der Ladesäule mit dem Fahrzeug sichergestellt. So ist ein dreiphasiges Laden des Elena­Fahrzeugs mit der Lade­säule möglich. Es wurden Methoden und Schulungsunterlagen konzipiert, mit denen Kfz­Werkstätten hinsichtlich Qualität, Wirt­schaftlichkeit und Arbeitssicherheit für die Elektrifizierung von Fahrzeugen geschult werden können. Zudem wurden auch entspre­chend notwendige Werkzeuge und Vorrichtungen für den Einbau der Elektroantrieb­Nachrüstsätze entwickelt und den Werkstätten

bereitgestellt. Beim Umbau des Prototyps wurde jeder Schritt in einer Montageanleitung dokumentiert.

Um die Sicherheit des entwickelten Nachrüstsatzes zu gewähr­leisten, wurde das Projekt stets unter Berücksichtigung der aktu­ellsten Normen und Standards durchgeführt. Dazu gehörte die Er­stellung eines integralen Sicherheitskonzepts. Dies beinhaltete die Durchführung einer umfangreichen Gefahren­ und Risikoanalyse für alle drei verfügbaren Fahrmodi, eine Systemanalyse auf Basis der Lastenhefte und die funktionale und elektrische Sicherheit des Nachrüstsatzes. Alle im ursprünglichen Fahrzeug vorhandenen Sicherheitssysteme stehen in allen drei Fahrmodi uneingeschränkt zur Verfügung und gewährleisten damit auch nach dem Umbau eine hohe Sicherheit.

Der Einbau der entwickelten Komponenten in das Elena­Fahr­zeug ist ohne Probleme erfolgt und die ersten Fahrversuche sind erfolgreich durchgeführt worden. Im nächsten Schritt wird das Fahrzeug ausführlich nach Prüfplan untersucht und anschließend eine Einzelzulassung durchgeführt.

4 zusammenFassung unD ausbliCk

Im Rahmen der Modellregion Elektromobilität Region Stuttgart ha­ben zwölf Partner einen Elektroantrieb­Nachrüstsatz für konventio­nelle Lieferwagen mit Dieselmotor entwickelt und damit ein De­monstrationsfahrzeug ausgerüstet. Der aufgebaute und fahrbereite Prototyp kann rein verbrennungsmotorisch, rein elektrisch und im Hybridmodus betrieben werden. Die Auswahl des Fahrbetriebs er­folgt durch den Fahrer über einen HMI­touchscreen, der ihm alle wichtigen Informationen zu Batteriestatus, Rekuperation und Boostverfügbarkeit anzeigen kann. Der große Vorteil dieses Hybrid­konzepts besteht in der Möglichkeit, das Fahrzeug wie im ursprüng­lichen Zustand ohne Einschränkungen auf der Autobahn rein ver­brennungsmotorisch betreiben zu können. Im Innenstadtbereich ist rein elektrisches Fahren oder der Hybridbetrieb möglich. Das Fahrzeug bietet mit der elektromotorischen Rekuperationsbremse auch die Möglichkeit, während der Fahrt die Batterie zu laden. Dazu wurde im Fahrerhaus ein Rekuperationshebel mit mehreren Stufen zusätzlich integriert. Neben der Entwicklung des reinen Elektroantrieb­Nachrüstsatzes und dem Aufbau eines Demonstra­tionsfahrzeugs wurde eine Batterie­Ladesäule, die ein dreiphasiges Laden ermöglicht, aufgebaut sowie Schulungs­ und Ausrüstungs­material für die Kfz­Werkstätten entwickelt und bereitgestellt.

In der nächsten Projektphase sollen weitere Fahrzeuge mit dem Nachrüstsatz ausgerüstet und im realen Einsatz getestet werden, um die Alltagstauglichkeit des Nachrüstsatzes zu demonstrieren. Langfristig wird eine Kleinserienzulassung für den Elektroantrieb­Nachrüstsatz angestrebt.

❾ cockpit1 Rekuperationshebel 2 HMI-Touchscreen 3 Heizungsbedienelement

reaD tHe englisH e-magazine order your test issue now: [email protected]

DoWnloaD Des beitrags www.ATZonline.de

12I2011 113. Jahrgang 1003